Internationales Steuerrecht: Außensteuerrecht - Doppelbesteuerungsrecht [3. völlig überarbeitete Auflage] 9783504381233

Achtung: Neuauflage bereits im Angebot! Mit der Globalisierung hat die internationale Verflechtung der Wirtschaftsbezi

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German Pages 1263 [1264] Year 2010

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Internationales Steuerrecht: Außensteuerrecht - Doppelbesteuerungsrecht [3. völlig überarbeitete Auflage]
 9783504381233

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Schaumburg Internationales Steuerrecht

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Internationales Steuerrecht Außensteuerrecht Doppelbesteuerungsrecht von

Prof. Dr. Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Honorarprofessor an der Universität zu Köln

3., völlig überarbeitete Auflage

2011

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZei.chnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de

ISBN 978-3-504-26022-4 ©2.011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen nnd die Einspeicherung nnd Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig nnd umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort zur 3. Auflage Nach Erscheinen der zweiten Auflage haben geneigte Leser und wohlmeinende Rezensenten angemahnt, doch bald die dritte Auflage nachfolgen zu lassen. Dass dies erst jetzt geschieht, ist vor allem auf meine zeitaufwändige Beratungstätigkeit zurückzuführen. Immerhin habe ich die hierdurch weiterhin gewonnenen praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse für die dritte Auflage nutzen können. Obwohl das Steuerrecht seit vielen Jahren durch eine permanente Reform geprägt ist, haben die System tragenden Prinzipien des Steuerrechts, von denen ich mich in den beiden Vorauflagen habe leiten lassen, unverändert Geltung. Dies ist zuletzt noch vom Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof durch verschiedene Entscheidungen eindrucksvoll bestätigt worden. Insofern bedurfte die Darstellung der einführenden Grundlagen lediglich der Ergänzung. Dabei war allerdings auch das Europarecht, das in dieser Zeit durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine rasante Entwicklung hinter sich gebracht hat, in besonderer Weise zu berücksichtigen. Im Übrigen ist das Internationale Steuerrecht nicht gerade einfacher geworden. Die zahlreichen Gesetzesänderungen, die hierzu ergangene Rechtsprechung und das umfangreiche Schrifttum hätten eigentlich Anlass gegeben, den Umfang der dritten Auflage erheblich anwachsen zu lassen. Um dies zu vermeiden und das „Internationale Steuerrecht“ lesbar zu halten, habe ich die Darstellung auf die aus meiner Sicht wesentlichen Kernbereiche beschränkt. Wie bei den Vorauflagen hat meine Ehefrau meine Arbeiten engagiert begleitet und fachlich kompetent unterstützt. Daher sei ihr auch die dritte Auflage in Dankbarkeit gewidmet. Bonn, im Oktober 2010

Harald Schaumburg

Vorwort zur 1. Auflage Das Steuerrecht ist weit davon entfernt, als Gerechtigkeitsordnung verstanden zu werden. Als Massenfallrecht entzieht es sich weitgehend rationaler Klarheit und Einsichtigkeit. Nicht konzeptionelle, an den Grundrechten orientierte Wertungsmaßstäbe regieren das Steuerrecht, sondern durchweg auf Aufkommensmaximierung gerichtete Regellosigkeit. Dies gilt in besonderem Maße für das Internationale Steuerrecht, das mit sei-

V

Vorwort zur 1. Auflage

nen Teilrechtsgebieten Außensteuerrecht und Doppelbesteuerungsrecht in mehreren Steuergesetzen normativ verankert und damit unterschiedlichen Wertungen unterworfen ist. Ein derartiger Befund ist an sich keine Ermutigung, ein Buch zu schreiben, das es sich unter anderem zum Anliegen gemacht hat, die Wertungen des Internationalen Steuerrechts sichtbar zu machen. Mein akademischer Lehrer Klaus Tipke hat mich ermuntert, ein solches Buch dennoch zu verfassen und hierbei meine Erfahrungen als Lehrbeauftragter und als insbesondere auf dem Gebiet des Internationalen Steuerrechts tätiger Berater einzubringen. Hervorgegangen ist dieses Buch aus meinen Vorlesungsskripten „Außensteuerrecht“ und „Doppelbesteuerungsrecht“, die ich seit Jahren begleitend zu meinen Vorlesungen „Grundzüge des Internationalen Steuerrechts“ an der Universität zu Köln herausgebe. Die äußere Stoffanordnung habe ich beibehalten. Sie entspricht dem didaktischen Konzept meiner Vorlesungen. Das Buch wendet sich sowohl an den mit Internationalem Steuerrecht befaßten Praktiker als auch an jene, die sich mit diesem Rechtsgebiet oder Teilbereichen hieraus vertraut machen wollen. Es ist mir darauf angekommen, das internationale Steuerrecht mit seinen normübergreifenden Zusammenhängen darzustellen und hierbei die verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Bezüge aufzuzeigen. Die enorme Stoffülle machte es erforderlich, eine Themenauswahl zu treffen und die Ausführungen auf das Wesentliche zu beschränken, ohne die insbesondere für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen wichtigen Einzelheiten allzusehr zu vernachlässigen. Soweit erklärende und problematisierende Kurzdarstellungen angebracht waren, sind diese im laufenden Text durch einen hellgrauen Hintergrund besonders gekennzeichnet. Es war nicht einfach, als Partner einer aus Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bestehenden Kanzlei die Zeit für das Schreiben dieses Buches zu finden. Das Buch wäre nicht zustande gekommen, hätte meine Ehefrau meine Arbeiten hieran nicht über Jahre hinweg mit Verständnis und fachlich kompetentem Rat begleitet. Dieses Buch sei ihr daher in Dankbarkeit gewidmet. Bonn, im Januar 1993

VI

Harald Schaumburg

Inhaltsübersicht Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXVII

1. Teil: Einführende Grundlagen Rz.

Seite

Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts . . . . . . .

1.1

1

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

5

.

2.1

5

. . . .

2.3 2.10 2.21 2.24

7 9 12 14

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts .

3.1

15

. . . . .

3.1 3.4 3.15 3.21 3.44

16 17 21 24 37

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . .

4.1

63

. . . . . .

4.1 4.4 4.12 4.41 4.48 4.50

63 64 70 89 92 93

Kapitel 5 Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

101

A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . B. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1 5.9

101 105

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen . . E. Vereinfachungszwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. B. C. D. E.

A. B. C. D. E. F.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Normen . . . . . . . . . . Supranationale Normen (Europarecht) Zur Normenhierarchie . . . . . . . . . . . . Europäisches Steuerrecht . . . . . . . . . .

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichheitssatz des Grundgesetzes . EU-Diskriminierungsverbote . . . . . EWR-Diskriminierungsverbote . . . GATT-Diskriminierungsverbote . . . DBA-Diskriminierungsverbote . . . .

. . . . . .

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2. Teil: Außensteuerrecht

VII

Inhaltsübersicht Rz.

Seite

C. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.99 D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . 5.283 E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.337

146 222

Kapitel 6 Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

270

A. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1 6.9

270 275

6.28

284

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . .

7.1

297

. . . .

7.1 7.8 7.31 7.53

297 299 310 319

Kapitel 8 Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

324

. . . . .

8.1 8.3 8.11 8.12 8.13

324 325 327 327 328

Kapitel 9 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

329

9.1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 B. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.116

329 331 370

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . .

10.1

374

10.1 10.7 10.15 10.37 10.67 10.154

374 378 380 390 400 434

A. B. C. D.

A. B. C. D. E.

A. B. C. D. E. F.

VIII

Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . .

Einleitung . . . . . . . . . . . . Steuerobjekt . . . . . . . . . . Steuersubjekt . . . . . . . . . Gewerbeertrag . . . . . . . . Pauschbetragsfestsetzung

. . . . .

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Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . .

241

Inhaltsübersicht Rz.

Seite

11.1

469

. . . . .

11.1 11.10 11.15 11.17 11.32

469 473 475 477 481

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . .

12.1

483

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . .

13.1

489

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . .

14.1

493

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . 14.1 B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . 14.16 C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . 14.40

495 503 512

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.1

514

. 15.1 . 15.151 . 15.217 . 15.243

514 570 594 604

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstand der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . Zurechnungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des zuzurechnenden Einkommens

. . . . .

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3. Teil: Doppelbesteuerungsrecht

A. B. C. D.

Einkommensteuer Körperschaftsteuer Gewerbesteuer . . . Erbschaftsteuer . . .

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L. M.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Multinationale Entwicklung . . . . . . . . . . Abschluss und Wirksamwerden von DBA Änderungen und Erlöschen von DBA . . . . Anwendung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerumgehung bei DBA . . . . . . . . . . . . Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . Steuerberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung der Steuergüter . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . .

16.1

610

16.1 16.12 16.19 16.24 16.29 16.49 16.124 16.169 16.184 16.189 16.194 16.211 16.512

610 615 618 622 624 633 672 691 700 702 704 711 846

IX

Inhaltsübersicht

4. Teil: Übergreifende Themen Rz.

Seite

17.1

873

. 17.1 . 17.25 . 17.70 . 17.187

873 883 908 965

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht . . . . . A. B. C. D.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

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. . . .

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung A. B. C. D.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten . . . . . . . Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

18.1

978

. 18.1 978 . 18.9 982 . 18.66 1015 . 18.80 1028

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung . . . . . . .

19.1 1086

A. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 1086 B. Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.7 1090 C. Internationaler Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . 19.53 1112

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147

X

Inhaltsverzeichnis Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXVII

1. Teil: Einführende Grundlagen Rz.

Seite

Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts . . . . . . .

1.1

1

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

5

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

5

B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3

7

C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen .

2.10

9

D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen . . .

2.21

12

E. Vereinfachungszwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.24

14

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts .

3.1

15

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1

16

B. Völkerrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.4

17

. . . .

3.4 3.6 3.11 3.14

17 17 19 20

C. Supranationale Normen (Europarecht) . . . . . . . . . . . . . .

3.15

21

D. Zur Normenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.21

24

I. II. III. IV. V.

. . . . .

3.21 3.23 3.24 3.28 3.43

24 24 25 28 36

E. Europäisches Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.44

37

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.44 3.50 3.50

39 40 40

I. II. III. IV.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Verträge . . . Völkergewohnheitsrecht . . . . Allgemeine Rechtsgrundsätze

. . . .

. . . .

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Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts Der Rang völkerrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . Der Rang supranationaler Normen (Europarecht) . . Der Rang innerstaatlicher Normen . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . . .

. . . .

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. . . . .

XI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. . . . . . . . . . . .

3.54 3.58 3.58 3.58 3.61 3.65 3.69 3.72 3.74 3.79 3.83 3.83

44 46 46 46 48 50 50 52 52 55 57 57

.. ..

3.86 3.92

59 61

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . .

4.1

63

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

63

B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . .

4.4

64

C. EU-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.12

70

I. Allgemeines Diskriminierungsverbot und Freizügigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielrichtung und Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigungsgründe für Eingriffe . . . . . . . . . . . . 4. Die einzelnen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . a) Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

4.12 4.15 4.15 4.17 4.21 4.23 4.23 4.27 4.29 4.34 4.37

71 73 73 74 77 79 79 81 83 86 87

D. EWR-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.41

89

E. GATT-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.48

92

F. DBA-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.50

93

...... ...... ......

4.50 4.51 4.55

94 95 97

......

4.59

98

2. Unionskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stand der Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Harmonisierungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . b) Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zins- und Lizenz-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zinsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schiedsverfahrenskonvention . . . . . . . . . . . . . . g) Bilanzrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indirekte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Harmonisierungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsatzsteuer-Richtlinien und Mehrwertsteuersystem-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbrauchsteuer-Richtlinien/Systemrichtlinie .

I. II. III. IV.

XII

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung Verbot der Betriebsstättendiskriminierung . . . . . Verbot der Diskriminierung nicht ansässiger Empfänger von Betriebsausgaben . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

4.61

99

Kapitel 5 Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

101

A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . .

5.1

101

B. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.9

105

. . . . . . . . . . . .

5.9 5.12 5.20 5.28 5.34 5.34 5.36 5.37 5.40 5.40 5.43 5.47

105 106 108 110 113 113 114 115 117 117 119 121

. . . .

5.53 5.61 5.61 5.62

123 129 129 129

. . . . . .

5.69 5.86 5.90 5.90 5.94 5.96

132 141 143 143 145 145

C. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.99

146

V. Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung . . . . . . . .

2. Teil: Außensteuerrecht

I. II. III. IV. V.

VI. VII.

VIII. IX.

Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. NATO-Truppenstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . 1. Europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 3. Familienstandsbezogene Steuerermäßigungen . . . . Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchbrechungen des Welteinkommensprinzips . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fiskalimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlustausgleichsbeschränkung (§ 2a Abs. 1 und 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerfreistellung durch DBA . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerfreistellungen nach innerstaatlichem Recht a) Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslandstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Objektsteuercharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchbrechung des Nettoprinzips . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen das Ausländer-Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Qualifizierung der inländischen Einkünfte . . . . . . 1. Inlandsbezogene Qualifikationsmerkmale . . . . . 2. Isolierende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

5.99 5.103 5.106 5.106 5.109

147 148 149 149 151

. . . .

. . . .

. . . .

5.123 5.127 5.127 5.130

157 159 159 161

XIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

5.135 5.135 5.137 5.137 5.141 5.154 5.160

163 163 163 163 165 171 174

5.166 5.169

176 177

5.183

183

5.191 5.197 5.205 5.216 5.224 5.233 5.241 5.241 5.244 5.255 5.255

185 189 192 197 201 203 206 206 207 210 211

5.257 5.263 5.267 5.271 5.273 5.276 5.277 5.281

212 214 215 217 218 219 220 221

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . 5.283

222

5.283 5.291 5.291 5.294 5.296 5.298 5.306 5.306 5.308

223 225 225 226 227 227 230 230 231

V. Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ständiger Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beförderung mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen . e) Internationale Betriebsgemeinschaften oder Pool-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Darbietungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Vermietung und Verpachtung sowie Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . 4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . 7. Sonstige Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Veranlagung und Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerabzug auf Bruttobasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Steuerabzug auf Nettobasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuerabzug auf Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abzugsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Erstattungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren . . . . . . 4. Steuererlass/Pauschbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Frühere unbeschränkte Steuerpflicht im Inland . 3. Ansässigkeit im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmittelbare Inlandsinteressen . . . . . . . . . . . . .

XIV

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

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. . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

5.316 5.318 5.318 5.319 5.324

233 234 234 235 237

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

5.330 5.330 5.332 5.333 5.336

239 239 239 240 240

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.337

241

. . . . . . . . . . . . . . . .

5.337 5.345 5.345 5.347 5.349 5.353 5.357 5.357 5.358 5.362 5.367 5.374 5.381 5.382 5.382 5.383

241 244 244 247 248 250 253 253 254 256 258 260 263 264 264 264

Kapitel 6 Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

270

A. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

270

I. II. III. IV. V. VI.

. . . . .

6.1 6.2 6.4 6.6 6.7

270 270 272 273 273

.

6.8

275

B. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.9

275

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuersubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.9 6.14

276 278

3. Mittelbare Inlandsinteressen . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung erweiterter Inlandseinkünfte . . . . 3. Vollprogression und Mindeststeuer . . . . . . . . . V. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . 3. Zurechnungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Steuerentstrickung/Steuerverstrickung . . . . . . II. Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite der Steuerentstrickung . . . . . . . 3. Steuerentstrickung im Betriebsvermögen . . III. Steuerfolgen der Steuerverstrickung . . . . . . . . IV. Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG . . . . . . . . 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konzeptionelle Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorübergehende Abwesenheit . . . . . . . . . . . 7. Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wegzug in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . b) Wegzug in EU-/EWR-Staaten . . . . . . . . . .

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Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektsqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. . . . .

6.17 6.21 6.21 6.23 6.27

279 281 281 281 283

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.28

284

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wegzug von Kapitalgesellschaften . 1. Rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . 2. Wegzug in einen EU-/EWR-Staat 3. Wegzug in einen Drittstaat . . . . . III. Zuzug von Kapitalgesellschaften . . 1. Rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . 2. Steuerverstrickung . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

6.28 6.29 6.29 6.32 6.41 6.47 6.47 6.49

285 286 286 288 291 293 293 294

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . .

7.1

297

A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . . . .

7.1

297

B. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.8

299

. . . . .

7.8 7.14 7.22 7.22 7.25

300 302 306 306 308

....

7.26

308

C. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.31

310

I. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inlandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifizierung des Inlandsvermögens . . . . . . . . 3. Die einzelnen Vermögensgruppen . . . . . . . . . . . a) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländisches Grundvermögen . . . . . . . . . . . . c) Inländisches Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . d) Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Patente, Gebrauchsmuster und Topographien f) Wirtschaftsgüter, die einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind . . . . . . . . g) Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen

. . . . .

7.31 7.32 7.32 7.33 7.34

311 311 311 312 312

.... .... ....

7.34 7.35 7.36

312 313 313

.... ....

7.38 7.41

314 315

.... ....

7.42 7.43

315 316

III. Inländische Einkünfte . . . . . . IV. Veranlagung und Steuerabzug 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . 3. Erstattung und Freistellung

. . . . .

. . . . .

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I. Persönliche Steueranknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Objektsqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . 1. Abwanderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslandsbedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besteuerung des Weltvermögens (Weltvermögensprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVI

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Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

h) Forderungen aus stiller Beteiligung und partiarischem Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Nutzungsrechte am Inlandsvermögen . . . . . . . . . 4. Ermittlung und Bewertung des Inlandsvermögens . .

7.46 7.49 7.50

317 318 318

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . .

7.53

319

I. II. III. IV.

..... ..... .....

7.53 7.59 7.62

319 321 321

..... .....

7.65 7.66

323 323

Kapitel 8 Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

324

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

324

B. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.3

325

C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.11

327

D. Gewerbeertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.12

327

E. Pauschbetragsfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.13

328

Kapitel 9 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

329

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

329

B. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.6

331

9.6 9.7 9.7 9.10 9.28 9.31 9.32 9.33 9.55 9.56 9.57 9.61 9.74 9.74 9.77 9.81 9.86

331 331 331 332 339 340 341 341 350 351 351 352 356 357 357 359 360

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbare Umsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lieferungen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstandsentnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personalzuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unentgeltliche Lieferungen . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Leistungen im Inland . . . . . . . . . . . . . 7. Nutzungsentnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unentgeltliche sonstige Leistungen . . . . . . . . . 9. Einfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Innergemeinschaftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . III. Steuerfreie Export-Umsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmungslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausfuhrlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr 4. Innergemeinschaftliche Lieferungen. . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. 9.90 . 9.91 . 9.97 . 9.100 . 9.101 . 9.102

362 362 364 365 366 366

. . . . . . . . 9.103 . . . . . . . . 9.104

366 367

. . . . . . . . 9.105 . . . . . . . . 9.106 . . . . . . . . 9.108

367 367 368

C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.116

370

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . .

10.1

374

A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . .

10.1

374

B. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.7

378

C. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.15

380

. . . . . . . . 10.15 . . . . . . . . 10.19 . . . . . . . . 10.19

380 382 382

. . . . . . . . 10.21 . . . . . . . . 10.23 . . . . . . . . 10.34

382 383 389

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . 10.37

390

10.37 10.39 10.39 10.40 10.40 10.44 10.54 10.56

390 391 391 392 392 393 396 397

. . . 10.59

398

. . . 10.64

399

5. Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grenzüberschreitende Beförderungen . . . . 7. Vermittlung von Exportumsätzen . . . . . . 8. Leistungen im Eisenbahnverkehr . . . . . . . 9. Lieferung eingeführter Gegenstände . . . . . 10. Fährverkehr mit Helgoland . . . . . . . . . . . 11. Abgabe von Speisen und Getränken auf Seeschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Leistungen an NATO-Streitkräfte . . . . . . 13. Leistungen an Diplomaten und zwischenstaatliche Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb . V. Steuerfreie Einfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Basisgesellschaften . . . . . . . . . . . 4. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . .

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. . . . . .

I. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen . . . . . . . . . II. Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft . . . 1. Ausländische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beherrschungsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . c) Beteiligung über Personengesellschaften . . . . d) Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beteiligungsvoraussetzungen bei Kapitalanlageeinkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beteiligungsvoraussetzungen bei Einkünften aus einer REIT-AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVIII

. . . . . .

. . . . . . . .

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. . . . . . . .

. . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 10.67

400

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus passivem Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkünftezurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünftequalifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkünftekatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . b) Einkünfte aus industrieller Tätigkeit . . . . . . . . . . . c) Einkünfte aus Bank- und Versicherungsgeschäften d) Einkünfte aus Handelstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . e) Einkünfte aus Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . f) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . g) Einkünfte aus Finanzierungstätigkeit . . . . . . . . . . h) Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Beteiligungsveräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . j) Umwandlungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Europarechtliche Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EU-/EWR-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . d) Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nachgeschaltete Zwischengesellschaften und Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Steuerliche Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.67 10.72 10.72 10.74 10.79 10.79 10.80 10.82 10.88 10.95 10.102 10.110 10.116 10.118 10.128 10.133 10.133 10.136 10.137 10.143

400 402 403 403 405 405 405 406 409 411 413 415 417 418 422 424 424 426 427 429

10.144 10.146 10.147

430 431 431

F. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.154

434

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freigrenze bei gemischten Einkünften . . . . . . . . . III. Hinzurechnungsbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung der Zwischeneinkünfte . . . . . . . . . 3. Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beteiligungsveräußerungsgewinne . . . . . . . . . . 6. Verlustabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufteilung auf mehrere Steuerinländer . . . . . . IV. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag . . . . . . . . . 1. Systematischer Standort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünftequalifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

10.154 10.155 10.159 10.159 10.161

434 434 435 435 436

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

10.174 10.175 10.178 10.182 10.188 10.189 10.189 10.191 10.191 10.196

441 442 443 444 446 447 447 448 448 450

XIX

Inhaltsverzeichnis

3. Anwendung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufstockung bei Steueranrechnung . . . . . . . . . . V. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG . . . . . 3. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 3 AStG . . . . . VI. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anzusetzender Zurechnungsbetrag der Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . c) Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zurechnung bei steuerbefreiter REIT-AG . . . . . . 4. Zurechnung bei weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

10.201 10.202 10.204 10.204 10.208 10.215

452 453 454 454 455 457

. . . . 10.216 . . . . 10.216

458 458

. . . . 10.220 . . . . 10.220 . . . . 10.221

459 459 460

. . . . 10.227 . . . . 10.235

462 466

. . . . 10.237

467

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.1

469

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.1

469

B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.10

473

C. Gegenstand der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.15

475

D. Zurechnungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.17

477

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.17 II. Stifter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.19 III. Destinatäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.25

477 478 479

E. Ermittlung des zuzurechnenden Einkommens . . . . . . . . 11.32

481

3. Teil: Doppelbesteuerungsrecht Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . .

12.1

483

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . .

13.1

489

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . .

14.1

493

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung . . .

14.1

495

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . 14.16

503

I. Methodenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.16 II. Freistellungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.22

503 505

XX

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

14.29 14.34 14.36 14.38

508 511 512 512

C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . 14.40

512

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.1

514

A. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.1

514

III. IV. V. VI.

Anrechnungsmethode . . Abzugsmethode . . . . . . . Pauschalierungsmethode Erlassmethode . . . . . . . .

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I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkurrenz zu DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . c) Bezüge und gleichgestellte Einnahmen . . . . d) Veräußerungserlöse und gleichgestellte Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinne bei Hinzurechnungsbesteuerung . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investmenterträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausländische Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . c) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . d) Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . e) Einkünfte aus Veräußerungen . . . . . . . . . . . f) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . g) Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i) Sonstige Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anrechenbare Auslandssteuern . . . . . . . . . . . . 5. Anrechnungshöchstbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG . . . . . . . . 3. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG . . . . . . . . VI. Steuererlass und Steuerpauschalierung . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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15.1 15.12 15.20 15.20 15.20 15.23 15.27

516 519 522 522 522 523 524

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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15.33 15.37 15.37 15.40 15.48 15.50 15.56 15.56 15.57 15.65 15.65 15.75 15.77 15.86 15.91 15.95 15.97 15.98 15.99 15.100 15.111 15.122 15.122 15.127 15.130 15.132 15.132

526 527 527 528 532 532 534 534 534 537 537 541 542 545 546 546 548 548 549 549 553 559 559 561 562 563 563 XXI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

15.136 15.136 15.140 15.144 15.146

564 564 565 566 567

B. Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.151

570

2. Billigkeitsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuererlass (Auslandstätigkeitserlass) . . . . . . c) Steuerpauschalierung (Pauschalierungserlass) VII. Steuerermäßigung bei Erbschaftsteuerbelastung . . .

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerfreie Dividenden . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerfreie Veräußerungsgewinne . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerfreie Zinsen und Lizenzgebühren III. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt des § 26 KStG . . . . . . . 2. Reichweite des § 26 KStG . . . . . . . . . . . 3. Direkte Steueranrechnung . . . . . . . . . . 4. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuererlass und Steuerpauschalierung .

C. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.217

594

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerfreie Dividenden . . . . . . . . . . . . . III. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg . 1. Unmittelbare Beteiligung . . . . . . . . . 2. Mittelbare Beteiligung . . . . . . . . . . .

15.217 15.223 15.232 15.232 15.238

594 596 599 599 602

D. Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.243

604

. . . . .

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572 572 572 572 574 575 580 580 581 582 584 587 587 588 588 592 593

. . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

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15.151 15.152 15.152 15.152 15.154 15.160 15.174 15.174 15.176 15.180 15.187 15.194 15.194 15.199 15.201 15.211 15.216

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.1

610

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.1

610

B. Multinationale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.12

615

I. Deutsche DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.12 II. Musterabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.14

615 616

C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA . . . . . . . . . . 16.19

618

D. Änderungen und Erlöschen von DBA . . . . . . . . . . . . . . 16.24

622

I. Änderungen und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.24

622

XXII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

II. Außerkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.26

623

E. Anwendung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.29

624

I. Normengruppen . . . . . . . . . . . . . . . II. Normenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zum nationalen Recht 2. Verhältnis zum Europarecht . . . .

16.29 16.37 16.37 16.41

625 628 628 629

F. Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.49

633

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I. Abkommensspezifische Auslegungsgrundsätze 1. Regelungssouveränität der Abkommen . . . . 2. Regelungshomogenität der Abkommen . . . . II. Auslegungsrichtlinien der Abkommen . . . . . . . 1. Reichweite der Auslegungsrichtlinien . . . . . 2. Begriffsdefinitionen der Abkommen . . . . . . . 3. Auslegung nach dem Sinnzusammenhang . . 4. Rückgriff auf innerstaatliches Recht . . . . . . . III. Völkerrechtliche Auslegungsregeln . . . . . . . . . IV. Hilfsmittel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auslegungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verständigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verständigungsverfahren in Einzelfällen . . . . 3. Vorabverständigungsverfahren (APAs) . . . . . 4. Konsultationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. EU-Schiedsverfahrenskonvention . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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672

16.124 16.133 16.133 16.145 16.150 16.154 16.154 16.155 16.160 16.160 16.163 16.168

674 676 676 680 682 683 683 684 686 687 688 691

H. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.169

691

I. Anknüpfungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.169

692

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

G. Steuerumgehung bei DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.124 . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

635 635 636 637 637 640 642 643 644 646 649 653 654 657 662 664 665 667 667 669

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

16.49 16.49 16.52 16.54 16.54 16.58 16.61 16.64 16.67 16.73 16.79 16.88 16.88 16.94 16.104 16.108 16.110 16.114 16.114 16.118

I. Gestaltungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reichweite des § 42 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missbrauchsklauseln der DBA . . . . . . . . . . . . 2. DBA ohne Missbrauchsklauseln . . . . . . . . . . . 3. Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts . . III. Anwendung des § 42 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht 2. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

II. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.177 III. Dreiecksverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.182

696 699

I. Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.184

700

J. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.189

702

K. Steuerberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.194

704

I. Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.194 II. Kollisionsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.202

704 708

L. Verteilung der Steuergüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.211

711

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsabgrenzung nach dem Recht des Belegenheitsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite des Belegenheitsprinzips . . . . . . . . . . . III. Unternehmensgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsstättengewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsstättenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewinnzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt . . . . . . . . . . 5. Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erstberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dividendeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dividendenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbot extraterritorialer Besteuerung . . . . . . . . . . . V. Zinseinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zinsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Lizenzgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lizenzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Wohnsitzstaat und Quellenstaat . . VII. Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV

. 16.211 . 16.219 . 16.219

711 715 715

16.224 16.227 16.229 16.229 16.234 16.239 16.239 16.241 16.264 16.280 16.289 16.289 16.295 16.316 16.324 16.324 16.329 16.346 16.353 16.356 16.356 16.361 16.365 16.369 16.369 16.372 16.376 16.378 16.378

717 718 719 720 722 727 727 727 737 747 751 754 757 767 770 771 774 781 784 784 785 788 789 791 791 793 796 797 797

. 16.381

798

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

16.385

798

16.394

803

16.396

804

16.399 16.404 16.404 16.410 16.412 16.419 16.419 16.422 16.424

805 806 806 808 809 811 812 813 814

16.439 16.443 16.450 16.453 16.459 16.462 16.466 16.473 16.478 16.478 16.482 16.484 16.489 16.490 16.493 16.493 16.501 16.505 16.510

820 821 823 824 828 830 831 834 836 836 837 838 840 841 841 842 844 845 846

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . 16.512

846

16.512 16.521 16.521 16.531 16.534 16.541 16.543 16.545

848 851 851 854 858 862 863 864

VIII.

IX.

X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI.

XVII.

3. Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gewinne aus der Veräußerung von übrigem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte aus unselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes . . . . . . . . 4. Besteuerung im Staat des Ortes der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besteuerung im Wohnsitzstaat . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen . . . . Einkünfte von Künstlern und Sportlern . . . . . . . . . . . Ruhegehälter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte aus dem öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . Einkünfte von Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Belegenheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerung am Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . 5. Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachlässe und Erbschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung im Belegenheitsstaat . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Betriebsstättenstaat . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerung im Wohnsitzstaat . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerfreistellung . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünfte und Vermögen . . . . . . 3. Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . 4. Aufwandsabzug . . . . . . . . . . . . . 5. Betriebsstättenfreistellung . . . . . 6. Internationales Schachtelprivileg

. . . . . . . .

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XXV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

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16.552 16.552 16.553 16.566

866 866 867 871

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht . . . . .

17.1

873

A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.1

873

I. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerliche Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Europarechtliche Restriktionen . . . . . . . . . . . . .

17.1 17.3 17.8 17.8

873 874 876 876

. . . . 17.14

879

. . . . 17.15 . . . . 17.20

879 881

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug . . . . . . 17.25

883

III. Steueranrechnung . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechenbare Steuern . . . . . 3. Anrechnung fiktiver Steuern

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4. Teil: Übergreifende Themen

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vermögensübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . 17.25 . . . . 17.26

884 885

. . . . 17.26

885

. . . . 17.41

893

. . . . 17.50

897

17.61 17.64 17.67 17.68

903 905 907 907

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . 17.70

908

I. Umwandlungsrechtliche Möglichkeiten . . . . . . II. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . 17.70 . . . . . . 17.75

910 913

. . . . . . 17.75 . . . . . . 17.75 . . . . . . 17.91

913 913 921

. . . . . . 17.99 . . . . . . 17.99

926 926

XXVI

. . . .

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Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. . . . 17.100 . . . . 17.117

926 934

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17.131 17.131 17.132 17.137

940 940 940 942

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. . . . .

. . . . .

17.142 17.142 17.146 17.147 17.147

944 944 946 947 947

. . . .

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17.148 17.148 17.151 17.157

948 948 949 952

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17.158 17.158 17.159 17.161 17.168

952 952 952 953 956

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17.169 17.169 17.170 17.175

956 956 956 959

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17.176 17.176 17.180 17.181 17.182 17.182 17.183 17.184

959 959 960 960 961 961 962 963

D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug . . . . . . 17.187

965

. . . . . . 17.187 . . . . . . 17.191

965 968

. . . . . . 17.191

968

. . . . . . 17.196

970

b) Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spaltung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Spaltung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften . . . . . . 3. Sitzverlegung von Personengesellschaften . . . . .

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

. . 17.201

972

. . 17.205 . . 17.208 . . 17.209

974 975 975

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.1

978

A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.1

978

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten . . . . . . . . . . . .

18.9

982

I. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünftezuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwandszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überlassung von Finanzmitteln . . . . . . . . . . . . . . b) Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung c) Erbringung von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . d) Kosten der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ertragszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überführung von Anlagevermögen . . . . . . . . . . . b) Warenlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überlassung von Geschäftschancen . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertreterbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsleitungsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . c) Bau- und Montagebetriebsstätten . . . . . . . . . . . . .

18.9 18.23 18.23 18.38 18.38 18.42 18.45 18.46 18.48 18.48 18.54 18.56 18.57 18.57 18.61 18.64

985 991 991 999 999 1002 1004 1005 1006 1006 1008 1009 1010 1010 1012 1014

3. Verschmelzung von ausländischen Personengesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften . . 4. Verschmelzung von ausländischen Personengesellschaften auf ausländische Personengesellschaften . III. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften . . . . . . 18.66 1015 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.66 1017 II. Einkunftsartenzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.69 1018 III. Einkünftezuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.75 1025 D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften . . . . . . . 18.80 1028 I. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Korrekturregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . 2. Verdeckte Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) . . . . . III. Korrekturmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung angemessener Verrechnungspreise . 3. Verrechnungspreismethoden . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

18.80 18.82 18.82 18.95 18.104 18.125 18.125 18.127 18.134 18.143 18.143

1032 1033 1033 1040 1045 1053 1053 1055 1058 1062 1062

Inhaltsverzeichnis

b) Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Warenlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Finanzierungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Forschungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorwegauskünfte (Vorabverständigungsverfahren)

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

Rz.

Seite

18.144 18.149 18.158 18.174 18.181 18.188

1063 1066 1071 1078 1080 1083

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung . . . . . . .

19.1 1086

A. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.1 1086

B. Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.7 1090

I. II. III. IV.

Allgemeine Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterte Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesteigerte Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation 3. Verletzung der Dokumentationspflichten . . . . . . . . V. Besondere Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

19.7 19.10 19.19 19.24 19.24 19.27 19.31 19.38

1091 1093 1096 1098 1100 1101 1102 1105

C. Internationaler Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . 19.53 1112 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrufungsauskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichtauskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kulanzauskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spontan- und Routineauskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.53 1113 19.62 19.70 19.70 19.78 19.78 19.106 19.115

1118 1121 1121 1125 1125 1138 1142

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147

XXIX

Gesamtliteraturverzeichnis Bächle/Rupp/Ott/Knies, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Stuttgart 2008 Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl., Herne/Berlin 1996 Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/Berlin 1995 Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschaftsund Zollrechts, Köln 1995 Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt, Köln Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Köln/Berlin 1997 Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, Erläuterungen und Gestaltungshinweise, Köln 2007 Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Bordewin/Brandt, EStG, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg Brähler, Internationales Steuerrecht, 6. Aufl., Wiesbaden 2010 Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge, Außensteuerrecht, Herne/ Berlin 1991 Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., München 2009 Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Losebelatt, München Debatin/Endres, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen USA/Bundesrepublik Deutschland, München 1990 Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar zu allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Loseblatt, München Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland – USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Loseblatt, München Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Berlin 2005 Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht, 5. Aufl., Wien 2000 Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., München 2008 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln

XXXI

Gesamtliteraturverzeichnis

Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., München 2009 Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009 Frotscher, Praxiskommentar Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Frotscher/Maas, Praxiskommentar Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 4. Aufl., München 2009 Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl., München 2010 Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2009 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2009 Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin Grabitz/Hilf/Nettesheim, Kommentar zur EU, Loseblattsammlung, München von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Baden-Baden 2003 Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2. Aufl., Herne/ Berlin 2003 Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Heidelberg 2009 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., München 2006 Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2010 Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Berlin Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, München 2008 Herdegen, Europarecht, 12. Aufl., München 2010 Herdegen, Völkerrecht, 6. Aufl., München 2007 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt, Köln Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1993 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl., München 2010 Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., München 2004 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007 Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl., München 2009

XXXII

Gesamtliteraturverzeichnis

Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, 4. Aufl, Köln 2009 Kapp/Ebeling, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Heidelberg Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., Köln 2010 Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., München 2009 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 1993 Korn, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, München 2009 Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln Kühn/von Wedelstädt, Abgabenordnung, Kommentar, 19. Aufl., Stuttgart 2008 Lademann, EStG, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Köln 2010 Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2005 Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, München 2003 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, München 2008 Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004 Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Köln 2009 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., Köln 2009 Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Köln 2008 Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt, München Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 15. Aufl., München 2009 Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Loseblatt, Herne Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, München Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 11: Internationales Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., München 2006 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl., München 2009 Pahlke/König, Abgabenordnung, 2. Aufl., München 2009 Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 69. Aufl., München 2010

XXXIII

Gesamtliteraturverzeichnis

Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, München 2000 Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Köln Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Reith, Internationales Steuerrecht – Handbuch zum Doppelbesteuerungsund Außensteuerrecht, München 2004 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungsteuergesetz, Kommentar, Köln 2007 Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, Heidelberg 1974 Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl., München 2009 Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, München 2007 Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. München 2009 Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., München 2010 Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, Köln 2007 Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, Wiesbaden 2005 Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl., München 2009 Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, Loseblatt, Freiburg Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1996 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 2000 Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 2. Aufl., München 2007 Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, München Stadie, Umsatzsteuergesetz, Köln 2009 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl., Köln/München 2009 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München 1984 Streck, Körperschaftsteuergesetz, 7. Aufl., München 2008 Streinz, EUV/EGV, München 2003 Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Loseblatt, Bonn Tipke, Steuergerechtigkeit, Köln 1981 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl., Köln 2000; Band II, 2. Aufl., Köln 2003; Band III, Köln 1993 Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Köln 2010 Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblatt, München

XXXIV

Gesamtliteraturverzeichnis

Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 1984 Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Aufl., Herne 2010 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl., München 2008 Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004 Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch, Köln 2006 Wassermeyer/Lang, M./Schuch, OECD-MA, DBA Österreich/Deutschland, 2. Aufl., Wien 2010 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010 Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, München 2005 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Wilke, Internationales Steuerrecht, 8. Aufl., Herne/Berlin 2005 Witte, Zollkodex, 5. Aufl., München 2009 Wöhrle/Schelle/Gross, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart

XXXV

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. AB abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. abw. AcP a.E. a.F. AEAO AEUV AfA AG aHZB AIG AktG allg. Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA AöR APA Art. ASA AStG Aufl. ausf. ausl. AuslInvG AVR AWD AWG Az.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Ausführungsbestimmung(en) ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Auslandsinvestitionsgesetz Aktiengesetz allgemein Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) advance princing agreements Artikel Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht (Zeitschrift) Außensteuergesetz Auflage ausführlich ausländisch Auslandsinvestmentgesetz Archiv für Völkerrecht (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

Bad.Württ. BaFin BAnz. BAO BayObLG BayVBl BayVerfGH BB BBG BBK Bd. BdF BDI Begr. Bem. BergPG BerlinFG bes. Beschl. bestr. betr. BewG BfF BFH BFHE BFH/NV BFuP BG BGB BGBl. BGE BGH BGHSt BGHZ BIFD BilMoG B/K/L/M/R BMF BMWi. Bp BpO

XXXVIII

Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Band Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Bemerkung(en) Bergmannsprämiengesetz Berlinförderungsgesetz besonders Beschluss bestritten betreffend Bewertungsgesetz Bundesamt für Finanzen Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bulletin for International Fiscal Documentation Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge, Kommentar zum Außensteuerrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Betriebsprüfung Betriebsprüfungsordnung

Abkürzungsverzeichnis

BPT BR BR-Drucks. BSG Bsp. bspw. BStBK BStBl. BT BT-Drucks. BTR Buchst. BVerfG BVerfGE

BZSt bzw.

Branch Profits Tax Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Bundessozialgericht Beispiel beispielsweise Bundessteuerberaterkammer Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Bundestag Drucksachen des Bundestages British Tax Review (Zeitschrift) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

C-Corp CDFI CGI CFC CIR Corp CV

Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Général des impôts Controlled Foreign Companies Code des impôts sur les revenus Corporation Commanditaire Vennootschap

DB DBA DBW DDR DepotG ders. dgl. DFGT d.h. d.i. dies. DIHT Diss. D/J/P/W DJT DK

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Demokratische Republik Depotgesetz derselbe dergleichen Deutscher Finanzgerichtstag (Tagungsband) das heißt das ist dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer Deutscher Juristentag Der Konzern (Zeitschrift)

BVerfGG BVerwG BVerwGE

XXXIX

Abkürzungsverzeichnis

DNotZ Dok. DÖV Drucks. D/P/P/M DStG DStJG DStR DStRE DStZ DStZ A und B dt. DSWR D/W DV (DVO) DVBl. DVR t -E EAG EAS EC Tax Review EDV EFG EFVO e.G. EG EGAO EGBGB EGHGB EGKS EGV Einf. Einl. einschl. EK Entsch. entspr.

XL

Deutsche Notar-Zeitschrift Dokument, Dokumentation Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Deutsche Steuergewerkschaft Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (seit 1980) Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A (bis 1979) und B (bis 1979) deutsch Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Euro (Gesetzes-) Entwurf Europäische Atomgemeinschaft Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) European Communities Tax Review (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Abgabenordung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Einführung Einleitung einschließlich (verwendbares) Eigenkapital Entscheidung entsprechend

Abkürzungsverzeichnis

EntwLStG EntwHStG ErbSt ErbStG Erl. ESt EStB EStDV EStG EStH EStR EStZ ET EU EuGH EuGHE EuGH-URep EuR EU-SchU EUStBV EuStZ EuZW e.V. evtl. EWG EWGV EWIV EWIV-AG EWIV-VO EWR EWS

f. FA FamRZ ff. FG FGO Fifo Fin.Arch. FinMin.

Entwicklungsländer-Steuergesetz Entwicklungshilfe-Steuergesetz Erbschaftsteuer Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Erlass Einkommensteuer Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Steuer-Zeitung European Taxation (Zeitschrift) Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs EuGH-Umsatzsteuerreport Europarecht (Zeitschrift) Europäisches Schiedsübereinkommen (Schiedsverfahrenskonvention) Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Steuerzeitung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzarchiv (Zeitschrift) Finanzministerium

XLI

Abkürzungsverzeichnis

FinSen. FinVerw. Fn. FN-IdW FR FRL FS FuSt FVerlV FVG F/W/B F/W/K

G GA GATS GATT GAufzVO GbR gem. GemVO GenG GewArch. GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GKG G/K/G GKKB gl.A. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GrEStG GoB GoS Gr. GrS GS GS

XLII

Finanzsenator Finanzverwaltung Fußnote Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Finanzen und Steuern Funktionsverlagerungsverordnung Gesetz über die Finanzverwaltung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland – Schweiz Gesetz Generalanwalt General Agreement on Trade and Services General Agreement on Tarifs and Trade Gewinnaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die GmbH GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Grunderwerbsteuergesetz Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Gruppe Großer Senat Gesetzessammlung Gedächtnisschrift

Abkürzungsverzeichnis

GuV GVBl. GVG

Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

H Halbs., HS HB Hdb. Hess. HFA HFA des IdW

Hinweis(e) Halbsatz Handelsbilanz Handbuch Hessen Hauptfachausschuss Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung Highest in – first out herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben Hinzurechnungsbetrag

HFR HGB HGrG HHR HHSp Hifo h.L. h.M. Hrsg. HZB i.A. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. IdW IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF InfAustAbk inl. insb. InsO Inst.FuSt intern.

im Allgemeinen International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne im Einzelnen im engeren Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Informationsaustauschabkommen inländisch insbesondere Insolvenzordnung Institut „Finanzen und Steuern“ international

XLIII

Abkürzungsverzeichnis

Intertax InvG InvStG InvZulG IPO IPR IPrax

IRS i.S. IStR ITA ITJ ITPJ i.V. IWB i.w.S.

International Tax Review (Zeitschrift) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Code Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internal Revenue Service im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Income Tax Act The international Tax Journal (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung Internationale Wirtschafts-Briefe im weiteren Sinne

JA Jb. JbFStR JBl. Jg. JöR Jura JuS JStG JZ

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Blätter (Zeitschrift) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Jahressteuergesetz Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAG Kap. KapErhStG

Kommunalabgabengesetz Kapitel Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Kapitalertragsteuer Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung Kommentierte Finanzrechtsprechung Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) kritisch Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kalenderjahr Körperschaftsteuer

I.R.C. IRG

KapErtrSt KapErtrStDV KFR Kfz. KG KGaA KÖSDI krit. K/S/M Kj. KSt

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

KStDV KStG KStR KStG KWG

Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Gesetz über das Kreditwesen

LB L/B/P LG Lifo lit. li.Sp. Ltd. LLC LLLP LLP LP LStDV lt. LuF

Lehrbuch Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Landgericht Last in – first out Buchstabe linke Spalte Private Company Limited by Shares, Limited Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Lohnsteuer-Druchführungsverordnung laut Land- und Forstwirtschaft

MA m.a.W. m. Anm. MDR Mio. MinöStG m.R. MoMiG

MRR MTR MüKo m.w.N. MwSt MwStSystRL MZK

Musterabkommen mit anderen Worten mit Anmerkung(en) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Million(en) Mineralölsteuergesetz mit Recht Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Menschenrechtskonvention Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer Mehrwertsteuersystemrichtlinie Modernisierter Zollkodex

Nds. n.F. NJW NL Nr. nrkr. NRW, NW

Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Niederlande Nummer nichtrechtskräftig Nordrhein-Westfalen

MoRaKG

XLV

Abkürzungsverzeichnis

NSt NV NVwZ NW NWB NZG

Neues Steuerrecht von A-Z (Zeitschrift) Namenloze Vennootschap (Niederlande) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o.Ä. OECD

OWiG

oder Ähnliches Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Transfer Pricing Guidelines der OECD Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion(en) oben genannt Österreichische Steuerzeitung Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Oberster Finanzgerichtshof offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht schweizerisches Obligationenrecht Geschäfte ohne Rechnung Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Entscheidungen des preuß. OVG in Staatssteuersachen Ordnungswidrigkeitengesetz

p.a. PartGG PIStB plc Pkw Preuß.(pr.) Prot.

per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Personenkraftwagen preußisch Protokoll

R RabelsZ

Richtlinie Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Reichtsabgabenordnung Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Rechtsverordnung

OECD-MA

OECD-MK OECD-TPG OEEC OFD o.g. ÖStZ ÖZöffR, ÖZöR OFH OHG OLG OR OR-Geschäfte OVG OVGE OVGSt

RAP RAO R/D RechtsVO

XLVI

Abkürzungsverzeichnis

RefE Reg.-Begr. REIT re.Sp. Rev. RFH RFHE RGBl. RGSt. RGZ R/H/vL RIW RJF R/K/L rkr. RL Rn./Rdn./RdNr. Rs. Rspr. RStBl. RT RWP Rz. s. S. S-Corp S.A. Sàrl SC SCA SCE Schl.-Holst. Schr. SE sec. SE-VO SEStEG

sfr. SGB SGG

Referentenentwurf Regierungsbegründung Real Estate Investment Trust rechte Spalte Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revue des Jurisprudence Fiscale (Zeitschrift) Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz rechtskräftig Richtlinie Randnummer(n) Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Rechts- und Wirtschafts-Praxis (Zeitschrift) Randziffer siehe Seite Subchapter S Corporation Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Europäische Genossenschaft Schleswig-Holstein Schreiben Societas Europea, Europäische Aktiengesellschaft section Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Schweizer Franken Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz

XLVII

Abkürzungsverzeichnis

SICAF SICAR-Status SICAV S/K/K Slg. SNC S/R s.o. sog. SolZG Sp. SP SpA SparPG SrC SRÜ st. St ST StÄndG StandOG StAnpG StB Stbg StbJb StbKongrRep StBp StEK SteuerHBekG SteuerHBekV StEUVUmsG StGB StJ StLex StPO StQ str. StR StRev. StRK StSäumG StStud StuB StuW StVergAbG

XLVIII

Société d’investissement à capital fixe Société d’investissement en capital à risque Société d’investissement à capital variable Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen Société en nom collectif Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz siehe oben so genannt Solidaritätszuschlagsgesetz Spalte Schlussprotokoll Societa per Azioni Sparprämiengesetz Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen ständig Steuer Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift) Steueränderungsgesetz Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report (Zeitschrift seit 1977) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz Steuerhinterziehungsbekämpfungs-Verordnung Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften Strafgesetzbuch Steuerjournal (Zeitschrift) Steuer-Lexikon Strafprozessordnung Quintessenz des Steuerrechts (Zeitschrift) strittig Steuerrecht Steuer-Revue (Zeitschrift) Steuerrechtskartei Steuersäumnisgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz

Abkürzungsverzeichnis

StVj. StWa s.u. SWI

Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift) Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

T/G/J TIEA T/K TLR TMTP TNI TNMM TPIR Tz.

Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz Tax Information Exchange Agreements Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Law Review (Zeitschrift) Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Transactional net margin method Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u. u.a. u.a.m. u.Ä. Ubg Übers. udgl. UmwG UmwR UN UmwStG UR UrhG Urt. USA USt USt-IdNr. UStDV UStG UStKongrBericht UStR usw. u.U. UVR UWG

und und andere, unter anderem und andere(s) mehr und Ähnliches Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Übersicht und dergleichen Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht United Nations Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerkongress-Bericht Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter unter Umständen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. VAG VAT v.E.

vom, von Versicherungsaufsichtsgesetz Value added Tax verdeckte Einlage

XLIX

Abkürzungsverzeichnis

VermBG VersR VersStG VerwArch. Vfg. vGA VGH vgl. V/L v.H. VJSchrStFR VO Vol. Vorb. VSt VStDV VStG VVaG VVDStRL VwGO VwVfG VwZG W/A/D WEG WiB WiRO WiSt wistra WiVerw Wj. WKBG WKV WM W/M WPg W/R/S W/S/G WÜD WÜK WÜRV

L

Vermögensbildungsgesetz Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Versicherungsteuergesetz Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen vom Hundert Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Zeitschrift) Verordnung Volume Vorbemerkung Vermögensteuer Vermögensteuer-Durchführungsverordnung Vermögensteuergesetz Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Wohnungseigentumsgesetz Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaftsverwaltung (Zeitschrift) Wirtschaftsjahr Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht Wöhrle/Schelle/Gross, Außensteuergesetz Wiener Übereinkommen für Diplomaten Wiener Übereinkommen für Konsuln Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

Abkürzungsverzeichnis

WVK

Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zollgesetz Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer zitiert, Zitat Zins- und Lizenz-Richtlinie Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zinsinformationsverordnung Zollkodex Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung zur Zeit

z.B. ZErb ZEV ZfB ZfbF ZfgK ZfV ZfZ ZG ZGB ZGR ZHR Ziff. zit. ZiLiRL ZIP ZIV ZK ZPO ZRP z.T. zutr. ZVglRWiss

z.Zt.

LI

1. Teil Einführende Grundlagen Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts Literatur Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Liedtke, Gibt es ein Internationales Steuerrecht?, DB 1977, 1208; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖZöffR 1974, 255; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, Köln 1993; Schöne, Internationales Steuerrecht und Außensteuerrecht, FR 1976, 32; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 548; Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart 1967; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Berlin 1965; Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ 1997, 269.

Was eigentlich unter Internationalem Steuerrecht zu verstehen ist, wel- 1.1 che Begriffsbildungen maßgeblich sein sollen und ob es ein Internationales Steuerrecht überhaupt gibt, ist umstritten. Es wird die Meinung vertreten, das Internationale Steuerrecht umfasse nur jene Normen, die der Quelle nach völkerrechtlicher Natur seien, wodurch der Begriff recht eng gefasst wird und nur auf die Herkunft des Rechts bezogen ist.1 Es wird aber auch die Ansicht vertreten, dass zum Internationalen Steuerrecht alle Normen gehörten, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassten.2 Letztlich findet sich aber auch die Meinung, dass zum Internationalen Steuerrecht lediglich Kollisionsnormen bzw. Konfliktregeln gehörten, also Rechtsnormen, die die Steuerhoheiten gegeneinander abgrenzten.3 Die kontroverse Diskussion um die Findung nach dem „richtigen“ Begriff dauert an, solange man sich überhaupt mit Internationalem Steuerrecht4 beschäftigt. Die unterschiedlichen Begriffsbildungen sind letztlich darauf zurückzuführen, dass an den Begriff selbst von Anfang an die unterschiedlichsten Anforderungen gestellt wurden.

1.2

Isay bezeichnet als Internationales Finanzrecht den Inbegriff der Konfliktregeln auf internationalem finanzrechtlichen Gebiet, also den Inbegriff der Regeln, durch welche der Anwendungsbereich der Steuergesetze umgrenzt wird.

1.3

1 Debatin in D/W, DBA, Systematik I, Rz. 2. 2 Mössner, ÖZöffR 1974, 255 (277); Schöne, FR 1976, 32 ff. 3 Isay, Internationales Finanzrecht, 1 ff.; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 1 ff.; Teichner, Internationales Steuerrecht, 5. 4 In der älteren Literatur durchweg als Internationales Finanzrecht bezeichnet.

1

Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts Er unterscheidet das „positive“ und das „reine“ Internationale Finanzrecht. Unter dem positiven Internationalen Finanzrecht versteht er die Gesetze, durch welche der einzelne Staat seine Finanzgewalt selbst umgrenzt. Danach gibt es ein jeweils national geprägtes Internationales Finanzrecht. Das reine Internationale Finanzrecht soll diejenigen Rechtssätze umfassen, die die Grenzen aufzeigen, die die staatliche Finanzgewalt nicht überschreiten dürfe.1 Die vorstehende Auffassung von Isay macht deutlich, dass der Begriff Internationales Finanzrecht auf Konfliktregeln, also auf solche Rechtssätze beschränkt wird, die die staatliche Finanzgewalt umgrenzen. Demgegenüber geht Spitaler davon aus, dass als Internationales Finanzrecht nur die von allen oder fast allen Staaten übernommenen Rechtsregeln verstanden werden könnten, die für diese Staaten verpflichtendes Recht wären. Ein derart allgemeines Internationales Finanzrecht, das materiell-rechtliche Konfliktregeln enthielte und von der Quelle her Völkerrecht wäre, gebe es einstweilen tatsächlich aber nicht.2 Als Internationales Finanzrecht wird demnach nur jenes Recht aufgefasst, das Konfliktregeln enthält und allgemein für alle oder jedenfalls für mehrere Staaten verbindlich ist. Ein so verstandenes Internationales Finanz-(Steuer-)recht gibt es auch heute noch nicht.3 Bühler bezeichnet als Internationales Steuerrecht das Recht der Abgrenzung der Steuergewalten. Soweit diese Kollisionsnormen dem Völkerrecht zu entnehmen seien, handele es sich um Internationales Steuerrecht im engeren Sinne. Im weiteren Sinne umfasse das Internationale Steuerrecht indessen auch nationale Kollisionsnormen.4 Auch hier erfährt der Begriff des Internationalen Steuerrechts eine gegenständliche Einschränkung dahingehend, dass nur Kollisionsnormen erfasst werden.

1.4 An den Begriff des Internationalen Steuerrechts sind Systemanforderungen gestellt worden, die dieser von vornherein nicht zu erfüllen vermochte. Das Steuerrecht ist nämlich, soweit es internationale Bezüge hat, nicht einheitlich kodifiziert und ohne systematische Konzeption. Daher kann das Internationale Steuerrecht nicht als Systembegriff verstanden werden, sondern allenfalls als Ordnungsbegriff. Die Begriffsvielfalt bedarf daher keiner näheren Darstellung. Der Streit um den „richtigen“ Begriff des Internationalen Steuerrechts ist letztlich unfruchtbar. Aus dem Begriff als solchem lassen sich nämlich keine Prinzipien, keine Orientierungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen. Der Begriff des Internationalen Steuerrechts hat daher letztlich Bedeutung nur für die Verständigung. Wenn daher im Folgenden vom Internationalen Steuerrecht die Rede ist, so sind damit jene Normen angesprochen, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen. Es kann sich hierbei um Normen handeln, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Der Begriff des Internationalen Steuerrechts lässt sich auf einer weiteren Stufe in zwei weitere Ordnungsbegriffe da1 2 3 4

2

Isay, Internationales Finanzrecht, 17 f. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 550. Liedtke, DB 1977, 1208 (1214). Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 1 ff.

Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts

hingehend aufteilen, dass sich all jene Normen, die der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, als Doppelbesteuerungsrecht und alle übrigen Normen als Außensteuerrecht bezeichnen lassen. Im Hinblick darauf, dass das Internationale Steuerrecht die Gesamtheit der Rechtsvorschriften umfasst, die sich auf Auslandssachverhalte, insbesondere grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen,1 bedarf es stets eines Bezuges zu einer bestimmten Rechtsordnung, so dass jeder Staat sein eigenes Internationales Steuerrecht hat. Im Vordergrund steht hier das Internationale Steuerrecht Deutschlands.

1.5

Völkerrecht und Internationales Steuerrecht befinden sich auf völlig verschiedenen Begriffsebenen. Das Völkerrecht ist neben den förmlichen Gesetzen, Rechtsverordnungen, autonomen Satzungen, Gewohnheitsrecht und supranationalem Recht eine Rechtsquelle, und zwar auch eine des Steuerrechts (Rz. 3.1 ff.). Demgegenüber erfasst das Internationale Steuerrecht ein Rechtsgebiet, dem die unterschiedlichsten Rechtsquellen, Rechtsnormen oder Rechtssätze zugrunde liegen. So schöpft das Internationale Steuerrecht u.a. auch aus supranationalem Recht (EU-Recht) und aus völkerrechtlichen Verträgen (Doppelbesteuerungsabkommen) (Rz. 3.6 ff.; 3.15 ff.).

1.6

Insbesondere das auf primäres und sekundäres Unionsrecht sowie auf sonstige europarechtliche Rechtsquellen zurückzuführende Steuerrecht wird auch als Europäisches Steuerrecht (Rz. 3.44 ff.) bezeichnet.2 Von Bedeutung sind neben dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) selbst vor allem EU-Verordnungen und EU-Richtlinien steuerrechtlichen Inhalts sowie diejenigen steuerrechtlichen Normen nationalen Rechts, durch die EU-Richtlinien umgesetzt worden sind (Rz. 3.61 ff.). Zu den Rechtsquellen des Europäischen Steuerrechts zählen ferner nur für einzelne Mitgliedstaaten oder Unionsbürger verbindliche Beschlüsse (Art. 288 AEUV), die für das Steuerrecht allerdings kaum Bedeutung haben (Rz. 3.47). Hierzu gehören schließlich auch völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten, die der Ratifikation durch die nationalen Parlamente bedürfen.3 Die Identifizierung Europäischen Steuerrechts ist insbesondere unter zwei Gesichtspunkten von Bedeutung: Soweit etwa eine EU-Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Steuerrecht umgesetzt worden ist, erzeugt sie

1.7

1 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 3; Vogel in V/L5, Einl. Rz. 6; Vogel, DStZ 1997, 269 (269); Lang in Tipke/Lang20, § 2 Rz. 32; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17. 2 So von Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts; Voß, StuW 1993, 155 ff.; vgl. auch Lang in Tipke/Lang20, § 2 Rz. 47 ff.; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1 ff. 3 Auf dem Gebiet des Steuerrechts ist hier insbesondere die Schiedsverfahrenskonvention zu erwähnen (90/436/EWG, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005); hierzu Rz. 3.74 ff.

3

Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts

für den Bürger unmittelbar geltendes Recht mit der Folge, dass sich dieser gegenüber dem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzt hat, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Richtlinienregelung berufen kann (Rz. 3.46). Im Übrigen ist das auf der Grundlage von EU-Richtlinien harmonisierte Steuerrecht stets richtlinienkonform auszulegen.1

1 Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 35 ff.; zu Einzelheiten Rz. 3.54 ff.

4

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts Literatur Von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, Berlin 1978; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Bürger, Steuerflucht, Berlin/Wien/Zürich 2006; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmissbrauch, DB 1984, 530; Croxatto, Die Begrenzung der staatlichen Steuerhoheit durch internationales Gewohnheitsrecht, StuW 1964, 879; de Weerth, Keine Bestandskraft des Steuerbescheids bei Verstoß gegen das EU-Beihilfeverbot?, IStR 2010, 172; Eichhorn, Das „Steuerfluchtgesetz“ im Streitgespräch, DB 1971, 447; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, Köln 1967, 6; Fischer/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl. Berlin 1988; Flick, Vereinbarkeit des Steuerfluchtgesetzes mit Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1971, 250; Frenz/Roth, Steuer- und Abgabenbefreiungen als Beihilfe, DStZ 2006, 465; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Kamps/Fraedrich, Verfassungsrechtliche Bedenken bei der rückwirkenden Änderung des Investitionszulagengesetzes aufgrund von Entscheidungen der EU, FR 2005, 969; Mössner, Die internationale Steuerflucht, in Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, Berlin 1983, 817; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz?, BB 1987, 65; Schmid, Die internationale Steuerflucht, Zürich/Sankt Gallen 1961; Schütterle, Die Beihilfenkontrollpraxis der Europäischen Kommission im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik, EuZW 1995, 391; Stober, Rechtliche Rahmenbedingungen der Wirtschaftsförderung, BB 1996, 1845; Verdross, Völkerrecht, 5 Aufl. Wien 1964, 319; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Bern 1965; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR 1968, 428; Vogel, Steuergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit, DStZ A 1975, 404; Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht, StuW 1977, 97; Wagner, Steuersparmodell „MADEIRA“, StBp. 1993, 108; Wassermeyer, Noch einmal verschärftes Steuerfluchtgesetz, DStR 1972, 519; Weber-Fas, Völkerrecht und Steuerhoheit, RIW 1979, 585; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, Tübingen 2005.

A. Überblick Das Internationale Steuerrecht ist nicht einheitlich kodifiziert, ist kein monistisches System mit einer einheitlichen Grundwertung und sich daraus ergebenden Einzelwertungen.1 Das Internationale Steuerrecht be1 Zum sog. inneren System Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 9 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 67 ff.

5

2.1

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts

steht vielmehr aus einem Rechtsstoff, der in mehreren Steuergesetzen mit unterschiedlichen Grundwertungen angesiedelt ist. Bei einem derart pluralistischen System können daher nur für einzelne Normen bestimmte Wertungen aufgedeckt werden.1 Insoweit unterscheidet sich das Internationale Steuerrecht nicht vom übrigen Steuerrecht. Hier wird im System der steuergesetzlichen Normengruppen durchweg zwischen Fiskalzwecknormen, Sozialzwecknormen und Vereinfachungszwecknormen unterschieden.2 Während die auf Einnahmeerzielung der öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen gerichteten Fiskalzwecknormen auch das Internationale Steuerrecht beherrschen, spielen Sozialzwecknormen und Vereinfachungszwecknormen dort nur eine untergeordnete Rolle. Zu den Fiskalzwecknormen, die sich insbesondere am Leistungsfähigkeitsprinzip zu orientieren haben,3 zählen nicht nur die steuerbelastenden, sondern auch die steuerentlastenden Normen, etwa diejenigen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 2.4 ff.). Sozialzwecknormen sind ebenfalls dual ausgerichtet: Sie schaffen nicht nur Steuerentlastungen, sondern auch Steuersonderbelastungen.4 Zu diesen Steuersonderbelastungen gehören im Bereich des Internationalen Steuerrechts z.B. die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 und 2 EStG (Rz. 5.69 ff.). Soweit Sozialzwecknormen Steuerentlastungen bewirken, sind hiermit im besonderen Maße sachlich eigentlich nicht zum Steuerrecht gehörende wirtschaftslenkende Normen5 angesprochen (Rz. 2.21 ff.). Vereinfachungszwecknormen, die sowohl Fiskalzweck- als auch Sozialzwecknormen vereinfachen können,6 haben im Internationalen Steuerrecht insbesondere im Bereich des Außensteuergesetzes Bedeutung erlangt (Rz. 2.24 f.).

2.2 Dieses vorstehende in der Steuerrechtswissenschaft weitgehend akzeptierte steuergesetzliche Normensystem gilt uneingeschränkt auch für das Internationale Steuerrecht. Wegen der im Internationalen Steuerrecht stark ausgeprägten Wertungspluralität bedarf es innerhalb der vorgenannten drei Normengruppen allerdings einer weiteren Differenzierung und Präzisierung. Im Hinblick darauf lassen sich folgende Normengruppen bilden:

1 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 9. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 73 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 19 ff. 3 Hierzu insbesondere Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 77, 479 ff.; zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht Rz. 4.10. 4 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 78; Vogel, DStZ A 1975, 404 (414). 5 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 79; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 68; Vogel, StuW 1977, 97 (99). 6 Insofern stehen sie nicht selbständig neben den Fiskalzweck- und Sozialzwecknormen; hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 80.

6

B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen

B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen Kollisions- oder konfliktbegründend sind alle Normen, durch die eine Doppelbesteuerung verursacht wird. Kollisions- und konfliktauflösend oder auch nur -begrenzend wirken demgegenüber diejenigen Normen, die die Doppelbesteuerung ganz oder zum Teil aufheben.1

2.3

Die Kollisionsbegründung erfolgt im Bereich der Subjektsteuern (z.B. Einkommen- und Körperschaftsteuer) durch das internationale Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht durch Erfassung des Welteinkommens in Anknüpfung an Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Geschäftsleitung und beschränkter Steuerpflicht durch Erfassung inländischen Einkommens. Bei Doppelwohnsitz oder Mehrfachwohnsitz kommt es zu einer Kollisionsbegründung auch durch ein Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten. Schließlich ist eine Kollision auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich. Eine Kollisionsauflösung ist die Folge von Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf bilateraler (Doppelbesteuerungsabkommen) und unilateraler Ebene (z.B. § 34c EStG).

2.4

Das System kollisionsbegründender und kollisionsauflösender Normen2 beruht auf einer Wechselwirkung zwischen dem fehlenden völkerrechtlichen Verbot einer Doppelbesteuerung einerseits und dem in Deutschland grundrechtlich abgesicherten Leistungsfähigkeitsprinzip.3 Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählt zwar für jeden Staat das Verbot, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranken auszudehnen, so dass nur solche Sachverhalte der einseitigen Regelung eines Staates unterworfen sind, die eine tatsächliche Anknüpfung (genuine link) zum regelnden Staat aufweisen.4 Dieser völkerrechtlich verbindliche Grundsatz ist aber so vage,

2.5

1 Die hier verwendeten Begriffe kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen haben nichts mit den Kollisionsnormen im Sinne des Internationalen Privatrechts zu tun. 2 Hierzu auch Lang in Tipke/Lang20, § 2 Rz. 39 f. 3 Hierzu z.B. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 488 ff.; Lang in Tipke/ Lang20, § 4 Rz. 81 ff. 4 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369); BVerfG v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288 (309 f.); BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; Verdross, Völkerrecht5, 319; Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 95 f.; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 172 f.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 146; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, D Rz. 10; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 28; Müller, Deutsche Steuerhoheit und ausländische Tochtergesellschaften, 121; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, 144; Vogel, DStR 1968, 428 ff.; Weber-Fas, RIW 1979, 585 ff.; Crezelius, DB 1984, 530 (533); Croxatto, StuW 1964, 879 (880, 882).

7

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts

dass er eine Doppelbesteuerung nicht unterbindet. Jeder Staat darf daher frei bestimmen, ob und inwieweit (Steuer-)Ausländer innerhalb seines Gebietes sowie ausländische Einkünfte und Vermögenswerte von Staatsangehörigen und (Steuer-)Inländern zur Steuer herangezogen werden sollen. Ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung gibt es daher nicht.1

2.6 Es ist deshalb erklärlich, dass durchweg alle Staaten als Wohnsitzstaat oder Quellenstaat im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht das Welteinkommen/-vermögen und im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht das Inlandseinkommen/-vermögen weitgehend lückenlos erfassen. Damit kollidiert zwangsläufig die Wohnsitzbesteuerung in dem einen Staat mit der Quellenbesteuerung in dem anderen Staat. Eine derartige Doppelbesteuerung verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip, nach dem jeder nur entsprechend seiner Leistungsfähigkeit Steuern zu zahlen hat. Dieses allgemein im Steuerrecht geltende Fundamentalprinzip2 gebietet eine Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 14.8 ff.).

2.7 Hierzu dienen die kollisionsauflösenden Normen, die auf bilateraler Ebene im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen das Steuergut zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Quellenstaat aufteilen (Zuteilungsoder Aufteilungsnormen) und sowohl auf bilateraler als auch auf unilateraler Ebene insbesondere im Rahmen innerstaatlicher Rechtsnormen, z.B. durch Steueranrechnung, zu einem vollständigen oder partiellen Steuerverzicht des Wohnsitzstaates führen.

2.8 Das System kollisionsbegründender und kollisionsauflösender Normen ist ein tragendes Prinzip des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Erbschaftsteuergesetzes. Nur hier gilt das Universalitätsprinzip in dem Sinne, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht Welteinkommen und Weltvermögen erfasst werden. Im Gewerbesteuer- und Umsatzsteuergesetz gibt es dagegen das Wechselspiel von kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen grundsätzlich nicht, weil hier nicht das Universalitätsprinzip, sondern das Territorialitätsprinzip gilt. Der Gewerbesteuer unterliegen nämlich lediglich im Inland betriebene Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und der Umsatzsteuer lediglich im Inland ausgeführte Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).

2.9 Zu einer Kollision der Steuerpflichten in verschiedenen Staaten kann es aber auch unter der Geltung des Territorialitätsprinzips kommen. Dies gilt sowohl im Bereich der beschränkten Steuerpflicht als auch bei der Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. So knüpft etwa eine beschränkte Steu1 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, D Rz. 10; Burmester, Internationale Regelungskumulation und -kollision, 277; Vogel in V/L5, Einl. Rz. 14; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, 351 f. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 478 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 81 ff.

8

C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen

erpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit alternativ an eine Ausübung und Verwertung im Inland an. Damit kann die beschränkte Steuerpflicht des Landes, in dem die selbständige Arbeit ausgeübt wird, mit derjenigen des Landes kollidieren, in dem die selbständige Arbeit verwertet wird. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist Steuergegenstand ein Gewerbebetrieb im Inland. Zu diesem Gewerbebetrieb zählt allerdings auch der Gewerbeertrag aus ausländischen Einkunftsquellen, soweit sie nicht dortigen Betriebsstätten zuzuordnen sind. In den vorgenannten Fällen wird die Doppelbesteuerung nur partiell vermieden bzw. gemildert (z.B. § 50 Abs. 3 EStG; § 9 Nr. 7 GewStG). Umsatzsteuerbar sind nur sonstige Leistungen, die im Inland erbracht werden. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a UStG. Die dort genannten Anknüpfungspunkte sind nur innerhalb der EU harmonisiert, so dass es im Verhältnis zu Drittstaaten zu einer doppelten umsatzsteuerlichen Erfassung ein und derselben sonstigen Leistung kommen kann. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind hier nicht vorgesehen.

C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen Auf internationaler Ebene bewirken grenzüberschreitende Einkünfteverlagerungen in aller Regel eine Erhöhung des Steueraufkommens des einen Staates zu Lasten des anderen Staates. Im Hinblick darauf haben viele Staaten ein Normeninstrumentarium entwickelt, um zu ihren Lasten gegenwärtig und in die Zukunft wirkende Einkünfteverlagerungen zu verhindern. Diese Vermeidungsnormen haben systematisch unterschiedliche Ansätze und unterscheiden sich insbesondere in ihren Rechtsfolgen danach, ob die Einkünfteverlagerungen in Hochsteuer- oder/und in Niedrigsteuerländer erfolgen. Die Vermeidungsnormen sind sowohl im Außensteuerrecht als auch im Doppelbesteuerungsrecht angesiedelt.

2.10

Einkünfteverlagerungen sowohl in Hochsteuerländer als auch in Niedrigsteuerländer werden im Außensteuerrecht insbesondere durch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1, 3 KStG (Steuerentstrickung), § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften) und § 6 AStG (Wegzugsbesteuerung) vermieden. Es handelt sich hierbei um unilaterale Vermeidungsnormen des Außensteuerrechts, die lediglich einseitig wirken und keine Rücksicht darauf nehmen, ob die betreffenden Einkünfte in dem begünstigten Staat besteuert werden. Zu den bilateralen Vermeidungsnormen gehört Art. 7 OECD-MA, der im Unterschied zu den unilateralen Vermeidungsnormen zweiseitiger Natur ist und damit zugleich der zwischenstaatlichen Einkünfteabgrenzung dient. Die Vermeidung der Einkünfteverlagerung ist hier freilich nur Nebenzweck; Primärwertung des Art. 7 OECD-MA ist die Vermeidung der Dop-

2.11

9

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts

pelbesteuerung zugunsten des betreffenden Steuerpflichtigen (Rz. 16.52, 16.230 ff.).

2.12 Zu den Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen zugunsten nur von Niedrigsteuerländern zählen vor allem die §§ 2 bis 5 AStG (erweiterte beschränkte Steuerpflicht), §§ 7 bis 14 AStG (Hinzurechnungsbesteuerung), § 15 AStG (Besteuerung bei ausländischen Familienstiftungen) sowie § 42 AO (Steuerumgehung).

2.13 Bei den §§ 2 bis 5 AStG geht es allerdings nicht nur um die Erfassung von Einkünfte-(Vermögens-)verlagerung von der Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Staat, sondern auch darum, bei den von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht überwechselnden Personen die Besteuerungslücken des § 49 Abs. 1 EStG zu schließen, um damit die Besteuerung bestimmter Einkünfte und Vermögen nicht allein dem Wohnsitzstaat zu überlassen. Es ist daher sachgerecht, auch diesen Normenkomplex zu den Normen zur Vermeidung von Einkünfte-(Vermögens-)verlagerungen zu zählen.1

2.14 Demgegenüber gehören die §§ 7 bis 14, 15 AStG zum eigentlichen Kernstück der Vermeidungsnormen. Im Wesentlichen bewirken sie, dass von ausländischen Kapitalgesellschaften/Familienstiftungen erzielte Einkünfte (Einkommen) unter bestimmten Voraussetzungen dem inländischen Anteilseigner/Stifter als eigene Einkünfte zugerechnet werden.

2.15 § 42 AO richtet sich im außensteuerlichen Kontext vor allem gegen Einkünfteverlagerungen auf ausländische Basisgesellschaften. Stellt sich die Geschäftsbeziehung zu einer derartigen Basisgesellschaft als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar, so wird die Steuer so erhoben, wie wenn die ausländische Basisgesellschaft in die betreffende Geschäftsbeziehung nicht eingeschaltet worden wäre.2

2.16 Die §§ 7 bis 14, 15 AStG und § 42 AO werden mitunter auch als Normen verstanden, die sich gegen die Steuerflucht richten. Einen allgemein anerkannten Begriff der Steuerflucht gibt es zwar nicht,3 mit diesem Phänomen wird aber zumeist das Problem der Ausnutzung von Steuerbelastungsdifferenzen zwischen international verschiedenen Steuerhoheiten durch Verlagerung vorhandener oder künftiger Steuersubstanz in Verbindung gebracht.4 1 Hierzu gehört auch § 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG (erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht). 2 Zu Einzelheiten Rz. 10.21 ff.; zu § 50d Abs. 3 EStG als Sondernorm zu § 42 AO siehe Rz. 16.160 ff. 3 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, B Rz. 34; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1324; Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 21; Ruppe in H/H/R, Einf. ESt Rz. 105; Mössner, Die internationale Steuerflucht, 817 ff.; umfassend zuletzt Bürger, Steuerflucht, 1 ff. 4 So z.B. von Schmid, Die internationale Steuerflucht, 4; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 6.

10

C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen

Es hat auch nicht an Versuchen gefehlt, den Begriff Steuerflucht sehr weit zu ziehen und über die §§ 7 bis 14, 15 AStG und § 42 AO hinaus verschiedene Normengruppen wertungsmäßig als Normen zur Bekämpfung der Steuerflucht, als Steuerfluchtnormen, zusammenzufassen.1 So wurde etwa das Außensteuergesetz insbesondere in seiner Anfangsphase insgesamt als Steuerfluchtgesetz bezeichnet2 mit der Folge, dass sämtliche Normen dieses Gesetzes einer einheitlichen Wertung unterstellt wurden.3 Ein derartiges einheitliches Steuerfluchtrecht ist im Außensteuergesetz indessen nicht normiert.

2.17

Wer etwa seinen Wohnsitz aus dienstlichen Gründen von Deutschland nach Brasilien verlegt, wer in die USA auswandert oder sich auf Dauer an der Costa Brava niederlässt, mag zwar der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG unterliegen, als Steuerflüchtling wird man ihn aber nicht bezeichnen können. Wer in die Schweiz verzieht, um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, eine Steuerflucht hat er damit aber nicht begangen. Wer schließlich in der Schweiz an einer Dienstleistungsgesellschaft wesentlich beteiligt ist, die europaweit mit eigenem Personal tätig ist, mag der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) unterliegen, weil er etwa selbst als Subunternehmer Aufträge für die Dienstleistungsgesellschaft ausgeführt hat (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 5a AStG); mit Steuerflucht hat dies aber nichts zu tun.

2.18

Da der Begriff der Steuerflucht sehr unbestimmt ist, auf unterschiedlichen Vorstellungen über die Akzeptanz steuervermeidender Gestaltungen beruht und dabei nicht selten von reiner Gefühlsjurisprudenz getragen ist, vermag er für die Rechtsanwendung wenig zu leisten.

2.19

Auf die Vermeidung von Einkünfteverlagerung gerichtete Normen haben auch im Doppelbesteuerungsrecht Verbreitung gefunden. Zu diesen Vermeidungsnormen zählt u.a. § 50d Abs. 3 EStG. Durch diese treaty-shopping-Klausel soll insbesondere die missbräuchliche Inanspruchnahme einer Quellensteuerreduktion nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen und des § 43b EStG vermieden werden. Dies geschieht dadurch, dass die Zwischenschaltung von Gesellschaften steuerlich nicht anerkannt wird, soweit Personen an ihnen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung (Quellensteuerreduktion) nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar selbst erzielten, und für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäfts-

2.20

1 Vgl. etwa Ruppe in H/H/R, Einf. ESt Rz. 107, 123 ff. 2 Flick, BB 1971, 250 f.; Eichhorn, DB 1971, 447 ff.; Wassermeyer, DStR 1972, 519 ff.; Ritter, BB 1987, 65 ff. 3 So früher Fischer/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre3, 45 ff.

11

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts

betrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Diese Missbrauchsvorschrift, die eine normative Konkretisierung des § 42 AO darstellt, zielt insbesondere auf Holdinggesellschaften und sog. Künstlerund Sportlergesellschaften ab (Rz. 16.160 ff.). Auf der gleichen Systemlinie liegt § 20 Abs. 1 AStG, der im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung von der Rechtsfolge darauf gerichtet ist, die Abschirmwirkung von DBA zu beseitigen (Rz. 10.201). Damit korrespondiert § 20 Abs. 2 AStG, wonach bei ausländischen Betriebsstätteneinkünften mit Kapitalanlagecharakter in Abweichung von den bilateralen Regelungen der DBA die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung vermieden wird (Rz. 16.544).

D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen 2.21 Die Steuergesetze enthalten nicht nur die vorgenannten Fiskalzwecknormen, sondern auch Sozialzwecknormen,1 insbesondere wirtschaftslenkende Normen.2 Das gilt auch für den Bereich des Internationalen Steuerrechts. Vergünstigungs- oder Förderziele werden freilich nicht immer klar erkennbar. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen enthielten insbesondere das im Wesentlichen bis 1981 geltende Entwicklungsländersteuergesetz und das mit Wirkung ab 1990 aufgehobene Auslandsinvestitionsgesetz, das steuerliche Hemmnisse beseitigen wollte, die sich bei Investitionen im Ausland störend auswirken. Der zum Außensteuerrecht zählende und im Kern ab 1999 aufgehobene § 2a Abs. 3 EStG stellt(e) ebenso wie die 1999 eingeführte Tonnagebesteuerung für die internationale Handelsschifffahrt gem. § 5a EStG auf diesen Gesichtspunkt ab. Wirtschaftslenkenden Charakter haben schließlich im Bereich des Doppelbesteuerungsrechts der bis 1999 geltende § 26 Abs. 3 KStG (Entwicklungsländer-Schachtelprivileg) sowie Regelungen in einigen Doppelbesteuerungsabkommen über den sog. tax matching credit und tax sparing credit, die die Anrechnung fiktiver Steuern zum Gegenstand haben (Rz. 16.566 f.).

2.22 Obwohl grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen auf wirtschaftliche Lenkung oder soziale Gestaltung, nicht aber auf gerechte, gleichmäßige Steuerlastenverteilung gerichtet sind mit der Folge, dass auf derartige Lenkungsnormen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ohne weiteres wie auf Fiskalzwecknormen anwendbar ist,3 dürfen sich deren Vergünstigungseffekte nicht ungezielt entfalten. Lenkungsnormen müssen sich vielmehr an den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit 1 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 21 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 77 ff.; Ruppe in H/H/R, Einf. ESt Rz. 52 ff., 65 ff. 2 Umfassend hierzu Wernsmann, Verhaltenslenkung, 1 ff.; ferner im Überblick Hey in Tipke/Lang20, § 19 Rz. 1 ff. 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 340, 495 f.

12

D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen

und Verhältnismäßigkeit messen lassen.1 Wird den vorgenannten Grundsätzen nicht entsprochen, erweisen sich die für die Lenkungsnormen gesetzten normativen Maßstäbe als nicht sachgerecht, so wird die materielle Gleichheit und damit der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.2 Im Hinblick darauf steht insbesondere die durch Doppelbesteuerungsabkommen ermöglichte Anrechnung fiktiver Steuern auf dem Prüfstand, soweit sie für Zinseinkünfte aus privaten Kapitalanlagen gewährt werden.3 Wirtschaftslenkende Normen müssen sich schließlich auch an Art. 107 AEUV messen lassen. Hiernach sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen grundsätzlich verboten. Zu diesen Beihilfen zählen alle Maßnahmen, die die Wettbewerbslage bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verbessern.4 Das gilt auch für steuerliche Vergünstigungen,5 und zwar dann, wenn sie selektiv wirken und nicht unmittelbar Folge der Grund- und Leitprinzipien des Steuersystems sind.6 Angesprochen sind damit neben gezielten Steuerbefreiungen und -vergünstigungen insbesondere auch Investitionszulagen. Derartige Beihilfen sind gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV der Kommission zu melden (Notifizierungsverfahren). Kommt die Kommission nach einer Vorprüfung zu dem Ergebnis, dass ein Vorhaben als Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar ist, wird das Hauptprüfungsverfahren (Art. 108 Abs. 2 AEUV) eingeleitet.7 Während dieser Zeit darf die betreffende wirtschaftslenkende Norm nicht angewendet und die Beihilfe nicht gewährt werden.8 Eine rechtswidrige Beihilfe muss zurück gefordert werden,9 so dass insoweit Vertrauensschutz nicht gewährt wird.10

1 Zu Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 340 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 124 ff.; Hey in Tipke/Lang20, § 19 Rz. 70 ff. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 345, 347 ff.; Hey in Tipke/Lang20, § 19 Rz. 76 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, 346 ff. 3 So etwa aufgrund der sog. Madeira-Modelle; hierzu Wagner, StBp. 1993, 108 ff. 4 Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 22 Rz. 5 ff.; Herdegen, Europarecht21, § 22 Rz. 48. 5 Hey in Tipke/Lang20, § 19 Rz. 80. 6 EuGH v. 2.7.1974 – Rs. C-173/73 – Kommission ./. Italien, EuGHE 1974, 709; EuGH v. 15.12 2005 – Rs. C-148/04 – Azoren, EuGHE 2006, I-7115. 7 Zur unionsrechtlichen Beihilfeprüfung Schütterle, EuZW 1995, 391 ff.; Stober, BB 1996, 1845 (1853 f.). 8 Dieses Schicksal haben z.B. die Investitionszulage nach dem InvZulG 1991, die steuerfreie Rücklage nach § 6 Fördergebietsgesetz und der „stille ReservenEscape“ des § 8c Abs. 2 KStG erlitten; vgl. ferner das Beihilfeprüfverfahren zur „Sanierungsklausel“ in § 8c Abs. 1a KStG (BMF v. 30.4.2010, DStR 2010, 928; zum Energiesteuergesetz Frenz/Roth, DStZ 2006, 465 ff. 9 EuGH v. 13.11.2008 – Rs. C-214/07 – Kommission ./. Frankreich, EWS 2008, 525. 10 Hierzu kritisch Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 361 ff.; ferner Kamps/Fraedrich, FR 2005, 969 ff.; de Weerth, IStR 2010, 172 ff.

13

2.23

Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts

E. Vereinfachungszwecknormen 2.24 Vereinfachungszwecknormen dienen der technisch-ökonomischen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens1 und sind auch im Bereich des Internationalen Steuerrechts zu finden. Zu diesen Vereinfachungszwecknormen gehören im Außensteuerrecht insbesondere § 9 AStG und im Doppelbesteuerungsrecht etwa § 34c Abs. 5 EStG.

2.25 Vereinfachungszwecknormen finden ihre Berechtigung durchweg darin, dass sich die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur im Rahmen praktischer Verwirklichungsmöglichkeiten durchsetzen lässt.2 Dies gilt z.B. für die in den § 9 AStG geregelten Freigrenzen, die auch den Zweck haben, die Finanzverwaltung von unsinniger Hinzurechnungsbesteuerung arbeitsmäßig zu entlasten. Indessen gilt auch hier: Für die Vereinfachung muss ein erkennbares Bedürfnis bestehen.3 Die in § 34c Abs. 5 EStG verankerte Steuerpauschalierung für ausländische Einkünfte ist unter dem vorgenannten Gesichtspunkt nicht beanstandet worden.4

1 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 80; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 23 ff. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 349; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 130 ff. 3 BVerfG v. 6.11.1985 – 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146 (157). 4 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552); zu Einzelheiten Rz. 15.144 f.

14

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts Literatur Kommentare zu §§ 2, 4 AO; Auer, Neues zu Umfang und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung, NJW 2007, 1106; Bayer, Das Völkerrecht in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, StuW 1981, 61; Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, 1177; Bleckmann/Pieper, Die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, RIW 1993, 969; Böcking/Herold/Wiederhold, Modernisierung des HGB in Richtung IAS/IFRS, DK 2003, 394; Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, 83; Cordewener, Juristische Auslegungsmethoden im Europäischen Mehrwertsteuerrecht, UR 2006, 673; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Croxatto, Die Begrenzung der staatlichen Steuerhoheit durch internationales Gewohnheitsrecht, StuW 1964, 879; Dolfen, Nacherhebung, Erstattung und Erlass von Abgaben nach dem neuen Zollkodex, EuZW 1993, 754; Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, 409; Fischer, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Steuerberatung in Deutschland, DStR 1993, 1928; Friedrich, Zollkodex und Abgabenordnung, StuW 1995, 15; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 678; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien – Zusammenwirken von Gemeinschaft und Staat, NJW 1992, 1849; Grabitz, Das Verhältnis des Europarechts zum nationalen Recht, DStJG 11 (1988), 33; Häde, Das Bundesverfassungsgericht und der Vertrag von Maastricht, BB 1993, 2457; Herlinghaus, Bedeutung und Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts, Bonn 1997; Hirsch, Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht – Kooperation oder Konfrontation, NJW 1996, 2457; Hofmann, Zurück zu Solange II ! Zum Bananenmarktordnungs-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, in Cremer/Giegerich/Richter/ Zimmermann (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit, FS für Helmut Steinberger, Berlin u.a. 2002, 1207; Jarass, Haftung für die Verletzung von EU-Recht durch nationale Organe und Amtsträger, NJW 1994, 881; Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, 2420; Kirchhof, Besteuerung nach Gesetz, in Drenseck/Seer (Hrsg.), FS für Kruse, Köln 2001, 17; Leisner, Abkommensbruch durch Außensteuerrecht?, RIW 1993, 1013; Mager, Die staatengerichtete Entscheidung als supranationale Handlungsform, EuR 2001, 661; Meilicke, Zur Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung für das deutsche Steuerrecht, BB 1992, 969; Michel, Zur Geltung und Wirksamkeit von Normen des Völkergewohnheitsrechts, Diss. Marburg 1990; Moran, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für legislatives Unrecht, IStR 1993, 573; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarheit mit Europäsichem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000; Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287; Nettesheim, Die Bananenmarkt-Entscheidung des EuGH: Europarecht und nationaler Mindestgrundrechtsstandard, Jura 2001, 686; Pechstein, Die Anerkennung der rein objektiven unmittelbaren Richtlinienwirkung, EWS 1996, 261; Pieper, Mitgliedstaatliche Haftung für die Nichtbeachtung von Gemeinschaftsrecht, NJW 1992, 2454; Rabe, Europäische Gesetzgebung – das unbekannte Wesen, NJW 1993, 1; Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, 385;

15

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts Rust, Rechtsfolgen EG-rechtswidriger Normen, IStR 2009, 382; Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen Internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, Köln 1993, 35; Schönfeld, Doppelbesteuerung und EG-Recht, StuW 2006, 79; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG, IStR 1997, 481; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl. Köln/Berlin/Bonn/München 2000; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Spetzler, Wirkung und Einfluss des Rechts der Europäischen Gemeinschaft auf das nationale Steuerrecht, DB 1993, 553; Streck/Olgemüller, Das Recht der Europäischen Gemeinschaft und seine Durchsetzung in der Steuerberaterpraxis, DStR 1993, 417; Streinz, Staatshaftung für die Verletzungen primären Gemeinschaftsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, EuZW 1993, 599; Vedder, Einwirkungen des Europarechts auf das innerstaatliche Recht und auf internationale Verträge der Mitgliedstaaten: die Regelung der Doppelbesteuerung, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 1; Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV 29 (1969), 635; Vogel, Abkommensbindung und Missbrauchsabwehr, in Cagianut/Vallender (Hrsg.), Steuerrecht, Ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, FS für Höhn, Bern/Stuttgart/Wien 1995, 461; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR 1968, 428; Vogel, Völkerrechtliche Verträge und innerstaatliche Gesetzgebung, IStR 2005, 29; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982; Weber-Fas, Völkerrecht und Steuerhoheit, RIW 1979, 585.

A. Überblick 3.1 Die Besteuerung ist nur zulässig, sofern und soweit sie durch Gesetz angeordnet ist.

3.2

Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung1 hat seine Wurzeln sowohl im Verfassungsrecht als auch in einfachen Gesetzen. Abgeleitet wird es aus Art. 2 Abs. 1 GG, wonach die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere die ökonomische Handlungsfreiheit nur durch Gesetz eingeschränkt werden darf. Zur Handlungsfreiheit gehört auch das Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören.2 Verfassungsrechtliche Grundlage ist weiterhin Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist. Schließlich ergibt sich das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung auch aus der Abgabenordnung selbst; so aus § 3 Abs. 1 AO, wonach Steuern Geldleistungen sind, die allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, 1 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 118 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 150 ff. 2 BVerfG v. 3.12.1958 – 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3 (11); v. 14.12.1965 – 1 BvR 413/60, 1 BvR 416/60, BVerfGE 19, 206 (215 ff.); 226 (241); 242 (247); 248 (251); 253 (257); 268 (273); v. 13.12.1966 – 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1 (3); v. 27.7.1971 – 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BVerfGE 31, 314 (333 f.).

16

B. Völkerrechtliche Normen an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; ferner aus § 38 AO, wonach die Entstehung des Steueranspruchs die Verwirklichung eines gesetzlichen Steuertatbestandes voraussetzt.1

Gesetz ist jede Rechtsnorm (§ 4 AO). Im Hinblick darauf, dass, entsprechend dem hier verwendeten Begriff des Internationalen Steuerrechts, hierzu alle Rechtsnormen gehören, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen, werden Rechtsnormen betroffen, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Zu diesen Rechtsnormen zählen: Förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen, völkerrechtliche Normen und supranationale Normen.2 Im Internationalen Steuerrecht haben die völkerrechtlichen Normen und die supranationalen Normen eine besondere Bedeutung.

3.3

B. Völkerrechtliche Normen I. Einführung Zu den Völkerrechtsnormen zählen völkerrechtliche Verträge, das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kulturvölker.

3.4

Die drei vorgenannten völkerrechtlichen Rechtsquellen werden allgemein dem Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs3 entnommen. Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut enthält in Buchstabe D als weitere Entscheidungsmaßstäbe richterliche Entscheidungen des IGH und anerkannte Lehrmeinungen. Indessen handelt es sich hierbei nicht um Rechtsnormen, sondern lediglich um Hilfsmittel zur Feststellung bereits existierender Völkerrechtsnormen.4

3.5

II. Völkerrechtliche Verträge Der völkerrechtliche Vertrag ist eine Willenseinigung zwischen Völkerrechtssubjekten, deren Gegenstand die Begründung oder Änderung völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist. Als Vertragsparteien können entweder zwei Völkerrechtssubjekte (bilaterale Verträge) oder mehrere Völkerrechtssubjekte (multilaterale Verträge) beteiligt sein. 1 Zu weiteren Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 118 ff.; ferner P. Kirchhof in FS Kruse, 17 ff. 2 Zu den Steuerrechtsnormen im Einzelnen Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1137 ff. 3 BGBl. II 1973, 505; zum IGH Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 948 ff., Fischer in Ipsen, Völkerrecht5, § 62 Rz. 35 ff. 4 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 74.

17

3.6

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

3.7 Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge erfolgt in aller Regel in einem mehrphasigen Verfahren. Hierbei ist wesentlich, dass an der Festlegung des Vertragstextes und der Herbeiführung seiner Verbindlichkeit verschiedene Organe der Vertragsparteien beteiligt sind. Zwischen dem Abschluss der Vertragsverhandlungen und der Erklärung, die dem Vertrag völkerrechtliche Verbindlichkeit verleiht, liegt nach dem Recht Deutschlands das parlamentarische Verfahren.

3.8 Nach den Regeln des Grundgesetzes lassen sich folgende Phasen unterscheiden:1 – Vertragsverhandlungen durch Vertreter, die eine Verhandlungsvollmacht des Bundespräsidenten haben, der nach Art. 59 Abs. 1 GG den Bund völkerrechtlich vertritt und allein befugt ist, völkerrechtliche Verträge abzuschließen. – Annahme des Vertragstextes durch Zustimmung der Unterhändler. – Authentifizierung und damit endgültige Festlegung des Vertragstextes regelmäßig durch Paraphierung, d.h. Unterzeichnung des Vertragstextes durch die Unterhändler und ggf. zusätzliche Unterzeichnung durch jeweils ein Regierungsmitglied. Diese Paraphierung begründet keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Annahme des Vertrages, sondern verpflichtet nur, den Vertrag in angemessener Zeit dem Parlament zur Entscheidung vorzulegen. – Die Bundesregierung fasst den Beschluss, den Vertrag im Bundestag zwecks Zustimmung durch Gesetz (Zustimmungsgesetz) einzubringen. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag (Art. 59 Abs. 2 GG) wird im Bundestag verabschiedet; der Bundesrat hat gegebenenfalls zuzustimmen (Art. 78 GG). – Die Ratifikation erfolgt durch den Bundespräsidenten. Durch Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde wird erklärt, dass Deutschland den in dieser Urkunde wiedergegebenen Text vertragsgemäß einzuhalten gewillt ist und sich damit nunmehr völkerrechtlich für gebunden hält. – Schließlich erfolgt ein Austausch der Ratifikationsurkunden. Erst dadurch wird der Vertragspartner formell vom Willen des anderen ratifizierenden Staates in Kenntnis gesetzt, dass der Vertrag nunmehr völkerrechtlich verbindlich sein soll. Mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden beginnt also erst die völkerrechtliche Verbindlichkeit. Bei multilateralen Verträgen tritt die Verbindlichkeit erst zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Ratifikationserklärung bei einer bestimmten Stelle ein.

3.9 Zu den bilateralen Völkerrechtsverträgen mit steuerrechtlichem Inhalt gehören insbesondere die DBA sowie Verträge mit verschiedenen Bündnispartnern und sonstige zwischenstaatliche Vereinbarungen.2 Hierzu gehören z.B. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland

1 Zu Einzelheiten Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 451 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 50 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 10 Rz. 7; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 45. 2 Hierzu der Überblick im BStBl. I 2010, 35.

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B. Völkerrechtliche Normen

und den USA über die von der Bundesrepublik Deutschland zu gewährenden Abgabenvergünstigungen für die von den USA im Interesse der gemeinsamen Verteidigung geleisteten Ausgaben vom 15.10.1954, ratifiziert durch das Offshore-Steuergesetz vom 18.8.1955,1 sowie das NATOTruppenstatut vom 19.6.1951 und das Zusatzabkommen hierzu vom 3.8.1959.2 Zu den multilateralen Völkerrechtsverträgen mit steuerrechtlichem Inhalt zählen das Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über die diplomatischen Beziehungen (WÜD),3 welches am 11.12.1964 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist,4 ferner das Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen (WÜK),5 das für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 7.10.1971 gilt6 sowie die auf der Grundlage des Art. 293 EG a.F. ergangene sog. Schiedsverfahrenskonvention.7

3.10

III. Völkergewohnheitsrecht Völkergewohnheitsrecht ist eine allgemeine ständige Übung der Staaten, 3.11 die von der Überzeugung der beteiligten Staaten getragen ist, dass eine Rechtspflicht zu deren Befolgen besteht.8 Unter das Völkergewohnheitsrecht fallen insbesondere die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die gem. Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind, den übrigen Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen. Art. 25 GG lässt offen, aus welcher völkerrechtlichen Rechtsquelle die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gespeist werden. Der Wortlaut der Bestimmung, der insoweit keine Einschränkung enthält, deutet darauf hin, dass sowohl Gewohnheitsrecht, Vertragsrecht als auch allgemeine Rechtsgrundsätze

1 BGBl. II 1955, 821, zuletzt geändert durch Gesetz v. 24.6.1976, BGBl. I 1975, 1509; DVO v. 23.3.1964, BGBl. I 1964, 224. 2 BGBl. II 1961, 1218. 3 BGBl. II 1964, 957. 4 BGBl. II 1965, 147. 5 BGBl. II 1969, 1585. 6 BGBl. II 1971, 1285; zu weiteren Einzelheiten zum WÜD und WÜK Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 11; Engelschalk in V/L5, Art. 28 OECD-MA Rz. 5 ff. 7 90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005; siehe ferner Rz. 3.74 ff. 8 Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 124 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 16 Rz. 2 ff.; zu den wichtigsten Theorien, die zum Entstehen und zur rechtlichen Geltung von Völkergewohnheitsrecht vertreten werden Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 346 ff.; Verdross, ZaöRV 29 (1969), 635 ff.; Michel, Zur Geltung und Wirksamkeit von Normen des Völkergewohnheitsrechts.

19

3.12

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts zu diesen Rechtsquellen gehören. Indessen ergibt sich aus dem Verhältnis von Art. 25 GG einerseits zu Art. 59 Abs. 2 GG andererseits, dass völkerrechtliche Verträge als Rechtsquellen für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts ausscheiden. Für die Einbeziehung von Völkervertragsrecht enthält nämlich Art. 59 Abs. 2 GG eine dem Art. 25 GG vorgehende Sonderregelung dahingehend, dass völkerrechtliche Verträge grundsätzlich durch die entsprechenden Vertragsgesetze zu innerstaatlichem Recht werden und damit lediglich Gesetzesrang haben.1

3.13 Als steuerrechtliches Völkergewohnheitsrecht2 hat sich das Verbot für jeden Staat herausgebildet, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranke auszudehnen. Hiernach dürfen also nur solche Sachverhalte der einseitigen steuerrechtlichen Regelung eines Staates unterworfen werden, die eine tatsächliche Anknüpfung zum regelnden Staat aufweisen.3

IV. Allgemeine Rechtsgrundsätze 3.14 Unter den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Kulturvölker versteht man die übereinstimmenden Grundsätze, die sich aus dem innerstaatlichen Recht der Staaten entnehmen und auf internationale Sachverhalte übertragen lassen.4 Für das Internationale Steuerrecht sind jene allgemeinen Rechtsgrundsätze von Bedeutung, die allgemeine rechtstechnische Regeln beinhalten. Hierzu gehören die Sätze „lex posterior derogat legi priori“, „lex specialis derogat legi generali“ sowie einige allgemeine Grundsätze materieller Natur, wie das Verbot des Rechtsmissbrauchs sowie der Grundsatz von Treu und Glauben.5

1 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 20; Jarass in Jarass/Pieroth10, Art. 59 GG Rz. 19; Streinz in Sachs5, Art. 59 GG Rz. 63; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 120 ff. 2 Hierzu Croxatto, StuW 1964, 879 ff. 3 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369); v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288 (309 f.); BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 781 f.; Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 95 f.; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 172 f.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 146; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, D Rz. 10; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften; Vogel, DStR 1968, 428 ff.; Weber-Fas, RIW 1979, 585 ff. 4 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 383; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 81 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 17 Rz. 1 ff. 5 Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 51; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 82.

20

C. Supranationale Normen (Europarecht)

C. Supranationale Normen (Europarecht) Supranationale Normen sind Rechtsnormen, die von zwischenstaatlichen Organisationen erlassen werden und die zu ihrer Wirksamkeit keiner Transformation in innerstaatliches Recht bedürfen; Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG gilt insoweit nicht. Derartige supranationale Normen stellen sekundäre Völkerrechtsquellen dar, die sich auf eine primäre Völkerrechtsquelle, zumeist einen völkerrechtlichen Vertrag, zurückführen lassen.1 Supranationale Normen werden insbesondere im Rahmen der aus dem primären Unionsrecht (z.B. AEUV)2 abgeleiteten Rechtsetzungsbefugnis3 der Europäischen Union erlassen. Das sekundäre Unionsrecht wird gesetzt z.B. durch Verordnungen und Richtlinien. Während die Verordnungen sich an jedermann richten und im gesamten Unionsbereich unmittelbar geltendes Recht darstellen (Art. 288 Abs. 2 AEUV), sind Adressaten der Richtlinien lediglich die Mitgliedstaaten. Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist jede Richtlinie für den Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Eine EU-Verordnung muss nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden, so dass sie insoweit unmittelbare Rechtsnormqualität hat.4

3.15

EU-Richtlinien sind grundsätzlich kein für den Unionsbürger unmittel- 3.16 bar wirkendes Recht. Etwas anderes gilt nur, wenn eine EU-Richtlinie von einem Mitgliedstaat nicht, nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden ist: Sie erzeugt – soweit sie hinreichend bestimmt und unbedingt ist – für den Bürger unmittelbar geltendes Recht mit der Folge, dass sich dieser gegenüber dem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzt hat, unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall auf die Richtlinienregelung zu seinen Gunsten berufen kann.5 1 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 46 ff.; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 64 ff. 2 Ursprünglich EG-Vertrag; überarbeitet durch den am 7.2.1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag); Zustimmungsgesetz v. 28.12.1992, BGBl. II 1992, 1251, durch den Vertrag von Amsterdam v. 2.10.1997; Zustimmungsgesetz BGBl. II 1998, 387; durch den Vertrag von Nizza v. 26.2.2001, Zustimmungsgesetz BGBl. II 2001, 1667; und durch den Vertrag von Lissabon v. 13.12.2007, Zustimmungsgesetz BGBl. II 2008, 1038. 3 Zur Rechtsetzungsbefugnis der EU im Einzelnen Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 47; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 204 ff.; Rabe, NJW 1993, 1 ff. 4 Schmidt in von der Groeben/Schwarze, Art. 249 EG Rz. 31; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 82 ff.; Epping in Ipsen, Völkerrecht5, § 33 Rz. 18. 5 EuGH v. 5.2.1981 – Rs. 154/80 – Genossenschaft, EuGHE 1981, I-445; v. 2.2.1984, Rs 70/83 – Kloppenburg, EuGHE 1984, I-1075; v. 26.2.1986 – Rs. C-152/84 – Marshall, EuGHE 1986, I-723; v. 27.6.1989 – Rs. C-50/88 – Kühne, EuGHE 1989, I-1925; v. 25.5.1993 – Rs. C-193/91 – Mohsche, EuGHE 1993, I-2615; vgl. zu weiteren Einzelheiten Rz. 3.31 f.

21

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

3.17 Während die EU-Verordnungen als unmittelbar geltendes Recht besondere Bedeutung im Zollrecht haben,1 spielen sie im Bereich des Steuerrechts eine nur geringe Rolle. Demgegenüber sind aufgrund verschiedener EU-Richtlinien zahlreiche Vorschriften des Steuerrechts harmonisiert worden (Rz. 3.58). Dies gilt insbesondere für das Umsatzsteuerrecht,2 Verbrauchssteuerrecht,3 Bilanzrecht4 und das Recht der Unternehmensbesteuerung.5

3.18 Neben den EU-Verordnungen und EU-Richtlinien zählen auch noch Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen zum sekundären Unionsrecht.6 Während Beschlüsse rechtsverbindliche Einzelfallregelungen sind,7 erzeugen Empfehlungen und Stellungnahmen keine verbindliche

1 Z.B. der gemeinsame Zolltarif, Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates v. 23.7.1987, ABl. EG Nr. L 256, 1 v. 7.9.1987 sowie Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates v. 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 302 v. 19.10.1992; Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften v. 2.7.1993, ABl. EG Nr. L 253 v. 11.10.1993; Modernisierter Zollkodex (MZK), VO Nr. 450/2008, ABl. Nr. L 145/1 v. 4.6.2008; hierzu Witte, Zollkodex5, Vor Art. 1 Rz. 25 ff. 2 Z.B. Richtlinie v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWStSystRL), ABl. EU 2006 Nr. L 347, 1 v. 11.12.2006. 3 Richtlinie 92/12/EWG über ds allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchssteuerpflichtiger Waren (System-Richtlinie) v. 25.2.1992, ABl. EG 1992 Nr. L 76, 1 v. 23.3.1992 sowie Richtlinie 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiesteuer-Richtlinie) v. 27.10.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 283, 57 v. 31.10.2003. 4 4. Richtlinie des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. 1978 L 222, 1 v. 14.8.1978; EU-Modernisierungsrichtlinie v. 18.6.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 178, 16 v. 17.7.2003; hierzu Böcking/Herold/Wiederhold, DK 2003, 394 ff. 5 Richtlinie des Rats v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl. EG 1990 L 225, 1 v. 20.8.1990(Fusionsrichtlinie), neu gefasst durch Richtlnie 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005, ABl. EU 2005 Nr. L 58, 19 v. 4.3.2005 sowie Richtlinie vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaft verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter-Tochter-Richtlinie), ABl. EG 1990 L 225, 6 v. 20.8.1990; überarbeitet durch Richtlinie 2003/123/EG des Rates v. 22.12.2003, ABl. EU 2004 Nr. 7, 41 v. 13.1.2004, sowie Richtline des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebüren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten 2003/49/EG, ABl. EU 2003 Nr. L 157, 49 v. 26.6.2003; insgesamt im Überblick Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 510 ff. 6 Hierzu die Übersicht bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 125. 7 Art. 288 Abs. 4 AEUV; hierzu Mager, EuR 2001, 661 ff.

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C. Supranationale Normen (Europarecht)

Wirkung.1 Im Steuerrecht haben Empfehlungen nur geringe Bedeutung erlangt. Entscheidungen steuerrechtlichen Inhalts sind ebenfalls bisher nur vereinzelt ergangen.2 Schließlich gehören auch völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten zu den europarechtlichen Rechtsquellen. Als multilaterale Abkommen werden sie erst durch Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten verbindlich. Im Steuerrecht haben sie bisher kaum Bedeutung erlangt.3 Neben primärem und sekundärem Unionsrecht als Hauptquellen des Europarechts haben als Neben- oder Komplementärquellen über die bereits erwähnten Rechtsquellen hinaus noch Bedeutung: Entschließungen, Erklärungen, Kommuniqués und Mitteilungen.4

3.19

Der dem vorgenannten sekundären Unionsrecht als primäres Unionsrecht zugrunde liegende AEUV erzeugt partiell ebenfalls unmittelbar geltendes Recht.5 Zu den Bestimmungen, die dem Unionsbürger subjektive Rechte verleihen, gehören im Steuerrecht insbesondere die die Grundfreiheiten – Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) – regelnden Normen des AEUV. Zum primären Unionsrecht zählen neben dem AEUV selbst z.B. auch der EURATOM-Vertrag, die entsprechenden Beitrittsverträge, Änderungen und Ergänzungen der Verträge, das Unionsgewohnheitsrecht sowie die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze der Union.6

3.20

1 Hierzu Schmidt in von der Groeben/Schwarze, Art. 249 EG Rz. 50; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 134. 2 Z.B. die Entscheidung des Rates 90/640/EWG v. 3.12.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 349, 19 v. 13.12.1990, aufgrund deren Deutschland ermächtigt wurde, abweichend von der 6. EG-Richtlinie für Umsätze an die sowjetischen Truppen bis zu deren Abzug Steuerbefreiungen auszusprechen (UR 1991, 41). 3 Vgl. allerdings die sog. Schiedsverfahrenskonvention (90/436/EWG, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005); siehe hierzu Rz. 3.74 ff. 4 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 69 ff. 5 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 16 ff. 6 Solche sind: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Grundsatz des Verwaltungsschutzes, Grundsatz der Rechtssicherheit, Grundsatz des Verbots von Rückwirkungen belastender Rechtsakte, Grundsatz des rechtlichen Gehörs; vgl. hierzu die Hinweise bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 41 ff.

23

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

D. Zur Normenhierarchie I. Überblick 3.21 Das Normengefüge des Internationalen Steuerrechts stellt sich als eine gegliederte Rechtsordnung dar, innerhalb deren eine Normenhierarchie besteht, die den einzelnen Rechtsnormen eine bestimmte Rangstufung zuweist. Die Rangstufung der Rechtsnormen ist notwendig, weil nur so eine gesicherte Rechtsanwendung möglich ist. Eine Normenhierarchie ist nur zwischen völkerrechtlichen und innerstaatlichen sowie innerhalb innerstaatlicher Normen feststellbar. Eine Normenhierarchie innerhalb völkerrechtlicher Normen gibt es aus der Sicht des Völkerrechts im Grundsatz nicht, so dass Völkergewohnheitsrecht, völkerrechtliche Verträge und allgemeine Rechtsgrundsätze prinzipiell gleichrangig nebeneinander stehen.1

3.22 Auf der Ebene der vorgenannten völkerrechtlichen Normen werden Konflikte allerdings durch die allgemeinen konfliktvermeidenden Rechtsanwendungsregeln ausgestaltet. So geht stets der besondere Rechtssatz dem allgemeinen (lex specialis derogat legi generali) und der spätere Rechtssatz dem früheren vor (lex posterior derogat legi priori). Für die völkerrechtliche Praxis hat das die bedeutsame Folge, dass ein völkerrechtlicher Vertrag regelmäßig völkerrechtliches Gewohnheitsrecht als spezielleres Recht verdrängt.2

II. Der Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts 3.23 Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen allgemeine Regeln des Völkerrechts, zu denen Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze der Kulturvölker zählen,3 den „Gesetzen“ vor. Diese Bestimmung verankert den Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts vor Bundesgesetzen oder Landesgesetzen. Im Falle der Kollision ist daher Bundes- und Landesrecht unanwendbar.4 Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind aber nicht mit Überverfassungsrang ausgestattet. Dies ergibt sich aus Art. 79 Abs. 3 GG, in dem Art. 25 GG nicht unter jenen Artikeln aufgeführt ist, die durch das Grundgesetz nicht geändert werden dürfen. Schließlich sieht Art. 100 Abs. 2 GG keine Kontrolle des Verfassungsrechts anhand allgemeiner Regeln des Völkerrechts vor. Allgemeine Regeln des Völkerrechts können daher nach Art. 25 GG nur insoweit Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung sein, als sie nicht dem Verfassungsrecht widersprechen. Das Verfassungsrecht hat somit ggü. den allgemeinen 1 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 413 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 50; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 20 Rz. 1. 2 Zu Einzelheiten Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, Rz. 2 ff. 3 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 145 f. 4 Streinz in Sachs5, Art. 25 GG Rz. 93.

24

D. Zur Normenhierarchie

Regeln des Völkerrechts den Vorrang.1 Die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln sind daher im Rang zwischen den formellen Gesetzen und dem Grundgesetz angesiedelt.2

III. Der Rang völkerrechtlicher Verträge Völkerrechtliche Verträge stehen, da Art. 25 GG nicht gilt, durch Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 GG im Rang von Bundesgesetzen.3 Das Grundgesetz geht in seiner prinzipiellen, insbesondere sich aus Art. 25 GG ergebenden Völkerrechtsfreundlichkeit nicht so weit, die Einhaltung bestehender völkerrechtlicher Verträge durch eine Bindung des Gesetzgebers an das ihnen entsprechende Recht zu sichern.4 Es überlässt vielmehr die Erfüllung der bestehenden völkerrechtlichen Vertragspflichten der Verantwortung des Gesetzgebers. Solange also nicht völkerrechtliche Verträge durch Zustimmungsgesetz Bestandteile der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sind (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG), stellen sie keine Rechtsnormen dar. Insbesondere führt auch der völkerrechtlich anerkannte Grundsatz „pacta sunt servanda“ nicht dazu, dass ein völkerrechtlicher Vertrag, dem nicht durch ein förmliches Gesetz gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zugestimmt wurde, als in innerstaatliches Recht überführt gilt.5

3.24

Im Hinblick darauf ist § 2 AO, der den Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen, insbesondere von DBA, vor Steuergesetzen normiert, weitgehend leerläufig. § 2 AO kann als einfaches Bundesgesetz die Rangregel des Art. 59 Abs. 2 GG nicht suspendieren. Die Regelung des § 2 AO hätte – um konstitutive Wirkung entfalten zu können – mit qualifizierter Mehrheit (Art. 79 Abs. 2 GG) in das Grundgesetz zu Art. 25 GG einge-

3.25

1 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 7.4.1965 – 2 BvR 227/64, BVerfGE 18, 441 (448); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (318); BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 7, 42 f. 2 Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 42; Jarass in Jarass/Pieroth10, Art. 25 GG Rz. 14; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 152 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 62. 3 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 20; Streinz in Sachs5, Art. 59 GG, Rz. 63; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 160 f.; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5. 4 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362 f.); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (177 f.). 5 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 161; Seer, IStR 1997, 481 (483).

25

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

führt werden müssen.1 § 2 AO hat daher allenfalls deklaratorische Bedeutung.2 Indessen beruht diese nicht darauf, dass völkerrechtliche Verträge eingehalten werden müssen. Zwar ist der Satz „pacta sunt servanda“ eine grundlegende Bestimmung des Völkergewohnheitsrechts und zugleich eine allgemeine Regel des Völkerrechts,3 hierdurch werden die Normen der völkerrechtlichen Verträge selbst aber noch nicht in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor dem anderen innerstaatlichen Recht umgewandelt.4 Die deklaratorische Bedeutung des § 2 AO lässt sich lediglich unter dem Gesichtspunkt einer völkerrechtsfreundlichen Auslegungsregel feststellen. Aus Art. 25 GG ergibt sich nämlich die grundsätzliche Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes5 mit der Folge, dass eine spätere allgemeine steuergesetzliche Norm der früheren spezielleren völkerrechtlichen Vertragsnorm nicht vorgeht (lex generalis posterior non derogat legi speciali priori). Spätere speziellere Regelungen gehen jedoch der völkerrechtlichen Vertragsnorm vor, soweit ein gesetzgeberischer Wille zur Abkommensverdrängung feststellbar ist.6 Gegen völkerrechtliche Verträge verstoßende Rechtsnormen sind daher nicht ohne weiteres verfassungswidrig oder gar nichtig.7 Solche Eingriffe des nationalen Gesetzgebers in geltende völkerrechtliche Verträge,8 etwa 1 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1; Pahlke/König2, § 2 AO Rz. 17; Seer, IStR 1997, 481 (484); zur Rechtslage im Ausland Vogel in V/L5, Einl. Rz. 52, 204 ff. 2 Kritisch unter dem Gesichtspunkt der Normenwahrheit Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1. 3 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (178); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; vgl. auch Art. 26 WÜRV. 4 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (177 f.); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 161. 5 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362); v. 31.3.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1 (17); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (317); vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Bayer, StuW 1981, 61 (65 f.) und Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 43, 76. 6 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; Pahlke/Koenig2, § 2 AO Rz. 20; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 76; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarheit mit Europäsichem Gemeinschaftsrecht, 63 ff.; Seer, IStR 1997, 481 (482 ff.); Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 (152 ff.); die Benennung des jeweils außer Kraft gesetzten DBA im Sinne eines Zitiergebotes verlangt Leisner, RIW 1993, 1013 (1019). 7 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5a; Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 3b; a.A. Vogel in V/L5, Einl. Rz. 204 f.; im Sinne einer Abwägung zwischen demokratisch legitimiertem Änderungsinteresse und rechtsstaatlich fundierter Selbstbindung an den Vertrag Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (848); differenzierend auch Gosch, IStR 2008, 413 (419). 8 Gesetzestechnisch handelt es sich um die Aufhebung oder inhaltliche Änderung des Zustimmungsgesetzes; vgl. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; Anm. F. W., IStR 1995, 483, aus der Sicht des Völkerrechts handelt es sich um einen Vertragsbruch.

26

D. Zur Normenhierarchie

DBA, stellen völkerrechtswidrige Vertragsverletzungen dar,1 die gem. Art. 60 WÜRV zu einer Kündigung durch den anderen Vertragspartner führen können.2 Eine Verletzung des AEUV ist indessen nicht gegeben.3 Ein derartiges treaty overriding ist in der internationalen Vertragspraxis von DBA nicht selten anzutreffen. So hat es bereits frühzeitig insbesondere in den USA Bestrebungen gegeben, allgemeine treaty override-Klauseln einzuführen, wonach in Konfliktfällen innerstaatlichen Steuergesetzen stets der Vorrang vor entgegenstehenden Regelungen der DBA eingeräumt werden sollte.4 Spezielles sich lediglich auf einzelne völkervertragliche Regelungen beziehendes treaty overriding wird zunehmend auch durch den deutschen Gesetzgeber insofern betrieben, als in einzelne Normen von DBA offen oder verdeckt eingegriffen wird. So widerspricht etwa § 2a Abs. 1 EStG den entsprechenden Regelungen von DBA, soweit sie die Berücksichtigung – positiver und negativer – ausländischer Einkünfte bei der Ermittlung der deutschen Besteuerungsgrundlage zwingend (self executing) vorschreiben.5 Dies gilt ebenso für § 50d Abs. 1, 3 EStG, der grundsätzlich den (ungekürzten) Steuerabzug auch für die Fälle vorschreibt, in denen nach DBA keine oder nur eine geringere Steuer einzubehalten ist,6 und für § 20 Abs. 2 AStG, wonach bei Betriebsstätten mit sog. Kapitalanlageeinkünften die nach Abkommensrecht gebotene Steuerfreistellung durch die Steueranrechnung ersetzt wird.7 Diese und andere offene oder verdeckte Vertragsverstöße8 bedürfen im Hinblick auf die vom BVerfG immer wieder postulierte Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes stets einer besonderen Rechtfertigung.9 Ein treaty overriding ist danach etwa gerechtfertigt, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist.10 Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG vor.11

1 Musil, RIW 2006, 287 (288). 2 Vogel in V/L5, Einl. Rz. 199; Vogel in FS Höhn, Bern/Stuttgart/Wien 1995, 461 ff. 3 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10454. 4 Hierzu Vogel in V/L5, Einl. Rz. 185 f.; Shannon, Die DBA der USA, 50 ff. 5 Das ist indessen die Ausnahme, vgl. BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 6 Gebilligt durch BFH v. 1.12.1993 – I R 48/93, BFH/NV 1994, 549; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; ebenso Frotscher in FS Schaumburg, 678 (688); ablehnend dagegen Vogel, IStR 2005, 29 f.; kritisch hierzu auch Gosch, IStR 2008, 413 (418 f.). 7 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 20 AStG Rz. 31, 41 ff.; Rupp in Haase, § 20 AStG Rz. 25 ff. 8 Zu weiteren Fällen des treaty overriding Gosch, IStR 2008, 413 ff. 9 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (318 f.). 10 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (319 f.); v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112, 1 (26 f.); zu weiteren Einzelheiten Gosch, IStR 2008, 413 (418 f.). 11 BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112, 1 (24 f.); Gosch, IStR 2008, 413 (419).

27

3.26

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

3.27 Sollte kein eindeutiges Spezialitätenverhältnis festgestellt werden können, ist entsprechend dem Verfassungsgebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung derjenigen Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben, die die innerstaatliche Wirksamkeit der völkervertraglichen Regelung aufrechterhält.1

IV. Der Rang supranationaler Normen (Europarecht) 3.28 Der Rang supranationaler Normen innerhalb der Normenhierarchie des Internationalen Steuerrechts hängt im Wesentlichen davon ab, welche Wirkung den supranationalen Normen zukommt.2 Handelt es sich um Normen, die sich von ihrem Inhalt her an die einzelnen Staaten wenden und diese Staaten lediglich verpflichten, etwa durch staatliche Akte ihre innerstaatliche Gesetzgebung in bestimmter Weise zu ändern,3 so schaffen diese Normen durchweg nicht unmittelbar auch ggü. dem Bürger anwendbares Recht,4 sind also non self executing.5 Bei diesen Normen stellt sich die Frage nach dem Rangverhältnis grundsätzlich nicht. Innerstaatliche Normen, die aufgrund einer derartigen völkerrechtlich verpflichtenden supranationalen Norm erlassen werden, haben im innerstaatlichen Recht hinsichtlich Dauer und Grad ihrer Wirksamkeit keine bevorzugte Stellung gegenüber gleichartigen innerstaatlichen Normen.6

3.29 Während die Bestimmungen des AEUV unmittelbare Geltung beanspruchen, soweit sie den Unionsbürgern subjektive Rechte verleihen,7 und Art. 288 Abs. 2 AEUV die unmittelbare Wirkung von EU-Verordnungen normiert, findet sich eine vergleichbare Regelung für EU-Richtlinien nicht. Hieraus folgt indessen nicht, dass EU-Richtlinien keine den EUVerordnungen vergleichbare verbindliche Wirkung erzielen können. So ist eine EU-Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie überlässt den na-

1 BVerfG v. 26.3.1957– 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5. 2 Zu den einzelnen Normengruppen des EU-Rechts Nettesheim in Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 1 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 206 ff.; Jarass, NJW 1990, 2420 (2420). 3 Art. 288 Abs. 3 AEUV für EU-Richtlinien. 4 Die EuGH-Judikatur verwendet den Begriff „unmittelbare Wirkung“; zu weiteren terminologischen Differenzierungen Grabitz, DStJG 11 (1988), 33 (38 f.). 5 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, § 2 Rz. 186 ff., 203; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rz. 1707 ff.; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 17. 6 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rz. 1721; Götz, NJW 1992, 1849 (1852). 7 So z.B. die Grundfreiheiten; vgl. Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 19.

28

D. Zur Normenhierarchie

tionalen Gesetzgebungsorganen lediglich die Wahl der Form und der Mittel.1 Die Mitgliedstaaten sind daher nicht berechtigt, von EU-Richtlinien einseitig abzuweichen und auf den von den EU-Richtlinien geregelten Gebieten mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften anderen Inhalts zu erlassen.2 Bei entsprechenden Verstößen kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV) einleiten. Solange die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist,3 entfaltet die EURichtlinie grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung für den Unionsbürger. Das Gleiche gilt, sobald die Richtlinie in vollem Umfang ordnungsgemäß umgesetzt wurde. In diesem Fall gehen die unmittelbaren Wirkungen von den seitens des jeweiligen Mitgliedstaates erlassenen Umsetzungsmaßnahmen aus.4 Insoweit erlangen EU-Richtlinien keinen formellen Rang im nationalen Recht. Sie sind damit grundsätzlich auch nicht Glied der Normenhierarchie.

3.30

Solange indessen eine EU-Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, kann sich jeder Bürger auf diese EU-Richtlinie zu seinen Gunsten5 berufen, sofern die Bestimmungen in der EU-Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen und sie zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedürfen.6 In diesem Fall erlangt die EU-Richtlinie eine ggü. dem nationalen Recht mit Vorrang7 ausgestattete unmittelbare Wirkung, so dass einzelnen Bürgern nicht entgegengehalten werden kann, die EURichtlinie sei noch nicht oder abweichend umgesetzt worden. Eine unmittelbare Richtlinienwirkung kommt unter den vorgenannten Voraussetzungen allerdings dann in Betracht, wenn subjektiv-öffentliche Rechte

3.31

1 Art. 288 Abs. 3 AEUV. 2 Sog. negative Sperrwirkung oder stand-still-Effekt; Nettesheim in Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 109; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 207; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rz. 1710 ff. 3 Während der Umsetzung dürfen keine Vorschriften erlassen werden, die geeignet sind, die Erreichung des in der betreffenden Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen; EuGH v. 18.12.1997 – Rs. C-129/96 – Wallonie, EuGHE 1997, I-7411. 4 EuGH v. 19.1.1982 – Rs 8/81 – Becker, EuGHE 1982, 53 (70). 5 Eine unmittelbare Wirkung zu Lasten des Unionsbürgers ist ausgeschlossen, EuGH v. 12.5.1987 – Rs 372/374/85 – Traen, EuGHE 1987, I-2141; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinhuis, EuGHE 1987, 3982; zu weiteren Einzelheiten insbesondere bei EU-Richtlinien mit Doppelwirkung Classen, EuZW 1993, 83 ff. 6 EuGH v. 5.2.1981 – Rs. 154/80 – Genossenschaft, EuGHE 1981, I-445; v. 25.5.1993 – Rs. C-193/91 – Mohsche, EuGHE 1993, I-2615; zu den Voraussetzungen im Einzelnen Jarass, NJW 1990, 2420 (2422 f.); Classen, EuZW 1993, 83 ff.; ferner Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 49. 7 EuGH v. 22.2.1984 – Rs. C-70/83 – Kloppenburg, EuGHE 1984, 1075; v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 – Marshall, EuGHE 1986, 723; v. 14.7.1988 – Rs. 207/87 – Weissgerber, EuGHE 1988, 4433; Spetzler, DB 1993, 553 f.

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Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

von Unionsbürgern keine Rolle spielen.1 Die unmittelbare Wirkung der Richtlinien beruht damit letztlich auf Rechtsschutzgesichtspunkten zugunsten des einzelnen Bürgers (Mindestgarantie) und Sanktionsaspekten zu Lasten der Mitgliedstaaten,2 die in Entschädigungsansprüchen geschädigte Bürger gegen den betreffenden Mitgliedstaat (Staatshaftung) einmünden können.3 Normativ ergibt sich das Recht des Unionsbürgers, sich auf die unmittelbare Wirkung der EU-Richtlinie zu berufen, aus Art. 288 Abs. 3 AEUV i.V. mit Art. 4 Abs. 3 EUV.

3.32 Hieraus folgt, dass die Finanzverwaltung verpflichtet ist, die Vorschriften der Richtlinie ggf. entgegen den damit nicht im Einklang stehenden nationalen Rechtsvorschriften zugunsten des Bürgers anzuwenden.4 Da EU-Richtlinien nur die nationalen Gesetzgebungsorgane verpflichten (Art. 288 Abs. 3 AEUV), darf die Finanzverwaltung demgegenüber die EURichtlinien nicht zu Lasten des Bürgers anwenden.5

3.33 Die innerstaatlichen Gerichte haben bei der Auslegung der nationalen Durchführungsregelungen auf den Inhalt der EU-Richtlinien abzustellen,6 und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung nicht vorliegen.7 Diese Verpflichtung findet ihre Schranken allerdings in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil des Unionsrechts sind, und zwar insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot.8 1 EuGH v. 11.8.1995 – Rs. C-431/92 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland, EuGHE 1995, I- 2189/2220; zur objektiven unmittelbaren Richtlinienwirkung Epiney, DVBl. 1996, 409 ff.; Pechstein, EWS 1996, 261 ff. 2 Ausführlich hierzu Jarass, NJW 1990, 2420 (2422). 3 EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90 u. C-9/90 – Francovich, EuGHE 1991, I-5403 bei Richtlinienverstoß; v. 30.9.2003 – Rs. C-224/01 – Köbler, EuGHE 2003, I-10239; v. 5.3.1996 – Rs. C-46/93 u. C-48/93 – Brasserie du Pêcheur, EuGHE 1996, I-1029 bei Grundfreiheitsverstoß; vgl. auch EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753; v. 23.4.2008 – Rs. C-201/05 – Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation, HFR 2008, 985; BGH v. 24.10.1996 – III ZR 127/91, EuZW 1996, 761; vgl. hierzu Jarass, NJW 1994, 881 ff.; Pieper, NJW 1992, 2454 ff.; Streinz, EuZW 1993, 599 ff. 4 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. C-103/88 – Fratelli Constanzo, EuGHE 1989, I-1839; zur Umsatzsteuer Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 6 ff. 5 EuGH v. 12.5.1987 – Rs. 372/374/85 – Traen, EuGHE 1987, I-2141; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, EuGHE 1987, 3969 (3982); Jarass, NJW 1990, 2420 (2421). 6 BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (242 ff.); EuGH v. 8.10.1987 – Rs 80/86 – Kolpinghuis, EuGHE 1987, 3969 (3982). 7 EuGH v. 10.4.1984 – Rs 14/83 – Colson, EuGHE 1984, 1891; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, EuGHE 1987, 3969 (3986); v. 20.9.1988 – Rs 31/87 – Beentjes, EuGHE 1988, 4635 (4662); BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (237 ff.); BFH v. 28.9.1988 – X R 6/82, BStBl. II 1989, 122; v. 20.1.1988 – X R 48/81, BStBl. II 1988, 557; v. 11.3.1988 – V R 30/84, BStBl. II 1988, 643; zur richtlinienkonformen Auslegung auch Rz. 3.54 ff. 8 EuGH v. 8.10.1987 – Rs 80/86 – Kolpinghuis, EuGHE 1987, 3969 (3982).

30

D. Zur Normenhierarchie

Im Verhältnis zu den nationalen Gerichten hat der EuGH die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des AEUV und über die Gültigkeit und die Auslegung der EU-Richtlinien (Art. 267 AEUV). Dagegen entscheidet der EuGH weder über nationales Recht noch über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht.1 Indessen überprüft aber auch nicht das BVerfG die Vereinbarkeit des Unionsrechts mit den Grundrechten des Grundgesetzes.2

3.34

Ist die Frage der Gültigkeit oder Auslegung von EU-Richtlinien entscheidungserheblich, können die nationalen Instanzgerichte diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Das Vorlageverfahren wird durch einen Vorlagebeschluss des Gerichts eingeleitet.3 Letztinstanzliche Gerichte sind gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, es sei denn, die richtige Anwendung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel verbleibt.4

3.35

Die letztinstanzlichen deutschen Gerichte machen inzwischen5 von der Vorlage an den EuGH regen Gebrauch.6 Dies beruht letztlich darauf, dass der EuGH gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist7 und eine Verletzung der Vorlagepflicht zur Folge hätte, dass dem Kläger der gesetzliche Richter entzogen würde, was im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden könnte.8 Dem Gebot, vorrangig auf Unionsrecht abzustellen, (Rz. 3.39 f.) wird in der Gerichtspraxis schließlich auch im Rahmen der Auslegung entsprochen. Denn alle Normen, die einen europarechtlichen Bezug aufweisen, insbesondere die aufgrund einer Richtlinie ergangen sind, sind in Orientierung an die Grundfreiheiten9 unionskonform (Rz. 3.54) bzw. richtlini-

3.36

1 EuGH v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, EuGHE 1985, 3250. 2 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147; hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 111 Rz. 18 ff. 3 Zum Vorlageverfahren Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Art. 234 EG Rz. 1 ff.; im Überblick Seer in T/K, EuRs Rz. 30 ff. 4 EuGH v. 6.10.1982 – Rs.283/81 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415; hierzu Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Art. 234 EG Rz. 67; vgl. auch BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731. 5 Kritisch zur früheren Gerichtspraxis Meilicke, BB 1992, 969 (969); Spetzler, DB 1993, 553 (554 f.). 6 Das gilt allerdings nicht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 69, 114 FGO); vgl. BFH v. 30.12.1996 – I B 61/96, BStBl. II 1997, 466; v. 17.12.1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558; v. 5.2.2001 – I B 140/00, BStBl. II 2001, 598, v. 29.11.2007 – I B 181/07, BStBl. II 2008, 195. 7 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T., EuGHE 1982, 3415; BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (336. ff.); v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159 (194 ff.). 8 BVerfG v. 9.1.2001 – 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267; v. 9.2.2010 – 2 BvR 1178, 07, NJW 2010, 2419. 9 Insbesondere Art. 49, 54 AEUV (Niederlassungsfreiheit); Art. 57 AEUV (Dienstleistungsfreiheit); Art. 63 AEUV (Kapitalverkehrsfreiheit).

31

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts enkonform (Rz. 3.54 ff.) auszulegen.1 Bei der richtlinienkonformen Auslegung sind der Richtlinientext, ggf. in seinen verschiedenen sprachlichen Fassungen,2 sowie als Hilfsmittel die Entstehungsgeschichte der Richtlinien und auch die einschlägige EuGH-Rechtsprechung zu berücksichtigen.3 Die Pflicht zur unionskonformen und richtlinienkonformen Auslegung trifft nicht nur die Gerichte4 und die Verwaltung,5 sie ist auch Beraterpflicht.6

3.37 Soweit supranationale Normen unmittelbare Wirkung im innerstaatlichen Recht beanspruchen, also die Bestimmungen des AEUV, soweit sie den Unionsbürgern, wie etwa die Grundfreiheiten, subjektive Rechte verleihen, EU-Verordnungen und nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzte EU-Richtlinien, ergibt sich die entsprechende Rangregel aus Art. 23 Abs. 1 GG.7 Diese Bestimmung besagt nicht nur, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten zulässig ist, sondern auch, dass Normen der Organe der zwischenstaatlichen Einrichtungen vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind und kraft dieser Anerkennung entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen.8 Das gilt auch gegenüber völkerrechtlichen Verträgen und allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. gem. Art. 25 GG Bestandteil der nationalen Rechtsordnung sind. Da sich das Unionsrecht ohnehin an den allgemeinen Regeln des Völkerrechts orientiert und zudem im Lichte des Völkerrechts auszulegen ist,9 kommt diesem Rangverhältnis keine besondere Bedeutung zu.10

3.38 Aus europarechtlicher Sicht besteht ein unbedingter Vorrang des Unionsrechts ggü. dem innerstaatlichen Recht,11 und zwar kraft EU-Rechts

1 Zur richtlinienkonformen Auslegung insbesondere Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 35 ff.; Roth, EWS 2005, 385 ff.; Cordewener, UR 2006, 673 ff.; Auer, NJW 2007, 1106 ff.; ferner Rz. 3.54 ff. 2 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415 (3430). 3 Meilicke, BB 1992, 969 (974). 4 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, EuGHE 1987, 3969 (3982). 5 EuGH v. 22.6.1989; Rs. C-103/88 – Fratelli Constanzo, EuGHE 1989, I-1839; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 8. 6 Meilicke, BB 1992, 969 (974); Streck/Olgemüller, DStR 1993, 417 ff.; Fischer, DStR 1993, 1928 ff. 7 Art. 23 Abs. 1 GG ist lex specialis zu Art. 24 Abs. 1 GG; zur Funktion des Art. 23 (Art. 24) GG Grabitz, DStJG 11 (1988), 33 (39 f.). 8 BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (174); v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (375); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (242 f.); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 9 EuGH v. 14.7.1998 – Rs. C-284/95 – Safety Hi-Tech, EuGHE 1998, I-4301. 10 Vgl. die Hinweise bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 152 ff. 11 Auch gegenüber DBA; hierzu Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 277 ff.; Vedder, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, 1 (7 f.);

32

D. Zur Normenhierarchie

selbst (Art. 4 Abs. 3 EUV, 288 AEUV)1 und nicht etwa kraft eines nationalen Anwendungsbefehls.2 Neben den supranationalen Normen des sekundären Unionsrechts werden hierbei auch die den Unionsbürgern subjektive Rechte verleihenden Bestimmungen des AEUV3 in den Anwendungsvorrang gegenüber nationalem Recht4 einbezogen.5 Das gilt auch dann, wenn das nationale Recht später erlassen wurde.6 Aus dem Anwendungsvorrang folgt, dass entgegenstehende Normen des nationalen Steuerrechts zwar nicht unwirksam sind, sie dürfen aber im konkreten Fall nicht angewendet werden.7 Innerhalb des Unionsrechts gebührt dem Primärrecht vor dem Sekundärrecht und dort den Verordnungen und Entscheidungen vor den Richtlinien der Vorrang.8 Supranationales Recht (Europarecht) geht im Grundsatz auch dem nationalen Verfassungsrecht vor.9 Der Anwendungsvorrang unmittelbar wirkender supranationaler Normen ggü. dem nationalen Verfassungsrecht Deutschlands gilt allerdings nur unter Vorbehalt,10 und zwar nur insoweit, als die supranationalen Normen überhaupt in den innerstaatlichen

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8 9 10

zu Einzelheiten Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 ff.; Schönfeld, StuW 2006, 79 ff. Hierzu EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, EuGHE 1964, 1251 (1253); v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, EuGHE 1970, 1125; v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Simmenthal, EuGHE 1978, 629; BFH v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731; Schmidt in von der Groeben/Schwarze, Art. 249 EG Rz. 1 ff.; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 11 Rz. 1 ff.; WeberGrellet, Europäisches Steuerrecht, 15; Grabitz, DStJG 11 (1988), 33 (40 f.). Grundlegend EuGH vom 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, EuGHE 1964, 1251 (1253); vgl. ferner Geiger in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rz. 20 ff. Insbesondere die Grundfreiheiten. Hierzu zählen nicht nur generell-abstrakte Rechtsvorschriften (Normen), sondern auch individuelle-konkrete Regelungen (Verwaltungsakte); EuGH v. 29.4.1999 – Rs. C-224/97 – Cida/Land Vorarlberg, EuGHE 1999, I-2517. EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, EuGHE 1964, 1251; BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (171); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.); BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701. EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, EuGHE 1964, 1251 (1271); v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Simmenthal, EuGHE 1978, 629 (644). EuGH v. 17.12.1970, Rs 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, EuGHE 1970, 1125; v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Simmenthal, EuGHE 1978, 629; BFH v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731; zu weiteren Einzelheiten Rust, IStR 2009, 382 ff. Schmidt in von der Groeben/Schwarze, Art. 249 EG Rz. 22 ff.; Kotzur in Geiger/ Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 5; Nettesheim in Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 11 Rz. 32. EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, EuGHE 1970, 1125; v. 11.1.2000 – Rs. C-285/98, – Kreil, EuGHE 2000-I, 69. BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (174); v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (375); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (242 f.); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155

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3.39

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

Bereich eindringen (Grundrechtsschranke).1 Art. 23 Abs. 1 GG2 führt nämlich nicht ipso iure zu einem schrankenlosen Einbruch supranationaler Normen in die Verfassung. Die Schranken der Öffnung der nationalen Rechtsordnung sind in Art. 23 Abs. 1 GG selbst enthalten, und zwar dahingehend, dass die Öffnung der nationalen Rechtsordnung dort ihre Grenze findet, wo unabdingbare Bestandteile des Verfassungsgefüges angetastet werden.3 Die immanenten Schrankenwirkungen des Art. 23 Abs. 1 GG erlauben also keine supranationalen Normen, die die Identität der geltenden Verfassung durch Einbruch in die sie konstituierenden Strukturen aufheben.4 Die Grenzen hierfür sind indessen sehr weit gezogen, so dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob die Verfassung der supranationalen Gemeinschaft (EU) den Grundvorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland noch entspricht.5 Dies ist vom BVerfG im Grundsatz bejaht worden.6 Solange daher die EU einen wirksamen Schutz der Grundrechte ggü. der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, wird das betreffende Unionsrecht grundsätzlich7 nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüft.8

3.40 Das Verhältnis von nationalem Verfassungsrecht und europäischem Unionsrecht determiniert die Kompetenzweite der Rechtsprechung des BVerfG. Auch hier kommt es auf den parallelen Grundrechtsschutz der Europäischen Union an. Solange die Europäische Union einen entsprechenden Schutz der Grundrechte ggü. der Hoheitsgewalt der Union gewährleistet, übt das BVerfG seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von sekundärem Unionsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Ver-

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5 6 7 8

(174); BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. Hierzu Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458 f.). Früher Art. 24 Abs. 1 GG. BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, BVerfGE 58, 1 (40); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (174). BVerfG v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271; v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (372, 375 f.); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (235); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (174). BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, BVerfGE 58, 1 (41); vgl. ferner Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 226 ff. BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. Ausnahme in Fällen „ersichtlicher Grenzüberschreitungen“, BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (174 f.); v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (161 ff.).

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D. Zur Normenhierarchie

halten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich Deutschlands in Anspruch genommen wird, grundsätzlich nicht aus.1 Ein derartiger paralleler Grundrechtsschutz ist derzeit in weiten Bereichen gewährleistet, so dass den verfassungsrechtlichen Vorbehalten ggü. dem Anwendungsvorrang des unmittelbar wirkenden supranationalen Rechts keine praktische Bedeutung zukommt.2 Das BVerfG hat sich indessen das Prüfungsrecht dahingehend vorbehalten, ob Einrichtungen der Organe der EU das primäre Unionsrecht in einer Weise handhaben oder fortbilden, die den Rahmen des durch Art. 23 Abs. 1 GG legitimierten Integrationsprogramm sprengt und damit vom deutschen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt ist.3 Das BVerfG behält sich hierbei vor, in solchen Fällen die Unverbindlichkeit der daraus hervorgehenden Rechtsakte für den deutschen Hoheitsbereich festzustellen und deutschen Organen unter Berufung auf die Souveränität Deutschlands eine Befolgung von Rechtsakten zu verbieten, die aufgrund insbesondere extensiver Auslegung von europarechtlichen Befugnisnormen erlassen wurden.4 Angesprochen ist hier insbesondere die vielfach kritisierte dynamische Interpretation der europäischen Verträge5 sowie die sog. implied powersDoktrin des EuGH, wonach der Union neben den geschriebenen auch all jene Kompetenzen zugestanden werden, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.6 Damit werden im Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH insoweit Grenzen gesetzt, als sie bislang auf eine weite Auslegung 1 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387) – „Solange II“; das BVerfG nahm in seiner Entscheidung v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 (285) – „Solange I“, eine weitergehende Prüfungskompetenz in Anspruch, nämlich „solange der Integrationsprozess der Gemeinschaft noch nicht soweit fortgeschritten ist, dass das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist“; zu den Korrekturen durch „Solange II“ (BVerfGE 73, 339) und „Bananenmarkt“ (BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147) zu „Solange I“ und „Maastricht“ (BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155), vgl. Hofmann in FS Steinberger, 1207 ff.; einschränkend zuletzt auch BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267 („Lissabon“), wonach geprüft wird, ob der „unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes“ gewahrt ist. 2 Dazu Nettesheim, Jura 2001, 686 ff. 3 BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, BVerfGE 58, 1 (30 f.); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (235, 242); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff.; v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (161 ff.); BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. 4 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff.; hierzu Häde, BB 1993, 2457 (2462); Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976). 5 Hierzu Bleckmann, NJW 1982, 1177 ff.; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EUWirtschaftsR, B I, Rz. 5 ff. 6 BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267; zu Einzelheiten Schwartz in von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rz. 67 ff.

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Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

der Befugnisnormen gerichtet war, um im AEUV angelegte Ziele zu erreichen.1 Damit steht insbesondere die Rechtsfortbildung des EuGH,2 wie sie in der Vergangenheit insbesondere durch die Doktrin der unmittelbaren Anwendung von Richtlinien3 und der Einführung einer mitgliedstaatlichen Haftung bei Verletzung primären Unionsrechts4 ihren Ausdruck gefunden hat, auf dem Prüfstand der „Superrevisionsinstanz“5 des BVerfG.6

3.41 Neben der vorbezeichneten durch Art. 23 GG Abs. 1 errichteten Grundrechtsschranke ergibt sich eine weitere gegen die vorrangige Anwendbarkeit des Unionsrechts gerichtete Schranke aus Art. 38 GG in Verbindung mit dem Demokratieprinzip: Durch eine Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen auf die EU darf der Kerngehalt der demokratischen Legitimation der deutschen Staatsgewalt und der Einflussnahme auf ihre Ausübung nicht entleert werden.7

3.42 Diese Kompetenzschranke lässt daher ein rechtsverbindliches unmittelbares Tätigwerden der EU im innerstaatlichen Rechtsraum nur zu, wenn dieser im Zustimmungsgesetz hinreichend bestimmbar normiert worden ist, so dass spätere wesentliche Änderungen des im AEUV angelegten Integrationsprogrammes und seiner Handlungsermächtigungen ohne ausdrückliche Vertragsänderung durch das Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt sind.8

V. Der Rang innerstaatlicher Normen 3.43 Die Normenhierarchie des innerstaatlichen Rechts ergibt sich aus dem Grundgesetz. Art. 79 GG bestimmt den Vorrang des Verfassungsrechts vor Bundesgesetzen. Ein Vorrang von Bundesgesetzen einschließlich der vom Bund erlassenen Rechtsverordnungen vor Landesrecht besteht insoweit, als Bundesrecht und Landesrecht einander widersprechen (Art. 31 GG). Den beiden nachgeordnet sind schließlich autonome Satzungen, 1 Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976). 2 Hierzu Neßler, RIW 1993, 206 ff. 3 BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (249 ff.); zu Einzelheiten Rz. 3.31 f. 4 EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/990 u. C-9/90 – Francovich, EuGHE 1991, I-5403; v. 30.9.2003 – Rs. C-224/01 – Köbler, EuGHE 2003, I-10239; hierzu Moran, IStR 1993, 573 ff.; Jarass, NJW 1994, 881 ff. 5 So Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (977) mit Hinweisen auf die Rechtsverfolgungsmöglichkeiten im Rahmen von Verfassungsbeschwerden und abstrakten Normenkontrollverfahren. 6 Vgl. hierzu nur BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. 7 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.); v. 7.6.2000, BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (161 ff.). 8 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (188); hierzu Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458 f.).

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E. Europäisches Steuerrecht

insbesondere Gemeinderecht (Art. 28 Abs. 2 GG). Schließlich gehen formelle Gesetze den Rechtsverordnungen vor (Art. 80 GG).1

E. Europäisches Steuerrecht Literatur Ahmann, Die Bilanzrichtlinie und die steuerliche Gewinnermittlung – Eine Zwangsehe?, in Raupach/Uelner (Hrsg.), Ertragsbesteuerung, FS für Schmidt, München 1993, 269; Beermann, Das Verbraucher-Binnenmarktgesetz, DStZ 1993, 257, 291; Beisse, Grundsatzfragen der Auslegung des neuen Bilanzrechts, BB 1990, 2007; Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/ Berlin 1995; Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995; Bleckmann, Probleme der Auslegung europäischer Richtlinien, ZGR 1992, 364; Buerstedde, Juristische Methodik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Baden-Baden 2006; Clausen, Das neue Rechnungslegungsrecht der Kreditinstitute, DB 1991, 1129; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002; Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, 754; Dänzer-Vanotti, Methodenstreit um die den EG-Richtlinien konforme Auslegung, DB 1994, 1052; Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, 1; Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EGBinnenmarkt, Lohmar/Köln 1997; de Weerth, Bilanzrecht und Europarecht, RIW 1996, 763; Dederichs, Die Methodik des EuGH, Baden-Baden 2004; Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, 947; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Fantozzi, Besteuerung von Gesellschaften – Die Entwicklung der Harmonisierung der direkten Steuern innerhalb der EG, in Beisse u.a. (Hrsg.), FS für Beusch, Berlin/New York 1993, 167; Frenz, Demokratiebegründete nationale Mitwirkungsrechte und Aufgabenreservate, EWS 2009, 345; Friedrich, Zollkodex und Abgabenordnung, StuW 1995, 15; Groh, Bilanzrecht vor dem EuGH, DStR 1996, 1206; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern, DStZ 2005, 435; Hennrichs, Zinsschranke, Eigenkapitalvergleich und IFRS, DB 2007, 2101; Herber, Hat der deutsche Richter das Bilanzrichtliniengesetz an den ihm zugrunde liegenden EG-Richtlinien zu messen?, in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter (Hrsg.), Handels- und Steuerrecht, FS für Döllerer, München 1988, 225; Herzig, Europäisierung und Internationalisierung der steuerlichen Gewinnermittlung, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 751; Herzig, Besteuerung der Unternehmen in Europa – Harmonisierung im Wettbewerb der Systeme, DStJG 19 (1996), 121; Herzig/Dautzenberg, Auswirkungen der Internationalisierung der Rechnungslegung auf die Steuerbilanz, BFuP 1998, 27; Herzog, Leitlinien und Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Steuerfragen, StbJb 1985/86, 27; Hey, Wettbewerb der Rechtsordnungen oder Europäisierung des Steuerrechts?, in Reimer, E. u.a. (Hrsg.), Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht. Grundlagen – Entwicklungen – Verbindungslinien, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Bd. 27, München 2007, 295; Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EGrechtskonforme nationalen Rechts, EuR 1991, 211; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an 1 Hierzu insgesamt Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 40 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 1 ff.

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Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Kirchhof, Gegenwartsfragen an das Grundgesetz, JZ 1989, 452; Knobbe-Keuk, Die beiden Unternehmenssteuerrichtlinien, EuZW 1992, 336; Krech, Die Theorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze im französischen öffentlichen Recht, Göttingen 1973; Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, 955; Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593; Meyer-Arndt, Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für das Bilanzrecht, BB 1993, 1623; Prahl, Die neuen Vorschriften des Handelsgesetzbuches für Kreditinstitute (Teil I und Teil II), WPg 1991, 401, 438; Reich/König, Europäisches Steuerrecht, Zürich 2006; Rendels, Schwerpunkte des Verbraucher-Binnenmarktgesetzes, DStR 1993, 113; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629; Sailer/Ismer, Steuergerechtigkeit in Europa durch Information über Zinserträge und ihre Besteuerung an der Quelle?, IStR 2005, 1; Sapusek, Ökonomische und juristische Analyse der Steuerharmonisierung in der Europäischen Union, Frankfurt/M. u.a., 1996; Saß, Die Fusionsrichtlinie und die Mutter/Tochterrichtlinie, DB 1990, 2340; Saß, Zum EGAbkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, DB 1991, 984; Schaumburg, Nichtanwendungserlasse, Nichtanwendungsgesetze und Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, DFGT 1 (2004), 73; Schlienkamp, 18. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern – Aufhebung bestimmter Übergangsregelungen der 6. Richtlinie, UR 1989, 268; Schlienkamp, EG-Richtlinie vom 19.10.1992 zur Annäherung der Mehrwertsteuersätze, UR 1993, 3; Schön, Steuerliche Einkünfteermittlung, Maßgeblichkeitsprinzip und Europäisches Bilanzrecht, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 573; Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), 191; Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts – unter Einschluss des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV, DStJG 19 (1996), 167; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Schulz, Zinsschranke und IFRS – Geklärte, ungeklärte und neue Fragen nach dem Anwendungserlass vom 4.7.2008, DB 2008, 2043; Spengel, Gewinnermittlung und Bemessungsgrundlage als eigentliches Problem des Steuerwettbewerbs?, in Reimer, E. u.a. (Hrsg.), Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht. Grundlagen – Entwicklungen – Verbindungslinien, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Bd. 27, München 2007, 253; Spetzler, Die richtlinienkonforme. Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, 579; Vanistendael, Europäischer Gerichtshof und seine Rolle als oberster Richter in steuerrechtlichen Streitigkeiten, in Klein/Stihl/ Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1021; Vogel, Harmonisierung des Internationalen Steuerrechts in Europa als Alternative zur Harmonisierung des (materiellen) Körperschaftsteuerrechts, StuW 1993, 380; Voß, Europäisches und nationales Steuerrecht, StuW 1993, 155; Voß, Steuerrecht, in Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, München 2009; Wachweger, Die erste und die zweite Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer, UR 1967, 123; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, München 2005; Wernsmann, Steuerrecht, in Schulze/Zuleeg, Europarecht, Baden-Baden 2006, 930; Widmann, Die Entwicklung der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt – Fehlentwicklungen und Perspektiven, DStJG 19 (1996), 219; Wiedow, in Lehner/Thömmes u.a.; Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 45.

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E. Europäisches Steuerrecht

I. Einführung Das Europäische Steuerrecht umfasst insbesondere das auf primäres und sekundäres Unionsrecht sowie auf sonstige europarechtliche Rechtsquellen zurückzuführende Steuerrecht.1 Hierzu gehören vor allem EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, völkerrechtliche Vereinbarungen und Entscheidungen steuerlichen Inhalts sowie das nationale Steuerrecht, soweit es EU-Richtlinien umsetzt.

3.44

EU-Verordnungen, die auf Vorschlag der Kommission (Art. 293 Abs. 1 AEUV) vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union gemeinsam erlassen werden, sind unmittelbar in jedem Mitgliedstaat anwendbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und bedürfen daher keiner Umsetzung in nationales Recht.2 Sie binden nicht nur die Unionsbürger, soweit sie durch die Verordnungen überhaupt betroffen sind, sondern auch die einzelnen Mitgliedstaaten und die europäischen Organe selbst.3 EU-Verordnungen haben insbesondere im Zollrecht Bedeutung erlangt.4 Im Bereich des Steuerrechts sind EU-Verordnungen die Ausnahme.5

3.45

EU-Richtlinien sind für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, wobei den innerstaatlichen Stellen bei der Umsetzung die Wahl der Form und Mittel überlassen bleibt (Art. 288 Abs. 3 Satz 1 AEUV). Hierbei sind sie allerdings gehalten, diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die sich hinsichtlich des verfolgten Zwecks am besten eignen.6 Die Mitgliedstaaten sind schließlich verpflichtet, die EU-Richtlinien fristgemäß und vollständig in nationales Recht umzusetzen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV). Obwohl EU-Richtlinien als Rechtsakte der EU nur auf Umsetzung in nationales Recht der Mitgliedstaaten gerichtet sind, können sie ausnahmsweise unmittelbar angewendet werden, wenn sie nicht ordnungsgemäß oder nicht fristgerecht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind. Voraussetzung ist indessen, dass die EU-Richtlinien hinreichend genau und von keinen weiteren Bedingungen abhängig sind (Rz. 3.31 f.). Zu Ungunsten des Unionsbürgers

3.46

1 Zum Begriff im Einzelnen Rz. 1.7; vgl. auch Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 1 Rz. 1; Lang in Tipke/Lang20, § 2 Rz. 47 ff. 2 Zu Einzelheiten Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 82 ff. 3 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 86, 92. 4 Z.B. Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates v. 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 302 v. 19.10.1992, mit späteren Änderungen; Modernisierter Zollkodex (MZK), VO Nr. 450/2008, ABl. Nr. L 145/1 v. 4.6.2008; hierzu Witte, Zollkodex5, Vor Art. 1 Rz. 25 ff. 5 Z.B. Verordnung (EWG) Nr. 218/92 des Rates vom 27.1.1992 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung, ABl. EG 1992 Nr. L 24, 1 v. 1.2.1992; vgl. im Übrigen den Überblick über die steuerlich relevanten VO bei Hahn, DStZ 2005, 435 ff. 6 EuGH v. 8.4.1976 – Rs. 48/75 – Noël Royer, EuGHE 1976, 497 (517).

39

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

sind EU-Richtlinien allerdings unter keinen Umständen anwendbar. Die EU-Richtlinien sind das Hauptinstrument der Harmonisierung der steuerlichen Rechtsvorschriften innerhalb der EU. Hierauf beruht insbesondere die Harmonisierung der Umsatzsteuer.1

3.47 Neben EU-Verordnungen und EU-Richtlinien zählen auch Beschlüsse zu den verbindlichen Rechtsakten der EU. Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich (Art. 288 Abs. 3 Satz 2 und 3 AEUV).2 Es handelt sich hierbei um an Mitgliedstaaten oder Unionsbürger gerichtete individuelle Verwaltungsmaßnahmen konstitutiver Art.3 Für das Steuerrecht haben Beschlüsse keine nennenswerte Bedeutung.4

3.48 Der in Art. 288 AEUV enthaltene Maßnahmenkatalog umfasst auch Empfehlungen und Stellungnahmen, die allerdings nicht verbindlich sind (Art. 288 Abs. 4 AEUV). Als Empfehlung bezeichnet man regelmäßig Äußerungen eines EU-Organs aufgrund eigener Initiative. Stellungnahmen sind ebenfalls allerdings von dritter Seite beantragte Äußerungen von EUOrganen. Im Steuerrecht sind sie selten.5

3.49 Europäisches Steuerrecht stützt sich schließlich auch auf völkerrechtliche Vereinbarungen, die zwischen den Mitgliedstaaten multilaterale Wirkung entfalten, sobald sie von ihnen ratifiziert worden sind. Es gibt nur wenige derartige multilaterale Vereinbarungen steuerlichen Inhalts.6

II. Auslegungsgrundsätze 1. Auslegung des Unionsrechts

3.50 Die Auslegung insbesondere des primären und sekundären Unionsrechts durch die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten gewinnt in den Fällen

1 Zur Entwicklung der Umsatzsteuerharmonisierung im Einzelnen Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 20; Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J. Rz. 172 ff. 2 Hierzu EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 – Grad/FA Traunstein, EuGHE 1970, 825 (861); v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 – Haselhorst/FA Düsseldorf-Altstadt; EuGHE 1970, 881. 3 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 125 ff. 4 Vgl. allerdings z.B. die Entscheidung des Rates 90/640/EWG v. 3.12.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 349, 19 v. 13.12.1990, aufgrund deren Deutschland ermächtigt wurde, abweichend von der 6. EG-Richtlinie für Umsätze an die sowjetischen Truppen bis zu deren Abzug Steuerbefreiungen auszusprechen. 5 Vgl. hierzu die Hinweise bei Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J. Rz. 83 ff. 6 Z.B. die Schiedsverfahrenskonvention v. 23.7.1990 (90/436/EWG, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005).

40

E. Europäisches Steuerrecht

eine besondere Bedeutung, in denen es um die unmittelbare Anwendung von EU-Verordnungen (Rz. 3.45) und – ausnahmsweise (Rz. 3.31 f.) – EURichtlinien (Rz. 3.46) oder um die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geht. In diesen Fällen steht dem EuGH für das Unionsrecht ein Kontrollmonopol zu.1 Dieses Kontrollmonopol stützt sich auf Art. 19 EUV, wonach der EuGH die Aufgabe hat, das reibungslose Zusammenwirken der Unionsrechtsordnung mit den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu gewährleisten. Diese Aufgabe erfüllt der EuGH im Wesentlichen auf der Grundlage von Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV). Hiernach sind insbesondere die FG berechtigt (Art. 267 Abs. 2 AEUV) und der BFH verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV), entscheidungserhebliche Auslegungsfragen2 vorzulegen, soweit diesbezügliche vernünftige Zweifel bestehen.3 Die Vorlagepflicht entfällt allerdings, wenn zu der europarechtlich relevanten Frage bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt.4 Hierbei beschränkt sich der EuGH auf die Auslegung des primären und sekundären Unionsrechts selbst; er prüft weder das nationale Recht5 noch dessen Vereinbarkeit mit Unionsrecht.6 Die Auslegung durch den EuGH insbesondere im Bereich des Europäischen Steuerrechts ist nach Maßgabe des Art. 19 EUV im Wesentlichen auf die Entwicklung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen und die Durchsetzung der Grundfreiheiten gerichtet.7 Diese auf die Wahrung der Rechtseinheit innerhalb der EU ausgerichtete Auslegung verbietet einen Rückgriff auf die Begriffswelt des jeweiligen nationalen Rechts.8 Auf der

1 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 – BIAO, EuGHE 2003, I-1; Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf, Art. 220 EG Rz. 26. 2 Hierzu EuGH v. 23.3.1982 – Rs. 102/81 – Nordsee; EuGHE 1982, 1095; v. 6.10.1981 – Rs. 246/80 – Brockmann, EuGHE 1981/2311. 3 Die richtige Anwendung des Unionsrechts darf also nicht offenkundig sein; sog. arte clair-Doktrin; EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T., EuGHE 1982, 3415; hierzu Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Art. 234 EGRz. 67; vgl. auch BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; BFH v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; BFH v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731. 4 EuGH v. 27.3.1963 – Rs. 28-30/62 – DaCosta, EuGHE 1963, 63. 5 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, EuGHE 1970, 1125; v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 – Hauer ./. Land Rheinland-Pfalz, EuGHE 1979, 3727. 6 EuGH v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, EuGHE 1985, 3237 (3250); vgl. hierzu Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 9 Rz. 25; Seer in T/K, EuRS Rz. 10. 7 EuGH v. 15.7.1982 Rs. 270/81 – Rickmers-Linie, EuGHE 1982, 2771 (2784); v. 23.3.1982 – Rs. 53/81 – Levin, EuGHE 1982, 1035 (1048); Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J. Rz. 12; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 47; Schön, DStJG 19 (1996), 167 (171). 8 EuGH v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 – Hauer, EuGHE 1979, 3727 (3743 f.); v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, EuGHE 1985, 3237 (3256 ff.); v. 10.1.1990 – Rs. C-115/88 – Reichert, EuGHE 1990, 27 ff.; zu weiteren Einzelheiten Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 54.

41

3.51

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

Grundlage dieser autonomen Auslegung1 hat sich eine eigene unionsrechtliche Begriffswelt entwickelt, die im primären und sekundären Unionsrecht alleinige Anwendung und im harmonisierten nationalen Steuerrecht im Rahmen unionskonformer Auslegung (Rz. 3.54 ff.) besondere Beachtung beansprucht.

3.52

Die Auslegungsmethodik des EuGH2 ist geprägt durch die französische Doktrin, wonach auch jenseits des möglichen Wortverständnisses Auslegung möglich ist.3 Im Hinblick darauf wird seitens des EuGH nicht durchgängig zwischen Auslegung einerseits und Rechtsfortbildung andererseits unterschieden4 mit der Folge, dass eine Lückenschließung5 auch mit Mitteln der Auslegung erfolgt.6 Diese dynamische Auslegung7 muss sich freilich noch in dem Rahmen halten, der durch das Transformationsgesetz gem. Art. 23 (24) GG an die Union bei der Ratifikation der Unionsverträge übertragen worden ist.8 Das BVerfG hat in seiner Maastricht-Entscheidung9 im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung10 bestätigt, es sei berechtigt zu prüfen, ob Einrichtungen oder Organe der EU das Primärrecht der Union in einer Weise handhaben oder fortbilden, die vom deutschen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt ist.11 Diesen Vorbehalt hat das BVerfG in seinem Lissabon-Urteil bekräftigt.12 Das BVerfG hat sich hierbei ausdrücklich die Feststellung vorbehalten, ggf. auf unzulässige Rechtsfortbildung beruhenden Rechtsakten der Union die Bindungswirkung für deutsche Organe zu nehmen.13 Angesprochen ist damit auch die

1 Bleckmann/Pieper, Hdb. EU-WirtschaftsR, B I Rz. 53 f.; Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Art. 220 EG Rz. 53; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 49. 2 Hierzu Dederichs, Die Methodik des EuGH; Buerstedde, Juristische Methodik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 28 ff. 3 Krech, Die Theorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze im französischen öffentlichen Recht, 102 ff., zu weiteren Einzelheiten Vanistendael in FS Flick, 1021 (1028 ff.). 4 Der EuGH respektiert zugleich aber auch den möglichen Wortsinn als Grenze der Auslegung zur Bedeutung des Wortlauts in der Rechtsprechung des EuGH Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR. B. I Rz. 5 ff. 5 Zur Anwendung der sog. „implied-powers-Lehre“ durch den EuGH Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 176 f.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rz. 1603 ff. 6 Schweitzer/Hummer, Europarecht5, 136. 7 Hierzu Bleckmann, NJW 1982, 1177 ff.; Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976). 8 Kirchhof, JZ 1989, 452 (454); Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (970). 9 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff. 10 BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, BVerfGE 58, 1 (30 f.); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (235, 242). 11 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 12 BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. 13 Hierzu Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976); Häde, BB 1993, 2457 (2462); Frenz, EWS 2009, 345 ff.

42

E. Europäisches Steuerrecht auf Rechtsfortbildung beruhende Rechtsprechung des EuGH.1 Im Hinblick darauf, dass das BVerfG sich bislang ggü. der Rechtsfortbildung insbesondere im Steuerrecht tolerant gezeigt hat,2 wird das BVerfG wohl kaum je in die Lage kommen, die Rechtsprechung des EuGH wegen unzulässiger Rechtsfortbildung im Steuerrecht unmittelbar oder mittelbar für unverbindlich zu erklären.3

Der EuGH bewegt sich weit gehend im Rahmen der klassischen Auslegungskanones der Wortauslegung, der teleologischen, systematischen und historischen Auslegung.4 Der Wortauslegung des Unionsrechts sind allerdings von vornherein schon deshalb Grenzen gesetzt, weil es keinen einheitlichen Wortlaut gibt, vielmehr jede Sprachfassung gleichermaßen verbindlich ist (Art. 55 EUV).5 Schließlich spielen in der Rechtsprechung des EuGH weder die historische Auslegung6 noch die systematische Auslegung7 eine herausragende Rolle. Dominierend ist die teleologische Auslegung.8 Orientierungsmaßstäbe sind hierbei insbesondere die Ziele des AEUV sowie die spezifischen Zielsetzungen der einzelnen Vertragsnormen bzw. der Normen des sekundären Unionsrechts, wobei jede Norm so auszulegen ist, dass sie ihre volle Wirkung entfaltet.9 Während der EuGH im Rahmen der teleologischen Auslegung des primären Unionsrechts nur selten auf die in der Präambel und in Art. 3 EUV verankerten Ziele und Aufgaben abstellt,10 vielmehr die Ziele der Einzelbestimmungen des AEUV in den Vordergrund rückt, ist die teleologische Auslegung des Sekundärrechts insbesondere an den in den Begründungserwägungen der 1 Zu Einzelheiten Borchardt in Lenz/Borchardt, Art. 220 EG Rz. 22 ff.; Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (970). 2 Hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 182 ff.; Herzog, StbJB 1985/86, 27 (41 ff.). 3 So hat das BVerfG mit Beschlüssen v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, UR 1987, 355 und v. 4.11.1987 – 2 BvR 763/85, UR 1988, 25 die Rechtsfortbildung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von EU-Richtlinien gebilligt. 4 Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf Art. 220 EG Rz. 42 ff.; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 5 ff.; Vanistendael in FS Flick, 1021 (1028 ff.). 5 EuGH v. 12.11.1969 – Rs. 29/69 – Stauder, EuGHE 1969, 419 (424 f.); v. 27.10.1977 – Rs. 30/77 – Bouchereau, EuGHE 1977, 1999 (2009 ff.); v. 28.3.1985,Rs. 100/84 – Kommission ./. GB, EuGHE 1985, 1169 (1181 ff.); zu weiteren Einzelheiten Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 50 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 176 f. 6 Hierzu Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf, Art. 220 EG Rz. 53; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 40 ff. 7 Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 29 ff. 8 Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf, Art. 220 EG Rz. 44, 46; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 176 ff.; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I. Rz. 15 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 177; Schön, DStJG 19 (1996), 67 (173 f.). 9 Grundsatz des „effet utile“; EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 – Grad, EuGHE 1970, 825; Schön, Die Auslegung des europäischen Steuerrechts, 53. 10 Nachweise bei Bleckmann/Pieper in Dauses Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 21 ff.

43

3.53

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

Präambeln der Rechtsakte des Ministerrats oder der Kommission zum Ausdruck kommenden Ziele ausgerichtet.1 Darüber hinaus geht es im Rahmen der teleologischen Auslegung auch darum, das Sekundärrecht vertragskonform, d.h. in Übereinstimmung mit dem AEUV, auszulegen.2 Die teleologische Auslegung der steuerrechtlichen Normen des Unionsrechts orientiert sich in erster Linie an dem Ziel der Entwicklung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen und der Durchsetzung der Grundfreiheiten.3 2. Unionskonforme Auslegung

3.54 Die in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Unionstreue4 bindet Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen.5 Diese auf die Durchsetzung des Unionsrechts gerichtete Verpflichtung bedeutet für die Exekutive und die Judikative, die Auslegung des nationalen Rechts insbesondere an dem primären und sekundären Unionsrecht auszurichten (unionskonforme Auslegung).6 Neben den Grundfreiheiten (Rz. 4.15 ff.) des AEUV stehen die EU-Richtlinien als Orientierungspunkte der Auslegung im Vordergrund. Aus dieser Orientierung an den EU-Richtlinien folgt: Bei der Auslegung von in nationales Recht umgesetzten EU-Richtlinien (harmonisiertes Recht) ist in den Grenzen des möglichen Wortverständnisses stets der zu einem richtliniengemäßen Ergebnis führenden Auslegung der Vorzug zu geben. Der richtlinienkonformen Auslegung, die keine originäre Auslegungsmethode ist,7 gebührt daher im Zweifel der Vorrang dahingehend, dass das Auslegungsergebnis den Vorgaben der EU-Richlinie entsprechen muss. Im Hinblick darauf kann die richtlinienkonforme Auslegung dazu führen, dass ein und derselbe Begriff unterschiedlich auszulegen ist, wenn es sich einmal um eine nationale Bestimmung und

1 Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 17. 2 EuGH v. 25.11.1986, Rs 201-202/85 – Kleusen, EuGHE 1986, 3477; v. 28.9.1994 – Rs. C-7/93 – Beune, EuGHE 1994, I, 4471 (4523); Pernice/Mayer in Grabitz/ Hilf, Art. 220 EG Rz. 49; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 25; B. I Rz. 25. 3 EuGH v. 9.10.1980 – Rs. 823/79 – Carciati, EuGHE 1980, 2773 (2780); v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, EuGHE 1985, 3237 (3255 ff.); Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR. I Rz. 10; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 47. 4 Zu diesem Begriff von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Art. 10 EG Rz. 6 ff. 5 EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 – Harz, EuGHE 1984, 1921 (1942); v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 – Colson u. Kamann, EuGHE 1984, 1891 (1909); v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 – Marshall, EuGHE 1886, 723 (747); v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 – Beentjes, EuGHE 1988, 4635 ff.; v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 – Marleasing, EuGHE 1990, 4135 (4159); BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (237). 6 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, EuGHE 1989, 1839 (1870 f.); v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 – Marleasing, EuGHE 1990, 4135 ff.; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 240; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 38 ff.; Voss, StuW 1993, 155 (157). 7 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246.

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E. Europäisches Steuerrecht

zum anderen um einen aus einer EU-Richtlinie übernommenen Begriff handelt.1 Dass harmonisiertes Recht richtlinienkonform ausgelegt werden muss, ist unstreitig. Streitig ist indessen die Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung. Die gegenwärtige Diskussion hierüber ist durch einen Methodenstreit2 geprägt. Es geht darum, ob die richtlinienkonforme Auslegung höherrangig ist und damit die übrigen Auslegungskriterien mit der Folge verdrängt, dass diese außer Betracht bleiben müssen,3 oder aber gleichrangig ist.4 Das Meinungsspektrum reicht vom absoluten Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung im Sinne einer Verdrängung der übrigen Auslegungskriterien über einen absoluten Vorrang im Rahmen des möglichen Wortsinns zur Gleichrangigkeit aller Auslegungsmethoden mit relativem Wertvorrang der richtlinienkonformen Auslegung oder mit absoluter Gleichrangigkeit.5 Die prinzipielle Gleichrangigkeit aller Auslegungskriterien entspricht zwar der deutschen Auslegungsdoktrin,6 so dass alle methodischen Mittel heranzuziehen sind, die sich zur Ermittlung des Gesetzeszwecks eignen, aus denen auf den Gesetzessinn geschlossen werden soll. Die einzelnen Auslegungsmethoden, so wie sie den klassischen Auslegungskanones entsprechen, haben aber durchweg unterschiedliches Gewicht. Im Vordergrund steht stets die teleologische Auslegung.7 Die verfassungskonforme Auslegung8 hat hierbei besondere Bedeutung: Ergeben sich im Rahmen der Auslegung mehrere Deutungsmöglichkeiten, so gebührt stets derjenigen der Vorzug, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder dem Grundgesetz am besten entspricht. Ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung ist die richtlinienkonforme Auslegung keine originäre Auslegungsmethode. Sie greift im Rahmen des möglichen Wortsinns stets dann ein, wenn die verschiedenen Auslegungsmethoden eine (abweichende) Deutung zulassen.9 Damit wird im Ergebnis dem Vorrang des Unionsrechts entsprochen. Die richtlinienkonforme Auslegung kommt insbesondere in den Fällen zur Anwendung, in denen eine unmittelbare Berufung auf die EU-Richtlinie (Rz. 3.30 f.) nicht möglich ist.10 1 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415; Bleckmann, ZGR 1992, 364 ff.; Beispiel: Der Teilbetriebsbegriff in § 16 Abs. 1 EStG einerseits und in § 20 Abs. 1 UmwStG andererseits; hierzu Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 58 ff. 2 Hierzu der Überblick bei Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 243 ff.; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 35 ff.; Schön, DStJG 19 (1996), 167 (181 ff.). 3 So insbesondere Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 38 ff.; Spetzler, RIW 1991, 579 ff.; Lutter, JZ 1992, 593 (604); Voss, StuW 1993, 155 (157). 4 So Herber in FS Döllerer, 225 (227); Di Fabio, NJW 1990, 947 (953); Jarass, EuR 1991, 211 (212, 217); Langenfeld, DÖV 1992, 955 (964 f.); Dänzer-Vanotti, StVj 1991, 1 ff.; Dänzer-Vanotti, RIW 1991, 754 ff.; Dänzer-Vanotti, DB 1994, 1052 ff. 5 Zu diesem Meinungsspektrum Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 42 f. 6 BVerfG v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126. (130); BVerfG v. 18.6.1973 – 2 BvQ 1/73, BVerfGE 35, 263 (279); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, 343 ff. 7 Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 50 ff. 8 Hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 238 f. 9 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246. 10 Hierzu Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 40 ff.

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3.55

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

3.56 Die im Rahmen des möglichen Wortsinns unionsrechtlich gebotene Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung bewirkt eine Bedeutungsverschiebung der Auslegungsmethoden: Während die teleologische, systematische und historische Auslegung harmonisierten Rechts sich nur insoweit zu entfalten vermögen, als sie zu richtlinienkonformen Ergebnissen führen, kann die Wortauslegung unter keinen Umständen durch eine richtlinienkonforme Auslegung verdrängt werden. Der richtlinienkonformen Auslegung werden nämlich durch den Wortsinn Grenzen gesetzt. Werden diese Grenzen überschritten,1 scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung aus;2 in Betracht käme allenfalls eine richtlinienkonforme Analogie, die freilich dann versagt bleiben muss, wenn sie darauf gerichtet ist, Lücken zu schließen, die gerade durch eine Divergenz, Unionsrecht – einfaches Recht, entstanden sind.3

3.57 Der aus Art. 4 Abs. 3 EUV abgeleitete allgemeine Grundsatz der Unionstreue der Mitgliedstaaten reicht über das Postulat der richtlinienkonformen Auslegung hinaus. Die Treuepflicht verlangt nämlich nicht nur eine an den EU-Richtlinien orientierte Rechtsanwendung, sondern eine umfassende Ausrichtung am Integrationsziel der Union. Im Hinblick darauf ist über die richtlinienkonforme Auslegung hinaus eine unionskonforme Auslegung geboten,4 die das methodische Konzept des unionsrechtlichen „effet utile“ berücksichtigt.5

III. Stand der Harmonisierung 1. Direkte Steuern a) Harmonisierungskompetenz

3.58 Im Gegensatz zu den indirekten Steuern ist die Harmonisierung der direkten Steuern in der EU weniger weit fortgeschritten.6 Die Gründe hierfür liegen insbesondere im Fehlen einer eindeutigen Harmonisierungskompetenz der EU. Während Art. 113 AEUV eine autonome Rechts1 Zur Grenze der Auslegung Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1271 ff. 2 Misslungenes Umsetzungsrecht kann daher insoweit durch Auslegung nicht geheilt werden; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 40 ff.; Schön, DStJG 19 (1996) 167 (187). 3 Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der verfassungskonformen Analogie; hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1256. 4 Hierzu Schön, DStJG 19 (1996), 167 (180). 5 EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 – Grad, EuGHE 1970, 825; Prenice/Mayer in Grabitz/Hilf, Art. 220 EG Rz. 46; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 177; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 10 Rz. 178. 6 Zu den Schwierigkeiten der Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 22 Rz. 1 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 4 ff.; Lang, DStJG 17 (1994), 295 ff.; Wiedow in Lehner/Thömmes u.a.; Europarecht und Internationales Steuerrecht, 45 ff.; Fantozzi in FS Beusch, 167 ff.

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E. Europäisches Steuerrecht

grundlage für die Harmonisierung der indirekten Steuern1 enthält, kann die Harmonisierung der direkten Steuern auf die allgemeine Ermächtigung in Art. 115 AEUV gestützt werden.2 Art. 116 AEUV, der eine Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten nur bei einer spezifischen und besonders erheblichen Wettbewerbsverzerrung vorsieht,3 scheidet als Rechtsgrundlage für eine Harmonisierung der direkten Steuern aus.4 Art. 115 AEUV ermächtigt indessen nicht ohne jede Voraussetzung zu einer Harmonisierung der direkten Steuern. Die Ermächtigung steht nämlich unter dem Vorbehalt der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 3 EUV) und der Erforderlichkeit (Art. 5 Abs. 4 EUV). Das bedeutet einerseits, dass die Union5 in Bereichen, für die sie nicht von vornherein ausschließlich zuständig ist, nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und besser als auf der Unionsebene erreicht werden können. Andererseits bedeutet dies, dass die Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele geeignet und erforderlich sein müssen, so dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen ist.6 Damit bleibt für den Bereich der direkten Steuern das Konzept der Vollharmonisierung versagt mit der Folge, dass die EU weiterhin durch einen Wettbewerb der Steuersysteme geprägt ist.7 Das gilt insbesondere für die unterschiedlichen Körperschaftsteuersysteme innerhalb der EU, die eine grenzüberschreitende Tätigkeit der Unternehmen wesentlich erschweren.8 Aufgrund der strikten Anwendung der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten9 durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits vor Jahren ein 1 Hierzu Voß in Grabitz/Hilf, Art. 93 EG Rz. 9. 2 Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J. Rz. 59; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 22 Rz. 5; Schön, DStJG 23 (2000), 191 (217); Vogel, StuW 1993, 380 (383). 3 Langeheine/Tietje in Grabitz/Hilf, Art. 96 EG Rz. 9, 12. 4 Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR J. Rz. 60. 5 Das Subsidiaritätsprinzip bindet alle Organe der Gemeinschaft sowie die Rspr. des EuGH; von Bogdandy/Bast in Grabitz/Hilf, Art. 6 EG Rz. 1. 6 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 12 Rz. 30. 7 Hierzu Herzig, DStJG 19 (1996), 121 ff. 8 Der aus dem Jahre 1975 stammende Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme (ABl. 253 v. 5.11.1975) wurde 1990 zurückgezogen, und die Empfehlungen des Ruding-Komitees (DB 1992, Beilage 5) wurden nicht umgesetzt; zu weitergehenden Entwicklungen insbesondere zu einer EUweiten konsolidierten Besteuerung Spengel in Reimer u.a., Europäischen Gesellschafts- und Steuerrecht, 253 (276 ff.); Herzig in FS Schaumburg, 751 (758 ff.); Rödder in FS Herzig, 349 (359 ff.). 9 Verkürzt: Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV); Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV); Niederlassungsfreiheit für Unternehmer (Art. 49 ff. AEUVEG) bzw. die Freizügigkeit für Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV) sowie die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV).

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3.59

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

Prozess der stillen Harmonisierung eingeleitet worden,1 der von der Doktrin des Vorrangs der Grundfreiheiten ggü. der Steuersouveränität der EUStaaten getragen wird.2 Seitdem haben zahlreiche Entscheidungen in die deutsche Steuersouveränitat mit folgenschweren fiskalischen Wirkungen eingegriffen.3 Diese beruhen nicht zuletzt darauf, dass die Urteile des EuGH, die für sich Verbindlichkeit beanspruchen,4 durchweg zeitlich zurückwirken.5

3.60 Die Harmonisierung der direkten Steuern erschöpft sich weitgehend in einigen EU-Richtlinien, die darauf gerichtet sind, die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten zu gewährleisten. b) Fusionsrichtlinie

3.61 Mit der Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen,6 ist eine wesentliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) (Rz. 4.29 ff.) beseitigt worden. Aufgrund dieser Fusionsrichtlinie, die zunächst durch das Steueränderungsgesetz 19927 und zuletzt durch das SEStEG8 in nationales Recht umgesetzt worden ist, wird im Wesentlichen die Steuerneutralität von grenzüberschreitenden und ausländischen Umwandlungen sowie der Sitzverlegung von SE und SCE gewährleistet,9 was letztlich eine Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts bedeutet. 1 Hierzu auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 25 ff.; Schön, StbJb 2003/2004, 27 ff.; Rödder, DStR 2004, 1629 ff.; Hey in Reimer u.a., Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht, 295 (305 ff.). 2 Seit EuGH v. 7.5.1985 – Rs. 18/84 – Kommission ./. Frankreich, EuGHE 1985, 1339; hierzu die Einzelanalyse von Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 386 ff. 3 Nur beispielhaft: EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, EuGHE 1999, I-6161; v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7447; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-11779. 4 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/71 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415; Ehricke in Streinz, Art. 234 EG Rz. 64; Schaumburg, in DFGT 1 (2004), 73 (83 ff.). 5 Zur unbegrenzten Rückwirkung EuGH v. 3.10.2002 – Rs. C-347/00 – Barreira Pérez, EuGHE 2002, I-8191; v. 17.2.2005 – Rs. C-435/02 u. C-462/02 – Linneweber und Akritidis, EuGHE 2005, I-1131; zur begrenzten Rückwirkung aus Vertrauensschutzgründen EuGH v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE 2007, I-1872; ferner Kokott, NJW 2006, 17 ff. 6 Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990, geändert durch Richtlinie 2005/19/EG zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG v. 17.2.2005, ABl. EG Nr. L 58, 19 ff. v. 4.3.2005. 7 Steueränderungsgesetz 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 8 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 9 Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht Rz. 17.1 ff.

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E. Europäisches Steuerrecht

So ergibt sich unmittelbar aus der Fusionsrichtlinie, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen sowie die grenzüberschreitende Sitzverlegung keine Besteuerung etwa zu realisierender stiller Reserven auslösen dürfen (Art. 4 FRL). Das Gebot der Steuerneutralität gilt indessen unter dem Vorbehalt, dass der Staat, in dem die übertragende Gesellschaft ansässig ist, keinen Verlust an Besteuerungssubstrat erleidet. Im Hinblick darauf gilt die Steuerneutralität der Umwandlung nur für dasjenige Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft, das nach der Umwandlung tatsächlich zu einer Betriebsstätte in dem Mitgliedstaat der übertragenden Gesellschaft gehört und zur Erzielung des steuerpflichtigen Ergebnisses beiträgt (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b FRL). Eine entsprechende Regelung gilt für die Sitzverlegung einer SE/SCE (Art. 10b Abs. 1 FRL). Danach darf die Sitzverlegung einer SE/SCE ebenfalls keine Besteuerung auslösen, soweit nach der Sitzverlegung die betreffenden Wirtschaftsgüter unverändert einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat zuzuordnen sind. Für Wirtschaftsgüter, die wegzugsbedingt einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat nicht mehr zuzuordnen sind, erfolgt eine Besteuerung stiller Reserven. Schließlich steht die vorstehende Europäisierung auch unter Missbrauchsvorbehalt (Art. 11 Abs. 1 FRL).

3.62

Von der Reichweite der Fusionsrichtlinie sind lediglich bestimmte EUKapitalgesellschaften erfasst,1 so dass hiernach etwa die Einbringung eines Teilbetriebs einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft besteuert werden darf.2

3.63

Die Fusionsrichtlinie hat derzeit lediglich eine begrenzte Wirkung, weil für grenzüberschreitende Fusionen und Spaltungen die handelsrechtlichen Voraussetzungen (noch) nicht vollständig gegeben sind. Entsprechende Rechtsgrundlagen gibt es insoweit lediglich für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (§§ 122a ff. UmwG). Schließlich sieht auch die SE-VO3 und die SCE-VO4 die Gründung einer SE/SCE durch grenzüberschreitende Verschmelzung vor, wobei insoweit lediglich eine Verschmelzung durch Aufnahme oder durch Neugründung möglich ist. In allen übrigen Fällen kommt eine grenzüberschreitende Umwandlung im rechtstechnischen Sinne nur unter Berufung auf die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) in Betracht.5

3.64

1 Nach dem Anhang zu Art. 3 der FRL gehören hierzu in Deutschland die AG, GmbH, die KGaA, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft sowie Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 2 Nach deutschem Steuerrecht ergibt sich indessen die Steuerneutralität ggf. gem. § 20 Abs. 1 UmwStG. 3 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001. 4 Hierzu Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 7 ff. 5 Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über das Statut der Europäischen Gemeinschaft (SEC) v. 22.7.2003, ABl. EU Nr. L 207 v. 18.8.2003.

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Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

c) Mutter-Tochter-Richtlinie

3.65 Die EU-Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten1 ist darauf gerichtet, innerhalb der Union die Mehrfachbesteuerung von Dividenden zwischen Kapitalgesellschaften2 zu vermeiden.3 Diese Mehrfachbesteuerung wird auf der Ebene der Muttergesellschaft dadurch vermieden, dass einerseits die Quellensteuern bei der ausschüttenden Tochtergesellschaft nicht erhoben (Art. 5 Abs. 1 MTR) und andererseits die Ausschüttungen bei der Muttergesellschaft von der Steuer freigestellt werden oder aber eine indirekte Steueranrechnung ermöglicht wird. Diese Maßnahmen bedeuten einen ersten Einstieg in die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse und damit zugleich in ein europäisches Konzernsteuerrecht, durch das steuerliche Behinderungen gegen europaweite Zusammenschlüsse zu Konzernen beseitigt werden sollen.4

3.66 Die Mutter-Tochter-Richtlinie ist durch § 43b EStG, § 8b Abs. 1, 9 KStG und § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG in nationales Recht umgesetzt worden (Rz. 15.152 ff., 15.232 ff.). Im Übrigen wird den Vorgaben der MutterTochter-Richtlinie auf Ebene der Muttergesellschaft insbesondere durch § 8b Abs. 1 KStG entsprochen (Rz. 15.153 ff.).

3.67 Die Quellensteuerreduktion auf Null setzt nach der Mutter-TochterRichtlinie bei einer Mindestbeteiligungsquote von 10 Prozent ein (§ 43b Abs. 2 EStG). Darüber hinaus wird die Nichterhebung der Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) von einer Mindestbeteiligungsdauer abhängig gemacht, wonach die Beteiligung an einer Tochtergesellschaft mindestens ununterbrochen zwölf Monate bestehen muss (§ 43b Abs. 2 Satz 4 EStG).

3.68 Die Mutter-Tochter-Richtlinie enthält eine gegen das „Richtlinienshopping“ gerichtete Missbrauchsklausel (Art. 1 Abs. 2 MTR). Hiernach ist es den Mitgliedstaaten über die Regelungen der Mindestbeteiligungsdauer hinaus freigestellt, einen weiteren Missbrauchstatbestand zu normieren. Von dieser Ermächtigung hat der deutsche Gesetzgeber durch § 50d Abs. 3 EStG Gebrauch gemacht (Rz. 16.160 ff.). d) Zins- und Lizenz-Richtlinie

3.69 Die Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Un-

1 Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990. 2 Der Kreis der erfassten Kapitalgesellschaften entspricht dem der Fusionsrichtlinie, siehe Rz. 3.63. 3 Finanzausschuss des BT, BT-Drucks. 12/7945, 4; zu Einzelheiten Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J. Rz. 133 ff.; Jesse, IStR 2005, 151 ff. 4 Knobbe-Keuk, EuZW 1992, 336 (337); Saß, DB 1990, 2340 (2240); Voß, StuW 1993, 155 (163).

50

E. Europäisches Steuerrecht

ternehmen verschiedener Mitgliedstaaten1 regelt die Steuerbefreiung für Zinsen und Lizenzgebühren in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner ansässig ist (Art. 1 Abs. 1 ZiLiRL). Diese Freistellung, die im Wesentlichen Quellensteuern betrifft, ist darauf gerichtet, Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten im Europäischen Binnenmarkt nicht gegenüber gleichartigen Beziehungen zwischen Unternehmen ein und desselben Mitgliedstaates steuerlich zu benachteiligen. Im Kern geht es um die Vermeidung der Doppelbesteuerung, die nur bei einem grenzüberschreitenden Zins- oder Lizenztransfer entstehen kann.2 Im Hinblick auf die vorgenannte Zielsetzung entfaltet die Zinsund Lizenz-Richtlinie allerdings nur begrenzte Wirkung. Soweit es Zinsen anbelangt, unterliegen diese ohnehin nur in den Fällen, in denen die zugrunde liegenden Forderungen dinglich gesichert sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c) aa) EStG), der beschränkten Steuerpflicht. Darüber hinaus hat Deutschland abkommensrechtlich weitgehend auf die Erhebung der Quellensteuer verzichtet.3 Lizenzgebühren unterliegen zwar der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG), für die ein Quellensteuerabzug vorgesehen ist (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG), abkommensrechtlich ist Deutschland aber auch hier zumeist die Quellensteuerbefugnis genommen.4 Damit hat die Zins- und Lizenz-Richtlinie, die durch § 50g EStG umgesetzt worden ist, keine große praktische Bedeutung. Sie bestätigt im Kern nur das, was sich ohnehin aus dem nationalen bzw. dem Abkommensrecht ergibt. Von der Reichweite der Zins- und Lizenz-Richtlinie werden nur miteinander verbundene Unternehmen, soweit es sich hierbei um Kapitalgesellschaften handelt, erfasst (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG). Zu den Kapitalgesellschaften gehören die AG, die GmbH und die KGaA (Art. 3 ZiLiRL). Verbundene Unternehmen sind solche, die vertikal oder horizontal miteinander verbunden sind, wobei auf eine Mindestbeteiligungsquote von 25 Prozent abgestellt wird (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG). Eine Mindestbesitzzeit wird nicht gefordert.

3.70

Die Steuerbefreiung steht unter Missbrauchsvorbehalt (Art. 5 ZiLiRL), die in § 50g Abs. 4 EStG dahingehend konkretisiert wird, dass eine Steuerbefreiung ausscheidet, wenn der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe für Geschäftsvorfälle die Steuerver-

3.71

1 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 2 Erwägungsgründe 1 und 2 der ZiLiRL. 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECDMA Rz. 48. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECDMA Rz. 29.

51

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

meidung oder der Missbrauch sind. Darüber hinaus bleibt auch § 50d Abs. 3 EStG anwendbar (§ 50g Abs. 4 Satz 2 EStG).1 e) Zinsrichtlinie

3.72 Die Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen2 betrifft die Zinsbesteuerung natürlicher Personen. Ziel der Richtlinie ist es, die Besteuerung von Zinserträgen unionsrechtlich zu koordinieren und hierdurch die Besteuerung im Unionsgebiet überhaupt sicherzustellen.3 Die Zinsrichtlinie will gewährleisten, dass die Zinszahlungen im Ansässigkeitsstaat des Gläubigers der Besteuerung unterworfen werden (Art. 1 Abs. 1 ZiRL). Im Hinblick darauf werden die die Zinsen auszahlenden Zahlstellen verpflichtet, die Identität und den Wohnsitz der Zahlungsempfänger bei der Eröffnung eines Kontos festzustellen (Art. 3 ZiRL). Damit sind im Ergebnis anonyme Konten unzulässig. Schließlich sieht die Zinsrichtlinie, die auf der Grundlage des § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in deutsches Recht umgesetzt worden ist, ein grenzüberschreitendes Informationssystem vor, wonach die Zahlstellen zur Mitteilung der Zinszahlung an die zuständigen Behörden ohne besondere Aufforderung verpflichtet sind (Art. 8, 9 ZiRL).4

3.73 Das vorstehende Informationssystem besteht neben den bereits durch DBA (Art. 26 OECD-MA; Rz. 19.91 ff.) besondere Abkommen über den Informationsaustausch und die Amtshilfe-Richtlinie (Rz. 19.56 ff.) bestehenden Informationspflichten.5 Die Zins-Richtlinie betrifft aber nur grenzüberschreitende Zinszahlungen, allerdings unabhängig davon, ob sie der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen.6 f) Schiedsverfahrenskonvention

3.74 Auf der Grundlage des Art. 293 EG a.F. haben die EU-Staaten das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Fall von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen7 abgeschlossen. Diese sog. Schiedsverfahrenskonvention8 ist ein multilateraler 1 Zu weiteren Einzelheiten Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 1 ff.; Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 1 ff.; Dörr, IStR 2005, 109 ff.; ferner Rz. 15.187 ff. 2 RL 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/38 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006. 3 Nr. 5 der Erwägungsgründe der Zinsrichtlinie. 4 Für Belgien, Luxemburg und Österreich gelten für eine Übergangszeit Sonderregelungen (Artt. 10–15 ZiRL). 5 Hierzu Sailer/Ismer, IStR 2005, 1 (2 ff.); ferner Rz. 19.70 ff. 6 Zu weiteren Einzelheiten Sailer/Ismer, IStR 2005, 1 ff. 7 Schiedsverfahrenskonvention (90/436/EWG) v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005. 8 Auch Schiedsabkommen oder Schiedsübereinkommen genannt.

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E. Europäisches Steuerrecht

völkerrechtlicher Vertrag,1 der nach Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden2 zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist.3 Ihr steht der höhere Rang des Europarechts (Rz. 3.28 ff.) nicht zu.4 Die zunächst auf 5 Jahre befristete und inzwischen ohne Zeitbegrenzung 3.75 verlängerte Schiedsverfahrenskonvention ist auf die Beseitigung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (zu diesem Begriff Rz. 12.3) gerichtet, die dadurch entstehen kann, dass die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten nicht abgestimmte Einkünfteberichtigungen vornehmen, die sich als Folge von Verrechnungspreiskorrekturen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften und veränderter Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten in verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben. Dadurch wird sichergestellt, dass mit der auf Gewinnerhöhung gerichteten Erstberichtigung in dem einen Mitgliedstaat eine auf Gewinnminderung gerichtete Gegenberichtigung in dem oder den anderen Vertragsstaaten korrespondiert. Da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die auf dieser nicht abgestimmten Einkünfteberichtigung beruhende wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (Art. 12 Abs. 1), entfaltet die Schiedsverfahrenskonvention eine Schutzwirkung zugunsten der in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen gegenüber einseitigen Gewinnkorrekturen durch den einen oder anderen Mitgliedstaat. Demgegenüber vermögen insbesondere die von Deutschland mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA eine derartige korrespondierende Einkünfteberichtigung durchweg nicht zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die meisten der vorgenannten DBA keine dem Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Gegenberichtigungsklausel enthalten und zum anderen darauf, dass die wegen nicht abgestimmter Einkünfteberichtigungen an sich möglichen Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) deshalb keinen vollständigen Rechtsschutz vermitteln, weil ein Rechtsanspruch weder darauf besteht, dass ein derartiges Verständigungsverfahren überhaupt durchgeführt wird, noch darauf, dass die Vertragsstaaten sich einigen (Rz. 16.91). Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich der Schiedsverfahrenskonvention auch weiter als Art. 9 OECD-MA: Sie gilt nicht nur für die Einkünfteberichtigung zwischen (selbständigen) verbundenen Unternehmen, sondern auch für die Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Die betroffenen Unternehmen haben in den Fällen nicht abgestimmter Einkünfteberichtigungen nicht nur einen Anspruch auf Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung; die Schiedsverfahrenskonvention vermittelt darüber hinaus auch einen Rechtsanspruch darauf, dass Ein1 Schweitzer, in Grabitz/Hilf, Art. 293 EG Rz. 7; Schwartz/Mölls in von der Groeben/Schwarze, Art. 293 EG Rz. 95; J. Förster in Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 30 Rz. 162. 2 Art. 18 der Schiedsverfahrenskonvention. 3 BStBl. I 1995, 166; zu Einzelheiten auch Rz. 16.114 ff. 4 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301.

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3.76

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

künfteberichtigungen nur unter Beachtung der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Rechtsgrundsätze, insbesondere nach Maßgabe des international anerkannten dealing at arm’s length-Prinzips, (Rz. 16.266) vorgenommen werden dürfen. Da die Schiedsverfahrenskonvention weitergehende Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Falle der Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen nicht verdrängt, eröffnet sich den Unternehmen die Möglichkeit, sich jeweils auf die für sie günstigste Norm zu berufen.1

3.77 Das Ziel der abgestimmten Einkünfteberichtigung wird auf der Grundlage der Schiedsverfahrenskonvention auf mehreren Stufen erreicht:2 Die erste Stufe zielt auf eine einvernehmliche Regelung zwischen den betroffenen Unternehmen und den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten ab (Art. 5). Kommt eine einvernehmliche Regelung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zustande, so ist auf der zweiten Stufe auf Antrag der betroffenen Unternehmen ein Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Finanzbehörden der Mitgliedstaaten3 einzuleiten (Art. 6). Den betroffenen Unternehmen wird für den Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens eine Frist von drei Jahren nach der ersten Mitteilung über die beabsichtigte Einkünfteberichtigung eingeräumt. Bleibt das Verständigungsverfahren innerhalb von zwei weiteren Jahren erfolglos, ist von den zuständigen Finanzbehörden der Mitgliedstaaten4 ein Schlichtungsverfahren einzuleiten (Art. 7). Hierbei wird zunächst ein beratender Ausschuss tätig, dem zwei Vertreter jeder beteiligten zuständigen Behörde und eine gerade Anzahl unabhängiger Personen angehören (Art. 9). Innerhalb von sechs Monaten hat der beratende Ausschuss eine Stellungnahme über die Lösung des Besteuerungskonflikts abzugeben (Art. 11). An diese Stellungnahme sind die Mitgliedstaaten zunächst zwar nicht gebunden, sie wird aber verbindlich, wenn die zuständigen Finanzbehörden sich nicht innerhalb weiterer sechs Monate einigen können (Art. 12).5

3.78 Wenn auch die Schiedsverfahrenskonvention erstmals einen partiellen Rechtsanspruch auf Vermeidung von Doppelbesteuerung einräumt, so ist die Effektivität des Rechtsschutzes dennoch in einigen Bereichen stark eingeschränkt. So wurde sie aus Rücksicht auf die Steuersouveränität der Mitgliedstaaten6 entgegen der ursprünglichen Absicht nicht als EURichtlinie verabschiedet, sondern in die Form eines multilateralen Abkommens (Art. 293 EG a.F.) gekleidet. Damit unterliegt das Abkommen nicht der Jurisdiktion des EuGH, so dass weder eine direkte Klage eines Mitgliedstaates oder eines Unternehmens noch eine Vorlage eines natio-

1 Vgl. Art. 15; Krabbe in D/W, vor Art. 1 EU-Schü Rz. 10. 2 Zu Einzelheiten Krabbe in D/W, EU-Schü; Menck in G/K/G, Anh. zu Art. 25 OECD-MA; ferner Rz. 16.118 ff. 3 In Deutschland der Bundesminister der Finanzen. 4 In Deutschland das Bundeszentralamt für Steuern; vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG. 5 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 304. 6 Saß, DB 1991, 984 (984).

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E. Europäisches Steuerrecht

nalen Gerichts nach Art. 267 AEUV in Betracht kommt.1 Damit fehlt eine internationale Gerichtsbarkeit, die eine einheitliche Entscheidung für die Betroffenen fällen könnte. Darüber hinaus leidet die Schiedsverfahrenskonvention auch daran, dass die dort vorgesehenen Verfahren zu lange dauern. Schließlich entsteht auch Rechtsunsicherheit dadurch, dass das Verständigungs- oder Schlichtungsverfahren ausgesetzt werden kann, wenn ein auf die Feststellung empfindlich zu bestrafender Verstöße gegen die Gewinnaufteilungsregelung (Art. 4) gerichtetes nationales Gerichtsoder Verwaltungsverfahren anhängig ist (Art. 8 Abs. 2). Wird ein derartiger Verstoß gegen die Gewinnaufteilungsregelung (Art. 4) festgestellt, so entfällt letztlich die Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Eine von einem Unternehmen im Zusammenhang mit der Gewinnaufteilung begangene Steuerhinterziehung kann somit zur Folge haben, dass die Doppelbesteuerung bestehen bleibt.2 g) Bilanzrichtlinien3 Die auf Art. 50 Abs. 2g AEUV gestützten Bilanzrichtlinien, die den Jahresabschluss von Unternehmen betreffen, haben zwar keinen spezifischsteuerrechtlichen Inhalt, über das in § 5 Abs. 1 EStG verankerte Maßgeblichkeitsprinzip wirken sie aber auf das deutsche Steuerrecht dadurch ein,4 dass § 5 Abs. 1 EStG Bezug nimmt auf die Vorschriften des 3. Buches des Handelsgesetzbuches, denen ihrerseits wiederum die gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Bilanzrichtlinie)5 zugrunde liegt.6 Die Bilanzrichtlinie enthält Regelungen über die Rechnungslegung, Publizität und Prüfung von Kapitalgesellschaften. Ziel der Bilanzrichtlinie ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Bilanzrechts für Kapitalgesellschaften. Die 7. Richtlinie über den konsolidierten Abschluss7 (Konzernbilanz1 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301; Thömmes in Lenz (Hrsg.), EG-Handbuch2, 561 (586); Saß, DB 1991, 984 ff.; Knobbe-Keuk, EuZW 1992, 336 (337). 2 Zu den Bedenken gegen diese zusätzliche „Bestrafung“ Saß, DB 1991, 984 (987). 3 Bilanzrichtlinie (4. Richtlinie), Konzernbilanzrichtlinie (7. Richtlinie), Prüferrichtlinie (8. Richtlinie). 4 Stobbe in H/H/R, § 5 EStG Rz. 20; Buciek in Blümich, § 5 EStG Rz. 876 ff.; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 173; Thiel/Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht5, Rz. 75; Schön in FS Flick, 573 (579 ff.); de Weerth, RIW 1996, 763 (765); Groh, DStR 1996, 1206 (1209). 5 Vierte EU-Richtlinie, 78/660/EWG v. 25.7.1978 zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über Form und Inhalt des Jahresabschlusses und des Lageberichts von AG, KGaA und GmbH, ABl. EG Nr. L 220, 11 v. 14.8.1978. 6 Diese mittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts begründet bereits insoweit die Prüfungskompetenz des EuGH; vgl. EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94 – Tomberger, EuGHE 1996, I-3133; v. 14.9.1999 – Rs. C-275/97 – DE + ES, EuGHE 1999, I-5331; v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, – BIAO, EuGHE 2003, I-1; diese Frage ist allerdings immer noch streitig; zum Meinungsstand Hey in Tipke/Lang20, § 17 Rz. 51. 7 Siebente EU-Richtlinie, 83/349/EWG zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Konzernrechnungslegung von AG, KGaA und GmbH v. 13.6.1983, ABl. EG Nr. L 193, 1 v. 18.7.1983.

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3.79

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

richtlinie) enthält darüber hinaus Vorschriften über den Jahresabschluss von Konzernen. Die 8. Richtlinie über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungsunterlagen beauftragten Personen1 (Prüferrichtlinie) hat ebenfalls steuerrechtliche Wirkungen.

3.80 Die drei vorgenannten Bilanzrichtlinien sind durch das Bilanzrichtliniengesetz2 zum 1.1.1986 in nationales deutsches Recht umgesetzt worden. Darüber hinaus wurde mit Wirkung zum 1.1.1991 auch die EU-Richtlinie über den Jahresabschluss von Banken3 durch das Bilanzrichtliniengesetz4 in nationales Recht umgesetzt.5 Die dort enthaltenen Vorschriften haben nicht nur Bedeutung für den Jahresabschluss von Banken, sondern allgemein für das Bilanzrecht.6 Schließlich enthält auch die Versicherungsbilanzrichtlinie7 Regelungen mit Auswirkungen auf das Bilanzsteuerrecht.

3.81 Für das Steuerrecht hat insbesondere die 4. Richtlinie weitreichende Bedeutung. Sie betrifft zwar nur Kapitalgesellschaften, durch das Bilanzrichtliniengesetz sind die entsprechenden Vorschriften allerdings mit Wirkung für alle Kaufleute in nationales Recht umgesetzt worden.8 So enthalten der 1. Abschn. des 3. Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 238 ff. HGB) für alle Kaufleute geltende Rechnungslegungsvorschriften und der zweite Abschnitt des 3. Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 264 ff. HGB) ergänzende Vorschriften speziell für Kapitalgesellschaften.

3.82 Die für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Bilanzrichtliniengesetzes sind richtlinienkonform auszulegen.9 Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze (Rz. 3.54 f.). Die Reichweite der richtlinienkonfor1 Achte EU-Richtlinie, 84/253/EWG zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungsunterlagen beauftragten Personen v. 10.4.1984, ABl. EG Nr. L 126, 20 v. 20.5.1984. 2 Vom 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 3 86/635/EWG, ABl. EG Nr. 1 372, 1. 4 Vom 30.11.1990, BGBl. I 1990, 2570. 5 Ergänzend hierzu erging die Richtlinie 89/117/EWG des Rates über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaates zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen v. 13.2.1989 (ABl. EG Nr. L 44, 40 v. 19.2.1989); in deutsches Recht durch VO über die Rechnungslegung der Kreditinstitute v. 10.2.1992, BGBl. I 1992, 203, umgesetzt. 6 Hierzu Clausen, DB 1991, 1129 ff.; Prahl, WPg 1991, 401 ff., 438 ff. 7 91/674/EWG v. 19.12.1991, ABl. EG Nr. L 374, 7 v. 19.12.1991; in deutsches Recht umgesetzt durch Gesetz (VersRiLiG) v. 24.6.1994, BGBl. I 1994, 1377. 8 Die GmbH & Co. KG-Richtlinie v. 8.11.1990, ABl. EG Nr. L 317, 60 v. 8.11.1990, wonach Personenhandelsgesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden, wurde verspätet erst zum 1.1.2000 in nationales Recht umgesetzt (§ 264a HGB), vgl. zum Vertragsverletzungsverfahren der Kommission EuGH v. 22.4.1999 – Rs. C-272/97 – Kommission ./. Deutschland, EuGHE 1999, I-2175. 9 Stobbe in H/H/R, § 5 EStG Rz. 20; Mathiak in K/S/M, § 5A Rz. 201 f.

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E. Europäisches Steuerrecht

men Auslegung geht indessen über die durch die Bilanzrichtlinie unmittelbar angesprochenen Kapitalgesellschaften hinaus. Soweit nämlich das Bilanzrichtliniengesetz die Bilanzrichtlinie auch zugunsten und zu Lasten anderer Kaufleute umgesetzt hat, ist eine mittelbare richtlinienkonforme Auslegung geboten.1 Soweit das nicht mehr richtlinienkonform auslegbare Bilanzrichtliniengesetz von der Bilanzrichtlinie abweicht, kann sich jede Kapitalgesellschaft unmittelbar auf die Richtlinie selbst berufen, weil ihre Anwendung von keiner Bedingung abhängt und ihre Normen hinreichend klar und präzise sind.2 Ferner sind auch die europaweit einheitlichen Regelungen für Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen von Bedeutung. Die IFRS-Verordnung3 gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU (Art. 11 IFRS-VO). Hiernach sind kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach den IFRS aufzustellen (Art. 4 IFRS-VO). Für nicht börsennotierte Gesellschaften besteht die Option zur Anwendung der IFRS (Art. 5 IFRS-VO), wobei freilich den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleibt, nach Maßgabe des nationalen Rechts entweder IFRS vorzuschreiben oder aber als Wahlrecht zuzulassen. Dieses Wahlrecht ergibt sich aus § 315a Abs. 2 HGB. Die IFRS haben allerdings keine Geltung für Einzelabschlüsse, und zwar auch soweit es sich um kapitalmarktorientierte Unternehmen handelt. Insoweit verbleibt es dabei, dass der nach dem Bilanzrecht des Handelsgesetzbuches aufzustellende Einzelabschluss allein Bedeutung hat für den Maßgeblichkeitsgrundsatz gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG. Der nach IFRS aufzustellende Konzernabschluss hat demgegenüber Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendung der Zinsschranke (§ 4h Abs. 2 Buchst. c) EStG).4 2. Indirekte Steuern a) Harmonisierungsauftrag Für die indirekten Steuern5 enthält der AEUV einen eindeutigen Harmonisierungsauftrag: Art. 113 AEUV (früher: Art. 99 EG-Vertrag) verpflichtet die Organe der Union im Interesse des gemeinsamen Marktes zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Diese Harmonisierung ist 1 Stobbe in H/H/R, § 5 EStG Rz. 20; Schön, DStJG 19 (1996), 167 (198); Beisse, BB 1990, 2007 (2011); Spetzler, DB 1993, 553 (558); Meyer-Arndt, BB 1993, 1623 (1625); Herzig/Dautzenberg, BFuP 1998, 27 ff.; a.A. Ahmann in FS Schmidt, 269 (276). 2 Hüffer, in Großkomm/HGB, Rz. 19 vor § 238; Spetzler, DB 1993, 553 (557); Meyer-Arndt, BB 1993, 1623 (1623); zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung von EU-Richtlinien allgemein Rz. 3.31 f. 3 Vom 19.7.2002, ABl. EG L 243, 1 v. 11.9.2002. 4 Vgl. hierzu Schulz, DB 2008, 2043 ff.; Hennrichs, DB 2007, 2101ff. 5 Zum Begriff Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 20.

57

3.83

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

auf die Verwirklichung des Binnenmarktes gerichtet, so wie er seine Definition in Art. 26 Abs. 2 AEUV gefunden hat. Danach umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Wie sich aus dem Weißbuch der Kommission der Europäischen Unionen zur „Vollendung des Binnenmarktes“1 ergibt, dient die Vollendung des Binnenmarktes dem Ziel, die vorgenannten Grundfreiheiten endgültig zu verwirklichen und außerdem die Grenzkontrollen innerhalb der EU zu beseitigen.

3.84 Dieser Harmonisierungszwang hat zum größten Integrationsfortschritt seit Gründung der EG geführt: Seit 1.1.1993 gilt innerhalb der EU ein weitgehend harmonisiertes System indirekter Steuern, wobei freilich die Harmonisierungsintensität unterschiedlich ausgeprägt ist. Während für den Bereich der Verbrauchsteuern eine endgültige Lösung für ein allgemeines System der Erhebung der Verbrauchsteuern im gewerblichen Verkehr gefunden werden konnte,2 hat es im Bereich der Umsatzsteuer zunächst nur zu einer Übergangsregelung gereicht,3 ohne dass die endgültig angestrebte Regelung im Sinne des Ursprungslandprinzips (Rz. 9.5) in Sicht ist.4

3.85 Im Hinblick auf den sich unmittelbar aus dem AEUV ergebenden Harmonisierungszwang für die indirekten Steuern und den weit fortgeschrittenen Harmonisierungsstand der indirekten Steuern hat das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des in nationales Recht umgesetzten Unionsrechts besondere Bedeutung.5 Soweit eine richtlinienkonforme Auslegung nicht mehr möglich ist, kann sich der Unionsbürger, soweit das umgesetzte Recht von der zugrunde liegenden EU-Richtlinie abweicht, unmittelbar auf die EU-Richtlinie berufen, soweit deren Bestimmungen durchweg hinreichend genau und unbedingt sind. Diese Voraussetzungen werden von der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL),6 in die die verschiedenen Umsatzsteuer-Richtlinien mit Wirkung ab 1.1.2008 eingegangen sind, erfüllt.

1 KOM (85) 310, BR-Drucks. 289/85. 2 Richtlinie 92/12/EWG des Rates v. 25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, ABl. EG Nr. L 76, 1 v. 23.3.1992, umgesetzt durch das Verbraucher-Binnenmarktgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2150. 3 Richtlinie zur Ergänzung des Mehrwertsteuer-Systems 91/680/EWG v. 16.12.1991, ABl. EG 1991 Nr. L 376, 1 v. 31.12.1991, umgesetzt durch das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz v. 25 8. 1992, BGBl. I 1992, 1548. 4 Hierzu Reiß in R/K/L, Einführung UStG, Rz. 91 ff.; Widmann, DStJG 19 (1996), 219 (228 f.); so auch die Sichtweise der Kommission; vgl. deren Mitteilung an den Rat v. 5.7.2007, KOM (2007) 380. 5 Reiß in R/K/L, Einführung UStG, Rz. 105 ff. 6 Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU 2006, Nr. L 347, 1 v. 11.12.2006.

58

E. Europäisches Steuerrecht

b) Umsatzsteuer-Richtlinien und Mehrwertsteuersystem-Richtlinie Die Harmonisierung der Umsatzsteuer ist im Wesentlichen in drei Stufen erfolgt.1 Auf der ersten Stufe wurde durch die 1. und 2. UmsatzsteuerRichtlinie2 die Grundlage für das gemeinschaftliche Mehrwertsteuersystem geschaffen. Dieses Mehrwertsteuersystem, das in seinen Grundzügen auch heute noch Geltung hat, ist auf Wettbewerbsgleichheit in dem Sinne gerichtet, dass gleichartige Waren innerhalb der Union unabhängig von der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich behandelt werden.3 Die 2. Umsatzsteuer-Richtlinie, die Vorschriften über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze4 enthielt, wurde durch das UStG 1967/19735 in deutsches Steuerrecht umgesetzt und somit zugleich Grundlage für die weitreichende deutsche Mehrwertsteuer-Reform.6

3.86

Während die 3. bis 5. Umsatzsteuer-Richtlinie7 lediglich Fristen für die Einführung des einheitlichen Mehrwertsteuersystems verlängerten, erfolgte ein weiterer wesentlicher Harmoniserungsschritt durch die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie.8 Mit dieser 6. Umsatzsteuer-Richtlinie wurde die zweite Stufe der Umsatzsteuer-Harmonisierung erreicht.9 Die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie verfolgte wirtschaftspolitische, binnenmarktpolitische und finanzpolitische Ziele.10 In wirtschaftspolitischer Hinsicht ging es um die Herstellung eines wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer-Systems, unter binnenmarktpolitischen Gesichtspunkten stand die Ermöglichung eines exakten Grenzausgleichs – steuerbefreite Ausfuhr einerseits und Einfuhrumsatzsteuer andererseits – und finanzpolitisch die Schaffung einer einheitlichen Umsatzsteuer-Bemessungsgrundlage als Ausgangspunkt für die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten an die Union im Vordergrund.

3.87

Die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie wurde von dem Grundsatz getragen, dass unabhängig von der Zahl der Umsätze auf Gegenstände und Dienstleis-

3.88

1 Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 172 ff.; Mick in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 26 Rz. 10 ff. 2 1. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-67/227/EWG v. 11.4.1967, ABl. EG 1967 Nr. L 71 v. 14.4.1967, 1301; 2. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-67/228/EWG v. 14.4.1967, ABl. EG 1967 Nr. L 71 v. 14.4.1967. 3 So die Begründungserwägungen der 1. Umsatzsteuer-Richtlinie. 4 Hierzu Wachweger, UR 1967, 123 ff. 5 BGBl. I 1967, 545 = BStBl. I 1973, 545. 6 Hierzu der Überblick von Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Einf. Rz. 17 ff. 7 3. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-69/463 EWG, ABl. 1969 Nr. L 320 v. 20.12.1969, 34; 4. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-71/401 EWG, ABl. EG Nr. L 283 v. 24.12.1971, 41; 5. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-72/250 EWG, ABl. EG 1972 Nr. L 162 v. 18.7.1972, 18. 8 EWG-77/388/EWG v. 17.5.1977, ABl. EG Nr. L 145 v. 13.7.1977, 1; vgl. hierzu den Überblick über die EuGH-Rechtsprechung zur 6. Umsatzsteuer-Richtlinie bei Lohse in R/D, 6. USt-RL. 9 Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 174. 10 Voß, StuW 1993, 155 (158).

59

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

tungen eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen proportionale Verbrauchsteuer erhoben wurde.1 Dieser Grundsatz erfuhr zahlreiche Konkretisierungen im Bereich der Steuerbarkeit, Steuerfreiheit und des Vorsteuerabzuges.2

3.89 Die 8. Umsatzsteuer-Richtlinie3 verankerte die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einem nicht im Inland, aber in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen die Umsatzsteuer als Vorsteuer in einem besonderen Verfahren zu erstatten.4 Die 9. Umsatzsteuer-Richtlinie5 beschränkte sich darauf, die Frist für die Umsetzung der 6. UmsatzsteuerRichtlinie bis zum 1.1.19796 zu verlängern.

3.90 Die 10. Umsatzsteuer-Richtlinie7 regelte den Ort der sonstigen Leistung bei der Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, durch die § 3a UStG 1980 entsprechend angepasst wurde.8 Während die 11., 13., 15. und 17. Umsatzsteuer-Richtlinie9 Regelungen enthält, die entweder für Deutschland überhaupt nicht oder nur von geringer Bedeutung waren, betraf die 18. Umsatzsteuer-Richtlinie10 Regelungen, die im deutschen Umsatzsteuerrecht zum 1.1.1990 zu Änderungen im Bereich der Umsatzsteuerbefreiungen geführt haben.11

3.91 Während die nachfolgenden Umsatzsteuer-Richtlinien keine besondere Bedeutung hatten, wurde mit der wichtigen sog. Ergänzungs-Richtlinie (Binnenmarktrichtlinie) die dritte Stufe der Umsatzsteuer-Harmonisierung eingeleitet. Zu dieser Binnenmarktrichtlinie erging schließlich auch eine Änderungsrichtlinie zur Annäherung der Mehrwertsteuersätze.12 Auf dieser Grundlage wurde in Deutschland das Umsatzsteuer-Binnen-

1 2 3 4 5 6

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10 11 12

60

EuGH v. 3.3.1988 – Rs. 252/86 – Bergandi, EuGHE 1988, 1343. Zu Einzelheiten Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Einführung Rz. 454 ff. EWG v. 6.12.1979, 79/1072/EWG, ABl. EG 1979 Nr. L 331 v. 27.12.1979, 11. Vgl. §§ 59–61 UStDV 1980. EWG v. 26.6.1978, 78/583/EWG, ABl. EG 1978 Nr. L 194 v. 19.7.1978, 16. Deutschland konnte allerdings auch diese Frist nicht einhalten; die Umsetzung der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie gelang erst mit Inkrafttreten des UStG 1980 v. 26.11.1979, BGBl. I 1979, 1953. Ein zwischenzeitlich von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH wurde hierdurch erledigt. EWG v. 31.7.1984, 84/386/EWG, ABl. EG 1984 Nr. L 208 v. 3.8.1984, 58. Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14.12.1985, BGBl. I 1985, 1493. 11. USt-Richtlinie, EWG v. 26.3.1980, 80/368/EWG, ABl. EG 1980 Nr. L 90 v. 3.4.1980, 41; 13. USt-Richtlinie, EWG v. 17.11.1986, 86/560/EWG, ABl. EG 1986 Nr. L 326 v. 23.12.1983, 40; 15. USt-Richtlinie EWG v. 19.12.1983, 83/648/EWG, ABl. EG 1983 Nr. L 360 v. 23.12.1983, 49; 17. USt-Richtlinie EWG v. 16.7.1985, 85/362/EWG, ABl. EG 1985 Nr. L 192 v. 24.7.1985, 20. EWG v. 18.7.1989, 89/465/EWG, ABl. EG 1989 Nr. L 226 v. 2.8.1989, 21. Hierzu Schlienkamp, UR 1989, 268 ff. Vom 19.10.1992, 92/77 EWG, ABl. EG Nr. L 316, 1; hierzu Schlienkamp, UR 1993, 3 ff.

E. Europäisches Steuerrecht

marktgesetz1 und die 9. Verordnung zur Änderung der UmsatzsteuerDurchführungsverordnung2 erlassen. Die Binnenmarktrichtlinie wurde in der Folgezeit durch verschiedene Richtlinien3 geändert und ergänzt, ohne dass hierdurch das Grundsystem der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie eine wesentliche Änderung erfuhr. Das gilt auch für die seit 2008 geltende Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, die im Wesentlichen lediglich eine Neukodifizierung der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie und der nachfolgenden Richtlinien darstellt. Im Hinblick darauf, dass durch die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen vorgenommen wurden, gilt die bisherige Auslegung seitens des EuGH zur 6. Umsatzsteuer-Richtlinie unverändert.4 c) Verbrauchsteuer-Richtlinien/Systemrichtlinie Ebenso wie die Umsatzsteuer-Richtlinien sind auch die VerbrauchsteuerRichtlinien darauf gerichtet, durch Schaffung eines Binnenmarktes Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.5 Die hierfür maßgeblichen Verbrauchsteuer-Richtlinien6 sind überwiegend im Jahre 1992 ergangen, al-

1 2 3 4 5

Vom 25.8.1992, BGBl. I 1992, 1548. Vom 3.12.1992, BGBl. I 1992, 1982. Hierzu die Übersicht bei Lohse in R/D, Einf. I 6. MWStRL. Reiß in R/K/L, Einführung UStG Rz. 124. Zu den Harmonisierungszielen Schröer-Schallenberg in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27 Rz. 1 ff.; Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 263. 6 Richtlinie 92/12/EWG des Rates v. 25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. EG Nr. L 76, 1 v. 23.3.1992(System RL bis 15.1.2009); Richtlinie 92/78/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Änderung der Richtlinien 72/464/EWG und 79/32/EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, ABl. EG Nr. L 316, 5 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/79/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten, ABl. EG Nr. L 316, 8 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/80/EWG des Rates v. 10.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten, ABl. EG Nr. L 316, 10 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/83/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. EG Nr. L 316, 21 v. 31.10.1992 (Struktur RL); Richtlinie 92/84/EWG des Rates v. 19.10.1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. EG Nr. L 316, 29 v. 31.10.1992(Satz RL); Richtlinie 92/81/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle, ABl. EG Nr. L 316, 12 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/82/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle, ABl. EG Nr. L 316, 19 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/108 des Rates v. 14.12.1992 zur Änderung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. EG Nr. L 390, 124 v. 31.12.1992; vgl. auch den Kurzüberblick über die SystemRL, StrukturRL und SatzRL bei Bongartz in Peters/ Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, B 9 ff.

61

3.92

Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts

lerdings ergänzt um die Energiesteuerrichtlinie 20031 und die Systemrichtlinie 2009.2

3.93 Auf der Grundlage dieses ersten Richtlinienpaketes ist das deutsche Verbrauchsteuerrecht durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz3 angepasst worden.4 Hierdurch sind mit Wirkung zum 1.1.1993 die Steuergrenzen und Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt worden, so dass seitdem im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Union Verbrauchsteuern nicht mehr erhoben werden. Mithin wird die Besteuerung bei der Einfuhr und die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr grundsätzlich auf den Warenverkehr mit Drittländern beschränkt.

3.94 Das Verbrauchsteuer-Richtlinienpaket harmonisiert die wichtigsten Verbrauchsteuern der Union, also die Verbrauchsteuern auf Mineralöl, Strom, Tabak, Alkohol und alkoholhaltige Getränke. Darüber hinaus bleibt den Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit, andere Verbrauchsteuern national einzuführen oder bereits bestehende beizubehalten, sofern diese keine Grenzformalitäten verursachen. Aufgrund des Richtlinienpaketes soll im Gegensatz zur Umsatzsteuer für die Verbrauchsteuern auf Dauer das Bestimmungslandprinzip beibehalten werden. Das bedeutet, dass im Grundsatz die Steuer erst bei Abgabe zum Verbrauch entsteht. Die Herstellung, Verarbeitung und der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren in Herstellungsbetrieben und anderen Steuerlagern erfolgt wie der anschließende Versand im innergemeinschaftlichen Warenverkehr unter Steueraussetzung, die erst mit der Abgabe an den Endverbraucher beendet wird. Abweichend hiervon gilt im nichtkommerziellen innergemeinschaftlichen Reiseverkehr das Ursprungslandprinzip, wonach Waren, die private Verbraucher zum eigenen Bedarf aus einem Mitgliedstaat in den anderen Mitgliedstaat überführen, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie erworben werden.5

1 Richtlinie 2003/96/EG v. 27.10.2003, ABl. EU Nr. L 283, 51 v. 31.10.2003; hierzu im Überblick Jatzke in Bongartz, EngieStG, StromStG, EnergieStRL Rz. 14 ff. 2 Richtlinie 2008/118/EG v. 16.12.2008, ABl. EU Nr. 9, 12 v. 14.1.2009 mit Wirkung ab 16.1.2009; hierzu Schröer-Schallenberg/Bongartz, ZfZ 2009, 161 ff. 3 Gesetz zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2150 = BStBl. I 1993, 96. 4 Einzelheiten zum Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz, Rendels, DStR 1993, 114 ff.; Beermann, DStZ 1993, 227 ff., 291 ff. 5 Zu weiteren Einzelheiten Schröer-Schallenberg in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27 Rz. 9 ff.; Schröer-Schallenberg in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, F 30 ff.; Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 274 ff.; Thömmes in Lenz2, 655 ff.

62

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht A. Allgemeines Literatur Adonnino, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, CDFI LXXVIIIb (1993), 131; Bachmann, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, RIW 1993, 322; Mössner/Strobl, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, CDFI LXXVIIIb (1993), 443; van Raad, Non-discrimination in International Tax Law, Deventer 1986.

Es gibt keine allgemeine völkerrechtliche Regel, die in allen Staaten den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verbürgt. Anerkannt ist lediglich ein allgemeines völkerrechtliches Diskriminierungsverbot für den Bereich der elementaren Menschenrechte.1 Es handelt sich hierbei um eine Ausprägung des völkerrechtlichen Fremdenrechts.2 Dieses völkerrechtliche Fremdenrecht gewährt Ausländern lediglich einen Mindeststandard an Rechten, etwa Rechtsfähigkeit, Schutz vor entschädigungsloser Enteignung sowie bestimmte Freiheitsrechte.3 Dieser Mindeststandard schützt aber nicht vor Ungleichbehandlung mit Inländern und damit auch nicht vor steuerlicher Benachteiligung.

4.1

Im Internationalen Steuerrecht wirkende Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote ergeben sich daher allein entweder aus den Normen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts,4 des supranationalen Rechts, insbesondere des EU-Rechts,5 oder aus völkerrechtlichen Verträgen, insbesondere Rechtsschutz- und Rechtshilfeabkommen,6 Doppelbesteuerungsabkommen7 und dem EWRAbkommen.8

4.2

Die vorstehenden Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote haben im internationalen Kontext eine unterschiedliche Reichweite:

4.3

1 Nachweise bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 11. 2 Hierzu der Überblick bei Ipsen, Völkerrecht5, § 50 Rz. 2 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 579. 3 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 580. 4 Etwa aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 5 Etwa aus Art. 18, 45, 49, 56, 63 AEUV. 6 Z.B. Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag mit den USA von 1956, BGBl. II 1956, 487. 7 Z.B. Art. 24 OECD-MA. 8 Vom 2.5.1992, BGBl. I 1993, 266, 1294; Bekanntmachung v. 14.10.1993, BGBl. I 1993, 1666.

63

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

Während Diskriminierungsverbote, etwa die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (z.B. Art. 49 AEUV) und das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 24 OECD-MA), insbesondere die Benachteiligung von Steuerausländern gegenüber Steuerinländern verbieten, schließen sie aber nicht die Bevorzugung des derart geschützten Personenkreises aus. Dem gegenüber wendet sich das Gleichbehandlungsgebot (etwa Art. 3 Abs. 1 GG) gleichermaßen gegen steuerliche Benachteiligung und Bevorzugung, umfasst also sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Privilegierungsverbot. Gleichbehandlungsgebote und Diskriminerungsverbote stehen selbständig nebeneinander, so dass die dem persönlichen Schutzbereich dieser Normen unterstellten natürlichen und juristischen Personen Schutz nach Art der Meistbegünstigung beanspruchen können.1 Für Steuerpflichtige, die der Besteuerung in Deutschland unterliegen, stehen daher der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die EUDiskriminierungsverbote (Art. 18, 45, 49, 56, 63 AEUV), die EWR-Diskriminierungsverbote (Art. 28, 31, 36, 41, 58 EWR-Abkommen), die GATT-Diskriminierungsverbote (Art. III Abs. 1 GATT-Vertrag) und die in Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA) im Vordergrund.

B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes Literatur Arndt, Gleichheit im Steuerrecht, NVwZ 1988, 787; Birk, Gleichheit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1989, 212; Birk, Das Gebot des gleichmäßigen Steuervollzugs und dessen Sanktionierung, StuW 2004, 277; Drüen, Unternehmensbesteuerung und Verfassung im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG, DStR 2010, 513; Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, 99; Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung, DStJG 12 (1989), 3; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Hesse, Der Gleichheitssatz in der neueren Verfassungsentwicklung, AöR 109, 174; Hey, Vollzugsdefizit bei Kapitaleinkommen: Rechtschutzkonsequenzen und Reformoptionen, DB 2004, 724; Hey, Zur Geltung des Gebots der Folgerichtigkeit im Unternehmenssteuerrecht, DStR 2009, 2561; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, Stuttgart 2000; Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, 297; Kirchhof, Die freiheitsrechtliche Struktur der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 3; Klein, Gleichheitssatz im Steuerrecht, Köln 1966; Kruse, Über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1990, 332; Lang, Die gleichheitsrechtliche Verwirklichung der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 22; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung, in Spindler/Tipke/ Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 45; Maaß, Die neuere Rechtsprechung des BFH zum allgemeinen Gleichheitssatz – 1 Weitere spezielle Diskriminierungsverbote ergeben sich aus Art. 13 und 14 GATT, Art. 4 EGKS-Vertrag sowie aus Handelsabkommen.

64

B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes ein Neuansatz?, NVwZ 1988, 14; Matteotti, Steuergerechtigkeit und Rechtsfortbildung, Bern 2007; Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, Heidelberg/Löwen 1972; Pezzer, Gleichmäßiger Gesetzesvollzug in der Steuerrechtsordnung, StuW 2007, 101; Rodi, Faktische Nichtbesteuerung und Gleichheitssatz, NJW 1990, 3246; Sachs, Die Auswirkungen des allgemeinen Gleichheitssatzes auf das Steuerrecht in der Rechtsprechung des BVerfG, StVj 1994, 75; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863; Spindler, Der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht im Zusammenwirken für ein verfassungskonformes Steuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 169; Stoll, Das Sachgesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Gleichheitssatzes, ÖStZ 1989, 188; Tipke, Anwendung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht – Methode oder irrationale Spekulation –, BB 1973, 157; Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, Köln 1981; Tipke., Über Steuerreform und Steuergerechtigkeit, in Fürst/Herzog/Umbach (Hrsg.), FS für Zeidler I, Berlin/New York 1987, 717; Tipke, Die Methode der Anwendung des Gleichheitssatzes unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, in Doralt/Gassner/Lechner/Ruppe/Tanzer/ Werndl (Hrsg.), Steuern im Rechtsstaat, FS für Stoll, Wien 1990, 229; Tipke, Vom Konglomerat herkömmlicher Steuern zum System gerechter Steuern, BB 1994, 437; Tipke, Steuerrechtsprechung/Steuergesetz/Steuerreform, in Kirchhof/Jakob/ Beermann (Hrsg.), Über Deklarieren und Verifizieren, FS für Offerhaus, Köln 1999, 819; Tipke, Steuergerechtigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Folgerichtigkeitsgebots, StuW 2007, 201; Tipke, Mehr oder weniger Entscheidungsspielraum für den Steuergesetzgeber?, JZ 2009, 533; Vogel, Der ausländische Aktionär in den Gesetzentwürfen zur Körperschaftsteuerreform, München 1973, 24; Vogel, Der Verlust des Rechtsgedankens im Steuerrecht, DStJG 12 (1989), 123; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht/Verfassungsrecht/Finanzpolitik, FS für Klein, Köln 1994, 361; Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, Heidelberg/Hamburg 1980; Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz – Rechtsfragen und Rechtsschutz, Berlin 2000.

In Deutschland bildet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG den zentralen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für Steuergesetze.1 Aus dem generellen Charakter des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, folgt das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

4.4

Der Gleichheitssatz hat in der Rechtsprechung des BVerfG unterschiedliche Interpretation erfahren. Überwiegend wird der Gleichheitssatz als Willkürverbot verstanden. Die „Willkür“-Formel des BVerfG lautet: Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.2 In anderen Entscheidungen entnimmt das BVerfG dem Gleichheitssatz das Gebot der Gerechtigkeit und stellt darauf ab, ob für eine am

4.5

1 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 70; Kirchhof, StuW 1984, 297 ff.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27). 2 Ständige Rechtsprechung des BVerfG; hierzu die Übersicht bei Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 45; zu dieser Rechtsprechung Hesse, AöR 109, 174 ff.; der Rechtspre-

65

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber sie bei einer Regelung beachten muss.1 Schließlich verwendet das BVerfG eine „neue“ Formel, nach der der Gleichheitssatz vor allem dann verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.2

4.6 Den vorstehenden Formeln entspricht eine abgestufte Dichte der verfassungsrechtlichen Prüfung, die sich letztlich an der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Spielraums orientiert. Hieraus folgt: Bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, wendet das BVerfG die „neue Formel“ an.3 Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, kommt nur die Willkürformel in Betracht.4

4.7 Unabhängig von der Verwendung der einen oder anderen Formel, gesteht das BVerfG dem Gesetzgeber stets eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu, die sich u.a. auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen dürfe.5 Darüber hinaus räumt das BVerfG dem Gesetzgeber das Recht ein, sich bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen zu bedienen.6 Damit hat der Gesetzgeber zwar insbesondere bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum,7 einmal getroffene Belastungsentscheidungen sind

1

2

3 4 5 6 7

chung des BVerfG folgt auch der BFH z.B. BFH v. 12.12.1990 – I R 43/89, BStBl. II 1991, 427; v. 15.1.1993 – VI R 32/92, BStBl. II 1993, 356. Zu dieser „Gerechtigkeits“-Formel die Entscheidungsübersicht bei Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 73; zur Kritik Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 42, der darauf hinweist, dass Gerechtigkeit nicht aus dem Gleichheitssatz folge, sondern umgekehrt der Gleichheitssatz einen Ausfluss der Gerechtigkeit darstelle. Diese „neue“ Formel wird verwendet seit BVerfG v. 7.10.1980 – 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 (88); hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 73; zu dieser „neuen“ Formel im Einzelnen Maaß, NVwZ 1988, 14 ff.; der BFH verwendet diese neue Formel ebenfalls, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. BVerfG v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87 (96 f.); weitere Rechtsprechungsnachweise bei Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 73. Hierzu BVerfG v. 8.6.1993 – 1 BvL 20/85, BStBl. II 1994, 59. Z.B. BVerfG v. 29.11.1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BStBl. II 1990, 479; ihm folgend der BFH, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. BVerfG v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (226 f.); auch hier folgt der BFH, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136), 165 (172); v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30 f.).

66

B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes

dann aber folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen.1 Dieses Folgerichtigkeitsgebot bedeutet, dass vom Gesetzgeber selbst gesetzte Wertungen und Sachgesetzlichkeiten system- und wertungskonsequent normativ vollzogen werden müssen.2 Zu dieser System- und Wertungskonsequenz gehört auch die Ableitung von Folgeprinzipien aus Primärprinzipien, etwa des Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip.3 Die Besteuerungsgleichheit hat als ihre Komponenten die an den (deutschen) Gesetzgeber4 gerichtete Pflicht zur Rechtsetzungsgleicheit sowie die – insbesondere die Finanzverwaltung betreffende – Pflicht zur Rechtsanwendungsgleichheit.5 Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz stets in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.6

4.8

Der dem Gesetzgeber bis in die 1980er Jahre vom BVerfG eingeräumte weite Gestaltungsspielraum7 hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Gleichheitssatz zum Formalprinzip entwertet und seiner Korrektivfunktion weitgehend entkleidet wurde.8 Er hatte insbesondere den Steuergesetzgeber aus der Disziplin entlassen, Steuergesetze aufgrund einer einheitlichen systematischen Konzeption möglichst frei von Wertungswidersprüchen zu schaffen. Die in der Vergangenheit auf der formal-rechtsstaatlichen Gewaltenteilung beruhende richterliche Zurückhaltung (judicial self-restraint) verliert insbesondere dann ihre Legitimation, wenn der Gesetzgeber die der Gerechtigkeitsfunktion des Gleichheitssatzes dienende System- und Wertungskonsequenz durchbricht.9 In diesem Fall ist das BVerfG zu einem judikativen Eingriff (judicial activism) aufgerufen, den es in zunehmendem Maße vornimmt.10 Hierbei sind eine Ausrichtung am Leistungsfähigkeits-

4.9

1 Zu dieser zweistufigen Prüfung des Gleichheitssatzes Hey, DStR 2009, 2561 (2562 ff.). 2 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (231); ferner Kirchhof, StuW 2006, 14 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Tipke, StuW 2007, 201 (205 ff.). 3 Von Tipke, JZ 2009, 533 (535) als vertikale Folgerichtigkeit bezeichnet. 4 Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG in den Grenzen der jeweiligen Steuergesetzgebungskompetenz, so dass unterschiedliche Regelsteuersätze den Gleichheitssatz nicht verletzen; hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 80. 5 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 70 ff.; Spindler in FS Schaumburg, 169 (175 f.). 6 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 (665); v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112 ff.); hierzu Tipke in FS Offerhaus, 819 ff.; Birk, StuW 2004, 277; Hey, DB 2004, 724 ff.; Pezzer, StuW 2007, 101 ff. 7 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 74; Tipke, JZ 2009, 533 (533 f.); Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27); Schoch, DVBl. 1988, 863 (881 f.). 8 Kruse, Steuerrecht, Bd. I, 45 f.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27); Tipke in FS Zeidler I, 717 (731). 9 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 74 f. 10 So eindrucksvoll geschehen durch die beiden Beschlüsse des BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 165 ff. zur VSt und ErbSt und zuletzt durch den Erbschaftsteuerbeschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117,

67

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote prinzip1 als dem für Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblichen Vergleichsmaßstab2 und eine Einengung der gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume, die eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur in Ausnahmefällen zulässt,3 erforderlich. Dies gilt nicht nur für den Binnenbereich einzelner Steuergesetze, nicht nur für einzelne Normen und Normenkomplexe, sondern auch für Steuergesetze in ihrer Gesamtheit, und zwar auch insoweit, als die betreffenden Steuern in Art. 106 GG genannt sind.4 Das steuerrechtliche Gleichheitsgebot lautet daher: Steuerpflichtige, die gleich leistungsfähig sind, müssen gleich hohe Steuern zahlen (horizontale Gleichheit). Steuerpflichtige, die unterschiedlich leistungsfähig sind, müssen, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit, unterschiedlich hohe Steuern zahlen (vertikale Gleichheit).

4.10 Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als systemtragendes Gleichheitsgebot5 erlangt im Internationalen Steuerrecht besondere Bedeutung.6 Der Steuergesetzgeber hat sich gerade bei den Normen des Außensteuerrechts und des Doppelbesteuerungsrechts von wirtschaftspolitischen Erwägungen leiten lassen, so dass das Normengefüge des Internationalen Steuerrechts nicht nur aus am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Finanzzwecknormen, sondern auch aus wirtschaftslenkenden Normen besteht, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechen.7 Die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips

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1 ff. und das Urteil zur Pendlerpauschale v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 123, 211 ff. Fähigkeit, Steuerleistungen erbringen zu können (Zahlungsfähigkeit); hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 479 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 81 ff. Im Grundsatz wird das Leistungsfähigkeitsprinzip vom BVerfG als Verfassungsprinzip anerkannt; z.B. BVerfG v. 23.11.1976 – 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120); v. 11.10.1977 – 1 BvR 343/73, 1 BvR 83/74, 1 BvR 183/75, 1 BvR 428/75, BVerfGE 47, 1 (29); v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, 319 (343 f.); v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (222 ff.); v. 4.10.1984 – 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290 (296 ff.); v. 17.10.1984 – 1 BvR 527/80, 1 BvR 528/81, 1 BvR 441/82, BVerfGE 68, 143 (152 f.); v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287 (310); v. 10.2.1987 – 1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182 (199 f.); v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (269 ff.); v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125); v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46 f.); v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 211 (231). Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 329 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 79, 124 ff. Zu weiteren Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 298 ff.; 201 ff.; 483 ff.; Tipke, BB 1994, 437 ff.; Tipke, StuW 2007, 207 f. So die treffende Formulierung von Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (28). Hierzu Vogel in FS Klein, 361 (364 ff.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (128 ff.) Lang in FS Schaumburg, 45 ff. Hierzu Elschen, StuW 1991, 99 (112).

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B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes

durch Lenkungsnormen1 im Internationalen Steuerrecht hat die Rechtsprechung allerdings durchweg nicht als einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG betrachtet.2 Auch die kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen (Rz. 2.3 ff.) sind am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen. Die bestehenden Besteuerungsunterschiede zwischen unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits, insbesondere die nur eingeschränkte Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, sind seitens der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG indessen nicht als willkürlich angesehen worden.3 Schließlich haben sich auch die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gegenüber dem Leistungsfähigkeitsprinzip als systemtragendem Gleichheitsgebot zu legitimieren. Das gilt umso mehr, als die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht bloße Klugheitsregeln sind. Sie sind vielmehr die Kehrseite der mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarenden Besteuerung des Welteinkommens/-vermögens (Rz. 5.53 ff.) und entsprechen damit selbst dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Rz. 14.8 ff.). Die Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes ist freilich begrenzt. Grundrechtsträger sind nach Art. 3 Abs. 1 GG zwar alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf ihre Ansässigkeit und ihre Staatsangehörigkeit,4 gem. Art. 19 Abs. 3 GG können aber nur inländische juristische Personen, also solche, die nach deutschem Recht errichtet worden sind, Grundrechtsschutz beanspruchen.5 Zu den Normadressaten des Art. 3 Abs. 1 GG gehören daher nicht nach ausländischem Recht errichtete juristische Personen,6 für sie besteht insoweit ein Grundrechtsdefizit, das lediglich durch die Diskriminierungsverbote des AEUV und der Doppelbesteuerungsabkommen ausgeglichen werden kann mit der Folge, dass 1 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 336 ff., 525. 2 So BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136 zu dem von ihm als Lenkungsnorm eingestuften § 2a EStG, der ein partielles Verlustausgleichsverbot enthält und damit das sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebende Nettoprinzip durchbricht; im Einzelnen hierzu Rz. 5.76 f. 3 Ständige Rechtsprechung des BFH, s. BFH v. 11.8.1961 – VI 30/60 U, BStBl. III 1961, 486; v. 13.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; ebenso BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1. 4 BVerfG v. 14.2.1968 – 1 BvR 628/66, BVerfGE 23, 98 (104); v. 23.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392 (412); v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BStBl. II 1977, 190; Osterloh in Sachs5, Art. 3 GG Rz. 69. 5 BVerfG v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 (208 f.); v. 19.3.1968 – 1 BvR 554/65, BVerfGE 23, 229 (236); zu Einzelheiten Sachs in Sachs5, Art. 19 GG Rz. 57 ff. 6 Ein objektiv-verfassungsrechtliches Verbot sachlich nicht begründeter Ungleichbehandlung aufgrund des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips auch für ausländische juristische Personen postuliert Vogel, Der ausländische Aktionär in den Gesetzentwürfen zur Körperschaftsteuerreform, 24 f.; Vogel, DStJG 12 (1989), 123 (141).

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4.11

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

etwa in anderen EU-Staaten ansässige Kapitalgesellschaften trotz der Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG Verfassungsbeschwerde erheben können.1 Schließlich endet die steuerliche Gleichmäßigkeit an der Grenze der für die Gesetzgebung zuständigen Gebietskörperschaften,2 so dass der allgemeine Gleichheitssatz nicht dadurch verletzt werden kann, dass Bürger in ausländischen Staaten höhere oder niedrigere Steuern zahlen als Bürger in Deutschland. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermag daher nur eine begrenzte Wirkkraft zu erzeugen.

C. EU-Diskriminierungsverbote Literatur Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnemarkt, Baden-Baden 1997; Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten des EWG-Vertrages, EuR 1992, 145; Bode, Diskriminierungsverbote im Vertrag über die EWG, Göttingen 1968; Canenbley, Das Diskriminierungsverbot in den Wettbewerbsregeln des Vertrags zur Begründung der EWG, Berlin 1970; Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6; Cordewener/Kofler/Schindler, Free Movement of Capital, Third Country Relationships and National Tax Law: An Emerging Issue bevor the EJC, ET 2007, 107, 371; Dautzenberg, Der Vertrag von Maastricht, das neue Grundrecht auf allgemeine Freizügigkeit und die beschränkte Steuerpflicht der natürlichen Personen, BB 1993, 1563; Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin 2003; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, Tübingen 2008; Everling, Das Niederlassungsrecht im gemeinsamen Markt, Berlin/Frankfurt 1963; Fontana, Direct Investments and Third Countries, ET 2007, 431; Füller, Grundlagen und inhaltiche Reichweite der Warenverkehrsfreiheiten nach dem EG-Vertrag, Baden-Baden 1999; Hahn, Erläuterungen und legislatorische Überlegungen zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Cadbury Schweppes, DStZ 2007, 201; Hüttemann/Helios, Gemeinnützige Zweckverfolgung im Ausland nach der „Stauffer“-Entscheidung des EuGH, DB 2006, 2481; Jachmann, Die Entscheidung des EuGH im Fall Stauffer – Nationale Gemeinnützigkeit in Europa, BB 2006, 2607; Jarass, Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1993, 1; Jarass, EU-Grundrechte, München 2005; Kaefer/Saß, Beschränkte Steuerpflicht und Diskriminierungsverbot im Licht des EuGH-Urteils vom 14.2.1995, DB 1995, 642; Knobbe-Keuk, Freizügigkeit und direkte Besteuerung, EuZW 1995, 167; König, Das Problem der Inländerdiskriminierung, AöR 1993, 591; Kramer, Beschränkte Steuerpflicht und Europarecht, RIW 1996, 951; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkommensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, Wien 2000; Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, München 2002; Müller, Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union, Berlin 2000; Nowack, Vereinbarkeit der Vorschriften über die Besteuerung beschränkt 1 Von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Art. 12 EG Rz. 48; Sachs5, Art. 19 GG Rz. 55. 2 BVerfG v. 25.2.1960 – 1 BvL 8/55, BVerfGE 10, 340 (372); v. 2.5.1961 – 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319 (324); v. 14.4.1964 – 2 BvR 69/62, BVerfGE 17, 319 (331); v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54 (68); v. 29.10.1969 – 1 BvR 65/68, BVerfGE 27, 175 (179); v. 23.2.1972 – 2 BvL 36/71, BVerfGE 32, 346 (460).

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C. EU-Diskriminierungsverbote Steuerpflichtiger mit den Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages, Herne/ Berlin 1994; Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Berlin/ Heidelberg 2002; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, München 1993; Richter, Die französische Wegzugsbesteuerung auf dem EuGH-Prüfstand, IStR 2003, 157; Roth, Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, Köln 1997, 729; Saß, Gleichbehandlung von beschränkt Steuerpflichtigen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, StuW 1988, 362; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, 1129; Schaumburg, Zuzug von Unternehmen, DK 2005, 347; Schaumburg/ Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schön, Die beschränkte Steuerpflicht zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, IStR 1995, 119; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, Köln 1997, 743; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/ 2004, 27; Schön, Aktuelle Fragen zum Europäischen Gesellschafts- und Steuerrecht, JbFSt 2008/2009, 29; Thömmes, Tatbestandsmäßigkeit und Rechtfertigung steuerlicher Diskriminierungen nach EG-Recht, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, Köln 1997, 795; Wiebe, Das Verbot der Erhebung von Abgabenzoll gleicher Wirkungen in Abgrenzung zu anderen Regelungen des EG-Vertrags, Frankfurt/M. 1999.

I. Allgemeines Diskriminierungsverbot und Freizügigkeitsrecht Der AEUV verbietet jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV).1 Unter dieses allgemeine Diskriminierungsverbot fallen auch sog. versteckte Diskriminierungen, bei denen benachteiligende Regelungen zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, die betreffenden Tatbestände jedoch ausschließlich oder regelmäßig nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt werden.2 Das EUDiskriminierungsverbot gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen, insbesondere für nach dem Recht eines Mitgliedstaates errichtete Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung3 oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der EU haben (Art. 54, 62 AEUV).4 1 Im Sinne von „Staatszugehörigkeit“, so dass neben natürlichen Personen auch juristische Personen erfasst werden; so EuGH v. 10.2.1994 – Rs. C-398/92 – Hatrex, EuGHE 1994, I-474; v. 26.9.1996 – Rs. C-43/95 – Data Celecta, EuGHE 1996, I-4661; a.A. noch BFH v. 31.10.1990 – II R 176/87, BStBl. II 1991, 161 und OLG Düsseldorf v. 10.2.1993 – 15 U 146/92, EuZW 1993, 326. 2 EuGH v. 12.2.1974 – Rs. 152/73 – Sotgin, EuGHE 1974, 153 (161 ff.); v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, EuGHE 1991, I-1779 ff.; v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, EuGHE 1993, I-4017 ff.; ferner von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Art. 6 EG Rz. 12 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 118 ff.; 143 ff. 3 Im Sinne eines Ortes der Geschäftsleitung (§ 10 AO); hierzu Saß, StuW 1988, 362 (363). 4 EuGH v. 20.10.1993 – Rs. C-272/92 – Spolti, EuGHE 1993, I-5185 ff.; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, EuGHE 1997, I-2471 ff.; von Bog-

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4.12

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

4.13 Das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV) ist eine besondere Ausformung des zu den Grundprinzipien des Unionsrechts zählenden allgemeinen Gleichheitssatzes. In seinem Anwendungsbereich wird Art. 18 Abs. 1 AEUV allerdings durch die speziell geregelten europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verdrängt,1 so dass Art. 18 AEUV keine besondere Bedeutung erlangt.2 Im Übrigen werden ohnehin rein innerstaatliche Sachverhalte nicht durch das europarechtliche Diskriminierungsverbot geschützt.3 Diesen Schutz vermögen nur die Verfassungen der Mitgliedstaaten selbst zu leisten (z.B. Art. 3 Abs. 1 GG), wodurch eine unmittelbare Verknüpfung von europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten bewirkt wird. Daher gilt: Normen des nationalen Steuerrechts, die dem EUDiskriminierungsverbot in dem Sinne entsprechen, dass sie die übrigen Unionsbürger den inländischen Staatsangehörigen für Zwecke der Besteuerung gleichstellen, entfalten über Art. 3 Abs. 1 GG, der ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit wirkt,4 eine Drittwirkung zugunsten von Staatsangehörigen anderer Staaten.5 So verstößt etwa § 1a EStG, der bestimmte familienstandsbezogene Steuerermäßigungen nur Unionsbürgern und Staatsangehörigen von EWR-Staaten6 einräumt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 5.51).

4.14 Über das in Art. 18 Abs. 1 AEUV verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot hinaus enthält Art. 21 AEUV auch ein allgemeines Freizügigkeitsrecht, das gegenüber allen Mitgliedstaaten nicht nur als bloßes Diskriminierungsverbot,7 sondern auch als unmittelbar geltendes Beschränkungsverbot wirkt, so dass es sich gleichermaßen an den Bestimmungs- und Herkunftsstaat richtet.8 Hiernach hat jeder Unionsbür-

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dandy in Grabitz/Hilf, Art. 6 EG Rz. 32; zu Einzelheiten Bleckmann, Europarecht6, 1730 ff. EuGH v. 10.12.1991 – Rs. C-179/90 – Genova, EuGHE 1991, I-5889; v. 14.7.1994 – Rs. C-279/92 – Peralta, EuGHE 1994, I-3453 ff.; v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton; EuGHE 1994, I-1137 ff., v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 ff.; v. 12.7.2005 – Rs. C-403/03 – Schempp, EuGHE 2005, I-6421 ff. Cordewener, DStR 2004, 6 (9). EuGH v. 24.10.1978 – Rs. 15/78 – Koestler, EuGHE 1978, 1971 ff.; v. 6.11.1984 – Rs. 182/83 – Tearon, EuGHE 1984, 3677 ff.; v. 26.1.1993 – Rs. C-112/91 – Werner, EuGHE 1993, I-463; zu weiteren Einzelheiten von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Art. 6 EG Rz. 54; zum Problem der Inländerdiskriminierung König, AöR 1993, 591 ff. BVerfG v. 14.2.1968 – 1 BvR 628/66, BVerfGE 23, 98 (104); BVerfG v. 23.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 409 (412); BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BStBl. II 1977, 190. Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (232); Schaumburg, DB 2005, 1129 (1134); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (262 f.); a.A. die h.L. z.B. Schön, IStR 1995, 119 (123 f.); Knobbe-Keuk, EuZW 1995, 167 (168); Kaefer/Saß, DB 1995, 642 (648). Zu EWR-Diskriminierungsverboten Rz. 4.41 ff. Jarass, RIW 1993, 1 (5); Dautzenberg, BB 1993, 1563 (1565 f.). Zu Einzelheiten Dautzenberg, BB 1993, 1563 (1565 f.); Richter, IStR 2003, 157 (159).

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C. EU-Diskriminierungsverbote

ger1 das Recht, sich innerhalb des Unionsgebietes frei zu bewegen und aufzuhalten. Art. 21 AEUV stellt das Bewegungs- und Aufenthaltsrecht jedoch unter weitgehenden Vorbehalt: Jede andere Vorschrift des AEUV sowie entsprechende Bestimmungen in einer Verordnung oder Richtlinie gehen vor. Angesprochen sind hiermit insbesondere die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, die den wirtschaftlich motivierten Aufenthalt betreffen. Art. 21 AEUV regelt damit im Ergebnis den privat motivierten Aufenthalt in dem Sinne, dass es jedem Mitgliedstaat verboten ist, die Einreise und den Verbleib eines Unionsbürgers zu erschweren und die Ausreise eines eigenen Bürgers in einen anderen Staat zu behindern.2 Im Hinblick auf die vorrangig zur Anwendung kommenden europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten hat Art. 21 AEUV im Bereich des Steuerrechts nur eine begrenzte Reichweite.3

II. Grundfreiheiten 1. Bedeutung Die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, von denen für den Bereich der indirekten Steuern die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) und für den Bereich der direkten Steuern die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) Bedeutung haben, verlangen unter dem Gesichtspunkt der Inländergleichbehandlung,4 dass jeder ausländische EU-Bürger im Ergebnis wie ein inländischer Staatsbürger behandelt wird.5 Die Kehrseite dieses Gleichbehandlungsgebots sind die normativ verankerten allgemeinen und speziellen Diskriminierungsverbote,6 die zum zentralen Orientierungspunkt in der Rechtsprechung des EuGH geworden sind, soweit es um die steuerliche Benachteiligung von EU-Steuerausländern geht. Da die Normen des deutschen Steuerrechts indessen nur ausnahmsweise an die Staatsangehörigkeit anknüpfen,7 stehen sog. versteckte Diskriminierungen8 im Vordergrund, durch die insbesondere im EU-Ausland ansässi1 Gemäß Art. 13 EUV und Art. 282 Abs. 1 AEUV sind nur natürliche Personen gemeint. 2 Dautzenberg, BB 1993, 1563 (1565). 3 Hierzu die Aufzählung bei Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragsteuerrecht, 62 f. 4 Es wird auch der Begriff der „Inländerbehandlung“ verwendet; gemeint ist die Gleichbehandlung mit Inländern. 5 Hierzu Streinz, Art. 12 EGV, Rz. 43; Khan in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rz. 7 ff. 6 Art. 18 Abs. 1 AEUV einerseits und die Grundfreiheiten andererseits; zur Abgrenzung Streinz, § 12 EGV Rz. 14 ff. 7 Z.B. § 2 Abs. 1 AStG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG. 8 Seit EuGH v. 16.2.1978 – Rs. C-61/77 – Seefischerei, EuGHE 1978, 417 f.; vgl. zum Steuerrecht z.B. EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-249; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, EuGHE 1996, I-3113.

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4.15

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

ge natürliche und juristische Personen betroffen sind.1 Diese durch den EuGH bereits frühzeitig eingeleitete dynamische Erweiterung des Diskriminierungsverbots2 führt letztlich dazu, dass all jene Normen des deutschen Außensteuerrechts einer Verwerfung ausgesetzt sind, die eine Benachteiligung beschränkt steuerpflichtiger natürlicher und juristischer Personen gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen verankern.3

4.16 Aus den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten hat der EuGH über das eigentliche Diskriminierungsverbot hinaus ein Beschränkungsverbot4 dahingehend entwickelt,5 dass auch Inländer unter die Schutzwirkung der Grundfreiheiten fallen, soweit sie grenzüberschreitend oder im EUAusland tätig sind.6 Freilich hat sich in den letzten Jahren auf Grund veränderter Erkenntnisentwicklung die Terminologie geändert: Es geht eigentlich nicht um die Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit grenzüberschreitender oder ausländischer Tätigkeiten inländischer Steuersubjekte,7 sondern um die Diskriminierung grenzüberschreitender und ausländischer Aktivitäten von Inländern im Vergleich zu rein inländischen Aktivitäten derselben.8 2. Zielrichtung und Schutzbereich

4.17 Die vier im AEUV verankerten Grundfreiheiten sind die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV), die Personenfreizügigkeit, und zwar die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). Die vorgenannten Grundfreiheiten sollen nach ihrer Zielrichtung einen freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen, von Personen und Kapital über die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten hinweg gewährleisten. Damit errichten sie eine Schrankenwirkung gegenüber nationalen Vorschriften, soweit diese z.B.

1 Weiterführend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 118 ff. 2 Hierzu Kokott in Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 1 ff. 3 Schön, IStR 1995, 119 (120 f.); Kramer, RIW 1996, 951 (954). 4 Das gilt nicht für Art. 18 AEUV; vgl. Streinz, Art. 12 EGV, Rz. 52. 5 Nur beispielhaft: EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11838 zur Arbeitnehmerfreizügigkeit; v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, EuGHE 2000, I-2805 zur Niederlassungsfreiheit; v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4113 zur Kapitalverkehrsfreiheit; zu dieser Entwicklung Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 104 ff. 6 Hierzu der Überblick bei Kokott in Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 1 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 288 ff. 7 So z.B. EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, 5483 (5510). 8 EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 227 ff.; Schön, StbJb 2003/2004, 27 (31).

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C. EU-Diskriminierungsverbote

den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindern.1 Geschützt wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Tätigkeit, wobei der Schutzbereich allerdings sehr weit gezogen ist. Damit können sich etwa auch gemeinnützige Körperschaften auf die Grundfreiheiten berufen, obwohl ihre Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielungsabsicht beruht und soweit es sich bloß um Vermögensanlagen handelt.2 Der Schutzbereich der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten erfasst im Wesentlichen die wirtschaftliche Tätigkeit von EU-Staatsangehörigen.3 Voraussetzung ist, dass die vorgenannten Unionsbürger auch innerhalb der EU einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl. Art. 45, 56 AEUV). In den Schutzbereich der Grundfreiheiten werden schließlich auch nach dem Recht eines Mitgliedstaates errichtete juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften einbezogen, soweit sie innerhalb der EU ihren Sitz (Satzungssitz) oder ihren Ort der Geschäftsleitung (Hauptverwaltung, Hauptniederlassung) haben (vgl. Art. 54, 61 AEUV) und darüber hinaus auch nicht rechtsfähige Gesellschaften unter den vorgenannten Voraussetzungen.4 Die Grundfreiheiten können auch von Staatsangehörigen der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) in Anspruch genommen werden. Dies beruht auf dem zwischen der EU und deren Mitgliedstaaten einerseits und den (früheren) EFTA-Vertragsparteien andererseits auf der Grundlage des Art. 310 EG-Vertrag (heute: 217 AEUV) abgeschlossenen und zum 1.1.1994 in Kraft getretenen Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen).5 Durch diesen Vertrag ist geregelt, dass die Grundfreiheiten des AEUV auch zwischen den EWR-Vertragsparteien gelten (Rz. 4.41 ff). Angehörige von Drittstaaten haben somit grundsätzlich keinen Zugang zu dem von den Grundfreiheiten ausgehenden Schutzbereich.6 Etwas anderes gilt allerdings für die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), auf die sich ausnahmsweise auch Angehörige von Drittstaaten berufen können (Rz. 4.37).

4.18

Zur Einhaltung der Grundfreiheiten sind in erster Linie die Mitgliedstaaten verpflichtet, so dass etwa in Deutschland die Grundfreiheiten für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gleichermaßen verbindlich sind (Rz. 3.38 ff.). Darüber hinaus werden aber Körperschaften, Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechts sowie unter bestimmten Vo-

4.19

1 Hierzu Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 23 Rz. 4 ff. 2 EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203; hierzu Hüttemann/Helios, DB 2006, 2481 ff.; Jachmann, BB 2006, 2607 ff. 3 Vgl. etwa Art. 49 Abs. 1 AEUV für die Niederlassungsfreiheit und Art. 56 Abs. 1 AEUV für die Dienstleistungsfreiheit; hierzu auch EuGH v. 12.7.2005 – Rs. C-403/03 – Schempp, EuGHE 2005, I-6435. 4 Vgl. Art. 54 Abs. 2 AEUV; hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 29 Rz. 11 ff. 5 ABl. EG Nr. L 1 v. 3.1.1994. 6 Das gilt auch für Staatsangehörige von Drittstaaten, die mit der EU Assoziierungsabkommen abgeschlossen haben; Besonderheiten gelten allerdings im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, hierzu Rz. 4.27.

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Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

raussetzungen insbesondere im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) auch private Rechtssubjekte verpflichtet (Drittwirkung der Grundfreiheiten).1

4.20 Die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten überschneiden sich in ihrem Anwendungsbereich, ohne dass die eine Grundfreiheit Anwendungsvorrang vor der anderen hat,2 so dass in aller Regel der Verstoß gegen eine der Grundfreiheiten ausreicht, um die betreffende nationale Regelung rechtswidrig werden zu lassen.3 Es bedarf dennoch einer Differenzierung, soweit die Reichweite der von den Grundfreiheiten ausgehenden Schutzwirkungen unterschiedlich ausgeprägt ist. Angesprochen ist damit im Wesentlichen das Verhältnis von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit einerseits und Kapitalverkehrsfreiheit andererseits. Ist hiernach die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit eine zwangsläufige Folge der Beschränkung der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit, weil der Gegenstand der beschränkenden Vorschrift in der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit besteht, tritt die Kapitalverkehrsfreiheit zurück.4 Abzustellen ist also stets auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung und nicht etwa auf den konkreten Sachverhalt.5 Knüpft daher etwa eine Regelung an den Einfluss eines Gesellschafters auf eine Gesellschaft an, etwa weil tatbestandlich eine mehrheitliche Beteiligung oder eine solche von 25 v.H. verlangt wird, verdrängt Art. 49 AEUV die den Kapitalverkehr mit Drittstaaten schützende Regelung des Art. 63 AEUV.6 So weit die vorgenannten Voraussetzungen 1 EuGH v. 15.12.1995 – Rs. C-415/93 – Bosman, EuGHE 1995, I-4921; v. 6.6.2000 – Rs. C-281/98 – Angonese, EuGHE 2009, I-4139; v. 11.12.2007 – Rs. C-438/05 – ITF, EuGHE 2007, I-10806; zu weiteren Einzelheiten zur Drittwirkung bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit Wöler/Grill in von der Groeben/Schwarze, Art. 39 EG Rz. 16 ff. 2 Schön in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 743 (749 ff.); Sedlaczek in Lechner/ Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 25 (46); M. Lang in Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 181 (188); Müller, Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union, 192 f. 3 EuGH v. 18.11.1999 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10847; zur Konvergenz der Grundfreiheiten Behrens, EuR 1992, 145 ff.; Roth in Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 729 (740 f.); Jarass, EuR 2000, 705 (706); vgl. ferner die Übersicht bei Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragsteuerrecht, 174 ff. 4 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten-van der Heijden, EuGHE 2006, I-1981; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7959; v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz, EuGHE 2006, I-9521; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107; v. 10.5.2007 – Rs. C-492/04 – Lasertec, EuGHE 2007, I-3775. 5 EuGH v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4054 ff. Rz. 22; v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 – Glaxo Wellcome, IStR 2009, 691; vgl. auch BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; v. 26.11.2008 – I R 7/08, BFH/NV 2009, 849; v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854; a.A. BMF, Schr. v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 302; Hahn, DStZ 2007, 201 (242). 6 EuGH v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4054, Rz. 23; v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, IStR 2008, 107.

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C. EU-Diskriminierungsverbote

nicht erfüllt sind, die betreffende Norm z.B. nicht auf Beziehungen einer Unternehmensgruppe abzielt, wird Art. 63 AEUV nicht von der Niederlassungsfreiheit überlagert und verdrängt, so dass Art. 63 AEUV Schutz auf für Drittstaateninvestitionen gewährt.1 Da insbesondere die Niederlassungsfreiheit nur in EU-/EWR-Fällen zur Anwendung kommt, führt deren Vorrang vor der Kapitalverkehrsfreiheit dazu, dass insoweit in Drittstaatenfällen der Schutz versagt bleibt.2 3. Rechtfertigungsgründe für Eingriffe Ob ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten gegeben ist, prüft der EuGH in der Regel auf drei unterschiedlichen Ebenen, und zwar auf der Tatbestandsebene, der Rechtfertigungsebene und auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit.3 Auf der Tatbestandsebene geht es darum, ob die betreffenden Normen gegen das Diskriminierungsverbot oder gegen das Beschränkungsverbot verstoßen. Wenn das der Fall ist, wird auf der Rechtfertigungsebene geprüft, ob dieser Verstoß gerechtfertigt ist oder nicht. Im Wesentlichen geht es hierbei um Rechtfertigungsgründe, die sich nicht unmittelbar aus dem AEUV ergeben, sondern auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen beruhen. Im Hinblick darauf gibt es bis heute keine allgemein gültige Dogmatik, auf Grund derer Verstöße gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten als gerechtfertigt angesehen werden können.4 Die sog. Gebhard-Formel5 hat zwar als Rechtfertigungserfordernisse insbesondere das zwingende Allgemeininteresse sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit zugelassen, im Bereich des Steuerrechts hat sich aber im Hinblick auf die spezifischen Erfordernisse in Orientierung an die Gebhard-Formel ein eigenständiges Rechtfertigungskonzept entwickelt, das sich in einen Negativ- und in einen Positiv-Katalog6 aufteilen lässt.7 Zunächst zum Positiv-Katalog:8

1 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – ACT Group, EuGHE 2006, I-11673; v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – FII Group, EuGHE 2006, I-11814; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4054. 2 Zur Kritik hieran Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 107 (113 f.), Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007, 371 (372 ff.), Fontana, ET 2007, 431 (435); Schön, JbFSt 2008/2009, 29 (72 f.). 3 Zu dieser Dreistufenprüfung Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 76 ff. 4 Hierzu Cordewener, DStR 2004, 6 (8). 5 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-95/94 – Gebhard, EuGHE 1995, I-4165 (4197). 6 Hierzu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 931 ff. 7 Hierzu Thömmes in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 795 (818 ff.); Reimer in Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 39 (59 ff.); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 926 ff. 8 Hierzu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 926 ff.; im Überblick Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 77 ff.; WeberGrellet, Europäisches Steuerrecht, 53 ff.; ferner Schaumburg, DB 2005, 1129 (1133 f.).

77

4.21

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

– Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten;1 – Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung/-missbrauch, wobei missbräuchliche Gestaltungen nur solche sind, die rein künstlich sind und jeder wirtschaftlichen Realität entbehren und nur dem Zweck dienen, Steuern zu sparen;2 – steuerliche Kontrolle im Sinne der Sicherstellung der nationalen Besteuerung;3 – Verhinderung steuermindernder Doppelentlastungen;4 – Kohärenz5 des Steuersystems.6 Zu den nicht anerkannten Rechtfertigungsgründen gehören (Negativ-Katalog): – Fehlende Harmonisierung;7 – Steuermindereinnahmen;8 – mangelnde Sachaufklärung;9 – Vorteilsausgleich, wonach ein in einem Mitgliedstaat gewährter Steuervorteil dem anderen Mitgliedstaat nicht das Recht zu einer Höherbesteuerung gibt;10 1 Z.B. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 ff.; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647. 2 Z.B. EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2431 ff.; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647. 3 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Singer, EuGHE 1997, I-2492 ff.; v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203 ff. 4 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647; v. 15.5.2008 C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601. 5 Systematischer Zusammenhang verschiedener Regelungen, die in einer Wechselwirkung stehen; zu Einzelheiten Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 958 ff. 6 Z.B. EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4113 ff.; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, EuGHE 2003, I-9430 ff.; v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7498 ff. 7 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Avoir Fiscal, EuGHE 1986, 285; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Singer, EuGHE 1997, I-2492 ff. 8 Z.B. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EUGHE 1999, I-6181 ff.; v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4113 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 ff. 9 EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGHE 1992, I-249 ff.; die Mitgliedstaaten sind hier auf die Amtshilfe-Richtlinie bzw. Beitreibungsrichtlinie verwiesen. 10 EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7463 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz), EuGHE 2007, I-2647.

78

C. EU-Diskriminierungsverbote

– Wirtschaftsförderung.1 Auf der dritten Ebene ist die europarechtliche Prüfung darauf gerichtet, ob die Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Diese Prüfung setzt dann ein, wenn die betreffende Regelung, die zu einer Einschränkung der Grundfreiheiten führt, durch Verfolgung eines legitimen Zieles gerechtfertigt ist. Die betreffende Regelung muss zur Erreichung dieses Zieles geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist, so dass stets nur das mildeste Mittel eingesetzt werden darf.2 Im Hinblick darauf ist die Beschränkung der Grundfreiheiten unverhältnismäßig, so lange die EU-Amtshilferichtlinie3 ausreichend ist, um eine Steuerüberwachung sicherzustellen.4 Den Vorgaben der EU-Amtshilferichtlinie entsprechen im Übrigen auch die großen Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsabkommen.5

4.22

4. Die einzelnen Grundfreiheiten a) Warenverkehrsfreiheit Die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) bildet den Kern des Binnenmarktes, dessen Funktionsfähigkeit im Wesentlichen darauf beruht, dass Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind (Art. 30 AEUV). Zu den Abgaben mit zollgleicher Wirkung gehören einseitige staatliche Abgaben, die auf eine Ware aus Anlass eines Grenzübertritts erhoben werden, so z.B. Gebühren für bestimmte Genehmigungen oder Untersuchungen anlässlich des Grenzübertritts.6 Abgaben steuerlicher Art, auch wenn sie grenzüberschreitende Belastungswirkungen erzeugen, fallen im Grundsatz nicht unter den Anwendungsbereich der Art. 28 ff. AEUV, sondern werden allein von Art. 110 AEUV erfasst mit der Folge, dass sie nicht das absolute Erhebungsverbot, sondern nur das im Art. 110 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot trifft.7 Soweit es sich freilich um eine steuerliche 1 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4113 ff.; v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5945 ff. 2 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, EuGHE 1997, I-2471; v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866. 3 Richtlinie 77/799/EWG des Rates v. 23.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, ABl. EG 1977 L 336, 15 ff. v. 27.12.1977; umgesetzt durch das EG-Amtshilfegesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436, 2441. 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, EuGHE 1997, I-2492. 5 Art. 26 Abs. 1 OECD-MA; zur Abkommensübersicht Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58. 6 Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 23 Rz. 26 ff.; umfassend Wiebe, Das Verbot der Erhebung von Abgabenzoll gleicher Wirkungen in Abgrenzung zu anderen Regelungen des EG-Vertrages. 7 EuGH v. 8.7.1965 – Rs. 10/65 – von Fonzi, EuGHE 1965, 642; Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 23 Rz. 28.

79

4.23

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

Sonderbelastung handelt, die gezielt auf die Belastung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren abzielt, es sich also um eine Umgehung des Verbots von Einfuhrzöllen (Art. 30 AEUV) handelt, greifen die Art. 28 ff. AEUV ein.1 Die Warenverkehrsfreiheit entfaltet somit für den Bereich der direkten und indirekten Steuern keine besonderen Schutzwirkungen. Das gilt insbesondere für Art. 34, 35 AEUV, wonach nur mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen verboten sind.2

4.24 Die Art. 28 ff. AEUV werden indessen durch Art. 110 f. AEUV ergänzt, wonach die Mitgliedstaaten auf die Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine höheren Abgaben erheben und bei Ausfuhren keine Abgaben rückvergüten dürfen. Die in Art. 110 f. AEUV verankerten speziellen Diskriminierungsverbote zielen darauf ab, diskriminierende und protektionistische Elemente inländischer Abgabensysteme in Bezug auf den innergemeinschaftlichen Handel zu unterbinden.3 Im Vordergrund steht die Wahrung der steuerlichen Wettbewerbsneutralität bei der Einfuhr von Waren.4 Darüber hinaus wird der Schutzbereich des Diskriminierungsverbotes entsprechend der vorgenannten Zielrichtung auch auf die Ausfuhr inländischer Waren in andere Mitgliedstaaten erstreckt.5

4.25 Art. 110 f. AEUV sind unmittelbar anwendbar und begründen zugunsten der Unionsbürger individuelle Rechte.6 Hieraus folgt, dass unter Verstoß gegen die Art. 110 f. AEUV erhobene Abgaben zurückzuerstatten sind,7 wobei mangels einer unionsrechtlichen Erstattungsvorschrift auf das jeweilige nationale Recht abzustellen ist.8

4.26 Art. 110 f. AEUV regeln folgende Diskriminierungsverbote: Gemäß Art. 110 Abs. 1 AEUV dürfen Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische 1 EuGH v. 22.4.1999 – Rs. C-109/98 – CRT France International, EuGHE 1999, I-2237; Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt, 153 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 691 f. 2 Zu Einzelheiten Dauses/Brigola in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, C. I Rz. 79 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 254 ff. 3 Geiger, Art. 90 EG Rz. 2; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettersheim, Europarecht4, § 34 Rz. 31. 4 EuGH v. 29.6.1978 Rs. 142/78 – Statens Kontrol, EuGHE 1978, 1543 ff.; v. 27.2.1980 – Rs. 168/78 – Kommission ./. Frankreich, EuGHE 1980, 347 ff. 5 EuGH v. 29.6.1978 – Rs. 142/78 – Statens Kontrol, EuGHE 1978, 1543 (1577), v. 27.2.1980 – Rs. 168/78 – Kommission ./. Frankreich, EuGHE 1980, 347 (359); Dauses/Brigola in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, C. I. Rz. 60. 6 EuGH v. 16.6.1966, rs. 57/65 – Lütticke, EuGHE 1966, 257 (266); v. 4.4.1968 – Rs. 27/67 – Fink-Frucht, EuGHE 1968, 333 (346); Wägenbaur in Grabitz/Hilf, Art. 96 EG Rz. 11. 7 EuGH v. 16.12.1976 – Rs. 45/76 – Comet, EuGHE 1976, 2043 ff.; v. 16.12.1976 – Rs. 33/76 – Rewe Zentralfinanz eG/Deutschland, EuGHE 1976, 1989 ff.; Wägenbaur in Grabitz/Hilf, Art. 95 EG Rz. 74. 8 EuGH v. 24.3.1988 – Rs. 104/86, EuGHE 1988, 1799 (1815); v. 29.6.1988 – Rs. 240/87, EuGHE 1988, 3513 (3527).

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C. EU-Diskriminierungsverbote

Abgaben gleich welcher Art erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.1 Zu den vorgenannten Abgaben zählen neben indirekten Steuern2 auch produktbezogene Beiträge und Gebühren.3 Art. 110 Abs. 2 AEUV untersagt den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten Abgaben zu erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen.4 Obwohl sich der Wortlaut des Art. 110 AEUV nur auf die Einfuhr von Waren bezieht, hat der Europäische Gerichtshof das Diskriminierungsverbot auch auf Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten ausgedehnt, um so eine vollkommene Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten.5 Art. 111 AEUV verbietet schließlich, dass bei der Ausfuhr in einen Mitgliedstaat die Rückvergütung für inländische Abgaben, zu denen auch direkte und indirekte Steuern gehören, höher ist als die auf die ausgeführten Waren mittelbar oder unmittelbar erhobenen inländischen Abgaben.6 b) Arbeitnehmerfreizügigkeit Die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV) gehört zusammen mit der Niederlassungsfreiheit für Selbständige (Art. 49 ff. AEUV) zu den personenbezogenen Grundfreiheiten, die die Freiheit des Personenverkehrs innerhalb der Union gewährleisten sollen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Binnenmarktes, bei der freilich nicht nur ökonomische, sondern auch individuell-persönliche Gesichtspunkte, wie sie insbesondere durch Art. 15 GRC zum Ausdruck gekommen sind,7 eine Rolle spielen. Kern der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das in Art. 45 Abs. 2 AEUV verankerte Gebot der Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Damit soll im Ergebnis die Mobilität der Arbeitnehmer innerhalb der Union gefördert werden. Während zur Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und zur Kapitalverkehrsfreiheit in aller Regel keine Abgrenzungsprobleme bestehen, kommt es in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 1 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen im Überblick mit Nachweisen aus der EuGH-Rechtsprechung; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 34 Rz. 30 ff. 2 EuGH v. 2.4.1998 – Rs. C-213/96 – Outokumpu Oy, EuGHE 1998 I-01777 ff. (Verbrauchsteuer auf eingeführte Elektrizität); v. 20.9.2007 – Rs. C-74/06 – Kommission ./. Griechenland, EuGHE 2007, I-7585 (Besteuerung eingeführter Gebrauchtwagen). 3 EuGH v. 22.3.1977 – Rs. 78/76 – Absatzfonds, EuGHE 1977, 595; v. 25.1.1977 – Rs. 46/76 – Bauhuis/Niederlande, EuGHE 1977, 5. 4 Zu Einzelheiten mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 34 Rz. 37 ff. 5 EuGH v. 27.2.1980 – Rs. 168/78 – Kommission ./. Frankreich, EuGHE 1980, 347 (359); v. 29.6.1978 – Rs. 142/78 – Statens Kontrol, EuGHE 1978, 1543 (1557). 6 Einzelheiten bei Wolffgang in Lenz/Borchardt, Art. 91 EG Rz. 1 ff. 7 Zur EU-Grundrechte-Charta Jarass, EU-Grundrechte, § 2 Rz. 2 ff.

81

4.27

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

AEUV) darauf an, ob der Träger der Grundfreiheiten als Arbeitnehmer oder selbständig beschäftigt ist. Hierbei wird im Wesentlichen darauf abgestellt, ob eine Weisungsgebundenheit besteht.1 Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat auf der Grundlage der in Art. 40 EGV a.F. (heute: 46 AEUV) eingeräumten Ermächtigung ihre sekundärrechtliche Konkretisierung durch verschiedene Rechtsverordnungen erfahren. Hierzu gehören insbesondere die beiden Freizügigkeitsverordnungen,2 die Einzelheiten über das Reise- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger regeln. Unter den Schutzbereich des Art. 45 AEUV fallen zwar im Grundsatz nur Unionsbürger und Staatsangehörige der EWR-Staaten (Rz. 4.41 f.) sowie deren Familienangehörige;3 auf Grund verschiedener völkerrechtlicher Verträge werden unter bestimmten Voraussetzungen aber auch Drittstaatenangehörige einbezogen. Hierzu gehört etwa das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen4 und das Assoziationsabkommen mit der Türkei.5

4.28 Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst nicht nur das Diskriminierungsverbot, wonach jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen untersagt ist, sondern auch ein Beschränkungsverbot in dem Sinne, dass Regelungen eines Mitgliedstaats den Staatsangehörigen eines anderen oder des eigenen Mitgliedstaats nicht daran hindern dürfen, sein Herkunftsland zu verlassen.6 Im Ergebnis sind damit wie bei den übrigen Grundfreiheiten sowohl offene als auch versteckte Diskriminierungen7 bzw. Ungleichbehandlungen erfasst. Hierdurch sind in besonderer Weise steuerrechtliche Regelungen betroffen, insbesondere in den Fällen, in denen beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer im Vergleich zu unbeschränkt steuerpflichtigen benachteiligt werden (Diskriminierungsverbot).8 Das Beschränkungsverbot ist demgegenüber tangiert, soweit die in einem anderen Mitgliedstaat 1 EuGH v. 10.12.1991 – Rs. C-179/90 – Merci, EuGHE 1991, 5889; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, EuGHE 1996, I-3089. 2 VO Nr. 1612/68 v. 15.10.1968(ABl. EG Nr. L 257/2 v. 19.10.1968) und VO Nr. 883/2004 v. 29.4.2004 (ABl. EG Nr. L 166/1 v. 30.4.2004). 3 UnionsbürgerRL v. 29.4.2004, RL 2004/38, ABl. EU 2004, L 158, 77 v. 30.4.2004. 4 ABl. EG 2002, L 114, 6 = BGBl. II 2001, 810. 5 BGBl. II 1964, 509. 6 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 28 Rz. 37 ff. 7 Zu weiteren Einzelheiten Hailbronner in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, D. I Rz. 5 ff. 8 Aus der Rechtsprechung des EuGH: EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGHE 1992, I-276; v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-249; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, EuGHE 1996, I-3113; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823; v. 14.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, EuGHE 1999, I-5478; v. 1.7.2004 – Rs. C-169/03 – Wallentin, EuGHE 2004, I-6458; v. 21.2.2006 – Rs. C-152/03 – Ritter Coulais, EuGHE 2006, I-1737.

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C. EU-Diskriminierungsverbote

erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Wohnsitzstaat zu steuerlichen Nachteilen führen.1 c) Niederlassungsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) betrifft die Freizügigkeit selbständiger Unternehmer und gehört somit zum Kernbereich der personenbezogenen Grundfreiheiten. Sie ist für das Unternehmensteuerrecht diejenige Grundfreiheit, an der sich europaweit die Normenwelt des Unternehmenssteuerrechts zu orientieren hat. Von der Reichweite der Niederlassungsfreiheit werden natürliche Personen erfasst, soweit diese Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind (Art. 49 Abs. 1 AEUV). Im Falle der sog. primären Niederlassung (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV) ist hierbei ohne Bedeutung, ob die Unionsbürger ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb oder außerhalb der EU haben. Für den Fall der sekundären Niederlassung etwa bei Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften (Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV) ist demgegenüber die Ansässigkeit in einem der Mitgliedstaaten erforderlich.2 Geschützt werden ferner rechtsfähige und nichtrechtsfähige Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und entweder ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der EU haben (Art. 54 Abs. 1 AEUV), ohne dass es darauf ankommt, ob die Gesellschafter eine EU-Staatsangehörigkeit aufweisen.3 Damit können im Ergebnis auch Drittstaatenangehörige mittelbar die Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen. Drittstaatenangehörige werden schließlich von den Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit auch in den Fällen erfasst, in denen sie etwa als Familienangehörige von Unionsbürgern in einen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten (Recht auf Einreise und Aufenthalt).4

4.29

Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates (Art. 49 Abs. 2 AEUV). Damit ist der Schutzbereich sehr weit gezogen, so dass im Ergebnis jedwede unternehmerische Tätigkeit, gleich in welcher Rechtsform, erfasst wird.5 Erforderlich ist nur, dass es sich in Abgrenzung zu Art. 45 AEUV um eine selbständig ausgeübte Tätigkeit handelt, die auf ein Ent-

4.30

1 Aus der Rechtsprechung des EuGH: EuGH v. 8.5.1990 – Rs. 175/88 – Biehl, EuGHE 1990, I-1789; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11838. 2 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettersheim, Europarecht4, § 29 Rz. 11. 3 EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-221/89 – Factortame, EuGHE 1991, I-3905. 4 EuGH v. 7.7.1992 – Rs. C-370/90 – Singh, EuGHE 1992, I-4265; ein umfassender Schutz gewährleistet die sog. UnionsbürgerRL v. 29.4.2004, RL 2004/38, ABl. EU 2004, L 158, 77 v. 30.4.2004. 5 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim4, § 29 Rz. 20.

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Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

gelt abzielt, ohne dass es auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankommt.1 Im Hinblick darauf können sich etwa auch gemeinnützige Rechtsträger, soweit sie einen Geschäftsbetrieb unterhalten, auf die Niederlassungsfreiheit berufen.2 Die Niederlassungsfreiheit schützt schließlich auch den Zuzug und Wegzug von Unternehmen (Gesellschaften) sowie grenzüberschreitende Umwandlungen.3

4.31 Wie die übrigen Grundfreiheiten erfährt die Niederlassungsfreiheit ihre spezifische Ausprägung im Diskriminierungsverbot und Beschränkungsverbot. Das Diskriminierungsverbot ist hierbei sehr weit gefasst. Es bezieht sich auf die Gründung von Unternehmen ohne Rücksicht darauf, ob es sich hierbei um Einzelunternehmen, Niederlassungen (Betriebsstätten) oder um Kapital- und Personengesellschaften handelt, wobei auch entsprechende Vorbereitungstätigkeiten geschützt werden.4 Darüber hinaus zielt die Niederlassungsfreiheit auf die ungehinderte Ausübung unternehmerischer Tätigkeiten ab.

4.32 Im Steuerrecht verstoßen gegen das vorstehende Diskriminierungsverbot vor allem jene Normen, die den Zuzug von Unternehmen5 direkt oder indirekt erschweren sowie im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Vergleich zur unbeschränkten Steuerpflicht eine steuerliche Höherbelastung vorsehen. Angesprochen ist insbesondere eine steuerliche Benachteiligung von Unionsbürgern und EU-Kapitalgesellschaften mit Betriebsstätteneinkünften im EU-Ausland.6 Entsprechendes gilt für Tochtergesellschaften, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.7 Schließlich ist 1 Tiedje/Troberg in von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rz. 51, 59. 2 EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203; hierzu Hüttemann/Helios, DB 2006, 2481 ff.; Jachmann, BB 2006, 2607 ff. 3 Zum Wegzug: EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, I-5505; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569; zum Zuzug: EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155; zur grenzüberschreitenden Umwandlung: EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – SEVIC), EuGHE, I-10825. 4 Roth in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rz. 83; Nettesheim in Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 29 Rz. 20. 5 Hierzu Schaumburg, DK 2005, 347 ff. 6 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – Avoir Fiscal, EuGHE 1986, 285 (keine Körperschaftsteuer-Anrechnung für inländische Betriebstätten ausländischer Kapitalgesellschaften); v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, EuGHE 1993, I-4038 (Steuerzuschläge nur bei inländischen Betriebstätten ausländischer Kapitalgesellschaften); v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, EuGHE 1997, I-2492 (Erfordernis einer im Inland geführten Buchführung); v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, EuGHE 1999, I-266 4 (höherer Steuertarif bei beschränkter Steuerpflicht); v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6181 (kein Schachtelprivileg für ausländische Gesellschaften mit inländischen Betriebstätten); v. 23.2.2006 – Rs. C-253/03 – CLTUFA, EuGHE 2006, I-1861 (höherer Steuertarif bei beschränkter Steuerpflicht). 7 Aus der Rechtsprechung EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Langhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-11802 (Unterkapitalisierungsregelung nur für beschränkt

84

C. EU-Diskriminierungsverbote

auch eine Benachteiligung in den Fällen untersagt, in denen im betreffenden EU-Staat weder eine Betriebsstätte noch eine Tochtergesellschaft unterhalten wird.1 Ein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot ist stets dann gegeben, wenn die Tätigkeit in einem anderen EU-Staat insbesondere durch steuerliche Vorschriften behindert oder weniger attraktiv wird und hierdurch eine Erschwerung des Marktzugangs die Folge ist. Im Vordergrund steht hierbei der grenzüberschreitende Wegzug von Kapital- und Personengesellschaften oder aber von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern.2 Die Niederlassungsfreiheit hat freilich besondere Bedeutung für die grenzüberschreitende Konzernbesteuerung, und zwar im Zusammenhang mit der Besteuerung von Dividenden aus dem EU-Ausland,3 der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung4 und Umstrukturierung,5 der Gruppenbesteuerung6 und der Hinzurechnungsbesteuerung.7

1 2

3

4

5 6 7

steuerpflichtige Anteilseigner); v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 (Unterkapitalisierungsregeln nur bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern). EuGH v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton, EuGHE 1994 I-1151 (Grunderwerbssteuer); v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203 (keine Steuerbefreiung für ausländische gemeinnützige Rechtsträger). Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail EuGHE 1988, I-5505 (Wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung); v. 11.3.2004 – Rs. C–9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004 I-2431 (Wegzugsbesteuerung auf Gesellschafterebene); v. 7.9.2006 Rs. C-470/04 – N, EuGH 2006, I-7409 (Wegzugsbesteuerung auf Gesellschafterebene); v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio NJW 2009, 569 (Liquidationsbesteuerung bei formwahrendem Wegzug). EuGH v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft/Hoechst, EuGHE 2001, I-1760 (Körperschaftsteuervorauszahlung nur bei ausländischen Dividenden); v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, EuGHE 2003 I-9430 (keine Berücksichtigung von Finanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit ausländischen Dividenden); v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FI Group Litigation, EuGHE 2006, I-1173 (Steuerpflicht nur von Auslandsdividenden), v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, EuGHE 2006, I-2107 (keine Finanzierungskosten bei ausländischen Dividenden). Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-265/96 – ICI, EuGHE 1998, I-4711 (keine Verlustverrechnung bei ausländischen Betriebsstätten); v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-11632 (keine Verlustverrechnung bei ausländischen Betriebsstätten); v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005 I-10866 (kein grenzüberschreitender Verlustausgleich); v. 28.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE-Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647 (keine Verlust berücksichtigende Teilwertabschreibung). Aus der Rechtsprechung EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X & Y, EuGHE 2002, I-10847 (keine steuerneutrale Umstrukturierung bei ausländischen Beteiligungen). Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – XAB und YAB, EuGHE 1999, I-8276 (keine Einschränkung der Gruppenbesteuerung im Falle ausländischer Beteiligungen). EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995.

85

4.33

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

d) Dienstleistungsfreiheit

4.34 Ebenso wie die Warenverkehrsfreiheit ist die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) darauf gerichtet, den Binnenmarkt zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Geschützt ist lediglich der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr, so dass Empfänger und Erbringer der Dienstleistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sein müssen. Gegenstand der Dienstleistungsfreiheit sind in Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit unkörperliche Gegenstände.1 Erfasst werden somit insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten, darüber hinaus aber auch die Tätigkeiten des Reise- und Baugewerbes ebenso wie die Vermietung und das Leasing, der Gesamtbereich der Finanzdienstleistungen, Börsengeschäfte, Beratungs-, Vermittlungs- und Werbetätigkeiten.2 In Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) werden nur solche Leistungen erfasst, die seitens des Auftragnehmers selbständig gegen Entgelt erbracht werden.3 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.

4.35 Die Dienstleistungsfreiheit, die gem. Art. 57 Abs. 1 AEUV im Verhältnis zur wahren Verkehrs-, Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit subsidiär ist, erfasst wie die übrigen Grundfreiheiten keine bloß innerstaatlichen Sachverhalte, sondern begünstigt nur grenzüberschreitende Dienstleistungen, die sich wie folgt differenzieren lassen: Die aktive Dienstleistungsfreiheit betrifft den Fall, dass der Erbringer der Dienstleistungen die Dienstleistung im Land des Empfängers erbringt, etwa die Durchführung von Bauprojekten und freiberufliche Leistungen vor Ort,4 wobei durch Art. 57 Abs. 3 AEUV auch ein vorübergehendes Aufenthaltsund Tätigkeitsrecht als Begleitrecht (Sekundärrecht) gewährleistet wird.5 Durch Art. 56 AEUV wird ferner die passive Dienstleistungsfreiheit geschützt. Gemeint ist der Fall, dass der Dienstleistungsempfänger die Dienstleistung in dem anderem Mitgliedstaat, in dem der Erbringer der Dienstleistung ansässig ist, in Anspruch nimmt, also beispielsweise die Leistungen der Hotels, Krankenhäuser und der Ärzte.6 Schließlich wird auch die sog. Korrespondenzdienstleistungsfreiheit geschützt, die gegeben ist, wenn sowohl der Dienstleistungsempfänger als auch der Dienstleistungserbringer in ihrem jeweiligen EU-Ansässigkeitsstaat verbleiben und nur die Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht wird. Hierzu gehören insbesondere die Bank- und Versicherungsdienstleistungen sowie die Leistungen von Hörfunk und Fernsehen.7

1 Roth in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rz. 130; Bleckmann, EuR 1987, 28 (29). 2 So die Aufzählung von Roth in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E. I Rz. 130. 3 Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim4, § 26 Rz. 5. 4 Roth in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E. I Rz. 139. 5 Tiedje/Troberg in von der Groeben/Schwarze, Art. 50 EG Rz. 73 ff. 6 Roth in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rz. 141. 7 Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 26 Rz. 10.

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C. EU-Diskriminierungsverbote

Durch Art. 56 AEUV werden lediglich Unionsbürger geschützt, soweit sie in einem Mitgliedstaat ansässig sind und darüber hinaus drittstaatenangehörige Familienmitglieder.1 Von den Schutzwirkungen der Dienstleistungsfreiheit werden schließlich auch Gesellschaften erfasst (Art. 56, 62 i.V. mit Art. 54 AEUV). Für diesen Personenkreis wird die Dienstleistungsfreiheit konkretisiert durch die Dienstleistungsrichtlinie2 und durch die Entsende-Richtlinie.3 Die Dienstleistungsfreiheit schützt wie die übrigen Grundfreiheiten auch vor steuerlicher Benachteiligung, und zwar als Diskriminierungsverbot4 und als Beschränkungsverbot.5

4.36

e) Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 ff. AEUV gewährleisten den freien Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Diese somit nicht auf den EU-Bereich beschränkte Kapitalverkehrsfreiheit ist unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion.6 Dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten Geltung hat, entspricht der Notwendigkeit, den Euro als eine internationale Handels-, Investitions- und Reservewährung über den eigentlichen Währungsraum weltweit zu implementieren und so auch eine weltweite Liberalisierung des Kapital- und Zahlungsverkehrs zu befördern.7 Es handelt sich somit eigentlich um eine internationale Kapitalverkehrsfreiheit, die alle Kapitalbewegungen zwischen den EU-Staaten und im Verhältnis zu Drittstaaten unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Begünstigten und der Herkunft der Mittel begünstigt.8 Dieses primärrechtliche Gebot, das freilich wie bei den übrigen Grundfreiheiten nicht für den reinen innerstaatlichen Kapital- und Zahlungsverkehr gilt, ist unmittelbar verbindlich und kann somit von je-

1 Unionsbürger-RL, RL 2004/38, ABl. EU 2004, L 158, 77 v. 30.4.2004. 2 2006/123/EG v. 12.12.2006, ABL. EU L 376, 36 v. 27.12.2006. 3 Richtlinie 96/71 v. 16.12.1996, ABL. EG 1997, L 18, 1 v. 21.1.1997; Einzelheiten zu diesen beiden Richtlinien bei Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 26 Rz. 23 ff. 4 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGH 1992, I-276 (Steuerliche Abziehbarkeit nur von Beiträgen an inländische Versicherung); v. 12.6.2003 – Rs. C-234/0 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5945 (kein Abzug von Betriebsausgaben bei beschränkter Steuerpflicht); v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, EuGHE 2006, I-9461 (kein Betriebsausgabenabzug beim Steuerabzugsverfahren); v. 15.2.2007 – Rs. C-345/04 – Centro Equestre, EuGHE 2007, I-1425 (nur teilweise Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei beschränkter Steuerpflicht). 5 Z.B. EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7463 (gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mieten an ausländische Leasinggeber). 6 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 31 Rz. 1. 7 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, § 31 Rz. 18. 8 Follak in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F.II Rz. 5.

87

4.37

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

der Person mit Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung in einem Mitgliedstaat oder Drittstaat in Anspruch genommen werden.1

4.38 Entsprechend der Zielsetzung ist der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit sehr weit gezogen.2 Das von der Kapitalverkehrsfreiheit ausgehende Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot bezieht sich nicht nur auf außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen, sondern auch auf gesellschafts- und steuerrechtliche Regelungen, durch die grenzüberschreitende Investitionen beeinträchtigt werden. Diese weitgehenden Schutzwirkungen werden freilich dadurch eingeschränkt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit ggü. der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit zurücktritt, soweit sich die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als zwangsläufige Folge der Beschränkung der vorgenannten Grundfreiheiten darstellt.3 Im Kern werden die grenzüberschreitenden Wertübertragungen von Real- oder Geldkapital geschützt, wozu Direktinvestitionen, Finanzdienstleistungen und der Transfer von Wertpapieren zählen. Darüber hinaus wird auch der Zahlungsverkehr geschützt, womit im Ergebnis vor allem Bankdienstleistungen erfasst werden. Im Hinblick auf den weit gefassten sachlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich insoweit eine Besonderheit, als nach Art. 65 AEUV Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sind. Hierzu gehört etwa der Vorbehalt, das nationale Steuerregelungen nach dem Wohnort und nach dem Ort der Kapitalanlage differenzieren dürfen (Art. 65 Abs. 1 Buchst. a) AEUV), wobei auch das Fehlen einer grenzüberschreitenden Steuerkontrolle im Verhältnis zu Drittstaaten eine Rolle spielen kann.4 Dieser Steuervorbehalt unterliegt aber wiederum den durch die Verhältnismäßigkeit gezogenen Schranken (Rz. 4.22) mit der Folge, dass willkürliche, also sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen verboten sind.5 Eine Besonderheit ergibt sich im Zusammenhang der Kapitalverkehrsfreiheit auch dadurch, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV im Ergebnis auf Drittstaaten bezogene Beschränkungen aus dem Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ausnimmt, soweit diese Beschränkungen auf Grund einzelstaatlicher oder unionsrechtlicher Regelungen bereits zum 31.12.1993 bestanden. Diese Ausnahmen beziehen 1 EuGH v. 14.12.1995 – Rs. C-163/94 – Sanz de Lera, EuGHE 1995, I-4821; v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05 – A, EuGHE 2007, I-11568; v. 4.6.2009 – Rs. C-439/07 u. C-499/07 – KBC Bank, IStR 20099, 494; Follak in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F.II Rz. 5. 2 EuGH v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 – Glaxo Welcome, IStR 2009, 691. 3 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten-van der Heijten, EuGHE 2006, I-1981; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadburry Schweppes, EuGHE 2006, I-7959; v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz, EuGHE 2006, I-9521; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107, v. 10.5.2007 – Rs. C-492/04 – Lasertec, EuGHE 2007, I-3775; vgl. hierzu auch Rz. 4.20. 4 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – F II Group Litigation, EuGHE 2006, I-11814; v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05 – A, EuGHE 2007, I-11568; v. 20.5.2008 – Rs. C-194/06 – Orange European Smallcap Funds, IStR 2008, 435. 5 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4071.

88

D. EWR-Diskriminierungsverbote

sich auf Maßnahmen für den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten.1 Die Kapitalverkehrsfreiheit zielt insbesondere auf einen einheitlichen Bankenmarkt ab, so dass insbesondere in diesem Zusammenhang zahlreiche Richtlinien ergangen sind, durch die die Kapitalverkehrsfreiheit auch sehr stark im Sekundärrecht verankert ist.2

4.39

In der Praxis der EuGH-Rechtsprechung hat die Kapitalverkehrsfreiheit für das Steuerrecht unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbotes3 und des Beschränkungsverbotes4 gleichermaßen Bedeutung.

4.40

D. EWR-Diskriminierungsverbote Literatur Achatz, Die steuerlichen Auswirkungen des EWR-Abkommens, SWI 1993, 23; Friedrich, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, DB 1994, 313; Streit, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555; Tumpel, EWR-Diskriminierungsverbote und direkte Steuern, ecolex 1992, 583, 655; Weber, Der assoziationsrechtliche Status Drittstaatsangehöriger in der Europäischen Union, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1997.

Das zwischen der EG und deren Mitgliedstaaten einerseits5 und den damaligen EFTA-Vertragsparteien6 andererseits auf der Grundlage des 1 Zu Einzelheiten Kiemel in von der Groeben/Schwarze, Art. 57 EG Rz. 3 ff. 2 Hierzu der Überblick bei Follak in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F.II Rz. 15 ff. 3 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D., EuGHE 2005, I-5852 (keine Vermögensteuerfreibeträge für Nichtansässige); v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203 (keine Gemeinnützigkeit für inländische Einkünfte); v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, EuGHE 2006, I-9461 (kein Betriebsausgabenabzug im Steuerabzugsverfahren), v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7959 (Hinzurechnungsbesteuerung); v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, EuGHE 2006, I-2107 (Abzug von Finanzierungskosten); v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGH 2000, I-4113 (keine Steuerfreistellung von Auslandsdividenden); v. 15.7.2004 – Rs. C-242/03 – Weidert & Paulus, EuGHE 2004, I-7391 (kein Abzug von Kosten für den Erwerb von Auslandsanteilen); v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10847 (keine steuerneutrale Umstrukturierung bei ausländischen Beteiligungen); v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – X AB und Y AB, EuGHE 1999, I-8276 (keine Einschränkung der Gruppenbesteuerung im Falle ausländischer Beteiligung). 5 Sog. „gemischter Vertrag“; hierzu Hummer in Dauses Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 83, 90. 6 Österreich, Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweden; Österreich, Finnland und Schweden sind zwischenzeitlich der EU beigetreten.

89

4.41

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

Art. 310 EGV a.F. abgeschlossene und zum 1.1.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR),1 das auf die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse abzielt, bewirkt, dass die Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes auch zwischen den EWR-Vertragsparteien gilt.2

4.42 Kern des EWR-Abkommens sind neben der in Teil II verankerten Warenverkehrsfreiheit3 die in Teil III aufgeführten Diskriminierungsverbote, die sich sowohl vom Aufbau als auch vom Inhalt her stark an den entsprechenden Vorschriften des AEUV (Titel III) orientieren. Diese Diskriminierungsverbote beruhen auf dem in Art. 4 EWR4 verankerten allgemeinen Diskriminierungsverbot, wonach jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten ist. Dementsprechend unterliegen Arbeitnehmer mit Staatsangehörigkeit eines der EWR-Länder dem in Art. 28 EWR geregelten Diskriminierungsverbot.5 Das bedeutet, dass Arbeitnehmer aus den EWR-Ländern Anspruch auf Freizügigkeit auch in der EU haben und somit etwa bezüglich der Aufenthaltserlaubnis Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt sind.6 Aus diesem Diskriminierungsverbot folgt weiter, dass diese Freizügigkeit auch mittelbar nicht durch steuerliche Vorschriften eingeschränkt werden darf.7

4.43 Von besonderer Bedeutung ist die in Art. 31 EWR verankerte Niederlassungsfreiheit, die ebenfalls sowohl natürliche als auch juristische Personen betrifft (Art. 34 EWR) und für die EWR- und EU-Länder gleichermaßen in Anspruch genommen werden können.8 Auch hier gilt: Eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit durch steuerliche Diskriminierungen ist verboten.9

1 ABl. EG 1994 Nr. L 1 v. 3.1.1994. 2 Die übrigen auf der Grundlage des Art. 310 EGV a.F. insbesondere mit der Türkei abgeschlossenen Assoziierungsabkommen der EU beinhalten zwar durchweg Diskriminierungsverbote zugunsten von in der EU rechtmäßig arbeitenden Arbeitnehmern dieser Staaten, es handelt sich hierbei aber zunächst nur um sog. Stand still-Klauseln mit begrenzter Schutzwirkung (EuGH v. 30.9.1987; Rs. 12/86 – Demirel, EuGHE 1987, 3719), die zudem durch steuerliche Vorbehaltsklauseln überlagert werden, die einen Anspruch auf steuerliche Gleichbehandlung bei unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht nicht gewähren; zur begrenzten Reichweite der in den (früheren) Europa-Abkommen und dem Türkei-Abkommen verankerten Diskriminierungsverboten im Einzelnen Weber, Der assoziationsrechtliche Status Drittstaatsangehöriger in der Europäischen Union, 15 ff.; 90 ff. 3 Hierzu Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K III Rz. 119 ff. 4 Entspricht Art. 18 AEUV. 5 Entspricht Art. 45 AEUV. 6 So die Konkretisierung in Art. 34 Nr. 2 EWR-AusführungsG v. 27.4.1993, BGBl. I 1993, 512; zu Einzelheiten Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschafsR, K III Rz. 144 ff. 7 Achatz, SWI 1993, 23 (25). 8 Zu Einzelheiten Hummer in Dauses, EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 148. 9 Zu Einzelheiten Tumpel, ecolex 1992, 583 ff., 655 ff.; Achatz, SWI 1993, 23 ff.

90

D. EWR-Diskriminierungsverbote

Mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot korrespondiert die Dienstleistungsfreiheit der Selbständigen (Art. 36 EWR). Auch diese Dienstleistungsfreiheit,1 die sowohl von natürlichen als auch von juristischen Personen beansprucht werden kann (Art. 39, 34 EWR), darf nicht durch nachteilige steuerliche Vorschriften behindert werden. Diese in Anlehnung an Art. 56 ff. AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit gilt indessen nicht uneingeschränkt für den Verkehrsbereich. Hierfür greift lediglich ein allgemeines Diskriminierungsverbot ein (Art. 48 EWR).

4.44

Schließlich wird von der Reichweite der EWR-Diskriminierungsverbote auch der Kapitalverkehr erfasst (Art. 40 EWR).2

4.45

Im Hinblick darauf, dass die EWR-Diskriminierungsverbote nach dem Vorbild der EU-Diskriminierungsverbote ausgestaltet sind, ergibt sich eine weitgehend parallele Anwendungspraxis, die insbesondere auch im Steuerrecht nomativ verankert ist. So gelten etwa die an den Grundfreiheiten des AEUV orientierten Sonderregelungen gleichermaßen auch für den EWR-Bereich.3 Im Übrigen wird für Zwecke der einheitlichen Anwendung des EWR-Abkommens auf die EuGH-Rechtsprechung zurückgegriffen.4 Gemäß Art. 105 EWR hat es nämlich der Gemeinsame EWRAusschuss übernommen, die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung zu verfolgen und erforderlichenfalls Maßnahmen vorzuschlagen, wie EuGHEntscheidungen Rechnung zu tragen ist. Darüber hinaus sieht Art. 107 EWR auch vor, den Gerichten der EWR-Staaten zu erlauben, den EuGH um die Auslegung einer EWR-Bestimmung zu ersuchen. Wird von dieser Ermächtigung nicht Gebrauch gemacht, entscheiden also die entsprechenden nationalen Gerichte der EWR-Staaten autonom über die Anwendung des EWR-Abkommens, so kann bei Divergenzen der Gemeinsame EWR-Ausschuss angerufen werden, der dann wiederum seinerseits den EuGH um eine Entscheidung ersuchen kann (Art. 111 EWR).

4.46

Wegen weiterer Einzelheiten der EWR-Diskriminierungsverbote wird auf die vorstehenden Ausführungen zu den EU-Diskriminierungsverboten verwiesen (Rz. 4.12 ff.).

4.47

1 Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 149. 2 Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 150. 3 Vgl. z.B. §§ 1 Abs. 3 und 1a, 2a Abs. 2a Satz 2, 50 Abs. 2 Satz 7, 50a Abs. 3 EStG; § 12 Abs. 3 KStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG, § 6 Abs. 5 AStG. 4 Vgl. die Urteile des EFTA-Gerichtshofs v. 23.11.2004 – Rs. E-1/04 – Fokus, IStR 2005, 55 zur Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 40 EWR) und v. 7.5.2008 – Rs. E-7/07 – Seabrokers, IStR 2009, 315 zur Niederlassungsfreiheit (Art. 31 EWR).

91

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

E. GATT-Diskriminierungsverbote Literatur Fischer-Zernin, Regeln des internationalen Steuerrechts in zwischenzeitlichen Handelsabkommen – dargestellt am Beispiel der FCN-Verträge und des GATTVertrages, RIW 1988, 286 ff.; Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), Köln 1996; Hilf/Petersmann, GATT und Europäische Gemeinschaft, Baden-Baden 1986; Hilpold, Die Neuregelung der Schutzmaßnahmen im GATT/WTO-Recht und ihr Einfluss auf „Grauzonenmaßnahmen“, ZaöRV 55 (1995), 89 ff.; Paemen/Bensch, From the GATT to the WTO: The European Community in the Uruguay Round, Leuven 1995; Schön, WTO und Steuerrecht, RIW 2004, 50 ff.; Trottmann, Ertragsteuerrecht, Warenverkehr und Inländergleichbehandlung vor der Welthandelsorganisation (WTO), IStR 2004, 6612 ff.; Vogelgesang, Steuerfragen im „General Agreement on Trade in Services“, IStR 1993, 1 ff.

4.48 Der GATT-Vertrag1 enthält zwar keine spezifisch steuerrechtlichen Regelungen, die auf die Beseitigung von Import- und Exportbarrieren gerichteten Normenkomplexe entfalten, aber steuerliche Schrankenwirkungen gegen Steuern, sofern durch deren Erhebung die vorgenannten Zielsetzungen des GATT berührt werden.2 Im Hinblick auf diese Zielsetzungen ist im GATT der Grundsatz der Inländergleichbehandlung verankert, wonach eingeführte Waren weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen sein dürfen als gleichartige inländische Waren (Art. III Abs. 1, 2 GATT). Zu den einfuhrbehindernden Abgaben gehören neben den indirekten Steuern3 auch direkte Steuern, insbesondere Ertragsteuern, soweit diese sich auf die Preise der eingeführten Waren auswirken (Art. III Abs. 4 GATT).4 Im Allgemeinen gilt zwar, dass Ertragsteuern als direkte Steuern nicht auf Überwälzung angelegt sind,5 tatsächlich lassen sich aber in Abhängigkeit von der jeweiligen Wettbewerbslage Abwälzungseffekte auch bei Ertragsteuern feststellen, so dass auch hierdurch der Preis von Importwaren beeinflusst wird.6 Damit erfasst das in Art. III GATT verankerte steuerobjektbezogene Diskriminierungsverbot sowohl das Verbot der direkten Benachteiligung von Importwaren durch höhere Verkehr- und Verbrauchsteuern als auch das Verbot der indirekten Benachteiligung durch höhere Ertragsteuern. Hiernach darf etwa 1 Das GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) in der Fassung nach Abschluss der sog. Uruguay-Verhandlungsrunde und der Änderungen und Ergänzungen von Marakesh wurde mit Zustimmungsgesetz vom 8.7.1994 in deutsches Recht umgesetzt (BGBl. II 1994, 1438) und ist mit Wirkung zum 1.1.1995 in Kraft getreten (BGBl. II 1995, 456). 2 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/ WTO), 14. 3 Hierzu gehören die Umsatzsteuer sowie die Verbrauch- und Verkehrsteuern. 4 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/ WTO), 18; Trottmann, IStR 2004, 661 (665 f.); Schön, RIW 2004, 50 (54). 5 Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 20. 6 Vgl. hierzu die Nachweise bei Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 18 ff.

92

F. DBA-Diskriminierungsverbote

die Einfuhrumsatzsteuer auf die Einfuhr von Waren nicht höher sein als die Umsatzsteuer auf die im Inland gelieferten Waren.1 Besondere Bedeutung hat das GATT-Diskriminierungsverbot für Verbrauchsteuern: Eingeführte Waren dürfen unter keinen Umständen mit höheren Verbrauchsteuern belastet werden als inländische Waren.2 Für den Bereich der Ertragsteuern geht es darum, dass bei feststellbaren Abwälzungseffekten Gewinne aus Importgeschäften steuerlich nicht höher belastet werden dürfen als Gewinne aus Inlandsgeschäften. Im Hinblick darauf steht die Hinzurechnungsbesteuerung für nicht aktiv tätige ausländische Einkaufsgesellschaften (Rz. 10.1 ff.) ebenso auf dem Prüfstand3 wie die im Ausland nicht selten anzutreffende Liefergewinnbesteuerung (Rz. 15.131). Ebenso wie das GATT enthält auch das allgemeine Übereinkommen über 4.49 den Handel mit Dienstleistungen (GATS)4 ein Diskriminierungsverbot, das darauf gerichtet ist, eine zu hohe oder gar doppelte Besteuerung von Gewinnen aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu vermeiden (Art. XVII GATS).5 Betroffen hierdurch sind insbesondere grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen und Versicherungen, soweit diese im Schuldnerland einer auf Bruttobasis erhobenen Quellensteuer unterliegen.6

F. DBA-Diskriminierungsverbote Literatur Kommentare zu Art. 24 OECD-MA; Avery Jones, The non-discrimination article in tax treaties, ET 1991, 310; Böckli, Die Verweigerung der Steuergutschrift gegenüber Steuerausländern nach der deutschen Körperschaftsteuerreform 1977 aus der Sicht eines Vertragsstaates, StuW 1979, 1; Bohnert, US-Steuerreform und deutschamerikanisches Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 37; Debatin, Das Verbot steuerlicher Diskriminierung, DStZ A 1970, 129; Ebenroth/Willburger, Die Organträgerfähigkeit US-amerikanischer Kapitalgesellschaften im deutschen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1995, Beilage 3, 1; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, Heidelberg 1988; Görlich, Ausländerdiskriminierung im Körperschaftsteuerrecht, FR 1978, 367; Hageböke/Käbisch, Zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des UmwStG i.d.F. SEStEG-E auf Grund der 1 Die in § 12 UStG sowohl für die Lieferung als auch für die Einfuhr von Waren gleichermaßen geltenden Steuersätze sind daher GATT-konform. 2 Da die im Einzelnen geltenden Verbrauchsteuersätze nicht zwischen eingeführter Ware und Inlandsware differenzieren, sind die deutschen Verbrauchsteuersätze GATT-konform. 3 Zu Einzelheiten Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 38 ff. 4 Das GATS (General Agreement on Trade and Services) in der Fassung der Uruguay-Runde, BGBl. II 1994, 1473, 1643. 5 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/ WTO), 81 ff.; Vogelgesang, IStR 1993, 1 ff. 6 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/ WTO), 84 f.

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Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote Diskriminierungsverbote in Art. 24 OECD-MA, IStR 2006, 849; Hahn, DBA- und EG-rechtliche Diskriminierungsverbote, BB 2005, 521; Hintzen, Die Diskriminierungsvorschrift der Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Verbesserung, DB 1976, 2226; IFA, Non-discrimination rules in international taxation, LXXIXb (1993); Jacob, Betriebsstättendiskriminierung – eine neues altes Problem, IStR 2002, 735; M. Lang, Betriebsstättendiskriminierungsverbot und Verlustvortrag für beschränkt Steuerpflichtige, SWI 1990, 34; Lang/Schuch/Staringer, Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doeppelbesteuerungsabkommen, Wien 2006; Loukota, Das DBA-Diskriminierungsverbot, SWI 2005, 56; Meilicke, AusländerDiskriminierung bei der stillen Gesellschaft, FR 1980, 105; van Raad, Non discrimination in International Tax Law, Deventer 1986, 141; Raupach, Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsklausel in Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1966, 85; Rust, Ermöglichen Diskriminierungsverbote eine Organschaft über die Grenze?, IStR 2003, 658; Saß, Zur Auslegung der in Doppelbesteuerungsabkommen übernommenen OECD-Klausel über die Nichtdiskriminierung von Betriebsstätten, AWD 1965, 106; Vogel, Das Verbot der Betriebsstättendiskriminierung im Körperschaftsteuerrecht, AWD 1970, 349.

I. Einführung 4.50 Die Doppelbesteuerungsabkommen normieren durchweg ein auf Gegenseitigkeit angelegtes Diskriminierungsverbot.1 Das DBA-Diskriminierungsverbot bezieht sich auf Staatsangehörige (Art. 24 Abs. 1, 2 OECDMA) und Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaates (Art. 24 Abs. 3 OECD-MA), auf die Geltendmachung von Schulden und Betriebsausgaben, soweit Gläubiger oder Empfänger derselben im anderen Vertragsstaat ansässig sind (Art. 24 Abs. 4 OECD-MA) und auf Kapitalund Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5 OECD-MA). Die vorstehenden Regelungen des DBA-Diskriminierungsverbotes, die selbständig nebeneinander anwendbar sind,2 gelten für die Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Steuerrechts3 und grundsätzlich für alle Steuern, auch soweit sie nicht unter den Anwendungsbereich der Abkommen fallen.4 Sind neben Art. 24 Abs. 1 OECD-MA zugleich auch die Voraussetzungen anderer Diskriminierungsverbote erfüllt,5 kann der Steuerpflichtige dasjenige für sich beanspruchen, das für ihn den größeren Schutz gewährt.6 1 Art. 24 OECD-MA; einige deutsche DBA enthalten hiervon abweichend keine oder nur abgeschwächte Diskriminierungsverbote; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 23, 26. 2 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 6, 165a. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 1; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 10. 4 Art. 24 Abs. 6 OECD-MA; in einigen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen gilt das Diskriminierungsverbot indessen nur für die unter das Abkommen fallenden Steuern; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 184, 185 f. 5 Z.B. die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (hierzu Rz. 4.12 ff.) und nach dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl. II 1965, 488). 6 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 13 ff.

94

F. DBA-Diskriminierungsverbote

II. Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen in dem anderen Vertragsstaat aus Gründen der Staatsangehörigkeit steuerlich nicht schlechter gestellt werden. Da die Besteuerung international grundsätzlich nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Ansässigkeit, etwa Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), anknüpft, spielt die Staatsangehörigkeitsdiskriminierung in der Abkommenspraxis keine große Rolle.1 Die Nichtansässigkeit ist damit im Rahmen des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes kein Diskriminierungsmerkmal, und zwar selbst dann nicht, wenn es sich hierbei zumeist um fremde Staatsangehörige2 handelt. Verboten ist daher nur eine Diskriminierung, die ausschließlich auf der Staatsangehörigkeit beruht.3 Eine versteckte Diskriminierung soll daher erlaubt sein.4 Hierin unterscheidet sich das DBA-Diskriminierungsverbot von den EU-Diskriminierungsverboten.5 Hiervon ausgehend stellt die steuerliche Differenzierung zwischen unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits keinen Verstoß gegen das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung6 dar.7 Innerhalb der Gruppen der unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen dürfen freilich fremde Staatsangehörige nicht benachteiligt werden.8

4.51

Das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot schützt nur fremde Staatsangehörige, so dass eigene Staatsangehörige, etwa im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§§ 2 bis 5 AStG), im Vergleich zu fremden Staatsangehörigen steuerlich benachteiligt werden dürfen.9 Da der Diskriminierungsschutz zugunsten der Staatsangehörigen der Ver-

4.52

1 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 36; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECDMA Rz. 14; Böckli, StuW 1979, 1 (4). 2 Der Diskriminierungsschutz wird gem. Art. 24 Abs. 2 OECD-MA auch auf Staatenlose erstreckt; in deutschen DBA ist das nicht die Regel; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 88. 3 BFH v. 30.10.1973 – I R 38/70, BStBl. II 1974, 255; v. 30.4.1975 – I R 41/73, BStBl. II 1975, 706. 4 BFH v. 30.4.1975 – I R 41/73, BStBl. II 1975, 706; Rust in V/L5, Art. 24 OECDMA Rz. 5; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 16, 86; Engelschalk, Besteuerung von Steuerausländern, 101 f. 5 Zum Verbot der versteckten EU-Diskriminierung Rz. 4.12. 6 Art. 24 Abs. 1, 2 OECD-MA. 7 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708; Land in F/W/K, Art. 25 DBA-Schweiz Rz. 10. 8 BFH v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 51. 9 Diese Ungleichbehandlung ist allerdings an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen; hierzu im Einzelnen Rz. 5.292.

95

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

tragsstaaten ohne Rücksicht darauf wirkt, wo diese ansässig sind,1 werden auch in Drittstaaten ansässige Staatsangehörige geschützt.2

4.53 Das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung betrifft im Hinblick auf die Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personengesellschaften. Während bei natürlichen Personen auf das jeweilige Staatsangehörigkeitsrecht des anderen Vertragsstaates abgestellt wird,3 ist bei juristischen Personen das Errichtungsstatut maßgeblich, so dass insbesondere die steuerliche Schlechterstellung von Kapitalgesellschaften untersagt ist, die nach ausländischem Recht errichtet worden sind.4 Bei Personengesellschaften wird ebenfalls auf das Errichtungsstatut abgestellt, wobei sich der abkommensrechtliche Diskriminierungsschutz nur insoweit auswirken kann, als Personengesellschaften selbst unmittelbar steuerrechtsfähig sind.5

4.54 Das Diskriminierungsverbot verbietet es nicht nur, Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten höhere Steuern als den eigenen Staatsangehörigen aufzuerlegen, sondern gebietet es auch, den Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten alle Vorteile – Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen und Steuerermäßigungen – zukommen zu lassen, die eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.6 Das gilt auch für die Anwendung von Drittstaatenabkommen.7 Inhaltlich bezieht sich das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung grundsätzlich nicht nur auf das Steuerschuldverhältnis, sondern erfasst das gesamte steuerliche Pflichtenverhältnis.8 Daher müssen etwa steuerliche Wirtschaftslenkungsmaßnahmen des nationalen Rechts auch zugunsten fremder Staatsangehöriger wirken.9 1 Art. 24 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; bei den meisten deutschen DBA wird dagegen die Ansässigkeit in dem einen oder anderen Vertragsstaat gefordert; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 66. 2 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 40; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECDMA Rz. 1; Hintzen, DB 1976, 2226 (2229). 3 In Deutschland Art. 116 GG. 4 Art. 24 Abs. 1 OECD-MA verbietet nur eine Differenzierung nach dem Errichtungsstatut nicht aber nach dem Sitz bzw. dem verlegten Verwaltungssitz; BFH v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 3.8.1983 – II R 20/80, BStBl. II 1984, 9; zu Einzelheiten Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 57; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 14; kritisch hierzu Ebenroth/Willburger, RIW 1995, Beilage 3, 1 (4). 5 Hier kann allerdings das spezielle Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5 OECD-MA) eingreifen; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 163. 6 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 7 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 21. 8 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECDMA Rz. 20. 9 BFH v. 18.12.1981 – VI R 97/81, BStBl. II 1982, 256.

96

F. DBA-Diskriminierungsverbote

III. Verbot der Betriebsstättendiskriminierung Die in der Praxis wichtigste Ausprägung des abkommensrechtlichen 4.55 Diskriminierungsverbotes ist das Verbot, die Besteuerung von Betriebsstätten eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens ungünstiger zu gestalten als die Besteuerung eigener Unternehmen (Art. 24 Abs. 3 OECD-MA). Für die Tätigkeit dieser Betriebsstätten (Art. 5 OECDMA) hat jeder Vertragsstaat die gleichen steuerlichen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten wie für die entsprechende Tätigkeit einheimischer Unternehmen.1 Der Diskriminierungsschutz gilt zugunsten der Betriebsstätten unabhängig davon, ob diese von einem Einzelunternehmen, einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft des anderen Vertragsstaates betrieben werden. Für Personengesellschaften gilt das jedoch nur dann, wenn sie selbst abkommensberechtigt sind, anderenfalls gelten die Gesellschafter als Träger der Betriebsstätte. In diesem Fall können die Gesellschafter den Diskriminierungsschutz für ihre Betriebsstätte beanspruchen, wenn sie in dem anderen Vertragsstaat ansässig sind.2

4.56

Die Feststellung der Diskriminierung verlangt einen hypothetischen Vergleich zwischen der inländischen Betriebsstättenbesteuerung des ausländischen Unternehmens und der Besteuerung eines Unternehmens des Betriebsstättenstaates.3 Gegen das Verbot der Betriebsstättendiskriminierung wird nur dann verstoßen, wenn die finanzielle Belastung (Gesamtsteuerbelastung)4 des ausländischen Unternehmens hinsichtlich seiner inländischen Betriebsstätte höher ist. Abzustellen ist daher allein auf die Geldzahlungslast5 mit der Folge, dass verfahrensrechtliche Diskriminierungen zulässig sind. Ein Steuerabzug an der Quelle ist daher, für sich betrachtet, keine Diskriminierung,6 es sei denn, dass die Steuerpflicht durch den Steuerabzug auf Bruttobasis abgegolten ist und hierdurch eine höhere Steuerlast entsteht.7 Verboten sind aber Sonderbelastungen. Im

4.57

1 Zu einigen Besonderheiten in der deutschen Abkommenspraxis Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 126 ff. 2 BFH v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 99; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 42; Land in F/W/K, Art. 25 DBA-Schweiz Rz. 31; zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften im Einzelnen Rz. 16.177 ff. 3 Hierzu im Einzelnen Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 95, 103 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. 4 BFH v. 14.9.1994 – I B 40/94, IStR 1995, 78. 5 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECDMA Rz. 49. 6 BFH v. 14.9.1994 – I B 40/94, IStR 1995, 78; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 104. 7 Wegen § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht relevant.

97

Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote

Hinblick darauf sind spezielle Betriebsstättensteuern, wenn sie zu einer höheren Steuerbelastung führen, unzulässig.1

4.58 Die Reichweite des Verbots der Betriebsstättendiskriminierung wird dadurch eingeschränkt, dass Steuervorteile, die ihren Rechtsgrund in persönlichen Verhältnissen des im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmers haben, nicht gewährt werden müssen (Art. 24 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA). Diese Einschränkung, die lediglich für die Besteuerung natürlicher Personen gilt,2 wird von der deutschen Rechtsprechung allgemein in dem Sinne verstanden, dass sich das Diskriminierungsverbot im Ergebnis nur auf betriebsbezogene Besteuerungsmerkmale erstreckt.3 Die generelle Ausklammerung nicht betriebsbezogener Besteuerungsmerkmale aus dem für Betriebsstätten geltenden abkommensrechtlichen Diskriminierungsschutz ist indessen durch den Wortlaut der Doppelbesteuerungsabkommen nicht geboten.4

IV. Verbot der Diskriminierung nicht ansässiger Empfänger von Betriebsausgaben 4.59 Das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot erfasst auch die Diskriminierung, die sich daraus ergibt, dass in manchen Ländern Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte uneingeschränkt steuerlich abgezogen werden dürfen, wenn der Empfänger eine dort ansässige Person ist, während der Abzug bei nicht ansässigen Empfängern eingeschränkt oder unzulässig ist (Unternehmensschuldnerdiskriminierung; Art. 24 Abs. 4 OECD-MA).

4.60 Dieses Diskriminierungsverbot5 ist gegen den jeweiligen Ansässigkeitsstaat gerichtet. Geschützt ist daher eine mittelbare Diskriminierung von Steuerausländern. Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte, die an sie als Gegenleistung für eine von ihnen erbrachte Leistung gezahlt werden, sollen vom inländischen Schuldner ebenso steuerlich abgezogen werden können wie entsprechende Zahlungen an inländische Gläubiger. Die Reichweite von Art. 24 Abs. 4 OECD-MA ist dennoch begrenzt: Zwischen verbundenen Unternehmen greift Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und zwischen in besonderen Beziehungen stehenden Personen Art. 11 Abs. 6, 1 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 107; Bohnert, RIW 1987, 37 ff.; in der deutschen Abkommenspraxis wird allerdings anderen Vertragsstaaten die Erhebung einer branch profits tax ausdrücklich vorbehalten; Nachweise bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 107. 2 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 109. 3 BFH v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; v. 13.1.1970 – I 32/65, BStBl. II 1970, 790; v. 30.10.1973 – I R 38/70, BStBl. II 1974, 255. 4 Im Einzelnen hierzu Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 109; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 51; Hintzen, DB 1976, 2226 (2227). 5 Es ist erst in den neueren deutschen DBA verankert; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 154.

98

F. DBA-Diskriminierungsverbote

12 Abs. 4 OECD-MA ein.1 Im Ergebnis beschränkt sich der Anwendungsbereich damit auf Zahlungen an nicht verbundene Unternehmen.

V. Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung Art. 24 Abs. 5 OECD-MA untersagt, ansässige Unternehmen steuerlich zu benachteiligen, nur weil deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar in ausländischen Händen liegt (Unternehmensabhängigkeitsdiskriminierung). Dieses Diskriminierungsverbot, das sich nur auf die Besteuerung des Unternehmens, nicht aber auf die der Gesellschafter bezieht,2 ist gegen den Ansässigkeitsstaat gerichtet und erfasst Kapitalund Personengesellschaften gleichermaßen.3 Vom Schutzbereich des Diskriminierungsverbotes wird das gesamte steuerliche Pflichtverhältnis erfasst, wobei besondere Berichts- und Kontrollpflichten zwecks Angemessenheitsprüfung von Verrechnungspreisen keine Diskriminierung bedeuten.4

4.61

Der Diskriminierungsschutz zugunsten der inländischen Unternehmen setzt nur dann ein, wenn die Diskriminierung darauf beruht, dass ausländische Gesellschafter beteiligt sind. Die Beteiligung von Steuerausländern muss also der auslösende Umstand für die steuerliche Schlechterstellung sein.5 Im Hinblick darauf kann etwa die Nichtanerkennung grenzüberschreitender Organschaften6 und die steuerliche Benachteiligung grenzüberschreitender Umstrukturierungen7 von Art. 24 Abs. 5 OECD-MA erfasst werden.

4.62

Das Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung ist nicht in allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verankert. Einige enthalten entweder überhaupt kein derartiges Diskriminierungsverbot oder aber nur sog. Meistbegünstigungsklauseln, die lediglich einen eingeschränkten Diskriminierungsschutz gewähren.8

4.63

1 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 138. 2 BFH v. 20.2.1974 – I R 8/71, BStBl. II 1974, 616; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 164; Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 86. 3 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 163; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 103; Land in F/W/K, Art. 25 DBA-Schweiz Rz. 52; Raupach, AWD 1966, 85 (89); a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 24 OECD-MA Rz. 89; offen gelassen von BFH v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 4 So jedenfalls OECD-Kommentar zu Art. 24 Ziff. 59. 5 Aus diesem Grunde verstieß z.B. § 8a KStG a.F. nicht gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA. 6 Rust, IStR 2003, 658 (661); einschränkend dagegen zwecks Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung, BMF v. 8.12.2004, IStR 2005, 26. 7 Hageböke/Käbisch, IStR 2006, 849 ff. 8 Hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 172 ff.

99

2. Teil Außensteuerrecht Kapitel 5 Einkommensteuer A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Literatur Kommentare zu § 1 EStG; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, Berlin 1978; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Frankfurt/M. u.a, 2001; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 130 ff.; 161 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993, 228 ff., 276 ff.; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip, Köln 1967; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Kroschel, Die Federal Income Tax der Vereinigten Staaten von Amerika, 1999; Kußmaul/ Ruiner, Verfassungsrechtliche Grundlagen, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der Steuerpflicht bei natürlichen Personen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, StuW 2009, 80; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, München 1995, 49 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 219 ff., 256 ff., 328 ff.; Verdross, Völkerrecht, 5 Aufl., Wien 1964; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Berlin 1965; Weber-Fas, Grundzüge des allgemeinen Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1979; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.

Es gehört zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, dass jeder Staat eine Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze nur dann begründen darf, wenn es hierfür persönliche oder räumliche Anknüpfungspunkte gibt.1

5.1

Für den Bereich der Steuern vom Einkommen ist es international üblich die persönliche Beziehung zum besteuernden Staat als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht und die räumliche Beziehung

5.2

1 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 16.12.1964 – II 154/61 U, BStBl. III 1965, 134; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 464 ff.; Vogel in V/L5;, Einl. Rz. 11; Verdross, Völkerrecht5, 319; Weber-Fas, Grundzüge des allgemeinen Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland, 61 (64); Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 82 ff.; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 172 f.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 143; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 78 f.; zu weiteren Einzelheiten Rz. 2.5.

101

Kapitel 5 Einkommensteuer

zum besteuernden Staat als Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht zu wählen. Im Bereich der unbeschränkten Steuerpflicht wird wie in Deutschland durchweg in der Staatenpraxis auf den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitzprinzip) und in Ausnahmefällen auf die Staatsangehörigkeit (Nationalitätsprinzip) abgestellt. Das Wohnsitzprinzip (Ansässigkeitsprinzip) und Nationalitätsprinzip kennzeichnen die Umschreibung des Steuersubjekts.1 Mit diesen korrespondiert auf der Seite des Steuerobjekts2 zumeist das Welteinkommensprinzip (Universalitätsprinzip, Totalitätsprinzip oder Globalprinzip) und in Ausnahmefällen das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip). Bei beschränkter Steuerpflicht wird demgegenüber stets das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verwirklicht.

5.3

Der Begriff des Territorialitätsprinzips ist doppeldeutig. Soweit nämlich bei der Anknüpfung am Steuersubjekt Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt als territoriale Merkmale maßgeblich sind, wird zwecks Abgrenzung zum Nationalitätsprinzip der Begriff subjektives Territorialitätsprinzip verwendet. Auf der Ebene des Steuerobjekts findet dieser Begriff seine Parallele im sog. objektiven Territorialitätsprinzip, wodurch im Gegensatz zum Universalitätsprinzip eine Anknüpfung nur an inländische Steuerquellen gekennzeichnet wird.3

5.4 Die vorgenannten steuersubjekt- und steuerobjektbezogenen Anknüpfungsmerkmale sind in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgeprägt. So hat insbesondere das Territorialitätsprinzip weltweit Weiterungen derart erfahren, dass nicht nur inländische, sondern im Ergebnis auch ausländische Einkunftsquellen erfasst werden.

5.5

Im Bereich der Besteuerung von Betriebsstätteneinkünften wird in der internationalen Staatenpraxis durchweg auf einer ersten Stufe zunächst auf das Territorialitätsprinzip dahingehend abgestellt, dass die beschränkte Steuerpflicht das Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte voraussetzt. Auf einer zweiten Stufe im Rahmen der Einkünfteermittlung der Betriebsstätte gilt sodann nicht mehr das Territorialitätsprinzip, sondern die sachliche – nicht räumliche – Zuordnung von Einkünften mit der Folge, dass auch ausländische Einkunftsquellen erfasst werden. So besteuern beispielsweise die USA alle Einkünfte, die „effectively connected“ mit einer Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte sind.4 Im Bereich der deutschen beschränkten Steuerpflicht ist die territoriale Anknüpfung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und selbständiger Arbeit ebenfalls weit gezogen. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG werden nämlich auch Einkünfte aus einer im Ausland ausgeübten selbständigen oder nichtselbständigen Arbeit erfasst, wenn sie im Inland verwertet wird.

1 Hierzu allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 22. 2 Hierzu allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 23 ff.; umfassend Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 34 ff. 3 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Mössner, DStJG 8 (1985), 122. 4 Sec. 861 ff. IRC.

102

A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung

Im Bereich der unbeschränkten Steuerpflicht steht international die Anknüpfung an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt (Ansässigkeit) sowie an die Staatsangehörigkeit im Vordergrund. Die Gewichtung ist in den einzelnen Staaten allerdings unterschiedlich.1

5.6

Die USA knüpfen die unbeschränkte Steuerpflicht sowohl an die Ansässigkeit als auch an die Staatsangehörigkeit an. Im Vordergrund steht die Staatsangehörigkeit (Nationalitätsprinzip). Darüber hinaus werden im Rahmen des Ansässigkeitsprinzips jene Personen erfasst, die entweder im Besitz einer Daueraufenthaltsgenehmigung der USA sind (permanent residency permit, sog. greencard)2 oder sich im laufenden und in den beiden vergangenen Kalenderjahren – berechnet nach einem bestimmten Schlüssel – insgesamt mindestens 183 Tage in den USA aufgehalten haben, wobei auf das laufende Kalenderjahr eine Aufenthaltsfrist von mindestens 31 Tagen entfallen muss (substantial presence).3

5.7

In Kanada knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht in erster Linie an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Erfasst werden „resident persons“, also jene Personen, die sich insgesamt mindestens 183 Tage in dem betreffenden Steuerjahr in Kanada aufgehalten haben.4 Einwanderer können sich auf Antrag während der ersten fünf Jahre so behandeln lassen, als seien sie nicht in Kanada ansässig.5 Die unbeschränkte Steuerpflicht in Großbritannien setzt bei einer natürlichen Person eine residence bzw. eine ordinary residence oder ein domicile voraus. Die residence knüpft an den Wohnsitz im Inland an, d.h. den Unterhalt eines Hauses oder einer Wohnung, es sei denn, trotz Wohnsitzes wird im Ausland eine vollberufliche Tätigkeit ausgeübt. Auch bei einem Aufenthalt von mehr als 183 Tagen im Steuerjahr oder während durchschnittlich mindestens dreier Monate pro Jahr innerhalb der letzten drei aufeinander folgenden Jahre liegt ein Wohnsitz in Großbritannien vor. Mit gewissen Beschränkungen modifiziert steuerpflichtig ist, wer in Großbritannien zwar „ansässig“, aber nicht „gewöhnlich ansässig“ (ordinarily resident) ist, also nicht beabsichtigt, auf Dauer im Inland zu leben oder eine Wohnung zu unterhalten. Er kann erst nach weiteren zwei oder drei Jahren unter gewissen Voraussetzungen der vollen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen.6 Wer zwar eine residence in Großbritannien hat, aber kein domicile, unterliegt ebenfalls Modifizierungen der unbeschränkten Steuerpflicht; der Begriff des domicile knüpft subjektiv daran an, ob jemand Großbritannien als seine Heimat betrachtet. Nach den 1 Zum internationalen Vergleich Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 246 ff.; Mennel/Förster, Steuern in Europa; Großfeld, Die Einkommensteuer – Geschichtliche Grundlage und rechtsvergleichender Ansatz; Ruppe in H/H/R, Einf. ESt Rz. 165 ff. 2 Sec. 7701 (b) (1) (A) (i), Bomm/Mittermeier in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, USA Rz. 36. 3 Sec. 7701 (b) (1) (A) (ii) i.V. mit Sec. 7701 (b) (3) IRC (sog. Substantial presence test); Bomm/Mittermeier in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, USA Rz. 36; Kroschel, Die Federal Income Tax der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 48; vgl. auch Kußmaul/Ruiner, StuW 2009, 80 (81 ff.). 4 Sec. 250 (1) (a) ITA. 5 Müssener in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Kanada Rz. 34. 6 Zu den Einzelheiten Müssener in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Großbritannien Rz. 22.

103

Kapitel 5 Einkommensteuer Grundsätzen des „domicile of origin“ hat der Steuerpflichtige sein domicile am Wohnsitzstaat des Vaters bzw. der Mutter.1 Unter die unbeschränkte Steuerpflicht in Frankreich fallen nicht nur Personen, die dort ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, sondern auch jene, die dort einer selbständigen oder unselbständigen und nicht nur nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit nachgehen, oder deren Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen in Frankreich liegt, ohne dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu haben.2 Damit sind in Frankreich die Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht sehr weit gezogen. In der Schweiz werden von der unbeschränkten Steuerpflicht Personen erfasst, die dort ihren Wohnsitz haben, sich dort für mindestens 30 Tage aufhalten und eine Erwerbstätigkeit ausüben, oder sich, ohne eine Erwerbstätigkeit auszuüben, mindestens 90 Tage in der Schweiz aufhalten.3 Japan hat mit Wirkung ab dem 1.4.2006 ein ähnliches Steuerregime wie Großbritannien eingeführt. Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse in Japan haben oder sich dort seit mindestens einem Jahr aufhalten, sind unbeschränkt steuerpflichtig. Ausländer, die nicht beabsichtigen, in Japan ansässig zu werden, und innerhalb der letzten zehn Jahre tatsächlich nicht länger als fünf Jahre ansässig geworden sind, unterliegen einer modifizierten unbeschränkten Steuerpflicht dahingehend, dass nur die inländischen Einkünfte und die von ihnen ins Inland transferierten ausländischen Einkünfte der Besteuerung unterliegen.4

5.8 Die in der internationalen Staatenpraxis gängige Differenzierung zwischen Universalitätsprinzip bei unbeschränkter Steuerpflicht und Territorialitätsprinzip bei beschränkter Steuerpflicht gilt vor allem bei einigen lateinamerikanischen Staaten nicht, deren Einkommensteuerrecht stark vom Territorialitätsprinzip geprägt ist.5

1 Müssener, in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Großbritannien Rz. 23e. 2 Tillmanns in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Frankreich Rz. 40; Art. 4b Abs. 1 Code General des Impots. 3 Kolb in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Schweiz Rz. 22; Kubaile/Suter/Jakob, Der Steuer- und Investionsstandort Schweiz2, 18; Art. 3 Abs. 3 DBG. 4 Arnold in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Japan Rz. 19 f. 5 Hierzu Valdés Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 43 ff.; Gnazzo in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 57 ff.

104

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

B. Unbeschränkte Steuerpflicht I. Wohnsitzprinzip Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 1 bis 3 EStG; Bayer, Der Stufenbau des Steuertatbestandes, FR 1985, 337; Bayer/Müller, Das Einkommen – der Steuergegenstand des Einkommensteuerrechts?, BB 1978, 1; Gnazzo in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985, 57 ff.; Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen, Wien 1996; Valdés Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985, 43 ff.

Das Einkommensteuergesetz folgt dem international üblichen Wohnsitzprinzip, indem es die unbeschränkte Steuerpflicht an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG).

5.9

Das derzeit geltende Wohnsitzprinzip mit der ausschließlichen Anknüpfung an Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt wurde erst durch das Einkommensteuergesetz 19251 verwirklicht. Bis dahin galt daneben auch das Nationalitätsprinzip. Dieses Nationalitätsprinzip wurde begründet im preußischen Einkommensteuergesetz von 1891, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht ausschließlich an die preußische Staatsangehörigkeit anknüpfte.2 Mit dem Einkommensteuergesetz 19203 wurde das Nationalitätsprinzip durch das Wohnsitzprinzip dahingehend modifiziert, dass unbeschränkt steuerpflichtig alle Deutschen waren, sofern sie sich nicht länger als zwei Jahre im Ausland aufhielten, sowie Ausländer, soweit sie sich ständig oder länger als sechs Monate im Inland aufhielten.

5.10

Mit dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG normierten Wohnsitzprinzip wird das Steuersubjekt, die persönliche Seite des Steuertatbestandes geregelt. Demgegenüber bestimmt § 2 EStG das Steuerobjekt, die sachlichen Voraussetzungen des Steuertatbestandes.4 Dieser dualistische Steuertatbestand5 gilt nur bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht. Für die beschränkte Steuerpflicht wird demgegenüber durch § 1 Abs. 4 EStG ein monistischer Steuertatbestand dadurch statuiert, dass Steuerausländer nur dann beschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen. Hiernach kann nur diejenige natürliche Person Steuersubjekt sein, der ein Steuerobjekt zugerechnet werden kann.

5.11

1 2 3 4

Vom 10.6.1925, RGBl. I 1925, 189. Hinweise bei Huchatz/Daenner in H/H/R, Dok. 1 Rz. 3. Vom 29.3.1920, RGBl. 1920, 359. Zur „Lehre vom Einkommensteuertatbestand“, insbesondere zur „Stufenbaulehre“ Bayer/Müller, BB 1978, 1 ff.; Bayer, FR 1985, 337 ff.; zum Stand der Meinungen Zugmaier in H/H/R, § 2 EStG Rz. 15, 51. 5 So die „klassische Lehre“, etwa Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 113 ff.; § 9 Rz. 40 ff.; nach der „Stufenbaulehre“ ergibt sich dagegen ein vierstufiger Aufbau: Steuersubjekt und Steuergegenstand als Stufen des Grundtatbestandes und Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz als Stufen des Höhentatbestandes.

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Kapitel 5 Einkommensteuer

Im Hinblick darauf haben die Begriffe der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht vor allem Bedeutung für das Steuerobjekt.

II. Wohnsitz Literatur Kommentare zu § 8 AO, § 1 EStG; Birkholz, Der Wohnsitz, seine Begründung, seine Aufgabe und deren Bedeutung im Rahmen des Steuerrechts, DStZ A 1979, 247 ff.; Debatin, Der doppelte Wohnsitz im Internationalen Steuerrecht, AWD 1966, 313 ff.; E. Becker, Wohnsitz, StuW 1939, 553 ff.; Esser, Die Wohnsitzregelung im deutschen Steuerrecht, RIW 1976, 513 ff.; Flick/Flick-Pistorius, Zur Frage des steuerlichen (Studenten-) Wohnsitzes, DStR 1989, 623 ff.; Greven, Der Wohnsitz natürlicher Personen nach deutschem Steuerrecht, Diss. Basel 1955; Heining, Der Wohnsitz im Internationalen Steuerrecht, JbFSt 1967/68, 37 ff.; Lederer, Doppelter Wohnsitz natürlicher Personen im Internationalen Steuerrecht, RIW/AWD 1981, 463 ff.; Lohmeyer, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Steuerrecht, DVStR 1975, 21 ff.; Paus, Zeitliche Mindestanforderungen bei der Begründung eines Wohnsitzes im Inland und bei der Förderung von Ferienwohnungen, DStZ 1989, 283 ff.; Strickrodt, Auslandswohnsitz und Ausländereigenschaft als Besteuerungsmerkmale, DStR 1966, 99 ff.

5.12 Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).

5.13 Mit § 8 AO hat sich das Steuerrecht einen spezifischen Wohnsitzbegriff geschaffen, der sich etwa von den §§ 7 und 8 BGB dadurch unterscheidet, dass er nicht auf subjektive Umstände, sondern allein auf die tatsächliche Gestaltung abstellt.1 Im Hinblick darauf kommt es auch nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen Wohnsitz begründen oder aufheben wollte. Manifestiert sich der Wille des Steuerpflichtigen indessen nach außen, etwa durch An- und Abmeldung des Wohnsitzes bei der Ordnungsbehörde, kann insoweit ein dahingehender Indikator für den Wohnsitz gegeben sein.2

5.14 Der Wohnsitzbegriff setzt eine Wohnung voraus. Es müssen also zum Wohnen geeignete Räumlichkeiten vorhanden sein, die allerdings nicht bestimmten Anforderungen entsprechen müssen. Daher spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Räumlichkeiten angemessen oder gar standesgemäß sind.3 Somit kommen als Wohnung in Betracht: Baracken, Hotelzimmer bei Dauernutzung, Wochenendhäuser, Jagdhäuser, Gartenhäuschen in einer Laubenkolonie, Wohnwagen bei Dauermiete auf einem 1 BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153; v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 21.3.2003 – III B 123/02, BFH/NV 2003, 944; Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 2; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 87. 2 RFH v. 25.4.1933, RStBl. 1933, 1075; v. 17.11.1938, RStBl. 1938, 1122; BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153. 3 Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 5; Schwarz, § 8 AO Rz. 5.

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B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Campingplatz.1 Ebenso ist es ohne Bedeutung, ob die Räumlichkeiten möbliert sind oder nicht. Der Wohnsitzbegriff verlangt ferner ein Innehaben der Wohnung. Ein In- 5.15 nehaben ist zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige über die Wohnung tatsächlich verfügen kann, und zwar aufgrund eigener oder abgeleiteter Verfügungsmacht.2 Eine jedenfalls abgeleitete Verfügungsmacht ist insbesondere in den Fällen eines Familienwohnsitzes anzunehmen, wenn der Betreffende bei sich bietender Gelegenheit dorthin immer wieder zurückkehrt, um dort mit der Familie zu wohnen.3 Im Hinblick darauf ist im Zweifel davon auszugehen, dass etwa auswärts arbeitende Ehegatten und an einem anderen Studienort studierende Kinder ihren Wohnsitz dort haben, wo die Familie ihren Wohnsitz hat.4 Eine derartige Verfügungsmacht ist indessen grundsätzlich zu verneinen, wenn sich jemand lediglich zu Besuchszwecken bei einer anderen Person, auch wenn es sich hierbei um Verwandte handelt, oder in einem Hotel aufhält.5 Für den Wohnsitzbegriff kommt es auch auf die Umstände des Innehabens an. Diese müssen darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Wesentlich ist somit, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist.6 Es wird also nicht auf die tatsächliche Nutzung abgestellt. So reicht es bei Abwesenheit des Wohnungsinhabers aus, wenn die Wohnung so ausgestattet ist, dass er jederzeit zurückkehren und sich hierin aufhalten kann.7 Wird die Wohnung während der Abwesenheit dagegen vermietet, entfällt die von § 8 AO vorausgesetzte Verfügungsmacht über diese Wohnung, es sei denn, es handelt sich nur um eine vorübergehende Unterbrechung der Verfügungsmacht.8 In Anlehnung an § 9 Satz 2 AO kann ein Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten noch als vorübergehend angesehen werden.9 1 So die Aufzählung bei Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 5 und Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 63 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 2 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. 3 BFH v. 29.10.1959 – IV 129/58 S, BStBl. III 1960, 61; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1146 (1148); v. 30.10.2002 – VIII R 86/00, BFH/NV 2003, 464. 4 Zu Ehegatten BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; v. 2.11.1994 – I B 110/94, BFH/NV 1995, 753; zu Studenten BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; zu weiteren Einzelheiten Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 65 ff. 5 Zu Einzelheiten Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 6, 6a, 6b. 6 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 22.4.1994 – III R 22/92, BStBl. II 1994, 887; v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. 7 BFH v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; weitere Einzelheiten bei Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 9 ff. 8 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 949, Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 70. 9 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 68, vgl. auch BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956.

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5.16

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.17 Ob die Umstände auf ein Beibehalten und Benutzen der Wohnung schließen lassen, beurteilt sich nach der Lebenserfahrung.1 Hiernach werden Räumlichkeiten, die eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Bleibe darstellen, ebenso für ein Beibehalten und Benutzen sprechen2 wie regelmäßige Aufenthalte des Steuerpflichtigen dortselbst.3

5.18 Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige sie beibehalten und benutzen wird, drückt schließlich ein Zeitmoment aus. Das bedeutet, dass die Umstände dafür sprechen müssen, dass die Wohnung nicht nur vorübergehend benutzt wird. Da § 8 AO keine konkrete Zeitregelung enthält, kann insoweit auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückgegriffen werden.4

5.19 Im Hinblick auf die vorgenannten Begriffsmerkmale kann ein Steuerpflichtiger durchaus mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben.5

III. Gewöhnlicher Aufenthalt Literatur Kommentare zu § 9 AO und § 1 EStG; Deppe, Zur Vorhersehbarkeit von Entscheidungen zum gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), StuW 1982, 332 ff.; Hartmann, Der gewöhnliche Aufenthalt im Steuerrecht, DB 1974, 2427 ff.; Heinemann, Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG, FR 1964, 26; Land, Zur Frage der unbeschränkten Steuerpflicht in Sonderfällen, DStZ 1980, 472 ff.; Lang, Zum Inlandsbegriff des EStG 1975, StuW 1974, 293 ff., 304 ff.

5.20 Gemäß § 9 Satz 1 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Damit knüpft der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ebenso wie der Wohnsitzbegriff an äußere Merkmale an. Auf einen entsprechenden Willen des Steuerpflichtigen kommt es nicht an.6 Daher kann auch ein Zwangsauf1 BFH v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 9. 2 BFH v. 24.4.1964 – VI 236/62 U, BStBl. III 1964, 462; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447. 3 BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 22.4.1994 – III R 22/92, BStBl. II 1994, 887. 4 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 68. 5 BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. 6 Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 2.

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B. Unbeschränkte Steuerpflicht

enthalt, etwa im Gefängnis1 oder im Krankenhaus,2 zu einem gewöhnlichen Aufenthalt führen. § 9 Satz 1 AO verlangt einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt. Hierfür ist eine körperliche Anwesenheit für einen längeren Zeitraum an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet erforderlich.3 Hieraus folgt, dass auch ein wechselnder Aufenthalt an verschiedenen Orten im Bundesgebiet nach § 9 Satz 1 AO einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann.4

5.21

Im Wege des Umkehrschlusses aus § 9 Satz 2 AO ergibt sich, dass eine Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten nicht erforderlich ist, um einen gewöhnlichen Aufenthalt nach Maßgabe des § 9 Satz 1 AO zu begründen. In diesem Fall muss aber erkennbar gewesen sein, dass der Steuerpflichtige sich ursprünglich länger als sechs Monate im Inland aufhalten wollte.5 Im Hinblick darauf wird in der Besteuerungspraxis bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer ein gewöhnlicher Aufenthalt nur ausnahmsweise angenommen werden können.6

5.22

Die Umstände des Aufenthalts müssen erkennen lassen, dass sich die be- 5.23 treffende Person nicht nur vorübergehend im Inland aufhält. Diese Voraussetzung ist insbesondere nicht bei Personen erfüllt, die im Inland eine Tätigkeit ausüben und täglich in ihre im Ausland gelegene Wohnung zurückkehren. Daher ist ein gewöhnlicher Aufenthalt bei ausländischen Grenzgängern stets zu verneinen.7 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder um selbständige Unternehmer handelt.8 Wer allerdings regelmäßig an Arbeitstagen am inländischen Arbeits-/Geschäftsort übernachtet und sich nur am Wochenende bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seinem ausländischen Wohnsitz begibt, hat jedenfalls einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt.9 1 RFH v. 19.10.1940, RFHE 49, 186; BFH v. 14.11.1986 – VI B 97/86, BFH/NV 1987, 262. 2 BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; hier greift aber ggf. § 9 Satz 3 AO ein. 3 BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956. 4 Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 5; Birk in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; für Zwecke der unbeschränkten Steuerpflicht wird das gesamte Inland als „Gebiet“ angenommen. 5 BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956. 6 Vgl. BMF v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, 26 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 1. 7 BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 1.3.1963 – VI 119/61 U, BStBl. III 1963, 212. 8 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; Deppe, StuW 1982, 332 (443); BMF v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, 26 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 2. 9 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; BMF v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, 26 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 2.

109

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.24 Im Hinblick darauf, dass die Begriffsmerkmale vorübergehender Aufenthalt und Begleitumstände des Aufenthalts sehr unscharf sind, enthält § 9 Satz 2 AO die Bestimmung, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Inland stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen ist. Sobald die Sechsmonatsfrist überschritten ist, wird der gewöhnliche Aufenthalt auf den Beginn zurückbezogen. § 9 Satz 2 AO regelt, dass kurzfristige Unterbrechungen, etwa zu Urlaubszwecken, unberücksichtigt bleiben mit der Folge, dass sie einerseits nicht zu einer Neuberechnung der Sechsmonatsfrist führen und andererseits bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist nicht mit einzubeziehen sind.1 Die Sechsmonatsfrist2 muss nicht zur Gänze in ein Kalenderjahr fallen.3

5.25 Aus § 9 Sätze 1 und 2 AO folgt, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig nicht mehrere gewöhnliche Aufenthalte haben kann.4

5.26 § 9 Satz 3 AO ist eine Sondervorschrift im Verhältnis zu § 9 Satz 2 AO, so dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht anzunehmen ist, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken erfolgt und nicht länger als ein Jahr dauert. Damit wird die Sechsmonatsfrist für die vorgenannten Zwecke auf ein Jahr ausgedehnt. In derartigen Fällen kann gleichwohl aber ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Maßgabe des § 9 Satz 1 AO begründet werden.

5.27 Da sich weder aus den §§ 8 und 9 AO noch aus § 1 Abs. 1 EStG eine Regelung über die Konkurrenz zwischen Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt entnehmen lässt, stehen beide Anknüpfungsmerkmale für die unbeschränkte Steuerpflicht selbständig nebeneinander.5 Gleichwohl wird in der Besteuerungspraxis primär auf den Wohnsitz abgestellt.6

IV. Inland Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 1 EStG; Bode, Grundsatzfragen einer beschränkten Steuerpflicht der im deutschen Kontinentalsockelbereich der Nordsee tätig gewordenen Steuerausländer, DB 1976, 405); Frowein, Verfassungsrechtliche Probleme um den deutschen Festlandsockel, ZaöRV 25 (1965), 1; Hillert, Steuerliche Behandlung des Festlandsockels, FR 1974, 266; Kölble, Bundesstaat und Festlandsockel, DÖV 1964, 217; Kübler, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DÖV 1976, 184; Kurz, Der Bodensee – steuerrechtliches Inland der Bundesrepu1 Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 10, 11; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, 82 f. 2 Berechnung nach §§ 187 ff. BGB. 3 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; Deppe, StuW 1982, 332 ff. 4 BFH v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 3. 5 Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 1. 6 Vgl. etwa BFH v. 28.8.1968 – I B 7/68, BStBl. II 1968, 819; Schwarz, § 9 AO Rz. 2; Birk in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 11.

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B. Unbeschränkte Steuerpflicht blik?, DStR 1975, 461; Lang, Zum Inlandsbegriff des EStG 1975, StuW 1974, 293; Rudolf, Deutsch-luxemburgisches Kondominium, AVR 24 (1986), 301; Schenk, Brauchen wir ein Bodensee-Statut?, BayVBl. 1979, 428; Schmidt, Neue „Inland“und „Ausland“-Begriffe im Steuerrecht, DB 1977, 2016; Scholtz, Festlandsockel – Land- und Forstwirtschaft – Modernisierungsaufwand – beschränkte Steuerpflicht – Erfindervergünstigungen, DStZ A 1974, 241; Schröer, Staatliche Gebietshoheit und die verfassungsrechtlichen Verhältnisse am deutschen Festlandsockel, RIW 1978, 507; Schweiger, Staatsgremium Bodensee und IGH-Statut, BayVBl. 1995, 65; Wengler, Der Inlandsbegriff im deutschen Recht mit besonderer Berücksichtigung des Personenstandsrechts, Saarbrücken 1986.

Das Einkommensteuergesetz enthält keine Definition des Inlandsbegriffs. Der Verzicht auf eine derartige Definition ist politisch motiviert,1 hat seit der Wiedervereinigung aber keine Bedeutung mehr.

5.28

Mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung ist das Inland i.S. des Einkommensteuergesetzes identisch mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes, so dass das Inland das Hoheitsgebiet Deutschlands erfasst. Zum Inland gehören daher auch Zollausschlussgebiete,2 nicht dagegen die ehemaligen deutschen Ostgebiete,3 sudetendeutschen Gebiete4 und die Zollanschlussgebiete.5

5.29

Zum Inland gem. § 1 Abs. 1 EStG zählt auch das Küstenmeer. Es handelt sich dabei um den an die Küste Deutschlands grenzenden Meeresstreifen, über den sich die territoriale Souveränität Deutschlands erstreckt. Diese erfasst auch den Luftraum über dem Küstenmeer sowie dessen Meeresboden und Meeresgrund.6 Die für die Küstenstaaten maßgebliche Küstenmeerbreite beträgt 12 Seemeilen.7

5.30

Zum Inland gehört auch der Luftraum oberhalb des Staatsgebietes.8 Zum Inland zählt gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG schließlich auch der Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel9 soweit dort Naturschätze des Mee-

5.31

1 Lang, StuW 1974, 293 ff., 304 ff. (304). 2 BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614 (zur Exklave Büsingen); vgl. auch BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 829/89, HFR 1992, 424: keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. 3 Vgl. BVerfG v. 31.7.1973 – 2 BvF 1/73, BVerfGE 36, 1. 4 BFH v. 3.3.1978 – VI R 195/75, BStBl. II 1978, 372. 5 Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 29; Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 57. 6 Art. 2 Abs. 2 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 7 Art. 3 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 8 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 664 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 282; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 241 f.; Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 1 ff. 9 Vgl. die Genfer Konvention über den Festlandsockel; BGBl. II 1964, 104; der Festlandsockel erstreckt sich vom Landgebiet bis zur äußeren Kante des Festlandrandes (Art. 76 SRÜ).

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Kapitel 5 Einkommensteuer

resgrundes erforscht oder ausgebeutet werden oder dieser der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dient.1

5.32 Das Völkergewohnheitsrecht bestimmt, dass der Festlandsockel nicht zum Staatsgebiet des Küstenstaates gehört.2 Der Küstenstaat übt aber die ausschließlichen Hoheitsrechte zum Zwecke der Erforschung des Festlandsockels und der Ausbeutung seiner Naturschätze und zur Energieerzeugung aus.3 Deshalb darf der Küstenstaat auf dem Festlandsockel auch die zu dessen Erforschung und zur Ausbeutung der Naturschätze erforderlichen Anlagen, insbesondere Bohrinseln und Windräder, erstellen und betreiben.4 Darüber hinaus dürfen grundsätzlich Sicherheitszonen mit einem Radius von 500 Metern um die Anlagen errichtet und darin die zu deren Schutz erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Diese eingeschränkten Hoheitsrechte über den Festlandsockel machen die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG verständlich, wonach der Festlandsockel nicht generell zum steuerlichen Inland zählt, sondern nur insoweit, als dort Naturschätze erforscht und ausgebeutet werden oder dieser der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dient. Aus dieser Einschränkung folgt, dass ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt etwa auf einer Bohrinsel nicht zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, weil sich die Hoheitsrechte ausschließlich zweckgebunden auf den Meeresgrund und den Meeresuntergrund erstrecken.5 Die Rechte des Küstenstaates an dem Festlandsockel berühren daher weder die rechtliche Qualifizierung der darüber befindlichen Gewässer noch die des Luftraums über diesen Gewässern.6 Damit hat der unrichtig platzierte § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG keine unmittelbare Bedeutung für die unbeschränkte Steuerpflicht,7 sondern lediglich für die beschränkte Steuerpflicht, so dass etwa die Einkünfte aus der Erforschung oder Ausbeutung von Naturschätzen des Festlandsockels zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 EStG zählen.8

5.33 Zum Inland zählen auch Schiffe, die unter inländischer Flagge9 in deutschen Gewässern oder auf hoher See fahren.10 Die vorstehenden Grund1 Hiermit korrespondiert Art. 77 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 2 BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; Kölble, DÖV 1964, 217 (223); Frowein, ZaöRV 25 (1965), 1 (3). 3 Art. 76 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 4 Art. 77 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 5 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 99; Ehmcke in Blümich, § 1 EStG Rz. 31. 6 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 243 f. 7 Es handelt sich insoweit nicht um ausländische Einkünfte gem. §§ 34c Abs. 1, 34d EStG; hierzu auch Rz. 15.69. 8 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 99; Heinicke in Schmidt29, § 1 EStG Rz. 30; Herlinghaus in F/W/B, § 1 EStG Rz. 83; Gosch in Kirchhof9, § 1 EStG Rz. 11; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, 71; a.A. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 39; Hillert, FR 1974, 445 ff. 9 FlaggenrechtsG v. 25.10.1994, BGBl. I 1994, 3140. 10 BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 24/84, BFH/NV 1988, 298; vgl. auch Art. 91 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798).

112

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

sätze gelten für Luftfahrzeuge entsprechend.1 Das deutsch-luxemburgische Kondominium2 gehört zum Gebiet beider Staaten und ist somit ebenso Inland gem. § 1 Abs. 1 EStG wie der zwischen dem deutschen Ufer und der Seemitte gelegene Teil des Bodensees.3

V. Sonderregelungen 1. NATO-Truppenstatut Literatur Kommentare zu § 1 EStG; App, Zur inländischen Einkommensteuerpflicht von zivilen Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte, DStZ 1984, 90; Feuerstein/Michel, Einkommensteuerpflicht bei NATO-Beschäftigungsverhältnissen, DB 1993, 1211; Fremer, Beschränkte Einkommensteuerpflicht für Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte des zivilen Gefolges und deren Angehörige, Stbg. 1983, 79; Streck, Steuerpflicht und Steuerbefreiungen von Diplomaten, Konsuln, NATO-Truppenmitgliedern und ihnen gleichgestellten Personen, StuW 1973, 119.

Art. X Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut4 enthält eine Einschränkung der für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) maßgeblichen Anknüpfung an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt. Art. X Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut fingiert nämlich, dass Mitglieder fremder NATO-Truppen und deren ziviles Gefolge, soweit sie nicht deutsche Staatsangehörige sind,5 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn sie sich in dieser Eigenschaft in einem fremden Hoheitsgebiet aufhalten. Die vorgenannte Bestimmung des NATO-Truppenstatuts, das ein völkerrechtlicher Vertrag ist, geht nach der lex specialis-Regel dem § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG vor.6 Die Durchbrechung der unbeschränkten Steuerpflicht bezieht sich aber nur auf die Zeitabschnitte, in denen die Anwesenheit im Inland ihren Grund allein in der Mitgliedschaft bei einer Truppe oder dem zivilen Gefolge i.S. des NATO-Truppenstatuts findet.7

1 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Gosch in Kirchhof9, § 1 EStG Rz. 11. 2 Über Mosel, Sauer und Our; vgl. hierzu im Einzelnen Rudolf, AVR 24 (1986), 301 ff. 3 So der RFH v. 1.6.1934, RStBl. 1934, 1445 entsprechend der sog. Realteilungstheorie; vgl. hierzu Kübler, DÖV 1976, 184 ff.; Kurz, DStR 1975, 461 ff.; Schenk, BayVBl. 1979, 428 ff.; Schweiger, BayVBl. 1995, 65 ff. 4 BGBl. II 1961, 1190; BGBl. II 1963, 745. 5 Art. X Abs. 4 Nato-Truppenstatut. 6 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 35. 7 BFH v. 16.9.1970 – I R 2/69, BStBl. II 1970, 869; v. 19.5.1971 – I R 55/69, BStBl. II 1971, 659; v. 24.2.1988 – I R 69/84, BStBl. II 1989, 290; v. 24.2.1988 – I R 121/84, BFH/NV 1988, 632; v. 24.1.1990 – I B 58/89, BFH/NV 1990, 488; v. 26.4.1991 – III R 104/89, BFH/NV 1992, 373.

113

5.34

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.35 Als Rechtsfolge dieser Fiktion ergibt sich, dass der unter Art. X Abs. 1 NATO Truppenstatut fallende Personenkreis mit seinen inländischen Einkünften (§ 49 Abs. 1 EStG) lediglich beschränkt steuerpflichtig ist, wobei die Truppenbezüge gem. Art. X Abs. 1 Satz 2 NATO-Truppenstatut steuerbefreit sind.1 Entsprechendes gilt für Angehörige der Truppenmitglieder und des zivilen Gefolges (Art. 68 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.2 2. EU-Bedienstete Literatur Kommentare zu § 1 EStG; Klinke, Diener, Dienen und Verdienen: Der EG-Beamte und die direkten Steuern, IStR 1995, 217; Nissen, Sonderausgabenabzug für Bausparverträge, Wohnungsbauprämien und Sparprämien, DStZ A 1974, 155; Schotten, Besoldung, Besteuerung und Versorgung von EG-Beamten, IWB, F. 11, Europäische Gemeinschaften, Gr. 1, 77.

5.36 Nach Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union3 sind die Bediensteten der EU, die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienste der EU im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen Staates niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts bei der EU ihren steuerlichen Wohnsitz haben, in beiden Staaten so zu behandeln, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Union befindet. Diese Vorschrift gilt für alle Behörden der EU. Die vorstehenden supranationalen Bestimmungen4 fingieren eine unbeschränkte Steuerpflicht im Entsendestaat ohne Rücksicht darauf, ob dort ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt aufrechterhalten worden ist.5 Diese Fiktion gilt auch für die Ehegatten der betreffenden EU-Bediensteten, soweit sie keine eigene Berufstätigkeit ausüben, sowie für die Kinder, soweit sie unter der Aufsicht der vorbezeichneten Personen stehen und von ihnen unterhalten werden. Als Rechtsfolge hiervon werden die Beamten und Bediensteten nach Art. 12 Abs. 2 des vorgenannten Protokolls im Aufnahmestaat von innerstaatlichen Steuern auf ihre Dienstbezüge befreit.6

1 Vgl. zu weiteren Einzelheiten Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 35; Lehner/ Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 143 ff. 2 Vom 3.8.1959, BGBl. II 1961, 1218. 3 Vom 8.4.1965, BGBl. II 1965, 1482 in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vom 2.10.1997, geändert durch Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, BGBl. II 2007, 1038. 4 Es handelt sich um mit Vorrang ggü. dem nationalen Recht ausgestattetes primäres Gemeinschaftsrecht; vgl. Klinke, IStR 1995, 217 (217). 5 Zu weiteren Einzelheiten Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 119 ff.; Klinke, IStR 1995, 217 ff. 6 Hierzu Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 119 ff.

114

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

VI. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 2; 1a Abs. 2; 3 Nr. 29 EStG; Hellwig, Vom Unwesen der „einkommensteuerpflichtigen Einkünfte“ und „einkommensteuerpflichtigen Einnahmen“ oder „gut gemeint ist nicht immer gut“, DB 1987, 2379; Keßler, Neue Regelungen zur unbeschränkten und beschränkten Einkommensteuerpflicht im Steuerbereinigungsgesetz 1986, BB 1986, 1890; Keßler, Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei Diplomaten mit Ehegatten der Staatsangehörigkeit des Empfangsstaates ohne eigene Einkünfte, FR 1987, 141; Lang, Zum Inlandsbegriff des EStG 1975, StuW 1974, 293; Rieger, Ehe, Familie, und die (Verfassungs-)Widrigkeiten des Einkommensteuerrechts, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1992; Rodi, Das Kassenstaatsprinzip im nationalen und internationalen Steuerrecht, RIW 1992, 484; Stenten, Die „Neufassung“ des § 1 Abs. 2 EStG, Inf. 1983, 518; Streck, Steuerpflicht der Diplomaten, FR 1975, 261.

Nach § 1 Abs. 2 EStG wird für einen bestimmten Personenkreis die unbeschränkte Steuerpflicht fingiert.1 Es ist insoweit keine selbständige Form der Steuerpflicht gegeben,2 so dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG die unbeschränkte Steuerpflicht als allgemeine Rechtsfolge gilt.3 Daraus folgt weiter, dass alle Vorschriften, die an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfen, automatisch auch die Fälle des § 1 Abs. 2 EStG erfassen. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen geht daher § 1 Abs. 2 EStG dem § 1 Abs. 1 EStG vor.4

5.37

Nach § 1 Abs. 2 EStG sind deutsche Staatsangehörige unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, die aber zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts5 in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Es muss sich also stets um Arbeitslohn aus einem mit einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bestehenden Dienstverhältnis handeln. Die Zahlung aus einer inländischen öffentlichen Kasse für ein mit einem ausländischen Rechtsträger bestehendes Dienstverhältnis reicht daher nicht aus.6 In die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht werden auch die zum Haushalt der öffentlich Bediensteten gehörenden Angehörigen (§ 15 AO) einbezo-

5.38

1 Regelungstechnisch dagegen nicht als Fiktion wertend Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 2. 2 Lang, StuW 1974, 293 ff., 304 ff. (304). 3 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 180. 4 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 151; Herlinghaus in F/W/B, § 1 EStG Rz. 118. 5 Hierzu gehören Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts; zu weiteren Einzelheiten Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 160. 6 BFH v. 2.3.1988 – I R 96/84, BStBl. II 1988, 768; v. 14.11.1986 – VI R 209/82, BStBl. II 1989, 351; v. 4.12.1991 – I R 38/91, BStBl. II 1992, 548; v. 12.10.1995 – I R 39/95, BStBl. II 1996, 87; zu Besonderheiten für Auslandslehrer BMF v. 13.10.1994, BStBl. I 1994, 853 (USA); BMF v. 17.6.1996, BStBl. I 1996, 688 (Ecuador/Kolumbien); BMF v. 20.9.1999, BStBl. I 1999, 844 (DBA-USA).

115

Kapitel 5 Einkommensteuer

gen, sofern sie ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur im Inland steuerpflichtige Einkünfte beziehen.1

5.39 Die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht setzt voraus, dass der öffentlich Bedienstete bzw. seine Angehörigen in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zur Besteuerung herangezogen werden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 EStG). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, beurteilt sich ohne Berücksichtigung von DBA2 abstrakt nach dem hierfür maßgeblichen ausländischen Steuerrecht ohne Rücksicht darauf, ob die Betroffenen dort tatsächlich überhaupt Steuern zahlen.3 Diese Vorschrift will für den genannten Personenkreis, der in aller Regel wenig Einfluss auf den Ort der Arbeitsausübung hat, einerseits den Nachteil einer sowohl im Inland als auch im Ausland die persönliche Leistungsfähigkeit nur unzureichend berücksichtigenden beschränkten Steuerpflicht vermeiden,4 andererseits aber auch Besteuerungslücken schließen, die dadurch entstehen können, dass Personen trotz ihrer an sich im Ausland gegebenen unbeschränkten Steuerpflicht zu keiner umfassenden Besteuerung herangezogen werden.5 Eine derart eingeschränkte Besteuerung ergibt sich insbesondere aufgrund des Wiener Übereinkommens für diplomatische Beziehungen (WÜD)6 und des Wiener Übereinkommens für konsularische Beziehungen (WÜK).7 Nach diesen beiden multilateralen völkerrechtlichen Verträgen, die völkerrechtliches Gewohnheitsrecht kodifizieren, werden Diplomaten und Berufskonsuln des Entsendestaates im Empfangsstaat lediglich mit den dort erzielten Einkünften nach Art der beschränkten Steuerpflicht einer Besteuerung unterworfen, allerdings mit der Besonderheit, dass die Bezüge für ihre Tätigkeit im Empfangsstaat von jeglicher Besteuerung freigestellt werden. Ohne § 1 Abs. 2 EStG könnten diese Bezüge sowie die Einkünfte aus Drittstaaten keiner umfassenden Besteuerung im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist § 1 Abs. 2 EStG als Spiegelbild völkerrechtlicher Steuerprivile-

1 Gemeint sind Einkünfte, die im wirtschaftlichen Ergebnis nicht mit ausländischer Steuer belastet sind; Eicher in L/B/P, § 1 EStG Rz. 894; a.A. z.B. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 168, wonach Fälle, in denen eine ausländische Steuer auf die höhere deutsche Steuer zur Anwendung gebracht wird, nicht unter § 1 Abs. 2 EStG fallen;. zu der insoweit missglückten Gesetzesformulierung Eicher in L/B/P, § 1 EStG Rz. 83. 2 BFH v. 5.9.2001 – I R 88/00, BFH/NV 2002, 623. 3 BFH v. 9.10.1985 – I R 271/81, BFHE 145, 44; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; Herlinghaus in F/W/B, § 1 EStG Rz. 137; Eicher in L/B/P, § 1 EStG Rz. 78. 4 Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 5.; Eicher in L/B/P, § 1 EStG Rz. 79. 5 BFH v. 5.9.2001 – I R 88/00, BFH/NV 2002, 623; Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 174. 6 Vom 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 7 Vom 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285.

116

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

gien zu verstehen.1 Im Übrigen gelten die Rechtsfolgen gem. § 1a Abs. 2 EStG (Rz. 5.46 ff.).

VII. Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 3, 1a EStG; Grosse, Die Voraussetzungen und Rechtsfragen der beschränkiten und der (fiktiven) unbeschränkten Steuerpflicht, DStR 2003, 10; Grosse/Ludert, Beschränkte vs. fiktive unbeschränkte Steuerpflicht, IStR 1999, 737; Kaefer/Kaefer, Ausländische Einkünfte und erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht, IStR 2006, 37; Knobbe-Keuk, Freizügigkeit und direkte Besteuerung, EuZW 1995, 167; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkommensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Lüdicke, Merkwürdigkeiten bei der Umsetzung des Schumacker-Urteils des EuGH, IStR 1996, 111; Müller, Das „Schumacker“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf die beschränkte Steuerpflicht, DStR 1995, DStR 1995, 585; Rädler, Analysis of the european Court of justice’s Schumacker-Decision, TNI 1995, 1683; Schaumburg, Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, 1129; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schön, Die beschränkte Steuerpflicht zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, IStR 1995, 119; Schulze zur Wiesche, Die Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen und beschränkt Steuerpflichtigen nach dem Jahressteuergesetz 1996, IStR 1996, 105; Waterkamp, Ehegattenveranlagung und Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1993.

1. Europarechtliche Grundlagen Die im Normengefüge der §§ 1 Abs. 3 und 1a EStG verankerte fingierte 5.40 unbeschränkte Einkommensteuerpflicht ist darauf gerichtet, unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt steuerpflichtige Personen in Ausrichtung auf die persönliche Leistungsfähigkeit2 unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ganz oder teilweise gleichzustellen. Erfasst werden im Wesentlichen Grenzpendler,3 deren personen- und familienbezogene Verhältnisse wegen des internationalen Gefüges von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits im Ausgangspunkt keine Berücksichtigung finden: Im Wohnsitzstaat kommt die persönliche Leistungsfähigkeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht steuerlich nicht zur Geltung, weil entweder keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden, und im Tätigkeitsstaat bleibt die Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht von Rechts wegen versagt.4 Diese fehlende Ori1 BFH v. 18.12.1968 – III 199/64, BStBl. II 1969, 355, v. 18.12.1968 – III R 169/66, BStBl. II 1969, 360; Streck, FR 1975, 261 ff. 2 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 81 ff. 3 Ein physischer Grenzüberschritt ist nicht erforderlich; vgl. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. D 21. 4 Vgl. nur § 50 Abs. 1 EStG.

117

Kapitel 5 Einkommensteuer

entierung der Besteuerung an der persönlichen Leistungsfähigkeit hat der EuGH1 für unvereinbar mit dem Freizügigkeitsrecht für Arbeitnehmer in der EU (Art. 45 AEUV) für den Fall erklärt, dass beschränkt steuerpflichtige Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten ihr Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland erzielen. Diese Entscheidung des EuGH zum europarechtlichen Diskriminierungsverbot (Rz. 4.12 ff.) liegt auf der Linie der gesamten Rechtsprechung des EuGH, (Rz. 4.27 ff.) wonach eine unterschiedliche Steuerbelastung von Inländern und übrigen Unionsbürgern gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstößt.

5.41 § 1 Abs. 3 EStG enthält die Grundregelung, nach der auf Antrag natürliche Personen, soweit sie inländische Einkünfte (§ 49 EStG) haben, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, obwohl sie im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gilt nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 EStG (Rz. 5.43 ff.). Für diesen Personenkreis sowie darüber hinaus aber auch für unbeschränkt steuerpflichtige Personen gem. § 1 Abs. 1 EStG und auch für erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen gem. § 1 Abs. 2 EStG gelten besondere familienbezogene Regelungen, die sich im Einzelnen aus § 1a Abs. 1 und 2 EStG ergeben. Hiernach ist wie folgt zu differenzieren: – Natürliche Personen ohne EU-/EWR-Staatsangehörigkeit, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, werden zwar auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 EStG), die familienbezogene Sonderregelungen des § 1a Abs. 1, 2 EStG bleiben ihnen aber verschlossen, so dass weder ein tarifliches Ehegattensplitting (§§ 26, 32a Abs. 5 EStG) noch ein Realsplitting (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) in Anspruch genommen werden kann. – Natürliche Personen mit EU-/EWR-Staatsangehörigkeit, die entweder gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig oder gem. § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig gelten oder gem. § 1 Abs. 2 EStG als Angehörige des öffentlichen Dienstes mit Dienstort im Ausland erweitert unbeschränkt steuerpflichtig sind, können die familienbezogenen Sonderregelungen des § 1a EStG in Anspruch nehmen, d.h. insbesondere das tarifliche Ehegattensplitting (§§ 26, 32a Abs. 5 EStG) und das Realsplitting (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) und zwar auch dann, wenn der Ehegatte bzw. der geschiedene oder getrennt lebende Ehegatte nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.

5.42 Wenn auch die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht darauf gerichtet ist, beschränkt steuerpflichtige Personen im Hinblick auf ihre persönliche Leistungsfähigkeit unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ganz oder 1 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-249; hierzu die Besprechungen von Kaefer/Saß, DB 1995, 642 ff.; Rädler, DB 1995, 793 ff., Rädler, TNI 1995, 1683 ff.; Schön, IStR 1995, 119 ff.

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B. Unbeschränkte Steuerpflicht

doch teilweise gleichzustellen, so ist die Reichweite der §§ 1 Abs. 3, la EStG dennoch begrenzt: Im Unterschied zur normalen (§ 1 Abs. 1 EStG) und erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) werden nicht etwa das Welteinkommen, sondern lediglich die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 5.126 ff.) erfasst,1 die ggf. auch dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegen (§ 1 Abs. 3 Satz 6 EStG). Die ausländischen Einkünfte bleiben freilich nicht völlig unberücksichtigt, sondern werden im Wege des Progressionsvorbehalts gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG erfasst.2 Die in §§ 1 Abs. 3; 1a EStG verankerte Fiktion gilt schließlich nicht auf der Ebene von DBA mit der Folge, dass die Ansässigkeit einer Person (Art. 4 OECD-MA) und damit die Frage, welcher Staat Wohnsitzstaat ist, (Rz. 16.201) losgelöst von den §§ 1 Abs. 3; 1a EStG zu entscheiden ist.3 2. Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG Natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sind auf Antrag4 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG beziehen und ihre Einkünfte5 mindestens zu 90 Prozent6 der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG7 nicht übersteigen, wobei der vorgenannte Betrag zu kürzen ist, soweit dies nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates notwendig und angemessen ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG).8 Bei der Berechnung, ob die vorgenannten Grenzen erreicht bzw. überschritten sind, gelten zwei Besonderheiten: Zu den nicht der inländischen Besteuerung unterliegenden Einkünften zählen die nicht unter § 49 Abs. 1 EStG fallenden Einkünfte, also insbesondere ausländische Einkünfte, sowie inländische Einkünfte, soweit diese nach dem in Betracht kommenden DBA ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind,9 und 1 Aus diesem Grunde bedarf es auch einer begrifflichen Unterscheidung zwischen § 1 Abs. 2 EStG (erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht) und §§ 1 Abs. 3; 1a EStG (fingierte unbeschränkte Steuerpflicht). 2 Berücksichtigt wird auch ein negativer Progressionsvorbehalt. 3 Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 244. 4 Der Antrag kann bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids nicht aber mehr im Revisionsverfahren gestellt werden (BFH v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21). 5 Zu ermitteln nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts. 6 Diese 90 %-Grenze ist durch den EuGH v. 14.9.1999 – Rs. C- 391/97 – Gschwind, BStBl. II 1999, 841 akzeptiert worden; vgl. auch BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 13.11.2002 – I R 67/01, BStBl. II 2003, 587. 7 Im Jahr 2010: Euro 8004. 8 Nach BT-Drucks. 12/6476, 12 soll die Kürzung entsprechend den Regelungen zu §§ 32 Abs. 6 Satz 4, 33a Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 3 EStG erfolgen; hierzu die Ländergruppeneinteilung gem. BMF v. 9.2.2006, BStBl. I 2006, 217. 9 Lüdicke, IStR 1996, 111 (112).

119

5.43

Kapitel 5 Einkommensteuer

solche Einkünfte, die abkommensrechtlich der Höhe nach nur beschränkt, etwa durch eine Quellensteuer, besteuert werden dürfen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 EStG).1 Dem gegenüber bleiben nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, dort also nicht steuerbar oder steuerfrei sind, insgesamt außer Ansatz, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind (§ 1 Abs. 3 Satz 4 EStG).2

5.44

Beide in § 1 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG verankerten Sonderregelungen entsprechen weder verfassungsrechtlichen noch europarechtlichen Vorgaben. Soweit bei der Berechnung der in § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG bezeichneten Einkunftsgrenzen zum Nachteil des Steuerpflichtigen diejenigen inländischen Einkünfte nicht einbezogen werden, die aufgrund eines DBAs in Deutschland nicht oder nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, führt diese Nichtberücksichtigung im Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung und damit zu einem Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten und gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Da diese inländischen Einkünfte gem. § 1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG unberücksichtigt bleiben, wird für Personen, die in Staaten ansässig sind, mit denen Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, der Zugang zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht erschwert, ohne dass hierfür einleuchtende Gründe erkennbar wären.3 Soweit zum Vorteil des Steuerpflichtigen bei der vorgenannten Berechnung die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte unter den in § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG genannten Voraussetzungen nicht zu berücksichtigen sind, verbleibt es in den Fällen bei einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in vergleichbarer Lage, wenn in EU-/EWR-Fällen im Ergebnis gleichwohl die persönliche Leistungsfähigkeit in keinem anderen Staat Berücksichtigung findet.4

5.45 Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werden (§ 1 Abs. 3 Satz 5 EStG). Dieses Nachweiserfordernis setzt voraus, dass überhaupt Einkünfte vorhanden sind, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Hat also der Steuerpflichtige keine anderweitigen Einkünfte, entfällt die Verpflichtung zur Vorlage einer Bescheinigung.5

5.46 Wird zur unbeschränkten Steuerpflicht optiert, ergibt sich als Rechtsfolge, dass insbesondere die für beschränkt Steuerpflichtige geltende Sonder1 § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG bezieht sich somit nur auf den unmittelbar vorangehenden Satz 2; BFH v. 13.11.2002 – I R 67/01, BStBl. II 2003, 587. 2 Umsetzung der Entscheidung des EuGH v. 25.1.2007 – Rs. C-329/05 – Meindl, EuGHE 2007, I-1107 durch das JStG 2008 (BStBl. I 2008, 3150). 3 Lüdicke, IStR 1996, 111 (112). 4 Insoweit ist die Entscheidung des EuGH v. 25.1.2007 – Rs. C-329/05 – Meindl, EuGHE 2007, I-1107 durch das JStG 2008 (BGBl. I 2008, 3150) nur unzureichend umgesetzt worden; vgl. hierzu Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG Rz. 39 sowie § 1 EStG Rz. 265. 5 Eine „Nullbescheinigung“ ist nicht vorgesehen; vgl. hierzu Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 285.

120

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

regelung des § 50 EStG weit gehend suspendiert wird. Es bleibt allerdings beim Steuerabzug nach § 50a EStG (§ 1 Abs. 3 Satz 6 EStG), wodurch insbesondere Berufssportler und Künstler betroffen sind. Im Übrigen gelten im Zuge der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG die für die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG maßgeblichen Vorschriften,1 soweit nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt ist. So werden etwa die unter § 1 Abs. 3 EStG fallenden Personen aus der Ehegattenbesteuerung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG) grundsätzlich ausgeschlossen, so dass die Gewährung des Splitting-Tarifs insoweit nicht in Betracht kommt.2 Dementsprechend ist bei Arbeitnehmern, die zur fingierten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) optieren, für Zwecke des Lohnsteuerabzugs grundsätzlich die Steuerklasse I anzuwenden (§ 38b Nr. 1 EStG).3 3. Familienstandsbezogene Steuerermäßigungen § 1a EStG eröffnet dem dort näher bezeichneten Personenkreis4 bestimmte familien- und personenbezogene Steuerentlastungen, die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG, der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 2 EStG und der fingierten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG insbesondere deshalb nicht in Anspruch genommen werden können, weil etwa der Ehegatte nicht im Inland ansässig ist oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit5 besitzt.

5.47

§ 1a Abs. 1 EStG erfasst Unionsbürger6 sowie EWR-Staatsangehörige,7 die gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig sind und die nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind.

5.48

Zu den von § 1a Abs. 1 EStG erfassten familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen gehören

5.49

– als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abzugsfähige Unterhaltsleistungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende nicht unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten (Realsplitting), wenn diese in einem anderen EU-/EWR-Staat einen Wohnsitz oder einen gewöhnli-

1 So z.B. der Progressionsvorbehalt, der sich auch auf die ausländischen Einkünfte erstreckt (§ 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG); kritisch hierzu Kaefer, BB 1995. 1615 (1619). 2 Ausnahme: § 1a EStG. 3 Ausnahme: § 1a EStG; vgl. § 38b Satz 3 EStG. 4 Kritisch zu der durch §§ 1 Abs. 3; 1a EStG begründeten Mehrklassengesellschaft Schulze zur Wiesche, IStR 1996, 105 (109 f.); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (262 f.). 5 Vgl. § 1 Abs. 2 EStG. 6 Also auch deutsche Staatsangehörige. 7 Staatsangehörige von Island, Norwegen und Liechtenstein.

121

Kapitel 5 Einkommensteuer

chen Aufenthalt haben1 und die Unterhaltszahlungen dort tatsächlich besteuert werden und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG); – abzugsfähige auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Versorgungsleistungen, wenn der nicht unbeschränkt steuerpflichtige Empfänger in einem anderen EU-/EWR-Staat einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat und die Versorgungsleistungen dort tatsächlich besteuert werden und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 1a EStG);2 – die Anwendung des Splitting-Tarifs (§ 32a Abs. 5 EStG) bei Zusammenveranlagung auf Antrag, wenn der nicht dauernd getrennt lebende nicht unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-/EWR-Staat hat, und die von den Ehegatten insgesamt bezogenen Einkünfte mindestens zu 90 Prozent der inländischen Besteuerung unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den doppelten Grundfreibetrag im Kalenderjahr nicht übersteigen und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird;

5.50 Die vorstehenden familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen kommen im Ergebnis insbesondere Arbeitnehmern aus EU-/EWR-Staaten zugute, deren Familien weiterhin im Heimatland leben. Ausgeschlossen sind demgegenüber Personen aus Drittstaaten.

5.51

§ 1a Abs. 1 EStG entspricht zwar weitgehend dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot,3 eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) besteht aber dennoch: Die familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen, insbesondere die Gewährung des Splitting-Tarifs, bleiben jenen Personen vorenthalten, die nicht Unionsbürger sind oder nicht die Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates haben; sie können ferner nicht von Unionsbürgern und Staatsangehörigen von EWR-Staaten in Anspruch genommen werden, wenn sie nicht dort auch ansässig sind. So kann etwa ein Gastarbeiter aus Portugal, dessen Familie im Heimatland lebt unter den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen im Rahmen der Zusammenveranlagung den Splitting-Tarif in Anspruch nehmen, während demgegenüber etwa einem Gastarbeiter aus der Türkei die vorstehende Vergünstigung versagt bleibt. Es sind keine Gründe erkennbar, die eine derartige Differenzierung rechtfertigen

1 Eine EU-/EWR-Staatsangehörigkeit ist nicht erforderlich; vgl. Küster in Korn, § 1a EStG Rz. 11. 2 Durch das JStG 2010 soll der Sonderausgabenabzug auch für Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs ermöglicht werden (§ 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b EStGE). 3 Zu den EU- und EWR-Diskriminierungsverboten Rz. 4.12 ff.; 4.41 ff.

122

B. Unbeschränkte Steuerpflicht könnten. Die Staatsangehörigkeit ist jedenfalls ein derartiger Differenzierungsgrund1 nicht.2 Damit gilt: Soweit § 1a Abs. 1 EStG dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot (Rz. 4.12 ff.) entspricht, hat er wegen der hiervon ausgehenden Drittwirkung auf Staatsangehörige anderer Staaten, auch dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot zu entsprechen.3

§ 1a Abs. 2 EStG erfasst schließlich erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen (§ 1 Abs. 2 EStG) sowie der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht unterliegende Personen (§ 1 Abs. 3 EStG), wenn alle vorgenannten Personen an einem ausländischen Dienstort tätig sind und deren Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) nicht übersteigen.4 Als Rechtsfolge ergibt sich, dass in beiden vorgenannten Fallgruppen das Ehegattensplitting auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Ehegatte selbst nicht gem. § 1 Abs. 1, 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist.5 Voraussetzung ist allerdings, dass der Ehegatte Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staate des ausländischen Dienstortes hat.6

VIII. Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) Literatur Kommentare zu § 2 EStG; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Zur Zulässigkeit des Welteinkommensprinzips im deutschen internationalen Einkommensteuerrecht, Frankfurt 2001; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 165; Debatin, Die beschränkte Steuerpflicht 1 Gemäß Art. 3 Abs. 3 GG gehört zwar die Staatsangehörigkeit ebenso wie die Ansässigkeit nicht zu den verbotenen Differenzierungskriterien, damit erübrigt sich aber noch nicht das nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Rechtfertigungsargument; hierzu Rz. 4.11, 4.13. 2 Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (262 f.); kritisch auch Gosch in Kirchhof9, § 1a EStG Rz. 5; anders dagegen z.B. BVerfG v. 20.3.1979 – 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78, BVerfGE 51, 1 (30); v. 23.1.1990 – 1 BvR 306/86, BVerfGE 81, 208 (224 f.)und die h.M. in der Literatur z.B. Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG Rz. 32. 3 Hierzu allgemein Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 ff.; Kumpf/Roth, StuW 1996, 269 (262 f.). Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (232); Schaumburg, DB 2005, 1129 (1134); a.A. die h.M., z.B. Schön, IStR 1995, 119 (123 f.); Müller, DStR 1995, 585 (589); Knobbe-Keuk, EuZW 1995; 167 (168); zu Einzelheiten Rz. 4.13. 4 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen Stapperfend in H/H/R, § 1a EStG Rz. 50, 55. 5 Vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG. 6 Hierzu Stapperfend in H/H/R, § 1a EStG Rz. 60.

123

5.52

Kapitel 5 Einkommensteuer bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, BB 1960, 1015; Debatin, Konzeptionen zur Steuerpflicht, FR 1969, 277; Endriss, Ist die Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht noch zeitgemäß?, FR 1968; 338; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, Köln 1967; Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985; Fleischmann, Auslandsverluste – Stiefkinder unseres Steuerrechts?, DStR 1983, 191; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Friauf, Steuergleichheit, Systemgerechtigkeit und Dispositionssicherheit als Prämissen einer rechtsstaatlichen Einkommensbesteuerung, StuW 1985, 308; Lehner/Reimer, Quelle vs. Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, 542 ff.; Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/ Paris 1987; Morgenthaler, Beschränkte Steuerpflicht und Gleichheitssatz, IStR 1993, 258; Mössner Welteinkommensprinzip, in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Köln 2000, 253; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schulze-Brachmann, Totalitäts- oder Territorialitätsprinzip, StuW 1964, 589; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 1982, 211; Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 125; Vogel, Which Method Should the European Community Adopt for the Avoidance of Double Taxation?, BIFD 2002, 4 (6); Vogel, Neuere Befürworter des Quellenprinzips (Territorialitätsprinzips) in den Vereinigten Staaten, in Kleineidam (Hrsg.), FS für L. Fischer, Berlin 1999, 1007; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income, Intertax 1988, 216; 319; 393; Vogel, Perfektionismus im Steuerrecht, StuW 1980, 206; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in FS für Klein, Köln 1994, 361; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.

5.53 Bei unbeschränkter (§ 1 Abs. 1 EStG) und erweiterter unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) wird als Steuerobjekt das durch den Rahmen der sieben Einkunftsarten abgesteckte Welteinkommen erfasst. Dieses Welteinkommensprinzip (Totalitätsprinzip, Universalitätsprinzip oder Globalprinzip) hat zwar keine ausdrückliche Regelung in den §§ 1 oder 2 EStG erfahren, es ergibt sich aber als Rückschluss aus den §§ 1 Abs. 4; 2a; 34c; 34d und 49 EStG.

5.54

Dass unbeschränkt steuerpflichtige Personen mit ihrem Welteinkommen zur Einkommensteuer herangezogen werden, wird zu den Grundsatzaussagen des § 2 EStG über die Einkommensteuer gezählt1 und daher durchweg als (normkonzipierendes) Prinzip verstanden.2 Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, in dem Begriff „Welteinkommensprinzip“ komme lediglich das Bestreben zum Ausdruck, das Erfassen des weltweiten Einkommens auf den Nenner 1 Z.B. Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 81 ff. 2 Z.B. BFH v. 17.10.1990 (I. Senat) – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 145; Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (34 f.); Friauf, StuW 1985, 308 (313); Fleischmann, DStR 1983, 191 (193); Schaumburg in FS Tipke, 125 (132).

124

B. Unbeschränkte Steuerpflicht eines Prinzips zu bringen,1 tatsächlich handele es sich nur um einen bloßen Programmsatz, der in der Rechtswirklichkeit weitgehend eingeschränkt worden sei.2 Das Welteinkommensprinzip ist indessen mehr als ein (unverbindlicher) bloßer Programmsatz. Es ist zwar nicht unmittelbar in einem Rechtssatz niedergelegt, es liegt dem Einkommensteuergesetz aber als Zweckgedanke zugrunde und wirkt damit als normkonzipierendes Prinzip,3 das im Wege der Induktion aus dem Einkommensteuergesetz, und zwar aus den §§ 1 Abs. 4; 2a; 34c; 34d und 49 EStG gewonnen werden kann. Das Welteinkommensprinzip beruht damit zwar nur auf einfach-gesetzlicher Grundlage,4 es entfaltet aber unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7) besondere Bedeutung. Vom Welteinkommensprinzip kann daher nur abgewichen werden, wenn es hierfür rechtfertigende Gründe gibt. Diese Gründe müssen sich an den Grundrechten, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG, messen lassen (Rz. 4.9).

Die Besteuerung des Welteinkommens im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Das Welteinkommensprinzip hat in der Staatenpraxis erst in diesem Jahrhundert das bis dahin allgemein geltende Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verdrängt. Es gehörte zuvor zu den finanzwissenschaftlichen Ordnungsprinzipien, in einem anderen Land erzielte Einkünfte im Wohnsitzstaat nicht zu besteuern.5 Das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) war früher vor allen Dingen in Lateinamerika verbreitet.6 Es wird in der Staatenpraxis allerdings häufig modifiziert. Dies gilt insbesondere für die Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren sowie von Entgelten für die Leistung von Diensten bzw. die technische Assistenz. Hier wird das Territorialitätsprinzip nicht selten durch ein System steuerlicher Anreize für den Kapital- und Technologietransfer überlagert, soweit er für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betreffenden Staaten für erforderlich gehalten wird.7

5.55

Das Welteinkommensprinzip im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht wird von der herrschenden Meinung seit jeher gebilligt8 und überwiegend damit gerechtfertigt, dass der Bezieher der Einkünfte bei

5.56

1 So etwa der BFH v. 26.3.1991 (IX. Senat)– IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704 unter Hinweis auf Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 165. 2 BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704. 3 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 17; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 67 ff. 4 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 5 Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 f. 6 Z.B. in Argentinien bis 1998; in Uruguay noch heute. 7 Zur Staatenpraxis Lateinamerikas Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 43 (51 ff.). 8 Z.B. von Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 219 ff.; 256 ff.; 328 ff.; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 130 ff.; 161 ff.; Debatin, BB 1960, 1015; Debatin, FR 1969, 277; Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (33 ff.); vgl. zu den Entwicklungslinien Lehner/Reimer, IStR 2005, 542 (542).

125

Kapitel 5 Einkommensteuer

unbeschränkter Steuerpflicht im staatlichen Hoheitsgebiet einen Schwerpunkt seiner Lebensführung oder seiner Geschäftstätigkeit habe.1 Dieser nutzentheoretisch orientierten Begründung, die im Kern von der Vermutung ausgeht, dass die in einem Land Ansässigen auch die staatlichen Leistungen dieses Landes (Wohnsitzstaat) in Anspruch nehmen,2 aber gerade deshalb nicht die Erfassung des Welteinkommens zu rechtfertigen vermag,3 steht ideengeschichtlich die opfertheoretische Fundierung des Welteinkommensprinzips gegenüber, wonach allein der Wohnsitzstaat die Besteuerung des weltweiten Einkommens zu beanspruchen habe.4 Zugleich entspreche die Besteuerung des Welteinkommens dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen, die allein über seinen Steuerbeitrag zu entscheiden habe, schließe es aus, inländisches und ausländisches Einkommen ungleich zu behandeln.5 Von den Befürwortern des Welteinkommensprinzips wird zugleich aber auch das Quellenprinzip bei beschränkter Steuerpflicht gebilligt, weil die Inlandseinkünfte mit der inländischen Volkswirtschaft so eng verknüpft seien, dass der Quellenstaat auf die Besteuerung nicht verzichten könne.6 Damit wird im Ergebnis ein die Doppelbesteuerung auslösendes Nebeneinander von Welteinkommensprinzip und Quellenprinzip hingenommen.

5.57 Für das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) wird demgegenüber angeführt, nur hierdurch sei systematisch eine Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung möglich. Im Übrigen müsse unter dem Gesichtspunkt internationaler Gerechtigkeit demjenigen Staat der Vorrang für die Besteuerung zukommen, in dessen Gebiet die Erträge erwirtschaftet würden. Die Welteinkommensbesteuerung sei protektionistisch. Sie benachteilige insbesondere die Staaten mit ungünstigen Investitionsbedingungen.7 Das Quellenprinzip erfahre seine Rechtfertigung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Nutzentheorie, wonach sich die Besteuerung als Gegenleistung für die vom Staat gewährten öffentlichen Güter verstehe. Der Quellenstaat sei es nämlich, der durch Erbringung öffentlicher Leistungen die Erzielung von Einkünften ermögliche.8 Dieser nutzentheoretische Aspekt trage auch zur gerechten Verteilung der Steuergüter unter mehreren Staaten (Verteilungsgerechtigkeit)9 bei. Insbesondere 1 Debatin, BB 1960, 1015 ff.; Debatin, FR 1969, 277 ff.; ähnlich BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 2 So z.B. die Begründung des BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 3 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 617. 4 Zu Einzelheiten Vogel in FS Klein, 361 (368). 5 Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (33); Debatin, FR 1969, 277 ff. 6 Debatin, BB 1960, 1015 (1015); Debatin, FR 1969, 277 ff.; ähnlich BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 7 Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetze, 125 ff.; Vogel, StuW 1980, 206 (211 f.). 8 Vogel DStJG 8 (1985), (20 ff.); ähnlich Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146. 9 Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (20 ff.).

126

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

das Nebeneinander von Welteinkommensprinzip bei unbeschränkter Steuerpflicht und Quellenprinzip bei beschränkter Steuerpflicht stelle eine Prinzipienuntreue dar und führe zu einem Affront gegen alle Staaten, die sich auf eine Besteuerung allein auf der Grundlage des Quellenprinzips beschränkt und damit im Kern die internationale Doppelbesteuerung schon durch die Eingrenzung der Steuerpflicht vermieden hätten.1 Die bislang weitgehend opfer- und nutzentheoretisch ausgerichtete Diskussion um die Frage, ob dem Welteinkommens- oder dem Territorialitätsprinzip der Vorzug zu geben sei, lässt eine eindeutige Orientierung am Leistungsfähigkeitsprinzip vermissen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt keineswegs die unterschiedslose Erfassung des weltweiten Einkommens.2 Da das Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf die Verwirklichung der Wettbewerbsneutralität gerichtet ist,3 lässt sich aus den bei der Erzielung aus- und inländischer Einkommensteile geltenden unterschiedlichen Rahmen- und Standortbedingungen auch eine unterschiedliche steuerliche Leistungsfähigkeit ableiten. Ist etwa der im Auslandsgeschäft tätige Steuerpflichtige den im Ausland geltenden wirtschaftlichen, gesellschafts- und rechtspolitischen Verhältnissen unmittelbar und nachhaltig ausgesetzt, so ist es sachgerecht, die dortigen steuerlichen Belastungswirkungen zum alleinigen Maßstab für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu erheben.4 Im Hinblick darauf, dass bei Geltung des Territorialitätsprinzips im Gegensatz zum Welteinkommensprinzip nicht die weltweite Leistungsfähigkeit (Gesamtleistungsfähigkeit) steuerlich erfasst wird, ist die Unterscheidung zwischen in- und ausländischer Leistungsfähigkeit erforderlich.5 Damit ist neben dem Welteinkommensprin-

1 Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (96 ff.); Schulze-Brachmann, StuW 1964, 589 ff.; Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 211 (218 f.); Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 67 ff., 78 ff.; Endriss, FR 1968; 338 ff.; Vogel, StuW 1980, 206 (211 ff.); Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 125 (127 ff.); Vogel, DStJG (1985), 3 (17 ff.), Vogel, Intertax 1988, 216 ff.; 319 ff.; 393 ff.; kritisch ggü. dem Welteinkommensprinzip ferner Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146. 2 Zum Einkommen als am meisten geeigneter Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff. 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1285. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 18 ff.; Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei Einkommen- und Körperschaftsteuer, 42 ff.; Mössner, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, 135 (142); Schaumburg in FS Tipke, 125 (131). 5 Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 44; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 98 ff.; Vogel, DStJG 8 (1985),3 (28 ff.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (131).

127

5.58

Kapitel 5 Einkommensteuer

zip auch das Territorialitätsprinzip eine Konkretisierungsmöglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips.1

5.59 Daraus ergibt sich: Der Gesetzgeber kann sich für das Welteinkommensprinzip oder für das Territorialitätsprinzip, aber auch für das Welteinkommensprinzip und das Territorialitätsprinzip entscheiden, beide Prinzipien also miteinander kombinieren.2 Die einmal getroffene Wertentscheidung muss er allerdings dann auch folgerichtig durchhalten (zum Gebot der Folgerichtigkeit Rz. 4.7).

5.60

Wenn auch das Welteinkommensprinzip und das Territorialitätsprinzip mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar sind, so ist doch dem Territorialitätsprinzip der Vorzug zu geben.3 Das im Einkommensteuergesetz verankerte Welteinkommensprinzip ist nämlich das Ergebnis fiskalischer Zweckmäßigkeitsüberlegungen, nicht aber ein an der Gerechtigkeit ggü. dem Steuerpflichtigen und den beteiligten Staaten orientiertes Prinzip. Insoweit ist das Welteinkommensprinzip nicht sachgerecht. Es eröffnet den Zugriff auf Einkünfte, die nach der eigenen Wertung des Einkommensteuergesetzes (§ 49 EStG) den Quellenstaaten zuzuordnen sind. Wenn es nämlich richtig ist, dass der Quellenstaat wegen der engen Verbindung mit der inländischen Volkswirtschaft auf die Besteuerung sämtlicher Einkünfte aus seinen inländischen Quellen nicht verzichten könne,4 so muss das für jeden Staat gelten, wenn nicht Prinzipienuntreue zur Grundlage der Besteuerungskonzeption werden soll. Im Hinblick darauf muss ein Staat, der für sich die Besteuerung inländischer Quellen in Anspruch nimmt, anderen Staaten auch deren Quellen für Zwecke der Besteuerung überlassen. Diese auf Gegenseitigkeit und Verteilungsgerechtigkeit angelegte internationale Steuerabgrenzung5 wird durch das Welteinkommensprinzip gestört. Schließlich sind die das Welteinkommensprinzip tragenden Normen des Einkommensteuergesetzes als kollisionsbegründende Normen bereits in ihrer rechtlichen Grundausrichtung auf eine die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzende Doppelbesteuerung angelegt. Zwar wird diese Doppelbesteuerung entweder durch DBA oder unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 1 Im Einzelnen Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 90 ff.; Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (23 ff.); Vogel, Intertax 1988, 216 ff., 310 ff., 393 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (131). 2 Im Internationalen Steuerrecht ist dies auch geschehen; Beispiel: Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht. 3 Ebenso Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 67 ff., 78 ff.; Endriss, FR 1968, 388 ff.; Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (93 f.); Schulze-Brachmann, StuW 1964, 589 ff.; Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 211 (218 f.); Vogel, StuW 1980, 206 (211 f.); Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 125 (127 ff.); Vogel DStJG 8 (1985), 28 ff.; Vogel, Intertax 1988, 216 ff., 319 ff., 393 ff.; Vogel, BIFD 2002, 4 (6); Vogel in FS L. Fischer, 1007 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (131) Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260); Morgenthaler, IStR 2000, 289 (292 ff.); kritisch ggü. dem Welteinkommensprinzip ferner Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146. 4 Debatin, BB 1960, 1015 (1015); Debatin, FR 1969, 277 f. 5 Hierzu Vogel in V/L5;, Einl. Rz. 23 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; Flick, FR 1961, 171 ff.

128

B. Unbeschränkte Steuerpflicht (§ 34c EStG) ganz oder zum Teil vermieden bzw. aufgehoben, es ist aber sachgerechter, diese Doppelbesteuerung von vornherein zu verhindern. Eine am Territorialitätsprinzip ausgerichtete Besteuerung wird freilich nur dann eine Doppelbesteuerung vermeiden können, wenn das Territorialitätsprinzip frei von Widersprüchen ist. Hierzu bedürfte es eines internationalen Konsensus aller Staaten. Ein weltweit geltendes Territorialitätsprinzip müsste als eine in sich geschlossene Gerechtigkeitsordnung begriffen werden, innerhalb deren für alle Staaten gleiche oder vergleichbare territoriale Anknüpfungspunkte für die Quellenbesteuerung Geltung haben müssten. Das Territorialitätsprinzip hat indessen international keine Chance, sich durchzusetzen. Insbesondere die reichen – zumeist hochbesteuernden – Staaten werden das Welteinkommensprinzip schon aus fiskalischen Gründen nicht aufgeben.

IX. Durchbrechungen des Welteinkommensprinzips 1. Grundsatz Nach der Konzeption des Einkommensteuergesetzes gilt zwar im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich das Welteinkommensprinzip, hiervon gibt es allerdings folgende Ausnahmen:

5.61

2. Fiskalimmunität Literatur Kommentare zu §§ 1 und 3 Nr. 29 EStG sowie zu § 2 AO und Art. 28 OECD-MA; Debatin, Nochmals: Zur deutschen unbeschränkten Steuerpflicht für UNO-Bedienstete, FR 1991, 580; Lang, Grundsätzliches zur Interpretation völkerrechtlicher Abkommen im Steuerrecht, dargestellt an dem Beispiel der Frage, ob der Diplomat einer ausländischen Mission beschränkt einkommensteuerpflichtig ist, StuW 1975, 285; Streck, Steuerpflicht der Diplomaten, FR 1975, 261; Streck, Steuerpflicht und Steuerbefreiungen von Diplomaten, Konsuln, NATO-Truppenmitgliedern und ihnen gleichgestellten Personen, StuW 1973, 119; Zeileissen, Die abgabenrechtlichen Privilegien in den diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit besonderer Berücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, Wien 1971.

Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18.4.19611 befreit nach seinem Art. 34 die Diplomaten, das heißt die Missionschefs und die Mitglieder des diplomatischen Personals der Mission, von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben, soweit der vorgenannte Personenkreis weder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt noch im Geltungsbereich des Einkommensteuergesetzes ständig ansässig2 ist. Die Befreiung gilt allerdings nicht für Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, 1 Gesetz v. 6.8.1964 zu dem Wiener Übereinkommen v. 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen – BGBl. II 1964, 957; BGBl. II 1965, 147. 2 Der Begriff „ständig ansässig“ ist enger als der Wohnsitzbegriff (§ 8 AO); vgl. Erlass SenFin Berlin v. 8.11.1994, IStR 1995, 85 mit Anm. von Jütte.

129

5.62

Kapitel 5 Einkommensteuer

deren Quellen sich im Empfangsstaat befinden. Das bedeutet, dass ein ausländischer Diplomat im Ergebnis nur mit seinen inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG steuerpflichtig ist.1 Die Dienstbezüge sind hierbei gem. § 3 Nr. 29 Buchst. a EStG steuerfrei.

5.63

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 29 EStG ist mit der Befreiungsregelung des WÜD/WÜK nicht deckungsgleich. So bleibt sie hinter den völkervertraglichen Befreiungsregelungen dadurch zurück, dass z.B. Familienmitglieder nicht begünstigt werden.2 Diese Unterschiede sind nicht völkerrechtlich veranlasst. Da die entsprechenden Regelungen im WÜD/WÜK Völkergewohnheitsrecht3 kodifizieren und in der Normenhierarchie als allgemeine Regeln des Völkerrechts (Rz. 3.23) über Art. 25 GG den einfachen Gesetzen und damit auch dem § 3 Nr. 29 EStG vorgehen, beruht die Steuerbefreiung für Familienangehörige unmittelbar auf Art. 37 Abs. 1 WÜD und Art. 49 Abs. 1 WÜK.4 Im Übrigen gilt: Soweit § 3 Nr. 29 EStG mit der Befreiungsregelung des WÜD/WÜK identisch ist, hat diese Gesetzesvorschrift nur deklaratorische Bedeutung.5 Soweit § 3 Nr. 29 EStG Völkergewohnheitsrecht wiederholt, wirkt diese Vorschrift auch in den Fällen deklaratorisch, in denen Staaten dem WÜD/WÜK nicht beigetreten sind.6

5.64 Nach Art. 37 WÜD sind den Diplomaten gleichgestellt deren Familienmitglieder, soweit sie nicht Angehörige des Empfangsstaates sind, ferner Mitglieder des Verwaltungspersonals und des technischen Personals und deren Familienmitglieder, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind.7 Für die konsularischen Vertretungen gilt das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24.4.1963.8 Die Bestimmungen dieses Abkommens sind weitgehend denen des WÜD nachgebildet. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 29 Buchst. b EStG erfasst dementsprechend auch die Dienstbezüge von Berufskonsuln, Konsulatsangehörigen und deren Personal, soweit sie Angehörige des Entsendestaates sind und in Deutschland außerhalb ihres Amtes oder Dienstes keinen Beruf, kein Gewerbe und keine andere gewinnbringende Tätigkeit ausüben.

5.65 Die Vorschriften des WÜK gelten nur für Berufskonsuln, nicht aber für Wahlkonsuln; das bedeutet, dass die Steuerbefreiungen des Art. 49 WÜK auf Wahlkonsuln keine Anwendung finden (Art. 58 WÜK). Wahlkonsuln 1 Zu weiteren Einzelheiten Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 14 f. 2 Zu den Unterschieden von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22; Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1. 3 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 7, 13. 4 Zu Einzelheiten Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1. 5 Von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22 ff.; Kuhlmann in Frotscher, § 3 EStG Rz. 182; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 15. 6 Von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22 ff.; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 13. 7 Zu Einzelheiten H 6 EStR 2008 zu § 3 Nr. 29. 8 Gesetz v. 26.8.1969 zum Wiener Übereinkommen v. 24.4.1963 über konsularische Beziehungen – BGBl. II 1969, 1585; BGBl. II 1971, 1285.

130

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

sind aber nach Art. 66 WÜK von allen Steuern und sonstigen Abgaben für Bezüge befreit, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben vom Entsendestaat erhalten. Für Mitglieder solcher ausländischer Missionen oder ausländischer konsularischer Vertretungen und ihre Bediensteten, deren Entsendestaat dem WÜD/WÜK noch nicht rechtswirksam beigetreten ist, ergibt sich eine Steuerbefreiung aus der Verwaltungsanordnung der Bundesregierung vom 13.10.1950 (Bundesanzeiger Nr. 212).1 Nach dieser Verwaltungsanordnung, die sowohl verbindliches Völkergewohnheitsrecht (Rz. 3.11 ff.) als auch nicht verbindliche Völkerrechtssitte (courtoisie, comity)2 wiedergibt, werden die dort aufgeführten Personen im Ergebnis ebenfalls nur eingeschränkt besteuert.

5.66

Die die Steuerbefreiung regelnden Vorschriften des WÜD und des WÜK befassen sich nur mit Fragen des Steuerobjekts, nicht aber mit solchen des Steuersubjekts. Daher sind Diplomaten und Konsuln, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass dieser Personenkreis zu den Exterritorialen rechnet. Denn die Exterritorialität ist eine Frage der Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18 ff. GVG) und der Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Eine Fiktion, dass Exterritoriale keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, ergibt sich aus den vorstehenden Regelungen nicht. Daher sind Diplomaten und Konsuln, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EStG erfüllen, unbeschränkt steuerpflichtig3 mit der Folge, dass an sich das Welteinkommensprinzip gilt. WÜD und WÜK legen demgegenüber für Diplomaten und Konsuln verbindlich das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) fest. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich bei § 3 Nr. 29 EStG um eine auf der Grundlage von WÜD und WÜK veranlasste Rückführung des Welteinkommensprinzips auf das Quellenprinzip.

5.67

Weitere Steuerbefreiungen, die zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips führen, sind in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge enthalten, die dem Fundstellennachweis B (völkerrechtliche Vereinbarungen), jährlicher Sonderdruck des Bundesgesetzblatts Teil II, entnommen werden können.4

5.68

1 Vgl. H 3.29 Nr. 10 EStR 2008. 2 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 129. 3 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 15; Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1; Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 136 f.; Lang, StuW 1975, 285 (285, 293); Jütte, IStR 1995, 85 (86); FG Düsseldorf v. 18.10.1973, EFG 1974, 64; dagegen von beschränkter Steuerpflicht ausgehend Wassermeyer in D/W, Art. 28 OECD-MA Rz. 10, 16 ff.; Streck, StuW 1973, 119 ff.; Streck, FR 1975, 261 ff.; Heinicke in Schmidt29, § 3 EStG Stichwort: Diplomatenbezüge; H 3.29 Nr. 2 EstR 2008. 4 Speziell zu den Steuerbefreiungen von UNO-Bediensteten rr, FR 1981, 242 ff.; Debatin, FR 1991, 580 ff.; zu Einzelheiten Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 39.

131

Kapitel 5 Einkommensteuer

3. Verlustausgleichsbeschränkung (§ 2a Abs. 1 und 2 EStG) Literatur Kommentare zu § 2a Abs. 1 und 2 EStG; Baumgärtel/Perlet in Maßbaum/MeyerScharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Frankfurt 1994; von Brocke, Lidl Belgium und die praktischen Folgen, DStR 2008, 2201; Fleischmann, Auslandsverluste – Stiefkinder unseres Steuerrechts?, DStR 1983, 191 (193); Friauf, Steuergleichheit, Systemgerechtigkeit und Dispositionssicherheit als Prämissen einer rechtsstaatlichen Einkommensbesteuerung – zur verfassungsrechtlichen Problematik des § 2a EStG, StuW 1985, 308 ff.; Goertzen, Verfassungswidrige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Auslandsbezug, EWS 1992, 93; Grützner, Berücksichtigung der Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten in Organschaftsfällen iS der §§ 14, 17 KStG, GmbHR 1995, 502; Henkel, Zur Stellung des § 2a im Einkommensteuerrecht und im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Münster 1988; Hey, Können ausländische Verluste aus Vermietung trotz Freistellung nach DBA und § 2a EStG berücksichtigt werden?, RIW 2003, 557; Krabbe, Steuerliche Behandlung ausländischer Verluste nach § 2a EStG, RIW/AWD 1983 42; Kröner, Verrechnungsbeschränkte Verluste im Ertragsteuerrecht, Wiesbaden 1986; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Loritz/Wagner, § 2a EStG und Europäsiche Gemeinschaft- und Verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen, BB 2001, 2266; Manke, Angeklagt: § 2a EStG – Plädoyer für und an den Gesetzgeber, DStZ 1984, 241; Rädler, Abzugsfähigkeit von Auslandsverlusten, FR 1983, 337 ff.; Rehm/Nagler, Zur Frage der Zulässigkeit der Einschränkung des steuerlichen Ausgleichs von Verlusten der Muttergesellschaft aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte von EU-Tochtergesellschaften, GmbHR 2007, 500; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Scholten/Griemla, Beteiligungsstrukturen im Problemfeld des § 2a EStG – Der merstufige Kombinationsfall, IStR 2007, 306, 346, 615; Strobl/Schäfer, Berücksichtigung von Auslandsverlusten bei atypisch stiller Gesellschaft, IStR 1993, 206; Tipke, Hütet das Nettoprinzip!, in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 177; Tipke, Bezüge und Abzüge im Einkommensteuerrecht, StuW 1980, 1; Tipke, Das Nettoprinzip – Angriff und Abwehr, dargestellt am Beispiel des Werkstorprinzips, BB 2007, 1525; Verfürth, Verlustausgleichsverbote im Einkommensteuerrecht, Diss. Köln 2002; Vogel, Besteuerung fiktiver Einkünfte, in Wendt/Höfling/Karpen/ Oldiges (Hrsg.), FS für Friauf, Heidelberg 1996, 825; Weigell, Die Beschränkung des Ausgleichs ausländischer Verluste durch den neuen § 2a EStG, Gelsenkirchen 1986; Weinreich, Probleme des Verlustausgleichs über die Grenze, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1994.

5.69 Aus dem Welteinkommensprinzip folgt, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nur im Ausland erzielte positive, sondern auch dort erzielte negative Einkünfte Berücksichtigung finden müssen. Die Berücksichtigung sowohl positiver als auch negativer Einkünfte folgt aus § 2 Abs. 2 EStG, wonach prinzipiell nur Rein- oder Nettoeinkünfte der Einkommensteuer unterliegen.1 Hierdurch wird das objektive Netto1 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 54 ff.; Tipke, StuW 1980, 1 ff.

132

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

prinzip1 positioniert, wonach im Grundsatz die uneingeschränkte Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und damit zugleich auch von Verlusten geboten ist.2 Im Hinblick darauf sind auch negative Einkünfte aus dem Ausland grundsätzlich in den horizontalen und vertikalen Verlustausgleich einzubeziehen. Diese uneingeschränkte Verlustberücksichtigung als Ausprägung des objektiven Nettoprinzips führt zu einer legislativen Bindung auf Grund des gleichheitsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebots; Ausnahmen von der Verlustberücksichtigung bedürfen daher eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes.3 Durch den Verlustausgleich gem. § 2 Abs. 1 bis 3 EStG können bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte positive und negative Einkünfte eines Jahres verrechnet werden. Hierbei sind zunächst negative Einkünfte einer Einkunftsart mit positiven Einkünften derselben Einkunftsart auszugleichen (horizontaler Verlustausgleich). Sodann werden die verbleibenden positiven und negativen Einkünfte verschiedener Einkunftsarten ausgeglichen (vertikaler Verlustausgleich).4 Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, sind nach § 10d EStG durch Verlustabzug (Verlustvortrag/ Verlustrücktrag) zu berücksichtigen (interperiodischer Verlustausgleich).

5.70

§ 2a Abs. 1 und 2 EStG stellt eine Durchbrechung sowohl des Welteinkommensprinzips als auch des Nettoprinzips dar. Diese Vorschrift untersagt nämlich einen Verlustausgleich zwischen positiven inländischen Einkünften und negativen ausländischen Einkünften aus – einer in einem Drittstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG),

5.71

– der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem Drittstaat hat (§ 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG), – der Vermietung oder der Verpachtung unbeweglichen Vermögens oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem Drittstaat belegen sind (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG). Darüber hinaus unterliegen auch inländische negative Einkünfte (Gewinnminderungen), soweit sie durch in einem Drittstaat veranlassten

1 Zum normkonzipierenden Charakter des Nettoprinzips Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 127; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; Lang in Tipke/ Lang20, § 9 Rz. 55; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 60 ff., 183 ff. 2 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 54 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Tipke in FS Raupach, 177 ff.; Tipke, BB 2007, 1525 ff. 3 Vgl. BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (235 ff.). 4 Zum horizontalen und vertikalen Verlustausgleich im Einzelnen Lang in Tipke/ Lang20, § 9 Rz. 60 ff.

133

5.72

Kapitel 5 Einkommensteuer

Aufwand entstanden sind, der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a EStG. Es handelt sich hierbei um negative Einkünfte aus – Anteilen an einer Drittstaaten-Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG) oder an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG), – der entgeltlichen Überlassung von Schiffen, wenn diese ausschließlich oder fast ausschließlich in Drittstaaten eingesetzt worden sind, es sei denn, es handelt sich um eine ausgerüstete Überlassung von einem Vercharterer oder um die Überlassung an nicht in Drittstaaten ansässige Ausrüster oder um eine nur vorübergehende Überlassung an in Drittstaaten ansässige Ausrüster. (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG), – der Teilwertabschreibung oder Übertragung von in Drittstaaten belegenem unbeweglichen Vermögen oder der vorgenannten Schiffe (§ 2a Abs. 1 Nr. 6c EStG).

5.73 Derartige negative Einkünfte dürfen mit Ausnahme der in § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG genannten Fälle nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden (per country limitation). Soweit ein solcher Ausgleich im Veranlagungszeitraum nicht möglich ist, dürfen die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt, gemindert werden. Ein Verlustvor- und -rücktrag nach § 10d EStG ist ausgeschlossen. Verluste aus Anteilen an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG) unterliegen einer erweiterten Verlustausgleichsbeschränkung insoweit, als sie nur mit positiven Einkünften aufgrund von Tatbeständen der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden dürfen.

5.74 § 2a Abs. 1 EStG schränkt den Verlustausgleich auf allen drei Ebenen ein, so dass neben dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich auch der interperiodische Verlustausgleich betroffen ist.1 Damit beeinflusst die Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a EStG das zu versteuernde Einkommen,2 das nicht nur Steuerbemessungsgrundlage, sondern auch Bemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes (Steuersatz-Einkommen) ist.3 Hieraus folgt, dass § 2a Abs. 1 EStG auch zu einer Versagung der Progressionsmilderung durch Verluste führt. Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen DBA einen (negativen) Progressionsvorbehalt vorsehen. Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatz-Einkommens beruht nämlich allein auf deutschem Einkommen1 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 9 f. 2 In Fällen der Organschaft ist unmittelbar das Einkommen nur der Organgesellschaft betroffen; hierzu Grützner, GmbHR 1995, 502 (504). 3 Z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104, v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100. Hierdurch kommt es im Ergebnis zu einer das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzenden Besteuerung von fiktiven Einkünften; hierzu Vogel in FS Friauf, 825 (829 f.).

134

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

steuerrecht, das der Gesetzgeber ohne weiteres ändern kann. Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt lässt diese Einbeziehung lediglich zu, hat insoweit also nur deklaratorische Wirkung. Damit schließt § 2a Abs. 1 EStG einen negativen Progressionsvorbehalt auch in Abkommensfällen aus,1 wobei dieser für den EU-/EWR-Bereich ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG).2 Die vorgenannte Verlustausgleichsbeschränkung gilt im Hinblick insbesondere auf die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) nicht in EU-/EWR-Fällen,3 soweit die hierdurch betroffenen Staaten Amtshilfe gewähren (§ 2a Abs. 2a Satz 2 EStG).4 Darüber hinaus wird sie für negative Einkünfte (Gewinnminderungen) aus bestimmten aktiven Tätigkeiten wieder aufgehoben (§ 2a Abs. 2 EStG).

5.75

§ 2a Abs. 1 EStG führt im Ergebnis dazu, dass für bestimmte ausländische und im Ausland veranlasste inländische Einkünfte, soweit sie positiv sind, das Welteinkommensprinzip, und, soweit sie auf Dauer negativ sind, das Territorialitätsprinzip gilt. Diese Durchbrechung sowohl des Welteinkommensprinzips5 als auch des objektiven Nettoprinzips hat die höchstrichterliche Rechtsprechung6 nicht als einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewertet.7 Die Regelung in § 2a Abs. 1 und 2 EStG sei nicht grob sachwidrig. Es hätten sachbezogene Gründe bestanden, um zwischen Inlands- und bestimmten Auslandseinkünften zu unterscheiden. Dem Gesetzgeber sei es nämlich darum gegangen, unerwünschte Steuerersparnismöglichkeiten, die sich aus Verlustzuweisungsmodellen ergeben hätten, zu verhindern. Dass über dieses Ziel hinaus auch „gute“ Auslandsverluste durch die Regelung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG betroffen würden, sei als Typisierung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.8

5.76

1 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 97; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 8, 89 f. 2 In der Fassung des JStG 2009; zu Einzelheiten Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 89 f. 3 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647. 4 Nach Auffassung der FinVerw ist das bei Liechtenstein nicht der Fall. 5 Der BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704 erkennt hierin keinen Systembruch. 6 Z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1991, 820; BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 5.9.1991 – IV R 40/90, BStBl. II 1992, 192; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 29.5.2001 – VIII R 43/00, BFH/NV 2002, 14; vgl. auch die weitergehende Rechtsprechungsübersicht bei Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 40 in Fußnote 2. 7 Der Rechtsprechung folgend z.B. Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 42; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 55 ff. 8 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wird demgegenüber angenommen z.B. von Gosch in Kirchhof9, § 2a EStG Rz. 2; Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz. 16.1; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 176; Weigell, Die Beschränkung des Ausgleichs ausländischer Verluste durch den neuen § 2a EStG, 172; Friauf, StuW

135

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.77

Mit dieser Rechtsprechung, die durch das BVerfG gedeckt ist,1 wird Art. 3 Abs. 1 GG weitgehend seiner individualrechtlichen Korrektivfunktion entkleidet und zum Formalprinzip entwertet. Eine auf bloße Verlusterzielung und damit auf Steuerersparnis ausgerichtete Tätigkeit mag zwar den Gesetzgeber berechtigen, ein Verlustausgleichs- und Verlustabzugsverbot zu statuieren, dies rechtfertigt indessen keine typisierenden Regelungen zu Lasten einer Mehrheit, deren Tätigkeit nicht auf Verlusterzielung ausgerichtet ist. Dies gilt umso mehr, als durch den Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 EStG nicht nur Drittstaaten-Verluste, sondern auch in Drittstaaten veranlasste inländische Verluste betroffen sind, die mit unerwünschten ausländischen Verlustzuweisungsmodellen nichts zu tun haben. Darüber hinaus vermag § 2a Abs. 1 und 2 EStG eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen inund ausländischen Verlusten ohnehin nicht zu erklären; was letztlich auch dazu geführt hat, dass § 2a Abs. 1 EStG i.d.F. vor dem JStG 2009 europarechtlich nicht haltbar war.2 Wegen der Konvergenz der Gleichheitsrechte3 gilt dies auch für Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit, der nur Ausnahmen bei besonderen, sachlich rechtfertigenden Gründen zulässt,4 die hier nicht gegeben sind.5

5.78 Dem § 2a Abs. 1 und 2 EStG liegt keine einheitliche Konzeption zugrunde. Die Auswahl der in dem Diskriminierungskatalog erfassten Verluste (Gewinnminderungen) erscheint willkürlich.

5.79 Zu den beschränkt ausgleichsfähigen Verlusten6 im Einzelnen: 5.80 – Verluste aus einer in einem Drittstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterfallen uneingeschränkt der Verlustausgleichsbeschränkung, und zwar unabhängig davon, unter welche Einkunftsart diese Verluste fallen.7

1 2 3 4 5 6 7

1985, 308 ff.; Rädler, FR 1983, 337 ff.; Fleischmann, DStR 1983, 191 (193); Schaumburg in FS Tipke, 125 (133); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (245). Z.B. BVerfG v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (226 ff.); v. 27.3.1998 – 2 BvR 1986/93, 2 BvR 2058/92, 2 BvR 220/92, IStR 1998, 344, 376. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647. Hierzu Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (307 f.). Vgl. BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BverfGE 122, 210. Dass die in Betracht kommenden Gründe unzureichend sind, hat der EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647 eindrucksvoll belegt. Die negativen Einkünfte aus Drittstaaten sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln; BFH v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 24. Für die Einkünftequalifikation gilt die isolierende Betrachtungsweise, so dass die Subsidiaritätsklauseln (§§ 20 Abs. 2; 21 Abs. 3 EStG) suspendiert sind; BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; v. 31.3.2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004, 742; zu Einzelheiten Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 126.

136

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Nach der gesetzgeberischen Motivation sollten vor allem konzepitionell verlustbringende Tierfarmen – etwa in Paraguay – getroffen werden; tatsächlich werden aber auch Verluste aus Land- und Forstwirtschaft der Ausgleichsbeschränkung unterworfen, obwohl die Land- und Forstwirtschaft nach den Wertungen des deutschen Einkommensteuerrechts durchweg als besonders förderungswürdig angesehen wird. So werden land- und forstwirtschaftliche Einkünfte einerseits etwa durch den Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG und durch die Gewinnermittlung nach § 13a EStG privilegiert und gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG als „gute“ Einkünfte eingestuft, andererseits aber durch § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG als „böse“ Einkünfte diskriminiert. Dieser Wertungswiderspruch ist nicht auflösbar.1 Schließlich verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass durch die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG land- und forstwirtschaftliche Verluste nicht erfasst werden.2

Sind die (negativen) Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten in Drittstaaten aufgrund von DBA freigestellt (Belegenheitsprinzip), können die ausländischen Verluste ohnehin nicht mit inländischen (positiven) Einkünften ausgeglichen werden, weil die abkommensrechtliche Freistellung bewirkt, dass sowohl positive als auch negative Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind (Rz. 5.88, 16.532). Insoweit wirkt sich § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG nur auf den negativen Progressionsvorbehalt aus. – Verluste aus einer in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG),3 zu der auch die Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft zählt, soweit diese im Ausland eine Betriebsstätte unterhält,4 unterliegen nur dann der Verlustausgleichsbeschränkung, wenn ihnen Tätigkeiten zugrunde liegen, die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht als förderungswürdig anerkannt werden. Aufgrund der vorgenannten Aktivitätsklausel sind danach begünstigt die Herstellung oder Lieferung von Waren, außer Waffen, die Gewinnung von Bodenschätzen sowie sonstige gewerbliche Leistungen, soweit diese nicht in der Errichtung oder in dem Betrieb von Fremdenverkehrseinrichtungen oder in der Vermietung oder der Verpachtung von Wirtschaftsgütern einschließlich der Überlassung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen bestehen. Als gewerbliche Leistungen gelten auch die unmittelbare Beteiligung von mindestens einem Viertel an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sowie die mit dem Halten dieser Beteiligung im Zusammenhang ste1 A.A. BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; eingehend zur Kritik an § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 20a. 2 A.A. BFH v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 138. 3 Maßgeblich ist der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO; BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 4 Z.B. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 152. Zu Besonderheiten im Zusammenhang mit einer atypisch stillen Gesellschaft Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 ff.

137

5.81

Kapitel 5 Einkommensteuer

hende Finanzierung, vorausgesetzt, die ausländische Kapitalgesellschaft übt die vorgenannten aktiven Tätigkeiten entweder selbst oder etwa über ihre nachgeschalteten Kapitalgesellschaften aus.1 Damit werden unter den vorgenannten Voraussetzungen auch bestimmte Holdingfunktionen aus dem Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgenommen.2 § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG enthält Plausibilitätsdefizite. So ist nicht erkennbar, warum bestimmte Verluste aus ausländischen gewerblichen Betriebsstätten der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen sind, Verluste aus einer entsprechenden Tätigkeit von ständigen Vertretern dagegen nicht.3 In beiden Fällen handelt es sich um ausländische Einkünfte, für die die aus § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG erkennbare Wertung gleichermaßen zutrifft.4 Einen Wertungswiderspruch bedeutet es schließlich auch, dass durch § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG in den Fällen der mittelbar ausgeübten aktiven Tätigkeit der ausländischen Betriebsstätte nur unmittelbare Beteiligungen von mindestens einem Viertel aus dem Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgenommen werden. Diskriminiert bleiben daher stets im ausländischen Betriebsvermögen gehaltene Schachtelbeteiligungen von weniger als einem Viertel. Im Hinblick auf die sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 8 u. 9 AStG ergebenden Wertungen sind die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG getroffenen Regelungen insoweit unverständlich.

Sind die Betriebsstätteneinkünfte aufgrund von DBA im Inland freigestellt (Betriebsstättenprinzip), hat § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG lediglich Bedeutung für den negativen Progressionsvorbehalt, soweit dieser nicht ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG).

5.82 – Verluste bzw. Gewinnminderungen aufgrund einer Teilwertabschreibung (§ 2a Abs. 1 Nr. 3a EStG), aus der Veräußerung oder Entnahme von zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteilen an DrittstaatenKörperschaften oder aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals einer derartigen Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3b EStG) unterliegen nur dann nicht der Verlustausgleichsbeschränkung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre und in dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum selbst eine aktive Tätigkeit i.S. des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt hat (§ 2a Abs. 2 Satz 2 EStG). § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG soll der Gleichstellung von Betriebsstätten einerseits und Tochtergesellschaften andererseits in dem Sinne dienen, 1 Zum Aktivitätskatalog des § 2a Abs. 2 EStG im Einzelnen Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 360 ff. 2 Für den Aktivitätstest wird letztlich auf die letzte Beteiligungsstufe abgestellt; Baumgärtel/Perlet in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, 740; Scholten/Griemla, IStR 2007, 346 (350 ff.); a.A. Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 391. 3 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 30; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 43. 4 Hierzu im Einzelnen Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 43.

138

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

dass mittelbare Verluste ebenso der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen sind wie unmittelbare Verluste.1 Die vorstehende Verlustausgleichsbeschränkung gilt gem. § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG für unter § 17 EStG fallende Anteile an Drittstaaten-Kapitalgesellschaften sinngemäß.2 Mit dieser „Gleichstellung“ ist der Gesetzgeber allerdings weit über das Ziel hinausgegangen, so dass § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG auf einer höheren Diskriminierungsebene angesiedelt ist als § 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. So sind etwa Gewinnminderungen aufgrund von Teilwertabschreibungen bloß vermögensverwaltender Tochtergesellschaften der Verlustausgleichsbeschränkung stets unterworfen, während unmittelbare Verluste aus vermögensverwaltender Tätigkeit im Ausland, abgesehen von § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG und von Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens oder von Sachinbegriffen (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG), nicht diskriminiert sind.3

Da Gewinne aus der Veräußerung und dieser gleichgestellten Vorgängen auf Abkommensebene grundsätzlich dem jeweiligen Wohnsitzstaat zur Besteuerung zugewiesen sind, hat § 2a Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG auch bei Anwendung von DBA uneingeschränkt Bedeutung.4 – Aus dem Bereich der Kapitaleinkünfte werden gem. § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG lediglich Verluste aus stillen Gesellschaften5 und partiarischen Darlehen der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen. Eine Ausnahme hiervon sieht die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG nicht vor. Mit der Einbeziehung der vorgenannten Verlustkategorien in den Regelungsbereich des § 2a Abs. 1 EStG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, ein Ausweichen ausländischer Verlustkonstruktionen auf stille Gesellschaften zu unterbinden.6 Die partiarischen Darlehen wurden wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung ggü. der stillen Beteiligung mit erfasst.7 Dass stille Beteiligungen an in Drittstaaten ansässigen Handelsgesellschaften ausnahmslos wirtschaftlich als nicht sinnvoll qualifiziert werden, geht weit über die Zielsetzung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG hinaus. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG nicht auch stille Beteiligungen erfasst. Wegen dieser fehlenden Differenzierung sind Verluste aus stillen Beteiligungen im Gegensatz zu solchen aus mitunter1 Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 166. 2 Zu Einzelheiten Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 206 ff. 3 § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG wird für verfassungswidrig gehalten z.B. von Goertzen, EWS 1992, 93 (96 ff.). 4 Im Übrigen gelten §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG und § 8b Abs. 3 KStG ohnehin; zum Konkurrenzverhältnis Probst in F/W/B, § 2a EStG, Rz. 174 ff. 5 Erfasst werden nur typisch stille Beteiligungen; atypisch stille Beteiligungen fallen unter § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG; Heinicke in Schmidt29, § 2a EStG Rz. 32. 6 Hierzu Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 50; Krabbe in B/K/L/M/R § 2a EStG Rz. 20. 7 Vgl. den Hinweis bei Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 230.

139

5.83

Kapitel 5 Einkommensteuer nehmerischen Beteiligungen an in Drittstaaten ansässigen Personengesellschaften selbst dann nicht mit positiven inländischen Einkünften ausgleichsfähig, wenn das ausländische Handelsgewerbe, an dem die stille Beteiligung besteht, eine aktive Tätigkeit i.S. des § 2a Abs. 2 EStG ausübt.1 Die Einbeziehung partiarischer Darlehen ist ohnehin ungerechtfertigt, weil es hier nur zu Verlusten kommen kann, wenn die Werbungskosten die Einnahmen übersteigen: Hierdurch wird die durch das objektive Nettoprinzip vorgegebene strukturelle Äquivalenz von Einnahmen und Ausgaben als Bestandteile des steuerlichen Einkommens gestört mit der Folge, dass im Ergebnis Roheinnahmen der Besteuerung unterworfen werden.2

Da Einkünfte aus stillen Beteiligungen und aus partiarischen Darlehen auf Abkommensebene der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat zugeordnet sind, ergeben sich durch DBA keine Einschränkungen für die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG.

5.84 – Neben Verlusten aus der Vermietung oder Verpachtung von in Drittstaaten belegenem unbeweglichem Vermögen und Sachinbegriffen (§ 2a Abs. 1 Nr. 6a EStG) werden in die Verlustausgleichsbeschränkung auch Verluste aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen einbezogen, wenn diese ausschließlich oder fast ausschließlich in Drittstaaten eingesetzt worden sind, es sei denn, es handelt sich um eine ausgerüstete Überlassung von einem Vercharterer oder um die Überlassung an nicht in Drittstaaten ansässige Ausrüster (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG). Darüber hinaus werden auch Verluste aus einer Teilwertabschreibung oder aus der Übertragung von im Betriebsvermögen gehaltenem vorbezeichneten Grundbesitz oder zu einem Betriebsvermögen gehörenden Schiffen erfasst (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c EStG).3 § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG verdankt seine Entstehung dem seinerzeitigen Angebot steuersparender ausländischer Bauherrenmodelle und Leasingmodelle,4 die nicht zuletzt aber gerade deshalb steuerlich Bedeutung gewannen, weil Deutschland in Abkehr vom traditionellen Abkommensmuster in den DBA mit der Schweiz und mit Spanien die Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durchgesetzt hatte. Erst dadurch konnten Verluste aus Immobilieninvestitionen in diesen Ländern im Inland steuerlich geltend gemacht werden. § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG stellt sich insoweit als ein Korrektiv zu den vorgenannten DBA dar.5 Gemessen an dem von § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck ist schließlich unklar, aus welchen Gründen die Vermietung von Sachinbegriffen, nicht aber die Vermietung einzelner Sachen im Ausland in die Verlustausgleichsbeschränkung einbezogen ist. 1 Zur Kritik auch Gosch, in Kirchhof9, § 2a EStG Rz. 41; Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz. 45; Naujok in Bordewin/Brandt, § 2a EStG Rz. 88. 2 Zur Kritik umfassend Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 50 ff., 72 ff. 3 Zu Einzelheiten Probst in F/W/B, § 2a EStG Rz. 238 ff. 4 Krabbe, RIW/AWD 1983, 42 (44); Manke, DStZ 1984, 241 ff. 5 Hierzu im Einzelnen Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (100).

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B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Soweit aufgrund von DBA Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Wohnsitzstaat freigestellt sind, hat § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG nur Bedeutung für den negativen Progressionsvorbehalt, soweit dieser nicht ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). – § 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG erweitert die Verlustausgleichsbeschränkung auf Verluste aus einer Teilwertabschreibung, aus der Veräußerung oder Entnahme eines Anteils sowie aus der Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft, soweit die Verluste auf Tätigkeiten zurückzuführen sind, die unter den Katalog des § 2a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG fallen. Durch diese Regelung soll eine Umgehung der Verlustausgleichsbeschränkung durch Zwischenschaltung insbesondere inländischer Körperschaften vermieden werden.

5.85

4. Steuerfreistellung durch DBA Literatur Kommentare zu Art. 23 OECD-MA, Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Einlage und verdeckter Ausschüttung, DStR 2007, 514; Dötsch/ Pung, JStG 2007: Die Änderungen des KStG und des GewStG, DB 2007, 11; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und die Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, Frankfurt/M. 2007; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, BadenBaden 2008; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzugs, DStJG 17 (1994), 231; Pohl/Raupach, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen nach dem JStG 2007, FR 2007, 210; Reinhart, Der Auslandstätigkeitserlass, DB 1983, 2246; Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151; Strnad, Das Korrespondenzprinzip in § 8, § 8b KStG gemäß JStG 2007, GmbHR 2006, 1321; Wassermeyer, Außensteuerrechtliche Probleme der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), 103.

Soweit auf der Ebene von DBA die Doppelbesteuerung dadurch vermie- 5.86 den wird, dass im Ausland erzielte Einkünfte von deutscher Steuer freigestellt werden (Freistellungsmethode; Art. 23A Abs. 1 OECD-MA), handelt es sich um eine Durchbrechung des auf der Ebene des Einkommensteuergesetzes konzipierten Welteinkommensprinzips. Die Steuerfreistellung hat entsprechend der abkommensrechtlichen Terminologie im Wohnsitzstaat dadurch zu erfolgen, dass die betreffenden Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen sind. Aus deutscher Sicht bedeutet das, dass die in Betracht kommenden Einkünfte grundsätzlich nicht zur Bemessungsgrundlage gehören.1 Damit sind sie – abgesehen vom Progressionsvorbehalt – der inländischen Besteuerung uneingeschränkt entzogen, und zwar so, wie wenn die Einkünfte überhaupt nicht vorhanden wä1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 38.

141

Kapitel 5 Einkommensteuer

ren;1 von ihrer Wirkung her beinhalten die entsprechenden Abkommensvorschriften somit eine sachliche Steuerbefreiung.2 Durch die vorgenannte Freistellungsmethode wird damit das Welteinkommensprinzip (Totalitätsprinzip) auf das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) zurückgeführt.

5.87 In den von Deutschland abgeschlossenen DBA spielt die Freistellungsmethode insbesondere bei Betriebsstätteneinkünften (Betriebsstättenprinzip), Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Belegenheitsprinzip) und bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit (Arbeitsortprinzip) eine dominierende Rolle. Im Übrigen gilt durchweg die Anrechnungsmethode, die im Grundsatz das Welteinkommensprinzip auch auf der Ebene der DBA aufrechterhält.

5.88 Die Freistellungsmethode bewirkt, dass die von ihr erfassten Einkünfte der Besteuerung durch den Quellenstaat verbleiben und von der Besteuerung im Wohnsitzstaat auszunehmen sind. Zu diesen Einkünften zählen aus deutscher Sicht nicht nur positive Einkünfte, sondern auch Verluste, so dass ausländische negative Einkünfte – abgesehen von einem negativen Progressionsvorbehalt – im Inland grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (sog. Symmetriethese).3 Eine Ausnahme hiervon gebietet allenfalls die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV)4 in den Fällen, in denen die negativen Einkünfte im Quellenstaat keine steuerliche Berücksichtigung finden.5

5.89

Die Nichtberücksichtigung von Verlusten führt zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und gegebenenfalls zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn infolge des Verlustberücksichtigungsverbotes im Inland Einkünfte zu versteuern sind, die in der Gesamtheit überhaupt nicht angefallen sind. In diesen Fällen führt die abkommensrechtliche Steuerfreistellung tatsächlich zu einer Steuerverschärfung. Diese Rechtsfolge ist indessen nicht zwingend, da DBA durch Steuerfreistellung zwar die Besteuerung positiver Einkünfte, nicht aber die steuerliche Be1 BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 3.11.1982 – I R 39/80, BStBl. II 1983, 182. 2 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, I B 42/92, I B 43/92, BFH/NV 1993, 156. 3 Hierzu BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1733; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; seit jeher ständige Rechtsprechung z.B. BFH v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; vgl. ferner Rz. 16.532. 4 Die Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten aus Drittstatten kann nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gestützt werden; EuGH v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, IStR 2008, 107. 5 EuGH v. 28.2.2008, Rs. C – 293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1149; v. 15.5.2008, Rs. C – 414/06 – Lidl, BStBl. II 2009, 692; vgl. auch EuGH v. 23.10.2008, Rs. C – 157/07 – KR Wannsee, BStBl. II 2009, 566 zu § 2a Abs. 3, 4 EStG a.F.

142

B. Unbeschränkte Steuerpflicht rücksichtigung ausländischer Verluste verbieten.1 Im Hinblick darauf ist eine dem früheren § 2a Abs. 3 und 4 EStG2 vergleichbare Norm geboten, wonach ausländische Verluste unter Nachsteuervorbehalt steuerlich berücksichtigungsfähig sind.3

5. Steuerfreistellungen nach innerstaatlichem Recht a) Teileinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 EStG regelt die Steuerbefreiung der mit Körperschaftsteuer vorbelasteten Einnahmen des Anteilseigners i.H.v. 40 Prozent. Es handelt sich insoweit um ein Teileinnahmeverfahren mit dem das in § 3c Abs. 2 EStG geregelte Teilabzugsverfahren korrespondiert. Der Umfang der Steuerfreistellung auf Gesellschafterebene orientiert sich im Grundsatz an der Körperschaftsteuerbelastung auf Gesellschaftsebene. Damit wird die Kapitalgesellschaft als Belastungsebene stets einbezogen, ohne dass hierdurch das maßgebliche Trennungsprinzip aufgehoben wird.4 Das Teileinkünfteverfahren erfasst im Wesentlichen Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG) und Dividenden (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), allerdings nur insoweit, als es sich um betriebliche Einkünfte handelt (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG).5 Die partielle Steuerbefreiung insbesondere von Veräußerungsgewinnen und Dividenden ist kein Steuerprivileg,6 sondern im Kern nur eine Technik zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen desselben Einkommens bei unterschiedlichen Steuersubjekten.7 Da das Teileinkünfteverfahren u.a. auch für die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Gesellschaften und für aus dem Ausland stammende Dividenden Anwendung findet, ist § 3 Nr. 40 EStG im internationalen Kontext auch auf die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet. Insoweit wird unilateral partiell die Freistellungsmethode umgesetzt, wodurch insoweit das Welteinkommensprinzip suspendiert wird. Da § 3 Nr. 40 EStG nur eine partielle Steuerbefreiung einräumt und damit im Übrigen das Welteinkommensprinzip aufrechterhalten bleibt, können etwaige Quellensteuern nach Maßgabe des § 34c Abs. 1 EStG (Rz. 15.56 ff.) nicht nur teilweise,

1 BFH v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; Krabbe in B/K/L/M/R, § 2a EStG Rz. 32; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (148 ff.); Mössner, DStJG 17 (1994), 231 (250 ff.). 2 § 2a Abs. 3 EStG aufgehoben durch Gesetz v. 24.3.1999 (BStBl. I 1999, 402). 3 Eine derartige Lösung wäre europarechtlich nicht zu beanstanden; vgl. EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, BStBl. II 2009, 566. 4 Zu Einzelheiten Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 1. 5 Für die Besteuerung privater Einkünfte gilt die Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG. 6 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551; Schön, StuW 2008, 151 (154). 7 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551; Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 7.

143

5.90

Kapitel 5 Einkommensteuer

sondern im Rahmen der Höchstbeträge im vollem Umfange zur Anrechnung gebracht werden.

5.91 Obwohl die teilweise Steuerfreistellung nicht davon abhängt, ob und ggf. in welcher Höhe auf Gesellschaftsebene eine körperschaftsteuerliche Vorbelastung gegeben ist, enthält § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG für den Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung eine materielle Korrespondenz dahingehend, dass die partielle Steuerfreistellung nur dann eingreift, wenn das Einkommen der leistenden Körperschaft hierdurch nicht gemindert wurde. Das Teileinkünfteverfahren ist insbesondere in den Fällen ausgeschlossen, in denen etwa ein überhöhtes Gehalt eines Gesellschaftergeschäftsführers bei der leistenden Körperschaft bestandskräftig als Betriebsausgabe erfasst wurde. Derart verdeckt ausgeschüttete Gewinne sind beim Gesellschafter somit in voller Höhe zu besteuern. Diese Ausnahmeregelung betrifft vor allem Sachverhalte mit Auslandsbezug, wodurch sog. weiße Einkünfte vermieden werden sollen.1

5.92

Die korrespondierende Besteuerung, die dem deutschen Steuerrecht im Übrigen fremd ist, bedeutet insofern einen Systembruch, als das Teileinkünfteverfahren, das zwar dogmatisch auf eine integrierte Betrachtung der verschiedenen Besteuerungsebenen hin angelegt ist,2 tatsächlich aber nicht darauf abstellt, ob und ggf. in welcher Höhe eine körperschaftsteuerliche Vorbelastung gegeben ist. Schließlich ist auch nicht erkennbar, aus welchen Gründen das materielle Korrespondenzprinzip sich gerade auf verdeckte Gewinnausschüttungen beschränkt. Konsequent wäre es, wenn alle Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hiervon erfasst würden.3 Im Übrigen ist diese Regelung mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten unvereinbar, weil in tatsächlicher Hinsicht durchweg nur verdeckte Gewinnausschüttungen seitens ausländischer Kapitalgesellschaften betroffen sind.4

5.93 Die insbesondere grenzüberschreitende Sachverhalte betreffende korrespondierende Besteuerung gilt allerdings nicht bei sog. Dreieckssachverhalten, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Anteilseigner nahe stehenden Person erhöht hat und diese Steuerfestsetzung nicht mehr gem. § 32a KStG geändert werden kann (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 3 EStG). Da die Anwendung des § 32a KStG insbesondere bei einer im Ausland ansässigen nahe stehenden Person5 ausgeschlossen ist, sind hier im Wesentlichen wiederum grenzüberschreitende Sachverhalte betroffen.

1 2 3 4 5

Pohl/Raupach, FR 2007, 210 ff.; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 ff. BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551, Schön, StuW 2000, 151 ff. Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 125. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514 (517). Hier kann auf § 1 Abs. 2 AStG abgestellt werden; vgl. Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (216); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322), a.A. Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 135.

144

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

b) Hinzurechnungsbesteuerung § 3 Nr. 41 EStG enthält eine Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen, soweit die entsprechenden Gewinne in der Vergangenheit bereits der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) unterlegen haben. Damit soll eine Doppelbesteuerung vermieden werden, die darin besteht, dass in der Vergangenheit niedrigbesteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb ausländischer Kapitalgesellschaften als Hinzurechnungsbetrag, der als (fiktive) Dividende qualifiziert wird (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), ohne dass hierauf §§ 3 Nr. 40, 32d EStG und § 8b KStG zur Anwendung kommen (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG), bereits der Besteuerung unterworfen wurden.

5.94

Im Ergebnis führt die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 EStG zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips, die indessen wegen der bereits vorangegangenen steuerlichen Erfassung des Hinzurechnungsbetrags systembedingt ist. Mit der Steuerfreistellung für Gewinnausschüttungen korrespondiert § 3c Abs. 2 EStG, wonach die mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen einer Abzugsbeschränkung ausgesetzt sind.1 Trotz Steuerfreistellung ermöglicht § 12 Abs. 3 AStG die Anrechnung ausländischer Quellensteuern.

5.95

c) Auslandstätigkeiten § 34c Abs. 5 EStG enthält für die obersten Finanzbehörden der Länder und für die von ihnen beauftragten Finanzbehörden eine Ermächtigung, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil zu erlassen oder zu pauschalieren, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Steueranrechnung besonders schwierig ist. Auf dieser Grundlage ist der in der Besteuerungspraxis bedeutsame Auslandstätigkeitserlass2 ergangen, der für die Einkünfte aus im Ausland ausgeübter nichtselbständiger Arbeit einen Steuererlass für bestimmte gleichgelagerte Fälle aus volkswirtschaftlichen Gründen ausspricht, soweit keine DBA eingreifen. Nach dem Auslandstätigkeitserlass werden Einkünfte aus im Ausland ausgeübter nichtselbständiger Tätigkeit von der deutschen Besteuerung freigestellt, soweit die Auslandstätigkeit mindestens drei Monate beträgt und im Zusammenhang steht mit dem Anlagenbau, dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, mit Consulting sowie der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der 1 Kritisch hierzu Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. EStG, Rz. 22; Lieber, FR 2002, 139 (142 f.); Wassermeyer, DStJG 25 (2002), 103 (107 ff.); einschränkend auch BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220, wonach ein Erwerbsaufwand dann nicht gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei – hier durch eine Kapitalbeteiligung vermittelte – Einnahmen erzielt hat; ggf. rechtsprechungsbrechende Änderung des § 3c Abs. 2 EStG durch das JStG 2010. 2 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470; vgl. auch Rz. 15.140 ff.

145

5.96

Kapitel 5 Einkommensteuer

technischen oder finanziellen Zusammenarbeit. Die Steuerfreistellung steht unter Progressionsvorbehalt.

5.97

Als volkswirtschaftliche Gründe werden allgemein angeführt die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, die insbesondere im Bereich des internationalen Anlagenbaus gegenüber ausländischen Konkurrenten mit geringeren Lohnkosten benachteiligt seien.1 Indessen sind es weniger die Ziele der Exportförderung, die im Vordergrund stehen; es sind vielmehr finanzielle Anreize zur Motivierung von inländischen Arbeitnehmern, die wohl kaum für Auslandseinsätze zu gewinnen wären, wenn sie für ihre Auslandseinkünfte hohe (deutsche) Steuern zahlen müssten.2 Im Hinblick darauf hat der Auslandstätigkeitserlass subventionierenden Charakter.

5.98 Die Steuerfreistellung aufgrund des Auslandstätigkeitserlasses führt zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips. Konzeptionell entsprechen die durch den Auslandstätigkeitserlass getroffenen Regelungen, die der Vermeidung der (virtuellen) Doppelbesteuerung dienen, der Freistellungsmethode, wie sie auf der Ebene der DBA, insbesondere bei Betriebsstätteneinkünften (Betriebsstättenprinzip) und Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Belegenheitsprinzip) durchaus üblich ist. Im innerstaatlichen Recht ist sie dagegen die Ausnahme.3

C. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 4 und 49 EStG; Albeseder/Baumgartner/Weiler, Zur Besteuerung der Grenzgänger zwischen Deutschland/Österreich/Schweiz mit Hinweis auf andere Länder, DStR 1988, 491; Arndt, Entwicklungstendenzen der beschränkten Steuerpflicht im deutschen und amerikanischen Einkommensteuerrecht, StuW 1990, 354; Bayer, Die unbeschränkte und die beschränkte Einkommensteuer – ein Vergleich, in FS für Mosler, Berlin/Heidelberg/New York 1983, 59; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991; Eckert, Die beschränkte Steuerpflicht, Diss. Bonn 1995; Ege, Beschränkte Steuerpflicht – Systematik und aktuelle Entwicklungen, DStR 2010, 1205; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, Heidelberg 1988; Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern in Deutschland, Köln 1995; Gassner/Lang/ Lechner/Schuck/Staringer, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Wien 2004; Grams, Zum Rechtscharakter der Steuererhebung nach § 50a Abs. 4 EStG, DB 1996, 907; Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, Köln 1993; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkom1 Schieber in F/W/B, Anhang zu § 34c Abs. 5 EStG Rz. 2, 30; Reinhart, DB 1983, 2246 (2247). 2 Hierzu Schieber in F/W/B, Anhang zu § 34c Abs. 5 EStG Rz. 2, 5. 3 Vgl. zur Freistellungsmethode im innerstaatlichen Recht Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 ff.

146

C. Beschränkte Steuerpflicht mensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Lehner, Die verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips, DStR 2009, 185; Lehner/Reimer, Quelle vs. Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, 542; Liedtke, „Beschränkte Steuerpflicht“ – Ein Grundlagenbegriff oder ein Fremdbegriff (Fremdkörper) im Steuerrecht?, DB 1985, 671; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Morgenthaler, Beschränkte Steuerpflicht und Gleichheitssatz, IStR 1993, 258; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise – Essay einer dogmatischen Klärung, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 939; Nowack, Vereinbarkeit der Vorschriften über die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger mit den Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages, Herne/Berlin 1994; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, Dargestellt anhand der Besteuerung gewerblich tätiger beschränkt steuerpflichtiger Künstler, Sportler und Artisten, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1994; Selling, Vergütung von Körperschaftsteuer aufgrund von Billigkeit?, FR 1987, 245; Tipke, Das Bundesverfassungsgericht zum Nettoprinzip, StuW 1974, 84; Tipke, Verteidigung des Nettoprinzips, DB 2008, 263; Uelner, Zur Konkretisierung des subjektiven Nettoprinzips im Einkommensteuerrecht, in FS für Schmidt, München 1993, 21; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Zwick, Die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern, Herne/Berlin 1986.

I. Überblick Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind, soweit nicht die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) oder die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) gegeben ist, beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen. Im Unterschied zu den Regelungen über die unbeschränkte Steuerpflicht ist systematisch eine klare Trennung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt nicht möglich, weil gem. § 1 Abs. 4 EStG die beschränkte Steuerpflicht nur dann gegeben ist, wenn zugleich inländische Einkünfte bezogen werden.1

5.99

§ 49 Abs. 1 EStG führt im Einzelnen auf, welche inländischen Einkünfte der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen. Der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG knüpft zwar an die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG an, ebenso ist das Verhältnis der in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Einkünfte zueinander nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 13 ff. EStG zu beurteilen, die Einkünftequalifikation selbst erfolgt aber nach den besonderen Gesetzmäßigkeiten der in § 49 Abs. 2 EStG verankerten isolierenden Betrachtungsweise.

5.100

1 Hierzu Mössner in FS Flick, 939 (948 f.).

147

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.101 § 49 Abs. 3 EStG enthält eine unwiderlegliche Gewinnvermutung für beschränkt steuerpflichtige Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen. § 49 Abs. 4 EStG stellt schließlich Schifffahrt- und Luftfahrteinkünfte ausländischer Unternehmen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit von der deutschen beschränkten Steuerpflicht frei.

5.102 Während § 49 EStG Regelungen über die beschränkte Steuerpflicht dem Grunde nach enthält, handelt es sich bei den §§ 50 und 50a EStG insbesondere um technische Vorschriften, die der Ermittlung der inländischen Einkünfte und der Durchführung der Besteuerung dienen. Auf der Grundlage der Ermächtigungsvorschrift in § 50a Abs. 6 EStG sind die §§ 73a, 73c bis 73g EStDV ergangen.

II. Territorialitätsprinzip 5.103 Der beschränkten Steuerpflicht liegt als gesetzgeberische Konzeption das Territorialitätsprinzip zugrunde.1 Damit hat der Gesetzgeber für Steuerausländer die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung im Grundsatz auf inländische Einkünfte beschränkt.2

5.104

Mit dem Begriff beschränkte Steuerpflicht sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass Steuerausländer nicht wie Steuerinländer uneingeschränkt der inländischen Steuerpflicht unterliegen, sondern dass diese nur eingeschränkt, nämlich nicht mit dem Welteinkommen, sondern lediglich mit den inländischen Einkünften der Besteuerung unterworfen sein sollen.3 Die beschränkte Steuerpflicht als rechtstechnische Umschreibung des Territorialitätsprinzips findet erstmals Erwähnung in den „Motiven“ zum Entwurf eines Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb des Norddeutschen Bundes vom 14.2.1870.4 Der Entwurf, der niemals Gesetz wurde, enthält Regelungen, in welchen Staaten eigene Staatsangehörige mit ihrem Gesamteinkommen und in welchen Staaten sie nur mit ihrem inländischen Einkommen steuerpflichtig sind. Eine dem heutigen § 1 Abs. 4 EStG entsprechende gesetzliche Regelung findet sich erstmals im Einkommensteuergesetz 19205 und in erweiterter Form im Einkommensteuergesetz 1925.6 Die Grundstruktur ist seitdem unverändert geblieben.7

1 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 26; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, 15; Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260 f.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (128 ff.). 2 Zur Universalisierung der beschränkten Steuerpflicht vgl. Lehner/Reimer, IStR 2005, 542 (544). 3 Zur Entwicklung des Begriffs Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 12 ff.; Liedtke, DB 1985, 671 ff. 4 Vgl. Nachweis bei Liedtke, DB 1985, 671 ff. 5 EStG v. 29.3.1920, RGBl. I 1920, 359. 6 EStG 1925 v. 10.8.1925, RGBl. I 1925, 189. 7 Kritisch zu dieser „sträflichen Vernachlässigung“ Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (101).

148

C. Beschränkte Steuerpflicht

Das Territorialitätsprinzip ist als Rechtsprinzip im Internationalen Steuerrecht anerkannt (Rz. 5.2). Im Hinblick darauf, dass dem Völkerrecht kein Rechtssatz zu entnehmen ist, der ein Verbot der Doppelbesteuerung beinhaltet, (Rz. 14.3 ff.) gibt es auch keinen konkreten Besteuerungsrahmen, innerhalb dessen sich das Territorialitätsprinzip zu verwirklichen hätte. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts enthalten lediglich ein Verbot, die Steuerpflicht aufgrund der Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranke auszudehnen (Rz. 3.13). Diesem Verbot der grenzenlosen Besteuerung entspricht das Gebot, die Besteuerung von Steuerausländern auf solche Sachverhalte zu begrenzen, die einen Bezug zum Inland aufweisen. Es handelt sich hierbei lediglich um eine völkerrechtliche Minimalschranke, mit der die in § 49 Abs. 1 EStG normierten Anknüpfungspunkte nicht kollidieren.1

5.105

III. Objektsteuercharakter 1. Allgemeines Die beschränkte Steuerpflicht ist dadurch gekennzeichnet, dass im Unterschied zur unbeschränkten Steuerpflicht die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend unberücksichtigt bleiben, wodurch sie einen objektsteuerähnlichen Charakter erhält.2 Dieser Objektsteuercharakter gründet sich insbesondere darauf, dass etwa – Sonderausgaben (§§ 10, 10a EStG) nicht abzugsfähig sind (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), – die Pauschbeträge für Werbungskosten (§ 9a EStG) und Sonderausgaben (§ 10c EStG),3 der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG), die Kinderfreibeträge des § 32 EStG, das Splittingprivileg des § 32a Abs. 6 EStG, die Abzüge wegen außergewöhnlicher Belastung (§§ 33 und 33a EStG) sowie die Pauschbeträge für Behinderte, Hinterbliebene und Pflegepersonen (§ 33b EStG) und die Steuerermäßigungen wegen haushaltsnaher Beschäftigungsverhältnisse sowie für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen (§ 35a EStG) nicht berücksichtigt werden (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), – der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG nicht in Betracht kommt (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG),

1 Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 ff. 2 Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 2; Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 1; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 2; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 16 ff.; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 82 f. 3 Für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gelten allerdings die in § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG bezeichneten Ausnahmen.

149

5.106

Kapitel 5 Einkommensteuer

– Einkünfte, die dem abgeltenden Steuerabzug unterliegen, weder beim Verlustausgleich mit anderen Einkunftsarten noch beim Verlustabzug berücksichtigt werden dürfen (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG), – der Splittingtarif grundsätzlich1 nicht zur Anwendung kommt (vgl. §§ 26 Abs. 1, 32a Abs. 5 EStG) und bei Anwendung des Grundtarifs das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag erhöht wird (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG), – die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens gem. § 4g EStG ausgeschlossen ist und schließlich, – die Einkommensteuer für steuerabzugspflichtige Einkünfte im Grundsatz2 mit dem Steuerabzug abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG).

5.107 Im Hinblick auf die vorgenannten, die steuerliche Leistungsfähigkeit beschränkt steuerpflichtiger Personen nicht berücksichtigenden Einschränkungen wird die Ansicht vertreten, insoweit handele es sich nicht mehr um eine Einkommensteuer, sondern um eine Objekt- und Nicht-Personensteuer3 oder um eine Umsatzsteuer, soweit das Steuerabzugsverfahren gilt (§ 50a Abs. 1 EStG).4 Indessen stehen die Regelungen über die beschränkte Einkommensteuerpflicht nicht außerhalb des Einkommensteuergesetzes, werden Merkmale, die die steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren, wenn auch nur rudimentär, berücksichtigt. Dies gilt insbesondere bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG). Schließlich kommt, soweit eine Veranlagung erfolgt, auch der progressiv ausgestaltete Steuertarif (Grundtabelle) zur Anwendung. Daher ist die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, soweit sie nicht ohnehin gem. §§ 1 Abs. 3; 1a EStG wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, (Rz. 5.40 ff.) jedenfalls im Ansatz am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichtet,5 die Einkommensteuer deshalb auch insoweit eine Personensteuer.6

5.108 Der Objektsteuercharakter ist bei den einzelnen Einkunftsarten unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders augenfällig ist er bei den steuerabzugspflichtigen Einkünften, bei denen die Steuer grundsätzlich7 durch den Steuerabzug abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Hier wird die

1 Ausnahme: §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 EStG. 2 Ausnahmen in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG. 3 So schon Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, 310; in neuerer Zeit Bayer in FS Mosler, 59 (69 f.). 4 So etwa Grams, DB 1996, 907 ff. 5 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; v. 24.2.1989 – 1 BvR 519/87, StRK, EStG 1975, § 36b R. 2a; BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (55); Arndt, StuW 1990, 354 (365). 6 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 6; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 26. 7 Ausnahme: § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG.

150

C. Beschränkte Steuerpflicht

Steuer durchweg1 auf Einnahmen erhoben. Insoweit erfolgt also eine Bruttobesteuerung. 2. Durchbrechung des Nettoprinzips Die auf dem Nettoprinzip beruhende Nettobesteuerung gehört zu den primären Grundwertungen des Einkommensteuergesetzes. Denn nur durch die Nettobesteuerung kann die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verwirklicht werden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt für Zwecke der Besteuerung eine Reduzierung des Bruttobetrages der Einnahmen um die Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen gemacht werden (erwerbssichernde Aufwendungen), sowie die von dem Steuerpflichtigen getätigten Ausgaben zur Abdeckung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (existenzsichernde Aufwendungen). Das Nettoprinzip ist daher mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip untrennbar verbunden.2

5.109

Rechtlich verankert ist dieses Nettoprinzip unmittelbar in § 2 Abs. 2 EStG, wonach nur Reineinkünfte der Einkommensteuer unterliegen.3 Der Grundsatz, dass die Bruttoeinnahmen um erwerbssichernde Aufwendungen (objektives Nettoprinzip) und existenzsichernde Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip)4 zu kürzen sind, wird im Bereich der beschränkten Steuerpflicht mehrfach durchbrochen.

5.110

Das objektive Nettoprinzip, das die Maßgröße objektiver Leistungsfähigkeit betrifft,5 gilt nicht für jene beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte, die dem Steuerabzug (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) unterliegen, ohne dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG, insbesondere die Möglichkeit zur Veranlagung, gegeben sind. Hier ist die Einkommensteuer durch

5.111

1 Ausnahme: § 50a Abs. 3 EStG. 2 BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, 320 (343 f.); v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; v. 23.1.1990 – 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BStBl. II 1990, 483 (486); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 42; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 95 f.; Lang, Die Bemesserungsgrundlage der Einkommensteuer, 60 ff., 183 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 12 f.; Tipke, StuW 1974, 84 ff.; Tipke, DB 2008, 263 ff.; Tipke, BB 2008, 1525 ff.; Uelner in FS Schmidt, 21 (24); Schaumburg in FS Tipke, 125 (134); vgl. auch die Beiträge in DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 77 ff. 3 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 42 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; zur verfassungsrechtlichen Verankerung zuletzt Lehner, DStR 2009, 185 ff. und Englisch, DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 92 ff. 4 Zur Trennung in subjektives und objektives Nettoprinzip Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 126 f.; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 42 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; 785 ff. 5 Das BVerfG (zuletzt BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210) hat den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips bislang offen gelassen.

151

Kapitel 5 Einkommensteuer

den Steuerabzug abgegolten. Das gilt insbesondere für Lizenzvergütungen, die gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Steuerabzug unterliegen. Diese Abgeltungswirkung führt zu einer Bruttobesteuerung, weil die Steuer dabei nicht von den Einkünften, sondern von den Einnahmen ohne Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten erhoben wird. Etwas anderes gilt nur für EU-/EWR-Staatsangehörige für die Einkünfte, die durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder aus deren inländischer Verwertung erzielt werden sowie für Aufsichtsratsvergütungen. Hier erfolgt entweder eine abgeltende Quellenbesteuerung auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) oder aber eine Nettobesteuerung im Rahmen einer auf Antrag durchzuführenden Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG).

5.112 Das subjektive Nettoprinzip, das sich auf die Maßgröße subjektiver Leistungsfähigkeit bezieht,1 wird im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unabhängig von der Einkunftsart insbesondere dadurch eingeschränkt, dass gem. § 50 Abs. 1 EStG z.B. Sonderausgaben (§ 10 EStG) und Abzüge wegen außergewöhnlicher Belastung (§§ 33, 33a EStG) sowie weitere Steuerermäßigungen entweder überhaupt nicht oder nur unter ganz engen Voraussetzungen berücksichtigt werden können.

5.113 Da bei beschränkter Steuerpflicht im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht das objektive Nettoprinzip und das subjektive Nettoprinzip sowie der Splittingtarif (§ 32a Abs. 5 EStG) nur eingeschränkt berücksichtigt werden,2 haben sich Rechtsprechung und Literatur mit der Frage beschäftigt, ob insoweit nicht ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.

5.114 Seitens der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH wird eine Verletzung des Gleichheitssatzes allgemein verneint. Das BVerfG hat sich bislang nur in wenigen Entscheidungen3 hierzu geäußert. So hat es den Quellensteuerabzug mit Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) damit gerechtfertigt, dass er eine ausreichende Gewähr für eine wirksame Steuererhebung biete und damit dem objektsteuerartigen Charakter der Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen Rechnung trage. Im Übrigen sei die Quellensteuer der Höhe nach limitiert, wodurch ohnehin eine geringere Steuerbelastung als bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen entstehen könne.4 Die Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei beschränkt steuerpflichtigen Personen wird schließlich damit gerechtfertigt, dass es allein Aufgabe des Wohnsitzstaates sei, die 1 Dem subjektiven Nettoprinzip hat das BVerfG (zuletzt BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 und v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) Verfassungsrang eingeräumt. 2 Ausnahme: §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 EStG. 3 Vgl. etwa BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; v. 5.9.1975 – 1 BvR 219/75, HFR 1975, 540; v. 24.2.1989 – 1 BvR 519/87, StRK, EStG 1975, § 36b R. 2a. 4 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119.

152

C. Beschränkte Steuerpflicht

persönliche Leistungsfähigkeit dieses Personenkreises zu berücksichtigen.1 Davon abgesehen, werde dem Leistungsfähigkeitsprinzip ohnehin schon dadurch entsprochen, dass beschränkt Steuerpflichtige nicht mit ihrem gesamten Einkommen in Deutschland zur Einkommensteuer herangezogen würden.2 Der BFH hat in seinen Entscheidungen grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit der Begründung verneint, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht eine ungleiche Behandlung zu rechtfertigen sei. Eine Ungleichbehandlung rechtfertige sich insbesondere deshalb, weil nur im Falle unbeschränkter Steuerpflicht sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen der Besteuerung in Deutschland unterlägen.3 In der Literatur wird die Ungleichbehandlung im Wesentlichen mit dem Objektsteuercharakter der beschränkten Steuerpflicht gerechtfertigt.4

5.115

Art. 3 Abs. 1 GG, auf den sich auch beschränkt Steuerpflichtige berufen können,5 verlangt im Grundsatz eine Gleichbehandlung zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen und beschränkt steuerpflichtigen Personen, sofern zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können.6 Derartige Rechtfertigungsgründe gibt es für die Ungleichbehandlung von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits nicht. Im Einzelnen:

5.116

Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit die Normierung der Bruttobesteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird u.a. damit gerechtfertigt, dass bei in das Ausland fließenden Einnah-

5.117

1 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119. 2 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; weitergehend die Analyse der Entscheidungen des BVerfG bei Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, S. 77 ff. 3 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, 30; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; einschränkend aber BFH v. 12.5.1992 – I B 90/91, BFH/NV 1992, 736; vgl. auch den Überblick bei Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 6. 4 Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 87; differenzierend Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 10; Wassermeyer, DStJG 8 (1995), 49 (64 ff.); kritisch Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 3. 5 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682. 6 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitssatz allgemein dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, so z.B. BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE, 42, 374, 388; v. 20.3.1979 – 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78, BVerfGE 51, 1, 23; zu Einzelheiten Rz. 4.4 ff.

153

Kapitel 5 Einkommensteuer

men die Anwendung des Quellenabzugsverfahrens für eine wirksame Steuererhebung unabdingbar sei.1 Damit wird unterstellt, dass der Quellensteuerabzug von Bruttoeinnahmen zur Vermeidung der Steuerhinterziehung beitrage.2 Die Vermeidung der Steuerhinterziehung mag zwar einen Quellensteuerabzug von den Bruttoeinnahmen erforderlich machen, erklärt aber nicht die differenzierende Behandlung zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen. Denn auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ist unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen der Steuerabzug an der Quelle normiert (§ 43 EStG). Schließlich beruht die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips nicht auf der Quellenbesteuerung, die auch auf Nettobasis erfolgen kann,3 sondern allein auf der Abgeltungswirkung bei auf Bruttobasis vorgenommener Quellenbesteuerung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Gesichtspunkt der Vermeidung der Steuerhinterziehung den Gesetzgeber daran hindern könnte, quellensteuerpflichtige Einkünfte insgesamt in das Veranlagungsverfahren beschränkt steuerpflichtiger Personen einzubeziehen und unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie unter Anrechnung der Quellensteuer einer individuellen Steuerbelastung zuzuführen.4 § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG eröffnet das Veranlagungsverfahren indessen nur für bestimmte Einkünfte. Nicht erfasst werden hiervon etwa Dividenden und Lizenzgebühren: Die Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bzw. die Quellensteuer (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) wirken definitiv, soweit sie nicht in einer inländischen Betriebsstätte anfallen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).5

5.118 Zur Rechtfertigung für die Bruttobesteuerung sind auch Gründe der Verwaltungsvereinfachung angeführt worden.6 Eine Bruttobesteuerung wird zwar eine Vereinfachung für die Finanzverwaltung und eine Reduzierung der Verwaltungskosten bedeuten,7 wenn die finanziellen Lasten des Quellensteuerabzugs vom Staat überwälzt werden; dieses Argument vermag aber nicht die Differenzierung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht zu begründen.8 Mit diesem Argument ließe sich nämlich 1 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65; BVerfGE 19, 119. 2 Zu diesem Argument eingehend Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 9 f., 78. 3 Vgl. § 50a Abs. 3 EStG. 4 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (136). 5 In diesem Fall entfällt die Abgeltungsteuer für Dividenden (§§ 32d Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 8 EStG), so dass entsprechende Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. 6 So die Begründung zu § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1934, RStBl. I 1935, 33 (60); weitere Rechtfertigungsversuche bei Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (30 ff.). 7 Hierzu Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 7 f., 50 ff. 8 Hierzu Mössner in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, 110 (124 f.).

154

C. Beschränkte Steuerpflicht

auch eine durchgängige Bruttobesteuerung bei unbeschränkter Steuerpflicht rechtfertigen, die indessen nur für besteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen vorgesehen ist (§ 32d EStG). Wie wenig durchgreifend schließlich das Argument der Verwaltungsvereinfachung ist, zeigt sich auch daran, dass nicht sämtliche von § 49 Abs. 1 EStG erfassten Einkünfte der Abgeltungswirkung unterworfen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2) und etwa im Rahmen der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG aufgehoben ist (§ 2 Abs. 5 Satz 2 AStG).1 Soweit die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und die daraus 5.119 folgende Bruttobesteuerung bestimmter Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ferner damit gerechtfertigt wird, es sei nicht Aufgabe den Quellenstaates, die Besteuerung an der individuellen Leistungsfähigkeit auszurichten,2 ist dieses Argument im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls nicht stichhaltig, da der allgemeine Gleichheitssatz auch für beschränkt steuerpflichtige Personen gilt. Es wird zwar überwiegend die Ansicht vertreten, dass ausschließlich der Wohnsitzstaat für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zuständig sei,3 dies vermag aber allenfalls die Nichtberücksichtigung von Ausgaben zu rechtfertigen, die in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen im Quellenstaat stehen.4 Ausgaben aber, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen im Quellenstaat stehen, mindern dagegen die Leistungsfähigkeit auch im Quellenstaat und müssen daher berücksichtigt werden,5 und zwar entweder durch eine abgeltende Quellenbesteuerung auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) oder/ und durch Einbeziehung in eine steuerliche Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG). Eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen einerseits und beschränkt Steuerpflichtigen andererseits. Gleichheitswidrig ist vielmehr auch die steuerlich unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der beschränkt Steuerpflichtigen, für die teils das Nettoprinzip und teils das Bruttoprinzip gilt.6

1 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (136). 2 So BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; BFH v. 25.3.1986 – IX R 4/83, BStBl. II 1986, 603. 3 Z.B. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701. 4 Z.B. Sonderausgaben und Ausgaben für außergewöhnliche Belastung. 5 Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 80; Mössner in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, 110 (123 f.). 6 Zu diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 50 ff., 91 ff.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (66).

155

5.120

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.121 Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips mit der Folge der Bruttobesteuerung, die in Einzelfällen auch zu einer die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) verletzenden konfiskatorisch wirkenden Besteuerung führen kann, verstößt daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist verfassungswidrig. Insoweit gilt das sich aus § 2 Abs. 2 EStG ergebende Konzept der Besteuerung von Reineinkünften auch für die beschränkte Steuerpflicht. Hiergegen verstößt die Bruttobesteuerung (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG).1 Um dem Gleichheitssatz zu entsprechen, sollten, damit ein Minimalprogramm inländischer Leistungsfähigkeit berücksichtigt wird, die abzugspflichtigen Einkünfte über die in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Fälle hinaus wenigstens auf Antrag veranlagt und damit von der Bruttobesteuerung auf die Nettobesteuerung überführt werden können.2

5.122 Die Durchbrechung des subjektiven Nettoprinzips, also die Nichtberücksichtigung von Familienlasten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs, ist demgegenüber dadurch gerechtfertigt, dass im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht das Welteinkommen der Besteuerung unterliegt. Familienlasten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen stehen in keinem Zusammenhang mit bestimmten Einkünften, sie sind vielmehr personenbezogen und daher auf die Erfassung der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet. Die Gesamtleistungsfähigkeit wird aber entscheidend bestimmt durch das Welteinkommen, das der Steuerpflichtige in einem bestimmten Besteuerungszeitraum erzielt. Ebenso stellt auch der Splitting-Tarif auf die Gesamtleistungsfähigkeit ab und steht damit in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Welteinkommensprinzip. Würden im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht derartige personenbezogene Aufwendungen berücksichtigt und der Splitting-Tarif gewährt, käme es unter Umständen zu einer Doppelberücksichtigung, falls der Wohnsitzstaat derartige die individuelle Leistungsfähigkeit indizierende Umstände ebenfalls berücksichtigt. Aus der Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG, wäre dies nicht zu rechtfertigen.3 Die Durchbrechung des subjektiven Nettoprinzips führt damit grundsätzlich nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.4 Erzielt der Steuerpflichtige im Wohnsitzstaat allerdings keine oder nur geringe positive Einkünfte, scheidet unter Umständen eine leistungsfähigkeitsorientierte Besteue1 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (137); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (276 ff.); Schaumburg, StuW 2000, 368 (371 f.); zu verfassungsrechtlichen Bedenken ferner Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 60 ff.; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 35 f., 39 ff.; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 75 ff.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (66). 2 Eine derart umfassende gesetzgeberische Maßnahme zur Beseitigung der Ungleichbehandlung ist einem dem gleichen Ziel dienenden Erlass gem. § 227 AO vorzuziehen; hierzu Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (65). 3 Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (63 f.). 4 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; der grundsätzlich ebenso einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 14 GG verneint.

156

C. Beschränkte Steuerpflicht

rung gänzlich aus, wenn im Quellenstaat erzielte Einkünfte aufgrund eines DBAs nur dem Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesen sind oder aber im Ansässigkeitsstaat negative Einkünfte erzielt werden, die die im Quellenstaat erzielten positiven Einkünfte ausgleichen. In beiden Fällen verbleibt es im Ergebnis bei einer die persönliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigenden Besteuerung im Quellenstaat. Hierdurch hervorgerufene Ungleichbehandlungen hat der Einkommensteuergesetzgeber für einen eng umgrenzten Kreis von Steuerpflichtigen durch eine fingierte unbeschränkte Steuerpflicht beseitigt (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG, Rz. 5.41). Eine an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung verlangt indessen eine Ausdehnung der fingierten unbeschränkten Steuerpflicht unter Einbeziehung der personen- und familienbezogenen Vergünstigungen des § 1a EStG auf alle im Ausland lebenden Personen und deren Ehegatten, wenn deren Einkünfte überwiegend1 aus inländischen Einkünften bestehen.2 In diesen Fällen ist daher eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung und eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende konfiskatorisch wirkende Besteuerung durch Steuererlass (§ 227 AO) zu vermeiden.3 Maßstab hierfür ist diejenige Steuer, die bei unbeschränkter Steuerpflicht hätte gezahlt werden müssen.4 Dieser verfassungsrechtlich gebotene Steuererlass kommt in der Besteuerungspraxis vor allem Einpendlern (Grenzgängern) ohne EU-/EWR-Staatsangehörigkeit zugute, die ausschließlich in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen und täglich in ihre im Ausland gelegene Wohnung zurückkehren.5 3. Verstoß gegen das Ausländer-Diskriminierungsverbot Der AEUV verbietet jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV). Dieses EU-Diskriminierungsverbot erstreckt sich auf alle offenen und versteckten Diskriminierungen, erfasst damit auch benachteiligende Regelungen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, deren Tatbestände jedoch ausschließlich oder regelmäßig nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt werden (Rz. 4.12). 1 Schwellenwert gem. § 1 Abs. 3 EStG: 90 Prozent. 2 Schaumburg in FS Tipke, 125 (139); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (265); Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (315). 3 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (12); BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; v. 12.5.1992 – I B 90/91, BFH/NV 1992, 736; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 29 ff.; 42 f.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (64). 4 BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (64); Selling, FR 1987, 245 ff. 5 Hierzu Zwick, Die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern; Albeseder/ Baumgartner/Weiler, DStR 1988, 491 ff.

157

5.123

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.124 Eine Ausprägung dieses allgemeinen Diskriminierungsverbotes ist insbesondere die in Art. 49 AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit für die Unionsbürger zur Ausübung eines Berufs, die nicht nur ein Willkürverbot, sondern darüber hinaus eine strikte Inländergleichbehandlung gebietet (Rz. 4.29 ff.). Dieses Gleichbehandlungsgebot räumt jedem Unionsbürger das Recht ein, sich auch gegenüber nationalen steuerrechtlichen Regelungen auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen (Rz. 3.38 ff., 4.19).

5.125 Da die §§ 49 und 50 EStG tatbestandlich nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, ist ein Verstoß gegen das Verbot offener Diskriminierung nicht gegeben. Die §§ 49, 50, 50a EStG beinhalten aber auch nicht eine versteckte Diskriminierung, soweit diese spezifischen für beschränkt steuerpflichtige Personen geltenden Vorschriften im Rahmen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) eine der unbeschränkten Steuerpflicht angenäherte Besteuerung sicherstellen,1 die Möglichkeit einer Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Satz 7 EStG, Rz. 5.257 ff.) oder eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG, Rz. 5.267 ff.) einräumen. Da die vorgenannten Regelungen nicht nur für Unionsbürger, sondern auch für Angehörige von EWR-Staaten gelten, wird zugleich dem EWR-Diskriminierungsverbot (Rz. 4.41 ff.) entsprochen. Im Übrigen wird allerdings gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstoßen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den Steuerabzug auf Bruttobasis bei Lizenzvergütungen, für die weder ein Veranlagungswahlrecht noch ein Steuerabzug auf Nettobasis vorgesehen ist (§§ 50a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3; 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG).

5.126 Ein Ausländerdiskriminierungsverbot enthalten auch die von Deutschland abgeschlossenen DBA (Art. 24 OECD-MA). Dieses bilaterale Diskriminierungsverbot untersagt bei der Besteuerung eine Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen (Rz. 4.51 ff.). Rechtlich zulässig dagegen sind die steuerlichen Differenzierungen, die insbesondere an die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen anknüpfen.2 Da die nachteiligen Wirkungen der beschränkten Steuerpflicht ausschließlich Folge der Ansässigkeit, nicht jedoch der Staatsangehörigkeit sind, ist das bilaterale Diskriminierungsverbot dadurch nicht verletzt.3 Soweit das bilaterale Diskriminierungsverbot sich auf die Besteuerung von Betriebsstätten erstreckt,4 ist ein Verstoß hiergegen ebenfalls nicht zu erkennen, weil nach der Konzeption der §§ 49 und 50 EStG Betriebsstätteneinkünfte grundsätzlich nicht höher belastet sind als vergleichbare

1 Zu §§ 1 Abs. 3, 1a EStG siehe Rz. 5.40 ff. und zu § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG siehe Rz. 5.257 ff. 2 Eine versteckte Diskriminierung ist daher nicht verboten; vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 4.51. 3 Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 36; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 101 f. 4 Art. 24 Abs. 3 OECD-MA; zu Einzelheiten Rz. 4.55 ff.

158

C. Beschränkte Steuerpflicht

inländische Unternehmen im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht.1

IV. Qualifizierung2 der inländischen Einkünfte Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 2 EStG; Coenen, Die isolierende Betrachtungsweise nach § 49 Abs. 2 EStG, Diss. Münster 2004; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, 263; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991, 162; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise – Essay einer dogmatischen Klärung, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 939; Walter, Die sog. „isolierende Betrachtungsweise“ bei der Bestimmung der inländischen Einkünfte und des Inlandsvermögens der Ausländer, Diss. Heidelberg 1977; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461.

1. Inlandsbezogene Qualifikationsmerkmale Der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG knüpft grundsätzlich an die 5.127 Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG an. Die Verweisungen auf die §§ 13 bis 23 EStG bedeuten, dass zugleich alle Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sein müssen. Insoweit hat § 49 Abs. 1 EStG keine konstitutive Bedeutung, sondern wiederholt nur das, was bereits in § 2 Abs. 1 EStG dadurch zum Ausdruck kommt, dass die dort bezeichneten Einkünfte, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt, der Einkommensteuer unterliegen.3 Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 13 bis 23 EStG werden gem. § 49 Abs. 1 EStG allerdings um jene Tatbestandsmerkmale erweitert, die die vorgenannten Einkünfte als inländische Einkünfte qualifizieren und diese von übrigen Einkünften abgrenzen.4 Die Bedeutung des § 49 Abs. 1 EStG erschöpft sich mithin darin, den Inlandsbezug der in den §§ 13 bis 23 1 Vgl. Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 104; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 102. 2 Die im nachfolgenden verwendeten Begriffe „Qualifizierung“ oder „Qualifikation“, die dem Internationalen Privatrecht entstammen und dort nur Bedeutung im Zusammenhang mit Kollisionsnormen erlangen, haben auch die Begriffswelt des Internationalen Steuerrechts erobert und hierbei unterschiedliche Deutungen erfahren (vgl. hierzu Vogel, DBA, Einl. Rz. 49 ff.). Diese Begriffe stehen hier für „Einordnung“ oder „Bestimmung“. 3 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 5; Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 3; Mössner in FS Flick, 939 (948); Gosch in FS Wassermeyer, 263 (268). 4 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663.

159

5.128

Kapitel 5 Einkommensteuer

EStG genannten Einkunftsarten herzustellen.1 Es gelten daher im Grundsatz die allgemeinen durch das Veranlassungsprinzip2 geprägten Zuordnungsregeln, wonach betrieblich/beruflich veranlasste Aufwendungen/ Ausgaben Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Im Hinblick darauf kommt es nicht darauf an, ob die Betriebsausgaben oder Werbungskosten in den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht fallen. Entscheidend ist allein, ob sie durch unter § 49 Abs. 1 EStG fallende Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse veranlasst sind.3 Daher sind auch vorweggenommene und nachträgliche Betriebsausgaben und Werbungskosten im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen.4 Dies gilt ebenso für nachträgliche Einkünfte, etwa für nachträgliche gewerbliche Einkünfte aus einer früheren inländischen Betriebsstätte5 und nachträgliche freiberufliche Einkünfte aus einer früheren festen Einrichtung.6

5.129

Die den Inlandsbezug herstellenden Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 EStG lassen keine einheitliche gesetzgeberische Wertung erkennen. Sie dienen zwar der Verwirklichung des Territorialitätsprinzips, sind aber bei den einzelnen Einkunftsarten derart unterschiedlich ausgeprägt, dass sie insgesamt als willkürlich erscheinen. Während bei den territorial gebundenen Einkünften, etwa den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und betriebsstättenbezogenen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), das Belegenheits- und das Betriebsstättenprinzip zur Anwendung kommen, stehen bei den territorial nicht gebundenen Einkünften, etwa den Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG), das Arbeitsort- und Verwertungsortprinzip oder andere Gesichtspunkte im Vordergrund. Die mangelnde Sachgesetzlichkeit bei der Bestimmung der inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale zeigt sich auch in der fehlenden Abgestimmtheit zu den auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmalen des § 34d EStG. Wird etwa eine selbständige Tätigkeit im Inland ausgeübt, im Ausland aber verwertet, so handelt es sich um inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und zugleich um ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 3 EStG). Darüber hinaus bestehen aber auch erhebliche Besteuerungslücken bei den territorial nicht gebundenen Einkünften, etwa bei Zinseinkünften und den Einkünften aus 1 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (61 f.). 2 Hierzu im Überblick Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 227 ff. 3 Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 7; § 50 Rz. 21; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; a.A. BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571, wonach bei Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) auf das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) abgestellt wird; ebenso Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 107. 4 Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 127; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; so für die unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG nicht aber für die unter § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Einkünfte Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3; vgl. auch Rz. 16.273, 18.35 ff. 5 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; v. 28.10.2009 – I R 99/08, IStR 2010, 13; kritisch hierzu Wassermeyer, IStR 2010, 461 ff.; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 75. 6 BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64.

160

C. Beschränkte Steuerpflicht Gewerbebetrieb, z.B. aus der Tätigkeit als Vertreter, Makler oder Unternehmensberater, soweit diese Personen für ihre Tätigkeit keine Betriebsstätte unterhalten. Die fehlende Besteuerung derartiger nichtinländischer Einkünfte kann zu erheblichen Wettbewerbsverfälschungen führen, zumal dann, wenn im betreffenden Ansässigkeitsstaat nur eine geringe Steuer erhoben wird.

2. Isolierende Betrachtungsweise Gemäß § 49 Abs. 2 EStG bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale (Tatbestandsmerkmale) außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG nicht angenommen werden könnten.

5.130

§ 49 Abs. 2 EStG räumt den im Inland verwirklichten Tatbestandsmerkmalen die Priorität für die Bestimmung der Einkunftsart ein. Ausländische Besteuerungsmerkmale (Tatbestandsmerkmale) scheiden bei der Bestimmung der Einkunftsart nur insoweit aus, als ihre Berücksichtigung eine nach den Verhältnissen im Inland begründete Steuerpflicht ausschließen würde.1 Für die Bestimmung der Einkunftsart stehen daher die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale im Vordergrund. Im Hinblick darauf spielen insbesondere die Subsidiaritätsregeln der Einkunftsarten (§§ 20 Abs. 8; 21 Abs. 3; 22 Nr. 1 Satz 1; 22 Nr. 3 Satz 1; 23 Abs. 2 EStG) keine Rolle, soweit ein auslandsbezogenes Qualifikationsmerkmal hierfür bestimmend wäre.2 Erzielt etwa ein ausländischer Gewerbetreibender Einkünfte aus der Vermietung eines inländischen Grundstücks, das zu seinem ausländischen Betriebsvermögen gehört, so handelt es sich ohne Rücksicht auf die Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG stets um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).

5.131

Die in § 49 Abs. 2 EStG verankerte isolierende Betrachtungsweise suspendiert für Zwecke der Bestimmung der Einkunftsarten (§ 49 Abs. 1 EStG) im Ergebnis damit die Subsidiaritätsregeln der Einkunftsarten zugunsten ihrer objektiven Bestimmung, soweit die Merkmale der vorrangigen Einkunftsart nicht im Inland, sondern im Ausland verwirklicht sind.3 Danach bleiben solche Auslandsverhältnisse außer Betracht, die bei einer isolierten inländischen Betrachtungsweise ihrem Wesen nach gegebene Inlandseinkünfte der Inlandsbesteuerung aufgrund der vorgenannten Subsidiaritätsklauseln entziehen würden.4 Darüber hinaus

5.132

1 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; kritisch zu der hierdurch vorgegebenen zweistufigen Subsumtionstechnik Crezelius, StVj 1992, 312 (325 f.). 2 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. 3 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K9; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 103. 4 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; zu weiteren Einzelheiten Gosch in FS Wassermeyer, 263 (270 ff.).

161

Kapitel 5 Einkommensteuer

greift die isolierende Betrachtungsweise auch in jenen Fällen ein, in denen keine besonderen Subsidiaritätsklauseln normiert sind, sich die Subsidiarität vielmehr aus der Gesetzessystematik ergibt, wie etwa die Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 15 und 16 EStG.1

5.133 Eine weitergehende Bedeutung hat § 49 Abs. 2 EStG nicht. Daher bietet § 49 Abs. 2 EStG keine Legitimationsgrundlage für eine Fiktion nicht vorhandener oder für die Einbeziehung inländischer Besteuerungsmerkmale.2 Im Hinblick darauf müssen etwa im Ausland verwirklichte Tatbestandsmerkmale stets insoweit mit einbezogen werden, als dies für die Entscheidung ob überhaupt eine und gegebenenfalls welche Einkunftsart vorliegt, erforderlich ist. Das gilt insbesondere in jenen Fällen, in denen es um die Frage der Gewinnerzielungsabsicht3 geht und darüber hinaus die Einkunftsart nicht losgelöst vom Steuersubjekt bestimmt werden kann.4 Im Hinblick darauf können insbesondere ausländische Kapitalgesellschaften5 keine Einkünfte aus der ihrer Art nach selbständigen Arbeit erzielen.6

5.134 Soweit § 49 Abs. 2 EStG die Subsidiaritätsklauseln im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und bei den sonstigen Einkünften aufhebt (§§ 49 Abs. 1 Nr. 5 bis 9; 20 Abs. 3; 21 Abs. 8; 22 Nr. 1 Satz 1; 22 Nr. 3 Satz 1; 23 Abs. 2 EStG), bewirkt die isolierende Betrachtungsweise eine Umqualifizierung von Gewinnermittlungseinkunftsarten, insbesondere Einkünften aus Gewerbebetrieb, in Überschusseinkunftsarten der vorgenannten Art.7 Daraus folgt zugleich, dass die Überschusseinkünfte so zu versteuern sind, wie es der Fall wäre, wenn sie außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs oder außerhalb der Einkünfte aus selbständiger Arbeit angefallen wären, wodurch auch § 11 Abs. 1 EStG sowie die spezifischen Überschussermittlungsvorschriften der betreffenden Einkunftsart zur Anwendung kommen.8 1 Zu dieser Subsidiarität Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 12. 2 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861. 3 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861 (Nichtanwendungserlass BMF v. 11.12.2002, BStBl. I 2002, 1394); Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1230; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K 9 ff.; Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 11; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 852; a.A. Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 104, der nur auf die im Inland verwirklichten Tatbestandsmerkmale abstellt. 4 Hierzu Crezelius, StVj 1992, 322 (328, 330). 5 Über §§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG gilt § 49 EStG auch für beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Steuersubjekte. 6 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828. 7 Diese Umqualifizierung gilt nicht für Zwecke der Anwendung von DBA; BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1206. 8 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/ NV 1985, 104; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1210; a.A. Wassermeyer, DStJG

162

C. Beschränkte Steuerpflicht

V. Einkunftsarten 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1.

Zu den inländischen Einkünften zählen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 und 14 EStG). Land- und Forstwirtschaft wird im Inland betrieben, wenn sich die bewirtschafteten Grundstücke im Inland befinden, und zwar unabhängig davon, wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat oder ob die Landund Forstwirtschaft von aus dem Ausland entsandten Personen betrieben wird.1 Damit knüpft § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG an das international übliche Belegenheitsprinzip an,2 das auf der Ebene von DBA dem Belegenheitsstaat durchweg die Besteuerungsbefugnis zuteilt. Zu den Einkünften aus Landund Forstwirtschaft gehören auch die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb oder Teilbetrieb (§ 14 EStG), ferner auch insoweit, als die Einkünfte von Pächtern, Nießbrauchern oder sonstigen Nutzungsberechtigten erzielt werden.3

5.135

Da für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auch in den DBA das Belegenheitsprinzip verankert ist, wird die Besteuerung durch ein DBA weder ausgeschlossen noch eingeschränkt (Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 OECD-MA).

5.136

2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb a) Allgemeines Nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt nicht jegliche gewerbliche Betätigung im Inland zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht. Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht sind vielmehr bestimmte, in den Buchstaben a) bis f) aufgeführte sachliche und persönliche oder sich auf bestimmte Tätigkeiten oder Vorgänge beziehende Merkmale im Inland, und zwar eine inländische Betriebsstätte oder ein für das Inland bestellter ständiger Vertreter, Beförderungsvorgänge mit Seeschiffen und Luftfahrzeugen zwischen inländischen und von in-

8 (1985), 49 (61 f.), der annimmt, die Bedeutung der isolierenden Betrachtungsweise erschöpfe sich darin, die maßgeblichen territorialen Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht zu bestimmen, ohne dass eine Umqualifizierung der Einkunftsart erfolge. 1 Stahl-Sura in H/H/R, § 49 EStG Rz. 133; vgl. auch BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260, dort auch zur Anwendung des § 13a EStG. 2 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. C 12, 20. 3 Hidien in K/S/M§ 49 EStG Rz. C 14.

163

5.137

Kapitel 5 Einkommensteuer

ländischen zu ausländischen Häfen, nicht selbst durchgeführte Beförderungen oder Beförderungsleistungen im Rahmen einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder eines Poolabkommens, künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder deren Verwertung im Inland sowie Gewinne aus der Veräußerung von bestimmten Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft und von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und bestimmten Rechten.

5.138 Den für die Besteuerung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewählten Anknüpfungspunkten liegt keine einheitliche gesetzgeberische Konzeption zugrunde. So wird im Grundsatz zwar an das international anerkannte Betriebsstättenprinzip angeknüpft, dieses wird aber in wichtigen Fällen durchbrochen, so dass Wertungswidersprüche entstehen.

5.139 Die insbesondere durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im Zuge des Steuerbereinigungsgesetzes 19861 mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1986 an bewirkte Abkehr vom Betriebsstättenprinzip führt dazu, dass bei einem eingegrenzten Kreis von Leistungen an eine im Inland ausgeübte Tätigkeit angeknüpft wird. So werden die Einkünfte eines Berufssportlers für seine im Inland ausgeübte Tätigkeit, soweit diese als Darbietung zu qualifizieren ist, der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, während etwa die im Inland ausgeübte gewerbliche Tätigkeit eines Unternehmensberaters2 oder eines Handelsvertreters, soweit diese keine Betriebsstätten unterhalten, der beschränkten Steuerpflicht nicht unterliegen. Für diese Differenzierung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, so dass die damit verbundene Ungleichbehandlung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

5.140

Zahlreiche, insbesondere in Niedrigsteuerländern ansässige Unternehmensberater sind in Deutschland tätig, ohne hier die Voraussetzung für eine Anknüpfung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu erfüllen. Sie unterhalten in Deutschland weder ein Büro noch sonstwie einen festen Standort, von dem aus sie tätig werden.3 Ein Berufssportler, etwa ein Tennisspieler, der unter den gleichen Voraussetzungen im Inland tätig wird, unterliegt demgegenüber gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG mit seinen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht. Ausländische Unternehmen, die für ihre Tätigkeit im Inland einen ständigen Vertreter bestellt haben, der für sie Verträge abschließt, vermittelt oder Aufträge einholt, unterliegen, soweit hierfür überhaupt Einkünfte zurechenbar sind,4 mit ihren Einkünften ebenfalls der beschränkten Steuer1 Vom 19.12.1985, BStBl. I 1985, 735. 2 BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; vgl. auch BFH v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100. 3 BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; die Finanzverwaltung stellt sich indessen auf den Standpunkt, dass eine Beratertätigkeit während einer längeren Zeitdauer in einem Unternehmen dort zur Begründung einer Betriebsstätte und mithin zu einer Anknüpfung für die beschränkte Steuerpflicht führt, vgl. Erlass FinMin. NW v. 1.7.1982, BB 1982, 1902; ferner Bendixen, DB 1983, 203 ff. 4 Das ist in aller Regel nicht der Fall; vgl. hierzu Sieker, BB 1996, 981 ff.; ferner Rz. 18.57 ff.

164

C. Beschränkte Steuerpflicht pflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a EStG). Ist dieser ständige Vertreter im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig und begründet er im Rahmen etwa seiner Vermittlungstätigkeit im Inland auch keine Betriebsstätte, so unterliegt er mit seinen Provisionseinnahmen selbst dagegen nicht der beschränkten Steuerpflicht. Diese Differenzierungen sind nicht plausibel.

b) Betriebsstätte Literatur Kommentare zu § 12 AO und zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Buciek, „Unterbetriebsstätte“ und Außensteuerrecht, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 647; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, Frankfurt 1978; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 2009; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Diss. Münster 1974; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Loukota, Antwort des Verfassers von EAS. 2670 auf Wassermeyer, IStR 2006, 273, IStR 2006, 274; Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, München 2003; Merkert, Die steuerliche Problematik der Bauausführungen als Betriebsstätte, DB 1968, 1239; Mersmann, Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Bielefeld 1997; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Puls, Die Betriebsstätte im Abgaben- und Abkommensrecht, Köln/Berlin/München 2005; Schauhoff, Der Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht bei gewerblich tätigen Handelsvertretern, Unternehmensberatern, Fotomodellen, Sportlern und anderen umherreisenden Unternehmern, IStR 1995, 108 (110); Wassermeyer, Die Betriebsstätte – ein in vieler Hinsicht unbekanntes Wesen, in Drenseck/Seer (Hrsg.), FS für Kruse, Köln 2001, 590; Wassermeyer, Qualifikationskonflikt bei doppelstöckigen Mitunternehmerschaften, IStR 2006, 273; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Köln 2006.

Die Betriebsstätte ist der primäre Anknüpfungspunkt für die Besteuerung inländischer Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Hiernach sind beschränkt einkommensteuerpflichtig Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG), für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Insoweit wird auf das international übliche Betriebsstättenprinzip zurückgegriffen. Dieses Betriebsstättenprinzip ist durchweg auch in den deutschen DBA verankert (vgl. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Soweit der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA) indessen enger ist als der des § 12 AO, wird die beschränkte Steuerpflicht auf Abkommensebene eingegrenzt (Rz. 16.241 ff.).

165

5.141

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.142 Der Begriff der Betriebsstätte ergibt sich aus § 12 AO, wonach eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ist, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.

5.143 Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen: – die Stätte der Geschäftsleitung, – Zweigniederlassungen, – Geschäftsstellen, – Fabrikations- oder Werkstätten, – Warenlager, – Ein- oder Verkaufsstellen, – Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, – Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn die einzelne Bauausführung oder Montage oder eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern.

5.144 Die Geschäftseinrichtung (§ 12 Satz 1 AO) muss fest sein im Sinne einer örtlichen Lokalisierung und nicht etwa im Sinne einer festen Verbindung mit der Erdoberfläche,1 so dass auch Marktstände2 sowie fahrbare Verkaufsstätten mit bestimmten Standplätzen,3 Server,4 unterirdische Gasspeicher5 sowie unterirdisch verlaufende Rohrleitungen6 Betriebsstätten sein können.7 Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss ferner in der Verfügungsmacht des Unternehmers stehen.8 Eigentum ist nicht erforderlich, es reichen vielmehr gemietete oder gepachtete Räumlichkeiten

1 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; v. 18.9.1991 – XI R 34/90, BStBl. II 1992, 90; v. 29.11.2000 – I R 38/99, BStBl. II 2001, 374; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 576. 2 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396 bei einem auf Dauer zugewiesenen Platz. 3 R 2.9 Abs. 1 GewStR 2009. 4 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683; Eckerle in Löwenstein/ Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 1408 ff. 5 FG Hamburg v. 1.10.2004 – VI 181/02, EFG 2005, 804. 6 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 7 Der Einsatz von Personal ist also nicht erforderlich; vgl. Buciek, DStZ 2003, 142; a.A. Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 13; Portner, IStR 1998, 554 ff.; Riemenschneider, IStR 2002, 561 ff. 8 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; a.A. Wassermeyer in FS Kruse, 590 (595 f.).

166

C. Beschränkte Steuerpflicht

aus,1 wofür nicht mehr als eine Mitverfügungsmacht verlangt wird.2 Die Verfügungsgewalt darf allerdings nicht nur von ganz vorübergehender Natur sein.3 Die Verfügungsmacht des Gewerbetreibenden muss aufgrund einer nicht ohne weiteres entziehbaren Rechtsposition bestehen,4 wofür es ausreicht, dass eine Verfügungsmacht aus tatsächlichen Gründen besteht und diese nicht bestritten wird.5 Daher ist eine Verfügungsmacht nicht gegeben, wenn das Gewerbe in Räumlichkeiten eines anderen Unternehmens ausgeübt wird, in denen hierfür Arbeitsplätze von Fall zu Fall zugewiesen werden.6 Die in der Verfügungsgewalt des Unternehmers stehende feste Geschäftseinrichtung muss schließlich dem Geschäftsgegenstand in dem Sinne dienen, dass sich darin die Tätigkeit des Unternehmens vollzieht.7 Daran fehlt es, wenn es sich bloß um einen Gegenstand der Geschäftstätigkeit handelt.8 Daher ist etwa das vermietete inländische Grundstück, das zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehört, noch keine Betriebsstätte.9 Das gilt auch, wenn der beschränkt Steuerpflichtige seinen Grundbesitz an eine von ihm beherrschte inländische Kapitalgesellschaft vermietet, also bei einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung.10

5.145

Als unternehmerische Tätigkeiten sind auch nebensächliche oder bloße Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten anzusehen, wenn sie dem Gewerbe-

5.146

1 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 12 m.w.N. 2 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317, Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 12 m.w.N. bloße Mitbenutzungsmöglichkeit reicht dagegen nicht; BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462. 3 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 9.3.1962, BStBl. III 1962, 227; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 205; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 4 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 5 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462. 6 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. 7 Die bloße Benutzung für eine gewisse Dauer reicht schon aus; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 8 BFH v. 2.3.1990 – III R 24/85, BStBl. II 1990, 756; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 672; Roth in H/H/R,. § 49 EStG Rz. 201. 9 BFH v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; Wassermeyer in FS Kruse, 590 (593). 10 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Piltz, DB 1981, 2044 ff.; Gebbers, RIW 1984, 774 ff.; Günkel/Kussel, FR 1980, 553 ff.; Kaligin, WPg. 1983, 457 ff.

167

Kapitel 5 Einkommensteuer

betrieb als solchem unmittelbar dienen, und zwar selbst dann, wenn diese Tätigkeiten nur Kosten verursachen sollten.1 Einrichtungen, etwa Erholungsheime, die dem Unternehmen nur mittelbar dienen, sind daher keine Betriebsstätten.2 Gegenüber dem Grundtatbestand des § 12 Satz 1 AO enthält § 12 Satz 2 AO eine Definitionserweiterung in dem Sinne, dass jedenfalls die dort aufgeführten an Tätigkeiten anknüpfenden Betriebsstätten nicht zugleich auch eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage sein müssen.3 So setzen insbesondere die im Positivkatalog des § 12 Satz 2 AO genannten örtlich fortschreitenden oder schwimmenden Stätten zu Gewinnung von Bodenschätzen, die Stätte der Geschäftsleitung und Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende, wenn sie länger als sechs Monate dauern, keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus.4 Hieraus ergibt sich z.B., dass es einen Gewerbebetrieb ohne Stätte der Geschäftsleitung und damit ohne Betriebsstätte nicht gibt,5 die sich in Ermangelung eines anderen Ortes im Zweifel am Wohnsitz des Gewerbetreibenden befindet.6

5.147 Von den im Positivkatalog des § 12 Satz 2 AO aufgeführten Beispielsfällen7 haben Bauausführungen und Montagen in der internationalen Besteuerungspraxis besondere Bedeutung.8 Zu den Bauausführungen zählen alle zur Fertigstellung oder zum Abbruch eines Bauwerks erforderlichen 1 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317. 2 BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; kritisch Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 22; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 23; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 680; Wassermeyer in FS Kruse, 590 (598). 3 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 4 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148, v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, wonach Verkaufsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO) dagegen wiederum eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage erfordern. 5 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/ NV 2008, 672; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.1; Wassermeyer, IStR 2004, 676 f. 6 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 11.7.1960 – V 182/58 U, BStBl. III 1960, 376; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 58; speziell für Berufssportler: Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler, Schauhoff, IStR 1995, 108 (110). 7 Einzelheiten hierzu bei Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 24 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 36 ff. 8 Spezialliteratur (Monographien): Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 38 f.; 153 ff.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 50 f., 66 ff.; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 169 ff.; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung.

168

C. Beschränkte Steuerpflicht

Arbeiten einschließlich der Bauplanung und Bauüberwachung sowie Baunebentätigkeiten (z.B. Gerüsterstellung), soweit diese von dem betreffenden Bauunternehmer selbst oder teilweise von Subunternehmern ausgeführt werden.1 Überträgt der Generalunternehmer die gesamte Bautätigkeit einschließlich Bauplanung und Bauleitung auf Subunternehmer, wird hierdurch zwar dem Subunternehmer, nicht aber dem Generalunternehmer eine Betriebsstätte vermittelt.2 Die isolierte Bauplanung und Bauleitung ist demgegenüber keine eine Betriebsstätte bildende Bauausführung.3 Ob Bauausführungen an einem bestimmten Ort oder örtlich fortschreitend ausgeführt werden, spielt keine Rolle. Daher sind die Verlegung von Leitungsrohren (Pipelinebau), Schienen, Hochspannungsleitungen ebenso Bauausführungen wie Arbeiten auf oder von am Meeresboden verankerten Bohrinseln und Schwimmbaggern.4 Zu den Montagen zählen insbesondere die Aufstellung von Stahlgerüsten oder Produktionseinrichtungen5 sowie das Zusammenfügen oder der Umbau vorgefertigter Einzelteile in jedem Stadium der Produktion,6 nicht dagegen bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten.7

5.148

Bauausführungen und Montagen erfüllen erst dann die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate bestehen. In diesem Fall ist die Betriebsstätteneigenschaft von Anfang an als begründet anzusehen, und zwar auch dann, wenn die Bauausführungen oder Montagen nach den ursprünglichen Planungen den Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten sollten.8 Die maßgebliche Sechs-MonatsFrist beginnt nicht erst mit der Aufnahme der eigentlichen Bau- und Montagetätigkeiten, sondern bereits mit den Vorbereitungs- bzw. Neben-

5.149

1 BFH v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71; v. 10.12.1998 – V R 49/97, BFH/NV 1999, 839; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.3; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 215; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.181; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 37 ff. 2 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2400; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 4.3.2 Satz 3; zur Kritik Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, IStR 2002, 40 (42). 3 BFH v. 30.10.1956 – I B 71/56 U, BStBl. III 1957, 8; v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71; FG München v. 18.3.1975 – II 154/71, EFG 1975, 442; Birk in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 36; Merkert, DB 1968, 1239 ff. 4 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 34; zu weiteren Beispielen Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2321. 5 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 6 Weitere Beispiele bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2339. 7 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94; v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 4.3.1 Abs. 2; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2365;a.A. Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 212. 8 BFH v. 30.10.1956 – I B 71/56 U, BStBl. III 1957, 8.

169

Kapitel 5 Einkommensteuer

arbeiten,1 etwa mit der Errichtung von Baubuden,2 und endet entsprechend mit dem Abschluss von Nebentätigkeiten, etwa dem Probelauf einer aufgestellten Maschinenanlage.3 Übliche Arbeitsunterbrechungen, z.B. arbeitsfreie Wochenenden sowie Urlaubszeiten, werden ebenso mitgezählt wie sonstige kurzfristige anderweitige Arbeitsunterbrechungen.4 Längerfristige baubedingte Arbeitsunterbrechungen sowie unvorhergesehene Verzögerungen, etwa infolge von Streiks oder Natureinflüssen oder wegen mangelnder Mitwirkung des Auftraggebers hemmen dagegen die Frist.5 Für Zwecke der Sechs-Monats-Frist werden zeitlich nebeneinander bestehende sowie zeitlich ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen und Montagen bei wirtschaftlicher und geograpischer Einheit6 zusammengerechnet.7 Wegen weiterer Einzelheiten des Betriebsstättenbegriffs wird auf die in der Literatur aufgeführten BetriebsstättenABC’s verwiesen.8

5.150 Durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG werden die in der inländischen Betriebsstätte erwirtschafteten bzw. die durch sie erzielten Gewinne erfasst.9 Dies setzt eine Zuordnung der der Betriebsstätte dienenden Wirtschaftsgüter voraus, wobei grundsätzlich unerheblich ist, ob diese Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind.10

5.151 Da eine inländische Personengesellschaft nach deutschem Einkommensteuerrecht kein Steuersubjekt ist, Steuersubjekte vielmehr die Mitunternehmer sind, ist die Stätte der Geschäftsleitung zugleich gemeinsame Betriebsstätte dieser Mitunternehmer. Daneben kann die Personengesellschaft weitere in- und ausländische Betriebsstätten unterhalten, die den Mitunternehmern als eigene Betriebsstätten zuzurechnen sind.11 Schließlich kann darüber hinaus auch jeder einzelne Mitunternehmer eine eigene, nicht von der Personengesellschaft vermittelte Betriebsstätte unter-

1 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Löwenstein in Löwenstein/ Looks, Betriebsstättenbesteuerung, 486; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 4.3.1 Abs. 4, 5. 2 Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 61. 3 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Buciek, IStR 1999, 629. 4 Frist: 14 Tage; vgl. BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; Abschn. 22 Abs. 3 Satz 8 GewStR 2008. 5 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 4.3.1 Abs. 6; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 218. 6 Nach BMF v. 18.12.2002, BStBl. I 2002, 1385 bis zu 50 km. 7 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 342 f. 8 Etwa bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4501. 9 Zu Einzelheiten der Betriebsstättengewinnermittlung Rz. 18.9 ff. 10 Hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.78; Roth in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 87 ff. 11 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 11.3.1988 – V R 30/84, BStBl. II 1988, 643; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.4.

170

C. Beschränkte Steuerpflicht

halten, soweit er von dort aus etwa Geschäftsbeziehungen mit der Mitunternehmerschaft abwickelt.1 Zum Betriebsstättengewinn gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe der Betriebsstätte selbst. Entsprechendes gilt für die Veräußerung von Anteilen an inländischen Personengesellschaften durch beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter.2 Scheiden anlässlich der Veräußerung dieser Anteile Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen aus oder wird das gesamte Sonderbetriebsvermögen des beschränkt Steuerpflichtigen aufgelöst, so zählt der nach den Grundsätzen der Betriebsaufgabe zu berechnende Gewinn aus der Auflösung der stillen Reserven zum Betriebsstättengewinn.3 Wegen der Einzelheiten zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns Rz. 18.9 ff.

5.152

Die den ausländischen Betriebsstätten inländischer Personengesellschaften zuzurechnenden Gewinne stellen allerdings keine beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, weil sie in keiner inländischen Betriebsstätte angefallen sind. Soweit daher beschränkt steuerpflichtige Personen an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt sind, müssen die ausländischen Betriebsstättengewinne aus der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen werden.4

5.153

c) Ständiger Vertreter Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 2009; Kunze, Der Begriff der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters, Diss. Mannheim 1963; Märkle, Steuervereinfachung durch die Verwaltung, in FS für Meyding, Heidelberg 1994, 117; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, Baden-Baden 1992; Sieker, Ist einer Vertreterbetriebsstätte ein Gewinn zuzurechnen?, BB 1996, 981; Vogel, Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung und „normkonkretisierende“ Verwaltungsvorschriften, in FS für Thieme, Köln/Berlin/ Bonn/München 1993, 605.

Für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG neben der Betriebsstätte in der Person eines für den Gewerbebetrieb bestellten ständigen Vertreters ein weiteres Anknüpfungsmerkmal. Soweit ein derartiger ständiger Vertreter im Rahmen einer dem ausländischen Unternehmen zuzurechnenden festen Geschäftseinrichtung tätig wird, folgt die beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte aus Gewerbebetrieb schon aufgrund des Vorliegens einer inlän1 Hierzu Wassermeyer, IStR 2006, 273 ff.; Loukota, IStR 2006, 274 ff. 2 Einzelheiten bei Piltz in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, 891. 3 BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771 Piltz in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, 892 f. 4 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; hierzu auch Buciek in FS Flick, 647 ff.

171

5.154

Kapitel 5 Einkommensteuer

dischen Betriebsstätte. Das personale Anknüpfungsmerkmal des ständigen Vertreters tritt in diesem Fall zurück.1

5.155 Ein ständiger Vertreter ist nach § 13 AO eine Person, die nachhaltig2 die Geschäfte eines Unternehmers besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Beispiele gem. § 13 Satz 2 AO: Abschluss oder Vermittlung von Verträgen, Einholung von Aufträgen oder die Unterhaltung eines Bestandes von Gütern oder Waren, von dem Auslieferungen vorgenommen werden.

5.156 Als Vertreter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen in Betracht.3 Es können Angestellte, selbständige Gewerbetreibende oder Tochtergesellschaften sein. Sie müssen nur mit der Besorgung von Geschäften betraut sein, womit in erster Linie Handelsvertreter, Agenten, Kommissionäre, Spediteure, Bankiers und Pächter gemeint sind, letztere allerdings nur insoweit, als sie die Geschäfte des Verpächters besorgen.4 Nicht erforderlich ist, dass die Geschäftsbesorgung auf der Grundlage rechtsgeschäftlichen Handelns (§§ 164 ff. BGB) erfolgt,5 ausreichend ist vielmehr eine tatsächliche wirtschaftliche Repräsentanz6 in dem Sinne, dass der Vertreter anstelle des Unternehmers7 Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb fallen.8 Hieraus ergibt sich eine nur begrenzte Reichweite des für inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb maßgeblichen personalen Anknüpfungsmerkmals: Der anstelle des ausländischen Unternehmers (Geschäftsherrn) handelnde ständige Vertreter vermittelt diesem nur insoweit inländische Einkünfte, als dieser bei eigenem Tätigwerden ebenfalls inländische Einkünfte erzielte. Inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind danach nur dann gegeben, wenn der ständige Vertreter im Inland eine Betriebsstätte unterhält und die Einkünfte durch das Tätigwerden in dieser Betriebsstätte veranlasst sind.9 1 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 230; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. B 144. 2 Hierbei ist auf einen Zeitraum von 6 Monaten abzustellen; vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220; Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 4; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 195; Kumpf in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, 27 (42); Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1564 f. 3 Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 2. 4 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77. 5 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; offen gelassen durch BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. 6 Gebbers, StBp. 1989, 78 (79). 7 Der Unternehmer selbst sowie Organmitglieder können daher nicht Vertreter i.S. von § 13 AO sein; BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1549; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 232, vgl. dort auch die Literaturübersicht zur Gegenmeinung. 8 BFH v. 27.11.1963 – I 335/60 U, BStBl. III 1964, 76; v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. 9 BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 307; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 14; a.A. Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 226.

172

C. Beschränkte Steuerpflicht

Unterhält daher der ständige Vertreter eine Betriebsstätte im Ausland, so führen die von dort aus für den ausländischen Unternehmer vorgenommenen Geschäftsbesorgungen im Inland oder Ausland zu keinen inländischen Einkünften. Voraussetzung ist ferner die Weisungsgebundenheit des ständigen Vertreters. Diese ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser seinerseits selbständiger Unternehmer ist und die weisungsgebundenen Tätigkeiten etwa aufgrund eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§§ 662, 675 BGB) in den Rahmen seines eigenen selbständigen Gewerbebetriebs fallen.1 Damit ist der Begriff des ständigen Vertreters weiter gefasst als dies international üblich und in den DBA Deutschlands – dort verwendeter Begriff: abhängiger Vertreter – verankert ist. Im Hinblick darauf hat die Finanzverwaltung auf der Grundlage des § 50 Abs. 7 EStG a.F. (ab 2009: § 50 Abs. 4 EStG) in R. 49.1 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 EStR 2008 für jene Fälle einen Steuerverzicht ausgesprochen, in denen der ständige Vertreter ein Kommissionär oder Makler ist, der Geschäftsbeziehungen für das ausländische Unternehmen im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit2 unterhält, soweit die Besteuerung nicht ohnehin durch ein DBA ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt auch, wenn der ständige Vertreter ein Handelsvertreter (§ 84 HGB) ist, der weder eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen für das ausländische Unternehmen besitzt noch über ein Warenlager dieses Unternehmens verfügt, von dem er regelmäßig Bestellungen für das Unternehmen ausführt.3

5.157

Es ist nicht erkennbar, welche volkswirtschaftlichen Gründe für diesen einseitigen Steuerverzicht gem. § 50 Abs. 4 EStG maßgeblich sein sollen. Aus systematischen Gründen ist jedenfalls die Herausnahme dieses personalen Anknüpfungspunktes im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unter dem vorgenannten Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat nämlich vor allen Dingen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb weitere auf eine inländische Tätigkeit abstellende personale Anknüpfungspunkte gewählt und damit die entsprechende gesetzgeberische Wertung vorgegeben. Eine Legitimation erfährt R 49 Abs. 1 EStR 2008 allenfalls als exekutive Typisierungsvorschrift:4 Soweit selbständige Handelsvertreter, Kommissionäre und Makler mit ihren Einkünften aus der Geschäftsbesorgung für ausländische Unternehmer unmittelbar selbst der Besteuerung im Inland unterliegen, verbleiben aufgrund des Tätigwerdens des ständigen Vertreters keine dem ausländischen Unternehmer zuzurechnenden inländischen

5.158

1 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 2 Abzustellen ist auf den branchenüblichen Geschäftsbereich, BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 3 Hierzu Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 305. 4 Hierzu Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 87 ff.; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 451 ff.; Vogel in FS Thieme, 605 ff.; Märkle in FS Meyding, 117 ff.

173

Kapitel 5 Einkommensteuer Einkünfte1 mit der Folge, dass aus Gründen typisierender Vereinfachung auf die steuerliche Erfassung der gewerblichen Inlandseinkünfte des ausländischen Unternehmers verzichtet werden darf.

5.159 Im Hinblick darauf, dass auf Abkommensebene die Tätigkeit von abhängigen Vertretern das Betriebsstättenprinzip vermittelt (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) und der Abkommensbegriff „abhängiger Vertreter“ enger ist als der Begriff des ständigen Vertreters (§ 13 AO), wird die Besteuerung durch Abkommensvorschriften durchweg entsprechend eingegrenzt.2 Wegen der Einzelheiten zur Ermittlung des der Vertreterbetriebsstätte zuzurechnenden Gewinns vgl. unter Rz. 18.57 ff. d) Beförderung mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Dahm, Die Besteuerung von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, Hamburg 2001; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, Frankfurt/M. 2007; Ritter, Neugestaltung der beschränkten Steuerpflicht für ausländische Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen, DStZ A 1971, 16.

5.160 Zu den inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen erzielt werden. Eingeschlossen sind Einkünfte aus anderen, mit den steuerpflichtigen Beförderungen zusammenhängenden Beförderungsleistungen, die sich auf das Inland erstrecken. Es handelt sich dabei insbesondere um Zubringertransporte und Anschlussbeförderungen. Damit ist neben der Betriebsstätte und dem ständigen Vertreter für die inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein dritter Anknüpfungspunkt, nämlich der Beförderungsvorgang, gewählt worden. Die Anknüpfungspunkte „ständiger Vertreter“ und „Beförderungsvorgang“ haben aber insoweit eine Gemeinsamkeit, als sie beide auf eine bestimmte, im Inland ausgeübte Tätigkeit abstellen. Damit wird die singuläre, auf keiner erkennbaren gesetzgeberischen Konzeption beruhende Erfassung nur ganz bestimmter Tätigkeiten im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erneut deutlich.

5.161 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, der eine Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht und damit eine branchenspezifische Diskriminierung bedeutet,3 ist nicht systematisch konzipiert, sondern lediglich als Vergel-

1 Angemessenheit der Entgelte unterstellt; vgl. hierzu Sieker, BB 1996, 981 ff.; ferner Rz. 18.58 f. 2 Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 214. 3 Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 214.

174

C. Beschränkte Steuerpflicht

tungsvorschrift für die Fälle vorgesehen, in denen ausländische Staaten inländische Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen der Besteuerung unterwerfen, ohne dass diese in dem ausländischen Staat eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter unterhalten. Im Hinblick darauf gewährt § 49 Abs. 4 EStG eine Steuerbefreiung, sofern auch der andere Staat auf die Besteuerung inländischer Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen verzichtet und das Bundesverkehrsministerium dies für verkehrspolitisch unbedenklich erklärt hat (§ 49 Abs. 4 Satz 2 EStG).1 Dieses Druckmittel soll dazu führen, dass andere Staaten Steuerverzichte auch ohne DBA (Art. 8 OECD-MA) oder Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen2 aussprechen.3 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfasst Einkünfte aus Beförderungen, die durch den Betrieb eigener oder gecharteter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge erzielt werden. In Abgrenzung zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG müssen die Beförderungsleistungen vom ausländischen Unternehmen selbst erbracht werden.4 Erfasst werden lediglich die Einkünfte aus Beförderungen zwischen inländischen Häfen und von inländischen zu ausländischen Häfen. Einkünfte aus Beförderungen von einem ausländischen zu einem inländischen Hafen sind dagegen ebenso wenig inländische Einkünfte wie Einkünfte aus Beförderungen von einem inländischen Hafen auf die freie See.5 Schließlich werden auch Einkünfte aus Beförderungen innerhalb eines inländischen Hafens nicht erfasst.6 Dagegen rechnet zu den Beförderungseinkünften bei einer einheitlichen Beförderung von einem ausländischen Hafen zu einem anderen ausländischen Hafen über einen inländischen Hafen der Teilgewinn, der auf die Beförderung vom inländischen zum ausländischen Zielhafen entfällt.7

5.162

Für Beförderungseinkünfte gilt, soweit diese unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG fallen, eine unwiderlegbare Gewinnvermutung i.H.v. 5 Prozent der vereinbarten Entgelte (§ 49 Abs. 3 EStG), es sei denn, das deutsche Besteuerungsrecht wird durch ein DBA auch der Höhe nach nicht eingeschränkt (§ 49 Abs. 3 Satz 3 EStG).8

5.163

1 Hierzu im Einzelnen Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1400 ff.; die verkehrspolitische Unbedenklichkeit dient dem Zweck, die Steuerfreistellung für „billige“ Flaggen zu verhindern; vgl. Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 142. 2 Übersicht über den Abkommensstand am 1.1.2010 in BStBl. I 2010, 35. 3 Hierzu Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1400. 4 Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 431; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 414; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 37. 5 Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 419. 6 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 66; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 419. 7 BFH v. 2.3.1988 – I R 57/84, BStBl. II 1988, 596; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 69; a.A. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 449. 8 Erfasst werden hierdurch insbesondere Beförderungen im inländischen Verkehr durch ausländische Luftfahrtunternehmen für die als Regel das Betriebsstättenprinzip gilt; hierzu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 237.

175

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.164

Die in § 49 Abs. 3 EStG verankerte unwiderlegbare Gewinnvermutung ist zwar aus Gründen der Vereinfachung der Gewinnermittlung und im Hinblick auf internationale Gepflogenheiten geschaffen worden;1 diese Gründe vermögen aber nicht diese Gewinnfiktion zu rechtfertigen, wenn der Gewinn tatsächlich geringer ist. Insbesondere ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen etwa gerade bei den durch eine inländische Betriebsstätte erzielten Beförderungseinkünften die Gewinnfiktion Geltung haben soll, während die übrigen Betriebsstätteneinkünfte nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften einzeln zu ermitteln sind. Die Gewinnfiktion des § 49 Abs. 3 EStG ist daher, soweit kein Fall des § 49 Abs. 3 Satz 3 EStG gegeben ist,2 mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und der europarechtlich verbürten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV)3 unvereinbar.4

5.165 Nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA steht die Besteuerung aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr dem Staat zu, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 OECD-MA). Damit wird der Steueranspruch gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG insoweit ausgeschlossen. e) Internationale Betriebsgemeinschaften oder Pool-Abkommen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG; vgl. im Übrigen die Literatur zu d).

5.166 Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch solche, die von einem Unternehmen im Rahmen einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder eines Pool-Abkommens, bei denen ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland die Beförderung durchführt, aus Beförderungen und Beförderungsleistungen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländisehen Häfen erzielt werden. Durch diese Regelung werden über § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG hinaus ausländische Unternehmen erfasst, die, ohne selbst im Inland Beförderungen durchzuführen oder im Inland über eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter zu verfügen, an Beförderungsleistungen i.S. des 1 Hierzu Ritter, DStZ A 1971, 16 (18). 2 Ein Verstoß gegen ein DBA-Diskriminierungsverbot ist daher nicht gegeben; BFH v. 14.9.1994 – I B 40/94, IStR 1995, 78 ist durch die ab 1994 geltende Fassung des § 49 Abs. 3 Satz 3 EStG überholt; zu DBA-Diskriminierungsverboten Rz. 4.50 ff. 3 Wegen § 49 Abs. 3 Satz 3 EStG (keine 5 %-Besteuerung bei DBA-Freistellung) spielt die Niederlassungsfreiheit praktisch keine Rolle. 4 Gosch in Kirchhhof, EStG, § 49 Rz. 20; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. L 6; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 216; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 55 f.; zu weiteren Ungereimtheiten des § 49 Abs. 3 EStG Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 432 ff.

176

C. Beschränkte Steuerpflicht

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG durch ihre Mitgliedschaft in einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder an einem Pool partizipieren.1 Die Pool-Einkünfte werden der beschränkten Steuerpflicht nur dann unterworfen, wenn ein inländisches Unternehmen die inländische Beförderung durchführt. Diese Regelung ist nicht plausibel. Soweit das Gesetz für die beschränkte Steuerpflicht an inländische Beförderungsvorgänge anknüpft, kann es für die Besteuerung der Pool-Einkünfte eigentlich nicht darauf ankommen, ob die Beförderung von inländischen oder ausländischen Unternehmen durchgeführt wird.2 Wegen dieser Tatbestandseingrenzung bleiben daher die Einkünfte ausländischer Pool-Unternehmen unversteuert, wenn die Beförderung von einem ausländischen Unternehmen durchgeführt wird.3

5.167

Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG hat in der Praxis allerdings keine sehr große Bedeutung, weil nach den maßgeblichen Vorschriften der DBA (Art. 7 und 8 OECD-MA) die Besteuerung ohnehin nicht Deutschland zugeteilt ist und im Übrigen die auf Gegenseitigkeit beruhende Befreiung nach § 49 Abs. 4 EStG die Besteuerung auf jene Fälle reduziert, in denen eine entsprechende Gegenseitigkeitsregelung nicht besteht. Damit wird letztlich sichtbar, dass es auch in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG vor allem auch darum geht, die Bereitschaft anderer Staaten zu wecken, deutschen Unternehmen im Rahmen der Gegenseitigkeit Steuerbefreiung einzuräumen.4

5.168

f) Darbietungen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Reisch/Reinhardt/Urbanke, Probleme bei der Besteuerung von Amateursportlern aus nationaler und internationaler Sicht, DB 1988, 359; Sandler, The Taxation of International Entertainers and Athletes, The Hague 1995; Schauhoff, Inländische Einkünfte im Ausland wohnender Sportler, IStR 1993, 363; Schauhoff, Quellensteuerabzug bei Zahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler und Sportler, IStR 1997, 5; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schauhoff/Idler, Änderung der BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2008, 341; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, dargestellt anhand der Besteuerung gewerblich tätiger beschränkt steuerpflichtiger Künstler, Sportler und Artisten, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Wien

1 2 3 4

Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 472. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 93; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 486. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 486. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 101.

177

Kapitel 5 Einkommensteuer 1994; Stuhrmann, Die Änderungen durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 im Bereich der Einkommensteuer, DStZ 1986, 92.

5.169 Durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG werden in die inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb einbezogen die Einkünfte, die durch künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen im Inland oder durch Verwertung im Inland erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen. Voraussetzung ist, dass diese Einkünfte nicht bereits als inländische Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG) zu qualifizieren sind. Unter den Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG fallen damit vor allem ausländische Berufssportler, Eis-Revuen, Tourneetheater und Zirkusunternehmen sowie sog. Künstlerverleihgesellschaften und Konzertdirektionen gewerblich organisierte Orchester, Schauspiel- und Opernunternehmen, sofern die Darbietungen bei physischer Anwesenheit der Berufssportler, Künstler usw. im Inland oder aber im Falle inländischer Verwertung auch im Ausland erfolgen1 und der vorgenannte Personenkreis im Inland weder eine Betriebsstätte,2 etwa durch ein ständiges Trainingslager,3 noch einen ständigen Vertreter, etwa durch einen Manager,4 unterhält.5

5.170 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfasst damit bestimmte Gewerbetreibende, die im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter haben, dadurch, dass an bestimmte Tätigkeiten oder Verwertungstatbestände angeknüpft wird.

5.171

Indessen ist diese steuerliche Anknüpfung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur unvollkommen, weil nur ganz bestimmte Tätigkeiten einzelner Berufsgruppen erfasst werden. Für die durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG vorgenommene gesetzliche Differenzierung ist kein rechtfertigender Grund erkennbar. So vermag nicht einzuleuchten, warum die Einkünfte eines Berufssportlers, etwa eines Tennisspielers, oder die eines Artisten, etwa die eines Trapezkünstlers, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, während die Einkünfte eines Wahrsagers oder Hellsehers tatbestandsmäßig nicht erfasst werden. Ebenso ist nicht erkennbar, warum die Einkünfte eines Unternehmensberaters, Kommissionärs oder Handelsvertreters, soweit diese Personen im Inland keine Betriebsstätte unterhalten oder keinen ständigen Vertreter bestellt haben, von der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen sind.6 Diese 1 Zum Ort der Darbietung Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 538 ff. 2 Die Zuordnung der Einkünfte zu einer ausländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte ist dagegen ohne Bedeutung; vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/ NV 2008, 672; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1365 ff. 3 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100. 4 Schauhoff, IStR 1993, 363 (364). 5 In diesen Fällen käme § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Betracht; BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 505. 6 Hierzu auch Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 503.

178

C. Beschränkte Steuerpflicht gesetzgeberische Konzeptionslosigkeit führt zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung (Rz. 5.139).

Der beschränkten Steuerpflicht werden Einkünfte unterworfen, die durch 5.172 künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder deren Verwertung im Inland erzielt werden. Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nicht an Einkünfte anknüpft, die aus den vorgenannten Tätigkeiten bzw. deren Verwertung erzielt werden, fallen unter den Regelungsbereich dieser Vorschrift nicht nur diejenigen Personen, die die entsprechende Tätigkeit selbst ausüben, etwa Berufssportler, sondern auch diejenigen, die diese Tätigkeit zur Verfügung stellen.1 Damit unterliegen der beschränkten Steuerpflicht insbesondere auch Konzertdirektionen und Unternehmen, die Berufssportler und Künstler vermarkten.2 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG führt in diesen Fällen zu einer Doppelanknüpfung3 und damit nicht selten zu einer gleichheitswidrigen Überbesteuerung, soweit die vorgenannten Einkünfte gem. §§ 50 Abs. 2 Satz 1; 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 EStG einer Bruttobesteuerung unterliegen,4 ohne dass ein Quellensteuerabzug auf Nettobasis oder eine Veranlagung in Betracht kommt.5 Diese Überbesteuerung, die vor allem Drittstaatenangehörige trifft, ist dann besonders gravierend, wenn sowohl das Unternehmen, das die Darbietung erbringt, als auch die selbständig oder unselbständig tätigen Personen, die im Rahmen dieser Darbietungen tatsächlich selbst tätig werden, mit ihren Einkünften dem Steuerabzug an der Quelle unterliegen und der Steuerabzug Abgeltungswirkung hat (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). In diesen Fällen liegt die Besteuerung regelmäßig weit höher als bei unbeschränkter Steuerpflicht. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist daher ein Steuererlass gem. §§ 163, 227 AO und § 50 Abs. 4 EStG geboten,6 soweit eine Überbesteuerung nicht ohnehin schon dadurch vermieden wird, dass von einem Steuerabzug auf der zweiten Stufe abgesehen wird (§ 50a Abs. 4 EStG). Das wesentliche inlandsbezogene Qualifikationsmerkmal ist die Darbietung als eine ganz bestimmte Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, etwas aufzuführen, vorzuführen, zu zeigen oder zu Gehör zu bringen, wie etwa in Ausstellungen, Konzerten, Theateraufführungen, Shows, Turnieren 1 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 469; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 23, 31. 2 Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 203 ff.; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 23: „rent-a-star-company“. 3 Hierzu Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 234. 4 Zum Problem der Bruttobesteuerung Rz. 5.109 ff. 5 Vgl. § 50a Abs. 3 u. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG, die nur für EU-/EWR-Staatsbürger gelten. 6 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 234; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 108; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 262 ff.

179

5.173

Kapitel 5 Einkommensteuer

und Wettkämpfen.1 Erfasst werden nicht nur unmittelbare persönliche Auftritte vor einem Publikum, sondern auch nichtöffentliche Auftritte sowie Live-Aufnahmen, die über Rundfunk-, Film- und Fernsehaufzeichnungen ausgestrahlt werden.2

5.174 Künstlerische Darbietungen sind solche, durch die eine eigenschöpferische Leistung dargestellt wird. Als darbietende Künstler werden erfasst vor allem Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler, Tänzer, Musiker und Dirigenten. Nicht zu den darbietenden Künstlern gehören schaffende Künstler wie Maler, Komponisten, Fotografen, Regisseure, Schriftsteller und Kunsthandwerker, soweit sie nicht ihre Werke, etwa durch Dichterlesung und dergleichen, darbieten.3 Da unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb fallen, werden folglich in erster Linie die Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen ausländischer Künstlerverleihunternehmen und Konzertdirektionen erfasst. Die künstlerische Darbietung erfolgt durch Künstler, die diese Unternehmen als Vertragspartner den inländischen Veranstaltern zur Verfügung stellen. Ob die betreffenden Künstler im Inland oder Ausland ansässig sind, spielt keine Rolle.4

5.175 Mit den sportlichen Darbietungen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sind in erster Linie nicht Amateursportler, sondern Berufssportler angesprochen, weil diese eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Da aber auch Amateursportler für ihre Auftritte nicht selten Startgelder erhalten, die über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehen und somit eine Gewinnerzielungsabsicht indizieren, werden in zunehmendem Maße auch sog. Amateursportler unter die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG fallen.5 Erfasst werden auch sportliche Darbietungen durch Sportler, die durch ausländische Promotionunternehmen und Vermittlungsunternehmen inländischen Veranstaltern zur Verfügung gestellt werden. Dementsprechend unterliegen auch die Einkünfte ausländischer Profifußballvereine für Gastspiele ihrer Mannschaften im Inland der Besteuerung aufgrund sportlicher Darbietungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG.6 Nicht erfasst werden dagegen die Einkünfte, die durch Werbespots, Interviews, Moderationen, Fotoanzeigen und aufgrund von Aus1 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 521. 2 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 538; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 109 f.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 186 f. 3 Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 25; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 526; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 189. 4 Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 190. 5 Zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 191 ff.; Reisch/Reinhardt/Urbanke, DB 1988, 359 ff. 6 BMF v. 22.9.1989, DStR 1990, 151.

180

C. Beschränkte Steuerpflicht

rüsterverträgen erzielt werden,1 es sei denn, die zu erbringenden Leistungen stellen sich als bloße Nebenleistungen der sportlichen Darbietung dar.2 Diese Dienstleistungen unterliegen ggf. aber dem § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder aber als Vermarktung des Namens, des Bildes und etwa der Unterschrift dem § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.3 Unter artistische Darbietungen fallen vor allen Dingen die Darbietungen von Akrobaten, Trick- und Zauberkünstlern, Dompteuren und Clowns in einem Zirkus, einer Revue oder einer Show.4

5.176

Die Erfassung auch von unterhaltenden Darbietungen (seit 2009) bedeutet eine Erweiterung5 insbesondere zu den künstlerischen und sportlichen Darbietungen: Zu den inländischen Einkünften zählen auch Vergütungen, die Künstler und Sportler für ihre Auftritte z.B. auf Benefizveranstaltungen mit Unterhaltungscharakter erhalten, ohne hierbei selbst in künstlerischer oder sportlicher Hinsicht tätig zu sein.6 Hierdurch wird der durch Art. 17 OECD-MA gesteckte Besteuerungsrahmen ausgeschöpft.7

5.177

Ähnliche Darbietungen sind solche, die sich nicht ohne weiteres unter die vorgenannten Katalog-Darbietungen einordnen lassen, mit diesen aber vergleichbar sind. Damit werden Darbietungen erfasst, die zwar nicht die Gestaltungshöhe künstlerischer Darbietungen erreichen,8 aber dennoch eigenschöpferisch geprägt sind. Damit werden große Bereiche des Show- und Unterhaltungsgeschäfts erfasst, soweit diese nicht schon zu den unterhaltenden Darbietungen zählen. Da die Katalogdarbietungen den Rahmen für die Auslegung des Begriffs „ähnliche Darbietungen“ stecken, ist dieser Begriff – wie auch die Parallele zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG im Katalog benannten „ähnlichen Berufen“ zeigt – hinreichend konkretisiert, so dass der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung entsprochen wird.9

5.178

1 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; (Nichtanwendungserlass BMF v. 2.8.2005, BStBl. I 2005, 844); v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 533 ff.; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 ff. 2 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/ NV 2008, 672. 3 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672 in Abweichung von BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 (342 ff.). 4 Zur Abgrenzung gegenüber sportlichen und künstlerischen Darbietungen Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 193 f. 5 Eingefügt durch das JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 6 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 113. 7 Vgl. hierzu Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 22. 8 Zum Begriff der künstlerischen Tätigkeit umfassend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 131 ff.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 9 ff. 9 BFH v. 17.10.2007 – I R 81, 82/06, I R 81/06, I R 82/06, BFH/NV 2008, 356; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 28.

181

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.179 Neben der Darbietung ist in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG die Verwertung als weiteres inlandsqualifizierendes Anknüpfungsmerkmal genannt. Erfasst werden die Einkünfte, die durch die Verwertung von Inlands- und Auslandsdarbietungen im Inland erzielt werden,1 wobei die Darbietung von einer anderen Person als dem Darbietenden verwertet werden kann.2 Im Hinblick darauf, dass Verwertung im Wesentlichen die Übertragung von Nutzungsrechten bedeutet,3 wird der Inlandsbezug durch den inländischen Vertragspartner des Übertragenden hergestellt.4

5.180 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfasst schließlich auch Einkünfte aus anderen mit den Katalogleistungen und ihnen ähnlichen Leistungen zusammenhängenden Leistungen. Aufgrund dieser Regelung soll eine Besteuerung auch dann gewährleistet sein, wenn die zu erbringenden Leistungen in mehreren Verträgen vereinbart werden. Es muss sich dabei stets um Leistungen handeln, die der wegen der Darbietung oder der Verwertung beschränkt Steuerpflichtige selbst erbringt, so dass etwa Nebenleistungen dritter Personen nicht erfasst werden.5 Angesprochen sind damit vor allem Nebenleistungen bei der Organisation ganzer Veranstaltungen im Inland, etwa die medizinische und technische Betreuung bei Sportveranstaltungen6 oder die Gestellung der Bühnen- Ton- und Bildtechnik bei Konzerten.7 Nicht erfasst werden demgegenüber aktive Werbeleistungen, wenn sie unabhängig von einzelnen Veranstaltungen zu erbringen sind. Die Einkünfte hieraus unterliegen, soweit hierfür weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter unterhalten wird, der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.8

5.181 Nach der ausdrücklichen Regelung im letzten Halbsatz des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG spielt es keine Rolle, ob die Einkünfte aus Darbietungen oder der Verwertung dem Darbietenden oder dem Verwertenden selbst oder dritten Personen zufließen. Diese Vorschrift ist darauf gerichtet, mögliche Vertragsgestaltungen beschränkt steuerpflichtiger Personen, die etwa durch Einschaltung von Vermarktungs-, Künstlerverleihund Promotionsgesellschaften zum Fehlen der beschränkten Steuer-

1 Hierzu Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 539. 2 BFH v. 17.12.1997 – I R 18/97, BStBl. II 1998, 440. 3 Einzelheiten zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 539; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 24. 4 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 542, Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 376; a.A. Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 24; vgl. auch BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, IStR 2009, 427. 5 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 17.11.2004 – I R 20/04, BFH/ NV 2005, 892; Frotscher, § 49 EStG Rz. 59; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 30; Schauhoff, IStR 1997, 5 (9). 6 Weitere Einzelheiten bei Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 205 ff. 7 Zu weiteren Einzelheiten Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 549. 8 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672 in Abweichung von BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 ff.

182

C. Beschränkte Steuerpflicht

pflicht geführt hätten, zu vereiteln.1 Tatsächlich ist sie aber weitgehend ohne Bedeutung,2 weil der Grundtatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ohnehin schon zu einer Besteuerungslücken ausfüllenden Doppelanknüpfung führt. Nach den Regelungen der DBA3 bleibt die Besteuerung von Einkünften aus dem Auftreten von Künstlern, Sportlern und Artisten Deutschland als Quellenstaat vorbehalten. Die Besteuerungsbefugnis entfällt allerdings für Unternehmenseinkünfte aus Hilfstätigkeiten, die mit der Darbietung zusammenhängen, also z.B. aus kaufmännischen oder technischen Leistungen oder auch aus Vermittlungstätigkeiten. Schließlich ist auch die Besteuerung aufgrund des Verwertungstatbestandes in aller Regel ausgeschlossen.4

5.182

g) Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG; Buciek, Das kapitalersetzende Darlehen im Steuerrecht, Stbg 2000, 109; Wacker, Vermögensverwaltende Gesamthand und Bruchteilsbetrachtung – eine Zwischenbilanz, DStR 2005, 2014.

Erfasst werden neben den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen i.S. von § 17 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG) auch Anteilsveräußerungsgewinne nach vorangegangener grenzüberschreitender Verschmelzung (§ 13 Abs. 2 UmwStG), grenzüberschreitendem Anteilstausch (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG) oder Sitzverlegung innerhalb der EU (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG), soweit die betreffenden Kapitalanteile hierbei nicht mit dem gemeinen Wert angesetzt wurden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb).

5.183

Während die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebes, Teilbetriebes und damit auch einer Betriebsstätte bereits gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, werden die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen5 Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG erfasst.

5.184

Gehören die Kapitalanteile zum Betriebsvermögen eines inländischen Betriebes (Betriebsstätte), so sind die Veräußerungsgewinne dem § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zuzuordnen. Insoweit gilt die sich aus der allge-

5.185

1 Stuhrmann, DStZ 1986, 92 (97). 2 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 556; Lüdicke in Lademann § 49 EStG Rz. 480; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 31; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 212 f. 3 Art. 17 OECD-MA. 4 Hierzu im Einzelnen Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 120; ferner Rz. 16.457. 5 Ort der Geschäftsleitung oder Sitz im Inland.

183

Kapitel 5 Einkommensteuer

meinen Gesetzessystematik ergebende Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 4 und 5 EStG.1 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG greift daher nur dann ein, wenn die Anteile nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören. Ob die Anteile zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören, ist im Hinblick auf die isolierende Betrachtungsweise, die die Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 4 und 5 EStG suspendiert, (Rz. 5.130 ff.) ohne Bedeutung.2

5.186 Gehören die Kapitalanteile zu einem Gesamthandsvermögen ohne Betriebsvermögen, so ist die Veräußerung der Anteile am Gesamthandsvermögen zugleich eine anteilige Veräußerung der im Gesamthandsvermögen gehaltenen Kapitalanteile,3 so dass die §§ 17 und 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG eingreifen. Entsprechendes gilt, wenn die Gesamthandsgemeinschaft ohne Betriebsvermögen die zum Gesamthandsvermögen gehörenden Kapitalanteile veräußert.4

5.187 Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG auf § 17 EStG insgesamt verweist, werden nicht nur die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen erfasst, sondern auch Gewinne (Verluste) aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, aus der Herabsetzung und Rückzahlung ihres Nennkapitals und die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG (§ 17 Abs. 4 EStG).5 Das Gleiche gilt auch für verdeckte Einlagen von Kapitalanteilen.6 Zu den von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG erfassten Veräußerungsvorgängen gehört auch der Tausch von Kapitalanteilen soweit die Steuerneutralität sich nicht aus § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG oder aus anderen Vorschriften des UmwStG ergibt.7

5.188 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG enthält eine Tatbestandserweiterung in den Fällen der Hinausverschmelzung (§ 13 Abs. 2 UmwStG), der grenzüberschreitenden Anteilseinbringung (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG) und des grenzüberschreitenden Wegzugs einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Staat (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG), soweit der Buchwert angesetzt worden ist.

5.189 Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 UmwStG führt die Hinausverschmelzung insbesondere in EU-/EWR-Staaten (§§ 122a ff. UmwG) 1 Hierzu Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 12; Buciek, Stbg 2000, 109 (118). 2 Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 577; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 529 ff.; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 35. 3 BFH v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312; v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857; Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 55 (113); Wacker, DStR 2005, 2014 (2016). 4 Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO; vgl. BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686. 5 Zu Einzelheiten Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 210 ff. 6 § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG. 7 Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht Rz. 17.1 ff.

184

C. Beschränkte Steuerpflicht

auf Gesellschafterebene bei Buchwertfortführungen zu keiner Gewinnrealisierung, wenn entweder das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird oder aber Art. 8 FRL zur Anwendung kommt. Von besonderer Bedeutung ist die Hinausverschmelzung in den Fällen, in denen kein DBA eingreift, etwa im Verhältnis zu Liechtenstein: Die Steuerneutralität wird hier dadurch ermöglicht, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Personen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG die beschränkte Steuerpflicht auf die Gewinne aus der Veräußerung der durch die Hinausverschmelzung erworbenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft erstreckt. § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG erfasst die grenzüberschreitende Anteilseinbringung (Anteilstausch, soweit sie EU-Kapitalgesellschaften betrifft). Hiernach ist die grenzüberschreitende Anteilseinbringung (Anteilstausch) unter den Voraussetzungen des Art. 8 FRL auf Antrag steuerneutral durchzuführen, allerdings mit der Maßgabe, dass die Gewinne aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet etwa entgegenstehender abkommensrechtlicher Regelungen in Deutschland so zu besteuern sind, wie die Veräußerung der Anteile der erworbenen Gesellschaft zu besteuern gewesen wäre. Diese Regelung findet auch Anwendung, wenn der Einbringende beschränkt steuerpflichtig ist.1 Die Sicherstellung dieser Besteuerung erfolgt durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG. Gemäß § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG steht zwar die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft deren Veräußerung gleich. Das gilt aber nicht in den Fällen einer Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedstaat mit der Folge, dass insoweit auf eine Besteuerung verzichtet wird. Werden indessen zu einem späteren Zeitpunkt die Anteile an der weggezogenen Kapitalgesellschaft veräußert, ist der Veräußerungsgewinn ungeachtet etwaiger entgegenstehender Abkommensbestimmungen so zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile ohne Wegzug der Kapitalgesellschaft zu besteuern gewesen wäre (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG i.V. mit Art. 8 FRL). Auch diese Besteuerung wird bei beschränkter Steuerpflicht durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG sichergestellt. h) Vermietung und Verpachtung sowie Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und Rechten Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG; Bornheim, Einbeziehung ausländischer Grundstücksverkäufe in gewerblichen Grundstückshandel?, DStR 1998, 1773; Bron, Betriebsbegriff und beschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Zinsschrankenregelung der §§ 4h und 8a KStG, IStR 2008, 14; Hendricks, § 49 Abs. 1 Nr. 2f EStG – Anwendungsbereich und Einkunftsermittlung, IStR 1997, 229; Huschke/Hartwig, Das geplante Jahressteuergesetz 2009: Auswirkungen auf Ver-

1 Schmitt in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, § 21 UmwStG Rz. 101.

185

5.190

Kapitel 5 Einkommensteuer mietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 745; Lüdicke, Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz: Die Besteuerung gewerblicher Veräußerungsgewinne beschränkt Steuerpflichtiger, DB 1994, 952.

5.191 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG enthält zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG insoweit eine Tatbestandserweiterung, als zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung und aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen oder bestimmten Rechten auch insoweit zählen, als hierfür weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter unterhalten wird. Diese Vorschrift ist in erster Linie darauf gerichtet, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizierende Gewinne lückenlos zu erfassen und hierbei die Gewinne aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Veräußerung gleich zu behandeln.1 Um auch die Besteuerung insbesondere ausländischer Immobilienkapitalgesellschaften sicherzustellen, enthält § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG eine den § 49 Abs. 2 EStG2 verdrängende3 Gewerblichkeitsfiktion4 für Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken. Über die vorgenannten Gewinne aus der Veräußerung von inländischen Immobilien hinaus werden aber auch die Gewinne aus der Veräußerung von Sachinbegriffen und bestimmten Rechten erfasst, womit letztlich unternehmerische Liefergewinne auch ohne die international übliche Anknüpfung an eine Betriebsstätte oder an einen ständigen Vertreter der Besteuerung unterworfen werden.5 Da Deutschland die Besteuerungsbefugnis dieser abkommensrechtlich als Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) zu qualifizierenden Veräußerungsgewinne in Abkommensfällen genommen ist, hat diese Regelung in der Praxis nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung.

5.192 Zum unbeweglichen Vermögen gehören Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Schiffe, soweit sie in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind, sowie grundstücksgleiche Rechte, etwa Erbbaurechte und Mineralgewinnungsrechte, ferner Wohnungseigentum nach dem WEG sowie in die inländische Luftfahrzeugrolle eingetragene Luftfahrzeuge,6 und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Wirtschaftsgüter vor ihrer Veräußerung vermietet oder verpachtet wurden.7 Zu den Sachinbegriffen8 gehö1 Vgl. JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 2 Isolierende Betrachtungsweise. 3 Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 43; Bornheim, DStR 1998, 1773 (1777 f.); a.A. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 664. 4 Kritisch zur Verankerung dieser Norm in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG Lüdicke in Lademann Vor § 49 EStG Rz. 6. 5 Zur Kritik Lüdicke, DB 1994, 952 (952). 6 BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. 7 Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 619; Lüdicke in Lademann Vor § 49 EStG Rz. 9; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 650; Hendricks, IStR 1997, 229 (229 f.). 8 Vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

186

C. Beschränkte Steuerpflicht

ren solche Wirtschaftsgüter, die funktional und technisch so aufeinander abgestimmt sind, dass sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, etwa eine Wohnungseinrichtung, der Maschinenpark oder eine Großrechenanlage.1 Zu den Rechten zählen schließlich insbesondere in- und ausländische schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG), und zwar auch als verbrauchende Rechtsüberlassung wie z.B. die erschöpfende Nutzung zu Werbezwecken anlässlich einer Sportveranstaltung (Bandenwerbung).2 Die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerung der vorgenannten Wirtschaftsgüter unterliegen allerdings nur dann der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, wenn hierfür bestimmte inlandsbezogenen Anknüpfungsmerkmale erfüllt sind. Hiernach wird im Grundsatz auf die Belegenheit des unbeweglichen Vermögens, der Sachinbegriffe und der Rechte abgestellt (Belegenheitsprinzip). Daneben ist die Eintragung in ein öffentliches Buch oder Register maßgeblich. Schließlich knüpft die Besteuerung auch an die Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung an. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG setzt voraus, dass die Veräußerungsgewinne den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) zuzuordnen sind. Während die Gewerblichkeit für ausländische Körperschaften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG fingiert wird, muss die Veräußerung durch natürliche Personen oder durch Personengesellschaften, soweit an ihnen natürliche Personen beteiligt sind, nach allgemeinen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit sein.3 So ist die Gewerblichkeit etwa dann gegeben, wenn unbebaute und bebaute Grundstücke wiederholt innerhalb eines überschaubaren Zeitraums veräußert werden.4 Hierbei beurteilt sich die Gewerblichkeit sowohl nach in- als auch nach ausländischen Merkmalen mit der Folge, dass etwa bei der für die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung einerseits und gewerblichem Grundstückshandel andererseits maßgeblichen sog. DreiObjekte-Grenze5 auch Grundstücksverkäufe im Ausland zu berücksichtigen sind.6

5.193

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG hat eine begrenzte Reichweite, weil nur 5.194 die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerung der dort bezeichneten Wirtschaftsgüter der Besteuerung unterworfen 1 2 3 4

Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620. Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620. Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 615, 617. Zum gewerblichen Grundstückshandel Weber-Grellet in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 47 ff.; BMF v. 26.3.2004, BStBl. I 2004, 434. 5 BMF v. 26.3.2004, BStBl. I 2004, 434, Tz. 5 ff. 6 § 49 Abs. 2 EStG (isolierende Betrachtungsweise) greift hier nicht ein, weil ausländische Besteuerungsmerkmale nur insoweit ausscheiden, als bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte nicht angenommen werden könnten; im Ergebnis ebenso Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 615; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 43, Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 119.

187

Kapitel 5 Einkommensteuer

sind. So zählen etwa zu der Veräußerung im Sinne der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums1 zwar auch Übertragungen aufgrund von Kauf, Tausch, gemischten Schenkungen und Einbringungen in Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, ferner auch die zeitlich unbefristete und verbrauchende Überlassung von Rechten;2 nicht dazu zählen aber die Einbringung in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, soweit dem Einbringenden die Beteiligung auch nach der Übertragung zuzurechnen ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO),3 und die verdeckte Einlage der vorbezeichneten Wirtschaftsgüter in eine Kapitalgesellschaft.4

5.195 Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG keine eigenständige Regelung darüber enthält, wie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerungsgewinn zu ermitteln sind, gelten die allgemeinen für die Einkünfte aus Gewerbetrieb maßgeblichen Grundsätze (§§ 4 ff. EStG).5 Hieraus folgt: Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind entweder durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) zu ermitteln, wobei die spezifisch betriebsbezogenen Gewinnermittlungsvorschriften (z.B. § 4h EStG) außer Betracht bleiben, weil § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zwar gewerbliche Einkünfte, nicht aber einen Betrieb fingiert.6 Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten7 abzgl. der in Anspruch genomenen AfA übersteigt.8 Der so ermittelte Veräußerungsgewinn ist für den beschränkt Steuerpflichtigen im Zuge einer Veranlagung der Besteuerung zuzuführen. Besonderheiten im Besteuerungsverfahren gibt es insoweit nicht. Insbesondere greift der Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht ein, da diese Vorschrift nur für die Nutzungsüberlassung des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, nicht aber für die Veräußerung9 derselben eingreift.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. Zu Einzelheiten Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 621. Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 621. BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 656; im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG fehlt in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG eine dem § 17 Abs. 1 Satz EStG entsprechende Regelung. BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. Ebenso Gosch, in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 46; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, IStR 2008, 14 (18); zweifelnd Pfeffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634. Bei vor dem 1.1.1994 angeschafften Wirtschaftsgütern ist auf den Teilwert zu diesem Zeitpunkt abzustellen; BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; BFH v. 22.8.2006 – I R 6/06, BFH/NV 2007, 127. BMF v. 15.12.1994, BStBl. I 1994, 883. Nutzungsüberlassung und Überlassung des Rechts auf Nutzung ist nicht Veräußerung; vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641. So die Rechtslage seit dem JStG 2009 v. 17.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794).

188

C. Beschränkte Steuerpflicht

Nach den Regeln der DBA bleibt die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Grundvermögen Deutschland als Belegenheitsstaat vorbehalten (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA). Da allerdings Schiffe und Luftfahrzeuge abkommensrechtlich nicht als unbewegliches Vermögen gelten (Art. 13 Abs. 1; Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), entfällt insoweit im Ergebnis die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG (Art. 13 Abs. 2, 3; Art. 23A OECD-MA). Das gilt auch für die Gewinne aus der Veräußerung der übrigen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG genannten Wirtschaftsgüter (Art. 13 Abs. 2; Art. 23A OECD-MA).

5.196

3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Wübbelsmann, Die beschränkte Steuerpflicht der Freiberufler, Köln/München 2008; Thulfaut, Die Besteuerung international tätiger Anwaltssozietäten, Frankfurt/M. 2005.

Die beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG knüpft bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) an die Ausübung und an die Verwertung sowie an eine feste Einrichtung und Betriebsstätte im Inland an. Im Unterschied zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Grundsatz eine lückenlose Erfassung freiberuflicher Tätigkeit im Inland.

5.197

Damit wird erneut deutlich, dass die inlandsqualifizierten Anknüpfungsmerkmale bei den einzelnen Einkunftsarten im Rahmen des § 49 Abs. 1 EStG keiner einheitlichen Konzeption folgen. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein gewerblich tätiger Unternehmensberater für seine Beratungstätigkeit im Inland nicht beschränkt steuerpflichtig sein soll, während der freiberuflich tätige Steuerberater für seine vergleichbare Tätigkeit im Inland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG zur Steuer herangezogen wird. Für diese gleichheitswidrige Differenzierung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.1 Die Ungleichbehandlung zwischen beschränkt steuerpflichtigen Gewerbetreibenden einerseits und Freiberuflern andererseits wird noch durch den Verwertungstatbestand in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG verschärft. Abgesehen von dem in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG normierten Verwertungstatbestand, gibt es hierfür im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb keine Parallele. So fällt unter den Verwertungstatbestand etwa die Veräußerung von Berichten über im Ausland erstellte Marktanalysen

5.198

1 Hierzu Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 75; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 302; Lüdicke, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 1 (27).

189

Kapitel 5 Einkommensteuer im Inland durch freiberufliche Berater1 oder etwa der Verkauf im Ausland gemalter Bilder im Inland durch Künstler.2 Dem Verwertungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG entspräche es, wenn der Verkauf im Ausland produzierter Güter im Inland bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ebenfalls der beschränkten Steuerpflicht unterworfen würde.

5.199 Das Anknüpfungsmerkmal Ausübung verlangt eine persönliche Tätigkeit im Inland.3 Dies setzt regelmäßig eine physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Inland voraus, wobei allerdings die Eigenarten der betreffenden Tätigkeit zu berücksichtigen sind.4 Daher wird eine selbständige Arbeit im Inland auch dann ausgeübt, wenn hier zwar der Steuerpflichtige nicht selbst, für ihn aber angestellte Mitarbeiter oder freiberufliche Partner tätig sind.5 Eine nachhaltige Tätigkeit im Inland ist nicht erforderlich.6 Bei Künstlern oder Schriftstellern ist hierbei auf die eigentliche schöpferische Leistung abzustellen.7 Bei Erfindern kommt es darauf an, von wo aus diese ihre Erfinderideen planmäßig verwirklichen bzw. ihre Rechte aus den von ihnen abgeschlossenen Lizenzverträgen geltend machen.8 Bei Rechtsanwälten und Steuerberatern ist schließlich darauf abzustellen, wo etwa die Prozessvertretung oder die Beratung erfolgt.9 Wird die selbständige Arbeit nur zum Teil im Inland ausgeübt, sind die Einkünfte entsprechend aufzuteilen.10

5.200 Verwertung setzt einen über die eigentliche Leistung hinausgehenden Vorgang voraus, ein körperliches oder geistiges Produkt, das der Steuerpflichtige selbst dem Inland zuführt.11 Hierunter fallen vor allen Dingen Vorgänge, die durch § 15 UrhG erfasst sind, wonach der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk in körperlicher Form insbesondere zu verwerten, d.h. zu vervielfältigen, zu verbreiten und auszustellen. Um

1 BFH v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379. 2 FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, v. 18.5.1978 – VI 154/74, EFG 1978, 546; OFD Frankfurt v. 19.2.2004, DB 2004, 1016. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 4 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/ NV 1991, 143; Übermittlung per Videokonferenz oder sonstiger elektronischer Medien ins Inland reicht nicht aus; hierzu Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 166. 5 BFH v. 27.6.1985 – I R 22/81, BFH/NV 1985, 17; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 545. 6 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 670. 7 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 15.2.1990 – IV R 13/89, BStBl. II 1990, 621; zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 90 ff. 8 BFH v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143. 9 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 672, dort auch zu weiteren Einzelfällen. 10 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 11 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383.

190

C. Beschränkte Steuerpflicht

überhaupt eine Abgrenzung zwischen Tätigkeit einerseits und Verwertung andererseits zu ermöglichen, kann unter Verwerten nur ein Nutzbarmachen gemeint sein, das an einem Ort geschieht, der von dem der Tätigkeit abweicht.1 Anderenfalls hätte es des Anknüpfungsmerkmals der Verwertung neben der Ausübung nicht bedurft. Schließlich kann der Tatbestand der Verwertung auch nur durch denjenigen erfüllt werden, der selbst die Tätigkeit erbracht hat.2 Das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung stellt den Grundtatbestand dar, 5.201 wohingegen das Anknüpfungsmerkmal der Verwertung zurücktritt, so dass der Verwertungstatbestand auf die Fälle beschränkt ist, in denen das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung im Inland nicht erfüllt ist.3 Im Ergebnis greift der Verwertungstatbestand daher nur dann ein, wenn eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit durch eine zusätzliche Handlung im Inland verwertet wird. Das ist dann stets der Fall, wenn durch die im Ausland ausgeübte Tätigkeit ein selbständig verwertbares Recht geschaffen wird, das im Inland nutzbar gemacht wird. Hierzu gehören neben Urheberrechten auch Patente und Know-how.4 So erfolgt etwa die Verwertung von Erfindungen durch Lizenzvergabe an einen inländischen Lizenznehmer5 und die Verwertung schriftstellerischer Tätigkeit durch Überlassung der Autorenrechte an einen inländischen Verlag.6 Die Quellensteuer bei inländischer Tätigkeit und bei inländischer Verwertung im Zusammenhang mit künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen sowie bei Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten beträgt 15 Prozent der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) und in den Fällen des Steuerabzugs auf Nettobasis 30 bzw. 15 Prozent (§ 50a Abs. 3 EStG) (Rz. 5.263, 5.267). Die Anknüpfung an eine im Inland unterhaltene feste Einrichtung7 oder Betriebsstätte (§ 12 Satz 1 AO) zielt im Wesentlichen auf grenzüberschreitend tätige, freiberufliche Personengesellschaften8 ab, wodurch die ausländischen Gesellschafter mit ihren auf die inländische feste Einrichtung oder Betriebsstätte entfallenden Gewinnanteilen der beschränkten

1 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 2 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 685. 4 Zur Verwertung der Arbeit von Künstlern und Berufssportlern im Einzelnen Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 105 ff. 5 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; R 49.2 EStR 2008. 6 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 681, dort auch zu weiteren Einzelfällen. 7 Im Sinne von Art. 14 OECD-MA a.F.; zu Einzelheiten Rz. 16.416 f. 8 Bei ausländischen Personengesellschaften ist die Qualifikation aus deutscher Sicht maßgeblich (Typenvergleich); vgl. hierzu Rz. 6.7.

191

5.202

Kapitel 5 Einkommensteuer

Steuerpflicht unabhängig davon unterworfen werden, ob sie auch selbst im Inland persönlich tätig sind.1

5.203 Zu den inländischen Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen sowie Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des der selbständigen Arbeit dienenden Betriebes. Schließlich fallen auch nachträglich erzielte Einkünfte unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG.2

5.204 Auf der Ebene von DBA wird die beschränkte Steuerpflicht weitgehend eingeschränkt, weil diese durchweg nicht auf die Verwertung abstellen und zudem die bloße Tätigkeit nicht ausreichen lassen, sondern vielmehr eine dem Steuerpflichtigen regelmäßig zur Verfügung stehende Einrichtung (Betriebsstätte) verlangen.3 4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Neyer, Erweiterung des Umfangs der beschränkten Steuerpflicht: § 49 Abs. 1 Nr. 4d EStG n.F., IStR 2004, 403; Schauhoff/ Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Steinhäuser, Internationale Aspekte der Besteuerung von Arbeitnehmererfindungen, Baden-Baden 2004; Vetter/Lünen, Einführung eines neuen Besteuerungstatbestandes im Bereich der beschränkten Einkommensteuerpflicht – § 49 Abs. 1 Nr. 4e EStG, RIW 2007, 300; Wiek, Arbeitnehmerentsendung zwischen Deutschland und den Niederlanden, Hamburg 2008.

5.205 Die beschränkte Steuerpflicht knüpft bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an die Merkmale der Ausübung oder der Verwertung im Inland, der Zahlung aus inländischen öffentlichen Kassen, der Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland, der Auflösung eines Dienstverhältnisses, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben und der an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübten Tätigkeit, soweit das Luftfahrzeug von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, an. Die Anknüpfungsmerkmale Ausübung und Verwertung in § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind mit denen in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG identisch. Im Hinblick darauf gelten die dortigen Ausführungen 1 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 693; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 50. 2 BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 52. 3 Art. 14 OECD-MA a.F.; zu Einzelheiten Rz. 16.407.

192

C. Beschränkte Steuerpflicht

(Rz. 5.197 ff.) entsprechend. Regelmäßig wird der für das Anknüpfungsmerkmal Ausübung massgebliche Tätigkeitsort durch den Ort der Arbeitsausübung fixiert. Der ist in aller Regel dort, wo sich die betreffende Person physisch aufhält und die Berufstätigkeit persönlich ausübt.1 Wird die Tätigkeit sowohl im Inland als auch im Ausland ausgeübt, ist der hierfür gezahlte Arbeitslohn nach Veranlassungsgesichtspunkten im Zweifel nach Maßgabe der im In- und Ausland geleisteten Arbeitstagen aufzuteilen.2 Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit etwa im Inland nur kurzfristig bzw. vorübergehend ist.3 Krankheits- oder urlaubsbedingte Unterbrechungen sind der inländischen Tätigkeit zuzuordnen, soweit ein Veranlassungszusammenhang (z.B. Arbeitsunfall) hiermit gegeben ist.4 Zu den unter den Ausübungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Einkünfte für eine früher im Inland ausgeübte Tätigkeit, insbesondere betriebliche Altersruhegelder5 und nachträglich gezahlte Tantiemen.6 Einnahmen aus der Ausübung von stock options zählen ebenfalls zu den inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie hierauf zeitanteilig entfallen.7

5.206

Aus im öffentlichen Interesse liegenden wettbewerbs-, kultur- oder sportpolitischen Gründen kann die Einkommensteuer gem. § 50 Abs. 4 EStG ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschalbetrag festgesetzt werden.8

5.207

Der für das Anknüpfungsmerkmal Verwertung maßgebliche Ort ist dort, wo der Arbeitnehmer das Ergebnis seiner nichtselbständigen Arbeit seinem Arbeitgeber zuführt.9 Da der Arbeitnehmer stets allein als Verwerter in Betracht kommt, ist auf andere Personen nicht abzustellen.10 Der Verwertungstatbestand ist ggü. dem Ausübungstatbestand subsidiär.11 Hieraus folgt, dass die Verwertung im Inland als Anknüpfungsmerkmal für die beschränkte Steuerpflicht nur dann in Betracht kommt, wenn die nichtselbständige Arbeit im Ausland ausgeübt wird. Erfasst werden damit

5.208

1 BFH v. 21.1.1983 – VI R 87/79, BStBl. II 1983, 224, v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 740. 2 Zu Einzelheiten Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 795. 3 BFH v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; v. 27.11.1992 – VI R 95/90, BFH/NV 1993, 365; v. 7.5.1993 – VI R 98/92, BFH/NV 1994, 91. 4 Hierzu mit z.T. abweichender Ansicht: Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 737. 5 BFH v. 18.2.1954 – IV 174/53 U, BStBl. III 1954, 130. 6 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459. 7 Auf den Zuflusszeitpunkt kommt es nicht an; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 746. 8 Beispiele bei Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 126. 9 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 381. 10 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 389. 11 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372.

193

Kapitel 5 Einkommensteuer

etwa die ausländischen Tätigkeiten von Auslandskorrespondenten und Bildberichterstattern, soweit deren Berichte im inländischen Fernsehen ausgestrahlt oder in inländischen Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.1

5.209 Die Besteuerung aufgrund der Verwertung der Arbeit im Inland ist durch verschiedene Verwaltungsanweisungen auf der Grundlage des § 50 Abs. 4 EStG (Billigkeitsmaßnahmen) stark eingeschränkt worden. So bleiben Einkünfte aus der Verwertung einer im Ausland ausgeübten nichtselbständigen Arbeit außer Ansatz, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, dass von diesen Einkünften in dem Tätigkeitsstaat eine der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer tatsächlich erhoben wird.2 Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem sog. Auslandstätigkeitserlass,3 wonach unter bestimmten Voraussetzungen bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern auch ohne Nachweis einer entsprechenden ausländischen Steuerbelastung Steuerbefreiung eintritt. Diese Billigkeitsmaßnahmen sind vor dem Hintergrund des kollisionsbegründenden Charakters des Verwertungstatbestandes des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu sehen. Im Hinblick darauf, dass international, vor allem auf der Ebene von DBA, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit allein die Tätigkeit als Anknüpfungsmerkmal Bedeutung hat (Arbeitsortprinzip) (Rz. 16.425), wird aus Gründen der Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ergebnis der Verwertungstatbestand weitgehend eliminiert.

5.210 Als drittes inlandsbezogenes Anknüpfungsmerkmal enthält § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG die öffentlichen Kassen. Danach gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte, die aus inländischen öffentlichen Kassen4 einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens5 und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein unmittelbarer Zahlungsanspruch ggü. der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss.6 Dieses Anknüpfungsmerkmal entspricht weit gehend dem sog. öffentlichen Kassenprinzip, das international allgemein üblich ist. Es folgt dem Grundgedanken, dass kein Staat gezwungen sein soll, die zu Lasten seines Haushalts gezahlten Beträge aus seiner eigenen Besteuerungshoheit zu entlassen (Rz. 16.462). Dieses Kassenprinzip ist auch in Art. 19 OEDC-MA verankert, wonach im Grundsatz die Besteuerung dem Kassenstaat vorbehalten bleibt (Kassen-

1 2 3 4 5

Zu weiteren Einzelfällen: Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 751. R 39d Abs. 2 Nr. 2 LStR. BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470; hierzu auch Rz. 5.96 ff., 15.140 ff. Hierzu die Übersicht bei Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 12 EStG Rz. 13. Vergütungen an Nichtbeamte, die unmittelbar seitens der Deutsche Bahn AG gewährt werden, fallen nicht hierunter. 6 Erfasst werden insbesondere Bedienstete des Goethe-Institus und des akademischen Austauschdienstes.

194

C. Beschränkte Steuerpflicht

staatsprinzip). Voraussetzung ist zumindest aber,1 dass der Kassenstaat zugleich auch Dienstherr ist, was § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG nicht verlangt. Für diese Fälle fingiert § 50d Abs. 7 EStG ein Dienstverhältnis, um so die beschränkte Steuerpflicht auch in Abkommensfällen aufrecht zu erhalten (Rz. 16.465). Vierter Anknüpfungspunkt ist die Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG). Erfasst werden auch Geschäftsführer und Prokuristen von Personengesellschaften, soweit die betreffenden Personen nicht zugleich auch Gesellschafter sind, weil sonst ihre Einkünfte nicht als solche aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren sind.2 Ob die Vergütung unmittelbar von der inländischen Gesellschaft selbst oder aber etwa von einer ausländischen Konzernobergesellschaft gezahlt wird, spielt keine Rolle.3

5.211

Fünfter Anknüpfungspunkt ist die Auflösung eines Dienstverhältnisses, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG). Erfasst werden Entlassungsentschädigungen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Voraussetzung ist, dass die Einkünfte aus der vorangegangenen nichtselbständigen Tätigkeit der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterlegen haben, wobei unerheblich ist, ob die vorangegangene Besteuerung abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen ausgesetzt war.4 Erfasst werden damit im Wesentlichen diejenigen Fälle, in denen ein Arbeitnehmer, bevor er aus seinem Dienstverhältnis ausscheidet, seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt, um danach die Entlassungsentschädigung zu vereinnahmen. War dagegen der betreffende Arbeitnehmer durchgängig im Ausland ansässig und erhält er eine Entlassungsentschädigung, die sowohl seine vorangegangene nichtselbständige Tätigkeit im Inland als auch diejenige im Ausland erfasst, hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen.5

5.212

Das letzte Anknüpfungsmerkmal betrifft die Tätigkeit an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten, durch ein Unternehmen mit inländischer Geschäftsleitung betriebenen Luftfahrzeugs (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG). Diese Regelung betrifft im Wesentlichen die Einkünfte ausländischen Bordpersonals von Flugzeugen inländischer Luftfahrtunternehmen. Die beschränkte Steuerpflicht erfasst hierbei auch diejenigen Einkünfte des Bordpersonals, die anteilig auf das Ausland entfallen. Ohne diese weit gehende Regelung entstünden sog. weiße Ein-

5.213

1 Vgl. die Abkommensübersicht bei Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 37. 2 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 779; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 165; Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 178. 3 Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 67. 4 Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 69; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 787; a.A.: Neyer, IStR 2004, 403 (404). 5 Zu Einzelheiten: Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 787.

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Kapitel 5 Einkommensteuer

künfte, weil gem. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA das Besteuerungsrecht für Einkünfte des Bordpersonals unabhängig vom Ausübungsort allein dem Staat zusteht, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Luftfahrtunternehmens befindet.1

5.214 Die Zuteilungsnormen der DBA stellen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lediglich auf die Anknüpfungsmerkmale der Tätigkeit und der öffentlichen Kasse ab. Die Besteuerung aufgrund der Verwertung, der Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied und der Auflösung eines Dienstverhältnisses im Inland ist nach den DBA wegen des allgemein geltenden Arbeitsortsprinzips (Rz. 16.419 ff.) zumeist ausgeschlossen. Hinsichtlich der Tätigkeit ergibt sich allerdings insoweit eine Einschränkung, als beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die im Inland tätig werden, sich hier jedoch nur vorübergehend, höchstens 183 Tage im Kalenderjahr, aufhalten, aus der Besteuerung ausgenommen werden, wenn die Vergütung von einem Arbeitgeber ihres Wohnsitzstaates gezahlt und nicht von einer inländischen Betriebsstätte dieses Arbeitgebers getragen wird (sog. 183-Tage-Klausel). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aufgrund einiger mit Nachbarstaaten abgeschlossener DBA wonach Arbeitsbezüge von Grenzgängern nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürfen (Rz. 16.445 f.). Die sich aus dem abkommensrechtlichen Kassenstaatsprinzip ergebenden Einschränkungen werden freilich, soweit Lohn aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wird, ohne dass die öffentliche Hand auch Dienstherr ist, durch die treaty overriding-Klausel2 des § 50d Abs. 7 EStG suspendiert (Rz. 16.465).

5.215 Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern ist die Einkommensteuer im Grundsatz durch den Steuerabzug abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies gilt allerdings insbesondere nicht in dem Fall, in dem ein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gestellt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG), der allerdings nur EU-/EWR-Staatsangehörigen möglich ist (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG). Arbeitnehmer aus Drittstaaten sind daher insoweit benachteiligt, als ihnen das an die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit orientierte subjektive und objektive Nettoprinzip vorenthalten bleibt (Rz. 5.109 ff.). Die steuerliche Benachteiligung dieser beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 5.115 ff.). Zwecks Milderung der Steuernachteile sind daher Billigkeitsmaßnahmen geboten (§§ 163, 227 AO).3

1 Hierzu Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 790; Vetter/Lünen, RIW 2007, 300 ff.; zu Art. 15 Abs. 3 OECD-MA vgl. Rz. 16.439. 2 Zum treaty overriding Rz. 3.25 f. 3 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; FG Köln v. 10.1.1991 – 5 K 2381/89, DStR 1991, 740.

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C. Beschränkte Steuerpflicht

5. Einkünfte aus Kapitalvermögen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält für die Einkünfte aus Kapitalvermögen unterschiedliche inlandsbezogene Anknüpfungsmerkmale. Erfasst werden im Wesentlichen die Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen i.S. von § 20 Abs. 2 EStG. Die Einkünfte aus Diskontbeträgen von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel (§ 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG) sind von der beschränkten Steuerpflicht gänzlich ausgenommen. Obwohl § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht ausdrücklich auf § 20 Abs. 8 EStG Bezug nimmt, gilt die dort für die Einkünfte aus Kapitalvermögen verankerte Subsidiaritätsklausel grundsätzlich auch für die Einkünftequalifzierung gem. § 49 Abs. 1 EStG. Diese Subsidiaritätsklausel wird durch § 49 Abs. 2 EStG (isolierende Betrachtungsweise) nur hinsichtlich der ausländischen Bestimmungsmerkmale der Einkunftsart suspendiert (Rz. 5.129 ff.). Hieraus folgt: Wenn sich die Zuordnung der Kapitaleinkünfte zu einer anderen Einkunftsart aus ausländischen Bestimmungsmerkmalen – z.B. ausländischer Gewerbebetrieb – ergibt, bleiben diese außer Betracht (§ 49 Abs. 2 EStG), so dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG eingreift. Gehören die Kapitaleinkünfte dagegen aufgrund inländischer Bestimmungsmerkmale – z.B. inländische gewerbliche Betriebsstätte – zu einer anderen Einkunftsart, so sind nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG), sondern wegen § 20 Abs. 3 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gegeben. Diese Zuordnung hat etwa zur Folge, dass Zinsen, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb), der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, während Zinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mangels Inlandsanknüpfung grundsätzlich nicht steuerpflichtig sind.

5.216

Primäres Anknüpfungsmerkmal für die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG erfassten Einkünfte aus Kapitalvermögen (z.B. Dividenden) ist die inländische Ansässigkeit des Schuldners der Kapitalerträge. Damit wird auf Wohnsitz (§ 8 AO), Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO) im Inland abgestellt. Für die unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b und Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG fallenden Einkünfte aus Kapitalvermögen (z.B. Zinsen aus Genussrechten) ergeben sich keine besonderen inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale, so dass sie unter den gleichen Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, wie dies bei unbeschränkter Steuerpflicht der Fall ist. Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG (Zinsen) setzt voraus, dass das Kapitalvermögen im Inland dinglich

5.217

197

Kapitel 5 Einkommensteuer

gesichert ist; und die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG (Tafelgeschäfte) hängt davon ab, dass die Erträge von einer inländischen Zahlstelle (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG) ausgezahlt oder gutgeschrieben werden.

5.218 Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG vor allem Dividenden, Bezüge aus Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, und verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie Einnahmen aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter i.S. des § 230 HGB1 und aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG), ferner Auskehrungen nach Kapitalherabsetzung oder Auflösung einer Kapitalgesellschaft, die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), bestimmte Zinsen aus Lebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG), sonstige Leistungen von steuerpflichtigen Vereinen, Stiftungen und sonstigem Zweckvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) einschließlich der Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen. In allen Fällen muss der Schuldner der Kapitalerträge im Inland ansässig sein, das heißt, er muss Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung zu dem Zeitpunkt im Inland haben, in dem die Einkünfte zu erfassen sind.2 Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 49 Abs. 1 gehören wegen der Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dagegen nicht Ausschüttungen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto der Kapitalgesellschaft i.S. des § 27 KStG als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) und kraft besonderer gesetzlicher Anordnung auch nicht ausgeschüttete sowie ausschüttungsgleiche Erträge und Zwischengewinne aus Investmentanteilen (§ 2 InvStG). Diese Investmenterträge werden aber partiell von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG erfasst, und zwar insoweit, als es sich um inländische Dividenden (§ 7 Abs. 3 InvStG) und um bestimmte Tafelgeschäfte (§ 7 Abs. 1, 2 und 4 InvStG i.V. mit § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) handelt. So weit in den übrigen Fällen eine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, ist diese daher auf Antrag des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers zu erstatten (§ 7 Abs. 6 InvStG).

5.219 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG erfasst schließlich Zinsen aus Hypotheken (§ 1113 BGB) und Grundschulden (§ 1192 BGB) sowie Renten aus Rentenschulden (§ 1199 Abs. 1 BGB) als Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG und Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen als

1 Der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters fließt auch dann zu, wenn es wegen der Wiederauffüllung der durch Verluste geminderten Einlage zu keiner Auszahlung kommt; BFH v. 24.1.1990 – I R 55/85, BStBl. II 1991, 147; kritisch hierzu Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 668. 2 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/ NV 1985, 104.

198

C. Beschränkte Steuerpflicht

Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG,1 soweit das Kapitalvermögen im Inland dinglich gesichert ist. Die dingliche Sicherheit2 des Kapitalvermögens3 muss in dem Zeitpunkt bestehen, in dem die Einkünfte zu erfassen sind.4 Trotz dinglicher Sicherung sind Zinsen aus Anleihen und Forderungen aus der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen, wenn sie in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen, über Sammelurkunden (§ 9a DepotG) oder über Teilschuldverschreibungen5 ausgegeben sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG). Der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen ferner Einkünfte aus Genussrechten, mit denen nicht das Recht am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist (nicht verbriefte Genussrechte, § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG). Im Ergebnis sind damit Zinseinkünfte, etwa aus Sparbüchern und Festgeldanlagen, beschränkt steuerpflichtiger Personen aus der Besteuerung ausgenommen.6 Obwohl § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG kein besonderes inlandsqualifizierendes Merkmal enthält, unterliegen die dort genannten Einkünfte (nicht verbriefte Genussrechte) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat.7 Unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG fallen schließlich Erträge aus bestimmten Tafelgeschäften, und zwar Zinsen aus verbrieften Geldforderungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a EStG),8 Anteilsveräußerungsgewinne (§ 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG), Gewinne 1 Für Wandelanleihen und Gewinnobligationen gilt die Sondervorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Teilsatz 2 EStG. 2 Eine formal-rechtlich wirksame dingliche Sicherung ist nicht erforderlich, so dass eine bloß mittelbare Sicherung, etwa durch treuhänderische Verwahrung von Hypotheken- oder Grundschuldbriefen zugunsten des Darlehensgebers, ausreicht; vgl. RFH v. 8.11.1934, RStBl. 1935, 582, RFH v. 31.7.1934, RStBl. 1934, 1205; BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743; v. 17.11.1999 – I R 11/99, BStBl. II 2001, 822,; BFH v. 20.1.1999 – I R 69/97, BStBl. II 1999, 514; zu weiteren Einzelheiten M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 847. 3 Auf die dingliche Sicherung der Erträge kommt es nicht an; BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. 4 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; BFH v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104. 5 So weit diese Wandelanleihen oder Gewinnobligationen betreffen, geht § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Teilsatz 2 EStG vor, so dass beschränkte Steuerpflicht gegeben ist; so Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 74; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 665; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 456; a.A. M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 833, 846; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 157, 161. 6 Eine gleichwohl erhobene Abgeltungsteuer ist auf formlosen Antrag hin durch das Betriebsstättenfinanzamt des Abzugsschuldners (auszahlende Stelle) zu erstatten; vgl. BMF v. 5.11.2002, BStBl. I 2002, 1346, Tz. 49. 7 Analogie zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, wonach nur unter diesen Voraussetzungen Einkünfte aus verbrieften Genussrechten der beschränkten Steuerpflicht unterliegen; hierzu M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 850; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 166; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 684. 8 Z.B. Bundesanleihen, Bundesschutzbriefe, Pfandbriefe; weitere Beispiele bei: Hamacher in Korn, § 43 EStG Rz. 41, 45.

199

5.220

Kapitel 5 Einkommensteuer

aus der Veräußerung von Zinsscheinen, Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 10 EStG) sowie entsprechende veräußerungsgleiche Vorgänge (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EStG).

5.221 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG findet § 20 Abs. 3 EStG entsprechende Anwendung mit der Folge, dass auch bestimmte Ersatz- oder Zusatzbezüge wie etwa Damnum, Disagio und Zahlungen auf Grund von Versicherungsklauseln sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividenden bzw. Zinsscheinen den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind. Voraussetzung ist also stets, dass der Schuldner im Inland ansässig ist.

5.222 Soweit von den Kapitalerträgen, insbesondere von Dividenden, die Steuer nach § 43 EStG im Wege des Steuerabzugs als Kapitalertragsteuer (Abgeltungssteuer) erhoben wird, tritt gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG im Grundsatz Abgeltungswirkung ein.1 Da in diesem Fall Werbungskosten zum steuerlichen Abzug nicht zugelassen sind,2 kann eine die steuerliche Leistungsfähigkeit verletzende Überbesteuerung eintreten. Betroffen sind insbesondere ausländische Aktionäre, die ihren inländischen, in einem ausländischen Betriebsvermögen gehaltenen Wertpapierbesitz fremdfinanziert haben. Dem gegenüber kommt für inländische Aktionäre in vergleichbarer Lage das Nettoprinzip zur Geltung. Diese die ausländischen Aktionäre benachteiligende Besteuerung führt zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 5.116 ff.).

5.223 Auf der Ebene der DBA wird die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht weitgehend eingeschränkt. Für Dividenden ist das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers zugeteilt, wobei allerdings der Quellenstaat in beschränktem Umfang berechtigt ist, eine Quellensteuer zu erheben (Art. 10 OECD-MA). Die DBA sehen für Deutschland als Quellenstaat regelmäßig Quellensteuersätze i.H.v. 5 bis 15 Prozent und in Ausnahmefällen von 25 Prozent vor. Für Zinsen liegt das Besteuerungsrecht ebenfalls beim Wohnsitzstaat des Gläubigers. Daneben darf der Quellenstaat aber noch eine Quellensteuer bis zu 10 Prozent, in Ausnahmefällen bis zu 25 Prozent, des Bruttobetrages der Zinsen erheben (Art. 11 OECD-MA). In den von Deutschland abgeschlossenen DBA hat Deutschland weitgehend auf die Quellensteuerbefugnis für Zinsen verzichtet (Rz. 16.365), so dass die ohnehin nur partiell bestehende beschränkte Steuerpflicht auf Zinseinkünfte insoweit leer läuft.

1 Daneben greift auch die Abgeltungswirkung gem. § 43 Abs. 5 EStG ein. 2 Zur Bruttobesteuerung Rz. 5.111.

200

C. Beschränkte Steuerpflicht

6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterliegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, soweit sie nicht zu den Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 EStG gehören, der beschränkten Steuerpflicht, wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden.

5.224

Aus der vorgenannten Subsidiaritätsklausel folgt, dass Einkünfte, die im 5.225 Grundsatz sowohl § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG als auch § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zugeordnet werden können, vorrangig unter die erstgenannte Vorschrift fallen. Dies gilt auch im Übrigen, wenn unbewegliches Vermögen Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte ist. Die Subsidiaritätsklausel führt im Ergebnis dazu, dass die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, von Sachinbegriffen oder von Rechten unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG stets als inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG enthält drei verschiedene inlandsbezogene Anknüpfungsmerkmale. Im Grundsatz wird auf die Belegenheit des unbeweglichen Vermögens, der Sachinbegriffe und der Rechte abgestellt (Belegenheitsprinzip). Daneben ist die Eintragung in ein öffentliches Buch oder Register maßgeblich. Schließlich knüpft die Besteuerung auch an die Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung an.

5.226

Das inlandsbezogene Qualifikationsmerkmal Belegenheit betrifft nur unbewegliche Sachen und Sachinbegriffe. Bei Rechten wird der Inlandsbezug durch Eintragung in ein öffentliches Buch oder ein Register hergestellt. Hierzu zählen das Grundbuch, Schiffsregister, Patent- und Sortenschutzrolle, Muster- und Markenregister. Für wen das unbewegliche Vermögen, Sachinbegriffe oder Rechte eingetragen sind, spielt keine Rolle.1

5.227

Der Verwertungstatbestand, der etwa bei der Nutzung einer Vertriebslizenz2 oder von Rezepturen für Medikamente3 in Betracht kommt, ist erfüllt bei jeder Nutzung der überlassenen Sachen und Rechte, etwa durch Nutzen, Benutzen oder Gebrauchen im Rahmen eigener Tätigkeit durch den Berechtigten.4

5.228

1 2 3 4

Vgl. hierzu M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 943. BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287. BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287, vgl. auch BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 752.

201

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.229 Die Verwertung muss in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung eines in- oder ausländischen Unternehmens erfolgen.1 Bei der Verwertung in einer eigenen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung des Berechtigten selbst, werden in aller Regel Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG gegeben sein.2 Das in Ergänzung zur Betriebsstätte (§ 12 AO) geschaffene Tatbestandsmerkmal andere Einrichtung ist als eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage zu verstehen, die nur deshalb nicht als Betriebsstätte anzusehen ist, weil sie nicht der Tätigkeit eines Unternehmens dient, z.B. Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten.3

5.230 Aus der Verweisung auf § 21 EStG folgt, dass nur eine zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten, die grundsätzlich dann gegeben ist, wenn die zugrunde liegende Vereinbarung kündbar ist,4 eine beschränkte Steuerpflicht auslöst. Von einer derart zeitlich begrenzten Überlassung ist z.B. in den Fällen einer „Spielerleihe“ nicht auszugehen, so dass Transferentschädigungen von einem nicht im Inland ansässigen an einen inländischen Fußballverein nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.5 Demgegenüber ist eine zeitlich begrenzte Überlassung gegeben, wenn bei Abschluss des Vertrages ungewiss ist, ob und wann die Überlassung zur Nutzung endet.6 Eine zeitlich begrenzte Überlassung lässt sich jedoch nicht schon daraus ableiten, dass die überlassenen Rechte etwa nach dem Patent- und Markengesetz zeitlich begrenzt sind.7 Soweit Rechte nicht zeitlich begrenzt überlassen, sondern endgültig veräußert werden, greift § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht ein.8 Das gilt auch, wenn sich der Wert während der Überlassung wirtschaftlich erschöpft oder verbraucht.9 In diesen Fällen kommt eine beschränkte Steuerpflicht nur gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG in Betracht. Soweit allerdings Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird, unterliegen Know-how-Gebühren der subsidiär eingreifenden Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG.

1 Wer Eigentümer ist, spielt keine Rolle; vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 2 M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 955. 3 M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 954; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 86. 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; zu weiteren Einzelfällen vgl. M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 933. 5 BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120; BMF v. 7.1.2010, BStBl. I 2010, 617; die entstandene „Besteuerungslücke“ soll durch das JStG 2010 geschlossen werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStGE). 6 BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. 7 M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 932; Loschelder in Schmidt29, § 49 EStG Rz. 77. 8 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BFH/NV 2002, 94; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/ NV 2008, 72; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 205. 9 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 27.2.1975 – III R 64/74, BStBl. II 1976, 529; vgl. auch Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 85.

202

C. Beschränkte Steuerpflicht

Während im Falle der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und Sachinbegriffen für Zwecke der Besteuerung eine Veranlagung erfolgt, ist die Besteuerung bei der Überlassung von Rechten durch den Steuerabzug (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) i.H.v. 15 Prozent der Einnahmen abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Steuerabzug auf Nettobasis ist insoweit ebenso wenig vorgesehen, wie eine Veranlagung auf Antrag.1 Diese die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigende Bruttobesteuerung (Rz. 5.111) führt zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 49 AEUV, wenn mit diesen Einnahmen Werbungskosten im Zusammenhang stehen, die steuerlich keine Berücksichtigung finden können (Rz. 5.116 ff.).

5.231

Die beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens wird nach den DBA grundsätzlich nicht eingeschränkt, da auch insoweit durchweg das Belegenheitsprinzip gilt (Art. 6 OECD-MA; vgl. Rz. 6.220 ff.). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen sind auf der Ebene der DBA als Lizenzeinkünfte zu qualifizieren mit der Folge, dass im Grundsatz die Besteuerung ausschließlich dem Wohnsitzstaat des Lizenzgebers zugewiesen ist (Art. 12 OECD-MA, vgl. Rz. 16.369). Eine Quellensteuerbefugnis ergibt sich für Deutschland grundsätzlich nicht.

5.232

7. Sonstige Einkünfte Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 10 EStG.

Die sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 EStG sind in § 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 10 EStG erfasst. Die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale sind sehr unterschiedlich und lassen keine einheitliche Konzeption erkennen. Die Folge ist eine nur sehr lückenhafte Erfassung der sonstigen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, wodurch eine gleichheitswidrige Besteuerung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG indiziert ist.

5.233

§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG betrifft Leibrenten und andere Leistungen, die von den inländischen gesetzlichen Rentenversicherungen, inländischen landwirtschaftlichen Alterskassen, inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG), die durch inländische Zahlstellen gewährt werden. Entsprechendes gilt für Leibrenten und andere Leistungen ausländischer Zahlstellen, wenn die den Leistungen zugrunde liegenden Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt werden. Hierdurch soll im Ergebnis sichergestellt werden, dass Rentenleistungen, für die zu Lasten des deutschen Steueraufkommens in der Vergangenheit

5.234

1 Vgl. §§ 50a Abs. 3, 50 Abs. 2 Satz 2 EStG.

203

Kapitel 5 Einkommensteuer

Beiträge geleistet worden sind, auch dann versteuert werden können, wenn die Leistungsempfänger bei Rentenbezug nicht mehr in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Abkommensrechtlich hat allerdings grundsätzlich der jeweilige Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 18 OECD-MA).1

5.235 § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG erfasst private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG), soweit es sich um Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte handelt. In Abgrenzung zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, f EStG werden nur solche Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte erfasst, die insbesondere keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und auch nicht Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels oder einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung sind.2 Die Besteuerung erfolgt durch Veranlagung. Sie wird durch DBA nicht eingeschränkt, weil die Besteuerung insoweit regelmäßig dem Belegenheitsstaat zusteht (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, vgl. Rz. 16.381 ff.).

5.236 § 49 Abs. 1 Nr. 8a EStG betrifft die in § 22 Nr. 4 EStG genannten Abgeordnetenbezüge, die im Wege der Veranlagung besteuert werden. Die beschränkte Steuerpflicht wird durch DBA allerdings weitgehend eingeschränkt, weil die Besteuerung nur dem Wohnsitzstaat zusteht (Art. 21 OECD-MA; vgl. Rz. 16.473 ff.).

5.237 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst beschränkt steuerpflichtige Entgelte insbesondere aus der Vermietung beweglicher Sachen im Inland sowie aus der Überlassung von Know-how. Damit werden nicht alle der in § 22 Nr. 3 EStG aufgeführten Leistungen erfasst. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG greift nur dann ein, wenn die angesprochenen Einkünfte nicht unter eine andere Einkunftsart fallen. Insoweit hat § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG den Charakter einer Auffangklausel,3 die allerdings dadurch modifiziert wird, dass § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bestimmt, dass die sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG auch dann zu den inländischen Einkünften gehören, wenn sie bei Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 22 Nr. 3 EStG einer anderen Einkunftsart zuzurechnen wären. Da zugleich der Vorrang der unter § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 EStG fallenden Einkunftsarten normiert ist, zielt diese Bestimmung insbesondere darauf ab, Vergütungen für die Überlassung von Know-how zu erfassen, die, ohne dass eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter gegeben ist, aufgrund der inländischen Bestimmungsmerkmale als sonst nicht unter § 49 Abs. 1 EStG fallende Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren wären.4 Unter die erste Alternative des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG – inländische unterhaltende Darbietungen

1 In der deutschen Abkommenspraxis wird aber nicht selten das Besteuerungsrecht für Sozialversicherungsrenten dem Quellenstaat zugewiesen: vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei: Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 82 ff. 2 Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1015. 3 Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 805; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 225. 4 Zu dieser Lückenschließfunktion Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1053.

204

C. Beschränkte Steuerpflicht

und Nutzung beweglicher Sachen im Inland – fallen Auftritte von Künstlern usw. in Talkshows.1 Die zweite Alternative erfasst insbesondere das Mobilien-Leasing von Einzelgegenständen2 durch ausländische Leasinggeber an inländische Leasingnehmer. Die dritte Alternative des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG – Überlassung von Know-how zur Nutzung im Inland3 – betrifft jene Know-how-Gebühren, die mangels Betriebsstätte keine Einkünfte nach § 49 Nr. 2 Buchst. a EStG, mangels Anwendbarkeit der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) keine Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG4 und mangels zeitlicher Begrenzung der Überlassung auch keine Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind.5 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst Entgelte für die Überlassung von Know-how nur insoweit, als sie gezahlt werden für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen oder ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten. Hierzu zählen Pläne, Muster und Verfahren, nicht aber Autorenrechte i.S. des § 15 UrhG6 und Vertriebsrechte.7 Da § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG keine Erweiterung des § 22 Nr. 3 EStG bedeutet, werden generell keine Veräußerungsvorgänge erfasst.8 Die Besteuerung der dem § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG unterliegenden Einkünfte erfolgt grundsätzlich durch Steuerabzug i.H.v. 15 Prozent (§ 50a Abs. 2 Nr. 3 EStG). Da ein Steuerabzug auf Nettobasis und ein Antrag auf Veranlagung (§§ 50a Abs. 3, 50 Abs. 2 Satz 2 EStG) nicht vorgesehen sind und somit im Hinblick auf die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) Werbungskosten nicht berücksichtigungsfähig sind, kann es zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 49 AEUV verstoßenden Überbesteuerung kommen (Rz. 5.116 ff., 5.123 ff.).

5.238

Die unter § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallenden sonstigen Einkünfte werden auf Abkommensebene durchweg als Lizenzgebühren qualifiziert, für die das Besteuerungsrecht grundsätzlich beim Wohnsitzstaat liegt (Art. 12 OECD-MA). Als Quellenstaat steht Deutschland eine Quellensteuerbefugnis nur in Ausnahmefällen zu (Rz. 16.376).

5.239

Soweit schließlich Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen (§ 22 Nr. 5 EStG) auf Beiträgen des Arbeitgebers beruhen, die zu Lasten des deutschen Steuer-

5.240

1 § 49 Abs. 2 Buchst. d EStG geht vor. 2 Die zeitweilige Gebrauchsüberlassung von Sachgesamtheiten und Immobilien fällt unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. 3 Erfasst wird auch die frühere Nutzung im Inland. 4 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 5 Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 94; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 811; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 230. 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. 7 BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. 8 BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99.

205

Kapitel 5 Einkommensteuer

aufkommens beim Begünstigten steuerfrei geblieben sind oder nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt werden, unterliegen diese gem. § 49 Abs. 1 Nr. 10 EStG ohne weiteren Inlandsbezug1 der beschränkten Steuerpflicht. Betroffen sind wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG sog. Auslandsrentner.2

VI. Veranlagung und Steuerabzug 1. Überblick

5.241 Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird die Einkommensteuer entweder im Rahmen einer Veranlagung oder durch Steuerabzug an der Quelle erhoben. Soweit die Einkommensteuer durch den Steuerabzug an der Quelle abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG),3 besteht zwischen Steuerveranlagung einerseits und Steuerabzug andererseits insoweit ein Ausschließungsverhältnis.

5.242 Eine Steuerveranlagung kommt nur dann in Betracht, wenn – ein Steuerabzug an der Quelle nicht vorgesehen ist, – die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte solche eines inländischen Betriebs sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG), – sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen der erweiterten unbeschränkten (§ 1 Abs. 2 EStG) oder fingierten unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) nicht vorlagen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG), – im Kalenderjahr sowohl eine beschränkte als auch eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat, so dass die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht einzubeziehen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG), – auf der Lohnsteuerbescheinigung i.S. des § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG eines Arbeitnehmers Werbungskosten gem. § 9 EStG, Sonderausgaben gem. § 10 EStG oder der Freibetrag oder der Hinzurechnungsbetrag gem. § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG eingetragen wurden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EStG), – eine Veranlagung beantragt wurde für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG) und für Einkünfte i.S. der § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG), soweit die Antragsteller Staatsangehörige ei-

1 Erfasst werden also auch Leistungen ausländischer Zahlstellen. 2 Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1150; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 95. 3 Eine Abgeltungswirkung ergibt sich auch aus § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG (Abgeltungsteuer).

206

C. Beschränkte Steuerpflicht

nes EU/EWR-Staates sind und dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG)1 oder – ein Steuerabzug auf Anordnung des Finanzamtes erfolgt (§ 50a Abs. 7 EStG). Der Steuerabzug ergibt sich bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus den §§ 38 ff. EStG, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus § 43 EStG, bei den Einkünften aus künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden und ähnlichen Darbietungen im Inland sowie aus deren Verwertung im Inland aus § 50a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG, bei den Einkünften aus Rechtsüberlassungen (Lizenz- oder Know-how-Gebühren) aus § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG und bei Aufsichtsratsvergütungen aus § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Höhe des Steuerabzugs ist für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in § 39d EStG und für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in den §§ 32d, 43, 43a und 43b EStG geregelt. Für Aufsichtsratsvergütungen ist ein Steuerabzug i.H.v. 30 Prozent (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) vorgesehen; bei den übrigen nach § 50a EStG steuerabzugspflichtigen Einkünften beträgt der Steuersatz 15 Prozent (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 EStG) und bei dem gem. § 50a Abs. 3 EStG vorgesehenen Steuerabzug auf Nettobasis 30 Prozent bei natürlichen Personen und 15 Prozent bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 50a Abs. 3 Satz 4 EStG).2

5.243

2. Veranlagung Literatur Kommentare zu § 50 EStG.

Im Grundsatz wird das zu versteuernde Einkommen bei beschränkt steu- 5.244 erpflichtigen Personen nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Die Unterschiede bestehen darin, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Personen lediglich diejenigen Einkünfte angesetzt werden, die § 49 Abs. 1 EStG aufzählt, steuerabzugspflichtige Einkünfte auszuscheiden sind, soweit die Abgeltungswirkung gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG eingreift,3 und schließlich bestimmte in § 50 EStG näher aufgeführte Vorschriften nicht oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommen.

1 Die Beschränkung der Antragsveranlagung auf EU-/EWR-Staatsagehörige verstößt sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA); vgl. zu dem zuletzt genannten Aspekt Gosch, DStR 2007, 1553 (1560). 2 Zum Dualismus von Nettobesteuerung und Bruttobesteuerung und seinen verfassungsrechtlichen Implikationen vgl. Rz. 5.109 ff. 3 Ob tatsächlich ein Steuerabzug vorgenommen wurde, spielt grundsätzlich keine Rolle; BFH v. 26.4.1978 – I R 97/76, BStBl. II 1978, 628; v. 5.12.1990 – I R 19/89, BFH/NV 1991, 805.

207

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.245 Betriebsausgaben und Werbungskosten sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich abziehbar, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, ohne Rücksicht darauf, ob diese im In- oder Ausland angefallen sind.1 Da ein unmittelbarer Zusammenhang nicht verlangt wird, gilt für die Betriebsausgaben und Werbungskosten im Allgemeinen das Veranlassungsprinzip.2

5.246 § 50 EStG schränkt zwar den Verlustausgleich nicht ein, ein Verlustausgleichsverbot ergibt sich allerdings für steuerabzugspflichtige Einkünfte mit Abgeltungswirkung, wonach derartige Einkünfte nicht mit Verlusten ausgeglichen werden dürfen. Dieses Verlustausgleichsverbot gilt auch in die umgekehrte Richtung, so dass positive Veranlagungseinkünfte auch nicht mit negativen steuerabzugspflichtigen Einkünften ausgeglichen werden dürfen. Der Ausschluss des Verlustausgleichs in beiden Richtungen ist eine Folge der Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG.3

5.247 Neben Kinderbetreuungskosten (§ 9c EStG) sind Sonderausgaben grundsätzlich nicht abzugsfähig, so dass auch die Pauschbeträge nach § 10c EStG entfallen (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG). Eine Besonderheit gilt für Arbeitnehmer, denen die Pauschbeträge nach § 10c Abs. 1 bis 3 EStG gewährt werden (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Statt der Sonderausgaben-Pauschbetrages gem. § 10c Abs. 1 EStG können die tatsächlich höheren Aufwendungen des § 10b EStG (Spenden) abgezogen werden (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die Jahres- und Monatsbeträge der Pauschalen können allerdings nur zeitanteilig in Anspruch genommen werden, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht während des vollen Kalenderjahres oder -monats zugeflossen sind (§ 50 Abs. 1 Satz 5 EStG). Der Spendenabzug gem. § 10b EStG und § 34g EStG, der Verlustabzug (§ 10d EStG) sowie die Anwendung der §§ 10e bis 10i EStG sind im Übrigen wie bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zulässig. Hieraus folgt, dass bei einem Wechsel zur unbeschränkten Steuerpflicht und umgekehrt der Verlustabzug erhalten bleibt.

5.248 Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG), Kinderfreibeträge (§ 32 EStG) sowie das erweiterte Splitting (§ 32a Abs. 6 EStG) kommen demgegenüber nicht zur Anwendung (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG).

5.249 Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a, 33b EStG) sowie Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse (§ 35a EStG) sind gem. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht berücksichtigungsfähig.

1 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 2 Herkenrath/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 38 ff.; Loschelder in Schmidt29, § 50 EStG Rz. 7. 3 Vgl. BFH v. 10.4.1975 – I R 261/72, BStBl. II 1975, 586; v. 3.11.1982 – I R 3/79, BStBl. II 1983, 259; v. 12.11.1986 – I R 222/82, BStBl. II 1987, 256, Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 42.

208

C. Beschränkte Steuerpflicht

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG ist schließlich auch der erhöhte Veräußerungsfreibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht abziehbar.

5.250

Die Steuer für beschränkt steuerpflichtige Personen ist grundsätzlich1 nach der Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) zu berechnen (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG),2 wobei das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu erhöhen ist.3 In den Fällen der Antragsveranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG) ist ein positiver Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, der neben den Lohnersatzleistungen (Kranken- und Arbeitslosengeld) auch ausländische Einkünfte erfasst (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

5.251

Die Nichtanwendung des Splittingtarifs ist zwar seitens der deutschen Rechtsprechung nicht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG4 angesehen worden, wenn diese Personen ausschließlich oder fast ausschließlich ihre Einkünfte im Inland beziehen. Da aber Unionsbürger und EWR-Staatsangehörige gem. §§ 1 Abs. 3; 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausnahmsweise den Splittingtarif in Anspruch nehmen können, darf er aus Gründen der Gleichbehandlung beschränkt steuerpflichtigen Personen mit anderer Staatsangehörigkeit nicht versagt werden.5 In diesem Fall ist zwecks Vermeidung von Härten ein Steuererlass gem. §§ 163, 227 AO geboten.6

5.252

§ 50 Abs. 3 EStG sieht zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung ausnahmsweise auch bei beschränkter Steuerpflicht die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer oder den Abzug ausländischer Steuern bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte vor (§ 34c Abs. 1 bis 3 EStG). Steueranrechnung und Steuerabzug kommen nur in Betracht bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, für die im Inland ein Betrieb unterhalten wird, und zwar nur für jene aus dem Ausland stammenden Einkünfte, die im Quellenstaat beim beschränkt Steuerpflichtigen nicht nach den Maßstäben der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst werden.7

5.253

Obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung allgemein nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden, (Rz. 14.12) ergibt sich für

5.254

1 Ausnahme: In den Fällen fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) gilt gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ggf. der Splittingtarif. 2 Zuzüglich Solidaritätszuschlag; vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 10/95, BStBl. II 1995, 868. 3 Das gilt nicht für Arbeitnehmer mit Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 EStG). 4 BVerfG v. 11.12.1969 – 1 BvR 154/69, StRK, EStG, § 50 R. 21; BFH v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. II 1965, 352. 5 Zu diesem Gleichbehandlungsgebot Rz. 4.13. 6 BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687. 7 Zu den einzelnen Voraussetzungen Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 115 ff.

209

Kapitel 5 Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtige die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen aus dem Umstand, dass in den Bereich der Gewinneinkünfte auch Einkunftsquellen einbezogen werden, die im Ausland belegen sind. Gehören etwa Kapitalanteile an ausländischen Gesellschaften zum inländischen Betriebsvermögen eines in einem Drittland ansässigen Steuerausländers, so zählen diese Dividendeneinkünfte zu den Gewinneinkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG. Damit kollidiert die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland als Betriebsstättenstaat mit der beschränkten Steuerpflicht im Staat des Schuldners der Dividenden, dem Quellenstaat. Damit zeigt sich, dass die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG kollisionsbegründend sind. Durch die Zuordnung zum inländischen Betriebsvermögen wird der Kreis der Inlandseinkünfte über die inländischen Quellen hinaus gezogen. Es wäre sachgerecht gewesen die inländischen Einkünfte auf inländische Einkunftsquellen zu beschränken und auf die Einbeziehung etwa von Zinsen und Dividenden aus ausländischen Quellen in die inländischen Betriebsstätteneinkünfte zu verzichten.1

3. Steuerabzug Literatur Kommentare zu §§ 50 Abs. 2 und 50a EStG; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991, 107 ff.; Cordewener Europäische Vorgaben für die Verfahrensrechte von Steuerausländern – Formellrechtliche Implikationen der „Fokus Bank“-Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs, IStR 2006, 158; Cordewener/Grams/Molenaar, Neues aus Luxemburg zur Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG – Erste Erkenntnisse aus dem EuGH-Urteil vom 3.10.2006 (C-290/04, „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“), IStR 2006, 739; Delcker, Der Sicherstellungsbescheid nach § 50a Abs. 7 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen, RIW 1985, 472 ff.; Dörr, Inhalt und Wirkungen einer Steueranmeldung gemäß § 73e EStDV 1997 – Prüfungsmaßstab der Drittanfechtung durch den Vergütungsgläubiger, BB 2008, 599; Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG 31 (2008), 167; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Hartmann, Neuregelung des Steuerabzugs bei Honorarzahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler durch das JStG 2009, DB 2009, 197; Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, 497; Hidien, Mehrwertsteuerschuldnerschaft qualifizierter Leistungsempfänger für Eingangsleistungen gemäß § 13b UStG, RIW 2002, 208; Holthaus, Geänderter Steuerabzug nach § 50a EStG ab 2009 – Großmaß an Entlastung und Vereinfachung mit kleinen Tücken, DStZ 2008, 741; Holthaus, Besteuerung ausländischer Künstler in der aktuellen deutschen Finanzamtspraxis – Wie könnte man Steine statt Brot verdauen?, IStR 2008, 95; Jahn, JStG 2009 – Neuregelung des Steuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a EStG, PIStB 2008, 143; Kahle, StÄndG 2001 – Auswirkung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 2 UStG n.F.) auf den Steuerabzug nach § 50a EStG, DB 2002, 13; Kahle/Schulz, Besteuerung von Inbound-Investitionen – Ermittlung der inländischen Einkünfte und Durchführung der Besteuerung nach dem Jahressteuergesetz 2009, RIW 2009, 140; Lüdicke, StÄndG 2001: Unbeabsichtigte Auswirkungen des 1 Zu den Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vgl. im Einzelnen Rz. 14.40 f.

210

C. Beschränkte Steuerpflicht „Reverse Charge“-Verfahrens nach § 13b UStG auf den Steuerabzug nach § 50a EStG, IStR 2002, 18; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991, 216 ff.; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Müller, Zweifelsfragen bei der Anordnung des Steuerabzugs gem. § 50a Abs. 7 EStG, DB 1984, 2221; Rüping, Anpassung des Steuerrechts an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union durch Änderung der §§ 50, 50a EStG im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2009, IStR 2008, 575; Schauhoff, Endlich Rechtssicherheit bei der Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen – Grundsatzurteil zum Quellensteuerabzug, IStR 2004, 706; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Streck, Die Anordnung eines Steuerabzugs für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 7 des EStG, BB 1984, 846; Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Dritter, DStJG 12 (1989), 157; Unterbusch, Zur Frage der Rückwirkung des § 50a Abs. 7 EStG, DB 1985, 302 ff.; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.

a) Grundsätze Für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn, vom Kapitalertrag 5.255 oder dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegen, greift gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich die Abgeltungswirkung ein.1 Ein Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (Bruttobesteuerung). Mit Ausnahme insbesondere von Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG)2 können allerdings im Zusammenhang mit gem. § 50a Abs. 1 EStG steuerabzugspflichtigen Vergütungen unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten und Betriebsausgaben bereits im Abzugsverfahren geltend gemacht werden (§ 50a Abs. 2 EStG), (Rz. 5.267 f.) so dass insoweit ein Steuerabzug auf Nettobasis erfolgt. Die Abgeltungswirkung und damit ein Steuerabzug auf Bruttobasis scheidet schließlich auch in den in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Fällen aus (Rz. 5.257 ff.). Die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG führt in den Fällen zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, in denen den inländischen Einnahmen Betriebsausgaben oder Werbungskosten in erheblichem Umfang gegenüberstehen, (Rz. 5.116 ff.) ohne dass die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis oder einer Steuerveranlagung besteht. Betroffen sind hierdurch insbesondere die Vergütungen für die Nutzung oder für die Überlassung von Urheberrechten usw., die gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG einer Abzugsteuer von 15 Prozent (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) unterliegen. Im Gegensatz zu den ebenfalls abzugsteuerpflichtigen Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung einer im Inland ausgeübten Tätigkeit als Künstler, Berufssportler usw. (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG) bleibt den vorbezeichneten Vergütungen ein Steuerabzug auf Nettobasis oder eine Einbeziehung in eine Steuerveranlagung und damit eine Berücksichtigung von Betriebsausga1 Ausnahmen: § 50 Abs. 2 Satz 2; § 50a Abs. 7 Satz 4 EStG. 2 Durch das JStG 2010 soll § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG auf Vergütungen für „Sportlerleihe“ erweitert werden.

211

5.256

Kapitel 5 Einkommensteuer ben oder Werbungskosten versagt. Im Hinblick darauf ist ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.1

b) Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung

5.257 § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG enthält folgende Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung:

5.258 Fallen die Einnahmen im Rahmen eines inländischen Betriebes an, sind diese im Rahmen einer Veranlagung unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten zu erfassen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG). Das bedeutet, dass eine etwa einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 4 EStG), Quellensteuer (§ 50a EStG) oder eine Steuer auf Bauleistungen (§§ 48 ff. EStG) zur Anrechnung zu bringen sind.2 Soweit es die Quellensteuer gem. § 50a EStG anbelangt, entfällt letztlich die Abgeltungswirkung auch in den Fällen der erweitert beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 5 Satz 2 AStG) (Rz. 5.327). Die Anknüpfung an einen inländischen Betrieb führt dazu, dass für alle einem Steuerabzug unterliegende Betriebseinnahmen unabhängig davon, ob sie zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit gehören,3 die Abgeltungswirkung entfällt. Von der Reichweite des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG werden Betriebe und Betriebsstätten (§ 12 AO)4 und bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch ständige Vertreter (§ 13 AO)5 erfasst. Dass die zur Bruttobesteuerung führende Abgeltungswirkung in dem hier interessierenden Zusammenhang nur dann suspendiert wird, wenn die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte im Rahmen eines inländischen Betriebs anfallen, ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten unvereinbar. Es ist jedenfalls kein rechtfertigender Grund erkennbar, die Abgeltungswirkung und damit die nachteilige Bruttobesteuerung in den übrigen Fällen, soweit nicht weitere Ausnahmen vorgesehen sind (Rz. 5.327), aufrecht zu erhalten. Die hiermit verbundenen Verwerfungen führen in der Praxis zu Gestaltungszwängen, insbesondere in den Fällen, in denen Lizenzvergütungen dem Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen. Um hier etwa Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen als Betriebsausgaben im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zum steuerlichen Abzug zu bringen, besteht für beschränkt steuer1 Vgl. BVerfG v. 5.9.1975 – 1 BvR 219/75, StRK, EStG § 42 R. 12; BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; vgl. auch BMF v. 1.12.1995, RIW 1996, 173. 2 Rechtsgrundlagen: §§ 36 Abs. 2 Nr. 2, 48c, 50a Abs. 7 Satz 4 EStG. 3 Hierzu Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 323; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 47; Loschelder in Schmidt29, § 50 EStG Rz. 28. 4 Art. 5 OECD-MA spielt keine Rolle. 5 Das ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 324; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 41.

212

C. Beschränkte Steuerpflicht pflichtige Vergütungsgläubiger die Notwendigkeit, die Rechte z.B. in eine inländische Betriebsstätte oder feste Einrichtung einzubringen, um so der Abgeltungswirkung zu entgehen.

Die Abgeltungswirkung entfällt ferner dann, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2, 3; § 1a EStG) nicht vorgelegen haben (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Diese Ausnahme betrifft insbesondere beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, bei denen die Lohnsteuer zu Unrecht im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht gem. §§ 39b, 39c EStG etwa unter Berücksichtigung des Splitting-Tarifs einbehalten wurde. In diesen Fällen wird durch § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG die Möglichkeit eröffnet, nachträglich eine Veranlagung auf der Grundlage der beschränkten Steuerpflicht durchzuführen und dementsprechend die Lohnsteuer nachzufordern (§ 39 Abs. 5a Satz 4 EStG). § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist keine Korrekturvorschrift; die Rechtsfolgen sind allein auf die Beseitigung der Abgeltungswirkung gerichtet.1

5.259

Eine weitere Ausnahme von der Abgeltungswirkung ist beim Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht vorgesehen, um so entsprechend § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG sicherzustellen, dass die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in einer Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einbezogen werden können (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG).

5.260

Die Abgeltungswirkung wird schließlich auch in den Fällen beseitigt, in 5.261 denen sich beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer Werbungskosten oder Sonderausgaben auf der gem. § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag zu erteilenden Bescheinigung haben eintragen lassen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a EStG). Neben dieser Arbeitnehmerpflichtveranlagung wird auf Antrag nur für in einem EU-/EWR-Staat ansässige EU-/EWR-Staatsangehörige (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) ein Veranlagungsverfahren ohne weitere Voraussetzungen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) durchgeführt mit der Folge, dass die Abgeltungswirkung entfällt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4b EStG).2 Über die vorgenannten Fälle hinaus wird schließlich ganz allgemein für bestimmte gem. § 50a Abs. 1 EStG steuerabzugspflichtige Einkünfte auf Antrag eine Veranlagung durch das Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Abs. 2 Satz 8 EStG) mit der Folge, dass insoweit die Abgeltungswirkung ebenfalls suspendiert wird. Die Reich1 Durch die Bezugnahme auf § 39 Abs. 5a EStG ist indessen eine Lohnsteuernachforderung möglich; vgl. BFH v. 23.9.2008 – I R 65/07, BStBl. II 2009, 666. 2 Wegen der Beschränkung auf EU-/EWR-Staatsangehörige wird ein Verstoß gegen die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA) angenommen von Gosch in Kirchhof, EStG9, § 50 EStG Rz. 24; Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); einen Verstoß gegen Art. 24 OECD-MA verneinend Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 53 f.

213

5.262

Kapitel 5 Einkommensteuer

weite ist allerdings in zweifacher Hinsicht begrenzt: Von der Antragsveranlagung sind in persönlicher Hinsicht von vorneherein alle Drittstaatsangehörige und solche EU-/EWR-Staatsbürger ausgeschlossen, die im EU-/EWR-Gebiet weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) und in sachlicher Hinsicht Lizenzvergütungen, soweit diese unter § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG fallen. Aus welchen Gründen beschränkt Steuerpflichtige für dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegende Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) keine Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen können, erschließt sich nicht. Für die vorgenannten Einkünfte eröffnet sich aber auch nicht die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 S. 1 EStG) mit der Folge, dass eine Bruttobesteuerung nur dann vermieden werden kann, wenn die Lizenzvergütungen im Rahmen eines inländischen Betriebs vereinnahmt werden (§ 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 EStG). Diese Diskriminierung von beschränkt steuerpflichtigen Gläubigern von Lizenzvergütungen ist mit Art. 3 Abs. 1 GG ebenso unvereinbar wie mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 5.116 ff., 5.123 ff.).

c) Steuerabzug auf Bruttobasis

5.263 Im Hinblick darauf, dass der Steuerabzug grundsätzlich auf Bruttobasis erfolgt,1 bewirkt die sich aus § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebende Abgeltungswirkung eine definitive Bruttobesteuerung, soweit nicht die Ausnahmen gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG gegeben sind (Rz. 5.257 ff.) oder aber ein Steuerabzug auf Nettobasis eingreift (Rz. 5.267 ff.). Ein Steuerabzug auf Bruttobasis ist im Ergebnis allerdings zwingend für alle Lizenzvergütungen unabhängig davon, wo der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger ansässig ist (§ 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EStG), für sämtliche dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegende Vergütungen an Drittstaatenangehörige (§ 50a Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG) sowie entsprechende Vergütungen an EU-/EWR-Staatsangehörige, die in Drittstaaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50a Abs. 3 Satz 2, Alt. 2 EStG). Werden die vorstehenden Vergütungen nicht im Rahmen eines inländischen Betriebs vereinnahmt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG) ist die Bruttobesteuerung infolge der Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) definitiv.

5.264

Soweit in sachlicher Hinsicht Lizenzvergütungen und in persönlicher Hinsicht Drittstaatenangehörige und in Drittstaaten ansässige EU-/EWR-Staatsangehörige in den durch die Bruttobesteuerung gezogenen Diskriminierungsrahmen fallen, ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Die hierfür maßgebliche Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erlaubt eine derartige Diskriminierung nicht. Jedenfalls ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen eine höhere Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Personen nur deshalb 1 §§ 39d Abs. 3 Satz 4; 39b Abs. 2; § 43a Abs. 2 Satz 1; § 50a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG.

214

C. Beschränkte Steuerpflicht geboten sein sollte, weil sie Drittstaatenangehörige oder als EU-/EWR-Staatsbürger in Drittstaaten ansässig sind. Die Diskriminierung des vorgenannten Personenkreises ist nicht nur mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar, sondern entspricht darüber hinaus auch nicht der dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegenden Konzeption, wonach die Besteuerung unabhängig von der Staatsangehörigkeit erfolgt (Rz. 5.9 f.).

Der Steuerabzug auf Bruttobasis erfährt allerdings insoweit eine Modifikation, als vom Vergütungsschuldner ersetzte oder übernommene Reisekosten unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu den dem Steuerabzug unterliegenden Einnahmen gehören (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist, dass die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütung für die Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht übersteigen.1 Dem gegenüber gehören zu den maßgeblichen Einnahmen auch die Umsatzsteuer,2 es sei denn, sie wird im Rahmen des sog. reverse-charge-Verfahrens (§ 13b UStG) vom Vergütungsschuldner als inländischer Leistungsempfänger getragen.3

5.265

Der Steuerabzug beträgt in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1–3 EStG grundsätzlich 15 Prozent und im Übrigen für Aufsichtsratvergütungen 30 Prozent der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei den Einnahmen aus Darbietungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG) greift eine Bagatellgrenze ein, wonach vom Steuerabzug abgesehen wird, wenn die Einnahmen je Darbietung Euro 250,– nicht übersteigen (§ 50a Abs. 2 Satz 3 EStG). Das gilt auch dann, wenn mehrere Darbietungen von ein und demselben Veranstalter organisiert werden.4

5.266

d) Steuerabzug auf Nettobasis Für beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger, die EU-/EWRStaatsbürger sind und in einem EU-/EWR-Staat auch ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, eröffnet sich die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG).5 Dieser Steuerabzug auf Nettobasis ist indessen für Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausgeschlossen.6 Der Steuerabzug auf Nettobasis führt dazu, dass der Vergütungsschuldner den Steuerabzug unter Berücksichtigung nachgewiesener Werbungskosten oder Betriebsausgaben vornimmt. Voraussetzung ist, dass die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in einem unmittelbaren 1 Zu Einzelheiten Holthaus DStZ 2008, 741 (744). 2 BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95. 3 BMF v. 4.6.2002, BStBl. I 2002, 709; Lüdicke, IStR 2002, 18 ff.; kritisch hierzu Hidien, RIW 2002, 208 ff.; Kahle, DB 2002, 13 ff. 4 Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 18; a.A. BMF v. 4.6.2002, BStBl. I 2002, 709. 5 Zurückzuführen auf das Urteil des EuGH v. 15.2.2007 – Rs. C-345/04 – Centro Equestre, EuGHE 2007, I-1442. 6 Zu dieser nicht einsichtigen Differenzierung Rz. 5.262.

215

5.267

Kapitel 5 Einkommensteuer

wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen. Angesprochen sind damit etwa bei künstlerischen Darbietungen insbesondere Reise-, Transport- und Unterkunftskosten sowie Aufwendungen etwa für Ton- und Lichtanlagen und Bühne, nicht aber allgemeine Personal- und Verwaltungskosten.1 Ein bloßer Veranlassungszusammenhang reicht somit nicht aus.2 Darüber hinaus müssen die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben dem Vergütungsschuldner von einem beschränkt Steuerpflichtigen in einer für das Bundeszentralamt für Steuern nachprüfbaren Form nachgewiesen werden.3 Ein Nachweis ist allerdings entbehrlich, wenn die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten vom Vergütungsschuldner übernommen worden sind (§ 50a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 EStG).4 Liegen die vorgenannten Voraussetzungen nicht vor, kann der Vergütungsschuldner bei einem zu geringen Steuerabzug als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG, § 73g EStDV).

5.268

Mit dem Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 Satz 1 EStG) wird dem Vergütungsschuldner ein erheblicher Prüfungs- und Verwaltungsaufwand auferlegt. Er hat nicht nur die Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers festzustellen und zu überprüfen, sondern auch die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben insbesondere hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den Vergütungen. So gesehen ist der Vergütungsschuldner zwangsverpflichteter Gehilfe des Staates, der insoweit als Steuereinnehmer für diesen mit der Folge der möglichen Inanspruchnahme als Haftender tätig ist.5 Diese weit reichende Indienstnahme mit dem damit verbundenen Haftungsrisiko, die sowohl verfassungsrechtlich6 als auch europarechtlich7 problematisch ist, wird dadurch abgemildert, dass die Vergütungsgläubiger unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Steuerabzug auf Nettobasis einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer stellen können (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG) (Rz. 5.262) und darüber hinaus ohnehin vom Vergütungsschuldner ersetzte oder übernommene Reisekosten von den dem Steuerabzug unterliegenden Einnahmen in Abzug gebracht werden können (§ 50a Abs. 2 S. 2 EStG) (Rz. 5.265).

5.269 Im Hinblick auf den Steuerabzug auf Nettobasis beträgt der Steuerabzug 30 Prozent, wenn der Gläubiger der Vergütung eine natürliche Person ist 1 Hierzu Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 23; Gosch in Kirchhof9, § 50a EStG Rz. 23; Cordewener/Grams/Molenaar, IStR 2006, 739 (741); Hartmann DB 2009, 197 (199). 2 Vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 93/03, BStBl. II 2008, 132. 3 Zu Einzelheiten §§ 73d, 73e EStDV. 4 § 73d Satz 3 EStDV; vgl. Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 24. 5 Zur Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme des Unternehmers zur Erhebung von Steuern: BVerfG v. 16.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392; v. 29.11.1967 – 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, 380; Hey, FR 1998, 497 ff.; Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157 (163); Drüen, DStJG 31 (2008), 167 (180 ff.). 6 Hierzu die Nachweise in der vorstehenden Fußnote. 7 Nach EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, BStBl. II 2007, 352, ist die Mitteilung von Werbungskosten und Betriebsausgaben ausreichend; hierzu Holthaus, IStR 2008, 95 (97), Hartmann, DB 2009, 197 (200).

216

C. Beschränkte Steuerpflicht

und 15 Prozent, wenn es sich insoweit um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse handelt (§ 50a Abs. 3 Satz 4 EStG). Dieser im Vergleich zum Steuerabzug auf Bruttobasis höhere Steuersatz rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass beim Steuerabzug auf Bruttobasis bereits ein pauschaler Betriebsausgabenabzug in Form des verminderten Steuersatzes von 15 Prozent Berücksichtigung findet, so dass eine doppelte Berücksichtigung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben vermieden wird.1 Eine Besonderheit enthält § 50a Abs. 4 EStG für den Fall des mehrstufigen Steuerabzugs. Danach soll ein sog. Kaskadeneffekt vermieden werden, der dadurch eintreten kann, dass auf jeder Vergütungsstufe erneut ein Steuerabzug vorzunehmen ist. Im Hinblick darauf kann ein Vergütungsgläubiger, der seinerseits Vergütungsschuldner ist, von einem nochmaligen Einbehalt und der Anmeldung des Steuerabzugs absehen, wenn auf seine Vergütungen bereits ein Steuerabzug nach § 50a Abs. 2 EStG vorgenommen wurde. Das gilt freilich dann nicht, wenn für die Einnahmen auf der vorangegangenen Stufe vom Vergütungsschuldner im Nachgang eine vollständige oder teilweise Erstattung auf Grund Abkommensrechts beantragt wird (§ 50d Abs. 1 EStG), eine Veranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG oder ein Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) erfolgt.2 Im Ergebnis wird damit sichergestellt, dass ein Kaskadeneffekt nur dann vermieden wird, wenn der Steuerabzug auf der vorangegangenen Stufe auf Bruttobasis erfolgt ist.3

5.270

e) Steuerabzug auf Anordnung § 50a Abs. 7 EStG gestattet es dem Finanzamt in weiteren Fällen, zur 5.271 Sicherstellung des Steueranspruchs einen Steuerabzug zu verlangen.4 Voraussetzung ist, dass der Steuerabzug unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung des Steueranspruchs zweckmäßig ist. Das ist von vornherein nicht der Fall, wenn abkommensrechtlich überhaupt kein deutsches Besteuerungsrecht besteht.5 Die als Verwaltungsakt6 zu qualifizierende Abzugsanordnung, die im pflichtgemäßen Ermessen des für den Vergütungsgläubiger zuständigen Finanzamtes (§§ 19 Abs. 2; 20 Abs. 2 AO) steht, darf sich nur auf Einnahmen beziehen, die durch das konkrete Rechtsver-

1 Hierzu Gosch in Kirchhof9, § 50a EStG Rz. 26; Kahle/Schulz, RIW 2009, 140 (146). 2 Zu weiteren Einzelheiten Jahn, PIStB 2008, 143 (146). 3 Vgl. Rüping, IStR 2008, 575 (578); Kahle/Schulz, RIW 2009, 140 (145). 4 Zu Einzelheiten Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 170 ff.; Streck, BB 1984, 846 ff.; Müller, DB 1984, 2221 ff.; Unterbusch, DB 1985, 302 ff.; Delcker, RIW 1985, 472 ff. 5 Gosch in Kirchhof9, § 50a EStG Rz. 41; Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 43; Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 198. 6 Vom Abzugsverpflichteten und vom Steuerschuldner mit dem Einspruch anfechtbar; BFH v. 24.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314.

217

Kapitel 5 Einkommensteuer

hältnis zwischen Vergütungsgläubiger und -schuldner veranlasst sind, so dass ein Steuerabzug für anderweitige Einnahmen außer Betracht bleibt.1 Der Steuerabzug beträgt 25 Prozent, bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen 15 Prozent.2 Es kann indessen ein unter 25 Prozent liegender Satz angeordnet werden, wenn der Vergütungsgläubiger glaubhaft macht, dass die geschuldete Einkommensteuer letztlich niedriger ist (§ 50a Abs. 7 Satz 2 EStG).3

5.272 Steuerschuldner ist der beschränkt Steuerpflichtige als Vergütungsgläubiger. Der Schuldner der Vergütungen kann allerdings als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Insoweit entspricht die Rechtslage derjenigen beim Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerabzug. Dementsprechend entsteht die Abzugsteuer, abweichend von § 38 AO, im Zeitpunkt des Zufließens, grundsätzlich also bei Auszahlung der Vergütungen (§ 50a Abs. 7 Satz 3 EStG; § 73c EStDV). Zu diesem Zeitpunkt ist auch der Steuerabzug vorzunehmen (§ 73e EStDV).4 f) Abzugsverfahren

5.273 Der Steuerabzug ist in allen Fällen zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem die betreffenden Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn, vom Kapitalertrag oder von den Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 EStG unterliegen, zufließen (§§ 38 Abs. 2, 44 Abs. 1 Satz 2, 50a Abs. 5 Satz 2, 50a Abs. 7 Satz 3 EStG). Für Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 1 EStG wird dies durch § 73c EStDV für die Fälle der Zahlung, Verrechnung und Gutschrift konkretisiert. Bestehen aus der Sicht des Vergütungsschuldners Zweifel, ob der Vergütungsgläubiger beschränkt steuerpflichtig ist, muss der Steuerabzug dennoch vorgenommen werden (§ 73e Satz 6 EStDV). Soweit in Abkommensfällen die Abzugsteuer entfällt oder der Höhe nach reduziert ist, darf der Steuerabzug nur dann unterbleiben oder nach einem geringeren Steuersatz vorgenommen werden, wenn eine diesbezügliche Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern vorliegt (§ 50d Abs. 2 EStG).

5.274 Die Anmeldung der Abzugsteuer auf Vergütungen (§ 50a Abs. 1 EStG) ist bis zum 10. des Monats, der dem Kalendervierteljahr folgt, in dem die Vergütung ausgezahlt wurde, ggü. dem Bundeszentralamt für Steuern vorzunehmen (§ 73e Satz 2 EStDV). Innerhalb dieser Frist muss auch die Abzugsteuer an das Bundeszentralamt für Steuern abgeführt werden (§ 50a Abs. 5 Satz 3 EStG, § 73e Satz 1 EStDV). Wenn der Vergütungsschuldner die Abzugsteuer nicht oder nicht vollständig einbehält und abführt, haftet er, und zwar sowohl in den Fällen des Steuerabzugs auf Bruttobasis (§ 50a Abs. 2 EStG) als auch beim Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a 1 Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 140; Streck, DB 1984, 846 (846); a.A. Müller, DB 1984, 2221 (2221). 2 Keine Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 7 Satz 4 EStG). 3 Zu weiteren Einzelheiten BMF v. 4.3.1996, BStBl. I 1996, 162. 4 Ausnahmen gelten für die Gema und ähnliche Rechtsträger gem. § 73f EStDV.

218

C. Beschränkte Steuerpflicht

Abs. 3 EStG). Die Inanspruchnahme als Haftender, die gemeinschaftsrechtlich unbedenklich ist,1 erfolgt im Grundsatz durch Haftungsbescheid (§ 73g EStDV). Hat allerdings der Vergütungsschuldner die Abzugsteuer nicht oder nicht vollständig einbehalten und abgeführt, kann auch der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 73g Abs. 1 Alt. 2 EStDV). Ob der Vergütungsschuldner als Haftender oder der Vergütungsgläubiger als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird, liegt im Ermessen des Bundeszentralamts für Steuern, wobei freilich die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers durch Nachforderungsbescheid ermessensfehlerhaft ist, wenn die Abzugsteuer seitens des Vergütungsschuldners zwar einbehalten, aber nicht an das Bundeszentralamt für Steuern abgeführt wurde.2 Im Hinblick darauf, dass die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 AO), kann diese durch Einspruch und Klage angefochten werden, und zwar entweder durch den Vergütungsschuldner, wenn dieser das Bestehen seiner Steuerentrichtungsschuld überprüfen lassen will3 oder durch den beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubiger, um die Abzugsverpflichtung des Vergütungsschuldners überprüfen zu lassen.4 Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.5 Gegen den Haftungsbescheid kann ebenfalls neben dem als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Vergütungsschuldner der Vergütungsgläubiger mit Einspruch und Klage vorgehen.6

5.275

g) Erstattungsverfahren Der Steuerabzug ist im Grundsatz unabhängig davon durchzuführen, ob 5.276 sich nach Maßgabe des nationalen Rechts oder nach Abkommensrecht ein niedrigerer Steuersatz oder gar eine Steuerfreistellung ergibt. Diese in § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG verankerte und im Ausgangspunkt unbedingt wirkende Abzugsverpflichtung dient der Sicherung des Steueraufkommens7 und enthält im Hinblick auf abweichende abkommensrechtliche und auf Richtlinien beruhende Regelungen ein treaty und directive overriding.8 Im Wesentlichen geht es um die Kapitalertragsteuer (§§ 43 ff. 1 BFH v. 22.8.2007 – I R 46/02, BStBl. II 2008, 190. 2 Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 38. 3 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Gosch in Kirchhof9, § 50a EStG Rz. 39; Schauhoff, IStR 2004, 706 (708 f.); Wassermeyer, IStR 2004, 709. 4 BFH v. 7.11.2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228; v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; Dörr, BB 2008, 599; zur Kritik Cordewener IStR 2006, 158 (161 f.). 5 Vgl. hierzu BFH v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700. 6 BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 40. 7 Vgl. Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 1. 8 M. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 6; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 1, 24; zur Zulässigkeit vgl. Rz. 3.25 f.

219

Kapitel 5 Einkommensteuer

EStG) für Dividenden und die Quellensteuer gem. § 50a EStG auf Lizenzvergütungen, nicht aber um die Lohnsteuer auf Arbeitslohn, die auch ohne Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung (§§ 39b Abs. 6, 39d Abs. 3 Satz 4 EStG) unterbleiben kann, wenn die Einkünfte steuerfrei sind.1 In diesen Fällen ist der Gläubiger der Kapitalerträge oder der Vergütungen darauf angewiesen, entsprechende der Verzinsung unterliegende Erstattungsansprüche ggü. dem Bundeszentralamt für Steuern zu stellen (§ 50d Abs. 1 Sätze 2 bis 9 EStG). Die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuer erfolgt nur auf Antrag des Vergütungsgläubigers (§ 50d Abs. 1 Satz 3, 6 EStG) und setzt eine Steuerentlastung gem. §§ 43b, 50g EStG oder nach Abkommensrecht voraus, wobei die Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers im Ausland durch eine Bestätigung der dort zuständigen Steuerbehörde nachzuweisen ist (§ 50d Abs. 4 Satz 1 EStG).2 Die Frist für den Antrag auf Erstattung beträgt vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Kapitalerträge bzw. Vergütungen bezogen wurden (§ 50d Abs. 4 Satz 7 EStG), sie endet aber nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstrickung der Steuer (§ 50d Abs. 1 Satz 8 EStG).3 h) Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren

5.277 Ein Steuerabzug kann ausnahmsweise in den Fällen des Freistellungsund Kontrollmeldeverfahren ganz oder teilweise unterbleiben (§ 50d Abs. 2, 5, 6 EStG). Das in der Praxis im Vordergrund stehende Freistellungsverfahren gilt vor allem für Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 EStG, etwa für Lizenzgebühren (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG), für Kapitalerträge nach Abkommensrecht4 oder gem. § 43b EStG, etwa für Dividenden an EUMuttergesellschaften, sowie für Zinsen5 und Lizenzgebühren gem. § 50g EStG, die von einem inländischen Unternehmen etwa an ein verbundenes EU-Unternehmen gezahlt werden.

5.278 Die Freistellung erfolgt nur auf Antrag des Vergütungsgläubigers beim Bundeszentralamt für Steuern (§ 50d Abs. 2 Satz 1 EStG). Wird die Freistellungsbescheinigung erteilt, so beinhaltet sie, je nach Rechtsgrund der Zahlung an den Vergütungsgläubiger, entweder eine Einmalfreistellung oder eine Dauerfreistellung, wobei diese mindestens ein Jahr und längstens drei Jahre Gültigkeit hat (§ 50d Abs. 2 Satz 4 EStG). Die Geltungsdauer beginnt allerdings frühestens an dem Tag, an dem der Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern eingeht (§ 50d Abs. 2 Satz 4 EStG), so dass eine Freistellung für bereits vorher erhaltene Kapitalerträge bzw. Ver1 BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; R 39b Abs. 10 LStR. 2 Bei ausländischen Kapitalgesellschaften als Erstattungsberechtigte sind vor allem die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG zu erfüllen; hierzu Rz. 16.160 ff. 3 Zu dieser Ablaufhemmung M. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 23; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 11. 4 Mindestbeteiligung 10 Prozent (§ 50d Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). 5 Zinsen für grundpfandrechtlich geschuldete Forderungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c, Doppelbuchst. aa EStG.

220

C. Beschränkte Steuerpflicht

gütungen ausgeschlossen ist. Die Freistellung, die unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt und von Auflagen oder Bedingungen abhängig gemacht werden kann (§ 50d Abs. 2 Satz 2 EStG), ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der gem. §§ 130, 131 AO geändert werden kann und bei dessen Ablehnung der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO) und sodann Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegeben ist.1 Voläufiger Rechtsschutz wird über die einstweilige Anordnung gewährt (§ 114 FGO).2 Wird dagegen eine Freistellungsbescheinigung aufgehoben oder geändert, ist nach dem Einspruch Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) und als vorläufiger Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) gegeben.3 Da der Vergütungsschuldner wegen möglicher Haftungsschuld durch die Verweigerung der Freistellungsbescheinigung in seinen Rechten verletzt sein kann, ist er neben dem Vergütungsgläubiger rechtsbehelfsbefugt.4

5.279

In Fällen geringer steuerlicher Bedeutung kann auch im Rahmen des Kontrollmeldeverfahrens vom Steuerabzug Abstand genommen werden (§ 50d Abs. 5 und 6 EStG). Angesprochen hierdurch sind Einzelzahlungen bis Euro 5.500 und Gesamtzahlungen bis zu Euro 40 000,5 allerdings nur soweit es sich um Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG (Lizenzgebühren) handelt (§ 50d Abs. 5 Satz 1 EStG). Darüber hinaus können auch Kapitalerträge gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 EStG (Dividenden, Lebensversicherungserträge) in das Kontrollmeldeverfahren einbezogen werden (§ 50d Abs. 6 EStG).

5.280

4. Steuererlass/Pauschbesteuerung Literatur Kommentare zu § 50 Abs. 4 EStG; Anzinger, Steuerbefreiung der FIFA anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland durch Ministererlass, FR 2006, 857; Balzerkiewicz/Voigt, Kriterien eines Steuererlasses nach § 50 Abs. 7 EStG bei Sportereignissen unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung verschiedener Sportarten, BB 2005, 302; Holthaus, Befreiung von der Abzugssteuer nach § 50a EStG bei öffentlich geförderten ausländischen Kulturvereinigungen – Praxisprobleme und aktuelle Weisungslage, IStR 2003, 120; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt 1985.

Gemäß § 50 Abs. 4 EStG kann die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festgesetzt werden, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt. 1 M. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 40. 2 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 20. 3 BFH v. 13.4.1994 – I B 212/93, BStBl. II 1994, 835; BFH v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 20. 4 BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BFH/NV 2009, 1195; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 20; Loschelder in Schmidt29, § 50d EStG Rz. 21. 5 BMF v. 18.12.2002, BStBl. I 2002, 1386.

221

5.281

Kapitel 5 Einkommensteuer

Dies besteht insbesondere im Zusammenhang mit international bedeutsamen kulturellen und sportlichen Ereignissen, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder mit dem inländischen Auftritt einer ausländischen Kulturvereinigung, wenn ihr Auftritt wesentlich aus öffentlichen Mitteln gefödert wird.1

5.282 Im Hinblick darauf, dass § 50 Abs. 4 EStG keine abschließende Regelung enthält, handelt es sich im Ergebnis um eine Generalklausel, die aber dennoch als hinreichend bestimmt und begrenzt angesehen werden kann.2 Auf § 50 Abs. 4 EStG beruht u.a. die Steuerfreistellung für Einkünfte aus der Verwertung nichtselbständiger Arbeit im Inland3 sowie für solche im Zusammenhang mit inländischen Sportereignissen.4

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 AStG; Angermann/Anger, Der neue Erlass zum Außensteuergesetz – Erwartet beschränkte Stuerpflicht bei Wohnsitz in Großbritannien?, IStR 2005, 439; Baranowski in Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, Heidelberg 1974, 25; Dautzenberg, Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht des AStG und der EG-Vertrag, IStR 1997, 39; Debatin, Leitsätze für ein Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen, DStZ A 1971, 89; Flick, Missbrauchsgesetzgebung contra Steuerumgehung, in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Finanzpolitik, FS für Klein, Köln 1994, 329; Haase, Erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG und Abgeltungsteuer, BB 2008, 2555; Hellwig, Ausgewählte Fragen zur erweitert beschränkten Steuerpflicht, DStZ A 1974, 4; Korn/Stahl, Steuervorteile durch Wohnungsverlegung ins Ausland?, KÖSDI 1995, 10263; Kreile, Zum Außensteuergesetz, BB 1972, 929; Kußmaul/Cloß, Die sachlichen Voraussetzungen des § 2 AStG, StuB 2010, 501; Mössner, Verlustverrechnung bei Zusammentreffen von beschränkter und erweitert beschränkter Steuerpflicht, FR 1980, 277; Pohl, Generalthema II: Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzwechsels natürlicher Personen, IStR 2002, 541; Salditt, Steuerlast und Wanderlust, StuW 1972, 16; Schauhoff, Der Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht bei gewerblich tätigen Handelsvertretern, Unternehmensberatern, Fotomodellen, Sportlern und anderen umherreisenden Unternehmen, IStR 1995, 108; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 23; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97; Wassermeyer, 25 Jahre Außensteuergesetz, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ 1 Das gilt etwa für Orchester, nicht aber für solistisch besetzte Ensembles; BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186. 2 BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186; zweifelnd Anzinger, FR 2006, 857. 3 Abschn. 39d Abs. 2 Nr. 2 LStR; BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470 (Auslandstätigkeitserlass). 4 Vfg. OFD Münster v. 10.2.2006, DStR 2006, 376 (Fußball-WM 2006); BMF v. 20.3.2008, BStBl. I 2008, 538 (europäische Vereinswettbewerbe).

222

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1057; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen, IStR 2001, 113; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.

I. Überblick Neben der unbeschränkten, erweiterten unbeschränkten, fingierten unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht regelt § 2 AStG die sog. erweiterte beschränkte Steuerpflicht, die noch durch die Umgehungsvorschrift des § 5 Abs. 1 AStG ergänzt wird. Durch § 2 AStG wird die beschränkte Steuerpflicht (§§ 49 und 50 EStG) insbesondere dahingehend erweitert, dass nicht nur die in § 49 Abs. 1 EStG enumerativ aufgeführten Inlandseinkünfte, sondern in Abgrenzung zu § 34d EStG alle nichtausländischen Einkünfte (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) erfasst und einer Vollprogression unterworfen werden und die für die abzugspflichtigen Einkünfte gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene Abgeltungswirkung aufgehoben wird. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht gilt für natürliche Personen, die in ein Niedrigsteuerland ausgewandert sind und in den letzten zehn Jahren davor insgesamt fünf Jahre lang als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht wird sodann für weitere zehn Jahre aufrechterhalten. Es verbleibt allerdings bei der normalen beschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 4 und 49 EStG) für diejenigen Veranlagungszeiträume, in denen die Inlandseinkünfte und erweiterten Inlandseinkünfte insgesamt nicht mehr als Euro 16 500 betragen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AStG).

5.283

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, § 2 AStG systematisch zu rechtfertigen. So ist die Ansicht vertreten worden, § 2 AStG sei als Abrundung der beschränkten Steuerpflicht gegenüber Niedrigsteuerländern anzusehen, weil es insoweit an einer von §§ 49, 50 und 50a EStG unterstellten kompensierenden Besteuerung im Wohnsitzstaat fehle.1 Gegen diese These spricht indessen die Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen, wonach nur deutsche Staatsangehörige erfasst werden, sowie vor allem auch die zeitliche Begrenzung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht.2 Die zeitlich begrenzte erweiterte beschränkte Steuerpflicht ist auch keine aquivalenztheoretisch begründete, nachträglich erhobene Steuer als Entgelt für den früher aus der deutschen Infrastruktur gezogenen Nutzen, weil für die Vergangenheit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht bereits Steuer gezahlt wurde und zudem die Besteuerung des § 2 AStG an gegenwärtige Zustände und nicht an frühere Wirtschaftsinteressen anknüpft.3 Schließlich stellt § 2 AStG auch keine Kon-

5.284

1 So Debatin, DStZ A 1971, 89 (95); Kreile, BB 1972, 929 (931). 2 Dazu Salditt, StuW 1972, 16 (18). 3 Hierzu Salditt, StuW 1972, 16 (19).

223

Kapitel 5 Einkommensteuer kretisierung des § 42 AO dar, weil die Auswanderung in ein Niedrigsteuerland sich nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt.1

5.285 § 2 AStG ist eine gegen Einkünfteverlagerungen gerichtete Norm (Rz. 2.10 ff.). Mit ihr wird das politische Ziel verfolgt, der Auswanderung in Niedrigsteuerländer die steuerlichen Anreize zu nehmen. In der Gesetzesbegründung2 heißt es hierzu:

5.286 „Wer seinen Wohnsitz in niedrig besteuernde Länder verlegt, aber wesentliche Wirtschaftsinteressen im deutschen Inland beibehält, soll auch nach der Wohnsitzverlegung mit seinem deutschen Einkommen und deutschen Vermögen zu einer Besteuerung herangezogen werden, wie sie der im Inland Verbliebene unter gleichen Bedingungen zu tragen hat (§§ 2 bis 5 AStG). Der Entwurf erweitert deshalb bei diesem Personenkreis für die ersten zehn Jahre nach der Wohnsitzverlegung die jeden Steuerausländer treffende beschränkte Steuerpflicht“.

5.287 Damit wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber die sich auf der Grundlage der normalen beschränkten Steuerpflicht ergebenden inländischen Besteuerungsmöglichkeiten als unzureichend empfand. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 AStG ist daher lediglich die Folge der mit schweren Systemfehlern durchsetzten §§ 49, 50 und 50a EStG.3

5.288

§ 2 AStG beseitigt zwar weitgehend diese Systemfehler, insbesondere durch Ausfüllung der nur lückenhaft erfassten Inlandseinkünfte des § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 5.129) und Ablösung der gleichheitswidrigen Bruttobesteuerung durch eine Nettobesteuerung; (Rz. 5.109) § 2 AStG seinerseits ist aber durch wiederum anders gelagerte Systembrüche behaftet und Ergebnis einer verfehlten gesetzgeberischen Konzeption. Es wäre sachgerechter gewesen, die §§ 49, 50 und 50a EStG von ihren Systemmängeln insgesamt zu befreien.4 Eines § 2 AStG hätte es dann nicht bedurft. So aber hat der Gesetzgeber mit § 2 AStG für einen zahlenmäßig sehr engen Personenkreis5 eine Sondernorm geschaffen, die die ohnehin schon gleichheitswidrige Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Personen teilweise noch weiter verschärft.

5.289 Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht unterliegt ebenso wie die beschränkte Steuerpflicht den Schrankenwirkungen der DBA. Daher läuft die erweiterte beschränkte Steuerpflicht insbesondere bei Gewinnen aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen, im Inland verwerteter selb1 Telkamp, StuW 1972, 97 (103 ff.); Salditt, StuW 1972, 16 (19); Flick in FS Klein, 329 (327). 2 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. VI/3537. 3 Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (75). 4 Hierzu Pohl, IStR 2002, 541 (543). 5 Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Vorschrift ist daher gering; vgl. Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 8.

224

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

ständiger und unselbständiger Tätigkeit sowie für Zins- und Lizenzeinkünfte durchweg ins Leere, weil die ausschließliche Besteuerung in diesen Fällen im Ergebnis zumeist dem Wohnsitzstaat zugewiesen ist (Rz. 16.407, 16.245, 16.356, 16.369). Die durch § 2 Abs. 5 AStG normierte Vollprogression wird demgegenüber abkommensrechtlich nicht eingeschränkt, weil insoweit allein nationales Recht maßgeblich ist. Besonderheiten ergeben sich z.B. aufgrund des DBA-Schweiz.1 Hiernach entfallen weitgehend die Abkommensschranken, wenn in Deutschland beschränkt und erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in der Schweiz als Wohnsitzstaat nicht mit allen aus Deutschland stammenden Einkünften den allgemein erhobenen schweizerischen Steuern unterliegen (Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz). Darüber hinaus bleibt die beschränkte und erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht im Jahr des Wegzugs und in den folgenden fünf Jahren, ungeachtet der sich für Deutschland als Quellenstaat ergebenden Abkommensschranken, aufrechterhalten (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz). Die Doppelbesteuerung wird in diesen Fällen durch Steueranrechnung seitens Deutschlands vermieden.2

5.290

II. Persönliche Voraussetzungen 1. Deutsche Staatsangehörigkeit Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht betrifft nur natürliche Personen. Eine vergleichbare Vorschrift für juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, gibt es nicht. Vor dem Hintergrund, dass als natürliche Personen nur deutsche Staatsangehörige erfasst werden, ist die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nur für natürliche Personen sachgerecht, weil vergleichbare juristische Personen mit Sitz im Inland bei Verlegung des Orts der Geschäftsleitung ins Ausland unbeschränkt steuerpflichtig blieben. Ein Überwechseln in die beschränkte Steuerpflicht ist identitätswahrend nur ausnahmsweise möglich,3 wobei eine Gewinnrealisierung nur insoweit zu vermeiden ist, als stille Reserven in einer inländischen Betriebsstätte verhaftet bleiben (vgl. § 12 Abs. 1 KStG).

5.291

§ 2 Abs. 1 AStG macht die erweiterte beschränkte Steuerpflicht von der deutschen Staatsangehörigkeit abhängig, die innerhalb eines Zehnjahreszeitraums vor der Auswanderung mindestens fünf Jahre lang gemeinsam mit der unbeschränkten Steuerpflicht vorgelegen haben muss.

5.292

1 Zum DBA-Italien und DBA-Großbritannien Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 23 ff. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 120 ff. 3 Z.B. gem. § 8 Abs. 1 SE-VO und § 7 Abs. 1 SCE-VO; zum identitätswahrenden, formwechselnden Wegzug vgl. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569; zu Einzelheiten Rz. 6.29 ff.

225

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.293

Da im Grundsatz1 weder die unbeschränkte noch die beschränkte Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist die Erstreckung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nur auf deutsche Staatsangehörige sachfremd. Soll sich die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit orientieren, so ist nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten es gerechtfertigt sein könnte, deutsche Staatsangehörige unter sonst gleichen Bedingungen schärfer zu besteuern als Ausländer.2 Das BVerfG3 hat in § 2 AStG insoweit dennoch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt, weil die Nichtbesteuerung von Ausländern auf der sachgerechten und darum den Willkürvorwurf ausschließenden Erwägung beruhe, Ausländer nicht von der Rückwanderung in ihre Heimat abzuhalten. § 2 AStG kollidiert indessen mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und ggf. der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV),4 auf die sich auch die eigenen Staatsbürger eines Mitgliedstaates berufen können (Rz. 3.38 f.).

2. Frühere unbeschränkte Steuerpflicht im Inland

5.294 Von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden nur deutsche Staatsangehörige erfasst, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht insgesamt mindestens fünf Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig waren. § 2 Abs. 1 AStG verweist wegen der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen (§ 1 Abs. 2 und 3 EStG) fallen damit nicht unter den Anwendungsbereich des § 2 AStG.5

5.295 Die in § 2 Abs. 1 AStG angesprochene Zehnjahresfrist und Fünfjahresfrist berechnen sich nicht nach Veranlagungszeiträumen, sondern nach tatsächlicher Zeit gem. § 108 AO i.V. mit §§ 187 ff. BGB.6 Die Fünfjahresfrist verlangt keinen ununterbrochenen Zeitraum, in dem der Auswanderer Deutscher oder unbeschränkt steuerpflichtig war. Die fünfjährige unbeschränkte Steuerpflicht kann sich vielmehr aus mehreren zeitlichen Teilstücken zusammensetzen.7

1 Ausnahmen: Z.B. §§ 1a; 50 Abs. 2 Satz 7; 50a Abs. 3 Satz 2 EStG. 2 Zu Einzelheiten Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 28 ff., 42; Schaumburg, StuW 2000, 369 (372 f.). 3 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628 (643). 4 Hierzu auch unter Hinweis auf EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C 513/03 – van Hilten/ van der Heijden, EuGHE 2006, I-1981; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 35 ff.; Dautzenberg, IStR 1997, 39 ff.; zur Kritik auch Wassermeyer in FS Flick, 1057 (1061 ff.); Wassermeyer, IStR 2001, 113 (114); Schaumburg, StuW 2000, 369 (373); a.A. wohl Weggenmann in Haase, § 2 AstG Rz. 33 ff. 5 Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 43; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 32. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 13, 15. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 15.

226

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

3. Ansässigkeit im Ausland Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG greift die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht nur ein, wenn der Auswanderer in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, oder in keinem ausländischen Staat ansässig ist. Ansässig ist eine Person in einem niedrig besteuernden Gebiet dann, wenn sie dort die Voraussetzungen erfüllt, die denen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht entsprechen.1 Nicht vorausgesetzt ist, dass die Ansässigkeit im Niedrigsteuerland sich unmittelbar an die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland anschließt. Erforderlich ist lediglich die Ansässigkeit in einem Niedrigsteuerland innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach dem Ende der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.2 Obwohl § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG darauf abstellt, dass der Auswanderer (auch) in einem Niedrigsteuerland ansässig ist, ist diese Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Rechtsfolgen nur dann eintreten, wenn der Auswanderer nur in einem Niedrigsteuerland ansässig wird. Unterliegt nämlich der Auswanderer aufgrund eines mehrfachen Wohnsitzes mit seinem gesamten Welteinkommen der Besteuerung in einem Hochsteuerland, entfällt jeglicher Grund für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht.3 Über § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG werden schließlich sog. Umherziehende erfasst, also Personen, die weder im Inland noch im Ausland Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen.

5.296

Die Beweislast für die Annahme der Ansässigkeit in einem Niedrigsteuerland trifft nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Finanzverwaltung.4

5.297

4. Niedrigbesteuerung Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht tritt im Wesentlichen ein, wenn die natürliche Person in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt. In welchen ausländischen Gebieten eine niedrige Besteuerung vorliegt, ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG grundsätzlich abstrakt anhand eines generellen Einkommensteuerbelastungsvergleichs einer unverheirateten natürlichen Person mit steu1 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 60a; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 49 f.; a.A. Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 50, wonach auf das jeweilige nationale Steuerrecht abzustellen sein soll. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 60b; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 37. 3 Menck in Blümich, § 2 AStG Rz. 23; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 38; BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.1; zweifelnd Gross in W/S/G, § 2 AStG Rz. 9; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 61, der eine restriktive Anwendung des § 2 AStG insoweit für begrüßenswert hält, hierfür aber keine Rechtsgrundlage erkennt. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 61b; Lempenau in B/K/L/M/R, § 2 AStG Rz. 12; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 54; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 39; a.A. BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.1.

227

5.298

Kapitel 5 Einkommensteuer

erpflichtigen Einkünften von Euro 77 000,– zu ermitteln. Ergibt dieser unabhängig von den Verhältnissen der konkret zu besteuernden Person anzustellende Vergleich, dass die fiktive Einkommensteuer in dem ausländischen Gebiet mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Inland ansässigen natürlichen Person, so spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die zu besteuernde Person im ausländischen Gebiet einer niedrigen Besteuerung unterliegt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Die Niedrigbesteuerung liegt ferner dann vor, wenn die betroffene natürliche Person in dem ausländischen Gebiet eine Vorzugsbesteuerung in Anspruch nehmen kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Auch diese Vermutung kann widerlegt werden.

5.299 Die erste Alternative in § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG stellt auf einen abstrakten Belastungsvergleich ab. Dabei wird auf die Steuerbelastungsquote einer unverheirateten natürlichen Person mit einem steuerpflichtigen Einkommen von Euro 77 000,– abgestellt. Verglichen wird die Einkommensteuer, die für diese Person in dem ausländischen Wohnsitzstaat zu erheben wäre, mit der Einkommensteuer, die bei inländischer unbeschränkter Steuerpflicht erhoben werden müsste. Im Hinblick darauf, dass der Steueranspruch erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht (§ 36 Abs. 1 EStG), ist für die Umrechnung der ausländischen Währung in EURO der Kurs zum Ende des Veranlagungszeitraums maßgebend.1

5.300

Der vom Gesetz geforderte abstrakte Belastungsvergleich, der darauf abstellt, ob bei einem steuerpflichtigen Einkommen von Euro 77 000,– die im ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer um mehr als ein Drittel geringer ist, als die deutsche Einkommensteuer, beruht auf der inzwischen zum Teil überholten Konzeption der synthetischen Einkommensteuer mit einheitlichem Tarif. Da inzwischen für wesentliche Teile der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung (§ 32d EStG) und eine Thesaurierungsteuer auf thesaurierte Gewinne aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit sowie Land- und Forstwirtschaft (§ 34a EStG) erhoben werden, lässt sich der abstrakte Belastungsvergleich, wie von § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG unterstellt, nicht durchführen. Im Hinblick darauf ist § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG) folgende Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig.2 Hält man dennoch eine Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG für möglich, ist zugunsten der Steuerpflichtigen von der günstigsten inländischen Belastungswirkung (§ 32d EStG) auszugehen.3

1 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 81b; BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 4. 2 Vgl. BVerfG v. 23.10.1986 – 2 BvL 7/84, 2 BvL 8/84, BVerfGE 73, 388 (400); v. 12.10.1978 – 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343 (362); zuletzt BFH v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167; konkret zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 99.2. 3 Ebenso Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 99.3.; a.A. wohl Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 63.

228

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

In der zweiten Alternative (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG) ist eine Niedrigbesteuerung dann gegeben, wenn die Einkommensteuerbelastung des betreffenden Steuerpflichtigen in dem ausländischen Wohnsitzstaat aufgrund einer ggü. der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann. Eine derartige Vorzugsbesteuerung liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige im Ausland ganz oder zu einem wesentlichen Teil von den dortigen Steuern freigestellt werden kann, wenn insbesondere Auslandseinkünfte nicht oder nur unter begünstigenden Sonderbedingungen der Steuer unterworfen sein können1 oder wenn die Besteuerung durch besondere steuerliche Abmachungen (Steuerverträge) ermäßigt werden kann.2

5.301

Ob die Vorzugsbesteuerung von dem Steuerpflichtigen tatsächlich in Anspruch genommen wird, ist unerheblich. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vorzugsbesteuerung, soweit sie in Anspruch genommen werden kann, zu einer erheblichen Steuerminderung führt. Wann eine Steuerminderung erheblich ist, sagt das Gesetz nicht.3 In Orientierung an § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG liegt es nahe, ebenfalls von einer relativen Grenze von einem Drittel auszugehen.4

5.302

Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG ergebende Vermutung der Niedrigbesteuerung kann durch den Steuerpflichtigen dadurch widerlegt werden, dass er den Nachweis erbringt, dass die von seinem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die er bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland zu entrichten hätte. Der Nachweis dieser Zwei-Drittel-Belastung erfolgt durch einen konkreten Belastungsvergleich im Rahmen einer Schattenveranlagung. Bemessungsgrundlage für die Vergleichsberechnung ist das Einkommen. Soweit es um die im Ausland hierauf entrichteten Steuern geht, ist auf das Einkommen i.S. des betreffenden ausländischen Steuerrechts abzustellen.5 Daher sind auch ausländische Steuern auf Einkunftsarten, die in Deutschland nicht der Einkommensbesteuerung unterliegen, in den Vergleich mit einzubeziehen.6

5.303

Für die Vergleichsberechnung sind neben der deutschen Einkommensteuer7 – nicht aber Ergänzungsabgabe (Solidaritätszuschlag)8 – auch die im

5.304

1 So z.B. nach Ansicht der FinVerw die remittance-base-Besteuerung in Großbritannien; vgl. BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.2 a.E. 2 Wassermeyer in in F/W/B, § 2 AStG Rz. 85, 86. 3 Zu diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 108, 111. 4 Vgl. hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 88; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 111 (10–33 Prozent). 5 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 66. 6 Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 113. 7 Hierzu gehört auch die (abgeltende) Kapitalertragsteuer (§ 32d Abs. 1, 4 EStG). 8 BFH v. 30.11.1988 – I R 84/85, BStBl. II 1989, 365; Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 86 f., der Solidaritätszuschlag zählt auch hierzu (§ 1 SolZG); a.A. Zim-

229

Kapitel 5 Einkommensteuer

Wohnsitzstaat und in Drittstaaten zu entrichtenden1 ausländischen Ertragsteuern zu berücksichtigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Entscheidend ist nur, dass sie ebenfalls das Einkommen als Besteuerungsgrundlage haben. Daher kommen sowohl Gemeinde- und Ländersteuern2 als auch ausländische Kirchensteuern, soweit sie vom Einkommen erhoben werden, in Betracht.3 Im Rahmen der Vergleichsberechnung sind bei Ermittlung der bei unbeschränkter Steuerpflicht zu entrichtenden deutschen Einkommensteuer Entlastungen zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung aufgrund von DBA und gem. § 34c EStG4 zu berücksichtigen.5

5.305 Im Rahmen der Schattenveranlagung ist die betroffene natürliche Person so zu stellen, wie wenn sie im Inland unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Dies bedeutet, dass die im Ausland bestehenden persönlichen Verhältnisse auch bei der Ermittlung der konkreten inländischen Steuerlastquote zu berücksichtigen sind. Daher kommt auch der Splittingtarif zur Anwendung, wenn die Eheleute im Ausland zusammenleben.6

III. Sachliche Voraussetzungen 1. Überblick

5.306 Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AStG voraus, dass der Auswanderer wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hat. Der Begriff der wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland wird in den Abs. 3 und 4 dieser Vorschrift näher umschrieben. Die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AStG aufgeführten Alternativen betreffen die unmittelbaren wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen, während in § 2 Abs. 4 i.V. mit § 5 AStG auch mittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen genannt werden. Die Alternativen des § 2 Abs. 3 und 4 AStG stellen nicht darauf ab, ob die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen bereits zum Zeitpunkt der Auswanderung bestanden haben oder erst später begründet werden.

1 2 3 4 5 6

mermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 120; Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 86 f. Auf die tatsächlich entrichteten Steuern kommt es nicht an; Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 67; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 3. BFH v. 30.11.1988 – I R 84/85, BStBl. II 1989, 365. Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 72; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1) Tz. 2.2.4 Nr. 1. BFH v. 26.11.1986 – I R 78/81, BStBl. II 1987, 363. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 2; dort (Tz. 2.2.4 a.E.) auch zu einer Vereinfachungsregelung. Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 73a, b; Gross in W/S/G, § 2 AStG S. 58k; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (73); BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1) Tz. 2.2.4 Nr. 2.

230

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

Eine Rechtfertigung für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gibt es allenfalls dann, wenn der Auswanderer bereits zur Zeit seiner unbeschränkten Steuerpflicht im Inland wesentliche wirtschaftliche Interessen hatte. Hat ein Steuerpflichtiger bis zum Zeitpunkt seiner Auswanderung überhaupt keine steuerpflichtigen Einkünfte bezogen, so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen später innerhalb des Zehnjahreszeitraums nach der Auswanderung bezogene Inlandseinkünfte der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterworfen werden sollen. Als gegen Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer gerichtete Norm geht § 2 Abs. 3 und 4 AStG damit vom Wortlaut her weit über seinen Sinn und Zweck hinaus.1

5.307

2. Unmittelbare Inlandsinteressen § 2 Abs. 3 AStG beschreibt drei (alternative) Fälle unmittelbarer wesentlicher wirtschaftlicher Inlandsinteressen, nämlich:

5.308

– Unternehmer- bzw. Mitunternehmerschaft eines inländischen Gewerbebetriebs oder das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu Beginn des Veranlagungszeitraums (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG), – nichtausländische Einkünfte, soweit sie mehr als 30 Prozent der Gesamteinkünfte oder Euro 62 000,– übersteigen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG) und – nichtausländisches Vermögen, soweit dieses zu Beginn des Veranlagungszeitraums mehr als 30 Prozent des Gesamtvermögens oder Euro 154 000,– übersteigt (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG). Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG hat jeder Unternehmer und Mitunternehmer, der im Inland einen Gewerbebetrieb unterhält oder an einem solchen beteiligt ist, stets unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen. Erfasst werden damit im Ergebnis vor allem inländische Betriebsstätten,2 wobei über § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG3 eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte in den Fällen fingiert wird, in denen Einkünfte weder durch eine ausländische Betriebsstätte noch durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter erzielt werden.4 Für Kommanditisten gilt insoweit eine Sonderregelung, als diese erst dann wesentliche Inlandsinteressen haben, wenn auf sie zu Beginn des Veranlagungszeitraums mehr als 25 Prozent der Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1 Vgl. hierzu auch den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. VI/3537, wonach die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ihre Rechtfertigung darin finden soll, dass jemand seinen Wohnsitz in ein Niedrigsteuerland verlegt, aber wesentliche Wirtschaftsinteressen im Inland beibehält. 2 Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 76. 3 Diese Regelung gilt erstmals ab Veranlagungszeitraum 2009; vgl. § 21 Abs. 18 Satz 1 AStG. 4 Nichtanwendungsregelung zu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672, wonach § 2 AStG für Werbeeinnahmen eines Berufssportlers, der in ein niedrig besteuerndes Gebiet verzogen war, verneint wurde, weil diese dem Wohnsitz als Betriebsstätte zuzuordnen waren.

231

5.309

Kapitel 5 Einkommensteuer

aus der Gesellschaft entfallen.1 Die Verweisung auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt dazu, dass sämtliche Vorabvergütungen wie Geschäftsführergehälter, Honorare, Zinsen, Mietzahlungen usw. bei der Berechnung des Gewinns der Kommanditgesellschaft und des Gewinnanteils des betroffenen Gesellschafters2 mit einzubeziehen sind.

5.310 Die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG ist bei wortgetreuer Anwendung undurchführbar, weil zu Beginn des Veranlagungszeitraums für die Kommanditgesellschaft kein Gewinn feststellbar ist. Die Vorschrift ist daher in dem Sinne zu verstehen, dass die zu Beginn des Veranlagungszeitraums getroffenen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen über die Gewinnverteilung einschließlich der Vorabvergütungen dem tatsächlich erzielten Jahresgewinn zugrunde zu legen sind.3

5.311 Unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen sind gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG ferner dann gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger eine Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG an einer inländischen Kapitalgesellschaft hält. Mangels besonderer gesetzlicher Regelung sind als inländische Kapitalgesellschaften solche anzusehen, deren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist.4

5.312

Die Anknüpfung nur an Kapitalgesellschaften mit inländischem Sitz oder Ort der Geschäftsleitung ist sachfremd und stellt im Vergleich zu den übrigen Alternativen des § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG einen Wertungswiderspruch dar. Wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen werden nämlich auch durch inländische Betriebsstätten eines ausländischen Unternehmens, das dem Ausgewanderten als Unternehmer oder Mitunternehmer gehört, vermittelt.5 Im Hinblick darauf ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen nicht vorliegen sollen, wenn etwa der Ausgewanderte wesentlich an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die ihre Einkünfte durch inländische Betriebsstätten erwirtschaftet. Schließlich ist ein Wertungswiderspruch auch darin zu erblicken, dass für Kommanditisten auf eine wesentliche Beteiligung an den Einkünften, für Anteilseigner an Kapitalgesellschaften dagegen auf eine Beteiligung am Vermögen abgestellt wird. Mit der Anknüpfung an die Einkünfte sollte bei Kommanditisten einer Umgehungsmöglichkeit vorgebeugt werden, Kommanditbeteiligungen unter 25 Prozent mit übermäßigen Gewinnanteilen auszustatten.6 Diese Umgehungsmöglichkeit ist indessen bei Kapitalgesellschaften,

1 Für eine analoge Anwendung dieser Regelung auf atypisch stille Gesellschafter zu Recht Wassermeyer in F/W/B, § 21 AStG Rz. 92; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 131. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 93; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 132. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 93; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 133. 4 Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 83; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 96, der nur auf den Sitz abstellt. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 91. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 92.

232

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ebenfalls möglich.1

Da in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG lediglich Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaften und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften angesprochen sind, vermitteln andere Körperschaften und Vermögensmassen, etwa Genossenschaften, Vereine und Stiftungen, keine wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen.2 Auch diese Einschränkung ist sachfremd.

5.313

In der zweiten Alternative knüpfen wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen an die Höhe der nichtausländischen Einkünfte (erweiterte Inlandseinkünfte) an (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG). Damit sind jene Einkünfte angesprochen, die in § 34d EStG nicht genannt sind, d.h. die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und zusätzlich die Einkünfte, die nicht nach § 34d EStG ausländisch sind.3

5.314

Die dritte Alternative stellt auf die Höhe des Vermögens ab, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nichtausländische Einkünfte wären (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG). Es handelt sich hierbei um das sog. erweiterte Inlandsvermögen, das über das Inlandsvermögen gem. § 121 BewG hinausgeht.

5.315

3. Mittelbare Inlandsinteressen § 2 Abs. 4 AStG erfasst den Fall, dass ein Steuerpflichtiger wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen mittelbar hat. Angesprochen ist der Fall, dass ein Steuerpflichtiger unter den Voraussetzungen des § 5 AStG an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland gem. § 2 Abs. 3 AStG hat. Aus der Verweisung auf § 5 AStG folgt, dass die ausländische Gesellschaft die Qualifikation einer Zwischengesellschaft i.S. von § 7 AStG haben muss. Es muss sich also um eine ausländische Kapitalgesellschaft handeln, die mit ihren Einkünften aus passivem Erwerb (vgl. § 8 Abs. 1 und 2 AStG) einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegt (Rz. 10.147 ff.). Damit vermitteln lediglich derartige (ausländische) Zwischengesellschaften, nicht aber übrige ausländische Kapitalgesellschaften, wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen. Den Anteilseignern werden die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen aber nur nach Maßgabe ihrer Beteiligungsquote an der Zwischengesellschaft zugerechnet. Hierbei sind die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AStG genannten Grenzen, bei deren Überschreitung wesentliche wirtschaftliche Inlands1 § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG; zu Einzelheiten Scholz/Emmerich, § 29 GmbHG Rz. 78. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 96. 3 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.3.2 i.V. mit Tz. 2.5.0.1; a.A. Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 138.

233

5.316

Kapitel 5 Einkommensteuer

interessen vorliegen, in der Person eines jeden Anteilseigners an der Zwischengesellschaft zu erfüllen.1

5.317

Die Regelung des § 2 Abs. 4 AStG, aufgrund deren wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen von (ausländischen) Zwischengesellschaften zugerechnet werden, ist systemwidrig und wäre überflüssig, wenn § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen nicht nur bei wesentlichen Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften regelte. Sachgerecht wäre es nämlich, wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen auch bei wesentlichen Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften anzunehmen, falls diese ihrerseits wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen haben, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Zwischengesellschaften handelt oder nicht. Im Hinblick darauf käme es auch zu keinem Wertungswiderspruch dahingehend, dass bei einer unmittelbaren Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft von weniger als einem Prozent unmittelbare wirtschaftliche Inlandsinteressen (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG, § 17 Abs. 1 EStG) zu verneinen und bei einer solchen Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§§ 2 Abs. 4, 7 Abs. 6 Satz 3 AStG) dagegen mittelbare wirtschaftliche Inlandsinteressen zu bejahen sind.2

IV. Rechtsfolgen 1. Überblick

5.318 § 2 Abs. 1 AStG begründet die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht auf die Dauer von zehn Jahren. Da das Jahr der Auswanderung bei der Berechnung der Zehnjahresfrist nicht mitgerechnet wird, kann die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht sich auf längstens elf Jahre erstrecken. Außer durch Zeitablauf endet die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ggf. vor Ablauf dieser zehn Jahre, wenn der Steuerpflichtige – seinen Wohnsitz aus dem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland verlegt, – die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen aufgibt oder – eine Niedrigbesteuerung durch höhere ausländische Steuern oder niedrigere inländische Steuern oder durch Änderung von Währungsparitäten wegfällt.3 Rechtsfolge der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist darüber hinaus die steuerliche Erfassung von erweiterten Inlandseinkünften sowie eine modifizierte Anwendung des § 50 EStG.

1 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 110 ff.; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 144; Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 117. 2 Kritisch hierzu auch Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 145 und Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 117, wonach § 2 Abs. 4 AStG teleologisch im Sinne einer Mindestbeteiligung von 1 Prozent zu reduzieren ist. 3 Im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 21; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 110.

234

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

2. Besteuerung erweiterter Inlandseinkünfte § 2 Abs. 1 AStG ordnet an, dass erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen über die normale beschränkte Steuerpflicht i.S. des Einkommensteuergesetzes hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig sind mit allen Einkünften, die nichtausländische Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind. Da es Einkünfte gibt, die sowohl inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG als auch solche i.S. des § 34d EStG sind,1 ist zweifelhaft, welche Einkünfte tatsächlich von § 2 Abs. 1 AStG erfasst werden.

5.319

Überwiegend wird davon ausgegangen, § 2 Abs. 1 AStG erfasse die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG und zusätzlich noch die nichtausländischen Einkünfte nach § 34d EStG.2 Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, § 2 Abs. 1 AStG erfasse jene Einkünfte nicht, die einerseits inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und andererseits ausländische i.S. des § 34d EStG seien. § 2 Abs. 1 AStG erstrecke sich nämlich nach seinem Wortlaut nur auf nichtausländische Einkünfte.3 Die Bedeutung der Frage, ob die erweiterte beschränkte Steuerpflicht sich auch auf Einkünfte erstreckt, die zugleich als inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und als ausländische i.S. des § 34d EStG zu qualifizieren sind, reduziert sich im Wesentlichen auf die Fälle, in denen doppelt qualifizierte Einkünfte vorliegen. Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 5 AStG die dort genannten Rechtsfolgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht auf sämtliche Einkünfte anwendet, ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit § 2 AStG konzeptionell auf der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 EStG aufbauen und diese ausschließlich erweitern wollte. Es wäre unverständlich, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG und die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 5 AStG nicht die gleichen Einkünfte beträfen. Unter den Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 AStG fallen daher uneingeschränkt die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG.

5.320

Davon ausgehend, dass § 2 AStG auch den gesamten Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG umfasst, werden darüber hinaus zusätzlich insbesondere noch folgende erweiterte Inlandseinkünfte erfasst:4

5.321

1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die a) weder einer inländischen noch einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder b) aus Bürgschafts- und Avalprovisionen erzielt werden, deren Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist; 1 Beispiel: Im Ausland ausgeübte, aber im Inland verwertete selbständige Arbeit (§ 34d Nr. 3 EStG und § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG). 2 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Schoss in Lademann, § 2 AStG Rz. 29; Menck in Blümich, § 2 AStG Rz. 47; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 60 ff.; Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 127; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1) Tz. 2.5.0.1. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 22–22e, 116. 4 Auszugsweise Wiedergabe des BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.5.0.1; zu Einzelheiten Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 66 ff.

235

Kapitel 5 Einkommensteuer

2. Einkünfte aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines ausländischen Betriebs gehören und im Inland belegen sind; hierzu gehört auch ein nicht schon unter § 17 EStG fallender Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat; 3. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG, wenn der Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist und es sich nicht um ausländische Einkünfte i.S. des § 34d Nr. 6 EStG handelt; hierunter fallen z.B. Zinsen, die von Inländern auf Schuldscheindarlehen an erweitert beschränkt Steuerpflichtige gezahlt werden, wenn diese Darlehen nicht durch ausländischen Grundbesitz gesichert sind; 4. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von beweglichem Vermögen im Inland, sofern dieses nicht zu einem im Ausland belegenen Sachinbegriff gehört; 5. Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 EStG, wenn der Verpflichtete unbeschränkt steuerpflichtig ist oder seinen Sitz im Inland hat; 6. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2 EStG, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht im Ausland belegen sind; 7. Einkünfte aus Leistungen, wenn der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete unbeschränkt steuerpflichtig ist oder seinen Sitz im Inland hat; 8. andere Einkünfte, die das deutsche Steuerrecht (§§ 49 und 34d EStG) weder dem Inland noch dem Ausland zurechnet (z.B. Erträge aus beweglichen Sachen, die nicht zum Anlagevermögen eines ausländischen Betriebs gehören); 9. Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen nach §§ 5, 15 AStG zuzurechnen sind.

5.322 § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG hat, wie der vorgenannte Katalog zeigt, nur eine begrenzte Reichweite, weil von den über die in § 49 Abs. 1 EStG genannten Einkünften hinaus von den erweiterten Inlandseinkünften Einkünfte aus Gewerbebetrieb regelmäßig deshalb nicht erfasst werden, weil ein ausgewanderter Gewerbetreibender im Ausland eine Betriebsstätte unterhält, die sich im Zweifel an seinem (ausländischen) Wohnsitz befindet.1 Dies gilt insbesondere für ins Ausland ausgewanderte Berufssportler.2 Im Hinblick auf vermeintliche Besteuerungslücken enthält § 2 Abs. 1 Satz 2 1 Betriebsstättenlose gewerbliche Einkünfte (floating income) gibt es nicht; BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 18.10.1962 – IV 319/60 U, BStBl. III 1963, 38; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.1; Wassermeyer, IStR 2004, 676; Schauhoff, IStR 1995, 108 (110 f.). 2 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 11.7.1960 – V 182/58 U, BStBl. III 1960, 376; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 150; Kumpf, Besteuerung inländischer Be-

236

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

AStG insoweit eine Fiktion, als Einkünfte, die funktional keiner konkreten ausländischen Betriebsstätte oder keinem im Ausland tätigen ständigen Vertreter zugerechnet werden können, einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugerechnet werden.1 Für die Ermittlung der erweiterten Inlandseinkünfte gelten die allgemeinen Vorschriften des EStG, so dass auch negative Einkünfte im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen sind. Soweit nicht anderweitig ein Verlustausgleich ausgeschlossen ist, kommt er auch im Bereich der erweiterten Inlandseinkünfte in Betracht. Damit ist auch ein Ausgleich von Verlusten bei Einkünften, die zusätzlich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen, mit positiven Einkünften i.S. von § 49 Abs. 1 EStG zulässig.2

5.323

3. Vollprogression und Mindeststeuer § 2 Abs. 5 AStG normiert, abweichend von der normalen beschränkten Steuerpflicht, dass die erweiterten Inlandseinkünfte unter Progressionsvorbehalt stehen und die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht gilt.

5.324

Für die erweiterten Inlandseinkünfte kommt der Steuersatz zur Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen ergibt. Im Hinblick auf diesen Progressionsvorbehalt hat der Auswanderer, obwohl er mit seinem Welteinkommen nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, für Zwecke des Progressionsvorbehaltes sein gesamtes Welteinkommen offen zu legen.3

5.325

Dieser Progressionsvorbehalt im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist systemwidrig und geht bei weitem über das durch den Sinn und Zweck des § 2 AStG gebotene Maß hinaus. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht zielt in ihrem Kern nämlich lediglich darauf ab, durch die Erfassung der nichtausländischen Einkünfte und die Suspendierung der Abgeltungswirkung der Quellensteuer die vermeintlichen mit der beschränkten Steuerpflicht verbundenen Steuervorteile für Auswanderer zu vereiteln (Rz. 5.286). Durch den Progressionsvorbehalt wird indessen auf ein Rechtsinstitut zurückgegriffen, das allein der unbeschränkten Steuerpflicht für die Besteuerung des Welteinkommens vorbehalten ist.

5.326

triebsstätten von Steuerausländern, 58; Schauhoff, IStR 1995, 108 (110); Korn/ Stahl, KÖSDI 1995, 10263 (10267). 1 Vgl. hierzu Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 157 ff.; Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 144: Insoweit Nichtanwendungsgesetz zu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672. 2 BFH v. 3.11.1982 – I R 3/79, BStBl. II 1983, 259; Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 56d, 116b; Menck in Blümich, § 2 AStG Rz. 50; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 818; Mössner, FR 1980, 277 ff.; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.5.1.2. 3 Zu Einzelheiten insbesondere bei Anwendung von DBA Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 117 ff.

237

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.327 § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG ordnet an, dass auf Einkünfte, die der Kapitalertragsteuer oder der Quellensteuer gem. § 50a EStG unterliegen, § 50 Abs. 2 EStG nicht zur Anwendung kommt. Hiermit wird die Abgeltungswirkung beseitigt mit der Folge, dass insoweit uneingeschränkt das Nettoprinzip gilt.1 Im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht sind daher etwa Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) im Rahmen eines steuerlichen Veranlagungsverfahrens zu erfassen, wobei im Jahr des Wegzugs nur eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt werden muss (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG).2

5.328 Da die erweiterte beschränkte Steuerpflicht die vermeintlichen Steuervergünstigungen des § 49 EStG durch Erfassung der nichtausländischen Einkünfte und Suspendierung der Abgeltungswirkung beseitigen will, stellt die Steuer, die im Rahmen der normalen beschränkten Steuerpflicht zu erheben wäre, im Ausgangspunkt die Untergrenze dar. Dies ergibt sich insbesondere auch aus § 2 Abs. 6 AStG, wonach die im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zusätzlich zu entrichtende Steuer auf diejenige Steuer begrenzt ist, die im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht zu erheben wäre. Damit bildet die bei unbeschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer die Obergrenze, soweit diese die durch die normale beschränkte Steuerpflicht im Grundsatz fixierte Untergrenze überschreitet. Mit anderen Worten: Die bei unbeschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer darf nur dann überschritten werden, wenn die bei normaler beschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer höher liegt.3

5.329 Für die Berechnung der beiden vorgenannten Grenzen sind gegebenenfalls zwei Schattenveranlagungen durchzuführen. Die eine Schattenveranlagung betrifft die beschränkte Steuerpflicht, soweit nicht die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG eingreift, und die zweite Schattenveranlagung erfolgt auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht, wobei für Zwecke des Tarifs (§§ 32 ff. EStG) zugunsten des Steuerpflichtigen die ausländischen Verhältnisse auf das Inland zu projizieren sind mit der Folge, dass etwa für eine im Ausland verheiratete erweitert beschränkt steuerpflichtige Person der Splittingtarif anzusetzen ist.4

1 § 32d EStG (Abgeltungsteuer) bleibt aber anwendbar, hierzu Haase, BB 2008, 2555 f. 2 Hierzu Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 153. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 130; Menck in Blümich, § 2 AStG Rz. 36; Hellwig, DStZ A 1974, 4 (7). 4 Weggenmann in Haase, § 2 AStG Rz. 179; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 162; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.6.2.

238

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

V. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften 1. Allgemeines § 5 AStG erfasst als Ergänzung zu § 2 AStG auch jene Fälle, in denen erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen ihre wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen nicht unmittelbar, sondern mittelbar über zwischengeschaltete Auslandsgesellschaften (§ 7 AStG) halten. In diesem Falle sind die erweiterten Inlandseinkünfte der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft wie Einkünfte des erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners selbst bei diesem zu versteuern. Insoweit will § 5 AStG die Umgehung der erweitert beschränkten Steuerpflicht verhindern und erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen so stellen, wie sie stünden, wenn die Vermögenswerte nicht auf die zwischengeschaltete Gesellschaft übertragen worden wären.1

5.330

Trotz dieser Zielsetzung spielt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift keine Rolle, ob der erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner an der ausländischen Gesellschaft bereits bei seiner Auswanderung beteiligt war oder ob er diese Beteiligung erst später erworben hat.2 Durch die Verweisung auf die für die Hinzurechnungsbesteuerung maßgeblichen Vorschriften der §§ 7, 8 und 14 AStG bewirkt § 5 AStG auch eine Ergänzung zu den §§ 7 ff. AStG insoweit, als erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern gleichgestellt werden.3 Bei der Verweisung geht es konkret darum, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Einkünfte zu umschreiben. Im Übrigen unterscheidet sich die Zurechnung gem. § 5 AStG von der Hinzurechnung der §§ 7 ff. AStG grundlegend (Rz. 10.2 f.). Die Zurechnung der von der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft erzielten Einkünfte auf den erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner entspricht der Zurechnung nach Art eines Treuhandverhältnisses, wobei allerdings eine die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Auslandsgesellschaft ausschließende Regelung fehlt.4

5.331

2. Gegenstand der Zurechnung Zugerechnet werden diejenigen erweiterten Inlandseinkünfte der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft, mit denen erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner bei unbeschränkter Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 AStG steuerpflichtig wären. Gegenstand der Zurechnung 1 Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 15, 35; Rundshagen in S/K/K, Art. 5 AStG Rz. 1, 13; Kraft in Kraft, § 5 AStG Rz. 2, 16. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 5 AStG Rz. 40; a.A. Menck in Blümich, § 5 AStG Rz. 5. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 5 Rz. 16, 42. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 5 AStG Rz. 7, 68, 70; Rundshagen in S/K/K, Art. 5 AStG Rz. 1; Baranowski in Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, 25; Lempenau in B/K/L/M/R, § 5 AStG Rz. 8.

239

5.332

Kapitel 5 Einkommensteuer

sind damit Zwischeneinkünfte, also niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 AStG) (Rz. 10.72 ff.). Über § 14 AStG, auf den § 5 AStG verweist, werden schließlich auch die Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Auslandsgesellschaften erfasst. Die Zurechnung beschränkt sich dabei nur auf jene Zwischeneinkünfte, die erweiterte Inlandseinkünfte sind.1 3. Zurechnungsempfänger

5.333 Die Zurechnungsbesteuerung im Rahmen des § 5 AStG setzt beim erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner an. Es muss sich hierbei um eine natürliche Person handeln, die in den letzten zehn Jahren vor der Auswanderung als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war. Darüber hinaus muss der Anteilseigner in einem ausländischen Gebiet ansässig sein, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung gem. § 2 Abs. 2 AStG unterliegt.

5.334 Im Hinblick darauf ist die Niedrigbesteuerung zweifach festzustellen, nämlich einmal bei der Qualifizierung der erweiterten Inlandseinkünfte als Zwischeneinkünfte gem. § 8 AStG2 und ein weiteres Mal beim Anrechnungsempfänger hinsichtlich seiner Qualifizierung als erweitert beschränkt steuerpflichtige Person gem. § 2 AStG.3

5.335 Die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte, soweit sie nichtausländische Einkünfte (erweiterte Inlandseinkünfte) sind, werden jeweils mit Ablauf des für ihre Ermittlung maßgebenden Wirtschaftsjahres der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft dem Zurechnungsempfänger zugerechnet. Diese Zurechnung erfolgt allerdings nur nach Maßgabe der Beteiligung des erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners am Kapital der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft. 4. Steueranrechnung

5.336 Obwohl § 5 AStG nicht auf die für die Hinzurechnungsbesteuerung maßgebliche Steueranrechnung (§ 12 AStG) verweist, ist auch im Rahmen der Zurechnungsbesteuerung nach Maßgabe des § 5 AStG eine Steueranrechnung möglich, anderenfalls entstünde eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu vereinbarende Übermaßbesteuerung.4 Die Möglichkeit der Anrechnung folgt unmittelbar aus der Zurechnung selbst, so dass die von der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft im Inland gezahlten Steuern als vom Zurechnungsempfänger gezahlt anzusehen sind. Da le1 Rundshagen in S/K/K, § 5 AStG Rz. 40; Menck in Blümich, § 5 AStG Rz. 5; Lempenau in B/K/L/M/R, § 5 AStG Rz. 7. 2 Niedrigbesteuerung gem. § 8 Abs. 3 AStG. 3 Niedrigbesteuerung gem. § 2 Abs. 2 AStG. 4 Rundshagen in S/K/K, § 5 AStG Rz. 12; Weggenmann in Haase, § 5 AStG Rz. 43.

240

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

diglich diejenigen Zwischeneinkünfte zugerechnet werden, die erweiterte Inlandseinkünfte sind, kommt nur eine Anrechnung der entrichteten deutschen Steuern in Betracht.1 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die von der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht entrichtete Körperschaftsteuer wie eine Vorauszahlung2 auf die Steuerschuld des erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners wirkt.

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht I. Steuerentstrickung/Steuerverstrickung Im Hinblick darauf, dass allein im Rahmen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht das Welteinkommensprinzip (Rz. 5.53 ff.) zur Geltung kommt, kann jedes Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht, etwa durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung3 des deutschen Besteuerungsrechts führen.4 Bleibt keine beschränkte oder erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht aufrechterhalten, scheidet der Steuerpflichtige aus der deutschen Steuerhoheit vollends aus. Dieses Ausscheiden aus der deutschen Steuerhoheit (Steuerentstrickung) hat zur Folge, dass – sofern keine Sonderregelungen eingreifen – etwaige während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern gebildete stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen werden. Ein Ausscheiden aus der deutschen Steuerhoheit erfolgt auch dann, wenn der Steuerpflichtige seine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland zwar aufrechterhält, durch Begründung einer weiteren unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland nach einem DBA dort aber als ansässig gilt (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.203 f.) mit der Folge, dass Deutschland die Eigenschaft als Wohnsitzstaat und damit die Befugnis zur uneingeschränkten Besteuerung des Welteinkommens grundsätzlich verliert.

1 Wassermeyer in F/W/B, § 5 AStG Rz. 53; Menck in Blümich, § 5 AStG Rz. 14; Kraft in Kraft, § 5 AStG Rz. 69; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 5.1.1.3. 2 Entsprechend § 36 Abs. 2 EStG. 3 Z.B. infolge Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG). 4 Dementsprechend sind bei einem innerhalb eines Kalenderjahres erfolgten Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht eigentlich zwei Einkommen zu ermitteln und zwei Steuerveranlagungen durchzuführen (BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571); § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG ordnet demgegenüber die Durchführung nur einer Veranlagung an.

241

5.337

Kapitel 5 Einkommensteuer

5.338 Eine Steuerentstrickung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige durch Wohnsitzwechsel im Ausland bewirkt, dass die beschränkte Steuerpflicht durch ein DBA eingeschränkt wird. Schließlich ist eine Steuerentstrickung auch durch Ausscheiden aus der erweiterten beschränkten Steuerpflicht infolge Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen denkbar.

5.339 Neben den vorgenannten Fällen, in denen der Steuerpflichtige aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidet (subjektbezogene Steuerentstrickung), sind auch jene Fälle von Bedeutung, in denen ein Besteuerungsgegenstand aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidet (objektbezogene Steuerentstrickung). Hiermit sind vor allem jene Fälle angesprochen, in denen ein Wirtschaftgut von einem inländischen Betrieb auf eine ausländische Betriebsstätte überführt wird und nach einem DBA die Besteuerung der Betriebsstättengewinne allein dem Betriebsstättenstaat zugewiesen ist (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA; vgl. Rz. 16.240).

5.340 Eine Steuerentstrickung kommt daher insbesondere in folgenden Fällen in Betracht:1

5.341 Subjektbezogene Steuerentstrickung – Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland unter Aufrechterhaltung der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland (Doppelwohnsitz), soweit nach einem DBA der andere Staat als Ansässigkeitsstaat (Wohnsitzstaat) gilt, – Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (z.B. durch Wegzug) und Überwechseln zur beschränkten Steuerpflicht, – Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ohne Begründung der beschränkten Steuerpflicht, – Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in einem anderen Staat unter Aufrechterhaltung der bisherigen beschränkten Steuerpflicht im Inland, soweit nach einem DBA Deutschland die Befugnis zur Besteuerung inländischer Einkünfte verliert (z.B. Wohnsitzwechsel von einem Nicht-DBA-Staat in einen DBA-Staat), – Beendigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (z.B. durch Wegzug von einem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland), – Beendigung der Hinzurechnungsbesteuerung (z.B. durch Sitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft von einem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland).

5.342 Objektbezogene Steuerentstrickung – Überführung von Wirtschaftsgütern auf eine ausländische Betriebsstätte, soweit nach einem DBA die Betriebsstättenbesteuerung in Deutschland entfällt, 1 Vgl. auch Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 23 (39 f.).

242

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

– Überführung von Grundstückszubehör in das Ausland, soweit nach einem DBA die Besteuerung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen für Deutschland nicht gegeben ist, – Überführung von Wirtschaftsgütern von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte, soweit hierdurch inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) nicht mehr vorliegen (z.B. bei Beteiligung beschränkt steuerpflichtiger Personen an einer inländischen Mitunternehmerschaft1). Den vorgenannten Fallgruppen ist gemeinsam, dass das deutsche Besteuerungsrecht entweder ausgeschlossen oder beschränkt sein kann. Dies gilt vor allem für die Besteuerung des Vermögenszuwachses, soweit dieser während einer Zeit erfolgt ist, in der im Rahmen der unbeschränkten, beschränkten oder erweiterten beschränkten Steuerpflicht eine Besteuerung durch Deutschland gewährleistet war.

5.343

Der Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht, 5.344 etwa bei Aufgabe des ausländischen und Begründung eines inländischen Wohnsitzes, führt grundsätzlich2 auch zu einem für die Besteuerung maßgeblichen Wechsel vom Territorialitätsprinzip in das Universalitätsprinzip mit der Folge, dass die inländische Besteuerung nunmehr das Welteinkommen erfasst. Dieses Eintreten in die unbeschränkte Steuerpflicht (Steuerverstrickung) hat zur Folge, dass – sofern keine Sonderregelungen eingreifen – etwaige während der Zeit vor Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern gebildete stille Reserven nunmehr von der deutschen Besteuerung erfasst werden.3 Eine Steuerverstrickung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im Ausland zwar aufrechterhält, durch Begründung eines weiteren inländischen Wohnsitzes nach dem maßgeblichen DBA (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.203 f.) hier aber als ansässig gilt, so dass deutsches Besteuerungsrecht grundsätzlich nicht beschränkt wird. Eine Steuerverstrickung ist schließlich auch in den Fällen denkbar, in denen durch Wohnsitzwechsel im Ausland eine bislang bestehende Einschränkung der beschränkten oder erweiterten beschränkten Steuerpflicht entfällt. Im Übrigen gelten die für die Steuerentstrickung maßgeblichen Grundsätze vice versa auch für die Steuerverstrickung, so dass auch insoweit zwischen subjektbezogener und objektbezogener Steuerverstrickung zu unterscheiden ist.

1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Ausnahme: Wechsel von der beschränkten zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG). 3 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn vorher keine beschränkte Steuerpflicht gegeben war.

243

Kapitel 5 Einkommensteuer

II. Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung Literatur Kommentare zu §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 7; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 5a EStG; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986, 53; 93; Diebold, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung im Normengefüge des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts, Diss. Augsburg 1984; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Dörfler/Adrian/Oblau, Europäisierung des deutschen Steuerrechts durch das SEStEG, RIW 2007, 266; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Hahn, Kritische Erläuterungen und Überlegungen zum Entwurf des SEStEG, IStR 2006, 797; Hoffmann, Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme in der BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 2286; Hruschka, Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 584; Inst. FuSt., Zur Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung (Brief 140), Bonn 1973; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, Frankfurt/M. 2009; Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen StuW 2005, 193; Koch, Bilanzierung und Gewinnrealisierung bei Einbringung einer 100 %igen Beteiligung in eine ausländische Betriebsstätte, BB 2008, 2450; Köhler, Der Wegzug von Untenehmen und Unternehmensteilen in die EU, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Müller-Gatermann, Das SEStEG im Überblick-Entstrickung und Verstrickung sowie neues Umwandlungssteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 939; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftgsgütern in die deutsche Steuerhoheit, Baden-Baden 1991; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG, Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1481; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Salditt, Verlagerung von Wirtschaftsgütern in die auslandsbelegene Betriebsstätte eines einheitlichen Unternehmens: Grundsätzliches zur Realisierung stiller Reserven, Diss. Köln 1969; Schaumburg, Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung, StbJb 2008/2009, 193; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Statzkowski, Das Prinzip der Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung im deutschen Steuerrecht, Diss. Berlin 1986; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Weiser, Das arm’s length-Prinzip beim Güter- und Leistungstransfer zwischen Stammhaus und Betriebsstätten im Gemeinschaftsrecht, DB 2008, 2724; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen DB 2006, 1455.

1. Überblick

5.345 Das inländische Steueraufkommen ist in den Fällen der Steuerentstrickung weitgehend normativ gesichert. Im Vordergrund steht hierbei die Regelung des § 4 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG, wonach in den Fällen, in de-

244

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

nen hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine (fiktive) Entnahme zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) angenommen wird. Soweit es hiernach zu einer Gewinnrealisierung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kommt, kann ein Ausgleichsposten mit der Maßgabe gebildet werden, dass dieser im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren jeweils zu 1/5 gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 4g EStG). Angesprochen sind hierdurch insbesondere Fälle des grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfers von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, wobei freilich die vorgenannte Steuerstreckung1 auf EU-Fälle beschränkt bleibt.2 Durch die vorgenannte Regelung wird allerdings auch die Betriebs- bzw. Teilbetriebsverlegung sowie der Wegzug eines Einzel- und Mitunternehmers oder einer Mitunternehmerschaft insgesamt erfasst. Schließlich gibt es auch eine entsprechende Regelung für den Wegzug von Kapitalgesellschaften (§ 12 Abs. 1, 3 KStG), wobei die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen auf Gesellschafterebene in § 17 Abs. 5 EStG normiert sind (Rz. 6.39 f., 6.46). Sobald natürliche Personen wegziehen, kommt für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanteile die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG in Betracht (Rz. 5.357 ff.). Konzeptionell liegt der neuen Entstrickungsdogmatik die in der Vergangenheit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Lehre von der finalen Entnahme zugrunde, wonach zwar allgemein eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung verneint,3 durch extensive Auslegung des Entnahmetatbestands (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder gar dessen analoge Anwendung sowie durch extensive Auslegung des Betriebsaufgabebegriffs (§ 16 Abs. 3 EStG) im Ergebnis aber die Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung zum allgemeinen Rechtsprinzip erhoben wurde.4 Der BFH hat seine frühere Rechtsprechung zur Theorie der fina-

1 § 4g EStG betrifft nur Anlagevermögen und vom persönlichen Anwendungsbereich her nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen; zu diesbezüglichen europarechtlichen Problemen (Diskriminierung); Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. A 24; Crezelius in Kirchhof9, § 4g EStG Rz. 7; Plewka/Staats in Lademann, § 4g EStG Rz. 14; Heinicke in Schmidt29, § 4g EStG Rz. 2. 2 Im Unterschied zu § 6 Abs. 5 AStG und anderen durch das SEStEG eingeführten Vorschriften werden EWR-Fälle nicht erfasst. 3 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 10.2.1972 – I R 205/66, BStBl. II 1972, 455; v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. 4 Theorie der finalen Entnahme: BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509; im Urteil v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246 hat der BFH eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung allerdings für den Fall verneint, dass ein DBA im Nachhinein abgeschlossen wird und dadurch stille Reserven zuvor in das Ausland überführter Wirtschaftsgüter aus der inländischen Besteuerung ausscheiden.

245

5.346

Kapitel 5 Einkommensteuer

len Entnahme1 und der finalen Betriebsaufgabe2 indessen in den Jahren 20083 und 20094 aufgegeben.5 Der BFH stützt die Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme im Wesentlichen darauf, dass das Gesetz hierfür keine hinreichende Grundlage habe. Für eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG setze das Gesetz nämlich voraus, dass das Entnahmeobjekt für betriebsfremde Zwecke entnommen werde. Dies sei aber etwa bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens nicht der Fall, da der bestehende betriebliche Funktionszusammenhang nicht gelöst werde. Schließlich, so der BFH, gehe auch bei einem grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven auch dann nicht verloren, wenn abkommensrechtlich ausländische Betriebsstättengewinne freigestellt würden. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA könnten zwar Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsstättenvermögens im Betriebsstättenstaat versteuert werden, bei Geltung der Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) gehe der inländische Besteuerungszugriff auf diese Veräußerungsgewinne aber nur in jenem Umfang verloren, in dem das Vermögen der Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen sei und in dem die realisierten Gewinne auch durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet würden. Daher sei abkommensrechtlich eine Aufteilung künftiger Veräußerungsgewinne zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen geboten.6 Ausgehend davon ist den Entstrickungsregeln des Ertragsteuerrechts zu einem großen Teil die Grundlage entzogen.7 Im Hinblick auf ein zu erwartendes Nichtanwendungsgesetz,8 wird im Folgenden von der Teleologie ausgegangen, die in der Begründung zum SEStEG, durch das die neue Entstrickungskonzeption eingeführt wurde, zum Ausdruck kommt.

1 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509. 2 BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Nichtanwendungserlass: BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671. 4 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346; BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103. 5 Hierzu Koch, BB 2008, 2450; Weiser, DB 2008, 2724 ff.; Roser, DStR 2008, 2389 ff. 6 Die Begründung zur Aufgabe der finalen Betriebsaufgabe ist weitgehend gleichlautend. 7 Vgl. hierzu die Diskussion zu dem Urteil des BFH v. 17.7.2008 mit z.T. abweichenden Meinungen z.B. Schneider/Oepen, FR 2009, 22 ff.; Hoffmann, DB 2008, 2286 ff.; Ditz, IStR 2009, 115 ff. a.A. z.B. Mitschke, FR 2009, 326 ff.; Blöchle, IStR 2009, 645 ff.; Göbel/Ungemach/Jacobs, DStZ 2009, 531 ff.; Kahle/Franke, IStR 2009, 406 ff.; Körner, IStR 2009, 741 ff.; Prinz, IStR 2009, 807 ff.; Schönfeld, IStR 2010, 133 ff.; Mitschke, IStR 2010, 95 ff. 8 Eine entsprechende gesetzliche „Klarstellung“ ist durch das JStG 2010 geplant (§§ 4 Abs. 1 Satz 4, 16 Abs. 3a EStGE).

246

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

2. Reichweite der Steuerentstrickung Da allgemein als Steuerentstrickung solche Vorgänge bezeichnet werden, auf Grund deren die in Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven der Besteuerung ganz oder teilweise entzogen werden, ohne dass eine die Gewinnrealisierung auslösende Außentransaktion gegeben ist, werden gleichermaßen Betriebs- und Privatvermögen, Steuersubjekte und Steuerobjekte sowie Vorgänge im Inland und Ausland sowie schließlich auch grenzüberschreitende Vorgänge betroffen. Darüber hinaus wird von der Reichweite der Steuerentstrickung auch der bloße subjekt- und objektbezogene Statuswechsel etwa durch Abschluss oder Änderung von DBA erfasst. Schließlich ist die Steuerentstrickung kein Spezifikum des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts, sondern auch von Bedeutung im Rahmen der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer. Im Hinblick darauf müssten entsprechende normative Entstrickungsregelungen sachlogisch sämtliche Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven erfassen, und zwar für jede Steuerart gesondert und unabhängig voneinander. Ein derartiges Entstrickungsprinzip1 müsste, um sich ggü. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG legitimieren zu können, konsequent umgesetzt sein und als sachgerechte Wertentscheidung folgerichtig durchgehalten werden.2

5.347

Die dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Entstrickungskonzeption erfasst indessen nur die subjekt- und objektbezogene Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) sowie die wegzugsbedingte Steuerentstrickung im Zusammenhang mit Anteilen i.S. von § 17 EStG (§ 6 AStG). Vergleichbare Vorgänge im Privatvermögensbereich lösen demgegenüber keine entsprechenden Steuerfolgen aus. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen natürliche Personen wegzugsbedingt aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheiden und hierdurch der Steuerzugriff für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inoder ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) mangels beschränkter Steuerpflicht oder abkommensrechtlich dem deutschen Steuerzugriff entzogen werden. Nicht erfasst werden auch Vorgänge, auf Grund deren der Gewerbesteuerzugriff entfällt, so etwa beim Strukturwandel, wenn etwa ein Gewerbebetrieb zu einem landwirtschaftlichen oder freiberuflichen Betrieb wird.3 Schließlich ist für gewerbesteuerliche Zwecke eine Steuerentstrickung auch dann nicht vorgesehen, wenn ein Betrieb im Inland von einer Hochsteuer- in eine Niedrigsteuergemeinde verlegt wird. Entsprechendes gilt für den Wegzug von einem Niedrig- in ein Hochsteuerland, wenn hierdurch eine Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG.) entfällt. An eine Steuerentstrickung anknüpfende Steuerfolgen werden schließlich auch nicht dadurch ausgelöst, dass weg-

5.348

1 Hierzu Hey in Tipke/Lang20, § 17 Rz. 231. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 327 ff. 3 Die Rechtsprechung lehnt hier eine Betriebsaufgabe (Totalentnahme) ab; so BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168; v. 9.12.1986 – VIII R 26/80, BStBl. II 1987, 342; v. 12.3.1992 – IV R 29/91, BStBl. II 1993, 36.

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Kapitel 5 Einkommensteuer

zugsbedingt ausländisches Vermögen und bei Anwendung von DBA auch Inlandsvermögen aus dem deutschen Erbschaftsteuerzugriff ausscheiden. Da im Wesentlichen nur die Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich normativ verankert ist, ist der Steuerentstrickung mithin eine umfassende Gesamtkonzeption versagt geblieben. Damit gibt es eine in sich geschlossene Entstrickungskonzeption nur für den Betriebsvermögensbereich für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer, wobei es allerdings wegen der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu erheblichen Verwerfungen kommt. So ist die Entnahme von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, etwa Waren, mit dem Teilwert anzusetzen (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG), während für einen vergleichbaren grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der gemeine Wert maßgeblich ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 3, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG) mit der Folge, dass nur im zweiten Fall (fiktive Entnahme) ein etwaiger Produktions- und Liefergewinn der Besteuerung zuzuführen ist. 3. Steuerentstrickung im Betriebsvermögen

5.349 Die Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich ist eine Ausnahme von dem dem Bilanzsteuerrecht konzeptionell zugrunde liegenden Realisationsprinzip. Nach diesem Realisationsprinzip dürfen nur realisierte Gewinne ausgewiesen werden, so dass bloße Wertsteigerungen der Vermögensgegenstände nicht erfasst werden.1 Das Realisationsprinzip, das zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bei der Bilanzierung gehört, ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG2 verankert, wonach der für die Ermittlung des Gewinns maßgebliche Betriebsvermögensvergleich von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abhängig gemacht wird. Damit wird für das Bilanzsteuerrecht das handelsrechtliche System ordnungsmäßiger Buchführung und damit zugleich auch das Realisationsprinzip rezipiert. Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips3 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion erfolgt, wenn etwa der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnahmen. Hierzu gehört insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach auch ohne Transaktion eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt ermöglicht wird, zu dem die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung entfällt oder beschränkt wird.

5.350 Von der in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG verankerten Entstrickungsregelung werden der Ausschluss und die Beschränkung des Besteuerungsrechts 1 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbs. HGB. 2 Über § 8 Abs. 1 KStG gilt diese Vorschrift auch für Kapitalgesellschaften. 3 Ableitung aus § 252 Abs. 1 und 4 HGB.

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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes erfasst. Angesprochen ist damit vor allem der grenzüberschreitende Betriebsvermögenstransfer etwa vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, deren Gewinne abkommensrechtlich freigestellt sind oder eine Anrechnung ausländischer Steuern auslösen. Da nicht auf die Veräußerung, sondern bereits auf die vorgelagerte Überführung abgestellt wird, knüpft § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die Rechtsfrage im Ergebnis an die abstrakte Gefährdung1 des deutschen Besteuerungsrechts an.2 Neben grenzüberschreitenden wird auch ein ausländischer Betriebsvermögenstransfer erfasst, wenn etwa ein Wirtschaftsgut von einer sog. Anrechnungs- auf eine Freistellungsbetriebsstätte überführt wird.3 Schließlich können die Entstrickungsfolgen auch ausgelöst werden, wenn etwa der gesamte Betrieb oder Teilbetrieb in das Ausland verlegt wird oder der Unternehmer unter „Mitnahme“ seines Betriebs oder Teilbetriebs dorthin verzieht. Ein Rechtsträgerwechsel oder eine Außentransaktion liegt dagegen außerhalb der Reichweite der Steuerentstrickung.4 Soweit in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch auf den Umzug abgestellt wird, gilt dies nur für den Fall, dass hierdurch ein Zuordnungswechsel zur ausländischen Betriebsstätte ausgelöst wird.5 § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG verstößt gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), weil vergleichbare Vorgänge im Inland keine Besteuerung auslösen.6 Der Verstoß ist auch keineswegs unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs oder der Kohärenz gerechtfertigt.7 Die Wahrung der Aufteilung der nationalen Besteuerungsbefugnisse vermag ebenfalls keine Rechtfertigung zu vermitteln, zumal die in

1 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 213; Heinicke in Schmidt29, § 4 EStG Rz. 329; Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1176). 2 Eine deratige Gefährdung ist indessen bei einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte nicht gegeben, da im Veräußerungsfall die im Inland gebildeten stillen Reserven auch abkommensrechtlich für Zwecke der deutschen Besteuerung erhalten bleiben; BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, DB 2006, 242 ff.; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1484); a.A. Mitschke, DB 2009, 1376 ff; Müller-Gatermann in FS Schaumburg, 939 (943); in diesem Sinne auch die beabsichtigte „Klarstellung“ im JStG 2010. 3 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 215; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 487. 4 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 216. 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 217; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 488; Rödder/ Schumacher, DStR 2006, 1481 (1489). 6 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 485; Heinicke in Schmidt29, § 4g EStG Rz. 1; Hey in Tipke/Lang20, § 17 Rz. 239; Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266 (268); Förster, DB 2007, 72 (75); Hahn, IStR 2006, 797 (803); Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372) alle unter Hinweis auf EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteryie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409. 7 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 211; unter Hinweis auf EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769; a.A. Mitschke, FR 2008, 1144 (1145); Müller-Gatermann in FS Schaumburg, 939 (942).

249

5.351

Kapitel 5 Einkommensteuer § 4g EStG enthaltene Stundungsregelung unzureichend ist.1 Im Hinblick darauf wäre in Orientierung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als mildestes Mittel eine Stundungslösung entsprechend § 6 Abs. 5 AStG (Rz. 5.383 ff.) geboten gewesen.

5.352 Die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzende entstrickungsbedingte Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) gilt ausnahmsweise nicht, wenn eine SE oder SCE ihren Sitz verlegen und hierdurch die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der SE/SCE wegzugsbedingt nicht mehr oder nur noch beschränkt besteuert werden können (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG). Betroffen ist hier insbesondere der Wegzug in EU-Staaten, denen zuzugsbedingt abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Anteile mit der Folge der Anrechnung in Deutschland zufällt.2 Diese Ausnahme von der Entnahmefiktion, die auf Art. 10d Abs. 1 FRL beruht, führt dazu, dass die Anteile weiterhin steuerverstrickt bleiben. Werden die Anteile an der weggezogenen SE/SCE später veräußert, so ist ein etwaiger Veräußerungsgewinn gem. § 15 Abs. 1a EStG ungeachtet abkommensrechtlicher Schranken zu vesteuern3 und zwar auch hinsichtlich der erst nach dem Wegzug gebildeten stillen Reserven.4

III. Steuerfolgen der Steuerverstrickung Literatur Diebold, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung im Normengefüge von Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. Augsburg 1984; Hruschka, Die Entund Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 574; Mössner, Transfer von Wirtschaftsgütern in eine und aus einer Steuerhoheit, CDFI LXXI a (1986), 119; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftsgütern in die deutsche Steuerhoheit, Baden-Baden 1991; Töben/Reckwartdt, Entstrickung und Verstrickung privater Anteile an Kapitalgesellschaften, FR 2007, 159.

5.353 Ebenso wie für die Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung gibt es auch für die Steuerverstrickung eine allgemein geltende Regelung, wonach einer Einlage die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleichsteht (§ 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG). Bemessungsgrundlage ist auch hier der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts geht es hierbei darum, steuerliche Doppelerfas1 Heinicke in Schmidt29, § 4g EStG Rz. 1, Hey in Tipke/Lang20, § 17 Rz. 239, a.A.; Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 211 unter Hinweis auf EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. 2 Vgl. Art. 13 Abs. 3, 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Tschechien. 3 Dieses treaty overriding entspricht den Vorgaben von Art. 10 Abs. 2 FRL. 4 Kritisch hierzu Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 109; Förster, DB 2007, 72 (75 f.).

250

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

sungen zu vermeiden. Angesprochen ist hiermit insbesondere der Import stiller Reserven: Werden etwa Wirtschaftsgüter von einer ausländischen Betriebsstätte, die in einem Land belegen ist, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, das die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung vorsieht (Freistellungsbetriebsstätte), auf das inländische Stammhaus übertragen und anschließend veräußert, so werden die im Ausland außerhalb der deutschen Besteuerung1 gebildeten stillen Reserven der deutschen Besteuerung nicht unterworfen, weil für die transferierten Wirtschaftsgüter eine Eingangsbewertung zum gemeinen Wert vorgeschrieben ist. Die für die Steuerent- und Steuerverstrickung maßgeblichen Regelungen sind indessen insoweit inkongruent, als eine fiktive Einlage zum gemeinen Wert nur bei Begründung nicht aber bei Stärkung des deutschen Besteuerungsrechts angenommen wird.2 Im Hinblick darauf werden etwa die Buchwerte von Wirtschaftsgütern fortgeführt, die von einer ausländischen Betriebsstätte, für deren Einkünfte die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird, auf das inländische Stammhaus eines unbeschränkt Steuerpflichtigen überführt werden. Eine weitere Verstrickungsregelung enthält § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG, wonach verhindert werden soll, dass Deutschland den vor einem Zuzug entstandenen, bereits im Ausland besteuerten, Wertzuwachs ein weiteres Mal besteuert.3 Die steuerliche Doppelerfassung wird dadurch vermieden, dass für Zwecke der Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht die Anschaffungskosten, sondern derjenige Wert zugrunde gelegt wird, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat. Der Anwendungsbereich dieser Verstrickungsnorm ist indessen dadurch eingeschränkt, das höchstens der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Zuzugs nach Deutschland angesetzt wird.4 Sofern daher der Wegzugsstaat tatsächlich einen höheren als den gemeinen Wert ansetzt, kommt es zu einer partiellen steuerlichen Doppelerfassung. Eine Wertaufstockung bis zur Höhe des gemeinen Werts unterbleibt schließlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige nur vorübergehend von Deutschland abwesend ist und sodann wieder nach Deutschland zuzieht (§ 17 Abs. 2 Satz 4 EStG).5

5.354

Die in § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG enthaltene Verstrickungsklausel ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft und im Vergleich zu § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG mit Wertungswidersprüchen durchsetzt. So wird nur die durch den Zuzug des Anteilseigners bedingte Steuerverstrickung erfasst.

5.355

1 Abkommensrechtliche Freistellung aufgrund des Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA); vgl. zu Einzelheiten Rz. 16.543 f. 2 Zur Kritik z.B. Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 321; Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 110; Carlé, KÖSDI 2007, 15401 (15403). 3 Zu Einzelheiten Töben/Reckwartdt, FR 2007, 159 ff. 4 Das gilt natürlich nicht, wenn die tatsächlichen Anschaffungskosten höher waren; Gosch in Kirchhof, § 17 Rz. 81. 5 Hinweis auf § 6 Abs. 3 AStG; hierzu Rz. 5.381.

251

Kapitel 5 Einkommensteuer

Damit ist der Grundfall angesprochen, dass der Anteilseigner von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht überwechselt. Nicht erfasst werden Doppelwohnsitzfälle, in denen der Anteilseigner seit jeher unbeschränkt steuerpflichtig ist, die Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt erwirbt und danach erst in Deutschland im abkommensrechtlichen Sinne ansässig wird (vgl. Art. 4 OECD-MA). Obwohl deutsches Besteuerungsrecht erst durch die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründet wird, scheidet die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG deshalb aus, weil die Anteile nicht bereits im Zeitpunkt der unbeschränkten Steuerpflicht dem Anteilseigner zuzurechnen waren. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG scheidet schließlich auch dann aus, wenn der Anteilseigner von einem ausländischen Staat, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, in einen anderen Staat, mit dem kein DBA besteht, umzieht. Der umzugsbedingte Fortfall der abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen, wonach nur dem Ansässigkeitsstaat die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen zustehen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), führt zu einer inländischen Steuerverstrickung, soweit die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft gehalten werden. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG versagt schließlich auch in den Fällen, in denen nicht der Anteilseigner, sondern die ausländische Kapitalgesellschaft aus dem Ausland zuzieht und der Anteilseigner etwa in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat. Obwohl hierdurch erst zuzugsbedingt die beschränkte Steuerpflicht begründet wird, werden von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG auch die Vermögenszuwächse steuerlich erfasst, die außerhalb der beschränkten Steuerpflicht entstanden sind. Soweit in den vorgenannten und in anderen Fällen das dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Verstrickungskonzept nicht konsequent umgesetzt worden ist, ist für Zwecke der Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten (§§ 163, 227 AO). Darüber hinaus vermag sich § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG ohnehin nicht gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG zu legitimieren, weil in den durchaus vergleichbaren Verstrickungsfällen im Betriebsvermögensbereich (§ 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG) auf eine Wegzugssteuer im Wegzugsstaat nicht abgestellt wird.

5.356 Auf die Vermeidung der doppelten Erfassung stiller Reserven gerichtete Verstrickungsnormen gibt es auch auf bilateraler Ebene, wonach etwa in Fällen des Zuzugs und anschließender Veräußerung wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften1 bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns als Anschaffungskosten der Betrag zugrunde zu legen ist, den der Wegzugsstaat im Zeitpunkt des Wegzugs als Erlös angenommen hat.2

1 Hier gilt das Wohnsitzstaatsprinzip (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). 2 Z.B. Art. 13 Abs. 5 DBA-Schweiz; DBA-Italien, Protokoll Nr. 12.

252

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

IV. Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG Literatur Kommentare zu § 6 AStG; Arlt, Die Anknüpfung der Vermögenszuwachsbesteuerung an die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG, IStR 2008, 216; Baßler, Die Bedeutung des § 6 AStG bei der Planung der Unternehmensnachfrage, FR 2008, 218; Deininger/Lang, Wegzug aus steuerlichen Gründen, 2. Aufl. Bonn 2009; Dörfler/Ribbrock, Grenzüberschreitende Verluste, Wegzugsbesteuerung sowie Koordinierung von steuerlichen Regelungen im Binnenmarkt – eine Bestandsaufnahme, BB 2008, 304; Ettinger, Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und Gemeinschaftsrecht, IStR 2006, 747; Flick, Vereinbarkeit des Steuerfluchtgesetzes mit Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1971, 250; Gebhardt, Neuregelung der Wegzugsbesteuerung, EStB 2007, 148; H. Vogel, Aktuelle Fragen, des Außensteuerrechts, insbesondere des „Steueroasengesetzes“ unter Berücksichtigung des neuen DBA mit der Schweiz, BB 1971, 1185; Keller, Die Fortentwicklung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG, Frankfurt/M. 2006; Ostertun/Reimer, Wegzugsbesteuerung Wegzugsberatung, München 2007; Prinz, „Teilwegzug“ von Unternehmen in das europäische Ausland, GmbHR 2007, 966; Richter/Escher, Deutsche Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen nach dem SEStEG im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, FR 2007, 674; Salditt, Außensteuergesetz und DBA, AWD 1972, 573 (573); Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Söffing/Bron, Die Wegzugsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz unter Berücksichtigung des Freizügigkeitsabkommens, RIW 2009, 358; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97; Toifl, Die Wegzugsbesteuerung, Wien 1996; Vogel, Schwerpunkte des Außensteuerreformgesetzes in Verbindung mit dem neuen deutsch-schweizerischen DBA, DB 1972, 1402; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Wegzugsbesteuerung, IStR 2007, 833; Wassermeyer, Wegzug ins Ausland und seine ertragsteuerlichen Folgen, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 7.

1. Zielsetzung § 6 AStG stellt die Besteuerung derjenigen stillen Reserven sicher, die in Anteilen an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 EStG angefallen sind. Die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven erfolgt dadurch, dass das in § 17 EStG für die Gewinnrealisierung vorausgesetzte primäre Tatbestandsmerkmal der Veräußerung durch Tatbestandsmerkmale ersetzt wird, die an das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht anknüpfen. Die durch § 6 AStG begründete Besteuerung des Vermögenszuwachses wird in seinem Grundtatbestand dadurch erfüllt, dass der betroffene Steuerpflichtige Deutschland verlässt. Diese Wegzugsbesteuerung, die eine subjektbezogene Steuerentstrickung erfasst, ist damit der letzte Akt innerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht.1

1 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 17; zu Zweifelsfragen in diesem Zusammenhang Rz. 32 ff.

253

5.357

Kapitel 5 Einkommensteuer

2. Konzeptionelle Mängel

5.358 Die Regelung des § 6 AStG ist sehr unvollkommen und lässt keine einheitliche Konzeption erkennen. Erfasst werden nämlich lediglich die stillen Reserven in Beteiligungen i.S. des § 17 EStG, nicht aber solche, die unter § 20 Abs. 2 EStG fallen. Diese bloß partielle Erfassung stiller Reserven im Rahmen der subjektbezogenen Steuerentstrickung ist nicht plausibel. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen lediglich die stillen Reserven von unter § 17 EStG fallenden Beteiligungen erfasst werden, zumal im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht – von Einschränkungen durch DBA abgesehen – die steuerliche Erfassung der stillen Reserven gerade dieser Beteiligungen bei der Veräußerung gesichert ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). Demgegenüber geht die Besteuerung der stillen Reserven in Beteiligungen i.S. von § 20 Abs. 2 EStG durch den Wegzug uneingeschränkt verloren, da die entsprechenden Veräußerungsgewinne von der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) nicht erfasst werden. An der gesetzgeberischen Wertung gemessen, ist diese tatbestandsmäßige Einschränkung des § 6 AStG unverständlich. Vor dem Hintergrund des lückenhaften § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 5.129) hätte es schließlich auch nahe gelegen, über § 6 AStG auch die stillen Reserven anderer aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidender Wirtschaftsgüter zu besteuern. § 6 AStG knüpft ferner nicht an den Wegfall der sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG ergebenden Besteuerungsbefugnis an, der dadurch eintreten kann, dass der an einer deutschen Kapitalgesellschaft beteiligte beschränkt Steuerpflichtige seinen Wohnsitz von einem ausländischen Staat, mit dem kein DBA besteht, in einen anderen ausländischen Staat verlegt, der aufgrund eines DBAs die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne erhält. Die Beendigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG) führt gem. § 6 AStG ebenfalls zu keiner steuerlichen Erfassung der inländischen Vermögenszuwächse. Durch § 6 AStG wird schließlich auch nicht die Besteuerung derjenigen stillen Reserven sichergestellt, die durch Ausscheiden aus der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) für die deutsche Besteuerung verloren gehen.

5.359 Die bloß singuläre Erfassung bestimmter stiller Reserven aufgrund des § 6 AStG führt zu einer steuerlichen Benachteiligung derjenigen Steuerpflichtigen, die Beteiligungen i.S. von § 17 EStG an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften halten. Für diese Ungleichbehandlung ist kein rechtfertigender Grund erkennbar, so dass zugleich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Die gleichheitswidrige Besteuerung wird durch § 6 AStG noch dadurch verschärft, dass dessen Tatbestände mitunter weit über das gesetzgeberische Ziel hinausgehen. So erfolgt eine Wegzugsbesteuerung auch dann, wenn die Besteuerung durch Deutschland durch den Wegzug überhaupt nicht eingeschränkt wird. Verlegt etwa ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz in ein Land, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, verbleibt es bei der steuerli-

254

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

chen Erfassung der Veräußerungsgewinne durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Die Wegzugsbesteuerung ist daher unter dem Gesichtspunkt einer ultima ratio-Besteuerung nur gerechtfertigt, wenn die Besteuerungsbefugnis Deutschlands durch ein DBA genommen wird.1 Die Wegzugsbesteuerung ist im Wesentlichen mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten vereinbar.2 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die in § 6 Abs. 5 AStG vorgesehene Möglichkeit, die im Zeitpunkt des Wegzugs festgesetzte Steuer bis zur Realisierung eines Veräußerungsgewinns zinslos und ohne Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu stunden. Damit wird den Vorgaben der einschlägigen EuGHRechtsprechung entsprochen.3 Indessen sind einige Einzelregelungen europarechtlich problematisch. Hierzu nur einige Hinweise:4

5.360

Die Wegzugsbesteuerung verstößt mittelbar gegen die Zuteilungsregeln der DBA. Zwar unterscheidet sich die Wegzugsbesteuerung als Wertzuwachsbesteuerung, die nicht realisierte Gewinne erfasst, von ihrer tatbestandlichen Anknüpfung her von der Versteuerung tatsächlicher Veräußerungsgewinne; dies ändert aber nichts an der Verpflichtung, auch die vorweggenommene Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach den Grundsätzen des konkret anzuwendenden DBAs zu behandeln.5 In beiden Fällen geht es nämlich um die Besteuerung des Vermögenszuwachses. Die Wegzugsbesteuerung ist daher in jenen Fällen abkommenswidrig,6 in denen die DBA das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne dem (neuen) Wohnsitzstaat auch insoweit zuteilen, als die entsprechenden Wertzuwächse unter dem Regime des (alten) Wohnsitzstaates entstanden

5.361

1 Zur Rechtfertigung im Einzelnen Schaumburg in FS Tipke, 125 (141 f.). 2 BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524; v. 25.8.2009 – I R 88, 89/07, BFH/NV 2009, 2047; Schönfeld in F/W/B, § 6 AStG Rz. 26; Menck in Blümich, § 6 AStG Rz. 3; Prinz, GmbHR 2007, 966 (967); Dörfler/Ribbrock, BB 2008, 304 (309); zur Vereinbarkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Söffing/Bron, RIW 2009, 358 ff. 3 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7445. 4 Weiterführend Schönfeld in F/W/B, § 6 AStG Rz. 27 ff.; Kraft in Kraft, § 6 AStG, Rz. 190 ff.; vgl. im Übrigen nachfolgend die Hinweise zu den betreffenden Einzelregelungen. 5 Hierzu Vogel in V/L5;, Einl. Rz. 188 mit weiteren Hinweisen zum legislativen Unterlaufen von DBA. 6 Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 28; Flick, BB 1971, 250 (250); H. Vogel, BB 1971, 1185 (1188); Vogel, DB 1972, 1402 (1405); Salditt, AWD 1972, 573 (573); Telkamp, StuW 1972, 97 (107); zweifelnd Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 23; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 46; die Wegzugsbesteuerung hält die h.M. dagegen für unbedenklich, z.B. Menck in Blümich, § 6 AStG Rz. 12; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 11; Ebling in Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, 28; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 869; offen gelassen v. BFH v. 17.12.1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558.

255

Kapitel 5 Einkommensteuer

sind.1 § 6 AStG geht indessen den DBA vor, weil die Wegzugsbesteuerung jedenfalls mittelbar darauf abzielt, die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen zu beseitigen.2 Ein derartiges treaty overriding ist zulässig (Rz. 3.25 f.). Es setzt voraus, dass der gesetzgeberische Wille zum Eingriff in Abkommensrecht deutlich zum Ausdruck kommt. Ein derartiger Wille zur Abkommensverdrängung kann den Gesetzesmaterialien zu § 6 AStG ohne weiteres entnommen werden.3 So dient als Rechtfertigung für die Besteuerung des Vermögenszuwachses beim Wegzug in der Regierungsbegründung u.a. der folgende Hinweis: „Bei Beteiligungen an inländischen Gesellschaften dauert die Steuerpflicht im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zwar fort; da aber nach geltendem Recht der steuerliche Zugriff erst einsetzt, wenn der in der Beteiligung entstandene Vermögenszuwachs als Veräußerungsgewinn aufgedeckt wird, stehen die internationalen Steuerverträge, die herkömmlicherweise die Besteuerung dem Staat zuordnen, in dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Veräußerung ansässig ist, der deutschen Besteuerung entgegen.“ Das Nebeneinander von inländischer Wegzugsbesteuerung einerseits und Versteuerung tatsächlicher Veräußerungsgewinne im Ausland andererseits kann zu einer doppelten Besteuerung ein und desselben Wertzuwachses führen.4 Eine Doppelbesteuerung ist in diesen Fällen daher durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA; vgl. Rz. 16.88 ff.) zu vermeiden.5 3. Grundtatbestand

5.362 Die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG setzt voraus, dass eine natürliche Person insgesamt mindestens zehn Jahre lang unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und durch Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes die unbeschränkte Steuerpflicht beendet. Ohne Bedeutung ist hierbei im Grundsatz die Staatsangehörigkeit der wegziehenden Person und ob dieser „Wegzug“ in ein Hoch- oder Niedrigsteuerland, in einen EU-/EWR-Staat oder in einen Drittstaat oder in ein Land erfolgt, mit dem ein DBA abgeschlossen worden ist oder nicht. Eine Ausnahme hiervon enthält allerdings § 6 Abs. 5 AStG. Hiernach kann die dort vorgesehene Steuerstundung nur von EU-/EWR-Staatsangehörigen bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat in Anspruch genommen werden (Rz. 5.383 ff.). 1 In neueren DBA findet sich die Regelung, dass nur die während der Ansässigkeit im Wohnsitzstaat entstandenen Vermögenszuwächse von diesem versteuert werden dürfen; vgl. zur Abkommensübersicht Reimer in V/L5, Art. 13 OECDMA Rz. 282 ff. 2 Ebenso Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 48. 3 Nach Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 28 unter Hinweis auf BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 bedarf es einer entsprechenden Klarstellung im Gesetz selbst. 4 Zahlreiche deutsche DBA enthalten eine die Doppelbesteuerung ausschließende sog. Wegzugsklausel mit und ohne Wertverknüpfung; vgl. hierzu die Übersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 282 ff. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 23; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 29.

256

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Da die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 1 AStG an die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes anknüpfen, entfällt eine Wegzugsbesteuerung in den Fällen, in denen nach Wegzug auf Antrag die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG1 aufrechterhalten bleibt. Wird für den nachfolgenden Veranlagungszeitraum der Antrag nicht erneut gestellt oder liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor, endet die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nicht durch Wegzug, so dass eine Wegzugsbesteuerung unterbleibt.2

5.363

Der Wegzugsbesteuerung unterliegen nur natürliche Personen. Bei Kapitalgesellschaften erfolgt die Wegzugsbesteuerung über § 12 KStG entweder auf der Grundlage der fiktiven Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern (§ 12 Abs. 1 KStG) oder im Rahmen einer fingierten Gesamtveräußerung (§ 12 Abs. 3 KStG). Wird eine Mitunternehmerschaft in das Ausland verlagert, erfolgt eine Steuerentstrickung durch fiktive Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) (Rz. 5.349 ff.).

5.364

Natürliche Personen werden nur dann von der Wegzugsbesteuerung erfasst, wenn sie oder bei ganz oder teilweise unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger (§ 6 Abs. 2 AStG) insgesamt mindestens zehn Jahre gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren.3 Erst diese Zehnjahresfrist rechtfertigt die Besteuerung der Vermögensmehrungen infolge einer nachhaltigen, persönlichen und wirtschaftlichen Eingliederung des Steuerpflichtigen in die deutsche Volkswirtschaft.4

5.365

Unterbrechungen dieser Zehnjahresfrist etwa durch zwischenzeitlichen 5.366 Wegzug ins Ausland spielen im Hinblick auf den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG keine Rolle. Hierdurch kann es zu einer Besteuerung von Vermögenszuwächsen kommen, die während einer Zeit entstanden sind, in der der Steuerpflichtige im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Insoweit geht der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG über seinen Sinn und Zweck hinaus. Das gilt auch für den Fall, dass der maßgebliche Zehnjahreszeitraum von langjährigen Auslandsaufenthalten unterbrochen ist. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG greift schließlich auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag, und zwar auch dann, wenn er dort nach den Regelungen des in Betracht kommenden DBAs in dem anderen Staat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte.5 1 Zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht Rz. 5.40 ff. 2 Ebenso Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 40; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 64; a.A. Menck in Blümich, § 6 AStG Rz. 29; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 255; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 37. 3 Die Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht in der früheren DDR zählen mit (§ 21 Abs. 6 AStG). 4 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 34. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 36 f.; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 20; Arlt, IStR 2008, 216 (217 ff.).

257

Kapitel 5 Einkommensteuer

4. Ergänzungstatbestände

5.367 Der Grundtatbestand der Wegzugsbesteuerung, nämlich Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes, wird gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 AStG unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen um weitere vier Tatbestände ergänzt, und zwar durch – unentgeltliche oder teilentgeltliche Anteilsübertragung oder die Übertragung der Anteile durch Erwerb von Todes wegen auf beschränkt Steuerpflichtige (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG), – Begründung einer ausländischen Ansässigkeit (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG), – Einlage der Anteile in ein ausländisches Betriebsvermögen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG) und – Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts in übrigen Fällen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG). Bei allen Ergänzungstatbeständen müssen die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG stets erfüllt sein.1

5.368 § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfasst die Übertragung von Kapitalanteilen durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todeswegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen.

5.369

Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG bleibt hinter dem Sinn und Zweck des § 6 AStG insoweit zurück, als lediglich die Übertragung auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Erwerber erfasst wird. Unter dem Gesichtspunkt der Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung hätte aber auch die Übertragung auf unbeschränkt steuerpflichtige Erwerber erfasst werden müssen, soweit diese aufgrund eines DBAs (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.203 f.) in einem anderen Land als ansässig gelten2 und hierdurch Deutschland die Besteuerungsbefugnis verloren geht.3

5.370 Entsprechend der Übertragung durch Rechtsgeschäft ist bei der Übertragung durch Erwerb von Todes wegen4 auf den Erblasser als maßgblich Steuerpflichtigen abzustellen mit der Folge, dass die gem. § 45 AO übergehende Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer

1 Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 22. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 63; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 Rz. 83; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 79; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 349; a.A. Menck in Blümich, § 6 AStG Rz. 28. 3 § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG scheidet als Auffangvorschrift ebenfalls aus, weil das Ereignis Anteilsübertragung unter § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG fällt; hierzu Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 79. 4 Zu dieser misslungenen Formulierung Baßler, FR 2008, 851 (851); Wassermeyer, IStR 2007, 833 (834).

258

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

berücksichtigt werden kann (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG).1 Zwecks Vermeidung einer Doppelbelastung von Einkommensteuer einerseits und Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) andererseits sieht § 35b EStG vor, dass im Falle des Erwerbs von Todes wegen die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt werden kann (Rz. 15.146 ff.). Dies gilt auch für den Fall, dass ausländische Erbschaftsteuer zu entrichten ist (Rz. 15.148). Der Ergänzungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG erweitert die Wegzugsbesteuerung auf den Fall des Doppelwohnsitzes, soweit der Steuerpflichtige aufgrund dessen nach einem DBA in dem anderen Staat als ansässig gilt (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA). Dieser Ergänzungstatbestand ist deshalb von Bedeutung, weil nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA in Fällen des Doppelwohnsitzes durchweg nur der Staat die Besteuerungsbefugnis hat, in dem der Steuerpflichtige als ansässig gilt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist,2 greift § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG dennoch ein, obwohl deutsches Besteuerungsrecht weder wegfällt noch eingeschränkt wird.3

5.371

Die Wegzugsbesteuerung erstreckt sich gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG auch auf die Einlage von Kapitalanteilen aus dem Privatvermögen4 in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands für Veräußerungsgewinne nach einem DBA ausgeschlossen wird (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Soweit die Kapitalanteile trotz Einlage abkommensrechtlich nicht der ausländischen Betriebsstätte oder dem ausländischen Betrieb zuzurechnen sind,5 wird dennoch der Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG erfüllt, obwohl insoweit deutsches Besteuerungsrecht weder wegfällt noch eingeschränkt wird.6

5.372

§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG enthält einen Auffangtatbestand, wonach der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile auf Grund anderer als der in § 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 bis 3 AStG genannten Ereignisse eine Wegzugsbesteuerung auslöst. Da Wegzug, Anteilsübertragung, Erwerb von Todes wegen, Begründung eines Doppelwohnsitzes und Einlage bereits erfasst sind, verbleibt nur noch ein geringer Anwendungsbe-

5.373

1 Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 81; Baßler, FR 2008, 851 (852); auf den Erben als Steuerpflichtigen abstellend Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 69; Wassermeyer, IStR 2008, 833 (834). 2 Überdachende Besteuerung gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz. 3 Zu diesem Wertungsüberhang Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 83. 4 Es muss sich immer um Anteile gem. § 17 EStG handeln; für die Überführung aus dem Betriebsvermögen greift § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ein. 5 Hierzu BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; ferner Rz. 16.390 f. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 90.

259

Kapitel 5 Einkommensteuer

reich, zu dem etwa der Wegfall oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch Abschluss eines DBAs gehört.1 5. Rechtsfolge

5.374 Als Rechtsfolge schreibt § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG vor, dass auf Anteile an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden ist, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind.

5.375 Im Rahmen der Wegzugsbesteuerung wird die Rechtsfolge auf Anteile i.S. von § 17 EStG beschränkt. Dies setzt eine Mindestbeteiligung von 1 Prozent voraus (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG).2 Nicht erfasst werden demgegenüber Kapitalanteile, die eine Beteiligung von weniger als 1 Prozent vermitteln mit der Folge, dass wegzugsbedingt eine Besteuerung unterbleibt, obwohl der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung unterliegt. Soweit es sich um Anteile an ausländischen Rechtsträgern handelt, entscheidet der Typenvergleich (Rz. 6.7), ob eine Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben ist. Anteile oder beteiligungsähnliche Rechte an Genossenschaften und an einer SCE werden gem. § 17 Abs. 7 EStG ebenfalls erfasst; nicht dagegen solche an Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Vereinen, Stiftungen und Personengesellschaften.

5.376 Die Rechtsfolge des § 17 EStG ergreift nur solche Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören. Im Falle einer GmbH & Co. KG scheiden damit die zum Sonderbetriebsvermögen der KG gehörenden Anteile der Komplementär-GmbH aus der Wegzugsbesteuerung ebenso aus3 wie einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG a.F., für die allerdings eine Besteuerung stiller Reserven gem. § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. in Betracht kommt (§ 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG). Für der Sperrfrist gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG unterliegende Kapitalanteile, die dem Anwendungsbereich des § 17 EStG und damit auch dem des § 6 AStG ohne Rücksicht auf eine Mindestbeteiligung unterliegen (§ 17 Abs. 6 EStG), wird außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 AStG zudem eine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns ausgelöst, wenn etwa wegzugsbedingt der Einbringende oder sein Rechtsnachfolger nicht mehr die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllt.4 1 Hierzu Kraft in Kraft, § 6 Rz. 382; Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 6 Rz. 245; Gebhardt, EStB 2007, 148 (149); Stadler/Elser, BB-Special 8/2006, 20; Grotherr, NWB 2007, F.3, Gr. 1, 2153 (2157); a.A. Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 109. 2 Ausnahme: steuerverstrickte Anteile gem. § 17 Abs. 6 EStG. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 42; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 10. 4 Zu Einzelheiten Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 50 ff.; Stangl. in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 127 ff. 175.

260

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Da § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht nur eine Rechtsfolgenverweisung, sondern auch eine Rechtsgrundverweisung enthält, müssen neben den Tatbestandsmerkmalen des § 6 AStG selbst auch diejenigen des § 17 EStG erfüllt sein. In Abweichung von § 17 EStG ist bei der Berechnung des fiktiven Veräußerungsgewinns aber nicht der Veräußerungspreis, sondern der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG). Der gemeine Wert ist auf der Grundlage des § 11 BewG zu ermitteln, wobei für nicht notierte Kapitalanteile auch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 11 Abs. 2 Satz 2, 199 ff. BewG) in Betracht kommt. Dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs sind die Anschaffungskosten der Anteile gegenüberzustellen, es sei denn der betroffene Steuerpflichtige hat die Anteile an der Kapitalgesellschaft schon bei Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht besessen. In diesem Fall ist auf den im Wegzugsstaat steuerlich festgestellten Wegzugswert, höchstens auf den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht abzustellen, wenn der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs auf Grund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats dort einer Wegzugsbesteuerung unterlegen hat (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). Diese Regelung macht deutlich, dass diejenigen Vermögenszuwächse außer Betracht bleiben sollen, die während einer Zeit entstanden sind, zu der der Steuerpflichtige nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Indessen ist auch diese Regelung unvollkommen, weil alle Vermögensmehrungen bei Auslandsaufenthalten, die zeitlich nach der erstmaligen Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht liegen, miterfasst werden. Gerechtfertigt wäre es lediglich, den Teil des Wertzuwachses zu erfassen, der in der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht entstanden ist.1

5.377

Der fiktive Veräußerungsgewinn unterliegt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V. mit § 17 Abs. 2 EStG der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40c, 3c Abs. 2 EStG).2 Ein Veräußerungsverlust ist im Rahmen des § 6 AStG nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG, dafür aber aus anderen für die Auslegung bedeutsamen Anhaltspunkten. So zeigt die zum Gesetz selbst gehörende Überschrift zu § 6 AStG, dass der Vermögenszuwachs besteuert werden soll. Ferner ordnet § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG an, dass der nach den §§ 17 und 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG anzusetzende Gewinn um den nach § 6 AStG besteuerten Vermögenszuwachs zu kürzen ist. Darüber hinaus regelt § 6 Abs. 6 Satz 3 AStG, dass in Stundungsfällen eine nachträglich durch Veräußerung realisierte Wertminderung höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses zum Zeitpunkt des Wegzugs berücksichtigt werden darf. Schließlich zielen die Ersatztatbestände (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AStG) darauf ab, Steuerumgehungs-

5.378

1 Zu Einzelheiten Arlt, IStR 2008, 216 (217 ff.). 2 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 60; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 55; Menck in Blümich, § 6 AStG Rz. 1a; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 310; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 131; a.A. Dötsch/Pung, DB 2000, Beilage 10, 1 (9).

261

Kapitel 5 Einkommensteuer

möglichkeiten zu verhindern, was nur bei einem Vermögenszuwachs Bedeutung erlangen kann.1

5.379 Im Hinblick darauf, dass § 6 AStG erkennbar auf die Erfassung nur von Wertzuwächsen, also von Veräußerungsgewinnen gerichtet ist, ergeben sich Wertungswidersprüche zu der im Übrigen im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz verankerten Entstrickungskonzeption. Hierbei geht es nämlich nicht nur um die Sicherstellung stiller Reserven für Zwecke der Besteuerung im Falle des Wegzugs, sondern auch um die Abgrenzung der Besteuerungsrechte zwischen den verschiedenen Staaten. Aus diesem Grunde erlaubt etwa § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bei einem grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer auch die Realisation von Verlusten. Insoweit ist die dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz zugrunde liegende Entstrickungskonzeption konsequent zu Ende gedacht. Dass Veräußerungsverluste im Rahmen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG nicht berücksichtigt werden, führt in den Fällen zu steuerlichen Verwerfungen, in denen der Zuzugsstaat im Rahmen der dortigen Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht auf die historischen Anschaffungskosten, sondern auf den ggf. niedrigeren Zuzugswert abstellt. Von dieser Konstellation geht der Gesetzgeber indessen im Falle des Zuzugs nach Deutschland nicht aus, weil gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG der Wegzugswert nur dann anzusetzen ist, wenn dieser die historischen Anschaffungskosten übersteigt. De lege ferenda ist, um Asymetrien zu vermeiden, daher eine gleichlaufende Änderung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG einerseits und des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG andererseits dahingehend geboten, dass auch Wertminderungen steuerlich berücksichtigt bzw. erfasst werden.

5.380 Eine Doppelbelastung kann dadurch eintreten, dass Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft nach dem Wegzug während der Zeit der beschränkten Einkommensteuerpflicht veräußert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). Für diesen Fall regelt § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG, dass der fiktive Veräußerungsgewinn auf den späteren tatsächlichen Veräußerungsgewinn anzurechnen ist.2 Ergibt sich hierdurch ein negativer Betrag, so ist dieser im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht einem Verlustausgleich bzw. -abzug zugänglich.3 Diese Regelung greift dann nicht ein, wenn aufgrund eines DBAs Deutschland die Besteuerungsbefugnis genommen wird (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). In diesen Fällen kann eine

1 BFH v. 28.2.1990 – I R 43/86, BStBl. II 1990, 615; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 290; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 55; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 15; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 6.1.3.3.; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 51 unter Hinweis auf die durch das SEStEG veränderte Rechtslage; ebenso Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 123; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 139. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 113. 3 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, Tz. 6.1.4.2.

262

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) vermieden werden.1 6. Vorübergehende Abwesenheit Entsprechend der Zielsetzung des § 6 AStG, die während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht entstandenen Vermögenszuwächse für Zwecke der deutschen Besteuerung zu sichern, bedarf es dann keiner Wegzugsbesteuerung, wenn das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich vorübergehend ist. Aus diesem Grunde ist in § 6 Abs. 3 AStG vorgesehen, dass bei einer bloß vorübergehenden Abwesenheit von nicht mehr als fünf Jahren der Steueranspruch unter bestimmten Voraussetzungen entfällt. Die vorgenannte Fünfjahresfrist kann um weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn berufliche Gründe für die Abwesenheit maßgeblich sind und die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Hieraus ist zu folgern, dass auch bei einer Rückkehr innerhalb der ersten fünf Jahre nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht eine Rückkehrabsicht bestanden haben muss.2 Die tatsächliche Rückkehr innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht indiziert indessen die gesetzlich vorausgesetzte Rückkehrabsicht.3 Soweit § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG den Wegfall des Steueranspruchs anordnet, greift die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ein,4 so dass der Steuerbescheid entsprechend zu ändern ist.5 Der Steueranspruch entfällt allerdings dann nicht, wenn der Wegzügler die Anteile zwischenzeitlich veräußert oder aber einen der Ersatztatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 AStG verwirklicht hat und er zudem im Zeitpunkt der Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht zugleich auch abkommensrechtlich im Inland ansässig wird (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG).6

1 Zahlreiche deutsche DBA zu Art. 13 enthalten allerdings eine die Dopelbesteuerung ausschließende sog. Wegzugsklausel mit und ohne Wertverknüpfung; vgl. hierzu die Übersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 282 ff. 2 Vertreter dieser subjektiven Theorie sind Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 67; BMF v. 2.12.1994, BStBl. I 1995 (Sondernummer 1), Tz. 6.4.1; a.A. (objektive Theorie) Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 144; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 436; Winkler/Reiser in W/S/G, § 6 AStG Rz. 43; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 37; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 141 (eingeschränkte objektive Theorie). 3 Menck in Blümich, § 6 EStG Rz. 54. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 148; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 36; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 6.4.1. 5 Für einen vorläufigen Steuerbescheid gilt die Änderungsvorschrift des § 165 Abs. 2 AO. 6 Zu diesem zuletzt genannten Aspekt weiterführend Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 152; dort auch zu weiteren Problemen im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AStG.

263

5.381

Kapitel 5 Einkommensteuer

7. Stundung a) Wegzug in Drittstaaten

5.382 Die Wegzugsbesteuerung knüpft an einen fingierten Veräußerungsgewinn1 an und berücksichtigt damit nicht die steuerliche Leistungsfähigkeit.2 § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG sieht daher folgerichtig in dieser Besteuerung eine sachliche Härte mit der Folge, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen die auf den fiktiven Veräußerungsgewinn geschuldete Einkommensteuer für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren zu stunden ist. Nach § 6 Abs. 4 Satz 3 AStG ist entsprechend der in § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG vorgesehenen Frist eine Stundung auf die Dauer von längstens zehn Jahren zulässig. Für die ersten fünf Jahre ist die Stundung hierbei ohne Tilgung der Steuerschuld möglich, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, innerhalb der Frist wieder unbeschränkt steuerpflichtig werden zu wollen. Anschließend kann er eine tilgungsfreie Stundung auf weitere fünf Jahre erhalten, wenn er glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind und seine Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht (§ 6 Abs. 4 Satz 3 AStG). Sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 AStG erfüllt, hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf Stundung. Im Gegensatz zu § 222 AO ist § 6 Abs. 4 AStG damit keine Ermessensvorschrift. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG ist die Stundung bei endgültigem Wohnsitzwechsel ins Ausland nur gegen Sicherheitsleistung zulässig. Ist dagegen der Wohnsitzwechsel nur ein vorübergehender, kann die Stundung auch ohne Sicherheitsleistung angeordnet werden, wenn der Steueranspruch als nicht gefährdet erscheint. Die Art der Sicherheitsleistung richtet sich nach § 241 AO. Werden die Anteile während des Stundungszeitraums veräußert, ist gegebenenfalls die Stundung zu widerrufen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 AStG i.V. mit § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO). Da § 6 Abs. 4 AStG keine besondere Zinsregelung enthält, richtet sich die Verzinsung nach § 234 AO. Der Steuerpflichtige hat gem. § 6 Abs. 4 AStG zwar keinen Anspruch auf zinslose Stundung;3 da die Stundung nach der Wertung des § 6 Abs. 4 AStG die Regel und die sofortige Einziehung der Steuer die Ausnahme darstellt, ist unter den Voraussetzungen des § 234 Abs. 2 AO aber regelmäßig auf die Zinsen zu verzichten.4 b) Wegzug in EU-/EWR-Staaten

5.383 § 6 Abs. 5 AStG enthält für den Wegzug in EU-/EWR-Staaten Sonderregelungen, die im Wesentlichen auf eine erweiterte Stundungsmöglichkeit der durch den Wegzug ausgelösten Steuer gerichtet ist. Im Hinblick 1 Besteuerung von Solleinkommen. 2 Zur Vereinbarkeit der Wegzugsbesteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Schaumburg in FS Tipke, 125 (141 f.). 3 BFH v. 16.10.1991 – I R 145/90, BStBl. II 1992, 321. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG Rz. 87c; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 173; ähnlich Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 74; Lempenau in B/K/L/M/R, § 6 AStG Rz. 43.

264

E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

darauf ist § 6 Abs. 5 AStG gegenüber § 6 Abs. 4 AStG lex specialis mit der Folge, dass § 6 Abs. 4 EStG im Wesentlichen die Steuerstundung bei Wegzug in Drittstaaten betrifft. Die speziell für den Wegzug in EU-/EWRStaaten normierte Stundungsmöglichkeit geht auf die EuGH-Rechtsprechung1 zurück, wonach in Orientierung an der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) eine Wegzugssteuer zwar festgesetzt werden darf, diese aber ohne Sicherheitsleistung und ohne Festsetzung von Ratenzahlungen zeitlich unbegrenzt zinslos zu stunden ist. Die erweiterte Stundungsmöglichkeit kann nur von EU-/EWR-Staatsangehörigen in Anspruch genommen werden. Entfällt während des Stundungszeitraums die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit, ist die Stundung wegen Wegfalls einer Tatbestandsvoraussetzung zu widerrufen, ohne dass die Widerrufsgründe des § 6 Abs. 5 Satz 4 AStG im Einzelnen vorliegen müssen.2 Voraussetzung für die Stundung ist ferner, dass der Wegziehende nach der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im betreffenden Zuzugsstaat eine der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 AStG). Entfällt auch diese Voraussetzung während des Stundungszeitraums, ist ebenfalls die Stundung zu widerrufen.3 Voraussetzung ist schließlich, dass die Amtshilfe und die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind (§ 6 Abs. 5 Satz 2 AStG). Angesprochen ist hier insbesondere Liechtenstein, das eine entsprechende Beitreibungshilfe nicht gewährt.4

5.384

§ 6 Abs. 5 AStG ist zwar gegenüber § 6 Abs. 4 AStG lex specialis, beide 5.385 Vorschriften können gleichwohl für zeitlich hintereinander geschaltete Zeiträume zur Anwendung kommen. Verzieht der Steuerpflichtige etwa zunächst in einen Drittstaat und von dort in einen EU-/EWR-Staat, so ist zunächst die Stundung gem. § 6 Abs. 4 AStG und sodann die erweiterte Stundung gem. § 6 Abs. 5 AStG möglich.5 Die erweiterte Stundung kommt nicht nur für den Wegzug selbst, sondern auch für die Ersatztatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 AStG in Betracht (§ 6 Abs. 5 Satz 3 AStG). Für den Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG hat der Gesetzgeber allerdings eine auf Europa bezogene Sonderregelung offenbar für entbehrlich gehalten.6 Im Einzelnen: § 6 1 EuGH v. 11.3.2004 – RS C 9/02 – de Lasterie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 209; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 247; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 184. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 210; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 194. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 217; zu europarechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Intemann, NWB 2008, F. 2, 10101 (10106). 5 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 216. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 228; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 505; Häck in Haase, § 6 AStG, Rz. 199 mit Hinweis auf eine gebotene Stundung gem. § 222 AO.

265

Kapitel 5 Einkommensteuer

Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG ermöglicht die erweiterte Stundung auch in dem Fall, dass etwa der nicht unbeschränkt steuerpflichtige Beschenkte oder Erbe in einem EU-/EWR-Staat eine der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt. Voraussetzung ist allerdings nicht, dass der Beschenkte oder Erbe zugleich die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit besitzen.1 Dass etwa der Erbe Mitglied einer Erbengemeinschaft ist, spielt keine Rolle.2 Die erweiterte Stundung gilt ferner in dem Fall, in dem ein unbeschränkt Steuerpflichtiger wegzugsbedingt eine weitere unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU-/ EWR-Staat begründet und abkommensrechtlich dort als ansässig gilt mit der Folge, dass etwaige Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen der deutschen Besteuerung entzogen sind (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG).3 Im Unterschied zu § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG ist Voraussetzung für die erweiterte Stundung, dass der Wegzügler die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit besitzt. Damit reicht auch eine deutsche Staatsangehörigkeit aus. Schließlich kann die erweiterte Stundung auch dann in Anspruch genommen werden, wenn die Kapitalanteile in einen Betrieb oder eine Betriebsstätte im EU-/EWR-Gebiet eingelegt werden (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG).

5.386 Ob eine erweiterte Stundung nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 AStG in Betracht kommt, beurteilt sich im Wesentlichen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Wegzuges oder spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für bestimmte nachträgliche Ereignisse ist die erweiterte Stundung allerdings zu widerrufen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 AStG). Der Widerruf ist nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt, sondern zwingend vorgeschrieben.4 Die erweiterte Stundung ist hiernach zu widerrufen, soweit der Steuerpflichtige oder sein Rechtsnachfolger (Beschenkter, Erbe) die Kapitalanteile veräußert oder verdeckt in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft einlegt (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die betreffende Kapitalgesellschaft aufgelöst oder deren Kapital herabgesetzt wird.5 Hierzu enthält § 6 Abs. 5 Satz 5 AStG insoweit eine Besonderheit, als auf Antrag Verschmelzung (§ 11 UmwStG), Spaltung (§ 15 UmwStG) und der Anteilstausch (§ 21 UmwStG) nicht als Veräußerung gelten, wenn die vorgenannten Umwandlungsvorgänge steuerneutral gestaltet werden können, wenn insbesondere die erhaltenden Anteile nach §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UmwStG mit den Anschaffungskosten der bisherigen Anteile angesetzt werden könnten.6 Mit dieser Regelung soll die durch das Umwandlungssteuergesetz an sich gewährleistete Steuerneu1 Vgl. dagegen den Wortlaut in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 219; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 196; dagegen Eu-/EWR-Staatsangehörigkeit verlangend Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 500. 2 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 220. 3 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 230; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 510. 5 Verweis auf § 17 Abs. 4 EStG. 6 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 249 ff.

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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

tralität auch für den Wegziehenden oder seinen Rechtsnachfolger erhalten bleiben.1 Für den Fall der Anteilsveräußerung nach Wegzug enthält schließlich auch § 6 Abs. 6 AStG eine Sonderregelung, die darauf gerichtet ist, eine Überbesteuerung zu vermeiden. Eine derartige Überbesteuerung ist insbesondere dann möglich, wenn der im Zeitpunkt des Wegzugs angesetzte gemeine Wert der Anteile im Falle der nachträglichen Veräußerung den erzielten Kaufpreis übersteigt, wenn also zwischenzeitlich Wertminderungen eingetreten sind. Damit erfolgt zum Zeitpunkt des Widerrufs der Stundung, also zum Zeitpunkt der Veräußerung, eine Anpassung an den tatsächlich erzielten Veräußerungspreis. Voraussetzung ist allerdings, dass der Zuzugsstaat seinerzeit für Zwecke der dortigen Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht auf den Zuzugswert, sondern etwa auf die historischen Anschaffungskosten abstellt, damit im Ergebnis die Wertminderung steuerlich nicht berücksichtigt wird. (§ 6 Abs. 6 Satz 1 AStG).2 Die vorgenannte Anpassung3 hängt davon ab, dass nachgewiesen wird, dass die durch Veräußerung realisierte Wertminderung betrieblich veranlasst und nicht etwa ausschüttungsbedingt ist (§ 6 Abs. 6 Satz 2 AStG). Die veräußerungsbedingte Wertminderung ist nur höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses zu berücksichtigen, der der Steuerfestsetzung gem. § 6 Abs. 1 AStG zugrunde gelegt wurde. Die anlässlich des Widerrufs der erweiterten Stundung gebotene reduzierte Wegzugsbesteuerung, die zu einer Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides führt, hat eine Parallele in dem Fall, in dem die durch Veräußerung realisierte Wertminderung auf Gewinnausschüttungen beruht: § 6 Abs. 6 Satz 4 AStG eröffnet die Möglichkeit der Anrechnung inländischer Kapitalertragsteuer auf die durch Widerruf der Stundung (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG) fällig gestellte Einkommensteuer, falls die durch Veräußerung realisierte Wertminderung steuerlich unberücksichtigt geblieben ist. Insoweit wird eine Doppelbesteuerung der Gewinnausschüttungen einerseits und der Veräußerungsgewinne andererseits vermieden.4 Die Anrechnung der inländischen Kapitalertragsteuer unterliegt einerseits einer Höchstbetragsregelung dahingehend, dass nur bis zur Höhe der entsprechenden Wegzugssteuer angerechnet werden darf, sie ist aber andererseits zeitlich unbefristet. Ein weiterer Widerrufsgrund ist ferner dann gegeben, wenn die Kapitalanteile nach Wegzug auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen übergehen, die nicht in einem EU-/EWR-Staat einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 AStG). Angesprochen ist insbesondere der 1 Hierzu Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 530. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 278 f.; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 235. 3 Änderung des Steuerbescheids auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 2 AO (§ 6 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 AStG). 4 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 295; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 590 f.

267

5.387

Kapitel 5 Einkommensteuer

Übergang der Kapitalanteile von Todes wegen oder durch Schenkung auf Personen in Drittstaaten.1

5.388 Ein weiterer Widerrufsgrund ist in § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 AStG für den Fall enthalten, dass die Kapitalanteile aus dem Betriebsvermögen entnommen oder durch einen anderen Vorgang der Ansatz mit dem Teilwert oder dem gemeinen Wert veranlasst wird. Dieser Widerrufsgrund ist stets verknüpft mit der eine Wegzugsbesteuerung aulösenden Einlage der Anteile in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG) und der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Steuerstundung ohne Sicherheitsleistung in EU-/EWR-Fällen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG). Im Wesentlichen geht es darum, dass im Falle der Entnahme dieser Anteile in das Privatvermögen die Stundung zu widerrufen ist, so dass es bei der festgesetzten Einkommensteuer verbleibt. Hier besteht allerdings ein Wertungsüberhang in den Fällen, in denen bei fort bestehender unbeschränkter Steuerpflicht die deutsche Besteuerung gem. § 17 Abs. 1 EStG sowie nach Abkommensrecht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) uneingeschränkt erhalten bleibt.2

5.389 Der Widerruf der Stundung erfolgt schließlich auch dann, wenn weggezogene EU-/EWR-Staatsangehörige durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts keiner der deutschen Einkommensteuer vergleichbaren Steuer mehr unterliegen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 AStG). Dieser Widerrufstatbestand unterstellt, dass zunächst eine vergleichbare Steuerpflicht bestand, die nachträglich durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes entfallen ist. Angesprochen sind damit insbesondere Fälle, in denen der Steuerpflichtige von einem EU-/ EWR-Staat in einen anderen verzieht, in dem eine vergleichbare Steuerpflicht nicht gegeben ist.3

5.390 Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass bereits ergangene Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO zu ändern sind (§ 6 Abs. 5 Satz 7 AStG), wobei auf Grund der in § 6 Abs. 5 Satz 7 Halbs. 1 AStG getroffenen Sonderregelung der steuerlich nunmehr erfasste Vermögenszuwachs rückwirkend bei der Anwendung des § 10d EStG zu berücksichtigen ist.

5.391 Um sicher zu stellen, dass die Finanzbehörden zeitnah die in Betracht kommenden Widerrufsgründe in Erfahrung bringen, enthält § 6 Abs. 7 AStG umfangreiche Mitteilungspflichten. Hiernach ist der weg ziehende Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger verpflichtet, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung eines der Widerrufsgründe mitzuteilen (§ 6 Abs. 7 Satz 1 AStG). Darüber hinaus hat er auch bis zum Ablauf des 31. Januar jeden Jahres schriftlich seine am Ende 1 Im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 239 ff.; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 274; Häck in Haase, § 6 AStG Rz. 213. 2 Hier hätte es näher gelegen, die Wegzugsbesteuerung rückgängig zu machen; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 243. 3 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 6 AStG, Rz. 247.

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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

des Vorjahres geltende Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Kapitalanteile ihm oder im Fall der unentgeltlichen Rechtsnachfolge unter Lebenden seinem Rechtsnachfolger weiterhin zuzurechnen sind. Wird die vorgenannte Mitteilungspflicht verletzt, kann die Finanzbehörde die Stundung widerrufen (§ 6 Abs. 7 Satz 5 AStG).

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Kapitel 6 Körperschaftsteuer A. Unbeschränkte Steuerpflicht I. Wohnsitzprinzip Literatur Kommentare zu § 1 KStG; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. Köln 2005, Rz. B 45.

6.1 Ebenso wie das Einkommensteuergesetz folgt auch das Körperschaftsteuergesetz dem international üblichen Wohnsitzprinzip, wonach die unbeschränkte Steuerpflicht an den Ort der Geschäftsleitung oder an den Sitz (Satzungssitz) anknüpft (§ 1 Abs. 1 KStG). Während das sich an tatsächlichen Verhältnissen orientierende Anknüpfungsmerkmal der Geschäftsleitung mit dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt natürlicher Personen vergleichbar ist, wird mit dem Sitz an ein Merkmal in rein rechtlicher Hinsicht angeknüpft. Es entspricht der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen.

II. Geschäftsleitung Literatur Kommentare zu § 10 AO und § 1 KStG; Felix, Der Ort der Geschäftsleitung im Steuerrecht, DStR 1962/63, 421; Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 1990, 325; Lechner, Ort der Geschäftsleitung von inländisch beherrschten ausländischen Gesellschaften, in FS für Stoll, Wien 1990, 395; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. Köln 2005, Rz. 359; Neher, Widersprechen sich Finanzgerichtsbarkeit und Zivilgerichte in der Frage des Orts der Geschäftsführung ausländischer GmbH-Geschäftsführer?, GmbHR 1980, 64; Raupach, Globalisierung – unternehmensrechtliche und unternehmenssteuerrechtliche Probleme bei übergreifenden Märkten, JbFSt 1994/95, 419; Schaumburg/Schloßmacher, Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Fragen polyzentrischer und virtueller Unternehmen, in Lutter/Scholz/Sigle (Hrsg.), FS für Peltzer, Köln 2001, 389; Schröder, Gesellschafter und Ort der Geschäftsleitung, StBp. 1980, 97.

6.2 Nach der Legaldefinition des § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Das ist der Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird.1 Bei einer an mehreren Orten tä-

1 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622.

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A. Unbeschränkte Steuerpflicht

tigen Geschäftsführung ist der gem. § 10 AO maßgebliche Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung da, wo sich die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet.1 Sind kaufmännische und technische Leitung getrennt, ist auf den Ort der kaufmännischen Leitung abzustellen.2 Gibt es mehrere Orte der kaufmännischen Leitung, ist derjenige Ort maßgeblich, an dem die wichtigsten Entscheidungen getroffen werden. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 10 AO „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ gibt es somit stets nur einen einzigen Ort der Geschäftsleitung,3 der sich allerdings gerade bei polyzentrischen Unternehmen in der Praxis nur sehr schwer bestimmen lässt.4 Es kommt allein darauf an, wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einigem Gewicht angeordnet werden.5 Das ist regelmäßig der Ort, an dem die zur Verwertung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführungstätigkeit entfalten, d.h., an dem sie die tatsächlichen organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte).6 Unbeachtlich ist mithin, wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden oder die angeordneten Maßnahmen auszuführen sind.7 Der Ort der nach außen hin erkennbaren Verwaltung muss daher örtlich nicht identisch sein mit dem Ort der geschäftlichen Oberleitung, der im Zweifel dort ist, wo sich das Büro des Geschäftsführers oder Vorstandes befindet.8 Nimmt der Geschäftsführer (Vorstand) seine Geschäfte von seiner Wohnung aus wahr, ist dort der Ort der Geschäftsleitung.9 Die Ausübung von gesellschaftsrechtlichem Einfluss auf die Geschäftsführer, etwa im Rahmen derjenigen Befugnisse, die dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§ 111 AktG) oder den Gesellschaftern einer GmbH (§ 46 GmbHG) zustehen, hat auf den Ort der Geschäftsleitung grundsätzlich keinen Einfluss.10 Die Einwirkung auf die Geschäftsfüh1 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 2 BFH v. 3.8.1977 – I R 128/75, BStBl. II 1977, 857; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554. 3 Diese in der Praxis wenig bedeutsame Frage ist allerdings streitig; vgl. hierzu den Überblick bei Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 9. 4 Hierzu Raupach, JbFSt 1994/1995, 419 f.; Schaumburg/Schloßmacher in FS Peltzer, 389 ff. 5 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/ NV 1990, 353; v. 21.9.1989 – V R 32/88, BFH/NV 1990, 688; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 6 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. 7 Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 2a; Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 47. 8 BFH v. 29.4.1987 – X R 16/81, BFH/NV 1988, 64; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 9 RFH v. 3.7.1934, RStBl. 1934, 1078; BFH v. 13.7.2006 – IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804; Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 2 m.w.N. 10 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; im Einzelnen Schröder, StBp. 1980, 97 ff.

271

6.3

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

rung muss vielmehr über die fallweise Beeinflussung hinausgehen und sich auf den täglichen Geschäftsablauf erstrecken. Daher befindet sich bei Organgesellschaften der Ort der Geschäftsleitung nur dann am Ort der Geschäftsleitung des Organträgers, wenn die Organgesellschaft nach Art einer Betriebsabteilung des Organträgers geführt wird.1 Die bloße Verwaltung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, etwa durch Holdinggesellschaften,2 ist demgegenüber für § 10 AO ebenso wenig von Bedeutung wie der einheitliche Betätigungswille bei Betriebsaufspaltungen.3 Nicht selten werden bei im Ausland domizilierenden Gesellschaften ohne eigenen Geschäftsbetrieb die Geschäfte von den im Inland ansässigen Gesellschaftern oder durch von ihnen bestimmte Personen vom Inland aus dadurch geführt, dass sie über ihre gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten hinaus die tatsächliche Geschäftsführung an sich ziehen. Daher stehen insbesondere „ausländische“ Briefkastengesellschaften, Basisgesellschaften (Rz. 10.23 ff.) und Holdinggesellschaften aus der Sicht der deutschen Finanzverwaltung in besonderem Maße im Verdacht, im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig zu sein.

III. Sitz Literatur Kommentare zu § 11 AO und § 1 KStG.

6.4 Gemäß § 11 AO hat eine juristische Person ihren Sitz4 an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist (statutarischer Sitz).5 Angeknüpft wird damit an ein juristisches Merkmal. Insoweit entspricht der Sitz juristischer Personen dem zivilrechtlichen, nicht aber dem steuerrechtlichen Wohnsitz natürlicher Personen.

6.5 Geschäftsleitung und Sitz stehen als Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG gleichrangig nebeneinander.

1 BFH v. 26.5.1970, BStBl. II 1970, 759; Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 6. 2 Hierzu Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 10; Lechner in FS Stoll, Wien 1990, 395 (400). 3 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 8 m.w.N. 4 Der zivilrechtliche Begriff Verwaltungssitz ist der Ort, an dem die Geschäftsführungsentscheidungen umgesetzt werden; BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, NJW 1986, 2194 (entspricht eher dem steuerlichen Begriff der Geschäftsleitung; BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; Lambrecht in Gosch2, KStG, § 1 Rz. 47, Knobbe-Keuk, ZHR 1990, 325 (355). 5 §§ 5 und 278 AktG, § 4a GmbHG, § 6 GenG, § 18 VAG, §§ 24, 57 und 80 BGB.

272

A. Unbeschränkte Steuerpflicht

IV. Inland Ebenso wenig wie das Einkommensteuergesetz enthält auch das Körperschaftsteuergesetz einen eigenständigen Inlandsbegriff (vgl. § 1 Abs. 3 KStG). Es gelten die allgemeinen Grundsätze (Rz. 5.28 ff.).

6.6

V. Subjektsqualifikation1 Literatur Kommentare zu §§ 1 und 3 KStG; Debatin, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, Hamburg 1990; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, München 1995; Hausmann/ Raupach u.a., Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften?, München 1988; Höft, Identitätswahrende Verwaltungssitzverlegung, Köln/Berlin/Bonn/München 1992; IFA, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmen, CDFI LXXIIIa, Deventer 1988; Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. Köln 2005, Rz. 348; Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl. Tübingen 1976; Panthen, Der „Sitz“-Begriff im internationalen Gesellschaftsrecht, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1988; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften, Hamburg 1987; Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005, 403; Schnittker, Gesellschafts- und steuerrechtliche Behandlung einer englischen United Liability Partnership mit Verwaltungssitz in Deutschland, Diss. Köln 2006; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Stein, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften, Lohmar/Köln 2007.

Die Einordnung von nach inländischem Recht errichteten Körperschaften in § 1 Abs. 1 KStG bereitet keine Schwierigkeiten, weil diese Vorschrift eine Aufzählung insbesondere aller Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) enthält und zudem über § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KStG weitere Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erfasst und somit keine Regelungslücke lässt. Anders ist es indessen mit der Subjektsqualifikation von nach ausländischem Recht errichteten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Hier gilt im Ergebnis folgendes: Sind nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften2 mit Ort der Geschäftsleitung im Inland körperschaftlich strukturiert und mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Gesellschaften deutschen

1 Der Begriff „Qualifikation“ stammt zwar aus dem Internationalen Privatrecht, wo er im Zusammenhang mit Kollisionsnormen Bedeutung erlangt (vgl. Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts2, 351 ff.); er hat aber auch das Internationale Steuerrecht mit allerdings unterschiedlichen Begriffsdeutungen (vgl. Vogel in V/L5, Einl. Rz. 151 ff.) erobert. Dieser Begriff steht hier im Sinne von „Einordnung“ oder „Bestimmung“. 2 Der Klammerzusatz in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Kapitalgesellschaften („insbesondere“).

273

6.7

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

Rechts vergleichbar,1 sind sie als Kapitalgesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG2 unbeschränkt steuerpflichtig. Sind sie dagegen mit Personengesellschaften deutschen Rechts vergleichbar, unterliegen nicht die Gesellschaften selbst, sondern ihre Gesellschafter der Besteuerung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften sind daher, soweit sie körperschaftlich strukturiert sind, stets Körperschaftsteuersubjekte und damit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland den Ort ihrer Geschäftsleitung haben. Damit entspricht § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV), wie sie für den Zuzug von Kapitalgesellschaften durch die Rechtsprechung des EuGH3 konkretisiert worden ist. Die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt hat unabhängig davon zu erfolgen, ob nach den Regeln des internationalen Gesellschaftsrechts die Sitz- oder Gründungstheorie zur Anwendung kommt.4 Damit ist auch unerheblich, ob die ausländische Gesellschaft aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts Rechtsfähigkeit hat oder nicht. Entscheidend ist allein, ob die ausländische Gesellschaft nach Maßgabe des ausländischen Rechts die Rechtsfähigkeit besitzt.5 Die vorstehenden Grundsätze gelten, da § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG insoweit nicht differenziert, auch für in Drittstaaten errichtete Rechtsträger mit der Folge, dass diese auch dann Körperschaftsteuersubjekte sind, wenn ihnen nach Maßgabe des deutschen internationalen Privatrechts in Orientierung an die Sitztheorie die Rechtsfähigkeit versagt wird.6 Diese Grundsätze finden Anwendung nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern auch für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KStG aufgeführten Rechtsträger. So unterliegen dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG nicht nur rechtsfähige und nicht rechtsfähige Genossenschaften deutschen Rechts,7 sondern auch nach ausländischem Recht errichtete Genossenschaften, wenn sie ihrer Struktur nach einer Genossenschaft deutschen Rechts entsprechen. 1 Zu den einzelnen Merkmalen des maßgeblichen Typenvergleichs BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 17.5.2000 – I R 19/98, BStBl. II 2000, 619; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234; BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411 (zur LLC). 2 Vgl. BFH v. 15.7.1998 – I B 134/97, BFH/NV 1999, 372; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 29.1.2003 – I R 6/99, BFH/NV 2003, 969; Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 108; Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 31; Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (411 ff.). 3 EuGH v. 9.3.1999 – RS. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155. 4 Altendorfer in H/H/R, § 1 KStG Rz. J 06-3; Kalbfleisch in Ernst & Young, § 1 KStG Rz. 45, Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 31; Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (411 ff.). 5 Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 109; anderenfalls erfolgt die Subsumtion ggf. unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. 6 So etwa von in der Schweiz errichteten Kapitalgesellschaften; vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn). 7 Namentlich Erwerbs- und Erzeugergenossenschaften; hierzu Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 75.

274

B. Beschränkte Steuerpflicht

Auch rechtsfähige Vereine und rechtsfähige privatrechtliche Stiftungen ausländischen Rechts können gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein, sofern sie im Inland ihre Geschäftsleitung haben. Entsprechendes gilt schließlich auch für nicht rechtsfähige Vereine und nicht rechtsfähige Stiftungen ausländischen Rechts. Sie werden von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst, wenn sie mit den entsprechenden Rechtsträgern deutschen Rechts vergleichbar sind. Dies gilt in besonderer Weise für ausländisches Zweckvermögen, etwa Trusts,1 sofern die vom Trust erzielten Einkünfte nicht dem Stiftungs- oder Treugeber zuzurechnen sind.2

VI. Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht ist ebenso wie die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht auf die Besteuerung des Welteinkommens gerichtet. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG gilt insoweit auch die Grundlagennorm des § 2 Abs. 1 EStG.3 Wegen dieser Verweisung kommen auch diejenigen Vorschriften zur Anwendung, die zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips führen (Rz. 5.61 ff.). Nicht anwendbar sind lediglich solche Vorschriften, die speziell auf die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens natürlicher Personen ausgerichtet sind oder aber auf die persönlichen Verhältnisse dieser Personen abstellen.4

B. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 KStG; Crezelius, Organschaft und Ausland, in FS für Beusch, Berlin/New York 1993, 153; Eckert, Besteuerung von Dividenden an Steuerausländer, IStR 2003, 406; Grotherr Organschaftsfragen bei Auslandsbeziehungen, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 757; Herzig/Dautzenberg, Die Einwirkungen des EG-Rechts auf das deutsche Unternehmenssteuerrecht, DB 1997, 8; Kessler, Internationale Organschaft in Dänemark, IStR 1993, 303; Ley, Besteuerung ausländischer Kapitalgesellschaften, Betriebsstätten und Personengesellschaften, KÖSDI 1995, 10414; Lüdicke, Grenzüberschreitende Beteiligungs- und Zinserträge, DStJG 30 (2007), 289; Lühn, Kapitalertragsteuerabzug bei beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen, PIStB 2009, 321; Rust, Anforderungen an eine EG-rechtskonforme Dividendenbesteuerung, DStR 2009, 2568; Schaumburg in Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003, 419; Schlütter, Personengesellschaft oder Körperschaft?, DStJG 8 (1985), 215; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte der neuen Regelungen über die Kapitalertragsteuer, IStR 2007, 850. 1 2 3 4

Vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388. Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 92. Vgl. BFH v. 15.7.1987 – I R 280/81, BStBl. II 1988, 75. Hierzu Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 18.

275

6.8

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

I. Allgemeines 6.9 Im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht wird im Körperschaftsteuerrecht nach Maßgabe des § 2 KStG zwischen zwei Gruppen beschränkter Steuerpflicht unterschieden, nämlich zwischen – Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben (§ 2 Nr. 1 KStG) und – sonstigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 2 Nr. 2 KStG).

6.10 Lediglich die erste Fallgruppe bildet eine Parallele zu der in § 1 Abs. 4 EStG normierten beschränkten Einkommensteuerpflicht. Ebenso wie in § 1 Abs. 4 EStG sind auch in § 2 Nr. 1 KStG Steuersubjekt und Steuerobjekt miteinander verkoppelt, so dass eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nur dann gegeben ist, wenn zugleich inländische Einkünfte bezogen werden (Rz. 6.17 ff.).

6.11 Soweit das Körperschaftsteuergesetz selbst keine Einschränkungen enthält, sind dessen Normen unterschiedslos sowohl im Rahmen der unbeschränkten als auch der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht anzuwenden. Zu den bedeutsamen Ausnahmen zählt insbesondere § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG, wonach die in § 5 Abs. 1 KStG genannten Steuerbefreiungen für beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige i.S. von § 2 Nr. 1 KStG nicht anzuwenden sind.1

6.12

§ 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG bedeutet keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, weil Art. 3 Abs. 1 GG keine Anwendung auf nach ausländischem Recht errichtete juristische Personen findet.2 § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG verstößt auch nicht gegen das in den DBA verankerte Diskriminierungsverbot (Art. 24 Abs. 1 OECD-MA), wonach die Besteuerung der Staatsangehörigen des anderen Staates nicht anders oder belastender sein darf als die Besteuerung der eigenen Staatsangehörigen unter gleichen Verhältnissen. Das sich aus dem Diskriminierungsverbot ableitende Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich zwar auch auf Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen und Steuerermäßigungen,3 es findet seine Einschränkung aber in dem Vergleichsmaßstab gleicher Verhältnisse, so dass letztlich das bilaterale Diskriminierungsverbot deshalb nicht tangiert ist, weil die steuerliche Differenzierung ausschließlich an die Ansässigkeit der Körperschaftsteuersubjekte anknüpft.4 Indessen ist ein Ver1 Ausnahme § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für in EU-/EWR-Staaten ansässige Rechtsträger, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. 2 BVerfG v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 (209); BFH v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; v. 3.8.1983 – II R 20/80, BStBl. II 1984, 9; zu Einzelheiten Sachs5, Art. 19 GG Rz. 57 ff.; zur Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde durch EU-Kapitalgesellschaften von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Art. 12 EG Rz. 48; Sachs5; Art. 19 GG Rz. 5.5. 3 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 4 BFH v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; Jost in D/E/J/W, § 5 KStG Rz. 109; Streck7, § 5 KStG Rz. 6; Frotscher in Frotscher/Maas, § 5 KStG Rz. 113.

276

B. Beschränkte Steuerpflicht stoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) gegeben (Rz. 4.12 ff.). Denn § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG geht ausschließlich zu Lasten von nach ausländischem Recht errichteten Körperschaftsteuersubjekten. Da der Gesetzgeber gewöhnlich eine Korrektur europarechtswidriger Normen erst dann und nur insoweit vornimmt, als er durch eine Entscheidung des EuGH hierzu genötigt wird, ist bislang allein § 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 2 KStG an das Europarecht angepasst worden.1

Zu den Normen, die für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften nicht anwendbar sind, zählen auch die §§ 14 bis 17 und 19 KStG,2 so dass eine grenzüberschreitende Organschaft3 mit körperschaftsteuerlicher Wirkung nicht möglich ist.4 Eine Ausnahme hiervon enthält § 18 KStG, wonach auch eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft als Organträgerin in Betracht kommt, wenn sie ein gewerbliches Unternehmen mit einer im Inland im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung ist, der Gewinnabführungsvertrag unter der Firma dieser Zweigniederlassung abgeschlossen ist und die für die finanzielle Eingliederung erforderliche Beteiligung zum Betriebsvermögen der Zweigniederlassung gehört.5 Als Folge ist das Einkommen der (inländischen) Organgesellschaft den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus der Zweigniederlassung zuzurechnen. Das gilt auch für den Fall, dass der ausländische Organträger eine Personengesellschaft ist, an der (auch) unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind.6 § 18 KStG findet allerdings dann keine Anwendung, wenn Organträgerin eine nach inländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Ausland ist: Der Anwendungsbereich des § 18 KStG ist insoweit auf ausländische gewerbliche Unternehmen begrenzt, die mit ihren Einkünften aus inländischen Zweigniederlassungen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.7 § 14 KStG kommt schließlich ebenfalls nicht in Betracht, weil 1 Anpassung an EuGH v. 14.9.2006, Rs. C – 386/04 – Stauffer, EuGHE I-2006, 8203. 2 §§ 14 Satz 1, Nr. 3; 17 Satz 1 KStG. 3 Hierzu Crezelius in FS Beusch, 153 ff.; Grotherr in FS Flick, 757 ff.; Schaumburg in Herzig, Organschaft, 419 ff. 4 Anders dagegen z.B. in Dänemark und Österreich; hierzu Kessler, IStR 1993, 303 ff.; für eine Einbeziehung auch von im Ausland ansässigen Untergesellschaften als Organgesellschaften unter europarechtlichen Gesichtspunkten Herzig/ Dautzenberg, DB 1997, 8 (14). 5 Zum Problem der divergierenden Zurechnung auf Abkommensebene Schaumburg in Herzig, Organschaft, 419 (430). 6 Streck7, § 18 KStG Rz. 9; Neumann in Gosch2, § 18 KStG Rz. 7; Witt/Dötsch in D/E/J/W, § 18 KStG Rz. 6; Frotscher in Frotscher/Maas, § 18 KStG Rz. 3. 7 BFH v. 13.11.1991 – I B 72/91, BStBl. II 1992, 263; Witt/Dötsch in D/E/J/W, § 18 KStG Rz. 7; Pache in H/H/R, § 18 KStG Rz. 4, 14; Walter in Ernst & Young, § 18 KStG Rz. 7; Schaumburg in Herzig, Organschaft, 419 (430); für eine Ausdehnung des § 18 KStG auch auf unbeschränkt steuerpflichtige Rechtsträger mit Ort der Geschäftsleitung im Ausland Neumann in Gosch2, § 18 KStG Rz. 5 und Frotscher in Frotscher/Maas, § 18 KStG Rz. 6; eine Organträgerschaft für eine zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland unter dem Gesichtspunkt des abkommensrechtlichen Diskriminierungs-

277

6.13

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

§ 14 Satz 1 Nr. 2 KStG voraussetzt, dass der Organträger die Geschäftsleitung im Inland hat.

II. Steuersubjekte 6.14 Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 KStG erstreckt sich § 2 Nr. 1 KStG auf alle Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Damit ist der Kreis der Steuersubjekte weit gezogen, so dass alle ausländischen juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts sowie die ausländischen nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen1 erfasst werden. Da § 2 Nr. 1 KStG auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen in seinen Regelungsbereich einbezieht, kommt es für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht nicht darauf an, ob das ausländische Rechtsgebilde nach Maßgabe des deutschen Internationalen Privatrechts Rechtsfähigkeit genießt.2 Daher kann eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft ausländischen Rechts stets der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.3

6.15 Ausländische nichtrechtsfähige Personenvereinigungen fallen nur dann unter den Regelungskreis des § 2 Nr. 1 KStG, wenn deren Einkommen nicht mittelbar bei den Gesellschaftern zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer heranzuziehen ist (§ 3 Abs. 1 KStG). Für ausländische Personenhandelsgesellschaften folgt hieraus, dass diese nur dann beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn sie aufgrund eines Typenvergleichs4 einer Körperschaft entsprechen.5

6.16 Da gem. § 2 Nr. 1 KStG nur solche Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, kommen letztlich nur nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften für die beschränkte Steuerpflicht in Betracht.

1 2 3 4 5

verbotes (Art. 24 OECD-MA), BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BFH/NV 2003, 969; hierzu Rust, IStR 2003, 658 ff.; Micker, DB 2003, 2734 ff. Hierzu zählen unter bestimmten Voraussetzungen auch Trusts; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. Sitz- oder Gründungstheorie spielen hier also von vorneherein keine Rolle. Vgl. hierzu den Überblick über die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle bei Lambrecht in Gosch2, § 2 KStG Rz. 17. Hierzu im Einzelnen Schnittker, in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 4.5 ff. Aufgrund dieses Typenvergleiches sind insbesondere die Personenhandelsgesellschaften des romanischen Rechtskreises nicht beschränkt körperschaftsteuerpflichtig; vgl. hierzu den Überblick bei Bornheim in H/H/R, § 2 KStG Rz. 27.

278

B. Beschränkte Steuerpflicht

III. Inländische Einkünfte Da § 2 Nr. 1 KStG keine Aussage darüber trifft, was als inländische Einkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt, gilt über § 8 Abs. 1 KStG der in § 49 Abs. 1 EStG enthaltene Einkünftekatalog auch für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht.1 Nicht zur Anwendung kommt allerdings § 8 Abs. 2 KStG mit der Folge, dass nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Rechtsträger grundsätzlich alle Arten von Einkünften erzielen können.2 Steuerlich erhebliche Einkünfte sind allerdings nur dann gegeben, wenn die entsprechende Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen wird.3 Daher sind für die Qualifizierung der inländischen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht die gleichen Grundsätze wie bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht anzuwenden. Das gilt insbesondere für die sich aus § 49 Abs. 2 EStG ergebende isolierende Betrachtungsweise, wonach im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale (Tatbestandsmerkmale) außer Betracht bleiben, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) nicht angenommen werden könnten (Rz. 5.130 ff.). Die Reichweite des § 49 Abs. 2 EStG ist indessen beschränkt, weil in jenen Fällen, in denen die Einkunftsart nicht losgelöst vom Steuersubjekt bestimmt werden kann, auf im Ausland verwirklichte Tatbestandsmerkmale zurückgegriffen werden muss. Das gilt insbesondere für Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG), aus nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), aus Leistungen gesetzlicher Rentenversicherungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und für Abgeordnetenbezüge (§ 49 Abs. 1 Nr. 8a EStG). Derartige Einkünfte können von Körperschaften ihrer Art nach nicht erzielt werden.4 Im Hinblick darauf, dass § 8 Abs. 2 KStG keine Anwendung findet, kann ein Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ohne weiteres Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielen, soweit keine Liebhaberei gegeben ist. Im Vordergrund steht in der Praxis die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die in § 49 1 BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249; zu den inländischen Einkünften im Einzelnen Rz. 5.127 ff. 2 Hierzu Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34. 3 Insoweit können beschränkt körperschaftpflichtige im Unterschied zu unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern, soweit letztere unter § 8 Abs. 2 KStG fallen, „Liebhaberei“ haben; BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; v. 19.11.2003 – I R 33/02, BFH/NV 2004, 445; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34, 39; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 72; die Rechtslage bei unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht ist allerdings streitig; zur Frage, ob § 8 Abs. 2 KStG eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung enthält Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 37 m.w.N. 4 BFH v. 30.11.1966 – I 215/64, BStBl. III 1967, 400; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771; v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828.

279

6.17

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Anknüpfungsmerkmale kommen hierbei uneingeschränkt auch für Körperschaftsteuersubjekte zur Anwendung. Dies gilt auch für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, soweit das ausländische Körperschaftsteuersubjekt als Vergütungsgläubiger (Künstlerverleihgesellschaft) für künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende und ähnliche Darbietungen eingeschaltet ist.1

6.18 Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften führen auch für ausländische Körperschaftsteuersubjekte zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG),2 wobei wegen der Bezugnahme auf § 17 EStG auch die dort genannten Veräußerungsersatztatbestände erfasst werden. Darüber hinaus erstreckt sich die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG) auch auf Kapitalanteile, die im Zuge einer Verschmelzung i.S. des § 13 Abs. 1 UmwStG erworben wurden. Voraussetzung ist, dass für die seinerzeit hingegebenen Anteile auf Antrag der Buchwert zum Ansatz kam (§ 13 Abs. 2 UmwStG). Erfasst werden ferner Kapitalanteile, die nach einem Anteilstausch i.S. des § 21 UmwStG der nachgelagerten Besteuerung gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG3 oder nach einem identitätswahrenden Wegzug in einen EU-Staat der nachgelagerten Besteuerung gem. § 17 Abs. 5 Satz 3 EStG (Rz. 6.40) unterworfen sind. Den vorgenannten Fällen ist gemeinsam, dass es sich um eine nachgelagerte Besteuerung handelt, die auch Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften erfasst.4

6.19 Der beschränkten Steuerpflicht werden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung oder aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen oder Rechten unterworfen, wenn sie von einer ausländischen Körperschaft erzielt werden, die einer inländischen Körperschaft i.S. der § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG vergleichbar ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG).5

6.20 Beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte können zwar keine Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie keine Abgeordnetenbezüge erzielen, etwas anderes gilt aber für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG)6 und insbesondere für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG), die an keine natürlichen Personen vorbehaltene Tätigkeitsmerkmale anknüpfen.

1 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; zu Einzelheiten Siegers in D/J/P/W, § 2 KStG Rz. 45 ff. 2 BFH v. 13.12.1961 – I 209/60 U, BStBl. III 1962, 85, Dieterlen in Lademann, § 2 KStG Rz. 10. 3 Betroffen sind EU-Kapitalanteile gem. Art. 8 EG-FRL. 4 Hierzu Siegers in D/J/P/W, § 2 KStG Rz. 48a. 5 Zum Typenvergleich Rz. 6.15. 6 Vgl. RFH v. 7.2.1929, RStBl. 1929, 193.

280

B. Beschränkte Steuerpflicht

IV. Veranlagung und Steuerabzug 1. Überblick Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten wird die Körperschaftsteuer entweder im Rahmen einer Veranlagung durch Steuerbescheid festgesetzt oder durch Steuerabzug an der Quelle erhoben. Soweit das Körperschaftsteuergesetz selbst keine speziellen Vorschriften enthält, gelten über § 31 Abs. 1 KStG die entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Das gilt insbesondere für die für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Vorschriften der §§ 50 und 50a EStG.1 Insoweit kann hier auf die für die beschränkte Einkommensteuerpflicht geltenden Ausführungen verwiesen werden (Rz. 5.241 ff.).

6.21

Das Körperschaftsteuergesetz enthält allerdings für beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte Sondervorschriften über den Steuerabzug vom Kapitalertrag und den Steuersatz.

6.22

2. Steuerabzug Abweichend von den in §§ 43, 43a Abs. 1 EStG genannten Kapitalertragsteuersätzen, die für die Dividenden 25 Prozent betragen, ergeben sich für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften Reduktionen auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Auf Abkommensebene wird die Quellensteuerbefugnis der Höhe nach durchweg auf 5 Prozent, 10 Prozent oder 15 Prozent begrenzt (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA),2 so dass unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 2 und 3 EStG (Freistellungsverfahren) von vornherein nur die reduzierte Kapitalertragsteuer einzubehalten ist. Gemäß § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG wird die Kapitalertragsteuer nicht erhoben,3 wenn Gläubigerin eine beschränkt körperschaftsteuerpflichtige EU-Muttergesellschaft4 ist, die im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) nachweislich seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen mindestens zu 10 Prozent unmittelbar am Nennkapital der ausschüttenden unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) beteiligt ist (§ 43b Abs. 2 EStG). Wird der vorgenannte Beteiligungszeitraum erst nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer vollendet, ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 43b Abs. 2 Satz 5 EStG). Im Hinblick darauf, 1 Das gilt auch für § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG; hierzu Loschelder in Schmidt29, § 50a EStG Rz. 12. 2 Vgl. zur deutschen Abkommenspraxis die Abkommensübersicht bei Tischbierek in V/L5; Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 3 Die Freistellung steht allerdings unter Missbrauchsvorbehalt (§ 50d Abs. 3 EStG); zu Einzelheiten Rz. 16.160 ff. 4 Gesellschaften i.S. des Art. 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG v. 23.7.1990 (ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990) über das gemeinsame Steuersystem der Mutterund Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter/TochterRichtlinie), vgl. Anlage 4 zum EStG.

281

6.23

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

dass die Kapitalertragsteuer 25 Prozent, der tarifliche Steuersatz aber nur 15 Prozent (§ 23 Abs. 1 KStG) beträgt, erfolgt gem. § 44a Abs. 9 EStG eine Erstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 2/5, um so eine Gleichbehandlung mit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern zu gewährleisten.1 Hierbei finden die Vorschriften des § 50d Abs. 1 Sätze 3 bis 9, Abs. 3 und 4 EStG entsprechende Anwendung mit der Folge, dass insbesondere die Aktivitätsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG (Rz. 16.160 ff.) erfüllt sein müssen.

6.24 Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG wird die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, im Falle der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht grundsätzlich durch den Steuerabzug abgegolten. Diese Abgeltungswirkung (Rz. 5.255 ff.) gilt dann nicht, wenn die abzugspflichtigen Einkünfte in einem inländischen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb angefallen sind (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Darüber hinaus entfällt gem. § 32 Abs. 2 KStG die Abgeltungswirkung auch in weiteren vier Fällen: – § 32 Abs. 2 Nr. 1 KStG betrifft den Fall, dass während eines Kalenderjahres sowohl unbeschränkte Steuerpflicht als auch beschränkte Steuerpflicht gegeben ist. Dies hat zur Folge, dass die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten steuerabzugspflichtigen Einkünfte in einer Veranlagung zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht mit der Maßgabe einzubeziehen sind, dass die einbehaltenen Abzugsteuern zur Anrechnung kommen.2 – Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG entfällt die Abgeltungswirkung, wenn der Gläubiger der in § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 EStG genannten Vergütungen eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer beantragt. Dieses Veranlagungswahlrecht gilt nur für EU-/EWR-Körperschaften, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Gebietes der EU/EWR befinden (§ 32 Abs. 4 KStG). Diese Regelung entspricht dem § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG (Rz. 5.262). – Die Abgeltungswirkung entfällt gem. § 32 Abs. 2 Nr. 3 KStG ferner dann, wenn die beschränkt steuerpflichtige Körperschaft als Gläubigerin von steuerabzugspflichtigen Beträgen selbst in Anspruch genommen werden könnte. Angesprochen werden hiermit insbesondere § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG, wonach ausnahmsweise der Gläubiger der Kapitalerträge in Anspruch genommen werden kann, und § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG, wenn der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat.3 – Schließlich betrifft § 32 Abs. 2 Nr. 4 KStG die Fälle, in denen die Körperschaft gem. § 38 Abs. 2 KStG nach dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren während eines Übergangszeit-

1 Hierzu Schönfeld, IStR 2007, 850 ff. 2 Diese Regelung entspricht der des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG. 3 Zu Einzelheiten Siegers in D/J/P/W, § 32 KStG Rz. 37 ff.

282

B. Beschränkte Steuerpflicht

raums Ausschüttungen vornimmt.1 Hierdurch wird gewährleistet, dass die in § 38 Abs. 2 KStG geregelte ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuererhöhung während des Übergangszeitraums weiterhin möglich bleibt. In den Fällen, in denen bei Dividenden ein Kapitalertragsteuerabzug mit Abgeltungswirkung verbleibt, ergibt sich eine Regelungsdivergenz zwischen § 8b Abs. 1 KStG und § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Gemäß § 8b Abs. 1 KStG sind nämlich Dividenden bei der Ermittlung der Einkünfte der dividendenempfangenden beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft2 außer Ansatz zu lassen, wobei gem. § 8b Abs. 5 KStG 5 Prozent der Einnahmen als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden. Ungeachtet dieser (partiellen) Freistellung ist von den Dividenden ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V. mit § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG), für den im Grundsatz die Abgeltungswirkung (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG) eingreift. Eine Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer ist für diesen Fall nicht vorgesehen.3 Bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Dividendenbezieherin könnte demgegenüber die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG), so dass insoweit eine geringere steuerliche Belastung gegeben ist.4 Im Hinblick auf diese Verwerfung,5 die letztlich auf der systemwidrigen Abgeltungswirkung beruht (Rz. 5.255 ff.), ist ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.6

6.25

Soweit die Körperschaftsteuer durch den Steuerabzug nicht abgegolten ist, gilt gem. § 23 Abs. 1 KStG für beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte einheitlich ein tariflicher Steuersatz von 15 Prozent.7

6.26

3. Erstattung und Freistellung Der Steuerabzug erfolgt im Grundsatz unabhängig davon, ob nach Maßgabe des nationalen Rechts oder des Abkommensrechts ein niedrigerer Steuersatz oder gar eine Steuerfreistellung eingreift (Rz. 5.276). In Abweichung hiervon ergibt sich für den Gläubiger von Kapitalerträgen oder Vergütungen nur die Möglichkeit, im Nachhinein die vollständige oder teilweise Erstattung einbehaltener und abgeführter Abzugsteuer oder im 1 Hierzu Siegers in D/J/P/W, § 32 KStG Rz. 46 ff. 2 § 8b Abs. 1 KStG gilt auch im Falle der beschränkten Steuerpflicht; vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 10. 3 § 50d Abs. 1 EStG findet auch nicht analog Anwendung; BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543. 4 Gleichwohl soll ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Grundfreiheit nicht vorliegen; BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 62; a.A. Rust, DStR 2009, 2568 (2574); Lüdicke, DStJG 30 (2007), 289 (304 ff.); Eckert, IStR 2003, 406 (409). 5 Lüdicke, DStJG 30 (2007), 289 (304 ff.). 6 Lühn, PIStB 2009, 321 (323). 7 Zuzüglich Solidaritätszuschlag.

283

6.27

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

Vorhinein eine entsprechende Freistellung zu beantragen (§ 31 Abs. 1 KStG i.V. mit § 50d Abs. 1 bis 6 EStG) (Rz. 5.276 ff.). Sowohl Erstattung als auch Freistellung sind u.a. nur unter den für ausländische Kapitalgesellschaften maßgeblichen Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG zulässig.1 Nach dieser auf Missbrauchsverhinderung2 gerichteten Vorschrift werden Erstattung und Freistellung von Abzugsteuern versagt, soweit an der antragstellenden Auslandsgesellschaft Personen beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und – für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder – die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder – die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftsbereich angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 11, 12 Abs. 1, 3 KStG; Aßmann, Rückwirkung bei Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 EStG?, DStR 2006, 1115; Balthasar, Die Reservenbesteuerung bei der Verlegung juristischer Personen, Bern/Frankfurt 1973; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Blumenberg, Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 559; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Eckl, Wechsel von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht bei Kapitalgesellschaften, Frankfurt a.M.; Eyles, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1990; Frobenius, „Cartesio“: Partielle Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in Europa, DStR 2009, 487; Frotscher, Zur Vereinbarkeit der „Betriebsstättenbedingung“ bei Sitzverlegung und grenzüberschreitender Umwandlung mit den Grundfreiheiten, IStR 2006, 65; Gottschalk, Beschränkung für schweizerische Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland gelten fort, ZIP 2009, 948; Hey, Personalstatut und Steuerrecht, DK 2004, 577; Hilgert/Illmer Wiederauferstehung der Sitztheorie?, NZG 2009, 94; Hofmeister, Sind die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 1 KStG mit Art. 43, 48 EG-Vertrag vereinbar?, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 1 Vgl. zu den übrigen Voraussetzungen Rz. 5.276 ff. 2 Rule-/directive shopping; hierzu Rz. 16.160 ff.

284

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht 2005, 437; Jung, Die Verlegung der Geschäftsleitung und des Sitzes deutscher Kapitalgesellschaften oder von Betriebsstätten ins Ausland, Diss. Mannheim 1968; Kessler/Huck, Steuerliche Aspekte der Gründung und Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft, DK 2006, 352; Kessler/Huck/Obser/Schmalz, Wegzug von Kapitalgesellschaften, DStZ 2004, 813; Knobbe-Keuk, Der Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und vice versa, StuW 1990, 372; Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991, 298; Köhler, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Paefgen, Cartesio: Niederlassungsfreiheit minderer Güte, WM 2009, 529; Prinz, Deutschland, ein Auswanderungsland?, JbFSt 2007/2008, 416; Rödder, Gründung und Sitzverlegung der Europäsichen Aktiengesellschaft (SE), DStR 2005, 893; Rödder, Steuerorientierte Überlegungen beim Wegzug und Zuzug von Unternehmen, Ubg. 2009, 597; Roth in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaft in Deutschland, Köln 2005, 379; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (II), GmbHR 1996, 585; Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005, 403; Schaumburg, Zuzug von Unternehmen, DK 2005, 347; Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar 2008, Steuerrecht; Teichmann, Cartesio – Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Zimmer/Naendrup, Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, NJW 2009, 545; Zisowski, Grenzüberschreitender Umzug von Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1994.

I. Überblick Der Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht betrifft im Kern den grenzüberschreitenden Wegzug und Zuzug von Körperschaftsteuersubjekten,1 womit zugleich Rechtsfragen der Steuerentstrickung und Steuerverstrickung angesprochen werden (Rz. 5.337 ff.). Steuerentstrickung und Steuerverstrickung können allerdings auch ohne Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht ausgelöst werden. Verlegt etwa eine Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung des inländischen Satzungsitzes ihre Geschäftsleitung in das Ausland, bleibt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht aufrechterhalten. In Abkommensfällen erfolgt dennoch wegzugsbedingt in aller Regel ein Wechsel in der Abkommensberechtigung (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) mit der Folge, dass das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder gar völlig aufgehoben wird, so dass auch insoweit ein Fall der Steuerentstrickung gegeben ist. Der Wegzug und Zuzug von Kapitalgesellschaften betrifft somit gleichermaßen die isolierte und simultane Verlegung von Geschäftsleitung und Satzungssitz. Über die vorgenannten Differenzierungen hinaus kommt es auch darauf an, ob der Wegzug und Zuzug einer Kapitalgesellschaft in oder aus einem 1 Nachfolgend geht es nur noch um Kapitalgesellschaften.

285

6.28

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

EU-/EWR-Staat bzw. in oder aus einem Drittstaat erfolgt. In diesem Zusammenhang ist unter dem Gesichtspunkt des Internationalen Privatrechts auch weiterhin von Bedeutung, inwieweit in dem einen oder anderen Staat die Sitz- oder Gründungstheorie1 zur Anwendung kommen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es beim Wegzug auch darauf an, ob dieser formwahrend, also unter Beibehaltung des anwendbaren Rechts, oder aber formwechselnd, also unter Änderung des anwendbaren Rechts, erfolgt. Hiernach beurteilt sich, ob der Wegzug oder Zuzug von Kapitalgesellschaften rechtlich überhaupt möglich ist.

II. Wegzug von Kapitalgesellschaften 1. Rechtliche Vorgaben

6.29 Eine grenzüberschreitende Sitzverlegung im Sinne der Verlegung des Satzungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung ist nach derzeit geltendem nationalen Recht als identitätswahrender Wegzug nur bei der SE (Art. 8 Abs. 1 SE-VO)2 und der SCE (Art. 7 Abs. 1 SCE-VO)3 mit der Maßgabe möglich, dass Sitz und Hauptverwaltung4 in ein und demselben Mitgliedstaat liegen müssen (Art. 7 SE-VO, Art. 6 SCE-VO). In allen anderen Fällen ist der Wegzug durch Verlegung des Satzungssitzes derzeit zwar nach nationalem Recht rechtstechnisch ausgeschlossen,5 auf Grund europarechtlicher Vorgaben für den Fall des formwechselnden Wegzugs aber geboten.6 Demgegenüber ist die Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung) unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes in das Ausland7 nach nationalem Recht möglich,8 was allerdings europarechtlich nicht zwingend ist.9 Dieses Problemfeld des Internationalen Privatrechts hat im Ausgangspunkt für das Steuerrecht indessen keine Bedeutung: So sind etwa nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht auch dann unterworfen, wenn sie den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben (§ 1 1 Rechtsstellung und Rechtsverhältnis der Gesellschaft richten sich bei der Sitztheorie nach dem Recht am Ort des Verwaltungssitzes und bei der Gründungstheorie nach dem Recht des Gründungsortes. 2 Societas Europea = Europäische Aktiengesellschaft = Europa-AG. 3 Societas Cooperativa Europea = Europäische Genossenschaft. 4 Entspricht in etwa Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung (§§ 10, 11 AO). 5 OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915; vgl. allerdings den Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, wonach künftig ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel zulässig werden soll (abrufbar unter http://www.bmi. bund.de/media/archive/2751.pdf.); hierzu Leuering, ZRP 2008, 73 ff.; Bollacher, RIW 2008, 200 ff. 6 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569 (obiter dictum). 7 EU/EWR-Bereich und Drittstaaten. 8 Vgl. 5 AktG, § 4a GmbHG. 9 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, 5483; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569.

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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Abs. 1 Nr. 1 KStG), also ohne Rücksicht darauf, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung1 eine derart zuziehende Gesellschaft nach Maßgabe der unverändert geltenden Sitztheorie als nichtrechtsfähige Personenvereinigung zu qualifizieren ist. Die steuerlichen Folgen einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften ergeben sich mithin losgelöst davon, durch welche Doktrin das internationale Privatrecht des einen oder anderen Staates beherrscht wird. Die steuerlichen Rechtsfolgen eines Wegzugs einer Kapitalgesellschaft sind in § 12 Abs. 1 und 3 KStG geregelt. Die dort verankerten Entstrickungsregelungen erfassen die Verlegung des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung)2 einer SE (SCE) in das EU-Ausland sowie im Übrigen die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung in das Ausland durch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften. In beiden Fallvarianten scheiden die betreffenden Kapitalgesellschaften aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht aus. Die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft in das Ausland ist dagegen, soweit es sich nicht um eine SE handelt, nach nationalem Recht im Grundsatz (noch) ausgeschlossen. Sie führt stets zur Auflösung3 mit der Folge, dass bei entsprechender Umsetzung nicht § 12 Abs. 1 KStG, sondern eine Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG eingreift. Etwas anderes gilt für den formwechselnden Wegzug, der ohne Auflösung grundsätzlich4 durch die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) gewährleistet wird.5 Von § 12 Abs. 1 KStG wird allerdings auch der Fall erfasst, dass eine Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes ihre Geschäftsleitung in das Ausland verlegt und hierdurch bei Anwendung von DBA nunmehr abkommensrechtlich als im Ausland ansässig gilt (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA).

6.30

Die Rechtsfolgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft auf Gesellschaftsebene hängen im Wesentlichen davon ab, ob der Wegzug in einen EU/EWR-Staat oder in einen Drittstaat erfolgt:

6.31

– § 12 Abs. 1 KStG betrifft den Wegzug in einen EU/EWR-Staat und in einen Drittstaat, soweit die Kapitalgesellschaft hierbei nicht aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet.

1 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn). 2 Zu den Unterschieden zwischen Verwaltungssitz und Ort der Geschäftsleitung Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 49 ff. 3 Hierzu Roth in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaft in Deutschland, 379 (395, 399). 4 Ausnahme: Vorbehalt der Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls; EuGH v. 16.12.208, Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569; zur Frage des Gläubigerschutzes und der Mitbestimmung Kindler, NZG 2009, 493 ff. 5 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569; hierzu Zimmer/ Naendrup, NJW 2009, 545 (547); Frobenius, DStR 2009, 487 (488); Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Paefgen, WM 2009, 529 (532).

287

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

– § 12 Abs. 3 KStG betrifft den Wegzug in einen Drittstaat bei Aufgabe der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht oder der inländischen Ansässigkeit i.S. des Abkommensrechts. 2. Wegzug in einen EU-/EWR-Staat1

6.32 Bei Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen EU-/EWR-Staat erfolgt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 KStG auf Gesellschaftsebene eine wirtschaftsgutbezogene Gewinnrealisierung (Entstrickung): Wird wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung und der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert. Erfasst wird durch die vorstehende Entstrickungsregelung nicht nur der Wegzug, der zum Ausscheiden aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht führt, sondern auch der Wegzug unter Beibehaltung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Damit ergeben sich drei Fallgruppen: 1. Verlegung des Satzungssitzes und des Orts der Geschäftsleitung einer SE (SCE), 2. die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-/EWR-Staat und 3. die Verlegung der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland.

6.33 Das deutsche Besteuerungsrecht wird auf Gesellschaftsebene weder ausgeschlossen noch beschränkt, soweit Wirtschaftsgüter unverändert dem inländischen Betriebsstättenvermögen der wegziehenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob ein DBA eingreift oder nicht. Dies gilt nicht, wenn Wirtschaftsgüter auf Grund der Zentralfunktion der nunmehr im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft dem ausländischen Betriebsvermögen derselben zuzuordnen sind.2 Davon sind insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter sowie Beteiligungen an nachgeschalteten Kapitalgesellschaften betroffen.3 Im Ergebnis führt das dazu, dass eine gem. § 12 Abs. 1 KStG gebotene Steuerentstrickung nur dann unterbleibt, wenn die Wirtschaftsgüter unverändert inländisches Betriebsstättenvermögen bilden. In Abkommensfällen ist hierbei auf den abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA) 1 Im Folgenden werden die Steuerfolgen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene dargestellt. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4; eine Zentralfunktion des Stammhauses ablehnend Breuninger in FS Schaumburg, 587 (606 ff.); Kumpf/ Roth, DB 2000, 741 (746); Blumers, DB 2006, 856 (857 ff.). 3 BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 2.4, 2.6.1 (c); zu Einzelheiten Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 121 ff.; Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Rz. 117 ff.

288

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

abzustellen, weil sich allein hiernach entscheidet, ob ein deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.1 Das bedeutet zugleich, dass in den vorgenannten Fällen für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betriebsstättenvermögen allein die abkommensrechtlichen Zuordnungskriterien maßgeblich sind.2 Soweit Wirtschaftsgüter einem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind, ergeben sich wegzugsbedingt keine Veränderungen, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter bereits vor dem Wegzug abkommensrechtlich durch Anwendung der Freistellungsmethode der deutschen Besteuerung entzogen waren. In den übrigen Fällen, also etwa dann, wenn überhaupt kein DBA eingreift3 oder aber vor dem Wegzug die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wurde,4 entfällt das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wegzug. Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen die wegziehende Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet, sondern auch dann, wenn wegen Verbleibens des Satzungssitzes im Inland die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zwar aufrechterhalten bleibt, die abkommensrechtliche Ansässigkeit aber in den anderen Staat wechselt.5 Darüber hinaus erfolgt schließlich auch eine Gewinnrealisierung, wenn Wirtschaftsgüter anlässlich des Wegzugs aus einem inländischen in ein ausländisches Betriebsstättenvermögen verbracht werden.6

6.34

Die auf Grund der Anwendung des § 12 Abs. 1 KStG entstehende Gewinnrealisierung unterliegt uneingeschränkt der Körperschaftsteuer. Wird allerdings die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht wegen Verbleibens des Satzungssitzes im Inland aufrechterhalten, kann die in § 4g EStG vorgesehene über fünf Jahre gestreckte Besteuerung in Anspruch genommen werden, soweit es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4g EStG).

6.35

Auf Gesellschafterebene ergeben sich durch den Wegzug der Kapitalgesellschaft folgende Rechtsfolgen: Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zum inländischen Betriebsstättenvermögen eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, erfolgt eine Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG in aller Regel deshalb nicht, weil in Abkommensfällen das deutsche Besteuerungsrecht

6.36

1 Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 118. 2 Zu diesen Zuordnungskriterien Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 f. 3 Z.B. im Fall von Liechtenstein. 4 Insbesondere auf Grund bilateraler Aktivitätsklauseln oder wegen § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG. 5 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA; zu Einzelheiten Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 103 ff. 6 Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 136; durch Ergänzung des § 12 Abs. 1 KStG im Rahmen des JStG 2010 soll die finale Entnahme (vgl. Rz. 5.346) normativ abgesichert werden.

289

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen abkommensrechtlich auch der Ansässigkeitsstaat die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft versteuern darf und Deutschland die entsprechende ausländische Steuer zur Anrechnung bringen muss.1 Greift kein DBA ein,2 wird das deutsche Besteuerungsrecht wegen der gebotenen Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG; § 26 Abs. 1 KStG) ebenfalls beschränkt. Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen, ergeben sich keine Änderungen, wenn bereits vor dem Wegzug abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungsmethode vermieden wurde (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Das deutsche Besteuerungsrecht wird demgegenüber beschränkt, wenn abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wird,3 oder überhaupt kein DBA eingreift.4

6.37 Sind die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft dem inländischen Betriebsstättenvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnen, so behält Deutschland in aller Regel sein Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 2, 21 OECD-MA), es sei denn, es erfolgt wegzugsbedingt ein Zuordnungswechsel der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft vom inländischen zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen. Greift kein DBA ein, wird das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt, soweit nach Wegzug nunmehr eine Anrechnung ausländischer Steuern gem. § 50 Abs. 3 EStG zu erfolgen hat.

6.38 Handelt es sich bei der wegziehenden Kapitalgesellschaft um eine SE (SCE), unterbleibt auf Gesellschafterebene auf Grund der Sondervorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) in Umsetzung des Art. 10d Abs. 1 FRL eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung im Betriebsvermögen des Gesellschafters. Im Falle einer späteren Veräußerung der Anteile schreibt für diesen Fall § 15 Abs. 1a EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 15 Abs. 1a EStG) vor, dass der Gewinn aus der späteren Veräußerung der weggezogenen SE (SCE) ungeachtet etwaiger DBA so zu besteuern ist, wie die Veräußerung zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte. Dieses treaty-overriding führt im Ergebnis dazu, dass auch diejenigen stillen Reserven der deutschen Besteuerung unterworfen sind, die während der Ansässigkeit der weggezogenen SE (SCE) im Ausland entstanden sind.5

6.39 Gehören die Anteile zum Privatvermögen eines unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, greift gem. § 17 Abs. 5 EStG 1 2 3 4 5

Z.B. im Fall von Tschechien, der Slowakei und Zypern. Z.B. im Fall von Liechtenstein. Z.B. im Fall von Tschechien, der Slowakei und Zypern. Z.B. im Fall von Liechtenstein. Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 168, 170 dort auch zu europarechtlichen Zweifeln.

290

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

eine Veräußerungsgewinnbesteuerung ein, wenn wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.1 Das ist in Abkommensfällen in aller Regel2 und in den Fällen, in denen keine DBA eingreifen,3 nie ein Problem, weil im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Grundsatz4 ohne Beschränkung durch DBA gewährleistet ist. Bei beschränkter Steuerpflicht ergibt sich in Abkommensfällen durch den Wegzug ganz überwiegend5 keine Veränderung, weil auch bereits zuvor das Besteuerungsrecht ausschließlich beim Wohnsitzstaat des Gesellschafters lag (Art. 13 Abs. 5 OECDMA). Greift kein DBA ein,6 fällt wegzugsbedingt der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft aus der beschränkten Steuerpflicht heraus (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG). Ist nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze eine Veräußerungsgewinnbesteuerung gem. § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG geboten, wird diese allerdings durch § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG suspendiert, wenn die Kapitalgesellschaft7 in einen anderen EU-/EWR-Staat verzieht. Im Falle der späteren Veräußerung ist der hieraus erzielte Gewinn allerdings ungeachtet der Anwendung von DBA so zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn eine Sitzverlegung nicht stattgefunden hätte (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG).8 Diese Sonderregelung gilt auch für beschränkt Steuerpflichtige, deren Besteuerung aus der Veräußerung der Anteile an der weggezogenen Kapitalgesellschaft durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG abgesichert wird.

6.40

3. Wegzug in einen Drittstaat9 Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat führt auf Gesellschaftsebene zu einer Liquidationsbesteuerung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG), wenn die Kapitalgesellschaft hierdurch aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet. Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft auf Grund von Abkommensrecht nach dem Wegzug als nicht mehr im Inland oder in einem anderen EU-/EWR-Staat als ansässig anzusehen 1 Zu Einzelheiten Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 163 ff. 2 Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern. 3 Z.B. im Fall von Liechtenstein. 4 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA; Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern mit Anrechnungsverpflichtung des Wohnsitzstaates. 5 Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern. 6 Z.B. im Fall von Liechtenstein. 7 Nicht nur SE/SCE. 8 Zur Zulässigkeit eines treaty overriding Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 2.5 f.; Gosch, IStR 2008, 418; ferner Rz. 3.25 f. 9 Im Folgenden werden die Steuerfolgen auch auf Gesellschafterebene dargestellt.

291

6.41

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

ist (§ 12 Abs. 3 Satz 2 KStG; Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Damit werden etwaige während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bis zum Wegzug gebildete stille Reserven einer Schlussbesteuerung zugeführt (§ 11 KStG). Das setzt im Grundfall (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG) voraus, dass nach Wegzug sowohl der Satzungssitz (§ 11 AO) als auch der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in einem Drittstaat belegen ist. Da die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat nach nationalem Recht rechtstechnisch nicht möglich ist,1 kommt in dem hier interessierenden Zusammenhang allein die Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat in Betracht.

6.42 Bleibt nach Wegzug der Kapitalgesellschaft eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht aufrechterhalten, so erfolgt eine Reduktion des Welteinkommensprinzips auf das Territorialitätsprinzip. Dieser Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen unterhält. Obwohl die in diesem Betriebsstättenvermögen enthaltenen stillen Reserven auch zukünftig im Inland steuerverhaftet bleiben, schreibt § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG in entsprechender Anwendung des § 11 KStG eine Liquidationsbesteuerung vor, in deren Rahmen es zu einer Realisation aller stillen Reserven kommt.

6.43

Diese Rechtsfolge ist gemessen am Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 KStG nicht gerechtfertigt. Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 3 KStG nur für den Fall erfolgt, dass eine künftige Besteuerung der stillen Reserven auch im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nicht gewährleistet ist.2

6.44 Soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen vorhanden ist, entsteht durch die Schlussbesteuerung (§ 12 Abs. 3 KStG) regelmäßig nur dann eine Steuerbelastung, wenn das ausländische Betriebsstättenvermögen in einem Staat belegen ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat.3 Greifen dagegen DBA ein, führt § 12 Abs. 3 KStG hinsichtlich des ausländischen Betriebsstättenvermögens auf Gesellschaftsebene im Grundsatz4 zu keiner Steuerbelastung, soweit die Freistellungsmethode eingreift: Abkommensrechtlich sind die aus deutscher Sicht entstandenen Gewinne aus der Realisierung der in dem ausländischen Betriebsstät1 OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915. 2 Im Ergebnis ebenso Hofmeister in Blümich, § 12 KStG Rz. 100 f.; Lambrecht in Gosch2, § 12 KStG Rz. 8; Dötsch in D/J/P/W, § 12 KStG Rz. 16a; Hey in Tipke/ Lang20, § 11 Rz. 104; Blumenberg/Lechner, BB 2006, 25 (32); Eickmann/Stein, DStR 2007, 723 (725); Prinz, JbFSt 2007/2008, 416. 3 Zu Problemen der Steueranrechnung in diesem Zusammenhang Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (592). 4 Ausnahme: Anrechnungsmethode wegen bilateraler oder unilateraler Aktivitätsklauseln oder wegen § 50d Abs. 9 EStG.

292

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

tenvermögen ruhenden stillen Reserven der deutschen Besteuerung entzogen.1 Bleibt trotz Wegzugs die unbeschränkte Steuerpflicht aufrechterhalten und erfolgt auch kein Wechsel in der abkommensrechtlichen Ansässigkeit (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) richten sich die Steuerfolgen nach § 12 Abs. 1 KStG, so dass es darauf ankommt, ob wegzugsbedingt deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Angesprochen sind hiermit inbesondere Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung ihres inländischen Satzungssitzes ihre Geschäftsleitung in einen Drittstaat verlegt mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat.

6.45

Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat löst auf Gesellschafterebene im Grundsatz unter den gleichen Voraussetzungen eine Gewinnrealisierung aus wie bei einem Wegzug in einen EU-/EWR-Staat. Hieraus folgt, dass eine Gewinnrealisierung in den Fällen nicht zu vermeiden ist, in denen wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2; 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die für den Wegzug in einen EU-/EWRStaat maßgeblichen Besonderheiten (§§ 4 Abs. 1 Satz 4; 15 Abs. 1a; 17 Abs. 5 Satz 2 EStG) kommen nicht zur Anwendung.

6.46

III. Zuzug von Kapitalgesellschaften 1. Rechtliche Vorgaben Gesetzlich geregelt ist nur der Zuzug einer SE (Art. 7 SE-VO) und einer SCE (Art. 6 SCE-VO) innerhalb der EU. Es handelt sich hierbei um einen simultanen Zuzug, das bedeutet, dass sowohl Satzung- und Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) sich stets in ein und demselben Mitgliedsstaat befinden müssen. Da es keine weitergehenden europaweit geltenden Regelungen gibt,2 kommt es für die rechtliche Möglichkeit eines Zuzugs aus der Sicht Deutschlands als Zuzugsstaat auf das zur Anwendung kommende Internationale Privatrecht (Gesellschaftsstatut) an. Hiernach gilt: Verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft den Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) in das Inland, verliert die Gesellschaft die Rechtsfähigkeit, weil diese die Eintragung ins deutsche Handelsregister voraussetzt, was für Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts (noch) ausgeschlossen ist. Eine ursprünglich rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mutiert daher durch Zuzug zu einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung.3 Für den 1 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 2 Vgl. allerdings den Vorentwurf für eine gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsrichtlinie, ZIP 1997, 1721 ff.; ZIP 1999, 157. 3 So zuletzt BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn); hierzu Hilgert/Illmer NZG 2009, 94 ff.; Gottschalk, ZIP 2009, 948 ff.

293

6.47

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

Zuzug aus EU-/EWR-Staaten gilt indessen in Orientierung an der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) im Ergebnis die Gründungstheorie mit der Folge, dass die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der zuziehenden Gesellschaft im Zuzugsstaat gewährt werden muss.1

6.48 Die durch das Gesellschaftsstatut geprägten rechtlichen Vorgaben spielen indessen für die Steuersubjektsqualifikation zuziehender, nach ausländischem Recht errichteter Kapitalgesellschaften keine Rolle, weil auch derartige Gesellschaften von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ohne Rücksicht darauf erfasst werden, ob sie im Inland Rechtsfähigkeit erlangt haben oder nicht. Entscheidend ist allein, dass die nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs (Rz. 6.7) einer deutschen Kapitalgesellschaft enspricht. 2. Steuerverstrickung2

6.49 Durch den Zuzug einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft, etwa einer SE, wird die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht begründet, womit zugleich in Abkommensfällen auch die Ansässigkeit wechselt (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Der Wechsel in die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erfüllt keinen Steuertatbestand.3 Es bleibt insbesondere bei der steuerlichen Identität der zuziehenden Kapitalgesellschaft, weil § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Kapitalgesellschaften unabhängig davon, ob sie nach in- oder ausländischem Recht errichtet sind, erfasst. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die zuziehende Kapitalgesellschaft zuzugsbedingt die Rechtsfähigkeit verliert. Ergibt sich auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs, dass die ausländische Gesellschaft vor ihrem Zuzug als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist, ändert sich an diesem Befund durch den Zuzug nichts. Somit tritt kein steuerlicher Rechtsträgerwechsel ein mit der Folge, dass insoweit auch eine Gewinnrealisierung unterbleibt.4 Entsprechendes gilt auch in den Fällen, in denen zuzugsbedingt zwar keine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht, abkommensrechtlich aber eine inländische Ansässigkeit (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) begründet wird. Es handelt sich hierbei um nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaften, die den Ort der Geschäfts1 EuGH v. 9.3.1999 – RS. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155; die vorgenannten Fälle betreffen nur den Zuzug einer unter dem Recht der Gründungstheorie errichteten Gesellschaft; im Ergebnis dürfte aber nichts anderes gelten für den Zuzug einer unter dem Recht der Sitztheorie errichteten Gesellschaft; hierzu Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (413); Schaumburg, DK 2005, 347 (349); Hey, DK 2004, 577 (582). 2 Im Folgenden werden die Steuerfolgen auch auf Gesellschafterebene behandelt. 3 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 175; Schulz/Petersen, DStR 2002, 1504 (1513). 4 Hierzu Schaumburg, DK 2005, 341 (351).

294

C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

leitung vom Ausland in das Inland verlegen. Auch in diesem Fall löst der Zuzug keine inländische Besteuerung aus. Zuzugsbedingte Auswirkungen ergeben sich allerdings hinsichtlich der 6.50 Zugangsbewertung des von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Betriebsvermögens: Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG steht die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich mit der Folge, dass insoweit die nunmehr verstrickten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Diese fiktive Einlage gilt nicht nur für den Tranfer von Wirtschaftsgütern vom Ausland in das Inland, sondern auch für den Zuzug einer Kapitalgesellschaft.1 Der gemeine Wert ist hierbei sowohl für materielle als auch für immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich des Geschäftswerts anzusetzen.2 Die Zugangsbewertung zum gemeinen Wert greift auch in dem Fall ein, in dem eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft den Ort der Geschäftsleitung vom Ausland in das Inland verlegt und hierdurch abkommensrechtlich im Inland ansässig wird (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Zuzugsbedingt wird hierdurch nämlich ebenfalls deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung des von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Betriebsvermögens begründet. Eine fiktive Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG) ist indessen in allen Fällen nur insoweit gegeben, als nicht bereits vor dem Zuzug die Gewinne aus der Veräußerung von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter der Besteuerung unterlagen. Angesprochen sind hiermit Wirtschaftsgüter, die einer inländischen Betriebsstätte bereits vor dem Zuzug zuzuordnen waren. Die Steuerverstrickung greift daher insbesondere dann ein, wenn bislang dem ausländischen Betriebsvermögen auf Grund der Zentralfunktion zuzuordnende Wirtschaftsgüter nunmehr dem inländischen Betriebsvermögen der zuziehenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind.3 Darüber hinaus setzt eine Steuerverstrickung auch für solche Wirtschaftsgüter der zuziehenden Kapitalgesellschaft ein, die zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen gehören, wenn die Gewinne aus der Veräußerung der betreffenden Wirtschaftsgüter abkommensrechtlich nicht von deutscher Steuer freizustellen sind (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA)

6.51

Gehören die Anteile an der zuziehenden Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters, sind die Anteile zum gemeinen Wert anzusetzen, falls zuzugsbedingt deutsches Besteue-

6.52

1 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht Rz. 178; Benecke/ Schnitger, IStR 2006, 765 (766); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704; 2648 (2651). 2 § 5 Abs. 2 EStG i.V. mit § 248 Abs. 2 HGB gilt hier wegen des Vorrangs der Regeln über die Einlagen nicht (§ 5 Abs. 6 EStG). 3 Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 182; kritisch zur „Zentralfunktion“ Breuninger in FS Schaumburg, 587 (606 ff.).

295

Kapitel 6 Körperschaftsteuer

rungsrecht begründet wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 7; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; § 8 Abs. 1 KStG).1 Eine derartige Verstrickung wird in der Praxis nur selten vorkommen, etwa dann, wenn mit dem Zuzug der Kapitalgesellschaft auch ein Zuordnungswechsel der Anteile von einem ausländischen zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters verbunden ist, soweit vor dem Zuzug abkommensrechtlich die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile der deutschen Besteuerung entzogen waren (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA). Sind die Anteile Privatvermögen des Gesellschafters, unterbleibt mangels gesetzlicher Regelung2 ein Ansatz mit dem gemeinen Wert. Betroffen sind hierdurch insbesondere beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter im Falle des Zuzugs einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft: Greift kein DBA ein, sind die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile uneingeschränkt der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wobei für die Berechnung des Veräußerungsgewinns auf die historischen Anschaffungskosten abzustellen ist (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa; 17 Abs. 1, 2 EStG).

6.53

Im Hinblick auf die dem EStG nunmehr zugrunde liegende Verstrickungskonzeption handelt es sich um eine Regelungslücke, die durch analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG zu schließen ist mit der Folge, dass in den vorgenannten Fällen der gemeine Wert anzusetzen ist.3

1 Ritzer in R/H/vL, UmwStG, Anh. 5 Rz. 183. 2 § 17 Abs. 2 Satz 3 ff. EStG betrifft nur den Zuzug des Gesellschafters. 3 Vgl. auch Weber-Grellet in Schmidt29 § 17 EStG Rz. 159; Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 183; Aßmann, DStR 2006, 1115 (1119).

296

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Literatur Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, Berlin 2007; Crezelius, Erbschaftsteuerrecht und Erbschaftsteuerpolitik, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 403; Crezelius, Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, DStJG 22 (1999), 73; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, Herne/Berlin 1979, 26; Goodmann, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985), 115; Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, Berlin 1992; Mellinghoff, Das Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – Zur Vermeidung steuerlicher Mehrfachbelastungen, DStJG 22 (1999) 127; Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, 1; Schindhelm, Grundfragen des Internationalen Erbschaftsteuerrechts, ZEV 1997, 8; Seer, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nun erneut auf dem Prüfstand des BVerfG!, GmbHR 2002, 873; Seer, Die Erbschaft- und Schenkungsteuer im System der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, GmbHR 2009, 225; Zitzelsberger, Über Einheitswerte, Verkehrswerte, Ertragswerte und andere Werte im Steuerrecht, in Kley/Sünner/ Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 661.

Die allgemeine Regel des Völkerrechts, dass jeder eine Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze nur dann begründen darf, wenn es hierfür persönliche oder räumliche Anknüpfungspunkte gibt,1 gilt nicht nur für die Steuern vom Einkommen, sondern auch für die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer, die von ihrer Belastungswirkung her die Typenmerkmale beider Steuerarten in sich vereinigt: Sie ist eine Steuer auf das Einkommen,2 weil sie die Bereicherung des Erben besteuert; sie ist eine Steuer auf das Vermögen, weil sie anlässlich des Vermögensübergangs die Vermögenssubstanz besteuert.3 Diese besondere steuersystematische Qualifikation beruht darauf, dass durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG der Vermögensanfall, der sich von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden vollzieht, besteuert wird und durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in 1 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 16.12.1964 – II 154/61 U, BStBl. III 1965, 134; zu Einzelheiten Rz. 3.13. 2 Im Sinne eines Reinvermögenszugangs. 3 Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 38 ff.; für Steuer vom Einkommen: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 872 ff.; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 103; Gebel in T/G/J, Einführung ErbStG Rz. 15; Meincke, Einführung ErbStG Rz. 2; für Substanzsteuer aus der Sicht des übertragenen Vermögens Seer, GmbHR 2002, 873 (874); für Verkehrsteuer: BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258; für Sollertragsteuer: Zitzelsberger in FS Ritter, 661 (665); für entsprechende Ausgestaltung de lege ferenda Nachreiner, ZEV 2005, 1 (5 ff.).

297

7.1

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

Zeitabständen das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen erfasst wird.1 Unter dem Gesichtspunkt des Vermögensanfalls ist es gerechtfertigt, die deutsche Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer zu bezeichnen,2 die ihre Legitimation aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip herleitet.3

7.2

Die meisten Staaten erheben Erbfanfallsteuern, das heißt, sie besteuern jeden Erben eines Erblassers selbständig, wobei überwiegend an den Wohnort und/ oder die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird. Demgegenüber ist die Erbschaftsteuer etwa in den USA und in Großbritannien als Nachlasssteuer ausgeprägt, bei der die Steuer sich an dem Reinvermögen des Erblassers orientiert.

7.3 Die gesetzliche Ausgestaltung als Erbanfallsteuer artikuliert sich im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in zwei persönlichen Anknüpfungspunkten: Es sind dies der Erblasser/Schenker sowie der Erwerber, soweit es sich um Inländer handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

7.4

Diese doppelte Anknüpfung widerspricht dem Charakter der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer. Hiernach wird nicht wie bei der Nachlasssteuer die Nachlassmasse als solche besteuert, sondern der Vermögensanfall beim einzelnen Erwerber. Dieser Vermögensanfall führt beim Erwerber zu einer Erhöhung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit, die die Erfassung des Vermögenstransfers durch Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) rechtfertigt.4 Im Hinblick darauf ist es nicht sachgerecht, für Zwecke der Besteuerung auch an die Verhältnisse des Erblassers anzuknüpfen5 und zudem den Schenker, dessen Leistungsfähigkeit sich durch die Schenkung mindert, zur Schenkungsteuer heranzuziehen. Die Heranziehung auch des Schenkers ist rein fiskalisch motiviert.6

7.5 Ist Steuerobjekt nicht der Vermögensanfall (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG), sondern das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), wird nur an die Stiftung bzw. an den Verein angeknüpft. Insoweit ist die Erbschaftsteuer keine Erbanfallsteuer, sondern ei1 Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, 44. 2 Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 103; Gebel in T/G/J, Einführung ErbStG Rz. 2, ErbStG, Einführung, S. 1; Meincke, § 1 ErbStG Rz. 8; Schindhelm, ZEV 1997, 8 (10), Crezelius, DStJG 22 (1999), 73 (103). 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 873; Viskorf in V/K/S, Einf. ErbStG Rz. 16; Meincke, DStJG 22 (1999), 39 (40 ff.); Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 26; Crezelius in FS Tipke, 403 (405); ausführlich hierzu Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG; Mellinghoff, DStJG 22 (1999) 127 (135); Seer, GmbHR 2009, 225 ff. 4 BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 873 f.; Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 40. 5 Schindhelm, ZEV 1997, 8 (10). 6 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 878; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 134.

298

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

ne in periodischen Abständen zu erhebende Steuer auf das Vermögen.1 Diese Ersatzerbschaftsteuer steht außerhalb der grundlegenden Besteuerungskonzeption des Erbschaftsteuergesetzes und führt damit zwar zu einem Systembruch, nicht aber zu deren Verfassungswidrigkeit.2 Sind die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG) gegeben, wird grundsätzlich der weltweite Vermögensanfall bzw. das weltweite Vermögen der Besteuerung unterworfen. Hierdurch verwirklicht sich das Welteinkommens-/Weltvermögensprinzip (Rz. 5.53 ff., 7.8). Einschränkungen ergeben sich lediglich aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen.3

7.6

Sind Erblasser/Schenker und Erwerber keine Inländer, kommt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur eine räumliche Anknüpfung für die Besteuerung in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Vermögensanfall in Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Insoweit wird das Territorialitätsprinzip verwirklicht (Rz. 5.2). Für das Steuerobjekt „Vermögen“ von Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) ist eine bloß räumliche Steueranknüpfung nicht vorgesehen, so dass es eine beschränkte Ersatzerbschaftsteuerpflicht nicht gibt.4

7.7

B. Unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 ErbStG; Albrecht, Die steuerliche Behandlung deutsch-englischer Erbfälle, Köln/Berlin/Bonn/München 1992; Arlt, Internationale Erbschaftund Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Baumgartner/Gassner/Schick, Besteuerung von grenzüberschreitenden Schenkungen, DStR 1989, 619; Boochs, Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Auslandsbeziehungen, DVR 1987, 178; Boochs, Fragen der internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuer, UVR 1994, 264; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, Herne/ Berlin 1979; Demuth, Schenkungsteuerbarkeit bei Vermögensübertragung auf eine Auslandsstifung in Abhängigkeit zur Übertragung der Verfügungsmacht, BB 2007, 2388; Ettinger, Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Wegzug ins Ausland und danach, ZErb 2006, 41; Fischer, Erbschaftsteuerplanung bei Auslandsanlagen, BB 1984, 1033; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenze, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug in das Ausland, Bonn 1997, 83 ff.; Flick/von Oertzen, 1 Meincke, Einf. ErbStG Rz. 1; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 132. 2 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779; BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114; zur Kritik Meincke, § 1 ErbStG Rz. 14 f.; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 132. 3 Erbschaftsteuerabkommen bzw. sog. große DBA, die auch die Erbschaftsteuer umfassen, hat Deutschland abgeschlossen mit Schweden und Dänemark; kleine Abkommen bestehen mit Griechenland, der Schweiz, Frankreich und den USA. 4 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 47.

299

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer Internationales Privatrecht und Internationales Steuerrecht in der Praxis der Erbfolgeregelung, IStR 1995, 558; Fonrouge, Die territoriellen Unterschiede auf dem Gebiet der Erbschaft- und Vermögensteuer, CDFI LIII/2 (1968), 54; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge: Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001; Geck, Erb- und schenkungsteuerpflichtige Erwerbe mit Auslandsberührung, ZEV 1995, 249; Goodmann, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985), 115; Hartmann, Peanuts; ein Beitrag zur Schneider-Pleite aus schenkungsteuerlicher Sicht, UVR 1996, 39; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Frankfurt/M. 2003; Hübner, Das Erbschaftsteuerreformgesetz – ein erster Überblick, Ubg 2009, 1; Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, Berlin 1992; Jülicher, Internationales Erbschaftsteuerrecht am Beispiel des ErbStG, ZErb 2003, 204; Jülicher, Ausländische Familienstiftungen und Trusts – Chancen und Risiken durch die neue BFH-Rechtsprechung, ZErb 2007, 361; Klein, Typologie des Erbschaftsteuergesetzes bei Auslandserwerben, FR 2001, 118; Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Köln, 2000; Laubrock, Nachlass und Erbschaft in den USA, München 1986; Lethaus, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985) 227; Möller, Erbschaftsteuergesetz und ausländisches Erbrecht, Diss. Göttingen 1970; MüllerEtienne, Die Europarechtswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts, Baden-Baden 2003; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; Real, International-Privatrechtliches zum Erbschaftsteuergesetz, RIW 1996, 54; Schaumburg, Problemfelder im internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Scheffler/Zinser, Internationale Doppelbesteuerung bei der Erbschaftsteuer, StuW 2005, 216; Schindhelm, Grundfragen des Internationalen Erbschaftsteuerrechts, ZEV 1997, 8; Schindhelm/Stein, Der Trust im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, FR 1999, 880; von Oertzen, Praktische Handhabung eines Erbrechtsfalls mit Auslandsberührung, ZEV 1995, 167; Wachter, Österreich: Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts durch das Abgabenänderungsgesetz 2004, ZErb 2005, 104; Wacker, Internationale Besteuerung von Schenkungs- und Erbfällen, IStR 1998, 33; Wacker/ Dann, Grenzüberschreitende Schenkungen und Erbschaften, StKongrRep. 1989, 439; Weber/Zürcher, Keine Schenkungsteuerbarkeit der Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Familienstiftung als (unechte) Treuhänderin, DStR 2008, 803.

I. Persönliche Steueranknüpfung 7.8 Die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist im Gegensatz zum Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz nicht steuersubjektbezogen, sondern regelt die Reichweite der Erbschaftsteuer in dem Sinne, dass der weltweite Vermögensanfall (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG) der Besteuerung unterworfen wird (Weltvermögensprinzip), wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.1 Unbeschränkt steuerpflichtig sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG damit nicht die in § 20 ErbStG genannten Steuersubjekte, sondern die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgeführten Steuerobjekte (Steuergegenstände).2 Demgegenüber ist die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG subjektbezogen: 1 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 1. 2 Hierzu Meincke, § 2 ErbStG Rz. 5a.

300

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Unbeschränkt steuerpflichtig sind Familienstiftung und Familienverein; beide Steuersubjekte unterliegen der Erbschaftsteuer (§ 20 Abs. 1 ErbStG) mit der Folge, dass ihr gesamtes Weltvermögen der Erbschaftsteuer unterworfen wird.1 In der internationalen Staatenpraxis gilt für die Erbschaftsteuer nur ausnahmsweise das Territorialitätsprinzip.2 Überwiegend steht das Weltvermögensprinzip/Welteinkommensprinzip3 im Vordergrund, wobei einige Staaten im Ausland belegenes unbewegliches Vermögen aus der Besteuerung ausnehmen.4 Diejenigen Staaten, die Erbschaftsteuern (Nachlasssteuern) erheben, verfügen auch über eine Schenkungsteuer, um die Aushöhlung der Besteuerung von Erbschaften durch Schenkungen zu Lebzeiten zu verhindern. Im Hinblick darauf ist die Schenkungsteuer zumeist in das jeweilige Erbschaftsteuersystem integriert.5 Auch hier gilt überwiegend das Weltvermögensprinzip/Welteinkommensprinzip.6

7.9

Die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt voraus, dass an den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG bezeichneten Vermögensübergängen ein Inländer beteiligt ist (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder das Vermögen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) einer inländischen Familienstiftung oder einem inländischen Familienverein gehört (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Als Inländer gelten natürliche Personen mit Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO)7 sowie nichtnatürliche Personen mit Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO)8 im Inland (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und d ErbStG).9 Damit verwirklicht das Erbschaftsteuergesetz im Rahmen der persönlichen Anknüpfung das Wohnsitzprinzip (Rz. 5.9).

7.10

Im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz ist das Wohnsitzprinzip steuersubjektbezogen, da nur im Inland ansässige natürliche und nichtnatürliche Personen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Im Unterschied hierzu kommt es bei den in § 20 ErbStG aufgeführten Steuersubjekten – Er-

7.11

1 Das Weltvermögensprinzip für Familienstiftungen und Familienvereine ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, aber aus dem Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; Meincke, § 2 ErbStG Rz. 9. 2 Z.B. in Brasilien, Portugal und Hongkong, vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (122) sowie die Übersicht bei Fonrouge, CDFI LIII/2 (1968), 54 (68 ff.). 3 Hierzu Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (122) sowie die Übersicht bei Fonrouge, CDFI LIII/2 (1968), 54 (64 ff.) und Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, mit Kurzausführungen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer einzelner Staaten. 4 Vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (122). 5 Vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (163). 6 Das Territorialitätsprinzip umfasst zumeist lediglich inländisches unbewegliches Vermögen, vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (164). 7 Zu Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt Rz. 5.9 ff. 8 Zum Ort der Geschäftsleitung und Sitz Rz. 6.2 ff. 9 Der Inlandsbegriff in § 2 Abs. 2 ErbStG entspricht dem des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG; hierzu Rz. 5.28 ff.

301

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer werber, Schenker, Beschwerter, Familienstiftung und Familienverein – nicht darauf an, wo sie ansässig sind.

7.12 In den Fällen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und c ErbStG) (Rz. 7.22 ff.) orientiert sich das Erbschaftsteuergesetz schließlich an der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen, so dass insoweit ausnahmsweise das Nationalitätsprinzip (Rz. 7.24) verwirklicht wird.

7.13 Soweit § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG auf Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen abstellt, entstehen keine Qualifikationsprobleme. Die in der vorgenannten Vorschrift aufgeführten Rechtsgebilde knüpfen nämlich nicht an Rechtsformen des deutschen Rechts an, so dass auch ausländische Rechtsformen erfasst werden. Aus deutscher Sicht zählen hierzu auch juristische Personen, insbesondere Körperschaften des öffentlichen Rechts und Kapitalgesellschaften.1 Nicht erfasst werden dagegen nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, insbesondere Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts: Erwerber sind die jeweiligen Gesellschafter als Träger der gesamthänderischen Rechte und Pflichten.2

II. Objektsqualifikation 7.14 Die in § 1 Abs. 1 ErbStG genannten Erwerbe bilden das Steuerobjekt, nämlich – der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), – Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), – Zweckzuwendungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG),

1 BFH v. 25.10.1995 – II R 67/93, BStBl. II 1996, 160; v. 19.6.1996 – II R 83/92, BStBl. II 1996, 616; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258: Empfänger der einer Kapitalgesellschaft gemachten Zuwendung ist die Kapitalgesellschaft selbst, so dass die als Folge der Zuwendung eintretende Erhöhung des Wertes der Kapitalanteile keine Zuwendung an den Gesellschafter ist; handelt es sich um eine Leistung des Gesellschafters mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (causa societas), ist insoweit allerdings keine freigebige Zuwendung gegeben; BFH v. 17.10.2007 – II R 63/05, BStBl. II 2008, 381 (verdeckte Einlage) und vice versa 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 (verdeckte Gewinnausschüttung). 2 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81; v. 15.7.1998 – II R 82/96, BStBl. II 1998, 630; anders noch BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237; und wie nunmehr schon früher der BFH v. 22.6.1960 – II 256/57 U, BStBl. III 1960, 358; zu diesem Zick-Zack-Kurs Hartmann, UVR 1996, 39 (44); zu Einzelheiten Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 185, 263, dort auch zur neueren Rechtsentwicklung wegen der (partiellen) Rechtsfähigkeit der GbR und der Partnerschaftsgesellschaft.

302

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

– das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG werden durch andere Vorschriften konkretisiert, und zwar für die Erwerbe von Todes wegen in den §§ 3 bis 6 ErbStG, für die Schenkungen unter Lebenden in § 7 ErbStG und für Zweckzuwendungen in § 8 ErbStG. Von besonderer Bedeutung sind die §§ 3 und 7 ErbStG, die einen abschließenden Katalog der steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge enthalten.1 Soweit beide Vorschriften unmittelbar auf das Bürgerliche Gesetzbuch Bezug nehmen oder aber sich der Begriffswelt des Bürgerlichen Gesetzbuches bedienen, übernehmen sie auch dessen Vorverständnis.2 Das gilt generell für das Erbschaftsteuergesetz: Es ist grundsätzlich bürgerlich-rechtlich geprägt3 und somit an das deutsche Zivilrecht gebunden.4 Die Bindung an deutsches Zivilrecht führt aber nicht dazu, dass etwa Erwerbsvorgänge, die sich nach ausländischem Recht vollziehen, nicht unter das deutsche Erbschaftsteuergesetz fallen. Die insoweit maßgeblichen §§ 3 und 7 ErbStG enthalten zwar eine abschließende Aufzählung von Erwerben nach Maßgabe des deutschen Zivilrechts, die Erfassungsbreite der Steuerobjekte wird aber nicht durch die konkretisierenden Tatbestände der §§ 3 und 7 ErbStG, sondern durch die Grundtatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG bestimmt. Die dort aufgeführten Tatbestände enthalten keinen spezifischen Bezug zum deutschen Zivilrecht. Sie erfassen daher auch Erwerbsvorgänge, die dem Regime eines ausländischen Rechts unterworfen sind. Im Hinblick darauf enthalten die §§ 3 und 7 ErbStG eine erschöpfende Aufzählung nur für die dem deutschen Zivilrecht unterliegenden Erwerbsvorgänge.

7.15

Diese Auslegung5 ist nicht nur mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG und der systematischen Stellung der §§ 3 und 7 ErbStG vereinbar, sondern auch durch Sinn und Zweck des Erbschaftsteuergesetzes geboten: Erbschaft- und Schenkungsteuer wollen die steuerliche Leistungsfähigkeit erfassen, die in dem transferierten Vermögensbestand zum Ausdruck kommt.6 Im Hinblick darauf ist es belanglos, nach welchem Recht die Erwerbsvorgänge

7.16

1 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412; Gebel in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 67; Meincke, § 3 ErbStG Rz. 6. 2 Meincke, Einführung ErbStG Rz. 11; § 2 Rz. 3; Gebel in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 67; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 36 f. 3 BFH v. 26.11.1986 – II R 190/81, BStBl. II 1987, 175; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631. 4 Meincke, Einführung ErbStG Rz. 11, § 2 ErbStG Rz. 3. 5 Im Ergebnis unstreitig: BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; Meincke, § 2 ErbStG Rz. 3, § 3 Rz. 30; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 64 ff. 6 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 872 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 38 ff.; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 26; Crezelius in FS Tipke, 403 (405); vgl. auch BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608.

303

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer vollzogen werden.1 Die Erfassung von ausländischem Recht unterliegenden Erwerbsvorgängen entspricht schließlich auch dem gesetzgeberischen Plan. Andernfalls liefen insbesondere die Regeln über die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, Rz. 7.31) die an die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG anknüpfen, weitgehend ins Leere. Das gilt jedenfalls insoweit, als die an den beschränkt steuerpflichtigen Erwerbsvorgängen beteiligten Personen die ausländische Staatsangehörigkeit haben und deshalb ausschließlich ausländisches Recht zur Anwendung kommt.2

7.17 Bei Erwerbsvorgängen mit Auslandsberührung gilt daher Folgendes:3 Die Regeln des internationalen Erbrechts4 bestimmen, welche Rechtsordnung bei der Entscheidung einer erbrechtlichen Frage anzuwenden ist.5 Nach der Grundregel des Art. 25 Abs. 1 EGBGB gilt als Erbstatut sowohl für Inländer als auch für Ausländer das sich nach der Staatsangehörigkeit bestimmende Heimatrecht des Erblassers. Für deutsche Staatsangehörige findet daher stets materielles deutsches Erbrecht Anwendung, und zwar auch im Falle der Doppelstaatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).6 Von dieser Grundregel macht Art. 25 Abs. 2 EGBGB eine Ausnahme insoweit, als der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht als Recht des Belegenheitsstaates wählen kann.7 Eine weitere Ausnahme enthält Art. 3 Abs. 3 EGBGB: Nicht das durch die Staatsangehörigkeit vorgegebene Heimatrecht, sondern das Belegenheitsrecht gilt, wenn es für den betreffenden Vermögensgegenstand besondere Vorschriften im Belegenheitsstaat etwa dahingehend gibt, dass Grundstücke nur nach Maßgabe ihres Zivilrechts vererbt werden.8 Das deutsche Internationale Privatrecht akzeptiert dies mit der Folge, dass es insoweit stets zu einer Nachlassspaltung kommt.9 Die Schenkung von Todes wegen unterliegt, soweit sie beim Tod des Schenkers noch nicht vollzogen ist, ebenfalls dem Erbstatut.10 Für Schenkungen unter Lebenden sowie für Schenkungen von 1 Hierzu Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1246; Schaumburg, RIW 2001, 161 (163). 2 Entsprechend Art. 25 Abs. 1 EGBGB. 3 Ausführlich mit weiterführenden Hinweisen Wachter in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 78 ff. 4 Geregelt im Einführungsgesetz zum BGB innerhalb des Internationalen Privatrechts. 5 Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Deutschland, Rz. 233 ff.; Birk in MüKo, Art. 25 EGBGB Rz. 7 ff.; zur praktischen Vorgehensweise Piltz in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 16 f. 6 Für das formelle Erbrecht gelten Art. 26 EGBGB sowie das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht v. 5.10.1961 (BGBl. II 1965, 1145). 7 Zu Einzelheiten Birk in MüKo, Art. 25 EGBGB Rz. 21 ff. 8 So in Belgien, Frankreich, Großbritannien. 9 Zu Einzelheiten Birk in MüKo, Art. 25 EGBGB Rz. 99 ff.; Wachter in Flick/ Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 219 ff. 10 Birk in MüKo, Art. 26 EGBGB Rz. 154; Wachter in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 167.

304

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Todes wegen, die beim Tode des Schenkers bereits vollzogen sind, kommt demgegenüber das Schuldstatut (Schenkungsstatut) zur Anwendung,1 so dass die Parteien wählen können, welchem Recht sie den Schenkungsvertrag unterstellen wollen. Unterbleibt eine derartige Rechtswahl, unterliegt der Schenkungsvertrag gem. Art. 28 EGBGB dem Recht des Staates, zu dem er die engsten Verbindungen aufweist. Bei beweglichen Sachen ist hierbei im Ausgangspunkt das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schenkers (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB) und bei Grundstücken das Belegenheitsrecht (Art. 28 Abs. 3 EGBGB) maßgeblich. Unterliegen hiernach die Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 1 ErbStG nach den Regeln des Internationalen Privatrechts ausländischem Recht, ist eine zweistufige Objektsqualifikation vorzunehmen.2 Auf einer ersten Stufe ist durch Vergleich zu prüfen, ob die ausländischen Privatrechtsinstitute den in § 1 Abs. 1 ErbStG genannten und in den §§ 3 bis 8 ErbStG nach Maßgabe des deutschen Zivilrechts näher beschriebenen Erwerbsvorgängen entsprechen. Ist das zu bejahen, steht einer Subsumtion unter § 1 Abs. 1 ErbStG nichts im Wege. Ist ein entsprechendes deutsches Privatrechtsinstitut in den §§ 3 bis 8 ErbStG nicht feststellbar, so hat auf einer zweiten Stufe eine Anpassung der Rechtsposition, die der Erwerber durch den Erwerbsvorgang erlangt hat, an das deutsche (Erb-)Recht zu erfolgen. Hierbei ist auf die wirtschaftliche Bedeutung der durch das ausländische Recht dem Erwerber eingeräumten Rechtsposition abzustellen. Ergibt sich eine unter diesem Gesichtspunkt vergleichbare deutsche Rechtsposition, ist diese maßgeblich, wenn der zugrunde liegende Erwerbsvorgang unter § 1 Abs. 1 ErbStG fällt. Die vorstehende Zweistufenprüfung ist allerdings in den Fällen nicht erforderlich, in denen bereits von Gesetzes wegen unmittelbar oder mittelbar eine Qualifikation vorgenommen wird. So wird etwa eine Vermögensübertragung auf einen Trust, den es nach deutschem Recht nicht gibt, als Schenkung unter Lebenden eingestuft (§§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2; 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG), wobei der Erwerb bei Auflösung dieser Vermögensmasse noch einmal der Besteuerung unterworfen wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG).3 Das gilt aber nur dann, wenn die Vermögensübertragung auf den Trust wirksam erfolgt ist und nicht bloß ein Treuhandverhältnis begründet wird, bei dem sich der Trustgründer als Treugeber alle maßgeblichen Verwaltungsrechte vorbehält.4

7.18

Gibt es mehrere vergleichbare deutsche Rechtspositionen, denen die ausländische Rechtsposition gleichermaßen zugeordnet werden kann, ist

7.19

1 Art. 27, 28 EGBGB; hierzu Martiny in MüKo, Art. 28 EGBGB Rz. 170. 2 BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; vgl. hierzu auch Klein, FR 2001, 118 (123 ff.). 3 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (885); zu weiteren Einzelheiten Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 122 ff. 4 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; Jülicher, ZErb 2007, 361 ff.; Demuth, BB 2007, 2388 ff.; Weber/Zürcher, DStR 2008, 803 ff.

305

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

diejenige deutsche Rechtsposition maßgeblich, die zur mildesten Besteuerung führt.1

7.20 Die vorstehenden Grundsätze haben nicht nur Bedeutung für die Einordnung der nach ausländischem Recht vollzogenen Erwerbsvorgänge, sondern für alle Rechtsinstitute ausländischen Rechts, insbesondere solche des ausländischen Ehe- und Güterrechts.2

7.21 Durch die zweistufige Objektqualifikation3 kommt es im Ergebnis zu einer Besteuerungsdivergenz zwischen in- und ausländischem Recht unterliegenden Vermögenstransfers: Inländischem Recht unterliegende Vermögenstransfers werden nur innerhalb der Reichweite des inländischen (deutschen) Zivilrechts der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen. Demgegenüber erfolgt die Besteuerung ausländischem Recht unterliegender Vermögenstransfers nicht allein in dem vom jeweiligen ausländischen Zivilrecht vorgegebenen Rahmen, sondern auch in Orientierung an der durch das ausländische Zivilrecht vermittelten wirtschaftlichen Bedeutung.4

III. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht 1. Abwanderer

7.22 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG tritt die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch dann ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) Personen sind, die sich als deutsche Staatsangehörige, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, nicht länger als fünf Jahre lang dauernd im Ausland aufhalten. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass die deutsche Erbschaftsteuer durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung in das Ausland umgangen werden kann.5 1 BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; Meincke, § 2 ErbStG Rz. 4; Jülicher, in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 106 ff. mit Hinweisen zu Einzelfällen; Lethaus, CDFI LXXb (1985) 227 (240 f.). 2 Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 74; Lethaus, CDFI LXXb (1985) 227 (240); zum Verwandtschaftsverhältnis und ausländischem Güterstand Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1265 f.; 1324 ff. 3 Diese zweistufige Objektsqualifikation entspricht kaum noch dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung; zur Kritik Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 81; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 63; ausführlich Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Rz. 124 ff. 4 Hieraus leitet Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Rz. 227 ff. einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ab. 5 So die Begründung der Regierungsvorlage zum 2. Steuerreformgesetz, BRDrucks. 140/72.

306

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Im Hinblick darauf kann § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG zu den Normen zur Vermeidung von Vermögensverlagerungen gezählt werden.1 § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn sowohl der Erblasser (Schenker) als auch der Erwerber im Inland keinen Wohnsitz haben.

7.23

Die Regel des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG ist unscharf formuliert und deshalb Auslegungszweifeln ausgesetzt. Die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt nämlich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift auch dann ein, wenn der deutsche Staatsangehörige innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben hat, ohne hier je einen Wohnsitz gehabt zu haben. Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nur bei Wohnsitzaufgabe eingreife.2 Eine derartige einschränkende Auslegung ist indessen nicht gerechtfertigt, weil dem § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG der Grundsatz zu entnehmen ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt neben dem Wohnsitz als gleichwertiger Anknüpfungspunkt besteht.

7.24

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG ist schließlich auch deshalb unscharf formuliert, weil entgegen seinem Wortlaut die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht trotz fehlenden inländischen Wohnsitzes dann nicht eingreift, wenn innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Inland ein gewöhnlicher Aufenthalt unterhalten wird.3 Da weder die unbeschränkte noch die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist die Erstreckung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nur auf deutsche Staatsangehörige sachfremd. Soll sich die Erbschaftsbesteuerung tatsächlich an der Leistungsfähigkeit orientieren, ist nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten es gerechtfertigt sein könnte, deutsche Staatsangehörige unter sonst gleichen Bedingungen schärfer zu besteuern als Ausländer. Insoweit verstößt die Ungleichbehandlung gegen Art. 3 Abs. 1 GG.4 Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) gegeben, weil der ausgewanderte deutsche Staatsangehörige nunmehr mit seinem gesamten Weltvermögen der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowohl im Zuzugsstaat im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht als auch in Deutschland als Wegzugsstaat der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Durch diese Doppelbelastung von Erbschaft- und Schenkungsteuer wird sich mancher grenzüberschreitende Umzug als Steuerfalle erweisen, zumal die auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichteten unilateralen und bilateralen Normen nur sehr unvollkommen sind.5 Zwar hat der EuGH6 entschieden, dass eine derart erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht im Grundsatz nicht gegen die

1 Zur Normentypologie Rz. 2.1 ff. 2 Vgl. etwa Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 21; Wilms in Wilms/Jochum, § 2 ErbStG Rz. 59; Weinmann in Moench, § 2 ErbStG Rz. 12. 3 In diesem Fall ist unbeschränkte Steuerpflicht gegeben. 4 Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 140; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Wirtschaft- und Schenkungsteuerrecht, 126 ff.; Müller-Etienne, Die Europarechtswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts, Baden-Baden 2003, 156 ff. 5 Hierzu Schaumburg, RIW 2001, 161 (165); Wachter, ZErb 2005, 104 (108 f.). 6 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, van Hilten, EuGHE 2006, I-1957.

307

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstößt, wenn die Doppelbesteuerung durch ein System von Steuergutschriften vermieden werden könne. Im Hinblick auf die geringe Zahl der deutschen Erbschaftsteuerabkommen und die eine Doppelbesteuerung nur partiell vermeidende Regelung des § 21 ErbStG (Rz. 15.243 ff.), ist indessen die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gewährleistet, so dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG insoweit europarechtswidrig ist.1

2. Auslandsbedienstete

7.25 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Voraussetzung ist ferner, dass der Wohnsitzstaat nur eine nach den Grundsätzen der beschränkten Steuerpflicht entsprechende Erbschaftsteuer erhebt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, erstreckt sich die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht auch auf die zum Haushalt gehörenden Angehörigen, soweit diese die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Vorschrift greift erst nach Ablauf von fünf Jahren nach Aufgabe des letzten inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes2 ein, weil zuvor die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG vorrangig ist.3

IV. Besteuerung des Weltvermögens (Weltvermögensprinzip) 7.26 Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht gilt für den gesamten Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Es kommt daher grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich um Inlands- oder um Auslandsvermögen handelt (Weltvermögensprinzip).4 Der Umfang des Vermögensanfalls ist indessen unterschiedlich. Ist der Erblasser ein Inländer, so sind sämtliche Erwerbe aus seinem Nachlass und alle sonstigen Vermögensanfälle, die nach § 3 ErbStG als von ihm zugewendet gelten, steuerpflichtig.5 Entsprechendes gilt für die Schenkung unter Lebenden: Hier sind die unentgeltlichen Zuwendungen in vollem Umfang steuerpflichtig.

1 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 21a; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 140; vgl. allerdings EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, FR 2009, 294. 2 Nach h.M. kommt es auf den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt nicht an; hierzu Rz. 7.24. 3 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 27. 4 Für Diplomaten und Konsuln ergeben sich Einschränkungen des Welteinkommens-/Weltvermögensprinzips aufgrund des WÜD und WÜK; vgl. zu Einzelheiten Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 101 ff. 5 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 8.

308

B. Unbeschränkte Steuerpflicht

Soweit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den gesamten Vermögensanfall in die unbeschränkte Steuerpflicht einbezieht, ist damit das Nettovermögen gemeint. Dieses Nettoprinzip1 artikuliert sich insbesondere in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, wonach für Zwecke der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs auf die Bereicherung, d.h. auf das Bruttovermögen unter Berücksichtigung der gesetzlich zugelassenen Abzugsposten2 sowie der dort genannten Befreiungen und Freibeträge,3 abzustellen ist.4 Zu den in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG genannten Befreiungen und Freibeträgen gehören insbesondere die für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vorgesehenen Vergünstigungen, die sowohl einen Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) als auch jenseits dessen Reichweite einen degressiv ausgestalteten Abzugsbetrag von höchstens Euro 150 000,– (§ 13a Abs. 2 ErbStG) beinhalten. Der Verschonungsabschlag bezieht sich nur auf begünstigtes Vermögen (§ 13b ErbStG), wozu nur inländisches und in EU-/EWR-Staaten belegenes Vermögen gehört (§ 13b Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 ErbStG).5 Drittstaatenvermögen ist somit von vornherein der Begünstigung entzogen, es sei denn es wird mittelbar über begünstigungsfähige Bewertungseinheiten des § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 ErbStG gehalten.6 Das gilt insbesondere für Anteile an Kapitalgesellschaften in Drittstaaten, die durch Einbringung in EU-/EWR-Kapitalgesellschaften oder durch Zuzug in den Begünstigungsrahmen gelangen können.

7.27

Ist nur der Erwerber, etwa der Erbe oder der Beschenkte, ein Inländer, so erstreckt sich die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nicht auf den gesamten Vermögensanfall, sondern nur auf das Vermögen, das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden auf den inländischen Erwerber übergeht. Diese Eingrenzung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 ErbStG, sie ist aber nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift geboten. Die persönlichen Anknüpfungspunkte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bestimmen die Reichweite der unbeschränkten Steuerpflicht nämlich nur in dem Sinne, dass das bei den dort genannten inländischen Erwerbern weltweit anfallende Vermögen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen ist (Rz. 7.8). Das bei ausländischen Erwerbern

7.28

Hierzu Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 103. Nach Meincke, § 10 ErbStG Rz. 2 „Nettobetrag I“. Nach Meincke, § 10 ErbStG Rz. 2 „Nettobetrag II“. Damit wird zugleich der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) entsprochen; vgl. EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, EuGHE 2003, I-15013, v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07 – Eckelkamp, IStR 2008, 697; v. 11.9.2008 – Rs. C-47/07 – Arens-Sikken, IStR 2008, 700. 5 Damit wird im Ergebnis europarechtlichen Vorgaben entsprochen; vgl. EuGH v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05 – Geurts und Vogten; EuGHE 2007, I-9344; v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06 – Jäger, EuGHE 2008, I-140. 6 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 68; Hübner, Ubg 2009, 1 (8); von Oertzen, JbFStR 2008/09, 97 (189).

1 2 3 4

309

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

anfallende Vermögen unterliegt dagegen nicht der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn Erblasser oder Schenker keine Inländer sind.1

7.29 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG tritt die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG geregelte Ersatzerbschaftsteuerpflicht nur ein, wenn die Stiftung oder der Verein ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Über die Reichweite dieser Ersatzerbschaftsteuerpflicht, darüber, ob neben dem Inlandsvermögen auch Auslandsvermögen erfasst wird, trifft das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Da indessen inländischer Sitz und Ort der Geschäftsleitung die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht markieren und hierfür grundsätzlich das Weltvermögensprinzip gilt, ist § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Abgrenzung zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG im Sinne einer unbeschränkten Ersatzerbschaftsteuerpflicht auszulegen, so dass auch ausländisches Vermögen erfasst wird.2

7.30

Im Hinblick darauf, dass die Erbschaft-/Schenkungsteuer den Vermögenstransfer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG) belastet3 und entsprechend ihrem Charakter als Erbanfallsteuer (Rz. 7.1) die Bereicherung beim Erbwerber zur Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit erhebt (§ 10 Abs. 1 ErbStG),4 ist es nicht sachgerecht, dass in den Fällen, in denen die Erwerber Ausländer sind, die unbeschränkte Steuerpflicht eingreift. Eine derart weitreichende Steueranknüpfung ist zwar völkerrechtlich zulässig (Rz. 3.13), mit der Konzeption der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer aber unvereinbar.5

C. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 ErbStG und § 121 BewG; Boochs, Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Auslandsbeziehungen, DVR 1987, 178; Boochs, Fragen der internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuer, UVR 1994, 264; Busch, Deutsches Erbschaftsteuerrecht im Lichte der europäischen Grundfreiheiten, IStR 2002, 448; Dautzenberg, Die Bedeutung des EG-Vertrages für die Erbschaftsteuer, EWS 1998, 86; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge; Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001, Groß-Bölting, Probleme der beschränkten Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht, Köln 1997; Jochum, Barbiers Erben – das Europarecht erreicht die Erbschaftsteuer, ZErb 2004, 253; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; von Oertzen, Erbschaftsteuerplanung bei beschränkt Steuerpflichtigen in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung 2. Aufl. 2003, 1637; von Oertzen/Schienke, Die Besteuerung 1 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 6; Meincke, § 2 ErbStG Rz. 8. 2 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 47. 3 BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608. 4 Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 40. 5 Vgl. auch Meincke, § 2 ErbStG Rz. 8; Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 139.

310

C. Beschränkte Steuerpflicht deutsch-französischer Erbfälle nach Inkrafttreten des ErbSt-DBA zwischen Deutschland und Frankreich, ZEV 2007, 406; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenze, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 83; Piltz, Der gemeine Wert von Unternehmen und Anteilen im neuen ErbStG, Ubg 2009, 13; Pochhammer, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht auf mittelbare Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, BB 1978, 1664; Reich, Internationales Erbschaftsteuerrecht, in Süß, Erbrecht in Europa, 2. Aufl. Berlin 2007, 241; Schamburg, Erbschaftsteuerrechtliche Berechnung des Zugewinns bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht, DB 1986, 1948; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Schnitger, Geltung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages im deutschen internationalen Erbschaftsteuerrecht, FR 2004, 185; Tumpel, Die europarechtlichen Vorgaben für eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer, SWI 2000, 27; Vogel, Die Grenzen der Steuerhoheit im Bereich der Erbschaft- und Vermögensteuern, CDFI LIII/2 [1968], 142; Wachter, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, ErbStB 2004, 25; Wachter, Das Erbschaftsteuerrecht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs, DStR 2004, 540; Wachter, Internationale Erbfälle und Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbHR 2005, 407; Wachter, Gewerbliche Schutz- und Urheberrechte, Prüfung der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht mit Gestaltungshinweisen, ErbStB 2004, 119; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997; Werz, Gestaltungsmöglichkeiten bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht in FS für Spiegelberger, Bonn 2009, 584.

I. Allgemeine Hinweise Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG tritt die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in allen Fällen ein, in denen weder der Erblasser (Schenker) noch der Erwerber Inländer sind. Es handelt sich damit um eine Auffangvorschrift, die im Hinblick auf die für die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht maßgebliche Doppelanknüpfung Erblasser (Schenker) und Erwerber und die zeitliche Ausdehnung durch die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht in der Praxis keine sehr große Bedeutung hat. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich zudem nur auf den Vermögensanfall, der Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG betrifft.

7.31

II. Inlandsvermögen 1. Numerus clausus § 121 BewG enthält einen numerus clausus derjenigen Vermögensgegenstände, die zum Inlandsvermögen zählen. Vermögensgegenstände, die dort nicht aufgeführt sind, etwa Bank- oder Sparguthaben und Wertpapierdepots bei inländischen Kreditinstituten, nicht dinglich gesicherte Forderungen gegen inländische Schuldner, gehören somit nicht zum Inlandsvermögen. Daher sind auch der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch, selbst wenn er gegen einen inländischen Erben gerichtet ist, sowie ein Geldvermächtnis, auch wenn es aus einem Nachlass zu entrichten ist, der nur aus Inlandsvermögen besteht, nicht beschränkt erb-

311

7.32

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

schaftsteuerpflichtig.1 Für Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften wird § 121 BewG allerdings durch § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG erweitert. 2. Qualifizierung des Inlandsvermögens

7.33 § 121 BewG enthält einen Katalog von Vermögensgruppen, der in etwa dem in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Einkünftekatalog entspricht2 Obwohl das Bewertungsgesetz für die Qualifizierung von Inlandsvermögen keine ausdrückliche Bestimmung enthält, wird seitens der Rechtsprechung gleichwohl eine dem § 49 Abs. 2 EStG entsprechende allgemeingültige isolierende Betrachtungsweise angenommen.3 Welcher der in § 121 BewG aufgezählten Vermögensarten Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, ist daher danach zu entscheiden, wie sich diese Wirtschaftsgüter vom Inland aus gesehen darstellen.4 Bei der Qualifizierung dieser Wirtschaftsgüter ist auf die Begriffe und Maßstäbe des deutschen Rechts abzustellen. Ausländische Rechtsinstitute sind den vergleichbaren deutschen Rechtsinstituten gleichzustellen.5 3. Die einzelnen Vermögensgruppen a) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen

7.34 Das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen (§ 121 Nr. 1 BewG) umfasst die im Inland belegenen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Entscheidend ist die Belegenheit des Vermögens. Dagegen ist es ohne Bedeutung, wo sich der Sitz der Leitung befindet, ob der Erblasser (Schenker) das land- und forstwirtschaftliche Vermögen selbst bewirtschaftet oder ob dieses zwecks Bewirtschaftung einem anderen überlassen wird. Erstreckt sich das land- und forstwirtschaftliche Vermögen sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so gehört nur der inländische Teil zum Inlandsvermögen. Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen ist mit dem gemeinen Wert (Wirtschaftswert) anzusetzen (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V. mit §§ 157 Abs. 2; 162 Abs. 1 BewG).

1 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 11; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 71 f.; Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rz. 52. 2 Die Parallelität von § 49 Abs. 1 EStG und § 121 Abs. 2 BewG ist unter dem Gesichtspunkt, dass die Erbschaftsteuer auch eine Steuer auf das Einkommen ist, durchaus konsequent, vgl. hierzu Vogel, CDFI LIII/2 (1968), 142 (160). 3 BFH v. 2.9.1953 – III 105/53 S, BStBl. III 1953, 324; v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz. 51. 4 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 51; Noll in Flick/Piltz2, Rz. 1285. 5 BFH v. 20.7.1960 – II 262/57 U, BStBl. III 1960, 385; vgl. hierzu auch Rz. 7.17 f.

312

C. Beschränkte Steuerpflicht

b) Inländisches Grundvermögen Zum inländischen Grundvermögen gehören gem. § 121 Nr. 2 BewG die im Inland belegenen Grundstücke (§ 70 BewG). Hierzu zählen neben Grund und Boden, Gebäuden sonstigen Bestandteilen und Zubehör auch das Erbbaurecht und das Wohnungseigentum sowie Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§§ 68 Abs. 1 und 70 Abs. 3 BewG). Die zum Inlandsvermögen gehörenden Grundstücke sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V. mit §§ 157 Abs. 3; 177 BewG), und zwar auf der Grundlage von Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke (§§ 178 f. BewG) und dem Vergleichswertverfahren (§§ 182 Abs. 2, 183 BewG), dem Ertragswertverfahren (§§ 182 Abs. 3, 184–188 BewG) oder dem Sachwertverfahren (§§ 182 Abs. 4, 189 bis 191 BewG) für bebaute Grundstücke. Von § 121 Nr. 2 BewG werden auch Anteile an einer Grundstücksgemeinschaft und einer Personengesellschaft erfasst, soweit diese, etwa als geschlossener Immobilienfonds, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung inländischen Grundbesitzes erzielen.1 Die für Grundvermögen maßgeblichen Verschonungsregelungen gem. §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c; 13c Abs. 1 ErbStG gelten auch für beschränkt Steuerpflichtige.

7.35

c) Inländisches Betriebsvermögen Als inländisches Betriebsvermögen gilt das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte (§ 12 AO) unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) bestellt ist (§ 121 Nr. 3 BewG). Im Hinblick darauf, dass eine freiberufliche Tätigkeit gem. § 96 BewG wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird, kommt auch das einer freiberuflichen Tätigkeit dienende Vermögen als inländisches Betriebsvermögen in Betracht. Voraussetzung ist allerdings in beiden Fällen, dass sich im Inland eine Betriebsstätte befindet oder ein ständiger Vertreter aufhält. Ob eine inländische Betriebsstätte gegeben oder ein ständiger Vertreter im Inland tätig ist, bedarf zwar im Besteuerungsverfahren für die Erbschaft-/Schenkungsteuer einer selbständigen Entscheidung,2 darüber wird aber bereits meistens zuvor im Zusammenhang mit der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer entschieden, so dass die hierfür getroffenen Entscheidungen im Regelfall zu übernehmen sind. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 5.150).

7.36

Für die Zugehörigkeit zum inländischen Betriebsvermögen ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sich die Wirtschaftsgüter im Inland oder Ausland befinden;3 entscheidend ist allein die wirtschaftliche Zuordnung

7.37

1 Wachter, ErbStB 2004, 25 (27); von Oertzen/Schienke, ZEV 2007, 406 (409). 2 R 4 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2003. 3 RFH v. 19.4.1934, RStBl. 1934, 738; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 54; Richter in V/K/S, § 121 BewG Rz. 11.

313

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

zum inländischen Betriebsvermögen1 insbesondere zu einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmers oder zu einer inländischen Personengesellschaft2 mit im Ausland ansässigen Gesellschaftern. Dies gilt auch für im Ausland befindliche Wirtschaftsgüter einer inländischen Personengesellschaft, falls nicht diese Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebsstätte dieser Personengesellschaft zuzuordnen sind.3 Für das inländische Betriebsvermögen ist der gemeine Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 5 ErbStG i.V. mit §§ 109; 11 Abs. 2 BewG), und zwar in aller Regel auf der Grundlage des Ertragswertes, wobei auch das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen kann (§§ 199 ff. BewG).4 d) Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften

7.38 Zum Inlandsvermögen gehört die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, wenn sie mindestens 1/10 des Nennkapitals ausmacht (§ 121 Nr. 4 BewG). § 121 Nr. 4 BewG ist subsidiär gegenüber § 121 Nr. 3 BewG mit der Folge, dass etwa Aktien und GmbH-Anteile, die zu einer inländischen Betriebsstätte gehören, dem Inlandsvermögen als Betriebsvermögen zuzuordnen sind.5 Für Zwecke der Mindestbeteiligungsgrenze werden allerdings auch die in einer inländischen Betriebsstätte gehaltenen Anteile mit eingerechnet.6

7.39 Der für die Beteiligungsquote maßgebende Zeitpunkt ist der Bewertungsstichtag. Für Zwecke der Beteiligungsquote sind neben mittelbaren Beteiligungen auch die Beteiligungen nahe stehender Personen i.S. von § 1 Abs. 2 AStG (Rz. 18.111 ff.) mit einzubeziehen.7 Damit kann durch eine innerkonzernliche Aufspaltung der Beteiligungen die maßgebliche Beteiligungsgrenze (1/10) nicht unterschritten werden.

7.40 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ist es für die Qualifikation als Inlandsvermögen gem. § 121 Nr. 4 BewG ausreichend, wenn nur der Erblas1 BFH v. 10.4.1987 – VI R 94/86, BStBl. II 1987, 500. 2 Erfasst wird auch Sonderbetriebsvermögen; hierzu Wachter, GmbHR 2005, 407 (423). 3 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; demgegenüber soll nach dem Erlass FinMin. NW v. 2.3.1979, DB 1979, 769 der auf das gesamte Auslandsvermögen entfallende Anteil des beschränkt Steuerpflichtigen an der Personengesellschaft auch dann nicht zu seinem Inlandsvermögen gehören, wenn das Auslandsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte nicht zuzuordnen ist; ebenso Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 54; Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1290. 4 Zu Einzelheiten Piltz, Ubg 2009, 13 ff.; Teß in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 24. 5 Teß in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 24. 6 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 57; R 4 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2003. 7 Die mittelbaren Beteiligungen unterliegen selbst demgegenüber nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht; Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1292; Pochhammer, BB 1978, 1664 ff.; FinMin Baden-Württemberg v. 24.7.1997, DB 1997, 1595; R 4 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2003.

314

C. Beschränkte Steuerpflicht

ser (Schenker) zur Zeit des Erwerbs mit zumindest 10 Prozent an der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt war. Unerheblich ist daher, in welchem Umfang der Erwerber vor und nach der Zuwendung beteiligt ist.1 Darüber hinaus ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG der Teilerwerb einer Beteiligung, die zum Zeitpunkt des Erwerbs weniger als 10 Prozent beträgt, als Erwerb von Inlandsvermögen zu werten, wenn der Erblasser/Schenker zu einem früheren Zeitpunkt eine Beteiligung von mehr als 10 Prozent hatte und einen Teil dieser Beteiligung bereits früher dem Erwerber zugewendet hatte. Damit wird auch der sukzessive Transfer von Vermögen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterworfen. Andernfalls könnte durch Aufspaltung der Beteiligung und sukzessiven Transfer die Steuerpflicht unterlaufen werden.2 Die Bewertung erfolgt, soweit kein Börsenkurs feststellbar ist (§ 11 Abs. 1 BewG), zum gemeinen Wert (§§ 109 Abs. 2; 11 Abs. 2 BewG), und zwar entweder abgeleitet aus Verkaufspreisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) oder auf der Grundlage des Ertragswertes, wobei auch das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen kann (§§ 199 ff. BewG).3 e) Patente, Gebrauchsmuster und Topographien Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören, sind Inlandsvermögen gem. § 121 Nr. 5 BewG, wenn sie in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind.4 Es ist hierbei ohne Bedeutung, ob die Erfindungen usw. im Inland, im Ausland oder überhaupt verwertet werden.5 Die Bewertung erfolgt zum gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 9 BewG), wobei für in Lizenz vergebene Rechte auf die kapitalisierte Gegenleistung abzustellen ist.6

7.41

f) Wirtschaftsgüter, die einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind Gemäß § 121 Nr. 6 BewG zählen zum Inlandsvermögen auch alle Wirtschaftsgüter, die einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen sind, soweit diese nicht schon selbst als inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, inländisches Grundvermögen oder als Erfindungen und Gebrauchsmuster zum Inlandsvermögen gehören.7 Erfasst werden vor allem vermietete und verpachtete Wirtschaftsgüter sowie in Lizenz ver1 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 59. 2 § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG ist missglückt; hierzu Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 61. 3 Zu Einzelheiten Piltz, Ubg 2009, 13 ff. 4 Fallen diese Rechte unter § 121 Nr. 3 oder 6 BewG, ist eine Eintragung in ein inländisches Register nicht erforderlich; BFH v. 29.1.1965 – III 121/62 U, BStBl. III 1965, 219; Richter in V/K/S, § 121 BewG Rz.Rz. 20. 5 Gürsching/Stenger, BewG/ErbStG, § 121 BewG Rz. 135. 6 Vgl. R 93 ErbStR 2003. 7 Die Zuordnung zu § 121 Nr. 1, 2 und 5 geht somit vor.

315

7.42

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

gebene Erfindungen, Gebrauchsmuster, Know-how und Marken, ohne dass es auf die Dauer der Überlassung ankommt.1 Nicht unter § 121 Nr. 6 BewG fällt die Verpachtung eines inländischen Gewerbebetriebs im Ganzen durch einen beschränkt Steuerpflichtigen, da ein verpachteter Gewerbebetrieb inländisches Betriebsvermögen des Verpächters gem. § 121 Nr. 3 BewG darstellt.2 Im Hinblick darauf greift § 121 Nr. 6 BewG auch dann nicht ein, wenn zu einem inländischen Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter vermietet werden.3 Der für die Bewertung maßgebliche gemeine Wert (§ 2 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 9 BewG) orientiert sich im Falle der Linzenzvergabe gegen wiederkehrende Zahlungen an der kapitalisierten Gegenleistung.4 g) Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen

7.43 Als Inlandsvermögen gelten Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen oder Rechte, wenn sie durch inländischen Grundbesitz oder inländische grundstücksgleiche Rechte oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind (§ 121 Nr. 7 BewG). Von § 121 Nr. 7 BewG werden nicht nur Kapitalforderungen, sondern alle Forderungen und Rechte erfasst, die als Betriebsvermögen in Betracht kommen können.5 Ohne Bedeutung ist, wer Schuldner der gesicherten Forderung ist, so dass auch eine gegen einen Ausländer gerichtete Forderung Inlandsvermögen darstellt, wenn sie durch inländischen Grundbesitz abgesichert ist.6

7.44 Mangels dinglicher Sicherung sind etwa Sparbuch- und Festgeldforderungen kein Inlandsvermögen. Insoweit entspricht die in § 121 Nr. 7 BewG getroffene Regelung dem § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG.7

7.45 Eine unmittelbare Absicherung der Forderungen und Rechte ist dann gegeben; wenn der Grundbesitz, die grundstücksgleichen Rechte oder die Schiffe für die Forderungen oder das Recht haften. Eine mittelbare Absicherung liegt vor, wenn der Gläubiger anderweitig die Möglichkeit hat, Befriedigung aus dem Grundbesitz, den grundstücksgleichen Rechten oder Schiffen zu erlangen. Zu dieser mittelbaren Absicherung gehört die Sicherung durch Verpfändung von Hypotheken oder Grundschulden,8 die treuhänderische Verwaltung von Grundschuld- oder Hypothekenbriefen

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 19.9.1959 – III 201/58 U, BStBl. III 1959, 476. Gürsching/Stenger, § 121 BewG Rz. 153. BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428. Vgl. R 93 ErbStR 2003. RFH v. 23.4.1936, RStBl. 1936, 618. RFH v. 4.9.1934, RStBl. 1934, 1244. Zur lückenhaften Erfassung dieser Einkünfte Rz. 5.129. BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743.

316

C. Beschränkte Steuerpflicht

zugunsten des ausländischen Gläubigers,1 die Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Hypothek2 oder die Eintragungsbewilligung für eine Hypothek, ohne dass hiervon Gebrauch gemacht wird.3 Gemäß § 121 Nr. 7 Satz 2 BewG sind ausdrücklich ausgenommen Anleihen und Forderungen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind. Die Bewertung erfolgt mit dem Nennwert, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit §§ 12 ff. BewG). h) Forderungen aus stiller Beteiligung und partiarischem Darlehen Zum Inlandsvermögen gehören gem. § 121 Nr. 8 BewG die typische stille Beteiligung und die Forderung aus partiarischem Darlehen, wenn der Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist. Obwohl § 121 Nr. 8 BewG lediglich die stille Beteiligung an einem Handelsgewerbe erwähnt, zählt die stille Beteiligung nur dann zum Inlandsvermögen, wenn das Handelsgewerbe selbst auch im Inland betrieben wird. Die Forderung des typisch stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Gewinnanteils gehört nicht zum Inlandsvermögen, es sei denn, der Gewinnanteil wird seinem Privatoder Darlehenskonto derart gutgeschrieben, dass der stille Gesellschafter auch mit den stehen gelassenen Gewinnen am Ergebnis des Handelsgewerbes beteiligt wird.4 Im Gegensatz zur typisch stillen Beteiligung zählt die atypisch stille Beteiligung nicht zum Inlandsvermögen i.S. von § 121 Nr. 8 BewG.5 Sie stellt Betriebsvermögen gem. § 121 Nr. 3 BewG dar.6

7.46

Die typisch stille Beteiligung ist als Kapitalforderung mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen abweichenden Bewertungsansatz gebieten (§ 12 BewG).7 Entsprechendes gilt für die Bewertung partiarischer Darlehen.

7.47

1 RFH v. 8.11.1934, RStBl. 1935, 582; BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743. 2 BFH v. 12.8.1964 – II 125/62 U, BStBl. II 1964, 647. 3 BFH v. 17.2.1961 – VI 76/59 U, BStBl. III 1961, 161. 4 BFH v. 17.10.1975 – III R 66–67/74, III R 66/74, III R 67/74, BStBl. II 1976, 275. 5 BFH v. 29.10.1969 – I R 80/67, BStBl. II 1970, 180; R 4 Abs. 5 Satz 1 ErbStR 2003. 6 Sowohl der typisch stille Gesellschafter als auch der atypisch stille Gesellschafter sind zwar im Rahmen einer Innengesellschaft an einem fremden Unternehmen beteiligt, anders als der typisch stille Gesellschafter ist aber der atypisch stille Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn, sondern auch an den stillen Reserven des Vermögens beteiligt, so dass er bei Liquidation der Gesellschaft nicht nur einen Anspruch auf Rückzahlung der nominalen Einlage, sondern Anspruch auf ein auch die stillen Reserven umfassendes Auseinandersetzungsguthaben hat, vgl. im Einzelnen Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 341. 7 BFH v. 7.5.1971 – III R 7/69, BStBl. II 1971, 642; R 112 ErbStR.

317

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

7.48 In § 121 Nr. 8 BewG wird das partiarische Darlehen der typischen stillen Beteiligung gleichgestellt.1 i) Nutzungsrechte am Inlandsvermögen

7.49 Nutzungsrechte, die einem beschränkt Steuerpflichtigen an den nach § 121 Nr. 1 bis 8 BewG als Inlandsvermögen in Betracht kommenden Vermögensgegenständen zustehen, zählen ebenfalls zum Inlandsvermögen (§ 121 Nr. 9 BewG). Zu diesen Nutzungsrechten gehören sowohl dingliche als auch obligatorische Rechte, insbesondere der Nießbrauch an Grundstücken und an Beteiligungen. Letzteres gilt freilich nur dann, wenn die Beteiligung etwa an einer Kapitalgesellschaft mindestens 10 Prozent beträgt, weil diese nur dann unter § 121 Nr. 4 BewG fallen kann. Auf den Umfang des Nießbrauchs selbst kommt es dagegen nicht an.2 Die Bewertung richtet sich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit §§ 13 ff. BewG mit dem Kapitalwert. 4. Ermittlung und Bewertung des Inlandsvermögens

7.50 Bei beschränkter Steuerpflicht sind Schulden und Lasten bei Feststellung der Bereicherung gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nur insoweit abziehbar, als sie mit den steuerpflichtigen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Entstehung der Schuld oder Last ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den belasteten Vermögensgegenstand betreffen.3 Damit wird auch im Bereich der beschränken Steuerpflicht im Grundsatz das Nettoprinzip sichergestellt. Dies ist in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, insbesondere an die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), auch geboten.4

7.51 Während die sachlichen Steuerbefreiungen des § 13 ErbStG sowie die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a Abs. 1, 8 i.V. mit § 13b Abs. 4 ErbStG) und für Grundvermögen (§ 13c Abs. 1 ErbStG) grundsätzlich auch bei beschränkter Steuerpflicht gewährt werden,5 sind die persönlichen Freibeträge der §§ 16 Abs. 1; 17 ErbStG der unbeschränk-

1 Partiarische Darlehen sind Darlehen, deren Verzinsung sich ebenfalls nach dem Gewinn richtet; sie werden auch im Einkommensteuerrecht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gleichbehandelt. 2 Gürsching/Stenger, § 121 BewG Rz. 198. 3 RFH v. 14.11.1935, RStBl. 1935, 1465; v. 13.11.1964 – III 336/61, HFR 1965, 449; v. 17.12.1965 – III 342/60 U, BStBl. III 1966, 483; v. 28.1.1972 – III R 4/71, BStBl. II 1972, 416; v. 30.7.1997 – II R 9/95, BStBl. II 1997, 635; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 255. 4 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, EuGHE 2003, I-15013; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07 – Eckelkamp, IStR 2008, 697; v. 11.9.2008 – Rs. C-47/07, ArensSikken, IStR 2008, 700. 5 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 1; Meincke, § 13 ErbStG Rz. 1.

318

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

ten Steuerpflicht vorbehalten. Bei beschränkter Steuerpflicht gesteht § 16 Abs. 2 ErbStG lediglich einen vergleichsweise niedrigen Freibetrag zu. Die unterschiedliche Höhe der in § 16 Abs. 1 ErbStG normierten Freibeträge mag zwar verfassungskonform sein;1 nicht gerechtfertigt ist aber die Benachteiligung im Falle der beschränkten Steuerpflicht, wenn die Lage bei beschränkter Steuerpflicht im Wesentlichen derjenigen bei unbeschränkter Steuerpflicht entspricht.2 In Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten sind daher auch im Rahmen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht die in §§ 16 Abs. 1; 17 ErbStG genannten Freibeträge zu gewähren.3

7.52

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 4 AStG; Ettinger, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer beim Wegzug ins Ausland und danach, ZERb 2006, 41; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Kau, Erbschaftsteuerliche Aspekte des Außensteuerrechts, UVR 2001, 13; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161.

I. Allgemeines Neben der unbeschränkten, erweiterten unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht regelt § 4 AStG die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, die noch durch die Umgehungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 AStG ergänzt wird.

7.53

Durch § 4 AStG wird die beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) über die in § 121 BewG genannten Wirtschaftsgüter hinaus auf alle Vermögenswerte ausgedehnt, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht zu den ausländischen Einkünften i.S. des § 34c Abs. 1 EStG gehören. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht, die auf den Erblasser oder Schenker abstellt, setzt voraus, dass weder Erblasser (Schenker) noch Erwerber Inländer sind. Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht betrifft ausgewanderte natürliche Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit unter den gleichen Voraussetzungen wie

7.54

1 So für die unterschiedliche Höhe der Freibeträge für Ehegatten und Kinder BVerfG v. 4.8.1988 – 1 BvR 328/88, 1 BvR 333/88, 1 BvR 335/88, 1 BvR 328, 333, 335/88, HFR 1989, 566. 2 Allerdings soll kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen; BFH v. 21.9.2005 – II R 567/03, BStBl. II 2005, 875. 3 EUGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, DStR 2010, 861.

319

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AStG) (Rz. 5.291 ff.).

7.55

§ 4 AStG ist eine gegen Vermögensverlagerungen gerichtete Norm (Rz. 2.12). Mit ihr wird das Ziel verfolgt, der Auswanderung in Niedrigsteuerländer die steuerlichen Anreize zu nehmen. Auch gemessen an dieser Zielsetzung ist die Beschränkung des § 4 AStG auf wegziehende deutsche Staatsangehörige sachfremd. Sie führt zu einer im Vergleich zu Ausländern benachteiligenden Höherbesteuerung, die mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren ist.1 Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben.2

7.56 Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht ist sowohl der unbeschränkten als auch der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht gegenüber subsidiär.3 Soweit es daher zu Überschneidungen zwischen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht einerseits und der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht andererseits kommt, tritt die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht zurück. Ist also der Erblasser (Schenker) deutscher Staatsangehöriger, wird im Regelfall die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nur für die Zeit zwischen Ablauf der Fünfjahresfrist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG und Ablauf des Zehnjahreszeitraums nach § 2 Abs. 1 AStG eingreifen, sofern auch die Erwerber nicht Inländer sind und für den Erwerb im Ausland nicht eine entsprechende Steuer in Höhe von mindestens 30 Prozent der deutschen Erbschaftsteuer zu entrichten ist (§ 4 Abs. 2 AStG).4

7.57 Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht unterliegt den Schrankenwirkungen der Doppelbesteuerungsabkommen, wonach die aufgrund der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zusätzlich zu versteuernden Vermögenswerte der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat des Erblassers zugewiesen sind.5 Darüber hinaus ist die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AStG zudem davon abhängig, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG Anwendung findet. Es entfällt daher die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch dann, wenn die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht infolge eingreifender Doppelbesteuerungsabkommen entfällt.6

1 Ettinger in Haase, § 4 AStG Rz. 23. 2 Vgl. EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, EuGHE 2003, I-15013; nach EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006 I-1957 ist ein Verstoß eher zweifelhaft, so Ettinger in Haase, § 4 AStG Rz. 22. 3 Viskorf in V/K/S, § 2 ErbStG Rz. 11; Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 6, 10, 10a; Ettinger in Haase, § 4 AStG Rz. 10. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 10a; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 81. 5 Vgl. Art. 7 OECD-MA (betreffend Nachlässe und Erbschaften); zu den einzelnen DBA im Überblick Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 205 ff.; ferner Rz. 16.499. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 9e; Ettinger in Haase, § 4 AStG Rz. 16.

320

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

Im Hinblick auf diese doppelte Schrankenwirkung spielt die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in der Praxis keine bedeutende Rolle.

7.58

II. Voraussetzungen § 4 Abs. 1 Satz 1 AStG enthält eine Anknüpfung an die Tatbestandsmerkmale des für die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht maßgebenden § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG. Eine erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht setzt demnach insbesondere Folgendes voraus:

7.59

– Der Erblasser oder Schenker muss eine natürliche Person (gewesen) sein, die in den letzten zehn Jahren vor der Auswanderung als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre lang unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war; – der Erblasser oder Schenker muss(te) in einem ausländischen Gebiet ansässig sein, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung von Einkommen (§ 2 Abs. 2 AStG) unterliegt (unterlag); – der Erblasser oder Schenker muss(te) unmittelbar oder mittelbar wesentliche wirtschaftliche Interessen (§ 2 Abs. 3 und 4 AStG) im Inland haben. Die tatbestandliche Anknüpfung der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht ausschließlich an die Verhältnisse des Erblassers (Schenkers) ist nicht plausibel. Soll nämlich über § 4 AStG der Auswanderung in Niedrigsteuerländer der Anreiz genommen werden, hätten die in § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale alternativ auch auf den Erwerber bezogen werden müssen. Durch die einseitige Anknüpfung an den Erblasser(Schenker) wird zudem die im Erbschaftsteuergesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dahingehend durchbrochen, dass ohne erkennbaren Rechtsgrund von der Doppelanknüpfung Erblasser (Schenker)/Erwerber abgewichen wird.

7.60

Die für die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Erbfalles (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bzw. der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) erfüllt sein. Die Verweisung in § 4 Abs. 1 AStG auf die zeitraumbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG bedeutet, dass der Zeitpunkt des Erbfalles bzw. der Ausführung der Schenkung in einen Zeitraum fallen muss, für den eine erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht eingreift.1

7.61

III. Rechtsfolgen Von der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht wird auch das erweiterte Inlandsvermögen erfasst. Hierunter fällt das gesamte Ver1 Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 81.

321

7.62

Kapitel 7 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

mögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 1 EStG wären (Rz. 5.319 ff.). Da gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AStG die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht die normal beschränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) voraussetzt, unterliegt erweitertes Inlandsvermögen dem § 4 AStG nur dann, wenn der Erblasser (Schenker) auch Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG hat(te).1

7.63 Über das Inlandsvermögen gem. § 121 BewG hinaus wird daher noch Folgendes erweiterte Inlandsvermögen erfasst:2 1. Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland; 2. Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland; 3. Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, Investmentfonds und offenen Immobilienfonds sowie Geschäftsguthaben bei Genossenschaften im Inland; 4. Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland sowie Nießbrauchs- und Nutzungsrechte an Vermögensgegenständen im Inland; 5. Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwertet werden; 6. Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland; 7. bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden; 8. Vermögen, dessen Erträge nach § 5 AStG der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen; 9. Vermögen, das nach § 15 AStG dem erweitert beschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist.

7.64 § 4 ErbStG enthält zwar keine Regelungen über die Bemessungsgrundlage, Wertermittlung, Steuerbefreiungen usw.; aus dem Charakter der erweiterten beschränkten Steuerpflicht als Ergänzung zur normal beschränkten Erbschaftsteuerpflicht folgt aber, dass alle für die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht geltenden Vorschriften auch im Rahmen der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zur Anwendung kommen.3 Das bedeutet, dass in Anwendung des § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG Schulden und Lasten nur insoweit abzugsfähig sind, als sie mit den der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegenden Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Kommt es infolge des Abzugs von Schulden und Lasten zu einem negativen erweiterten Inlandsvermögen, so ist ein Ausgleich mit positivem Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG möglich. Diese Verrechnungsmöglichkeit gilt auch

1 Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 10; Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 60 f. 2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 4.1.1. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 6.

322

D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

für den Fall, dass das erweiterte Inlandsvermögen positiv und das übrige Inlandsvermögen (§ 121 BewG) negativ ist.1

IV. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften § 5 AStG erfasst als Ergänzung zu § 4 AStG auch jene Fälle, in denen bei 7.65 erweiterter beschränkter Erbschaftsteuerpflicht der Erblasser (Schenker) seine wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen nicht unmittelbar, sondern mittelbar über zwischengeschaltete Auslandsgesellschaften hielt (hält). In diesem Fall ist das erweiterte Inlandsvermögen der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft im Ergebnis wie eigenes Vermögen (Betriebsvermögen) des Erblassers (Schenkers) zu behandeln.2

V. Niedrigbesteuerung Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht greift dann nicht ein, 7.66 wenn der Erwerb, soweit er nach § 4 AStG über § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hinaus erbschaftsteuerpflichtig wäre, im Ausland mit einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer belegt worden ist, die mindestens 30 Prozent der nach § 4 Abs. 1 ErbStG anfallenden Erbschaftsteuer beträgt (§ 4 Abs. 2 AStG). Dass eine Niedrigbesteuerung nicht vorliegt, obliegt der Beweislast des Steuerpflichtigen. Der entsprechende Gegenbeweis bezieht sich nur auf die auf dem erweiterten Inlandsvermögen lastende ausländische Erbschaftsteuer.3

1 Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 83; Zimmermann/Klinkertz in S/K/K, § 4 AStG Rz. 35; BMF v. 14.5.2004, BStBl. 2004I (Sondernummer 1), Tz. 4.1.2, Satz 2. 2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 5.1.2; Einzelheiten hierzu bei Wassermeyer in F/W/B, § 5 AStG Rz. 78 ff. 3 Vgl. zu Einzelheiten der Belastungsberechnung Wassermeyer in F/W/B, § 4 AStG Rz. 14, 14a; Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 110 ff.; Ettinger in Haase, Art. 4 OECDMA Rz. 35 f.

323

Kapitel 8 Gewerbesteuer Literatur Kommentare zu §§ 2; 8 Nr. 8; 9 Nrn. 2 und 3 GewStG; Burmester, Begriff und Funktion des Steuergutes im Steuerrecht, StuW 1993, 221; Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105; Schnädter, Die grundlegenden Wertungen des Gewerbesteuerrechts, Frankfurt/M. 1996; Wendt, Zur Vereinbarkeit der Gewerbesteuer mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, BB 1987, 1257; Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, Köln 1990.

A. Einleitung 8.1 Nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers1 beruht die Erhebung der Gewerbesteuer auf dem sog. Äquivalenzprinzip. Danach soll die Gewerbesteuer zur Minderung der finanziellen Lasten der Gemeinde beitragen, die ihr durch Gewerbebetriebe unmittelbar oder mittelbar entstehen.2 Aus diesem dem Gewerbesteuergesetz zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip3 folgt die örtliche Anknüpfung an das Gebiet einer bestimmten (inländischen) Gemeinde, in der ein Gewerbebetrieb unterhalten wird (§§ 4 und 35a Abs. 3 GewStG). Da nur inländische Gemeinden begünstigt sind, beschränkt sich die Gewerbesteuer auf das Inland.4 Im Gegensatz zur Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer verwirklicht damit die Gewerbesteuer als Objektsteuer5 weitgehend das Territorialitätsprinzip. Im Hinblick darauf nimmt das Gewerbesteuergesetz grundsätzlich auch keine Differenzierung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht vor.6

1 Vgl. Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936, RStBl. 1937, 696; ferner BTDrucks. VI/3418, 51; zu Einzelheiten Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 146 ff. 2 Erschließung von Baugelände, Schaffung von Verkehrsflächen und Parkplätzen, Finanzierung des Nahverkehrs, von Feuerschutz, Schulen, Krankenhäusern, Sport- und Erholungsstätten, kulturellen Einrichtungen. 3 BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; vgl. zur Kritik Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 1132 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff, § 1 GewStG Rz. 12; Montag in Tipke/ Lang20, § 12 Rz. 1 ff. (m.w.N.); Wendt, BB 1987, 1257 ff.; Jochum, StuB 2005, 254 ff. 4 Zur Inlandsbesteuerung im Einzelnen Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 17, 3180. 5 Güroff in Glanegger/Güroff, § 1 GewStG Rz. 14; Sarrazin in L/S, § 1 GewStG Rz. 2; Einzelheiten bei Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 106 ff. 6 Ausnahme: § 2 Abs. 6 GewStG.

324

B. Steuerobjekt

Da aufgrund ihres Objektsteuercharakters im Rahmen der Gewerbesteuer 8.2 die persönliche Leistungsfähigkeit weitgehend außer Betracht bleibt,1 steht im Gewerbesteuergesetz das Steuerobjekt im Vordergrund. Das Steuersubjekt bezeichnet lediglich denjenigen, der die Gewerbesteuer zu entrichten hat.2

B. Steuerobjekt Obwohl die Gewerbesteuer vor allem die Erträge von gewerblichen Unternehmen als Besteuerungsgut3 erfasst, ist Steuerobjekt das gewerbliche Unternehmen, der Gewerbebetrieb4 selbst. Betroffen sind daher lediglich der stehende Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und der Reisegewerbebetrieb (§ 35a GewStG), soweit sie im Inland betrieben werden.

8.3

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter einem Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen i.S. des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Hierdurch sind rechtsformunabhängige Gewerbebetriebe angesprochen, für die die allgemeine Legaldefinition des § 15 Abs. 2 EStG einschlägig ist.5 Darüber hinaus werden aber auch die nur teilweise gewerblich tätigen Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) und die gewerblich geprägten Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) erfasst. Deren Einkünfte unterliegen stets in vollem Umfang der Gewerbesteuer.

8.4

Von § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG werden neben den Personengesellschaften deutschen Rechts auch Personengesellschaften ausländischen Rechts erfasst, soweit sie im Inland eine Betriebsstätte unterhalten und in ihrer rechtlichen Grundstruktur einer Personengesellschaft inländischen Rechts entsprechen.6

8.5

Für die rechtsformabhängigen Gewerbebetriebe findet § 2 Abs. 2 GewStG Anwendung, wonach als Gewerbebetriebe stets und in vollem Umfang die Tätigkeiten der dort näher bezeichneten Kapitalgesellschaften gelten. Zu den rechtsformabhängigen Gewerbebetrieben gehören gem. § 2 Abs. 3 GewStG auch sonstige juristische Personen des privaten Rechts und

8.6

1 Hierzu im Einzelnen Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 159 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 1155 f. 2 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 26; vgl. zu den Begriffen Steuersubjekt und Steuerobjekt Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 22 ff. 3 Zum Begriff Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 23; Burmester, StuW 1993, 221 ff. 4 § 2 Abs. 1 und 35a GewStG. 5 Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 6; Obermeier in Blümich, § 2 GewStG Rz. 200. 6 RFH v. 4.4.1939, RStBl. 1939, 854; BFH v. 28.3.1979 – I R 81/76, BStBl. II 1979, 447; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 18; vgl. zu dem erforderlichen Typenvergleich Rz. 6.7.

325

Kapitel 8 Gewerbesteuer

nichtrechtsfähige Vereinigungen, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten.

8.7 Als rechtsformabhängige Gewerbebetriebe typisiert § 2 Abs. 2 GewStG die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften, wobei ebenso wie durch § 1 Abs. 1 KStG auch Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts erfasst werden.1

8.8 Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schriffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine (gewerbliche) Betriebsstätte2 unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Ob im Rahmen der inländischen Betriebsstätte eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, beurteilt sich unter Einbeziehung der im Ausland verwirklichten Tätigkeitsmerkmale. Die isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) gilt im Gewerbesteuerrecht nicht.3 Die Gewerblichkeit kann auch aufgrund einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung begründet werden.4 Der Gewerbesteuer unterliegen derartige gewerbliche Einkünfte nur dann, wenn für den Gewerbebetrieb, etwa für das ausländische Besitz- oder Betriebsunternehmen, im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird.5

8.9 Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gilt im Falle einer Organschaft die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers. Voraussetzung ist, dass die für die körperschaftsteuerliche Organschaft maßgeblichen Merkmale (§§ 14, 17, 18 KStG) gegeben sind. Ein Gewinnabführungsvertrag ist daher für die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft erforderlich. Eine gewerbesteuerliche Organschaft ist unter den vorgenannten Voraussetzungen somit auch mit einem ausländischen Organträger möglich, wenn der Gewinnabführungsvertrag unter der Firma der im Handelsregister eingetragenen inländischen Zweigniederlassung abgeschlossen ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V. mit § 18 KStG). Organgesellschaft kann nur eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland sein (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V. mit § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG).6 Eine grenzüberschreitende Organschaft ist somit nicht möglich.7 1 Vgl. den Klammerzusatz in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG „insbesondere …“; BFH v. 28.3.1979 – I R 81/76, BStBl. II 1979, 447; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 340; Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 1737; Obermeier in Blümich, § 2 GewStG Rz. 665; vgl. im Übrigen Rz. 6.7. 2 § 12 AO; ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) reicht also nicht aus. 3 BFH v. 28.7.1982, BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983 77; Obermeier in Blümich, § 2 GewStG Rz. 665; Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 7. 4 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 1271; Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 264; zu weiteren Einzelheiten Ruf, IStR 2006, 232 ff.; Haverkamp, IStR 2008, 165 ff. 5 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 1271; Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 264. 6 Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 365. 7 Hierzu Schaumburg in Herzig, Organschaft, 419 (428 ff.).

326

C. Steuersubjekt / D. Gewerbeertrag

Ebenso wie das Einkommensteuergesetz enthält auch das Gewerbesteuergesetz keinen eigenständigen Inlandsbegriff. § 2 Abs. 7 GewStG entspricht dem § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG und erschöpft sich darin, unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen die Deutschland zustehenden Anteile am Festlandsockel dem Inland zuzuordnen.

8.10

C. Steuersubjekt Steuersubjekt (Steuerschuldner) ist der Unternehmer, für dessen Rechnung ein Gewerbe tatsächlich betrieben wird (§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG). Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft ein Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldnerin die Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Ob der Unternehmer im Inland oder Ausland ansässig ist, spielt keine Rolle. Soweit der maßgebliche Unternehmer eine juristische Person ist, kommt es auch nicht darauf an, ob diese nach inländischem oder nach ausländischem Recht errichtet worden ist.1 Wird das Gewerbe in der Rechtsform einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet betrieben, sind deren Mitglieder2 Gesamtschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 4 GewStG).

8.11

D. Gewerbeertrag Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbesteuermessbetrag (§ 14 GewStG). Grundlage für die Berechnung des Gewerbeertrags ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuer-/Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG). § 7 GewStG enthält einige für die Ermittlung des Gewerbeertrages maßgebliche Modifikationen. Hierzu gehört u.a. auch die Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG (Rz. 18.72 f.), wonach Sondervergütungen, soweit abkommensrechtlich keine ausdrückliche Regelung gegeben ist, als Unternehmensgewinne zu qualifizieren sind mit der Folge, dass diese insoweit auch in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind (§ 7 Satz 6 GewStG). Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden die in § 8 GewStG genannten Beträge hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind. Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird sodann nach Maßgabe des § 9 GewStG gekürzt. Im außensteuerlichen Kontext ist, soweit es nicht um die Vermeidung der Doppelbesteuerung geht (Rz. 15.217 ff.), auch die Hinzurechnung von Verlustanteilen an einer aus1 Vgl. zu entsprechenden Qualifikationsfragen im Körperschaftsteuerrecht Rz. 6.7. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 v. 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)- ABl. EG Nr. L 199, 1 v. 31.7.1985 (EWIV-VO).

327

8.12

Kapitel 8 Gewerbesteuer

ländischen Mitunternehmerschaft von Bedeutung (§ 8 Nr. 8 GewStG). Im Hinblick auf das sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ergebende systemtragende Prinzip der Inlandsbesteuerung ist diese Hinzurechnung selbstverständlich.1 Das Gleiche gilt für die entsprechende Kürzung von Gewinnanteilen nach § 9 Nr. 2 GewStG. Schließlich ist auch die Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, lediglich von deklaratorischer Bedeutung.2 Durch die Kürzung ist lediglich der Teil des Gewerbeertrags betroffen, der auf die ausländische Betriebsstätte selbst entfällt.3 Ist dieser Anteil negativ, führt die in § 9 Nr. 3 GewStG angeordnete Kürzung im Ergebnis zu einer Hinzurechnung.4 Die Kürzung betrifft stets nur die Teile des Gewerbeertrages, die der eigenen ausländischen Betriebsstätte des Unternehmens zuzuordnen sind. Im Hinblick darauf sind etwaige Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG) nicht einzubeziehen. Die diesen zugrunde liegenden Einkünfte sind nämlich einer oder mehreren (ausländischen) Betriebsstätten der Zwischengesellschaft zuzuordnen, und die entsprechenden Hinzurechnungsbeträge werden gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG als Gewinnanteile (Dividenden) qualifiziert.5

E. Pauschbetragsfestsetzung 8.13 Soweit die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer in einem Pauschbetrag6 festgesetzt wird, kann unter den gleichen Voraussetzungen auch der Steuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer in einem Pauschbetrag festgesetzt werden. § 15 GewStG ist daher keine eigenständige Grundlage zur Pauschalierung des Steuermessbetrages. Er setzt vielmehr eine entsprechende pauschale Festsetzung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer voraus. In Betracht kommt insbesondere die Anwendung des § 50 Abs. 4 EStG, der auch für Zwecke der Körperschaftsteuer (§ 8 KStG) für beschränkt steuerpflichtige Personen eine Steuerfestsetzung in einem Pauschbetrag zulässt, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Soweit die Pauschbetragsfestsetzung für Zwecke der Gewerbesteuer an § 34c Abs. 5 EStG und die §§ 8, 49 und 26 Abs. 6 KStG anknüpft, geht es um eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 15.132 ff.). 1 Zu Einzelheiten Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 9 GewStG Rz. 2. 2 Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 1. 3 Gosch in Blümich, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 216; vgl. auch BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405. 4 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743; BFH v. 10.7.1974 – I R 248/71, BStBl. II 1974, 752. 5 Im Ergebnis ebenso Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 3; a.A. Rödder/Schumacher, DStR 2002, 105 (112); zweifelnd Gosch in Blümich, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 221a. 6 §§ 34c Abs. 5; 50 Abs. 4 EStG; §§ 8 und 49 KStG i.V. mit § 50 Abs. 4 EStG.

328

Kapitel 9 Umsatzsteuer A. Einführung Literatur Langer, Das endgültige Mehrwertsteuersystem nach dem Ursprungslandprinzip – ein ewiger Traum vom „echten“ umsatzsteuerlichen Binnenmarkt, in Kirchhof/ Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 245; Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1992; Möller, Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip, FinArch. 27, 387; Reiß, Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), 3; Reiß, Zukunft der Umsatzsteuer Deutschlands in Europa, UStKongress-Bericht 2007, 13; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983), 15; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 25; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249; Widmann, Die Einzige Anlaufstelle (One-Stop-Shop) – ein Beitrag zur Vollendung des umsatzsteuerlichen Binnenmarktes?, in FS für Reiß, Köln 2008, 321.

Anknüpfend an die gesetzestechnische Ausgestaltung, ist die Umsatz- 9.1 steuer zwar eine Verkehrsteuer; von ihrer Funktion, von der Belastungswirkung her steht aber ihr Verbrauchsteuercharakter im Vordergrund.1 Erfasst werden soll die steuerliche Leistungsfähigkeit, die darin besteht, dass der Verbraucher sich Leistungen erbringen lässt, dafür etwas aufwendet, also Einkommen verwendet.2 Belastet wird der private Verbraucher. Das ergibt sich aus dem System tragenden Prinzip, dass der Unternehmer, bedingt durch den Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG und die Überwälzung der Steuer auf den Verbraucher grundsätzlich keine Umsatzsteuer zu tragen hat. Der verbrauchsteuerlichen Intention des Umsatzsteuergesetzes entspricht es, die Besteuerung den Schrankenwirkungen des Territorialitätsprinzips zu unterwerfen. Die steuerliche Leistungsfähigkeit kommt nämlich nur dort zum Ausdruck, wo der Verbraucher privat etwas aufwendet, um sich Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen zu lassen. Diesem Grundsatz folgt durchweg die internationale Steuerpraxis auch da-

1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 975 ff.; Stadie, Vorbem. UStG Rz. 15 ff.; Reiß in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 1; Reiß in R/K/L, Einf. UStG Rz. 43 ff.; DStJG 12 (1990), 3 ff.; so auch die Rspr. des EuGH, z.B. EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 – Banca popolare die Cremona, EuGHE 2006, I-9373. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 981 ff.; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 1, 100 ff.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3 (19 ff.); Schaumburg in FS Reiß, 25 (33 ff.).

329

9.2

Kapitel 9 Umsatzsteuer

durch, dass allgemein das Bestimmungslandprinzip Geltung hat.1 Danach soll die Steuerbelastung desjenigen Landes maßgeblich sein, in dem der private Verbrauch erfolgt, also Einkommen verwendet wird. Das Besteuerungsgut der Umsatzsteuer ist daher der private Verbrauch (Einkommensverwendung) im Bestimmungsland (Inland).

9.3 Das Bestimmungslandprinzip verfolgt zugleich das Ziel, sowohl Auslands- als auch Inlandswaren umsatzsteuerlich gleich zu belasten. Dies bedingt einen exakten Steuerausgleich im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Bei gleichzeitiger Befreiung der Ausfuhr und ausfuhrähnlicher Vorgänge (innergemeinschaftliche Lieferungen) wird die Exportware über den Vorsteuerabzug im Ursprungsland entlastet. Dem steht eine entsprechende Belastung bei der Einfuhr (dem Erwerb) durch eine Einfuhrumsatzsteuer (Erwerbsteuer), die der Höhe nach der allgemeinen Umsatzsteuer entspricht, im Bestimmungsland gegenüber (Steuerausgleich).

9.4 Das Bestimmungslandprinzip entscheidet im Grundsatz schließlich auch die Frage, welchem Staat das Steueraufkommen aus der Umsatzsteuer zusteht: Es ist der Staat, in dem der Letztverbrauch stattfindet.2 Diesem Prinzip wird im harmonisierten Umsatzsteuerrecht der EU durchweg Rechnung getragen, insbesondere durch Steuerbefreiung der Ausfuhr in Drittlandsgebiete, Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen, eine Einfuhrumsatzsteuer auf Einfuhren aus dem Drittlandsgebiet, Erhebung einer Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (Erwerbsteuer) sowie durch die weitgehende Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung in das Bestimmungsland.3

9.5 Nach dem Ursprungslandprinzip erfolgt die Besteuerung demgegenüber in dem Staat, in dem der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Beim Warenexport wird hierbei grundsätzlich keine Steuerentlastung gewährt, so dass auf dem Verbrauchermarkt Inlands- und Auslandswaren unterschiedlich mit Umsatzsteuer belastet sind. Wegen der hierdurch eintretenden Wettbewerbsverzerrungen hat das Ursprungslandprinzip keine Bedeutung erlangt.4 Das Ursprungslandprinzip eignet sich allenfalls im Verhältnis zwischen Staaten mit annähernd gleichen Umsatzsteuersystemen und Steuersätzen.5 Im Hinblick darauf hat das Ursprungslandprinzip überhaupt nur dann die Chance, das tragende Prinzip des gemeinsamen europäischen Umsatzsteuersystems zu werden, wenn die Steuersätze an-

1 2 3 4 5

Möller, FinArch. 27, 387 ff.; Ruppe, CDFI LXVIIIb (1983), 15 (24 ff.). Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 101. Stadie, Vor §§ 4–9 UStG Rz. 7; vgl. auch Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 107 ff. Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 102. Hierzu Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 78 ff.; Widmann, UR 1992, 249 (250); Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 102.

330

B. Steuerobjekt

geglichen werden.1 Zunächst gilt aufgrund einer Übergangsregelung2 aber weiterhin im Grundsatz das Bestimmungslandprinzip.3

B. Steuerobjekt I. Übersicht Steuerobjekt der Umsatzsteuer sind die in § 1 Abs. 1 UStG näher bezeichneten steuerbaren Umsätze, die, soweit keine Steuerbefreiung eingreift, steuerpflichtig sind. Zu den steuerbaren Umsätzen gehören – Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG),

9.6

– die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und – der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG).

II. Steuerbare Umsätze 1. Inland Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 2 UStG, Ammann, Zum Status der deutschen Freihäfen nach dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz und der 6. EG-Richtlinie zur Umsatzsteuer, UR 1993, 48; Lange, Das umsatzsteuerrechtliche Inland, DStZ 1994, 301; Lange; Europarechtliche Bedenken gegen den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuergesetzes, DStZ 1996, 133; Müller, Umsatzsteuer 1980, StbJb 1979/80, 97; Raudszus, Lieferungen und Leistungen bei Freihafenbezug, UStB 2002, 384; Schlienkamp, Umsatzsteuerliche Auswirkungen der Ausweitung des deutschen Küstenmeres zum 1.1.1995, UR 1995, 1; Schwarze, Umstellungsfragen bei In- und Auslandsbeziehung infolge des Umsatzsteuergesetzes 1980, JbFSt 1979/80, 93.

Die in § 1 Abs. 1 UStG bezeichneten Umsätze unterliegen der Umsatzsteuer nur dann, wenn sie im Inland bewirkt werden. Abgestellt wird 1 Da die EU-Staaten sich bislang auf die Modalitäten eines am Ursprungslandprinzip orientierten neuen Umsatzsteuersystems nicht haben verständigen können, verbleibt es bis auf weiteres bei der Übergangsregelung; vgl. die Selbstverlängerungsklausel des Art. 28 L der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie (jetzt Art. 402 MwStSystRL); hierzu die kritische Bestandsaufnahme von Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 106; Reiß, USt-Kongress-Bericht 2007, 13 ff.; Langer in FS Reiß, 245 ff.; Widmann in FS Reiß, 321 ff. 2 Art. 402 MwStSystRL. 3 Hierzu Widmann in FS Reiß, 321 (322 f.).

331

9.7

Kapitel 9 Umsatzsteuer

hierbei auf den Ort der Lieferung,1 der sonstigen Leistung,2 der Einfuhr3 und des innergemeinschaftlichen Erwerbs.4

9.8 Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG entspricht das Inland dem Gebiet Deutschlands5 mit Ausnahme der Gemeinde Büsingen (Hochrhein),6 der Insel Helgoland,7 der Freihäfen,8 der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie9 sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören.10

9.9 Nicht zum Inland gehören die österreichischen Gebiete Mittelberg und Jungholz in Tirol. Da diese Gebiete aber dem deutschen Zollgebiet angeschlossen sind, bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, dass die Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet in diese Gebiete der deutschen Einfuhrumsatzsteuer unterliegen. 2. Lieferungen im Inland Literatur Kommentare zu § 3 Abs. 1, 1a, 5a bis 8 und §§ 3c, 3e; § 1 Abs. 3 UStG; Amann, Lieferortbestimmung bei innergemeinschaftlichen Transportlieferungen, UR 2001, 287; Bustorff, Lieferortbestimmung im liberalisierten Stromhandel, UR 2002, 349; Fritsch, Umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften und innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften ab 1.1.1997, UR 1997, 41; Giesberts, Eigentumsübertragung, Verschaffung der Verfügungsmacht und Lieferung, UR 1976, 61; Heuermann, Von Reihen und Dreiecken im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 1 §§ 3 Abs. 5a bis 8; §§ 3c, 3e, 3f, 3g und § 1 Abs. 3 UStG. 2 §§ 3a, 3b, 3f und § 1 Abs. 3 UStG, §§ 2–7 UStDV, § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG. 3 Einfuhr „im“ Inland gibt eigentlich keinen Sinn; maßgeblich ist § 21 Abs. 2 UStG i.V. mit Art. 201 Abs. 1a, 79 ZK (Art. 44, 129 MKZ), wonach auf die Überführung in den freien Verkehr abzustellen ist; hierzu Stadie, § 1 UStG Rz. 123. 4 § 3d UStG. 5 Das Gebiet Deutschlands (Territorium) umfasst das Landgebiet, das Seegebiet innerhalb der 12-Meilen-Zone (Küstenmeer) sowie den Untergrund unter beiden und den Luftraum darüber; die 12-Meilen-Zone gilt aufgrund der Proklamation der Bundesregierung vom 11.11.1994 (BGBl. I 1994, 3428) ab 1.1.1995; hierzu Einzelheiten bei Schlienkamp, UR 1995, 1 ff. 6 Vgl. den Vertrag mit der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen in das schweizerische Zollgebiet v. 23.11.1964, BGBl. II 1967, 2030, in Kraft getreten am 4.10.1967, BGBl. II 1967, 2336; Büsingen zählt nicht zum Zollgebiet der EU (Art. 3 Abs. 1 ZK/MZK). 7 Helgoland gehört nicht zum Zollgebiet der EU (Art. 3 Abs. 1 ZK/MZK). 8 Die Freihäfen sind Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZollVG; zu Einzelheiten Lange, DStZ 1994, 301 (303); Birkenfeld, DStZ 1996, 193 ff. 9 Die äußere Grenze wird durch die 12-Meilen-Zone gezogen; zu weiteren Einzelheiten Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 35 Rz. 71 ff.; Schlienkamp, UR 1995, 1 ff. 10 Schiffe und Luftfahrzeuge, die sich auf Hoher See oder über dessen Luftraum befinden, gehören ohnehin nicht zum Hoheitsgebiet; Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, §§ 54 Rz. 14 ff., 55 Rz. 10 ff.; vgl. im Überblick Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 35 Rz. 151 ff.

332

B. Steuerobjekt UR 1998, 9; Hummel, Verschaffung der Verfügungsmacht, UR 2007, 757; Kraeusel, Die Besteuerung von Versendungsumsätzen nach § 3c UStG, UR 1993, 365; Lampert, Ort der Lieferung bei Versendung oder Beförderung des Gegenstandes an den Abnehmer (§ 3 Abs. 7 UStG), UR 1969, 178; Lippross, Lieferung beim Versendungskauf – Zur Auslegung des § 3 Abs. 7 UStG –, DStR 1992, 566; Lippross, Lieferung beim Versendungskauf, DStR 1992, 566; Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen Binnenmarkt ab 1993, UR 1992, 89; Tehler, § 3 Abs. 7 UStG – Bloße Fiktion für den Lieferort, UVR 1991, 359; Widmann, Ort der Lieferung und der sonstigen Leistung unter Berücksichtigung der Regelungen innerhalb und außerhalb der europäischen Gemeinschaften, DStJG 13 (1990), 119.

§ 3 Abs. 1 UStG bezeichnet als Lieferungen Leistungen eines Unternehmers, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Der unter der Kurzformel „Verschaffung der Verfügungsmacht“ allgemein verwendete Lieferbegriff ist dann erfüllt, wenn der Abnehmer wie ein Eigentümer über den Liefergegenstand verfügen kann.1

9.10

Hieraus folgt, dass ein bloßes innerbetriebliches Verbringen von Gegenständen, also deren Transport innerhalb des Unternehmensbereichs, etwa vom Produktionsbetrieb zum Lager, grundsätzlich keine Lieferung gem. § 3 Abs. 1 UStG ist.2 Ausnahmen hiervon enthält § 3 Abs. 1a UStG, wonach das Verbringen eines Gegenstandes aus dem Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 2a UStG) durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, als Lieferung gegen Entgelt fingiert wird.3 In diesem Fall gilt der Unternehmer als Lieferer. Diese Fiktion dient der Sicherung des Steueraufkommens. Sie bewirkt, dass das Verbringen als innergemeinschaftliche Lieferung bei Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) zwar steuerfrei ist (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG), dafür aber im anderen Mitgliedstaat als innergemeinschaftlicher Erwerb der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. § 1a Abs. 2 UStG). Damit erfolgt in dem anderen Mitgliedstaat ein Heraufschleusen auf das dortige Steuerniveau, wodurch im Ergebnis das Bestimmungslandprinzip verwirklicht wird.4

9.11

Lieferungen sind nur dann steuerbar, wenn sie im Inland ausgeführt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Der Ort der Lieferung richtet sich gem. § 3 Abs. 5a UStG, vorbehaltlich der §§ 3c, 3e, 3f und 3g UStG, nach § 3 Abs. 6 bis 8 UStG. Im Verhältnis zu den anderen Vorschriften enthält § 3

9.12

1 Einzelheiten bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 590 ff.; Stadie, § 3 UStG Rz. 16 ff.; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 116 ff.; aus der Rspr. des EuGH: EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 -Auto Lease Holland, BStBl. II 2004, 573; v. 15.12.2005 – Rs. C-63/04 -Centralan, EuGHE 2005, I-11087. 2 Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 1000, 3080. 3 Zu Einzelheiten Abschn. 15b UStR 2008. 4 Hierzu Stadie, § 3 UStG Rz. 51 ff.

333

Kapitel 9 Umsatzsteuer

Abs. 7 Satz 1 UStG die für die Ortsbestimmung maßgebliche Grundregel. Der Lieferort ist nach dieser Grundregel1 dort, wo sich der Gegenstand der Lieferung zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.2

9.13 Von der systematischen Grundregel des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG gibt es folgende Abweichungen:

9.14 – Bei Beförderungs- und Versendungslieferungen wird gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG der Lieferzeitpunkt auf den Beginn der Beförderung bzw. die Übergabe des Liefergegenstandes an den mit der Beförderung oder deren Besorgung Beauftragten (Versendung) verlegt. Da nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG für den Ort der Lieferung der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht maßgeblich ist, wird im Ergebnis nach § 3 Abs. 6 UStG der Lieferort dorthin verlagert, wo sich der Liefergegenstand zu Beginn der Beförderung bzw. bei Übergabe an den Beauftragten befindet. Das gilt aber nur dann, wenn der Abnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht.3

9.15

Durch § 3 Abs. 6 UStG werden insbesondere folgende Vorgänge erfasst: Befördert der liefernde Unternehmer selbst den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung als ausgeführt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstandes (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG), auch mit eigener Kraft.4 Eine Beförderung durch den liefernden Unternehmer liegt auch dann vor, wenn sein unselbständiger Erfüllungsgehilfe den Gegenstand der Lieferung befördert.5 Versendet der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten als ausgeführt (§ 3 Abs. 6 Satz 4 UStG). Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung eines Gegenstandes durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG).

9.16

Die Fiktion des § 3 Abs. 6 UStG hat besondere praktische Bedeutung für den Export und Import, weil diese überwiegend im Wege der Beförderung 1 Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 55. 2 In den wichtigsten Fällen des Beförderns und Versendens (Transportlieferungen) ist der Ort der Lieferung dort, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes an den Abnehmer beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG); § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG gilt daher nur für Lieferbeziehungen, denen keine Warenbewegung zugrunde liegt (ruhende Lieferungen), so dass § 3 Abs. 6 UStG in der Praxis den Regelfall und § 3 Abs. 7 UStG den Ausnahmefall normiert; hierzu Stadie, § 3 UStG Rz. 144; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 437 f. 3 BFH v. 12.9.1991 – V R 118/87, BStBl. II 1991, 937; v. 6.12.2007 – V R 24/05, BStBl. II 2009, 490; der Abnehmer muss aber im Frachtbrief nicht namentlich genannt werden, so BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, DStR 2008, 2160; zu Einzelheiten Nieskens in FS Schaumburg, 1147 f. 4 BFH v. 20.12.2006 – V R 11/06, BStBl. II 2007, 424; v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472; Abschn. 30 Abs. 2 Satz 2 UStR 2008. 5 Abschn. 30 Abs. 2 Satz 1 UStR 2008.

334

B. Steuerobjekt oder Versendung1 erfolgen. Die Fiktion des § 3 Abs. 6 UStG bewirkt nämlich nicht nur eine Verlegung des Orts der Lieferung auf den Ort des Beginns der Beförderung und der Versendung, sondern bestimmt damit zugleich auch den Zeitpunkt der Lieferung.2 Hierdurch ergibt sich für den Exporteur der praktische Vorteil, dass er nicht von einem ausländischen Finanzamt zur Umsatzsteuer herangezogen wird. Für den Importeur ergibt sich hierdurch kein Nachteil, weil sich dieser, soweit er die Einfuhrumsatzsteuer oder die Erwerbsteuer als Vorsteuer abziehen kann, ebenfalls nur an das für ihn zuständige inländische Finanzamt zu wenden hat.3

– Für Reihengeschäfte bestimmt § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG, dass die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes stets nur einer der mehreren Lieferungen zuzuordnen ist. Entsprechend der durch § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG einerseits und § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG andererseits gesetzlich vorgegebenen Differenzierung zwischen Transportlieferungen (warenbewegte Lieferungen) und ruhenden Lieferungen (nicht warenbewegte Lieferungen), gibt es mithin bei einem Reihengeschäft stets nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt.4 Bei den übrigen Lieferungen des Reihengeschäfts bestimmt sich der Ort der Lieferung für die vorangehenden und nachfolgenden Lieferungen nach § 3 Abs. 7 UStG. Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG gelten hierbei die der Transportlieferung vorangehenden (ruhenden) Lieferungen als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Für nachfolgende (ruhende) Lieferungen wird gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG der Ort der Lieferung auf den Ort festgelegt, an dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet.5

9.17

Eine Sonderregelung für grenzüberschreitende Reihengeschäfte enthält § 25b UStG. Hiernach wird bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften im Ergebnis die Steuerschuld für die Lieferung des Zwischenlieferanten auf seinen Abnehmer verlagert (§ 25b Abs. 2 UStG), der Erwerb des Zwischenlieferanten nicht besteuert, aber als versteuert fingiert (§ 25b Abs. 3 UStG) und beim letzten Abnehmer der Vorsteuerabzug in Höhe der von ihm geschuldeten Umsatzsteuer zugelassen (§ 25b Abs. 5 UStG).6 Diese Sonderregelung dient dem Ziel, insbeson-

9.18

1 Einzelheiten zu den Begriffen bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3100 ff.; 3110 ff. 2 BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, BStBl. II 2009, 490; Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3030; Martin in S/R, § 3 UStG Rz. 459; Leonard in B/G, § 3 UStG Rz. 193; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 600 ff. 3 Hierzu im Einzelnen Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3054 f.; Widmann, DStJG 13 (1990), 119 (128 f.). 4 Diese Regelung ist europarechtskonform; vgl. EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG, EuGHE 2006, I-3227. 5 Zu Einzelheiten Stadie, § 3 UStG Rz. 129 ff.; Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 1785 ff.; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 57, Abschn. 31a UStR 2008. 6 Hierzu im Überblick Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 116.

335

Kapitel 9 Umsatzsteuer

dere den Zwischenlieferanten von Registrierungs- und Erklärungspflichten im Mitgliedstaat des Erwerbs zu entlasten.1 § 25b UStG hat allerdings nur eine begrenzte Reichweite, weil nur Dreiecksgeschäfte, also Reihengeschäfte mit nicht mehr als drei Beteiligten2 erfasst werden und vorausgesetzt wird, dass der Liefergegenstand vom ersten Lieferanten oder dem Zwischenlieferanten befördert oder versendet wird und die beteiligten Unternehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten steuerlich registriert3 sind, wobei der Zwischenlieferant nicht im Bestimmungsland ansässig sein darf (§ 25b Abs. 1 UStG). Schließlich findet § 25b UStG nur dann Anwendung, wenn die Warenbewegung im Inland endet oder der Gegenstand von einem anderen Mitgliedstaat in einen weiteren Mitgliedstaat gelangt und der Erwerber eine deutsche USt-IdNr. verwendet.4

9.19 – Soweit bei der Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet in das Inland der Lieferer oder sein Beauftragter (z.B. Spediteur) Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, wird gem. § 3 Abs. 8 UStG bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften der Ort der Lieferung in das Inland verlegt. § 3 Abs. 8 UStG geht dem § 3 Abs. 6 UStG als speziellere Regelung vor.5

9.20

Da sich der Ort der Lieferung im Rahmen des § 3 Abs. 8 UStG danach richtet, ob der Lieferer die Einfuhrumsatzsteuer schuldet, ergeben sich für die Beteiligten entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Vereinbaren nämlich die Vertragspartner, dass die Lieferung verzollt und versteuert erfolgen soll, so liegt der Lieferort bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften gem. § 3 Abs. 8 UStG im Einfuhrland (Inland). Der Lieferer kann daher selbst die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Wird demgegenüber unverzollt und unversteuert geliefert, so liegt bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften der Lieferort gem. § 3 Abs. 7 und 6 UStG im Lieferland (Drittland). In diesem Falle ist der Abnehmer zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.6 Die vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten sind für den jeweiligen privaten Endverbraucher im Bestimmungsland so lange belastungsneutral, wie die Einfuhrumsatzsteuer durch den Importeur als Vorsteuer abgezogen werden kann. Ist dies indessen nicht der Fall, weil etwa die Lieferung unverzollt und unversteuert erfolgt und der Abnehmer als privater Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, können sich systemwidrige Belastungsdivergenzen ergeben. Sie beruhen darauf, dass das Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG) als Bemessungsgrundlage für die Lieferung nicht stets identisch ist mit der für die Einfuhrumsatzsteuer maßgeblichen Be1 Zur Kritik an dieser komplizierten Regelung Stadie, § 25b UStG Rz. 9; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 117. 2 Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 273 Rz. 822; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 117; anders jedoch bei mehr als drei hintereinandergeschalteten Beteiligten am Ende der Lieferkette Stadie in R/D § 25 UStG Rz. 98 ff.; Heuermann, UR 1998, 9 ff.; Abschn. 276b Abs. 2 Satz 2 UStR 2008. 3 Durch Erteilung einer USt-IdNr.; Abschn. 276b Abs. 3 UStR 2008. 4 Leonard in B/G, § 25b UStG Rz. 7. 5 Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3341. 6 Vgl. hierzu die Beispiele in Abschn. 31 Abs. 2 UStR 2008.

336

B. Steuerobjekt messungsgrundlage, dem Zollwert (§ 11 Abs. 1 UStG). Etwas anderes gilt für sog. Kleinsendungen, die von der Einfuhrumsatzsteuer befreit sind (§ 5 UStG i.V. mit § 1 Abs. 1 EuStBV, Art. 27 ZollbefreiungsVO).1

– Für innergemeinschaftliche Versandverkäufe an private Endverbraucher und bestimmte andere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Abnehmer wird durch § 3c Abs. 1 UStG der Ort der Lieferung in das Bestimmungsland verlegt (Empfängerort). Entgegen § 3 Abs. 7 und 6 UStG wird für die Ortsbestimmung damit nicht auf den Beginn, sondern auf das Ende der Beförderung oder Versendung abgestellt. Diese Ortsbestimmung betrifft die Fälle, in denen der Lieferer Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet und der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5; 1a UStG) nicht zu versteuern hat.

9.21

Voraussetzung für den Ort der Lieferung im Bestimmungsland ist, dass die Beförderung oder Versendung vom liefernden Unternehmer veranlasst wird. Empfänger der Lieferungen dürfen nur solche Personen sein, die in § 3c Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG aufgeführt sind. Zu diesem Personenkreis gehören insbesondere Privatpersonen (§ 3c Abs. 2 Nr. 1 UStG) sowie die Personen, die im Inland mit dem Erwerberkreis identisch sind, der nach § 1a Abs. 3 UStG die Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs nicht erfüllt und nicht für die Erwerbsbesteuerung optiert hat (§ 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG). Hierzu gehören insbesondere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer sowie juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben. Die vorstehenden Voraussetzungen gelten nicht uneingeschränkt für alle innergemeinschaftlichen Versandverkäufe: Für Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren – Mineralöle, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren – an private Endverbraucher (§ 3c Abs. 2 Nr. 1 UStG) gilt § 3c Abs. 1 UStG stets, für Lieferungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Erwerber (§ 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG) nie (§ 3c Abs. 5 Satz 2 UStG). Hier bleibt § 3 Abs. 7 und 6 UStG anwendbar. Es greift sodann die für innergemeinschaftliche Lieferungen maßgebliche Steuerbefreiung (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b; 6a UStG) und danach die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland ein (vgl. § 1a Abs. 5 Satz 2 UStG). Schließlich unterliegt die Lieferung von neuen Fahrzeugen unter keinen Umständen der Ortsbestimmung des § 3c Abs. 1 UStG (§ 3c Abs. 5 Satz 1 UStG). Auch hier verbleibt es bei der Ortsbestimmung des § 3c Abs. 7 und 6 UStG, wobei die Lieferung neuer Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung gem. §§ 4 Nr. 1 Buchst. b und 6a UStG steuerbefreit ist und anschließend im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. § 1a Abs. 5 Satz 1 UStG).

9.22

1 BFH v. 21.3.2007 – V R 32/05, BStBl. II 2008, 153; BMF v. 1.2.2008, BStBl. I 2008, 2295; dort aber auch zu den Grenzen der Gestaltung.

337

Kapitel 9 Umsatzsteuer

9.23

Für Lieferungen von anderen Gegenständen als verbrauchsteuerpflichtige Waren und neue Fahrzeuge setzt der Ort der Lieferung im Bestimmungsland gem. § 3c Abs. 3 UStG schließlich noch voraus, dass die Lieferungen des Lieferanten in einem anderen Mitgliedstaat einen bestimmten Umfang – Lieferschwelle – überschreiten. Liegt das Ende der Beförderung oder Versendung im Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten, so beträgt die Lieferschwelle Euro 100 000 (§ 3c Abs. 3 Nr. 1 UStG), das heißt, der Gesamtbetrag der Entgelte, der den Lieferungen in einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist, muss bei dem Lieferer im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr den vorgenannten Betrag übersteigen.1 Endet die Beförderung oder Versendung in einem anderen Mitgliedstaat, kommen die dort maßgeblichen zum Teil reduzierten Lieferschwellen zur Anwendung (§ 3c Abs. 3 Nr. 2 UStG).2 Wird die maßgebliche Lieferschwelle nicht überschritten, kann der Lieferer gem. § 3c Abs. 4 UStG dennoch für die Besteuerung seiner Lieferungen im Bestimmungsland optieren.3 Die Option, die ggü. den zuständigen Finanzbehörden zu erklären ist, bindet den Lieferer zwei Jahre. Die Option kann für die Lieferungen in einzelne Bestimmungsländer der Gemeinschaft jeweils gesondert ausgesprochen werden.4 Optiert der Lieferer nicht, bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 und 6 UStG.

9.24 – Lieferungen von Gegenständen oder die Ausführung von Restaurationsleistungen während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn gelten als am Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels erbracht (§ 3e Abs. 1 UStG). Damit wird in Abweichung von § 3 Abs. 7 und 6 UStG der Ort der Lieferung sowie der Ort der sonstigen Leistung zurückverlegt mit der Folge, dass für die vorbezeichneten Leistungen während einer Beförderung nicht mehrere Steuererklärungen in mehreren Mitgliedstaaten abzugeben sind. Eine Personenbeförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes ist dann gegeben, wenn sowohl Abgangs- als auch Ankunftsort in der Gemeinschaft liegen und kein Zwischenaufenthalt außerhalb des Gemeinschaftsgebietes erfolgt oder wenn die Beförderung im Drittlandsgebiet beginnt oder endet und hierbei sowohl Abgangs- als auch Ankunftsort, bei denen Reisende ein- und aussteigen können, im Gemeinschaftsgebiet liegen (§ 3e Abs. 2 UStG).

9.25 – Für die Lieferung von Gas oder Elektrizität5 an Wiederverkäufer wird gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG als Ort der Lieferung der Ort fingiert, wo 1 Zur Berechnung des Gesamtbetrags der Entgelte Rokos, UR 1992, 89 (103), 129 ff. 2 Vgl. die Aufstellung in Abschn. 42j Abs. 3 UStR 2008. 3 Die Option ist dann geboten, wenn der Steuersatz dort niedriger ist. 4 Zu weiteren Einzelheiten Kraeusel in R/K/L, § 3c UStG Rz. 56 ff. 5 Im Rahmen des JStG 2010 soll § 3g UStG auf die Lieferung von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze ausgedehnt werden.

338

B. Steuerobjekt

der Abnehmer sein Unternehmen betreibt (Empfängerort). Es ist allerdings der Ort der Betriebsstätte des Abnehmers maßgeblich, wenn an diese die Lieferung ausgeführt wird (§ 3g Abs. 1 Satz 2 UStG). Für Lieferungen an Nichtunternehmer und Unternehmer für den eigenen Verbrauch ist demgegenüber auf den Verbrauchsort abzustellen, also darauf, wo sich der Zähler des Abnehmers befindet (§ 3g Abs. 2 UStG)1 – Lieferungen in Freihäfen und Küstengewässern,2 die zum Ausland zählen (§ 1 Abs. 2 UStG), sind insbesondere gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 4 UStG wie steuerbare Lieferungen im Inland zu behandeln, so dass insoweit die Ortsbestimmung des § 3 Abs. 7 UStG verdrängt wird.3

9.26

Diese Fiktion dient dem Ziel, Endverbraucherumsätze in den vor- 9.27 genannten Gebieten steuerlich zu belasten.4 Erfasst werden vor allem die zum Gebrauch oder Verbrauch bestimmten Liefergegenstände (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 1 UStG), etwa die Lieferung von Speisen und Getränken auf Fährschiffen oder der Verkauf von Tabakwaren aus Automaten in Freihäfen,5 und von Schiffsausrüstungsgegenständen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 2 UStG)6 sowie Liefergegenstände, die sich im Zeitpunkt der Lieferung in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder an einer zollamtlich zugelassenen Freihafenlagerung befinden (§ 1 Abs. 3 Nr. 4a UStG), und Gegenstände, die sich einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden (§ 1 Abs. 3 Nr. 4b UStG).7 3. Gegenstandsentnahmen Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen für Zwecke außerhalb des Unternehmens gleichgestellt. Diese Fiktion, die sich sowohl auf die Lieferung als auch auf die Entgeltlichkeit bezieht, dient der Sicherstellung der Besteuerung des Letztverbrauchs, womit zugleich dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer entsprochen wird.8 Wie sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergibt, ist die Regelung darauf angelegt, einen vorgenommenen Vorsteuerabzug zu neutralisieren.9 Um die Gleichstellung mit einer Lieferung gegen Entgelt zu gewährleisten, wird die tatbestandliche Reichweite der Gegenstandsentnahme durch § 3 Abs. 1 UStG begrenzt, so dass eine Gegenstandsentnahme nur vorliegt, wenn 1 Abschn. 42n Abs. 5 Satz 2 UStR 2008. 2 Es handelt sich hierbei um die Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie. 3 Martin in S/R, § 3 UStG Rz. 502 f. 4 Hierzu im Einzelnen Husmann in R/D, § 1 UStG Rz. 1171, 1176 ff. 5 Vgl. Abschn. 14 Abs. 1 UStR 2008. 6 Einzelheiten bei Husmann in R/D, § 1 UStG Rz. 1184 ff. 7 Abschn. 15 UStR 2008. 8 Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 67. 9 Hierzu Stadie, § 3 UStG Rz. 56; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 72.

339

9.28

Kapitel 9 Umsatzsteuer

bei einer entsprechenden Leistung gegenüber einem anderen eine Lieferung gegeben wäre.1 Die Reichweite der Gegenstandsentnahme wird zugleich aber auch begrenzt durch § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG, so dass nur vorsteuerentlastete Gegenstände erfasst werden.

9.29 § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG setzt eine Entnahme für Zwecke außerhalb des Unternehmens voraus. Betroffen hierdurch sind nicht nur natürliche Personen, sondern auch Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts, denn auch diese können Zwecke verfolgen, die außerhalb des Unternehmens liegen, so etwa die Zuwendung von bislang im Unternehmen genutzten Gegenständen an Anteilseigner für deren privaten Bedarf.2

9.30 Für den Ort der Gegenstandsentnahme gilt die Sonderregelung des § 3f UStG. Hiernach werden Gegenstandsentnahmen an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3f Satz 1 UStG). Erfolgt die Gegenstandsentnahme aus einer Betriebsstätte, so gilt diese als Ort der Lieferung (§ 3f Satz 2 UStG). Dass der Unternehmensort maßgeblich ist, ist im Hinblick auf die technische Funktion der Gegenstandsentnahme – Neutralisierung des Vorsteuerabzuges – zwingend.3 4. Personalzuwendungen

9.31 Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG wird bei einer unentgeltlichen Zuwendung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf die Entgeltlichkeit der Lieferung fingiert, soweit keine Aufmerksamkeit vorliegt. Damit wird, wie sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergibt, der zuvor vorgenommene Vorsteuerabzug neutralisiert4 und zugleich ein unversteuerter Endverbrauch vermieden.5 Der Anwendungsbereich ist in der Praxis begrenzt, weil einerseits Entgeltlichkeit anzunehmen ist, wenn die Gegenleistung in der anteiligen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers liegt, und andererseits bloße Aufmerksamkeiten, womit geringwertige Geschenke gemeint sind,6 von der Vorschrift nicht erfasst werden. Schließlich entfällt auch eine Besteuerung in den Fällen, in denen die über bloße Aufmerksamkeiten hinausgehenden Zuwendungen an Arbeitnehmer der Ausführung entgeltlicher Umsätze dienen, womit im Wesentlichen die Überlassung von Dienstkleidung und Arbeitsmitteln gemeint ist, nicht aber die von Kraftfahrzeu-

1 Hierzu Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 322.20. 2 Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 322.24; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 74; vgl. auch EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 – VNLTO, UR 2009, 199. 3 Hierzu Stadie, § 3 UStGRz. 2 f. 4 Hierzu Stadie, § 3 UStG Rz. 76. 5 Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 75. 6 Abschn. 12 Abs. 3 UStR 2008 (Wert: Euro 40).

340

B. Steuerobjekt

gen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.1 Ort dieser unentgeltlichen Lieferung ist der Unternehmensort (§ 3f UStG). 5. Unentgeltliche Lieferungen § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG erfasst schließlich auch andere unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Auch hier geht es darum, den zuvor geltend gemachten Vorsteuerabzug zu neutralisieren (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Maßgeblich ist hier ebenfalls der Unternehmensort (§ 3f UStG).

9.32

6. Sonstige Leistungen im Inland Literatur Kommentare zu § 3a UStG; Jansen, Neue Ortsregelungen für sonstige Leistungen ab 2010, UR 2008, 837; Kirchhof, Entwicklungsmöglichkeiten der Umsatzsteuer im Rahmen von Verfassungs- und Europarecht, UR 2002, 541; Lippross, Neuregelungen zum Ort der sonstigen Leistung ab 1.1.2010, UR 2009, 768; Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1992; Monfort, JStG 2009: Der neue Ort der sonstigen Leistung ab 2010, DStR 2008, 297; Nieskens, Gemeinschafterrechtliche Neuregelungen zum Ort der sonstigen Leistung, UR 2008, 677; Rädler/Lausterer, Margenbesteuerung von Leistungen der Reiseveranstalter in der EG, UR 1995, 285; Widmann, Ort der Lieferung und der sonstigen Leistung unter Berücksichtigung der Regelungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, DStJG 13 (1990), 119.

Sonstige Leistungen sind gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die nicht Lieferungen sind. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der sonstigen Leistung besteht im Gegensatz zur Lieferung nicht in der Zuwendung eines Gegenstandes, sondern in der Erbringung einer Dienstleistung, in einer Nutzungsüberlassung oder in der Übertragung eines Rechtes.2 Die sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen (§ 3 Abs. 9 Satz 2 UStG). Schließlich bestimmt § 3 Abs. 9 Satz 3 UStG, dass die Vergütungen nach den §§ 27 und 54 UrhG, insbesondere die sog. Bibliotheksabgabe und die sog. Leerkassettenvergütung, Entgelt für sonstige Leistungen sind.

9.33

Sonstige Leistungen sind nur dann steuerbar, wenn sie im Inland erbracht 9.34 werden. Der für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung maßgebliche § 3a UStG enthält eine kasuistische Regelung, wonach abzustellen ist, auf den

1 Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 78; vgl. auch EuGH v. 16.10.1997 – Rs. C-258/95 – Fillibeck, EuGHE 1997, I-5577; BFH v. 9.7.1998 – V R 105/92, BStBl. II 1998, 635. 2 Nieskenes in R/D, § 3 UStG Rz. 3471; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 66 Rz. 36 ff.

341

Kapitel 9 Umsatzsteuer

– Unternehmensort (§ 3a Abs. 1 UStG), – Empfängerort (§ 3a Abs. 2, 4, 5 UStG), – Grundstücksort (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG), – Übergabeort (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG), – Erbringungsort (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG), – Umsatzort (§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG) und den – Nutzungsort (§ 3a Abs. 6, 7 UStG).

9.35 Darüber hinaus enthalten Sonderregelungen weitere Bestimmungsorte, insbesondere den – Beförderungsort (§ 3b Abs. 1 UStG), – Erbringungsort (§ 3b Abs. 2 UStG), – Abgangsort (§§ 3b Abs. 3; 3e UStG) und den – Unternehmensort (§ 25 Abs. 1 UStG).

9.36 § 3a Abs. 1 UStG stellt für den Ort der sonstigen Leistung als gesetzliche Grundregel auf den Unternehmensort ab. Danach ist grundsätzlich derjenige Ort maßgebend, von dem aus das Unternehmen betrieben wird (§ 3a Abs. 1 Satz 1 UStG). Das Unternehmen wird dort betrieben, wo der Unternehmer seine Tätigkeit anbietet, wo er Aufträge entgegennimmt, ihre Ausführung vorbereitet und an ihn Zahlungen geleistet werden1 und wo die wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen getroffen werden.2

9.37 Der Unternehmensort ist daher regelmäßig mit dem Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) (Rz. 6.2 ff.) identisch.3 Bei natürlichen Personen ist das im Zweifel der Wohnsitz (§ 8 AO) oder der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 AO).4 Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte5 als Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG). Sind mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens an dem Umsatz beteiligt, so ist maßgebend, von welcher Betriebsstätte der überwiegende Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung erbracht wird.6 Das Unternehmensortprinzip ist lediglich subsidiärer Natur.7 Es gilt insbesondere für Leistungen von Reiseleitern, Sporttrainern und Vermögensverwaltern.8 1 2 3 4 5

BFH v. 18.3.1971 – V R 101/67, BStBl. II 1971, 518. Stadie, § 3a UStG Rz. 20, 115. Martin in S/R, § 3a UStG Rz. 51; Stadie, § 3a UStG Rz. 20. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 2. Nicht i.S. von § 12 AO, sondern in Orientierung an Art. 45 Satz 2 MwstSystRL im Sinne einer festen Niederlassung; BFH v. 16.1.2003 – V B 47/02, BFH/NV 2003, 830; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 4; Stadie, § 3a UStG Rz. 23. 6 Martin in S/R, § 3a UStG Rz. 53; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 3. 7 §§ 3a Abs. 2 bis 7; 3b, 3e, 3f und 25 Abs. 1 Satz 4 UStG gehen vor; Stadie, § 3a UStG Rz. 2, 110. 8 Zu Einzelfällen Stadie, § 3a UStG Rz. 119.

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B. Steuerobjekt

Das Unternehmensortprinzip des § 3a Abs. 1 UStG ist systemwidrig, weil es nicht dem Bestimmungslandprinzip entspricht. Dieses Bestimmungslandprinzip gilt nicht nur für Lieferungen, sondern auch für sonstige Leistungen. Danach soll der private Endverbraucher in Höhe der im Bestimmungsland geltenden Umsatzsteuer belastet werden.1 Da das Umsatzsteuergesetz für grenzüberschreitende sonstige Leistungen grundsätzlich keinen Steuerausgleich vorsieht, der Export sonstiger Leistungen demnach nicht steuerfrei ist, hätte dem Bestimmungslandprinzip allein das Empfängerortprinzip, wie es in § 3a Abs. 2, 4 und 5 UStG seinen Niederschlag gefunden hat, entsprochen. Wegen der in den einzelnen Ländern unterschiedlich bestehenden Umsatzsteuersätze kommt es daher zu Belastungsdivergenzen sowie im Verhältnis zu Drittlandsgebieten u.U. auch zu Doppelbesteuerungen2 und damit zu Wettbewerbsverzerrungen,3 die sich insbesondere in einem steigenden sog. cross border consulting artikulieren.4 Hierzu wird zwar die Ansicht vertreten, bei sonstigen Leistungen ließe sich wegen technischer Schwierigkeiten das Bestimmungslandprinzip nicht ohne weiteres umsetzen, so dass im Interesse einer lückenlosen Besteuerung des Endverbrauchers im Gemeinschaftsgebiet das Ursprungslandprinzip gerechtfertigt sei,5 die Regelungen im Übrigen zeigen aber, dass technische Schwierigkeiten und Probleme der praktischen Umsetzung die umsatzsteuerliche Normenflut gleichwohl nicht aufzuhalten vermögen. Deshalb hätten innergemeinschaftliche sonstige Leistungen den gleichen Regelungen unterworfen werden können wie innergemeinschaftliche Lieferungen. Dies ist auf der Grundlage der Änderungsrichtlinie 2008/8/EG v. 12.2.20086 mit Wirkung ab 1.1.2010 in wichtigen Teilbereichen auch tatsächlich geschehen: Ist Empfänger der sonstigen Leistung ein Unternehmer, gilt der Empfängerort, ist er Nichtunternehmer bleibt es beim Unternehmensort.7

9.38

Der Empfängerort gilt für sonstige Leistungen, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden (§ 3a Abs. 2 UStG). Für die Ortsbestimmung wird auf den Ort abgestellt, an dem der Empfänger der sonstigen Leistung sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte8 eines Unternehmens er-

9.39

1 Unter Verbrauchsteuergesichtspunkten ist daher eine Differenzierung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung insoweit nicht gerechtfertigt; hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 990; Kirchhof, UR 2002, 541 (545). 2 Doppelbesteuerungen sind allerdings auch bei Geltung des Empfängerortprinzips denkbar, wenn die Leistung tatsächlich in einem Drittstaat genutzt oder ausgeführt wird und das nach dem maßgeblichen Steuerrecht der Leistungsort ist; für bestimmte Güterbeförderungsleistungen soll daher nach dem JStG 2010 der Nutzungsort maßgeblich sein (§ 3a Abs. 8 UStGE). 3 Zur Kritik auch Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 59. 4 Hierzu Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 148 f. 5 Stadie, § 3a UStG Rz. 112, 68 f.; Widmann, DStJG 13 (1990), 119 (131). 6 ABl. EU 2008 Nr. L 44/11 v. 20.2.2008. 7 So der Grundsatz, der aus Gründen der Administrierbarkeit für die europäischen Finanzverwaltungen akzeptabel ist, im Verhältnis zu Drittstaaten allerdings Probleme aufwirft; hierzu Lippross, UR 2009, 768 ff. 8 Nicht i.S. von § 12 AO, sondern in Orientierung an Art. 45 Satz 2 MwStSystRL im Sinne einer festen Niederlassung; BFH v. 16.1.2003 – V B 47/02, BFH/NV 2003, 830; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 4; Stadie, § 3a UStG Rz. 23.

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Kapitel 9 Umsatzsteuer

bracht, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG). Entsprechendes gilt bei sonstigen Leistungen an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine UmsatzsteuerIdentifikationsnummer erteilt worden ist (§ 3a Abs. 2 Satz 3 UStG). Die vorstehende auf den Empfängerort abstellende Regelung gilt vorbehaltlich der Abs. 3 bis 7 und der §§ 3b, 3e und 3f UStG. Mit der Empfängerort-Regelung in § 3a Abs. 2 UStG korrespondieren die gemeinschaftsweit geltenden Regelungen über die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.1 Damit wird jedenfalls im Gemeinschaftsgebiet das Bestimmungslandprinzip konsequent umgesetzt.2 § 3a Abs. 2 UStG hat insoweit eine begrenzte Reichweite, als der Empfängerort nur dann zur Geltung kommt, wenn die sonstige Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Dies setzt voraus, dass der leistende (inländische) Unternehmer Kenntnis von der Unternehmereigenschaft des Empfängers erhält. Im Zweifel wird hierfür die Vorlage einer durch das Bundeszentralamt für Steuern gem. § 18e Nr. 1 UStG bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ausreichen.3 Wird eine derart bestätigte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, kann auch davon ausgegangen werden, dass die sonstigen Leistungen für den unternehmerischen Bereich des betreffenden Leistungsempfängers bezogen werden.4

9.40 Der Empfängerort ist auch maßgeblich für die in § 3a Abs. 4 UStG genannten Katalogleistungen,5 soweit der Empfänger weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist, es sich also im Wesentlichen um Nichtunternehmer handelt, die im Drittlandsgebiet ansässig sind. Insoweit wird also das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Ob der Empfänger Nichtunternehmer und zudem im Drittlandsgebiet ansässig ist, hat der leistende Unternehmer aus den ihm zugänglichen Informationen abzuleiten. Dabei reicht es aus, wenn ihm die vorstehenden Eigenschaften durch entsprechende Zusicherungen des Empfängers bestätigt werden. Darüber hinausgehende Nachforschungspflichten bestehen nicht.6 Der Empfängerort gilt für auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen i.S. des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG7 an einen Empfänger, der weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit 1 Art. 196 MwStSystRL; vgl. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG. 2 Stadie, § 3a UStG Rz. 11; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 60; zu den Verwerfungen im Verhältnis zu Drittstaaten Lippross, UR 2009, 768 ff. 3 Insoweit besteht Vertrauensschutz; hierzu Stadie, § 3a UStG Rz. 13; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005. 4 Stadie, § 3a UStG Rz. 16; Leonard in B/G, § 3a UStG Rz. 6; vgl. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 18. 5 Zu Einzelheiten BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 60 ff. 6 Hierzu Stadie, § 3a UStG Rz. 9, 70; vgl. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 18. 7 Vgl. hierzu die Aufzählung in BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 89 ff.

344

B. Steuerobjekt

Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist, ausnahmsweise auch dann, wenn der Empfänger im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist (§ 3a Abs. 5 UStG). Voraussetzung ist, dass die sonstige Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der im Drittlandsgebiet ansässig ist oder dort eine Betriebsstätte hat, von der die Leistung ausgeführt wird.1 Der Grundstücksort gem. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG ist maßgeblich für sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück2 (Belegenheitsprinzip). Die anderen Ortsbestimmungen des § 3a Abs. 1 und 2 UStG treten demgegenüber zurück. Unter das Belegenheitsprinzip fallen z.B. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, die sonstigen Leistungen von Grundstücksmaklern und -sachverständigen, Architekten, Gärtnern und Gebäudereinigern.3

9.41

Im Gegensatz zum Unternehmensortprinzip entspricht das Belegenheitsprinzip des § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG dem Bestimmungslandprinzip. Damit wird zugleich die Wettbewerbsneutralität gewahrt, so dass es einerlei ist, ob im Zusammenhang mit einem Grundstück sonstige Leistungen aus dem Inland oder aus dem Ausland in Anspruch genommen werden. Es besteht freilich die Gefahr der Nichtbesteuerung, wenn der leistende Unternehmer im Ausland ansässig und der Leistungsempfänger Nichtunternehmer ist, so dass insoweit dessen Steuerschuldnerschaft gem. § 13b UStG ausscheidet.4

9.42

Für die kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels ist der Übergabeort der maßgebliche Ort der sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 UStG). Das ist der Ort, an dem das Beförderungsmittel dem Mieter tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, ohne dass es darauf ankommt, wo das Beförderungsmittel letztendlich genutzt wird. Zu den in Betracht kommenden Beförderungsmitteln gehören nur solche Gegenstände, deren Hauptzweck auf die Beförderung von Personen und Gütern zu Lande, zu Wasser oder in der Luft gerichtet ist und die sich auch tatsächlich fortbewegen. Angesprochen sind damit etwa Fahrzeuganhänger, Eisenbahnwaggons, Segelboote, Ruderboote, nicht aber etwa Bagger, Planierraupen usw.5 Von der Reichweite des § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG wird auch die Vermietung von Beförderungsmitteln erfasst, soweit in diesem Zusammenhang zusätzlich auch Personal gestellt wird, wenn dieses den Weisungen des Mieters (Leistungsempfängers) zu folgen verpflichtet ist. Hierzu zählt

9.43

1 Mit dieser Regelung wird die Wettbewerbsgleichheit insbesondere im Bereich des E-Commerce sichergestellt; vgl. hierzu Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 63; zu Einzelheiten Stadie, § 3a UStG Rz. 120 ff. 2 Der Grundstücksbegriff ist funktional und nicht bürgerlich-rechtlich zu verstehen, so dass z.B. auch Scheinbestandteile (§ 95 BGB) zum Grundstück zählen; z.B. EuGH v. 16.1.2003 – Rs. C-315/00 -Maierhofer, UR 2003, 86; Martin in S/R, § 3a UStG Rz. 66; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 25. 3 Zu Einzelfällen Stadie, § 3a UStG Rz. 36; vgl. auch BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005 Tz. 27 ff.; in Tz. 51 ff. auch zu Messen und Ausstellungen. 4 Hierzu Stadie, § 3a UStG Rz. 32. 5 Vgl. hierzu die Aufzählung in BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 36.

345

Kapitel 9 Umsatzsteuer

etwa die Vercharterung einer Segel- oder Motorjacht mit Besatzung. Demgegenüber liegt allerdings eine Beförderungsleistung, deren Ort sich nach § 3b UStG bestimmt, vor, wenn der Vermieter (Vercharterer) vertraglich eine bestimmte Beförderung schuldet und hierfür auch die Verantwortung übernimmt.1 Unter § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG fällt schließlich nur die Vermietung über einen kurzen Zeitraum, und zwar von nicht mehr als 90 Tagen bei Wasserfahrzeugen und von nicht mehr als 30 Tagen bei anderen Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 UStG).

9.44 Der Erbringungsort ist als Bestimmungsort maßgeblich für – kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter (§ 3a Abs. 3 Nr. 3a UStG)2 – Restaurationsleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG) und – Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG).

9.45 Bei den unter § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG fallenden sonstigen Leistungen richtet sich der Erbringungsort danach, wo der Unternehmer die geschuldeten Leistungen tatsächlich erbringt. Ohne Bedeutung ist daher, wo der Vertrag geschlossen wird, wo die erforderlichen Vorbereitungshandlungen stattfinden und wo sich die Leistung wirtschaftlich letztlich auswirkt.3

9.46 Der Erbringungsort hat insbesondere Bedeutung für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen. Hierunter fallen vor allem die sonstigen Leistungen von Berufssportlern, Schauspielern, Musikern, Sängern, Artisten sowie die entsprechenden Leistungen der Veranstalter.4 Hier ist in aller Regel für die Ortsbestimmung der Veranstaltungsort maßgeblich.5

9.47

Da es sich bei den vorgenannten sonstigen Leistungen um überwiegend persönlich zu erbringende Leistungen handelt,6 ist es konsequent, dass für die Ortsbestimmung nicht auf den Unternehmensort abgestellt wird. Es wäre unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungslandprinzips allerdings plausibel 1 BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 37. 2 Nach dem JStG 2010 soll der Erbringungsort in Zukunft auch für die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu entsprechenden Veranstaltungen gelten (§ 3a Abs. 3 Nr. 5 UStGE). 3 BFH v. 4.4.1974 – V R 161/72, BStBl. II 1974, 532; Martin in S/R, § 3a UStG Rz. 87. 4 Einzelfälle bei Martin in S/R, § 3a UStG Rz. 88 ff. 5 BFH v. 6.11.2002 – V R 57/01, BFH/NV 2003, 827; EuGH v. 9.2.2006 – Rs. C-114/05 – Beach Ltd, EuGHE 2006, I-2427. 6 Zur Abgrenzung: Die Übertragung von Nutzungsrechten an Urheberrechten und ähnlichen Rechten fällt nicht unter § 3a Abs. 3 Nr. 3a UStG, sondern unter § 3a Abs. 2 UStG, wenn Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und unter § 3a Abs. 1 oder unter § 3a Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG, wenn er Nichtunternehmer ist; vgl. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005 Tz. 40 ff.

346

B. Steuerobjekt gewesen, nicht auf den Erbringungsort, sondern auf den Empfängerort abzustellen. Da indessen der Erbringungsort dieser in aller Regel persönlich zu erbringenden sonstigen Leistungen mit dem Ort übereinstimmen wird, an dem diese sonstigen Leistungen entgegengenommen werden und wo die Empfänger als Nichtunternehmer dieser sonstigen Leistungen hierfür etwas aufwenden, ist diese Anknüpfung unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungslandprinzips zu billigen.1

Der Erbringungsort ist bei durch die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle bewirkten sonstigen Leistungen (Restaurationsleistungen) nur dann maßgeblich, wenn die vorbezeichneten sonstigen Leistungen2 nicht an Bord eines Beförderungsmittels erfolgen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG). Andernfalls gilt der Abgangsort des Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der sonstigen Leistung (§ 3e UStG).

9.48

Für Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und deren Begutachtung ist gem. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG ebenfalls der Erbringungsort maßgeblich, wenn der Auftraggeber weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung ausgeführt wird, noch eine nichtunternehmerische juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist.3

9.49

Für Vermittlungsleistungen bestimmt § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG den Um- 9.50 satzort als den Ort der sonstigen Leistung, wenn der Auftraggeber weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Vermittlungsleistungen werden demnach an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz als ausgeführt gilt. Damit ist der Ort der Vermittlungsleistung identisch mit dem Ort der vermittelten Lieferung oder mit dem Ort der vermittelten sonstigen Leistung. Ob die vermittelte Leistung selbst steuerbar ist oder nicht, spielt keine Rolle.4 Zu den Vermittlungsleistungen zählen insbesondere die Leistungen der Handelsvertreter, Agenten und Handelsmakler. Bei Vermittlungsleistungen an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person gilt der Empfängerort (§ 3a Abs. 2 UStG) und bei der Vermittlung von Vermietungen von Grundstücken, Wohnungen, Ferienhäusern und Hotelzimmern der Grundstücksort (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG).5

1 Nach dem JStG 2010 soll der Erbringungsort nur noch für entsprechende Leistungen an Nichtunternehmer gelten; im Übrigen gilt der Empfängerort. 2 Zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 49. 3 Einzelheiten bei Stadie, § 3a UStG Rz. 54 ff.; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 48 ff. 4 EuGH v. 27.5.2004 – Rs. C-68/03 – Lipjes, EuGHE 2004, I-5879. 5 BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 57.

347

Kapitel 9 Umsatzsteuer

9.51 Der Nutzungsort ist maßgeblich für – die kurzfristige oder langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels von einem im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer, soweit das Fahrzeug im Inland genutzt wird (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG),1 – Katalogleistungen gem. § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1–10 UStG von Unternehmern im Drittlandsgebiet an im Inland ansässige juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit diese nicht Unternehmer sind und ihnen keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 UStG), – Telekommunikationsdienstleistungen und Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen gem. § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11, 12 UStG, die von einem im Drittland ansässigen Unternehmer erbracht werden (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG).2 In den vorgenannten Fällen3 wird an den Nutzungsort aber nur dann angeknüpft, wenn die vorbezeichneten sonstigen Leistungen im Inland genutzt oder ausgewertet werden. Hierdurch wird das Bestimmungslandprinzip umgesetzt.4 Der Nutzungsort ist schließlich auch bei der kurzfristigen Vermietung eines Schienenfahrzeuges, Kraftomnibusses oder eines ausschließlich zur Beförderung von Gegenständen bestimmten Straßenfahrzeugs durch einen im Inland ansässigen Vermieter an einen im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer für dessen Unternehmen maßgeblich, wenn die vorbezeichneten Fahrzeuge im Drittlandsgebiet genutzt werden (§ 3a Abs. 7 UStG).

9.52 Gemäß § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG werden mit Ausnahme der in § 3b Abs. 3 UStG genannten innergemeinschaftlichen Güterbeförderung Beförderungsleistungen dort ausgeführt, wo sie bewirkt werden (Beförderungsort). Bei grenzüberschreitenden Beförderungen führt der auf das Ausland entfallende Teil der Beförderung somit nicht zur Steuerbarkeit (§ 3b Abs. 1 Satz 2 UStG). Bei einem vereinbarten Gesamtentgelt ist dieses entsprechend aufzuteilen.5 Für den auf das Inland entfallenden steuerbaren Teil der grenzüberschreitenden Beförderungsleistung kommen die Steuerbefreiungen gem. § 4 Nr. 3 und 5 UStG in Betracht, ohne dass der Vorsteuerabzug entfällt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 3b Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG ergangenen §§ 2 bis 7 UStDV enthalten Vereinfachungsregelungen für grenzüberschreiten1 Diese Ortsbestimmung richtet sich in Abweichung von § 3a Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 UStG bei langfristiger Vermietung nur an Nichtunternehmer; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 108. 2 Diese Ortsbestimmung gilt wegen des Verweises auf § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG nur für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer; BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 109. 3 Der Nutzungsort soll nach dem JStG 2010 gem. § 3a Abs. 8 UStGE auch für bestimmte Güterbeförderungsleistungen maßgeblich sein, wenn die Leistung tatsächlich im Drittlandsgebiet genutzt oder ausgewertet wird. 4 Zu Einzelheiten Stadie, § 3a UStG Rz. 123 ff. 5 BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 116.

348

B. Steuerobjekt

de Beförderungen und Beförderungen in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete.1 Hiernach werden kurze inländische Beförderungsstrecken als solche im Ausland und kurze ausländische Beförderungsstrecken als solche im Inland und kurze Beförderungsstrecken in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten (z.B. Freihäfen) nicht als Umsätze im Inland behandelt. Der für die Beförderungsleistung selbst maßgebliche Tätigkeitsort gilt auch für die mit der Beförderung eines Gegenstandes im Zusammenhang stehenden sonstigen Leistungen, insbesondere für das Beladen, Entladen und Umschlagen von Waren, soweit sie bloße Nebenleistungen sind.2 Handelt es sich dagegen um selbständige sonstige Leistungen, gilt § 3b Abs. 2 UStG (Erbringungsort), soweit die sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer erbracht werden; anderenfalls greift § 3a Abs. 2 UStG (Empfängerort) ein.3 Der sich aus § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG für Beförderungsleistungen ergebende Bestimmungsort (Beförderungsort), der für Personenbeförderungen gegenüber Unternehmern und Nichtunternehmern sowie für nicht innergemeinschaftliche Güterbeförderungen für Nichtunternehmer (§ 3b Abs. 1 Satz 3 UStG)4 gilt, hat auch Bedeutung für die Vermittlung (§ 3b Abs. 5 und 6 UStG) von Beförderungsleistungen. Damit unterliegen dem Regelungsbereich des § 3b Abs. 1 UStG unterschiedslos die sonstigen Leistungen der Frachtführer, Beförderungsmakler und der Spediteure. Abweichend von § 3b Abs. 1 UStG wird gem. § 3b Abs. 3 Satz 1 UStG bei grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Beförderungen von Gegenständen der Ort der Beförderungsleistung in den Mitgliedstaat verlegt, in dem die Beförderung beginnt (Abgangsortprinzip).5 Beginnt die innergemeinschaftliche Güterbeförderung im Inland, ist damit die gesamte Beförderungsleistung steuerbar. Der Abgangsort ist allerdings nur dann maßgebend, wenn der Leistungsempfänger Nichtunternehmer ist; anderenfalls gilt § 3a Abs. 2 UStG (Empfängerort).6 Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG greift nicht ein, so dass insoweit das Ursprungslandprinzip verwirklicht wird. Für Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn ist ebenfalls der Abgangsort maßgeblich (§ 3e UStG). Es geht hierbei um Restaurationsleistungen während der Beförderung im Gemeinschaftsgebiet. Restaurationsleistungen etwa auf einem Schiff während eines Zwischenaufenthaltes in einem Drittlandsgebiet unterfallen dagegen nicht der Ortsbestimmung

1 2 3 4

Zu Einzelheiten BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 117. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 131. BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 129. Für innergemeinschaftliche Güterbeförderungen an Nichtunternehmer greift § 3b Abs. 3 UStG ein; hierzu Rz. 9.53. 5 Zu Einzelheiten BMF v. 4.9.2009, BStBl. I 2009, 1005, Tz. 132 ff. 6 Nach dem JStG 2010 soll in bestimmten Fällen in Zukunft der Nutzungsort maßgeblich sein (§ 3a Abs. 8 UStGE).

349

9.53

Kapitel 9 Umsatzsteuer

des § 3e UStG; insoweit ist allein die Besteuerungskompetenz des Staates gegeben, in dem der Zwischenaufenthalt erfolgt.1

9.54 Für im eigenen Namen erbrachte Reiseleistungen, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden und bei denen Reisevorleistungen in Anspruch genommen werden, ist der Unternehmensort als Ort der sonstigen Leistung maßgeblich (§ 25 Abs. 1 Satz 4 i.V. mit § 3a Abs. 1 UStG). Die spezielle Steuerbefreiung (§ 25 Abs. 2 UStG), die eingreift, soweit zurechenbare Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden, gewährleistet, dass insoweit das Bestimmungslandprinzip auch für Reiseleistungen zur Anwendung kommt.2 7. Nutzungsentnahmen

9.55 Gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG werden Nutzungsentnahmen einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt. Diese Fiktion hat eine doppelte Wirkung, weil einerseits eine sonstige Leistung und andererseits die Entgeltlichkeit fingiert werden. Diese doppelte Fiktion ist darauf gerichtet, die Besteuerung des Letztverbrauchs durch Neutralisierung eines zuvor vorgenommenen Vorsteuerabzugs sicherzustellen.3 Damit wird dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer Rechnung getragen. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG hat indessen nur eine begrenzte Reichweite, weil z.B. Dienstleistungen des Unternehmers an sich selbst4 nicht erfasst werden. Es geht also nicht um die völlige Gleichstellung des Unternehmers mit einer Privatperson, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass Bemessungsgrundlage für die Nutzungsentnahme nur die entstandenen Kosten sind (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG).5 Zu den Nutzungsentnahmen zählt insbesondere die private Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs durch den Unternehmer sowie die private Nutzung von Telefonanlagen, Faxgeräten usw.6 Ort der Nutzungsentnahme ist gem. § 3f UStG der Unternehmensort, also der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3f Satz 1 UStG).7 Erfolgt die Nutzungsentnahme aus einer Betriebsstätte, gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung (§ 3f Satz 2 UStG). Die vorgenannten Grund1 EuGH v. 15.9.2005; Rs. C-58/04 – Köhler, BStBl. II 2007, 150; BFH v. 20.12.2005 – V R 30/02, BStBl. II 2007, 139. 2 Zu Umsetzungsdivergenzen Rädler/Lausterer, UR 1995, 285 ff. 3 Soweit der Vorsteuerabzug in bestimmten Fällen ausgeschlossen ist, unterbleibt die Besteuerung der Nutzungsentnahme; so die geplante Ergänzung des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG durch das JStG 2010. 4 Der Steuerberater fertigt seine eigene Steuererklärung. 5 Hierzu Stadie, § 3 UStG Rz. 162. 6 Vgl. Abschn. 24c Abs. 2, 4 UStR 2008. 7 Die Abweichung vom entsprechenden Ort der sonstigen Leistung (§ 3a UStG) wird für europarechtswidrig gehalten von Leonard in B/G, § 3 Rz. 2; Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 82; gar für überflüssig gehalten von Stadie, § 3f UStG Rz. 2, 6; unter Praxisgesichtspunkten für gerechtfertigt gehalten von Fritsch in R/K/L, § 3f UStG Rz. 7, 10.

350

B. Steuerobjekt

sätze gelten auch, soweit die dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände für den privaten Bedarf des Personals des Unternehmers verwendet werden (§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 UStG). 8. Unentgeltliche sonstige Leistungen Gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt schließlich auch die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung für Zwecke außerhalb des Unternehmens oder für den privaten Bedarf des Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, gleich gestellt. Vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird vor allem der Einsatz betrieblicher Arbeitskräfte für nicht unternehmerische (private) Zwecke zu Lasten des Unternehmens erfasst.1 § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG betrifft schließlich auch unentgeltliche Dienstleistungen gegenüber dritten Personen. Der Ort dieser unentgeltlichen sonstigen Leistungen bestimmt sich gem. § 3f UStG ebenfalls nach dem Unternehmensort.

9.56

9. Einfuhr Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 1 Nr. 4; 5 und 11 UStG; Schröder, Zollvorschriften und Umsatzsteuer, UVR 1995, 74, 97; Schütz, Die 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer – Die Vorschriften über die Einfuhr, UR 1977, 185; Weinmann, Das neue Umsatzsteuerlager und Lieferungen vor Einfuhr, UVR 2004, 81.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg2 der Umsatzsteuer, und zwar in der Form der Einfuhrumsatzsteuer. Was unter Einfuhr zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Umsatzsteuergesetz, sondern über § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG aus dem Zollkodex. Danach ist Einfuhr das Verbringen von Gegenständen aus einem Drittlandsgebiet zum freien Verkehr in das Inland oder in die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg. Der Einfuhrtatbestand ist daher nicht erfüllt, wenn der betreffende Gegenstand im Inland einem Versandverfahren oder einer Zolllagerregelung unterliegt. Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer knüpft damit daran an, dass der Unternehmer den eingeführten Gegenstand im Inland oder in den vorbezeichneten Gebieten Jungholz und Mittelberg in den freien Verkehr überführt.3 1 BFH v. 18.5.1993 – V R 134/89, BStBl. II 1993, 885; Klenk in S/R, § 3 UStG Rz. 655; Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 1325, Abschn. 24c Abs. 5 UStR 2008; für eine Einschränkung (teleologische Reduktion) demgegenüber in dem Sinne, dass solche Wertabgaben auszuklammern sind, die der Unternehmer als Dienstleistungen auch ohne weiteres von Privaten beziehen könnte; Stadie, § 3 UStG Rz. 181 ff. 2 Es handelt sich um Zollanschlussgebiete zum freien Verkehr. 3 Vgl. Abschn. 199 UStR 2008.

351

9.57

Kapitel 9 Umsatzsteuer

9.58 Die Einfuhrumsatzsteuer hat den Zweck, aus dem Drittlandsgebiet eingeführte Gegenstände, die nach dem international geltenden Bestimmungslandprinzip bei der Ausfuhr im anderen Staat von der Umsatzsteuer entlastet worden sind, auf das inländische Steuerniveau heraufzuschleusen, soweit die Einfuhr selbst nicht steuerfrei ist (§ 5 UStG). Daher entsprechen die Steuersätze der Einfuhrumsatzsteuer stets denjenigen der Umsatzsteuer selbst. Ist der Einführende ein Nichtunternehmer, so wird dieser endgültig mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet. Damit wird der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer Rechnung getragen.1 Ist der Einführende dagegen ein Unternehmer, so kann dieser die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG). Zwischen der Einfuhrumsatzsteuer einerseits und der steuerbefreiten Ausfuhr ohne Vorsteuerverlust2 andererseits, besteht daher ein systembedingter Zusammenhang.

9.59 Dieser Grenzausgleich funktioniert nur zwischen Staaten, die durch Steuergrenzen getrennt sind. Aus steuererhebungstechnischen Gründen wird daher bei innergemeinschaftlichen Lieferungen das Bestimmungslandprinzip im Grundsatz durch eine vergleichbare Regelung dadurch sichergestellt, dass mit der steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung ohne Vorsteuerverlust3 in dem einen Mitgliedstaat die Erwerbsteuer4 in dem anderen Mitgliedstaat korrespondiert.

9.60

Das durch die Einfuhrumsatzsteuer verwirklichte Bestimmungslandprinzip führt zwar dazu, dass die Auslandswaren gleichermaßen belastet werden wie Inlandswaren, so dass hierdurch auch die Wettbewerbsneutralität gewahrt ist, die hierfür erforderliche Entlastung von der Umsatzsteuer des Exportlandes tritt aber dann nicht ein, wenn die eingeführte Ware z.B. von einem Nichtunternehmer geliefert wurde. Da sich die frühere Umsatzsteuerbelastung in dem anderen Staat mangels Vorsteuerabzug beim Nichtunternehmer preiserhöhend ausgewirkt hat, führt die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer im Importland zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung, was auch in den Fällen gilt, in denen die Entlastung im Exportland aus anderen Gründen unterbleibt.5

10. Innergemeinschaftlicher Erwerb Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 1 Nr. 5; 1a; 1b und 3d UStG; Birkenfeld, Innergemeinschaftlicher Erwerb und innergemeinschaftliche Lieferung, DStZ 1993, 262; Forst, Die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb, ZfZ 1993, 295; Klein, Das innergemeinschaftliche Verbringen von Gegenständen, UStB 2001, 53; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pietsch, Der innergemeinschaftliche Erwerb, UVR 1993, 139; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen 1 2 3 4 5

Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 83. Entsprechend §§ 4 Nr. 1a, 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG. Entsprechend §§ 4 Nr. 1b, 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG. Entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG. Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 83.

352

B. Steuerobjekt Binnenmarkt ab 1993 – Änderung der 6. EG-Richtlinie, UR 1992, 89, 129; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, Wien 1997; Wäger, Zuordnung des innergemeinschaftlichen Erwerbs und der innergemeinschaftlichen Lieferung bei Reihengeschäften, UR 2001, 1; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249.

Der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) dient der Umsetzung des Bestimmungslandprinzips. Die Besteuerung des Erwerbs korrespondiert nämlich mit der Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) in dem anderen Mitgliedstaat.1 Dementsprechend knüpft der Erwerbstatbestand mit seiner durch § 1a UStG gefundenen begrifflichen Ausprägung an den Liefertatbestand (§ 3 Abs. 1 UStG) an. Diese Anknüpfung (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG) findet ihre Rechtfertigung insbesondere darin, dass Erwerb und Lieferung grundsätzlich auf dem Vollzug desselben Rechtsgeschäfts beruhen.2 Einen Gegenstand erwirbt daher stets der, dem die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft wird.

9.61

Nach Maßgabe des § 1a Abs. 1 UStG ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt3 gegeben, wenn es sich handelt um

9.62

– eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes, insbesondere in das Inland (§ 1 Abs. 2a UStG) oder um eine Lieferung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG), – einen Unternehmer, der für sein Unternehmen erwirbt (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG), oder eine juristische Person, die für ihren nichtunternehmerischen Bereich erwirbt (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG), und – einen Unternehmer, der die Lieferung im Rahmen seines Unternehmens ausführt und hierfür nicht eine Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (entspr. § 19 Abs. 1 UStG) in Anspruch nimmt (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Kein Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs liegt demnach vor, wenn die Ware aus einem Drittland im Wege der Durchfuhr durch das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats in das Inland gelangt und erst hier einfuhrumsatzsteuerlich zum freien Verkehr abgefertigt wird.4 Nicht erforderlich ist indessen, dass der Gegenstand unmittelbar von einem Mitgliedstaat in einen anderen gelangt.5 Durch die Einbeziehung der in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (z.B. Freihäfen) wird erreicht, dass der Letztverbrauch auch dort mit Umsatzsteuer belastet wird. Der von § 1a Abs. 1 1 Hierzu Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 113. 2 Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, 110 f.; Rokos, UR 1992, 89 (92), 129 ff.; Widmann, UR 1992, 249 (252). 3 Ein unentgeltlicher innergemeinschaftlicher Erwerb ist nicht steuerbar. 4 Vgl. Abschn. 15a Abs. 1 Satz 5 UStR 2008. 5 Stadie, § 1a UStG Rz. 6; Leonard in B/G, § 1a UStG Rz. 9.

353

9.63

Kapitel 9 Umsatzsteuer

Nr. 3 UStG geforderte Status des liefernden Unternehmers kann in der Praxis als gegeben angesehen werden, wenn in der Rechnung des Lieferers die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaates angegeben, keine ausländische Umsatzsteuer ausgewiesen und auf die in dem Mitgliedstaat geltende Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung hingewiesen wird.1

9.64 Durch § 1a Abs. 2 UStG wird ein weiterer Tatbestand mittels Fiktion dem innergemeinschaftlichen Erwerb gegen Entgelt gleichgestellt: Das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat (§ 1a Abs. 2 UStG).

9.65 Diese Regelung korrespondiert mit einer im Ursprungsland dem § 3 Abs. 1a UStG entsprechenden Regelung, wonach das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens in das übrige Gemeinschaftsgebiet als Lieferung gegen Entgelt fingiert wird mit der Folge, dass sie als innergemeinschaftliche Lieferung auch der Steuerbefreiung entspr. § 4 Nr. 1b UStG unterliegt (entspr. § 6a Abs. 2 UStG).2

9.66 Die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (Erwerbsteuer) erfüllt damit den gleichen Zweck wie die Umsatzsteuer auf die Einfuhr (Einfuhrumsatzsteuer): Im Anschluss an die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung in dem anderen Mitgliedstaat bewirkt die Erwerbsteuer die Heraufschleusung der von EU-Umsatzsteuer entlasteten Ware auf inländisches Steuerniveau. Die Erwerbsteuer verwirklicht damit ebenso das Bestimmungslandprinzip wie die Einfuhrumsatzsteuer.3

9.67 Ausnahmen hiervon enthält § 1a Abs. 3 UStG: Ein innergemeinschaftlicher Erwerb wird danach nicht angenommen, wenn – die Erwerber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personen sind (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG) und – ihr Erwerb unter einer Erwerbsschwelle von Euro 12 500 bleibt (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG).4

9.68 An die Stelle der Erwerbsteuer tritt in diesem Ausnahmefall die Besteuerung des Lieferers im Ursprungs- oder im Bestimmungsland nach Maßgabe der sog. Versandhandelsregelung in § 3c UStG. § 1a Abs. 3 UStG korrespondiert daher vor allem mit § 3c Abs. 2 und 1 UStG, wonach bei 1 Regierungsbegründung zu § 1a UStG, BT-Drucks. 12/2463, 24; hierzu Tehler in R/K/L, § 1a UStG Rz. 29; Leonard in B/G, § 1a UStG Rz. 16. 2 Hierzu Stadie, § 1a UStG Rz. 15; vgl. Rz. 9.88. 3 Reiß in Tipke/Lang20, § 14 Rz. 113. 4 Abgestellt wird auf den Gesamtbetrag der Erwerbe aus allen Mitgliedstaaten; vgl. die Regierungsbegründung zu § 1a UStG, BT-Drucks. 12/2463, 25; zur Berechnung der Erwerbsschwelle Rokos, UR 1992, 89 (94), 129 ff.

354

B. Steuerobjekt

Beförderungs- und Versendungslieferungen der Ort der Lieferung im Bestimmungsland liegt. Die vorstehende Erwerbsschwellenregelung scheidet aus, wenn der Erwerber auf deren Anwendung verzichtet (§ 1a Abs. 4 UStG)1 sowie beim Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren (§ 1a Abs. 5 UStG). Diese Regelung steht im Zusammenhang mit § 3c Abs. 5 UStG, aufgrund dessen es bei der für Beförderungs- und Versendungslieferungen maßgeblichen Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 UStG verbleibt: Der Ort der Lieferung liegt grundsätzlich im Ursprungsstaat. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen von neuen Fahrzeugen erfolgt die Entlastung durch Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 1b UStG).

9.69

§ 1b Abs. 1 UStG bestimmt als weitere Sonderregelung, dass der Erwerb neuer Fahrzeuge nicht nur bei den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG bezeichneten Unternehmern und juristischen Personen, sondern auch bei allen anderen Personen, insbesondere bei Privatpersonen, der Erwerbsteuer unterliegt. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit den §§ 2a und 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V. mit §§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und 15 Abs. 4a UStG zu sehen. Dieser Vorschriftenzusammenhang macht deutlich, dass zwecks Umsetzung des Bestimmungslandprinzips der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge auch dann der Besteuerung unterliegt, wenn dieser nicht für ein Unternehmen erfolgt.

9.70

Ausgangspunkt für die Erwerbsbesteuerung von Fahrzeugen gem. § 1b UStG ist die Fahrzeugeinzelbesteuerung gem. § 2a UStG, auf Grund dessen ein Nichtunternehmer als Unternehmer fingiert wird, wenn er ein neues Fahrzeug liefert, das bei der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. Diese Lieferung ist steuerbar, gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V. mit § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG aber steuerfrei. Das so von Umsatzsteuer entlastete Fahrzeug unterliegt sodann im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsteuer, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Erwerber Unternehmer oder privater Letztverbraucher ist (vgl. §§ 1a Abs. 1 Nr. 1 und 1b UStG). Um eine Doppelbelastung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge zu vermeiden, wird dem als Unternehmer fingierten privaten Letztverbraucher aufgrund einer weiteren Sonderregelung ein begrenzter Vorsteuerabzug eingeräumt (§ 15 Abs. 4a UStG). Als Folge dieser Fiktion wird der private Letztverbraucher aufgrund von Sondervorschriften2 in den für Unternehmer typischen Pflichtenkreis einbezogen.

9.71

Weitere Ausnahmen von der Erwerbsteuer enthält § 1c UStG: Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt hiernach nicht vor, wenn aus einem anderen Mitgliedstaat an im Inland ansässige oder stationierte diplomatische Missionen oder berufskonsularische Vertretungen, zwischenstaat-

9.72

1 Nach dem JStG 2010 soll zukünftig die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten als Verzichtserklärung gelten. 2 Z.B. § 14a Abs. 3 Satz 3 UStG (Rechnungsausstellung); § 16 Abs. 5a UStG (Einzelberechnung); § 18 Abs. 4a UStG (Voranmeldung); § 18 Abs. 5a UStG (Steueranmeldung für den Erwerber).

355

Kapitel 9 Umsatzsteuer

liche Einrichtungen sowie an fremde NATO-Streitkräfte für deren nichtunternehmerische Bereiche geliefert wird (§ 1c Abs. 1 UStG).1 Das grenzüberschreitende Verbringen eines Gegenstandes durch deutsche Streitkräfte aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland für den Geoder Verbrauch dieser Streitkräfte gilt schließlich als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt (§ 1c Abs. 2 UStG). Damit wird ein unversteuerter Letztverbrauch vermieden.

9.73 Gemäß § 3d Satz 1 UStG liegt der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs dort, wo die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes endet. Dies ist grundsätzlich im Bestimmungsland. Erwirbt der Erwerber den Gegenstand allerdings unter Verwendung einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so wird als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs (auch) das Gebiet dieses Mitgliedstaates fingiert (§ 3d Satz 2 UStG). Durch diese Fiktion soll sichergestellt werden, dass zunächst dieser Mitgliedstaat versteuern darf, dem aufgrund der erteilten und vom Erwerber verwendeten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die Information über den Erwerb zugeht. Weist der Erwerber nach, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert worden ist oder nach § 25b Abs. 3 UStG2 als besteuert gilt, sofern der erste Abnehmer seiner Erklärungspflicht gem. § 18a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG nachgekommen ist, wird die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass der andere Mitgliedstaat seine Besteuerung rückgängig macht. Dies stellt § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG sicher.

III. Steuerfreie Export-Umsätze Literatur Kommentare zu § 4 Nr. 1 bis 3, Nr. 5, Nr. 6c, Nr. 7 und §§ 6 bis 8 UStG; Birkenfeld/Forst, Das Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Bielefeld 1992; Englisch, Nachweispflichten und Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, UR 2008, 481; Englisch/Becker/Kurzenberger, BMF-Schreiben zu innergemeinschaftlichen Lieferungen, UR 2010, 285; Harksen/Möller, Nachweispflichten im grenzüberschreitenden Warenverkehr, UStB 2008, 78; Kraeusel, Das Umsatzsteuer-Änderungsgesetz 1997, UVR 1996, 353; Küffner/Langer, Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen DB 2008, 1116; Lange, Europarechtliche Bedenken gegen den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuergesetzes, DStZ 1996, 133; Langer, Umsatzsteuer im Binnenmarkt, Herne/Berlin 1992; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pich, Das neue Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, Köln 1992; Pyszka, Umsatzsteuerlicher Buchnachweis bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen ausländischer Unternehmer, IStR 1995, 476; Reiß, Sanktionierung der Verletzung der europäischen Grundfreiheiten durch den EuGH bei neutralitätswidriger Umsatzsteuerbelastung im innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr, UR 2007, 565; Rondorf, Das Umsatz1 Die Ausnahme gilt nicht für den Erwerb neuer Fahrzeuge (§ 1c Abs. 1 Satz 3 UStG). 2 Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft.

356

B. Steuerobjekt steuer-Binnenmarktgesetz, München 1992; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983) 15; Thoma, Umsatzsteuerliche Ausfuhr, UStB 2006, 221; Thoma/Gelse, Die Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen, UStB 2004, 385; Welte/Späth, Umsatzsteuerrecht für die Import- und Exportwirtschaft, Neuwied/Kriftel 1993; Widmann, Das UmsatzsteuerBinnenmarktgesetz, UR 1992, 249.

1. Bestimmungslandprinzip Die Steuerfreiheit bestimmter Exportumsätze nach Maßgabe des § 4 Nr. 1 9.74 bis 3, 5, 6, 7 UStG bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) ermöglicht eine Entlastung von deutscher Umsatzsteuer, wodurch dem Bestimmungslandprinzip entsprochen wird. Das Bestimmungsland erhebt bei der Einfuhr eine Einfuhrumsatzsteuer sowie beim innergemeinschaftlichen Erwerb eine Erwerbsteuer mit dem Ziel, Importware auf innerstaatliches Steuerniveau hochzuschleusen (Rz. 9.2 f.). Dadurch gelangt die Ware, nur mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes belastet, in die Hand des privaten Endverbrauchers.1 Das Bestimmungslandprinzip trägt letztlich dem Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuersysteme und Umsatzsteuersätze der einzelnen Länder unterschiedlich ausgestaltet sind. Im Verhältnis mehrerer Staaten zueinander sollen Waren aber nur mit der Umsatzsteuer des Landes belastet werden, in dem sie verbraucht oder verwendet werden.2 Die Steuerbefreiung von Exportumsätzen betrifft im Wesentlichen Lieferungen, nicht aber sonstige Leistungen. Hier wird das Bestimmungslandprinzip nur partiell etwa über den Empfängerort, Grundstücksort und Erbringungsort nach Maßgabe insbesondere des § 3a Abs. 2 und 3 UStG verwirklicht (Rz. 9.39 ff.).

9.75

Im Hinblick auf die Zielsetzung des Bestimmungslandprinzips spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der private Endverbraucher Fremd- oder Selbstversorger ist. Daher kommt die Steuerbefreiung für Export-Umsätze auch für Gegenstandsentnahmen, Personalzuwendungen und unentgeltliche Lieferungen an Dritte (§ 3 Abs. 1b UStG) in Betracht, soweit es sich um eine grenzüberschreitende Wertabgabe aus dem Unternehmen handelt3 und die Steuerbefreiung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.4

9.76

2. Ausfuhrlieferungen Unter die Befreiung des § 4 Nr. 1a UStG fallen u.a. Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG). Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Ausfuhrlie1 Husmann in R/D, § 4 Nr. 1 UStG Rz. 4, 8. 2 Auch das GATT-Abkommen fordert die Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips, hierzu Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, 3 ff.; Menck in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. A 21, 7; Ruppe, CDFI LXVIIIb (1983) 15 (25 f.). 3 Stadie, Vor §§ 4–9 UStG Rz. 26 f. 4 Vgl. §§ 6 Abs. 5, 7 Abs. 5 UStG.

357

9.77

Kapitel 9 Umsatzsteuer

ferung im Inland erbracht wird, der Ort der Lieferung im Inland liegt. Die Ausfuhrlieferung kann durch folgende Tatbestände verwirklicht werden: – Der liefernde Unternehmer befördert oder versendet den Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet, ausgenommen die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (z.B. Freihäfen), wobei der Abnehmer kein ausländischer Abnehmer sein muss (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG). – Der ausländische Abnehmer1 befördert oder versendet den Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG2 (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG). – Der Unternehmer oder der Abnehmer befördert oder versendet den Liefergegenstand in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete, wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat und der Gegenstand nicht für nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, verwendet werden soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UStG), oder ein ausländischer Abnehmer, aber kein Unternehmer ist und der Gegenstand in das übrige Drittlandsgebiet gelangt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b UStG).

9.78 In sog. Abholfällen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG) oder bei Lieferungen in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 UStG) wird die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferungen eingeschränkt, soweit der Gegenstand der Lieferung zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt ist; eine begünstigte Ausfuhrlieferung liegt hier nur vor, wenn der Abnehmer ein ausländischer Unternehmer ist und das Beförderungsmittel unternehmerischen Zwecken des Abnehmers dient (§ 6 Abs. 3 Satz 1 UStG). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus § 6 Abs. 3a UStG für Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr: Die Steuerbefreiung greift nur ein, wenn der Abnehmer im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässig ist und den Liefergegenstand im persönlichen Reisegepäck innerhalb von drei Monaten tatsächlich ausführt.

9.79 § 6 UStG erfährt eine Tatbestandserweiterung durch Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.3 Hiernach sind Lieferungen und sonstige Leistungen an die Truppen und deren ziviles Gefolge von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von einer amtlichen Beschaffungsstelle4 der Truppe oder des zivilen Gefolges oder von einer deutschen Behörde für die Truppe oder das zivile Gefolge in Auftrag gegeben worden sind5 und die Gegenstände, auf die sich die Lieferung oder sonstige Leistung bezieht, ausschließlich für den Gebrauch oder Verbrauch 1 2 3 4 5

Vgl. hierzu die Definition in § 6 Abs. 2 UStG. Sog. Abholfälle. BGBl. II 1961, 1183, 1218. Übersicht in BMF v. 7.6.2006, UR 2006, 549. Die amtliche Beschaffungsstelle muss selbst als Vertragspartner auftreten; BFH v. 29.9.1988 – V R 53/83, BStBl. II 1988, 1022.

358

B. Steuerobjekt

durch die Truppen, ihr ziviles Gefolge, ihre Mitglieder oder deren Angehörige bestimmt sind.1 Ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit sind nach Art. III Nr. 1 des Offshore-Steuerabkommens2 Lieferungen von Waren einschließlich Werklieferungen und sonstige Leistungen an Stellen der USA und an Stellen anderer von den USA bezeichneter Regierungen.3 Schließlich enthält auch das Abkommen über die NATO-Hauptquartiere4 eine Umsatzsteuerbefreiung. Befreit sind Lieferungen und sonstige Leistungen an ein Hauptquartier, die von diesem in Auftrag gegeben werden und für den Gebrauch oder den Verbrauch durch das Hauptquartier oder dessen Personal und deren Angehörige oder durch das zivile Gefolge bestimmt sind.5 In den vorgenannten Fällen kommt es nicht darauf an, ob die Gegenstände in das Ausland gelangen oder nicht. Der Vorsteuerabzug bleibt in den vorgenannten Fällen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i.V. mit § 26 Abs. 5 UStG erhalten. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung müssen durch Ausfuhrnachweis (§ 6 Abs. 4 UStG; §§ 8 bis 11, 17 UStDV)6 und Buchnachweis (§ 6 Abs. 4 UStG; § 13 UStDV)7 belegt werden. Soweit die Ausländereigenschaft des Abnehmers maßgeblich ist, muss auch hierfür der Nachweis erbracht werden. Sowohl Ausfuhrnachweis als auch Buchnachweis sind nicht materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerfreiheit.8 Steht fest, dass die Voraussetzungen des § 6 UStG vorliegen, bedarf es keines formalisierten Nachweises mehr.9

9.80

3. Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr Neben den Ausfuhrlieferungen fallen unter die Befreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG auch die Lohnveredelung an einem Gegenstand der Ausfuhr (§ 7 UStG). Die Steuerbefreiung des Lohnveredelungsverkehrs beruht insbesondere auf der engen Verknüpfung mit der steuerbefreiten Warenausfuhr, so dass das Bestimmungslandprinzip hierfür ebenso maßgeblich ist wie für die Ausfuhr selbst.10 Die Entlastung von Umsatzsteuer erfolgt mit Hilfe der Steuerfreiheit für die Ausfuhr und die Lohnveredelung so1 2 3 4 5 6 7 8

Zu Einzelheiten BMF v. 22.12.2004, BStBl. I 2004, 1200. Vom 15.10.1954, BStBl. II 1955, 823. Zu Einzelheiten BMF v. 2.7.1968, BStBl. I 1968, 997. BGBl. II 1969, 2009. Einzelheiten bei Hummel in R/D, § 26 UStG Rz. 381 ff. Zu Einzelheiten Abschn. 131 ff. UStR 2008. Hierzu Pyszka, IStR 1995, 476 ff.; Abschn. 136 UStR 2008. EuGH v.21.2.2008 – Rs. C-271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; BFH v. 30.7.2008 – V R 7/03, UR 2009, 161; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565. 9 Steht aufgrund der objektiven Beweislage nicht fest, dass die materiellen Voraussetzungen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung vorliegen, kommt ein Erlass aus Billigkeitsgründen in Betracht (BFH v. 19.11.2009 – V R 8/09, BFH/NV 2010, 1114). 10 Stadie, § 7 UStG Rz. 3.

359

9.81

Kapitel 9 Umsatzsteuer

wie durch den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Belastung im Drittlandsgebiet wird durch die Besteuerung der Einfuhr sichergestellt.

9.82 Die steuerbefreite Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr setzt eine Werkleistung1 an einem vom Auftraggeber zu diesem Zweck in das Gemeinschaftsgebiet eingeführten oder in diesem Gebiet erworbenen Gegenstand voraus.

9.83 Eine Lohnveredelung liegt gem. § 7 Abs. 3 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer seinem Auftraggeber anstelle des Gegenstandes, den er aus den übergebenen Stoffen herstellen soll, einen gleichartigen Gegenstand zurückgibt, den er in seinem Unternehmen aus solchen Stoffen herzustellen pflegt, und das Leistungsentgelt nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Markt- oder Börsenpreis des empfangenen Stoffes und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird (§ 3 Abs. 10 UStG).2

9.84 Die Steuerbefreiung setzt logisch voraus, dass die Lohnveredelung als Werkleistung steuerbar ist, also insbesondere im Inland bewirkt wird. Im Grundsatz gelten hier die gleichen Voraussetzungen3 wie bei der Ausfuhrlieferung (Rz. 9.77 ff.). Für die Steuerbefreiung ist es unerheblich, wie oft der Ausfuhrgegenstand vor seiner Ausfuhr be- oder verarbeitet worden ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UStG).

9.85 Im Übrigen ist ebenso wie bei der Ausfuhrlieferung ein Ausfuhr- und Buchnachweis (§ 7 Abs. 4 UStG; §§ 8 bis 13, 17 UStDV) zu führen.4 Beide Nachweise sind nicht materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung.5 4. Innergemeinschaftliche Lieferungen

9.86 Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer freigestellt. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus § 6a UStG, und zwar – Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG),

1 Eine Werkleistung liegt vor, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und dabei (Haupt-)Stoffe verwendet, die er selbst nicht beschafft hat. Die Werkleistung unterliegt den Regelungen einer sonstigen Leistung. 2 Sog. Umtauschmüllerei (Sonderfall der Leistung); Einzelheiten bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3911 ff. 3 § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG. 4 Zu Einzelheiten Tehler in R/D, § 7 UStG Rz. 411 ff. 5 EuGH v. 21.2.2008 – Rs. C-271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; BFH v. 30.7.2008 – V R 7/03, UR 2009, 161; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565; vgl. Rz. 9.80.

360

B. Steuerobjekt

– an einen Abnehmer, der den Gegenstand entweder als Unternehmer für sein Unternehmen oder als juristische Person für den nichtunternehmerischen Bereich oder ein neues Fahrzeug erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG), – wenn der Gegenstand der Lieferung bei ihm in einem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Wer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, spielt keine Rolle. Der Abnehmer muss auch nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sein.1 Daher kann eine Lieferung an inländische Abnehmer als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein, wenn der Liefergegenstand etwa zu einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte gelangt.2 Gibt der Abnehmer seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an, so kann, sofern sich keine Zweifel aufdrängen, davon ausgegangen werden, dass der Gegenstand für unternehmerische Zwecke erworben wird und in einem anderen Mitgliedstaat der Besteuerung unterliegt.3 Dass die innergemeinschaftliche Lieferung von neuen Fahrzeugen auch an private Letztverbraucher steuerfrei ist, beruht darauf, dass dieser Personenkreis beim Erwerb zur Besteuerung herangezogen wird (§ 1b Abs. 1 UStG) (Rz. 9.70 f.). Eine etwaige Be- oder Verarbeitung des Liefergegenstandes vor dessen Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet ist unschädlich (§ 6a Abs. 1 Satz 2 UStG).

9.87

Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gem. § 6a Abs. 2 UStG auch 9.88 das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 3 Abs. 1a UStG). Es handelt sich hierbei um das grenzüberschreitende unternehmensinterne Verbringen von Gegenständen. Mit der vorgenannten Vorschrift, die zu einer Entlastung von Umsatzsteuer führt, korrespondiert § 1a Abs. 2 UStG (Erwerbsteuer), so dass die Besteuerung im Bestimmungsland sichergestellt ist.4 Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen müssen nachgewiesen werden (§ 6a Abs. 3 UStG; §§ 17a bis 17c UStDV). Die Nachweise sind keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Ist erwiesen, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist und der Abnehmer den inner-

1 Husmann in R/D, § 6a UStG Rz. 23; Stadie, § 6a UStG Rz. 10. 2 Langer in R/K/L, § 6a UStG Rz. 30; Leonard in B/G, § 6a UStG Rz. 16; Widmann, UR 1992, 249 (261). 3 Vgl. die Regierungsbegründung zu § 6a UStG, BT-Drucks. 12/2463, 30; ferner die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG; Husmann in R/D, § 6a UStG Rz. 96; Weymüller in S/R, § 6a UStG Rz. 6. 4 Husmann in R/D, § 6a UStG Rz. 73; Stadie, § 6a UStG Rz. 35; die FinVerw fordert den Nachweis der Erwerbsbesteuerung; vgl. BMF v. 6.1.2009, BStBl. I 2009, 60 Rz. 19; vgl. im Übrigen BMF v. 5.5.2010, DB 2010, 1097 mit weiteren Einzelheiten.

361

9.89

Kapitel 9 Umsatzsteuer

gemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern hat, ist dem Lieferer die Steuerbefreiung zu gewähren1 5. Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt

9.90 Gemäß § 4 Nr. 2 UStG sind Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt unter den Voraussetzungen des § 8 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung, die weder davon abhängt, dass die gelieferten Gegenstände in das Ausland gelangen, noch davon, dass die Abnehmer im Ausland ansässig sind, findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Abnehmer durchweg zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer sind, die überwiegend die in Anspruch genommenen Leistungen für grenzüberschreitende Umsätze verwenden.2 Daher betreffen die steuerfreien Umsätze für die Seeschifffahrt lediglich Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, die dem Erwerb durch die Seeschifffahrt oder der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind, also Umsätze von Wasserfahrzeugen, die über die Küstengrenzen hinaus auf offener See im Ausland fahren können.3 Entsprechendes gilt für die Leistungen im Zusammenhang von Luftfahrzeugen, die zur Verwendung durch Unternehmer bestimmt sein müssen, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich ausländischen Strecken durchführen. Die Unternehmen, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend internationalen Luftverkehr betreiben, werden vom Bundesfinanzministerium regelmäßig durch eine Liste veröffentlicht.4 Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen gem. § 8 Abs. 3 UStG buchmäßig nachgewiesen werden, ohne dass dieser Buchnachweis materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung wäre.5 Auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 Satz 2 UStG ist hierzu § 18 UStDV ergangen, der seinerseits auf § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bis 4 UStDV verweist. 6. Grenzüberschreitende Beförderungen

9.91 Gemäß § 4 Nr. 3 UStG sind grenzüberschreitende Beförderungen sowie andere sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der 1 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-409/04 – Teleos, BStBl. II 2009, 70; v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Collée, BStBl. II 2009, 79; v. 27.9.2007 – Rs. C-184/05 – Twoh, BStBl. II 2009, 83; BFH v. 8.11.2007 – V R 26/05, BStBl. II 2009, 49 (52, 55); v. 6.12.2007 – V R 59/03, BStBl. II 2009, 57; BMF v. 6.1.2009, BStBl. I 2009, 60; ausführlich hierzu Englisch, UR 2008, 481 ff.; Englisch/Becker/Kurzenberger, UR 2010, 285 ff. 2 Die Regelung dient der Vereinfachung. 3 Zu Einzelheiten Abschn. 145 Abs. 3 UStR 2008. 4 Z.B. BStBl. I 2010, 161. 5 EuGH v. 21.2.2008, Rs-C 271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; BFH v. 30.7.2008 – V R 7/03, UR 2009, 161; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565; vgl. Rz. 9.80.

362

B. Steuerobjekt

Ausfuhr von der Umsatzsteuer befreit. Die Steuerbefreiung erfasst grundsätzlich grenzüberschreitende Beförderungen von Gegenständen und Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr (§ 4 Nr. 3a UStG), nicht aber innergemeinschaftliche Beförderungen von Gegenständen (§ 3b Abs. 3 UStG).1 Diese Befreiungsvorschrift steht im engen Zusammenhang mit den gem. § 4 Nr. 1 UStG steuerbefreiten Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) und den Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7 UStG). Es entspricht dem Bestimmungslandprinzip und ist daher folgerichtig, wenn auch die Nebenleistungen zum Warenexport von der Umsatzsteuer entlastet werden.2 Soweit Güterbeförderungen im Zusammenhang mit der Einfuhr freigestellt sind, korreliert § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG mit § 11 Abs. 3 Nr. 3 und 4 UStG, nach dem die Bemessungsgrundlage der eingeführten Gegenstände für Zwecke der Einfuhrumsatzsteuer um den Wert der Beförderungsleistung bis zum ersten oder zu einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet erhöht wird.3 Auf der gleichen Wertungsebene ist die Steuerbefreiung für andere sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Ausfuhr angesiedelt: Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Gegenständen der Einfuhr sind steuerfrei, wenn die Kosten für diese Leistungen in der für die Einfuhrumsatzsteuer maßgeblichen Bemessungsgrundlage (§ 11 UStG) enthalten sind.4 Damit wird einerseits ein unversteuerter privater Endverbrauch und andererseits eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer vermieden.5 Die Befreiung für grenzüberschreitende Güterbeförderungen wird unabhängig davon gewährt, ob die Beförderung mit Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen, Eisenbahnen, Seeschiffen, Binnenschiffen oder etwa durch Rohrleitungen erfolgt.6 Nicht befreit sind die Beförderungen aus einem Freihafen in das Inland, wenn sich die beförderten Gegenstände in einer zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelung (§ 12b EUStBV) oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung (§ 12a EUStBV) befunden haben (§ 4 Nr. 3a, bb UStG).7 Der Ausschluss von der Steuerbefreiung steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UStG, wonach die Lieferungen der vorgenannten Gegenstände sowie die Freihafenanteile der entsprechenden Beförderungsleistungen als inländische Umsätze behandelt werden. Damit wird im Ergebnis dem Bestimmungslandprinzip entsprochen.

1 Leonard in B/G, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 6; zu Beförderungen von und nach Madeira und den Azoren vgl. § 4 Nr. 3 Buchst. b UStG. 2 Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 18; Wäger in R/K/L, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 4; Stadie, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 3. 3 Zu Einzelheiten Wäger in R/K/L, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 31. 4 Abschn. 47 Abs. 2 UStR 2008. 5 Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 19. 6 Abschn. 46 Abs. 3 UStR 2008. 7 Abschn. 47 Abs. 9 UStR 2008.

363

9.92

Kapitel 9 Umsatzsteuer

9.93 Die sich auf Gegenstände der Einfuhr beziehenden sonstigen Leistungen (§ 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG) betreffen vor allem Güterbeförderungen, die im Anschluss an grenzüberschreitende Beförderungen an einen weiteren Bestimmungsort im Inland durchgeführt werden, den Umschlag und die Lagerung eingeführter Gegenstände sowie weitere handelsübliche Nebenleistungen wie etwa die Abfertigung zum freien Verkehr.1

9.94 Sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr oder auf eingeführte Gegenstände beziehen, die im externen Versandverfahren in das Drittlandsgebiet befördert werden (§ 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG), sind etwa Güterbeförderungen, die einer grenzüberschreitenden Beförderung vorangehen, der Umschlag und die Lagerung derartiger Gegenstände.2

9.95 Von § 4 Nr. 3 Buchst. c UStG werden sonstige Leistungen erfasst, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel, Paletten und Container, beziehen, für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung im Zollgebiet bewilligt worden ist. Bei diesen Gegenständen handelt es sich um Waren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind. Um einen unversteuerten Letztverbrauch im Inland zu vermeiden, ist die Steuerbefreiung auf Leistungen an ausländische Auftraggeber (§ 7 Abs. 2 UStG) beschränkt.

9.96 Da gem. § 3 Abs. 11 UStG die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden sind, gilt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 UStG nicht nur etwa für Frachtführer, sondern auch für Spediteure und sonstige Fälle der Dienstleistungskommission.3 Die jeweiligen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 UStG müssen vom Unternehmer beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden (§§ 20 und 21 UStDV).Der Beleg- und Buchnachweis ist nicht materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit.4 7. Vermittlung von Exportumsätzen

9.97 Die Vermittlung bestimmter Umsätze wird nach § 4 Nr. 5 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Bei den Umsätzen, auf die sich die Vermittlung bezieht, handelt es sich vor allem um nicht steuerbare und um steuerfreie Umsätze. Zu den nicht steuerbaren Umsätzen zählen insbesondere solche, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden (§ 4 Nr. 5 Buchst. c UStG). Die Vermittlung von Umsätzen, die in anderen Mit-

1 2 3 4

Im Einzelnen Abschn. 47 Abs. 1 Nr. 4 UStR 2008. Im Einzelnen Abschn. 48 Abs. 1 Nr. 4, 5 UStR 2008. Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 137 ff.; Stadie, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 9. EuGH v. 21.2.2008, Rs.-C 271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; BFH v. 30.7.2008 – V R 7/03, UR 2009, 161; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565; vgl. Rz. 9.80.

364

B. Steuerobjekt

gliedstaaten ausgeführt werden, ist dagegen steuerpflichtig. Als steuerfreie Umsätze werden im § 4 Nr. 5 Buchst. a UStG u.a. die Ausfuhrlieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG, nicht aber innergemeinschaftliche Lieferungen genannt (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG): Die Vermittlung dieser Umsätze ist von der Steuerbefreiung ausgenommen. Damit wird gewährleistet, dass ausländische Vermittler von Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet keine Wettbewerbsvorteile erlangen.1 Von der Steuerbefreiung erfasst werden zudem die Vermittlung der Umsätze für die Seeschifffahrt und Luftfahrt (§ 4 Nr. 2 UStG) sowie die Vermittlung der grenzüberschreitenden Güterbeförderung und anderer Dienstleistungen, die sich auf Gegenstände der Ausfuhr, Durchfuhr und Einfuhr beziehen (§ 4 Nr. 3 UStG). Gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. b UStG ist ferner die Vermittlung der grenzüberschreitenden Beförderung von Personen mit Luftfahrzeugen und Seeschiffen steuerbefreit, sofern die Vermittlung nicht durch Reisebüros für Reisende erfolgt (§ 4 Nr. 5 Satz 2 UStG). Soweit sich die Befreiung auf die Vermittlung von Exportumsätzen und Personenbeförderungsumsätze bezieht (§ 4 Nr. 5 Buchst. a und b UStG), folgt diese Steuerbefreiung ebenso wie die Steuerbefreiung für die vermittelten Umsätze selbst dem Bestimmungslandprinzip.2 Die Befreiungen nach § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG für die Vermittlung von Umsätzen, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden, trägt ebenfalls dem Bestimmungslandprinzip Rechnung. Die Befreiung des § 4 Nr. 5 Buchst. d UStG für die Vermittlung von Lieferungen, bei denen sich nach § 3 Abs. 8 UStG der Ort der Lieferung im Inland befindet, (Rz. 9.19 f.) beruht demgegenüber auf der Erwägung, dass der vermittelnde Unternehmer nicht erkennen kann, wie die vermittelte Lieferung umsatzsteuerlich letztlich zu behandeln ist.3 Für die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende findet die Steuerbefreiung keine Anwendung (§ 4 Nr. 5 Satz 2 UStG).4

9.98

Die Voraussetzungen der steuerfreien Vermittlungsleistungen sind buchmäßig nachzuweisen.5 Auf der Grundlage des § 4 Nr. 5 Satz 4 UStG ist hierzu § 22 UStDV ergangen.

9.99

8. Leistungen im Eisenbahnverkehr Unter die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG fallen Lieferungen und sonstige Leistungen, etwa die Gestellung von Personal und Betriebsanlagen, der Eisenbahn des Bundes auf bestimmten Bahnhöfen an der Grenze oder auf Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an ausländische Eisenbahnverwaltungen. Erfasst werden hierdurch auch 1 2 3 4 5

Rokos, UR 1992, 89 ff., 129 (133). Heidner in B/G, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 2. Zur Abweichung von der MwStSystRL Wenzel in R/D, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 241. Zu Einzelheiten Wenzel in R/D, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 251 ff. Der Nachweis hat keine materiell-rechtliche Bedeutung; vgl. Rz. 9.80.

365

9.100

Kapitel 9 Umsatzsteuer

grenzüberschreitende Leistungen. Die Befreiung dient in erster Linie der Vereinfachung.1 9. Lieferung eingeführter Gegenstände

9.101 Gemäß § 4 Nr. 6 Buchst. c UStG ist die Lieferung von eingeführten Gegenständen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässige Abnehmer steuerfrei, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine vorübergehende Verwendung im Inland bzw. in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg bewilligt worden ist. Diese Befreiungsvorschrift steht im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 UStG; § 1 Abs. 2 EUStDV,2 wonach die Einfuhr der vorgenannten Gegenstände unter bestimmten Voraussetzungen von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist. Die Befreiung führt dazu, dass die Gegenstände während der Dauer der vorübergehenden Verwendung im Inland unversteuert bleiben. Die Beschränkung der Befreiung auf Lieferungen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen in Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässige Abnehmer dient der Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs im Gemeinschaftsgebiet.3 Die Lieferung von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern ist allerdings von der Steuerbefreiung ausgenommen (§ 4 Nr. 6 Buchst. c Satz 2 UStG). 10. Fährverkehr mit Helgoland

9.102 Im Hinblick darauf, dass die Personenbeförderungsleistungen zwischen dem Inland und der Insel Helgoland durch Ausdehnung der Hoheitsgewässer (Rz. 9.8) steuerbar sind (§ 1 Abs. 3 UStG), ist zwecks Vermeidung von Fahrpreiserhöhungen für Personenbeförderungsleistungen die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6d UStG maßgeblich.4 11. Abgabe von Speisen und Getränken auf Seeschiffen

9.103 Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG betrifft die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle auf Seeschiffen zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen sowie zwischen zwei ausländischen Seehäfen. Es geht hierbei im Wesentlichen um Restaurationsumsätze, die als sonstige Leistungen anzusehen sind. Nicht befreit ist daher die Lieferung von Speisen und Getränken.5

1 Zu weiteren Einzelheiten Fritsch in R/K/L, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 11; Stadie, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 2. 2 Ausführlich hierzu Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 1071 ff. 3 Regierungsbegründung zu § 4 Nr. 6c UStG, BT-Drucks. 12/2463. 4 Zu europarechtlichen Zweifeln Lange, DStZ 1996, 133 (134); Kraeusel, UR 1996, 353 ff. 5 Abschn. 55a UStR 2008.

366

B. Steuerobjekt

12. Leistungen an NATO-Streitkräfte Gemäß § 4 Nr. 7 Buchst. a, b UStG sind steuerfrei Lieferungen, ausgenommen die Lieferung neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2, 3 UStG), und sonstige Leistungen, die an ausländische und an in einem anderen Mitgliedstaat stationierte NATO-Streitkräfte anderer Vertragsparteien als des Bestimmungsmitgliedstaates ausgeführt werden und für den Gebrauch oder Verbrauch dieser Streitkräfte bestimmt sind. Die Steuerbefreiung gilt nicht für Umsätze, die in § 26 Abs. 5 UStG bereits aufgrund der dort genannten Abkommen steuerbefreit sind.

9.104

13. Leistungen an Diplomaten und zwischenstaatliche Einrichtungen Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2, 3 UStG), und sonstige Leistungen an die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen ständigen diplomatischen Missionen, berufskonsularischen Vertretungen, zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie deren Mitglieder sind gem. § 4 Nr. 7 Buchst. c, d UStG steuerfrei.

9.105

IV. Steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb Literatur Kommentare zu § 4b UStG; Birkenfeld/Forst, Das Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Bielefeld 1992; Langer, Umsatzsteuer im Binnenmarkt, Herne/Berlin 1992; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pich, Das neue Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, Köln 1992; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen Binnenmarkt ab 1993, UR 1992, 89, 129; Rondorf, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, München 1992; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249; Pietzsch, der innergemeinschaftliche Erwerb, UVR 1993, 139.

§ 4b UStG enthält Befreiungstatbestände, die darauf gerichtet sind, bestimmte innergemeinschaftliche Lieferungen im Ergebnis steuerlich nicht anders zu belasten als entsprechende inländische Lieferungen und Einfuhren.1 Die Vorschrift dient damit der Wettbewerbsneutralität und verwirklicht zugleich das Bestimmungslandprinzip. Daher werden durch § 4b Nr. 1 und 2 UStG innergemeinschaftliche Erwerbe von bestimmten Gegenständen befreit, deren Lieferung im Inland steuerfrei wäre.

9.106

§ 4b Nr. 3 UStG bezieht in die Steuerbefreiung folgerichtig auch den innergemeinschaftlichen Erwerb solcher Gegenstände ein, deren Einfuhr steuerfrei wäre.2 Hierdurch wird sichergestellt, dass innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland nicht höher belastet werden als Einfuhren. § 4b Nr. 4 UStG befreit schließlich den innergemeinschaftlichen Erwerb von

9.107

1 Stadie in R/D, § 4b UStG Rz. 5. 2 Zur Befreiung von Einfuhren (§ 5 UStG) nachfolgend Rz. 9.108 ff.

367

Kapitel 9 Umsatzsteuer

Gegenständen, die zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG nicht eintritt. Es handelt sich hierbei um eine sog. Vorstufenbefreiung, die im Hinblick auf eine nachfolgende steuerfreie Ausfuhr oder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus Gründen der Vereinfachung gewährt wird.1

V. Steuerfreie Einfuhr Literatur Kommentare zu § 5 UStG; Eckert, Die Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG; eine willkommene Vorschrift für den unehrlichen Unternehmer?, UVR 2000, 244; Vellen, Befreiung von Umsatzsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, UR 1999, 402.

9.108 Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Gegenständen enthalten § 5 UStG und die aufgrund verschiedener Ermächtigungsgrundlagen ergangene Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung.2 Darüber hinaus ergeben sich noch weitere Befreiungen aus anderen Vorschriften, etwa für Reisemitbringsel3 sowie für Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art4 und schließlich auch für Waren für in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte.5 Die sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 UStG ergebenden Steuerbefreiungen dienen dem Ziel, eingeführte Waren keinen höheren inländischen Steuern zu unterwerfen, als sie gleichartige inländische Waren zu tragen haben.6

9.109 Die Steuerfreiheit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG erstreckt sich insbesondere auf die Einfuhr von Gegenständen für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt (§ 8 UStG). Da für die Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG der Vorsteuerabzug erhalten bleibt, wird durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG aus Gründen auch der Vereinfachung sichergestellt, dass etwa eingeführte Ausrüstungsgegenstände für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt ebenfalls nicht mit Umsatzsteuer belastet sind.

9.110 § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG sieht eine Steuerbefreiung für die Fälle vor, in denen Drittlandswaren eingeführt und unmittelbar im Anschluss an die 1 Rokos, UR 1992, 89 (98), 129 ff.; Widmann, UR 1992, 249 (260). 2 EUStBV v. 11.8.1992, BGBl. I 1992, 1526. 3 Vgl. die Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden (EFVO) v. 3.12.1974, BGBl. I 1974, 3377; zu Einzelheiten Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 498 ff. 4 Vgl. Kleinsendungs-Einfuhrfreimengen-Verordnung (KFVO) v. 11.1.1979, BGBl. 1979 I 73; zu Einzelheiten Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 515 ff. 5 NATO-Truppenstatut v. 18.8.1961, BGBl. II 161, 1183; Offshore-Steuerabkommen v. 15.10.1954, BGBl. II 1955, 823; vgl. auch Rz. 9.79. 6 Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 26; Heidner in B/G, § 5 UStG Rz. 2.

368

B. Steuerobjekt

Einfuhr zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet werden. Hierdurch kann eine eingeführte Ware, die für einen Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt ist, in den zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, ohne dass zwischenzeitlich eine Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden müsste.1 Während § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG die steuerfreie Einfuhr von bestimmten 9.111 Gegenständen betrifft, die in ein Umsatzsteuerlager eingelagert werden sollen, normiert § 5 Abs. 1 Nr. 5 UStG die Steuerbefreiung der Einfuhr, die im Zusammenhang mit einer zu einer Auslagerung führenden Lieferung steht.2 Bei § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG handelt es sich um eine bloß temporäre Steuerbefreiung, weil bei Entnahme aus dem Umsatzsteuerlager (Auslagerung) die Einfuhr gem. § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG steuerpflichtig wird.3 § 5 Abs. 1 Nr. 5 UStG betrifft dagegen die (steuerfreie) Einfuhr, die im sog. Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK/Art. 135 MZK) zeitlich erst nach der Auslagerung erfolgt. Da die Auslagerung, also z.B. die Lieferung aus dem Umsatzsteuerlager, zur Steuerpflicht führt, wird zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einfuhr steuerfrei gestellt.4 § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG regelt die steuerfreie Einfuhr von Erdgas über das Erdgasnetz und von Elektrizität.5 Diese Steuerbefreiung verwirklicht das Bestimmungslandprinzip und dient zugleich der Vereinfachung, weil Gas- und Stromlieferungen gem. § 3g UStG umsatzsteuerbar und -pflichtig sind.6

9.112

Die auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 UStG und anderen Ermächtigungsgrundlagen beruhende Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung enthält zahlreiche Steuerbefreiungen. Hierunter fallen beispielsweise die Einfuhr von Umzugs-, Heirats- und Erbschaftsgut, von erzieherischen, wissenschaftlichen und kulturellen Gegenständen sowie von Gegenständen von geringem Wert.7

9.113

Auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind Steuerbefreiungen für Einfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr im Rahmen bestimmter Mengen- und Wertgrenzen Befreiungen von der Einfuhrumsatzsteuer vor-

9.114

1 Um einen Missbrauch in Anwendung dieser Steuerbefreiung zu vermeiden, ist im Zuge des JStG 2010 geplant, die Steuerbefreiung von Mindestvoraussetzungen abhängig zu machen. 2 Zu Einzelheiten Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 391 ff., 471 ff. 3 Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 418; Langer, DB 2004, 17 (23). 4 Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 491. 5 Im Zuge des JStG 2010 soll die Steuerbefreiung ausgedehnt werden auf die Einfuhr von Erdgas durch Gastanker, sofern das Erdgas in das Erdgasnetz oder in ein dem Erdgasnetz vorgelagertes Gasleitungsnetz eingespeist wird, sowie auf die Einfuhr von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze. 6 Zu Einzelheiten Weber, DStZ 2005, 109 (110). 7 Einzelheiten hierzu bei Flick in R/D, § 5 UStG Rz. 74 ff.

369

Kapitel 9 Umsatzsteuer

gesehen für Waren, die Reisende gelegentlich und ausschließlich zum persönlichen Ge- oder Verbrauch, für ihren Haushalt oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen.1

9.115 Eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich ferner aufgrund internationaler Abkommen, wonach insbesondere die Einfuhr für in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte, für im Inland ansässige internationale Organisationen und wegen gutnachbarlicher Beziehungen steuerbefreit ist.2

C. Steuersubjekt Literatur Kommentare zu § 2 UStG; Birkenfeld, Gedanken zur grenzüberschreitenden Organschaft, UR 2010, 198; Dziadkowski, Zum Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes, StVj., 1989, 326; Dziadkowski, Zur Unternehmereigenschaft von Steuersubjekten, die nicht als „geborene Unternehmer“ zu qualifizieren sind, UR 1989, 137; Giesberts, Der Unternehmer: Ein „Händler am Markt“?, UR 1989, 257; Giesberts, Zur Qualifizierung des Unternehmerbegriffs, UR 1993, 279; Hillek/Friedrich-Vache, Das Reverse-Charge-Verfahren im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 251; Hundt-Eßwein, Der Leistungsempfänger als Steuerschuldner nach § 13b UStG, UStB 2003, 138; Kempf, Die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens als Möglichkeit der Bekämpfung von Umsatzsteuerausfällen und seine praktischen Probleme, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 275; Klenk, Die Funktion des Unternehmens im Mehrwertsteuersystem, UR 1993, 284; Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie, Diss. Passau 2001; Lange, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer, UR 2000, 1; Monfort, Abschaffung des Abzugsverfahrens bzw. der Null-Regelung und Umkehrung der Steuerschuldnerschaft durch das Steueränderungsgesetz 2001, UR 2002, 245; Offerhaus, Der Unternehmer im Umsatzsteuerrecht, UR 1991, 279; Raudszus, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, UStB 2002, 258; Rau, Die Umsatzsteuer bei Unternehmensverbindungen, Verbänden und Kooperationen, UR 1987, 121; Schaub, Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff, München 1989; Tehler, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, UR 2002, 412; Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, Lohmar 2001; Tüchelmann, Zur grenzüberschreitenden Organschaft im Umsatzsteuerrecht, UR 1989, 109; Wäger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 189; Wagner, Umsatzsteuer und öffentliche Hand, DStJG (13) 1990, 59.

9.116 Steuersubjekt und damit Steuerschuldner der Umsatzsteuer sind grundsätzlich Unternehmer (§§ 2; 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Darüber hinaus kön1 Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden (EFVO) v. 3.12.1974, BGBl. I 1974, 3377; im Einzelnen hierzu Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 1571 ff. 2 Vgl. hierzu den Überblick bei Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 524 ff.

370

C. Steuersubjekt

nen auch Nichtunternehmer als Steuersubjekte und Steuerschuldner in Betracht kommen: – Beim innergemeinschaftlichen Erwerb z.B. natürliche Personen als Privatpersonen (§ 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG), – bei einer fälschlich als innergemeinschaftlich befreite Lieferung behandelten Leistung ein privater Abnehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 3 UStG), – bei einer zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuer auch derjenige, der Nichtunternehmer ist (§ 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG), – beim innergemeinschaftlichen Reihengeschäft der letzte Abnehmer, wozu auch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmer zählen (§ 13a Abs. 1 Nr. 5 UStG), und schließlich – im Falle der Einfuhr hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer, die auch von Nichtunternehmern (Zollschuldner) erhoben wird (§ 13a Abs. 2 UStG). Eine Erweiterung auf Nichtunternehmer erfolgt schließlich auch dadurch, dass etwa gem. § 2a UStG ein Fahrzeuglieferer, der Nichtunternehmer ist, insoweit als Unternehmer fingiert wird, als er im Inland ein neues Fahrzeug liefert und dieses im Rahmen der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. In den vorgenannten Fällen ist das Steuersubjekt im Grundsatz zugleich auch Steuerschuldner. Zu einem Auseinanderfallen kommt es allerdings beim innergemeinschaftlichen Reihengeschäft (§§ 13a Abs. 1 Nr. 5, 25b Abs. 2 UStG) und darüber hinaus gem. § 13b Abs. 5 UStG, wonach die Steuerschuld von dem die Leistung erbringenden Steuersubjekt (Unternehmer) auf den Leistungsempfänger verlagert wird (Reverse-Charge-Verfahren).1 Angesprochen sind hierdurch insbesondere Werklieferungen und sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Da der Unternehmerbegriff auf eine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht abstellt, kann jedes Gebilde in- oder ausländischen Rechts, das ein Mindestmaß an Organisation besitzt, um als solches nach außen hin auftreten und Leistungen erbringen zu können, Unternehmer sein.2 Unternehmerfähig sind daher alle natürlichen und juristischen Personen als solche, nicht aber etwa deren Betriebsstätten (§ 12 AO), denen es schon an der vom Gesetz geforderten Selbständigkeit fehlt.3

9.117

Eine Ausnahme von dem für den Unternehmerbegriff maßgeblichen Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit macht § 2 Abs. 3 UStG. Da-

9.118

1 Hierzu Hundt-Eßwein, UStB 2003, 138 ff.; Monfort, UR 2002, 245 ff.; Raudszus, UStB 2002, 258 ff.; Tehler, UR 2002, 412 ff.; Kempf in FS Reiß, 275 ff.; Hillek/ Friedrich-Vache in FS Reiß, 251 ff. 2 BFH v. 21.4.1994 – V R 105/91, BStBl. II 1994, 671; Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 91. 3 Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 83.

371

Kapitel 9 Umsatzsteuer

nach können juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Unternehmer sein.1 Zu diesen Teilunternehmern2 gehören Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unabhängig davon, ob es sich um solche des deutschen oder ausländischen Rechts handelt.3 Die Ausübung öffentlicher Gewalt zählt damit grundsätzlich auch dann zum nichtunternehmerischen Bereich, wenn sie grenzüberschreitende Wirkungen hat.4 Entsprechendes gilt bei bloßer Vermögensverwaltung5 und in den Fällen, in denen der Staat etwa (entgeltlich) Konzessionen erteilt.6

9.119 Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unternehmer im Ausland oder im Inland ansässig ist, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht oder ob er als juristische Person nach deutschem oder ausländischem Recht errichtet ist.7 Besonderheiten ergeben sich allerdings für im Inland nicht ansässige Unternehmer, die im Inland ausschließlich steuerfreie Umsätze ausführen und keine Vorsteuer abziehen können: Zur Erfüllung ihrer Steuererklärungspflichten8 haben sie die Möglichkeit, einen Fiskalvertreter zu bestellen (§§ 22a bis 22e UStG), der die Pflichten des betreffenden ausländischen Unternehmers als eigene zu erfüllen hat (§ 22b Abs. 1 UStG). Damit ist ihm auch die eigentlich dem Unternehmer obliegende Pflicht, gesonderte Aufzeichnungen zu führen, auferlegt (§ 22b Abs. 2, 3 UStG). Dementsprechend erhält der Fiskalvertreter9 für jeden von ihm vertretenen ausländischen Unternehmer eine gesonderte Steuernummer und USt-IdNr. (§ 22d Abs. 1 UStG). Der Fiskalvertreter wird insbesondere in den Fällen des steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbs (§§ 4b Nr. 3; 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG) und anschließender steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b; 6a UStG) tätig werden.10 1 Im Einzelnen Wagner, DStJG (13) 1990, 59 ff. 2 Hierzu Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 497 ff. 1080 ff.; Abschn. 22 Abs. 1 UStR 2008. 3 Vgl. Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 835 f. 4 Vgl. EuGH v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 – Isle of Wight, UR 2008, 816; v. 13.12.2007, RS. C- 408/06 – Götz, EuGHE 2008, I-11295. 5 Richtlinienwidrig: EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 – Salix, BFH/NV 2009, 1222. 6 EuGH v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 – T-Mobile Austria, EuGHE 2007, I-5189; v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 – Hutchison u.a., EuGHE 2007, I-5247. 7 BFH v. 21.4.1994 – V R 105/91, BStBl. II 1994, 671. 8 Voranmeldung: § 18 Abs. 1, 2 UStG; Steuererklärung: § 18 Abs. 3, 4, 4c UStG; zusammenfassende Meldung für innergemeinschaftliche Warenlieferungen: § 18a UStG. 9 Gemäß § 22a Abs. 2 UStG i.V. mit §§ 3; 4 Nr. 9c StBerG sind hierzu befugt die steuerberatenden Berufe sowie Spediteure, Zolldeklaranten und Lagerhalter, soweit die zuletzt genannten drei Berufsgruppen nicht Kleinunternehmer (§ 19 UStG) sind. 10 Zu weiteren Einzelheiten Wendland, Die Fiskalvertretung; Mondorf, BB 1997, 705 ff.; Nieskens, UR 1997, 1 (15); Lange, UR 1996, 401 ff.; Birkenfeld, DStZ 1997, 461 ff.

372

C. Steuersubjekt

So weit im Ausland ansässige Unternehmer im Inland entweder keine Umsätze oder nur die folgenden Umsätze ausführen

9.120

– grenzüberschreitende Beförderungsleistungen (§ 4 Nr. 3 UStG), – Lieferungen und sonstige Leistungen, für die das Reverse-Charge-Verfahren gilt (§ 13b UStG), – Beförderungleistungen, die der Einzelbesteuerung unterliegen (§§ 16 Abs. 5, 18 Abs. 5 UStG), – Innergemeinschaftliche Erwerbe und daran anschließende Lieferungen (§ 25 Abs. 2 UStG) oder – Auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen an Nichtunternehmer bei Ausübung des Wahlrechts im Sinne einer steuerlichen Erfassung in nur einem EU-Mitgliedstaat (§ 3a Abs. 5 UStG i.V. mit § 18 Abs. 4c UStG), wird ihnen die abziehbare Vorsteuer auf Antrag durch das Bundeszentralamt für Steuern vergütet (§ 18 Abs. 9 UStG, § 59 UStDV), wobei im Rahmen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens zwischen im Gemeinschaftsgebiet und im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmen differenziert wird.1 Sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nach § 59 UStDV nicht erfüllt, können Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16, 18 Abs. 1 bis 4 UStG) berücksichtigt werden. Im Inland ansässige Unternehmer, denen in einem anderen EU-Mitgliedstaat von Unternehmen Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden, können ebenfalls beim Bundeszentralamt für Steuern Anträge auf Vorsteuervergütung stellen, wobei die entsprechenden Anträge nach Vorprüfung an die zuständigen ausländischen Behörden weitergeleitet werden (§ 18g UStG).2

9.121

Soweit die Unternehmereigenschaft wegen mangelnder Selbständigkeit verneint wird, etwa bei einer Organgesellschaft, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist (Organschaft), sind die Wirkungen der Organschaft lediglich auf die Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG).3 Eine grenzüberschreitende Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG) gibt es daher im Umsatzsteuerrecht nicht.4 Hat der Organträger seine Geschäftsleitung außerhalb des Inlands, so gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 UStG).

9.122

1 Zu Einzelheiten BMF v. 3.12.2009, BStBl. I 2009, 1520, dort insbesondere zu den Einschränkungen bei im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern (Tz. 6 u. 7); ferner Schlosser-Reimer in B/G, § 18 UStG Rz. 58 ff. 2 Zu Einzelheiten BMF v. 3.12.2009, BStBl. I 2009, 1520, Tz. 31 ff. 3 Vgl. hierzu Wäger in FS Schaumburg, 1189 ff. 4 Zu Einzelheiten Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 731 ff.; Tüchelmann, UR 1989, 109 ff.; Widmann in Herzig, Organschaft, 334 (349 f.); kritisch hierzu Birkenfeld UR 2010, 198 ff.

373

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung Literatur Kommentare zu §§ 7 bis 14 AStG; Aigner, Hinzurechnungsbesteuerung und DBARecht, Wien 2004; Baumgärtel/Perlet, Die Hinzurechnungsbesteuerung, in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, 171; Baumgärtel/Perlet, Hinzurechnungsbesteuerung bei Auslandsbeteiligungen, Neuwied/Kriftel/Berlin 1996; Brähler, Controlled Foreign Companies-Rules, Frankfurt u.a. 2007, 16; Brosig, Zur steuerlichen Behandlung von Basisgesellschaften, Frankfurt 1993; Burwitz, Ausländische Konzernfinanzierungsgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2005; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 4. Aufl. Neuwied/Kriftel/Berlin 2007; Fischer/ Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl. Berlin 2005, 115; Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, Köln 1980; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. München 2009, Rz. 680; Große, Subpart F als Referenz für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, Frankfurt u.a. 2003; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Haase, Die Hinzurechnungsbesteuerung, Herne 2009; Henkel, Hinzurechnungsbesteuerung, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. Köln 2005, 819; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. München 2007, 471; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl. München 2000, 405; Köhler, Die Steuerpolitik der deutschen internationalen Unternehmung im Einflussbereich der Hinzurechnungsbesteuerung, Frankfurt 1994; Maier-Frischmuth, Internationale Unternehmenstätigkeit und deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, Lohmar/Köln 2003; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG unter Berücksichtigung des Rechts der DBA, Köln 1986; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Pitzal, Nicht- und Niedrigbesteuerung in Vorschriften des nationalen Außensteuerrechts und des Abkommensrechts, Baden-Baden 2008; Rasch, Die Ziele der neuen deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, Weilerswist 2004; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Frankfurt u.a. 2008; Reith, Internationales Steuerrecht, München 2004, 473; Rödder, Hinzurechnungsbesteuerung – Praxisorientierte Analyse der aktuellen Rechtslage aus der Sicht eines deutschen international tätigen Konzerns, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2. Aufl. Herne/Berlin 2003, 1651; Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, München 2007; Schaumburg/Jesse, Die internationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. Köln 2004, 885; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei internationalen Umstrukturierungen, Berlin 2007; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln 2005; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, München 1973; Vogel, Steuerliche Behinderungen des internationalen Kapitalflusses zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft, CDFI LXIXa (1984), 15; von Waldthausen, Steuerlastgestaltung im Einflussbereich der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuergesetz, Lohmar/Köln 1999; Wettlaufer, Außensteuerrechtliche Hinzurechnungs-

374

A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung bilanz bei Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern, Berlin 1984; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997; Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, Thun/Frankfurt 1984.

Es gehört zu den international tragenden Besteuerungsprinzipien, Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn sie wirtschaftlich etwa als Mutter- und Tochtergesellschaft miteinander verbunden sind. Durchbrechungen dieses Grundsatzes gibt es regelmäßig nur dann, wenn die Beteiligungen eine besondere Intensität erreichen mit der Folge, dass dann eine zusammengefasste Besteuerung, so etwa als Konsolidierung in Dänemark, Spanien und in den USA, oder als Organschaft in Deutschland1 sachgerecht ist.2 Die Folge des Grundsatzes der steuerlichen Eigenständigkeit von Körperschaften ist, dass ihr Einkommen unabhängig von dem der Anteilseigner der Besteuerung unterworfen wird (Trennungsprinzip).3 Die Besteuerung der Anteilseigner wird bis zur Ausschüttung seitens der Gesellschaft hinausgeschoben.4 Damit entfaltet die Kapitalgesellschaft in steuerlicher Hinsicht eine Abschirmwirkung. Im außensteuerlichen Kontext bedeutet diese Abschirmwirkung, dass Gewinne ausländischer Kapitalgesellschaften, an denen inländische Anteilseigner beteiligt sind, solange der inländischen Besteuerung entzogen sind, als Ausschüttungen unterbleiben. Diese Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ist besonders signifikant in den Fällen, in denen aus steuerlichen Motiven Kapitalgesellschaften in Niedrigsteuerländern errichtet worden sind.5 Die Steuervorteile bleiben nämlich nur solange erhalten, wie die Gewinne dieser Gesellschaften thesauriert werden.

10.1

Die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) ist von ihrer teleologischen Ausrichtung her darauf gerichtet, ein Ausnutzen des internationalen Steuergefälles durch unbeschränkt steuerpflichtige Personen in den Fällen entgegenzuwirken, in denen im Ausland nicht aktive unternehmerische Engagements in die Rechtsform von Kapitalgesellschaften gekleidet werden.6 Unter diesem Gesichtspunkt sind die §§ 7 bis 14 AStG als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer zu qualifizieren:7 Es geht darum, im Ergebnis eine ausreichende

10.2

1 2 3 4

Vgl. §§ 14 ff. KStG. Vogel, CDFI LXIXa (1984), 15 (23). Hierzu Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 1. Sog. „deferral-principle“, vgl. Schaumburg/Jesse in Lutter (Hrsg.) Holding-Handbuch4, 651, K 13; Mössner, RIW 1986, 208 (209); Vogel, CDFI LXIXa (1984), 15 (45). 5 Vgl. hierzu etwa Selling, DB 1988, 930 ff. 6 Vgl. nur BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729. 7 Hierzu Rz. 2.10 ff.; dem Gesetzgeber schwebte eine Missbrauchsabwehrregelung vor; vgl. Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 21; in diesem Sinne auch Reiche in Haase, AStG, § 7 Rz. 1.

375

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

steuerliche Gesamtbelastung sicherzustellen. Technisch wird dieses Ziel dadurch erreicht, dass die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung für niedrig besteuerte sog. Einkünfte aus passivem Erwerb (vgl. § 8 Abs. 1 AStG) durch eine Ausschüttungsfiktion beseitigt wird, wobei die fingierten Ausschüttungen aus dem Regelungsbereich des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG und § 8b Abs. 1 KStG ausgenommen sind (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Mit anderen Worten: Bestimmte sich in der ausländischen Gesellschaft ansammelnde Einkünfte werden zeitlich vor den tatsächlichen Ausschüttungen der inländischen Besteuerung zugeführt, ohne dass hierfür die sonst für Dividendenerträge vorgesehenen (partiellen) Steuerbefreiungen zur Anwendung kommen.

10.3

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die §§ 7 bis 14 AStG in einen einheitlichen Systemzusammenhang zu bringen.1 So wird im Rahmen der sog. Ausschüttungstheorie angenommen, das Gesetz wolle die nicht ausgeschütteten Gewinne einer Basisgesellschaft beim Anteilseigner erfassen.2 Nach der sog. Repräsentationstheorie soll die Hinzurechnungsbesteuerung die Züge sowohl einer Zurechnung von Einkünften als auch einer Besteuerung des nicht ausgeschütteten Gewinns tragen, wobei sich das Gesetz freilich an keinem der beiden Modelle mechanisch orientiert habe. Es habe, seiner steuerpolitischen Zielsetzung entsprechend, einen gemischten Lösungsweg genommen.3 Beiden Theorien4 ist entgegengehalten worden, sie fänden durchgängig im Gesetz keine Stütze.5 Der Gesetzgeber sei bei der Bestimmung des Besteuerungsgegenstandes vielmehr dem Zurechnungsmodell und bei der Festlegung der Rechtsfolge weitgehend dem Ausschüttungsmodell gefolgt.

10.4 Die vorgenannten, zum Teil voneinander abweichenden Ansichten sind letztlich darauf zurückzuführen, dass der Hinzurechnungsbesteuerung keine einheitliche Konzeption zugrunde liegt und die §§ 7 bis 14 AStG nicht frei von Widersprüchen sind. Im Kern geht es darum, dass durch die Hinzurechnungsbesteuerung die Abschirm- bzw. Aufschubwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung beseitigt wird. Dieses Ziel will das Gesetz durch die in den §§ 7 bis 14 AStG normierten Rechtsfolgen erkennbar wie folgt ereichen: Auf der ersten Stufe werden die in den §§ 7 und 8 AStG näher bestimmten niedrig besteuerten Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft aus passivem Erwerb (Rz. 10.72 ff.) als eigene Einkünfte der unbeschränkt steuerpflichti-

1 Vgl. den Überblick bei Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 138 ff. 2 Z.B. Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den § 7 ff. AStG, 140 ff.; Kluge, RIW/AWD 1975, 525 ff. 3 Vogt in Blümich, EStG, Vor § 7–14 AStG Rz. 34; Menck, DStZ A 1978, 106 ff. 4 Vgl. darüber hinaus auch die sog. Zurechnungstheorie von Köhler, RIW 1988, 979 ff. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 153; Wassermeyer in FS Flume, 323 (326 ff.).

376

A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung

gen Anteilseigner behandelt (§ 7 Abs. 1 AStG).1 Auf der zweiten Stufe werden diese Einkünfte sodann in ausgeschüttete Dividendenerträge umqualifiziert (§ 10 Abs. 2 AStG). Beide Stufen der Rechtsfolge passen indessen nicht zum Steuerobjekt (Hinzurechnungsobjekt), nämlich den von der ausländischen Gesellschaft erzielten niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb (Zwischeneinkünfte).2 Zwischen Hinzurechnungsobjekt einerseits und Rechtsfolge andererseits besteht ein Systembruch mit der Folge, dass auch die diesbezüglichen Normen der §§ 7 bis 14 AStG in sich widersprüchlich sind. So ist es mit der Ausschüttung als Rechtsfolge unvereinbar, dass der Hinzurechnungsbetrag auf der Grundlage der Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG) und nicht nach dem maßgeblichen ausländischen Handelsrecht zu ermitteln ist (Rz. 10.164 f.) und zudem auf den Hinzurechnungsbetrag weder § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG noch § 8b Abs. 1 KStG zur Anwendung kommen (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).3 Mit der Rechtsfolge nicht zu vereinbaren sind schließlich auch der nach § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG mögliche Verlustrücktrag (Rz. 10.185) sowie die gem. § 12 Abs. 1 AStG vorgesehene Anrechnung der von der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern auf die Steuerschuld des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners (Rz. 10.206).

10.5

Die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften für niedrig besteuerte sog. Einkünfte aus passivem Erwerb zu beseitigen, um diese der (höheren) deutschen Besteuerung zuzuführen, kollidiert zwangsläufig mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Das gilt gleichermaßen für die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).4 Von den Schutzwirkungen insbesondere der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) wird nicht nur die selbständige unternehmerische Erwerbstätigkeit, sondern auch die vermögensverwaltende Tätigkeit erfasst.5 Nach allgemeinen Grundsätzen (Rz. 4.21) sind zwar Missbrauchsbekämpfungsregeln im Einzelfall zulässig, sind sie aber wie die §§ 7 bis 14 AStG typisierend ausgelegt, sind sie nur dann europarechtlich haltbar, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen steht, die in der Typisierung zum Ausdruck gelangene Missbrauchsvermutung zu widerlegen.6 Da schließlich derartige Missbrauchsbekämpfungsregeln nur unter dem Gesichtspunkt der Steuerumgehung bei

10.6

1 Das Steuersubjekt wird also ausgewechselt, wodurch zugleich die Abschirmwirkung der DBA unterlaufen wird; hierzu Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 3. 2 Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 31 ff.; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 3. 3 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 23. 4 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 81 ff. m.w.N. 5 EuGH v. 12. 09. 2006 Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. 6 EuGH v. 12. 09. 2006 Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 51 ff.

377

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung Einsatz künstlicher Konstruktionen europarechtlich legitimiert sind,1 war der aus § 8 Abs. 1 AStG abzuleitende Katalog steuerschädlicher Einkünfte aus passivem Erwerb europarechtlich nicht mehr zu halten. Dem entsprechend enthält § 8 Abs. 2 AStG für den EU-/EWR-Bereich eine Sonderregelung, die dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet nachzuweisen, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.2

B. Überblick 10.7 § 7 Abs. 1 AStG enthält sowohl den Grundtatbestand als auch die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung. Der Grundtatbestand umfasst drei Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft zu mehr als der Hälfte, die Einkünfte aus passivem Erwerb und die Niedrigbesteuerung. Während die erste Tatbestandsvoraussetzung (Beteiligung zu mehr als der Hälfte) persönlicher Natur ist, handelt es sich im Übrigen um sachliche Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen werden in § 7 Abs. 1–5 AStG sowie in § 8 AStG konkretisiert. Die §§ 7 sowie 9 bis 12 AStG betreffen die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich den Ansatz des stets positiven Hinzurechnungsbetrages als Dividendeneinkünfte. § 14 AStG ist schließlich eine Ergänzungsvorschrift sowohl zu den Tatbestandsvoraussetzungen als auch zu den Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1 AStG.

10.8 Auf der Grundnorm des § 7 AStG aufbauend, wonach unbeschränkt Steuerpflichtige dann der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, wenn sie zu mehr als der Hälfte oder bei Kapitalanlageeinkünften auch zu einer geringeren Quote3 an einer ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt sind, regelt § 8 Abs. 1 AStG, für welche Einkünfte eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist. Diese Vorschrift löst die Frage dadurch, dass sie bestimmte Einkünfte aufzählt, für die die ausländische Gesellschaft nicht Zwischengesellschaft ist.4 Im Wege des Umkehrschlusses lässt sich sodann auf diejenigen Einkünfte schließen, für die die ausländische Kapitalgesellschaft Zwischengesellschaft ist.5 Eine Sonderregelung für den EU-/EWR-Bereich enthält § 8 Abs. 2 AStG, wonach 1 EuGH v. 12. 09. 2006 Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 68 ff. 2 Zu weiteren Einzelheiten Rz. 10.133 ff.; dort auch zu weiterhin bestehenden europarechtlichen Zweifeln. 3 Vgl. zu den Sonderregelungen für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6, 6a AStG) Rz. 10.59 ff. 4 Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, auch gute oder unschädliche Einkünfte genannt. 5 Einkünfte aus passivem Erwerb, auch schlechte oder schädliche Einkünfte genannt.

378

B. Überblick

keine Einkünfte aus passivem Erwerb anzunehmen sind, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und der andere Staat entsprechende Auskünfte erteilt. Diese Einkünfte aus passivem Erwerb unterliegen aber nur dann der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn sie niedrig besteuert werden. Nach § 8 Abs. 3 AStG liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn die Einkünfte mit Ertragsteuern von weniger als 25 Prozent belastet sind.

10.9

§ 9 AStG sieht eine Freigrenze für gemischte Einkünfte vor. Erfasst werden solche Gesellschaften, die in erster Linie Einkünfte aus aktiven und deshalb unschädlichen Tätigkeiten und Nebeneinkünfte aus passivem Erwerb erzielen. Soweit diese Einkünfte aus passivem Erwerb sind, 10 Prozent der Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft und insgesamt Euro 80 000 nicht übersteigen, unterliegen sie nicht der Hinzurechnungsbesteuerung.

10.10

§ 10 AStG enthält Regelungen darüber, wie der Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln ist und zu welcher Einkunftsart er gehört.

10.11

§ 11 AStG bestimmt, dass der Hinzurechnungsbetrag um jene Gewinnanteile zu kürzen ist, die die Zwischengesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Gesellschaft oder aus der Liquidation oder Kapitalherabsetzung erzielt, soweit Kapitalanlageeinkünfte der oder einer weiteren nachgeschalteten Gesellschaft für das gleiche Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, ohne dass die betreffenden Einkünfte ausgeschüttet wurden. Damit zielt § 11 AStG auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Ebene der Zwischengesellschaft ab.

10.12

Nach § 12 Abs. 1 AStG können alle nicht als Betriebsausgaben zu behandelnden Steuern angerechnet werden, zu denen die ausländische Gesellschaft mit den der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Einkünften sowie mit dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen herangezogen worden ist. § 12 Abs. 3 AStG ermöglicht schließlich die Anrechnung der Quellensteuern auf Ausschüttungen, die beim inländischen Anteilseigner gem. § 3 Abs. 41 EStG steuerfrei sind.

10.13

§ 14 AStG will Umgehungen der Hinzurechnungsbesteuerung entgegenwirken, die in der Möglichkeit bestehen, Zwischengesellschaften anderen Gesellschaften nachzuschalten, um so die Abschirmwirkung aufrechtzuerhalten. Die auf diese Weise zwischengeschobene Gesellschaft ließe für die Gewinne der nachgeschalteten Zwischengesellschaft die Hinzurechnungsbesteuerung allenfalls nur insoweit eintreten, als Dividenden ausgeschüttet würden. Diese denkbare Schranke wird durch § 14 AStG aufgehoben und zwar dadurch, dass die Einkünfte der nachgeschalteten Zwischengesellschaft (Untergesellschaft) der vorgeschalteten aus-

10.14

379

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

ländischen Gesellschaft (Obergesellschaft) in dem Umfang zugerechnet werden, der dem Verhältnis der Beteiligung dieser Gesellschaft an der Untergesellschaft entspricht.

C. Systematische Einordnung Literatur Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, Berlin 1978; Debatin, Die Erfassungsspannweite der deutschen Zugriffsbesteuerung auf Auslandsbeteiligungen, DB 1978, 1195; Kraft, Konzeptionelle und strukturelle Defizite der Hinzurechnungsbesteuerung – Reformbedarf und Reformnotwendigkeit, IStR 2010, 377; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Menck, Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbesteuerung – zur Systematik der §§ 7 bis 14 AStG –, DStZ A 1978, 106; Raupach, Die Frage der Zurechnung im Steuerrecht als Problem der Tatbestandsverwirklichung, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 403; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, kritische Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (AStG) StuW 1972, 97; Wassermeyer, Die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen), in FS für Flume, Köln 1978, 323.

I. Begriffsbildung 10.15 Obwohl § 10 AStG ausdrücklich den Begriff der Hinzurechnung verwendet, aus dem schließlich die in den §§ 7 bis 14 AStG beschriebenen Vorgänge als Hinzurechnungsbesteuerung bezeichnet werden, finden sich auch die Begriffe Zugriffsbesteuerung,1 Zurechnungsbesteuerung2 und Durchgriffsbesteuerung.3

10.16

Der Durchgriff durch eine juristische Person führt dazu, dass durch Gesetz oder durch Rechtsgeschäft die Rechtsfolgen nicht bei der juristischen Person selbst, sondern unmittelbar bei den Gesellschaftern eintreten.4 Ein derartiger Haftungsdurchgriff wird von der Rechtsprechung im Zivilrecht (ausnahmsweise) insbesondere in Fällen der Unterkapitalisierung und der Vermögensvermischung angenommen.5 1 So früher z.B. bei Krabbe in Lademann/Söffing, § 7 AStG Rz. 1 ff.; Debatin, DB 1978, 1195 (1195); Menck, DStZ A 1978, 106 ff. 2 Telkamp, StuW 1972, 97 (108). 3 Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht. 4 Hierzu Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 29 ff.; von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, 15 ff. 5 Hierzu der Überblick bei Lutter in K. Schmidt/Lutter, § 1 AktG Rz. 13 ff.; Hüffer, § 1 AktG Rz. 15 ff.

380

C. Systematische Einordnung Im Gegensatz dazu wird bei der Hinzurechnung jedenfalls rechtstechnisch die Einschaltung der Kapitalgesellschaft anerkannt.1 Die Zurechnung stellt die Verknüpfung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt her.2 Nach der grundlegenden Zurechnungsvorschrift des § 38 AO ist das Steuerobjekt demjenigen zuzurechnen, der den Steuertatbestand selbst verwirklicht.3 Während die Zurechnung ein bestimmtes Steuerobjekt einem Steuersubjekt zuordnet, führt die Hinzurechnung auf einer nächsten Stufe demgegenüber im Ergebnis zu einem Auswechseln des Steuersubjekts durch Ausschüttungsfiktion. Der Zugriff meint dagegen die Beseitigung der Abschirmwirkung einer juristischen Person als Ergebnis des rechtstechnischen Mittels des Durchgriffs, der Zurechnung und der Hinzurechnung.4

Der Streit um den „richtigen“ Begriff ist unfruchtbar. Den Begriffen Hinzurechnungs-, Durchgriffs- oder Zugriffsbesteuerung, die ohnehin sehr unscharf und nur schwer gegeneinander abzugrenzen sind, lassen sich nämlich keine teleologischen Orientierungsmaßstäbe für die Auslegung gewinnen.5

10.17

Welche Begriffe daher auch immer Verwendung finden, im Wesentlichen geht es bei der Hinzurechnungsbesteuerung darum, unter bestimmten Voraussetzungen die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften zugunsten einer ausreichenden Besteuerung beim inländischen Gesellschafter zu beseitigen. Dass der Gesetzgeber im Rahmen der §§ 7 bis 14 AStG sich rechtstechnisch nicht des Durchgriffs, sondern der Hinzurechnung als Fiktion bedient hat, findet seinen Grund darin, dass nur so der zugunsten der ausländischen Gesellschaften bestehende Schutz der DBA unterlaufen werden konnte.6 Hätte sich der Gesetzgeber für eine Durchgriffsregelung entschieden, so wäre sie auf der Ebene der DBA nur unter Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten effektiv geworden.7 Mit einer klaren Durchgriffsregelung hätte der Gesetzgeber sein doppeltes Ziel nicht erreichen können: Die Beseitigung der Aufschubbzw. Abschirmwirkung wäre im Vergleich zu der derzeitigen Hinzurechnungsbesteuerung als Mischung verschiedener Konstruktionsmöglichkeiten8 nicht weit genug gegangen und ein Unterlaufen bestehender DBA unmöglich gewesen.9

10.18

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zu Einzelheiten Wassermeyer, in FS Flume, 323 ff. BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868. Drüen in T/K, § 38 AO Rz. 3. Menck, DStZ A 1978, 106 ff. BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13, Wassermeyer in F/W/B, vor § 7–14 AStG Rz. 24; Mössner in B/K/L/M/R, vor §§ 7 bis 14 AStG, Rz. 26 f. Wassermeyer in F/W/B, vor § 7–14 AStG Rz. 3. Mössner, RIW 1986, 208 (212). Menck, DStZ A 1978, 106 ff. Zur Umgehung von DBA durch Vertragsstaaten Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 188.

381

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

II. Konkurrenzen 1. DBA

10.19 Das im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung erfasste Steuerobjekt sind die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb. Die Besteuerung setzt allerdings nicht bei der ausländischen Gesellschaft, sondern unter den in § 7 AStG genannten Voraussetzungen beim inländischen Gesellschafter an. Damit wird die dem Einkommensteuergesetz eigene Sachgesetzlichkeit insoweit durchbrochen, als der Steuerpflichtige von Dritten erzielte Einkünfte der Besteuerung unterwerfen muss. Nach der in § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundkonzeption sind nämlich die das Steuerobjekt betreffenden Tatbestandsmerkmale grundsätzlich vom Steuerpflichtigen selbst zu verwirklichen.1

10.20 Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass mit dem Auswechseln des Steuersubjekts zugleich die Schutzwirkungen der DBA unterlaufen werden.2 Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass einige DBA3 einen Vorbehalt zugunsten der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung enthalten und zudem § 20 Abs. 1 AStG im Sinne eines treaty overriding (Rz. 3.26) den Vorrang der §§ 7 bis 18 AStG vor abkommenrechtlichen Regelungen sicherstellt.4 2. Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

10.21 Im außensteuerlichen Kontext liegt sowohl den §§ 7 bis 14 AStG als auch dem § 42 AO eine vergleichbare gesetzgeberische Wertung zugrunde. § 42 AO ist darauf gerichtet, ein Ausbrechen aus der gleichmäßigen Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu verhindern5 und hierbei die Steuer so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Die §§ 7 bis 14 AStG sind als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen (Rz. 2.10 ff.) auf eine ähnliche Rechtsfolge gerichtet: Sie wollen den wirtschaftlichen Effekt herbeiführen, der ohne Thesaurierung der Zwischengesellschaft entstanden wäre und hierbei eine dem inländischen Steuerniveau entsprechende Steuerbelastung sicherstellen. Damit wird im Ergebnis beim inländischen Gesellschafter Soll-Einkommen besteuert.6 1 BFH v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383; vgl. hierzu auch Raupach in FS Beisse, 403 ff. 2 Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 3. 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 104. 4 Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 105; Wassermeyer in FS Flume, 323 ff.; Haun/Reiser in W/S/G, Vorbem. §§ 7–14 AStG S. 101; vgl. auch Rupp in Haase, § 20 AStG Rz. 11; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 150. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 1330. 6 Zur Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips Schaumburg in FS Tipke, 125 (140 f.).

382

C. Systematische Einordnung

§ 42 AO und die §§ 7 bis 14 AStG unterscheiden sich aber sowohl von den Tatbestandsvoraussetzungen als auch von der Rechtsfolgeseite her. § 42 AO wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit sog. Basisgesellschaften angewendet.

10.22

3. Exkurs: Basisgesellschaften Literatur Brosig, Zur steuerlichen Behandlung von Basisgesellschaften, Frankfurt 1993; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 4. Aufl. Köln 2007; Flick/Wassermeyer, Grundsatzurteil zum Oasenerlaß?, Anmerkung zum Urteil des BFH vom 21.5.1971 III 125–127/70, DB 1972, 110; Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, Köln 1980; Gibbons, Tax effects of basing international business abroad, in Harvard Law Review 69 (1956), 1206; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Großfe]d, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Kraft, Schlussfolgerungen aus der BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung des § 42 AO von den §§ 7 ff. AStG aus der Sicht der internationalen Steuerberatung, IStR 1993, 148; Salditt, Steuerlast und Wanderlust, StuW 1972, 12; Schön, Rechtsmissbrauch und Europäisches Steuerrecht, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 571; Seidel, Gewinnverschiebungen über die Grenze, Düsseldorf 1972; Selling, Ausländische Holding-, Vermögens- und Dienstleistungsgesellschaften im Licht des § 42 AO, RIW 1991, 235; Söffing, Sinn und Widersinn der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, StVj. 1992, 51; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, München 1973; Sutterer, Die internationalen Basisgesellschaften und ihre steuerrechtliche Behandlung, Diss. Mannheim 1969; Vanistendael, Halifax und Cadbury Schweppes: one single European theory of abuse in tax law?, EC Tax Revue 2006, 192; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997; Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, Thun/ Frankfurt 1984; Wurster, Scheingeschäft bei Basisgesellschaften, DB 1983, 2057.

Der Begriff der Basisgesellschaft1 ist gesetzlich nicht normiert.

10.23

Im Hinblick darauf finden sich in der Literatur unterschiedliche Definitionen, die überwiegend die Basisgesellschaft als Instrument der Steuerflucht oder der Einkünfteverlagerung in das Ausland bezeichnen.2 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat auf eine Definition gänzlich verzichtet. Sie versteht den Begriff der Basisgesellschaft vielmehr als Typusbegriff,3 womit sie sich zugleich den Spielraum verschafft, den sie zu benötigten glaubt, um insbesondere im Anwendungsbereich des § 42 AO zu von ihr für angemessen gehaltenen Ergebnissen zu gelangen.

10.24

1 Die Begriffsprägung „base company“ geht auf Gibbons, in Harvard Law Review 69 (1956), 1206 (1207) zurück. 2 Hierzu die Übersicht bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 23 ff. 3 Hierzu Larenz, Methodenlehre6, 218 ff., 461 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 51.

383

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.25 Wenn auch Begriff und Wesen der Basisgesellschaft im Einzelnen umstritten sind, kann unter steuerlichen Gesichtspunkten eine Basisgesellschaft als eine Auslandsgesellschaft bezeichnet werden, durch deren Einschaltung Einkünfte und Vermögen der inländischen Besteuerung entzogen werden sollen. Gefordert wird hierbei regelmäßig die Einkünfteverlagerung in Niedrigsteuerländer (Steueroasen).

10.26 Der Begriff der Basisgesellschaft lässt sich durch folgende Elemente umschreiben:1 – Eine steuerliche Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung vermögen nur solche Gesellschaften zu entfalten, die aus der Sicht des deutschen Körperschaftsteuerrechts steuerrechtsfähig sind und im Inland weder ihren Sitz noch ihren Ort der Geschäftsleitung haben. Basisgesellschaften sind daher durchweg ausländische Kapitalgesellschaften.2 – Die ausländische Gesellschaft muss grundsätzlich deutsch beherrscht sein, das heißt, unbeschränkt steuerpflichtige Personen müssen infolge ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung oder über Treuhänder in der Lage sein, die Gesellschaft zu beherrschen und diese in Einkünfteverlagerungen einzuschalten.3 – Da die Einschaltung von Basisgesellschaften auf die Erzielung von Steuervorteilen gerichtet ist, muss der Staat, in dem die Gesellschaft ansässig ist, erhebliche Steuervorteile4 gewähren. Diese Steuervorteile können entweder spezieller Natur sein oder allgemein bestehen. Standorte für Basisgesellschaften sind daher zumeist die sog. Steueroasenländer oder Niedrigsteuerländer.5 – Da Basisgesellschaften dem Zweck dienen, in Einkünfteverlagerungen eingeschaltet zu werden, sind deren geschäftliche Interessen typischerweise außerhalb des Sitzlandes angesiedelt, und zwar entweder im Wohnsitzstaat der Gesellschafter oder in Drittländern. Im Hinblick darauf werden ausländischen Gesellschaften im Sitzstaat Steuervorteile häufig nur dann gewährt, wenn sie dort keine geschäftliche Tätigkeit ausüben.6

1 Hierzu die Übersicht bei Mössner in B/K/L/M/R, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 4; vgl. auch Gosch in FS Reiß, 597 (598). 2 Diesem Merkmal entspricht § 7 Abs. 1 AStG. 3 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 9.5.1979 – I R 126/77, BStBl. II 1979, 586; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605; v. 26.7.1995 – I R 78/93, I R 86/94, I R 78/93, I R 86/94, BFH/NV 1996, 383, dieses Erfordernis verlangt auch § 7 Abs. 1 und 2 AStG; anders bei Kapitalanlageeinkünften gem. § 7 Abs. 6, 6a AStG. 4 § 8 Abs. 3 AStG zieht eine absolute Grenze von 25 Prozent. Ertragsteuerbelastung. 5 Vgl. hierzu die Länderaufstellung in Anlage 1 zu Tz. 8.3.2.2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1. 6 Das gilt z.B. für die Privilegien für Sitzgesellschaften in der Schweiz.

384

C. Systematische Einordnung

– Basisgesellschaften unterhalten zumeist keinen nennenswerten eigenen Geschäftsbetrieb. Ihre Geschäftstätigkeiten gehen über die bloße Vermögensverwaltung nicht hinaus. In aller Regel handelt es sich hierbei um Verkaufs-, Einkaufs-, Finanzierungs-, Patentverwertungs- und Holdinggesellschaften.1 Der „Steuerflucht“ durch Einschaltung von Basisgesellschaften mit dem Ziel, Einkünfte der inländischen Besteuerung gegenüber abzuschirmen, hat man in der Vergangenheit mitunter durch Nichtanerkennung dieser Basisgesellschaften oder einzelner geschäftlicher Transaktionen mit diesen Herr zu werden versucht. Diese Nichtanerkennung wurde vor allem auf § 5 Abs. 1 StAnpG (§ 41 Abs. 2 AO: Scheingeschäfte), auf § 1 Abs. 2 StAnpG (wirtschaftliche Betrachtungsweise), auf § 11 Nr. 3 StAnpG (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO: Treuhandschaft) sowie auf § 6 StAnpG (§ 42 AO: Steuerumgehung) gestützt. Ein Scheingeschäft, das gem. § 41 Abs. 2 AO für die Besteuerung unerheblich ist, liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäftes einig sind.2 Hiervon kann bei der Errichtung und Einschaltung von Basisgesellschaften regelmäßig nicht ausgegangen werden, weil die Betroffenen, die sich einer Basisgesellschaft bedienen, nach ihrer Vorstellung gerade die hiermit verbundenen Rechtsfolgen wollen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.3 Werden allerdings die notwendigen Folgerungen aus der Errichtung und Einschaltung von Basisgesellschaften bewusst nicht gezogen, etwa Vermögensgegenstände tatsächlich nicht übertragen oder abgeschlossene Rechtsgeschäfte ernstlich nicht durchgeführt, ist § 41 Abs. 2 AO zu bejahen.4 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die in § 1 Abs. 3 StAnpG kodifiziert war und deren gesetzliche Verankerung in der Abgabenordnung 1977 nicht für erforderlich gehalten wurde,5 findet zwar als Methode der Rechtsfindung unverändert Anwendung,6 sie kann aber kein taugliches Instrumentarium zur Bekämpfung von Basisgesellschaften bieten, denn die wirtschaftliche Betrachtungsweise vermag nicht, eine tatsächlich existente juristische Person wirtschaftlich in eine Nicht-Person zu transformieren.7 Ebenso wenig vermag die wirtschaftliche Betrachtungsweise Transaktionen mit Basisgesellschaften in „Nichts“ umzuqualifizieren. Im Falle einer Treuhandschaft sind Wirtschaftsgüter gem. § 39 Abs. 2 AO steuerlich nicht dem Treuhänder, sondern dem Treugeber zuzurechnen. Anfangs wurde seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 11 Nr. 3 StAnpG

1 Zu den typischen Basisfunktionen der Überblick bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 77 ff.; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, 45 ff.; Selling, RIW 1991, 235 ff. 2 Kramer in MüKo, § 117 BGB Rz. 7; Kruse in T/K, § 41 AO Rz. 65. 3 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; vgl. den Überblick über die einschlägige Literatur bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 69 ff. 4 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; zu weiteren Einzelheiten Wurster, DB 1983, 2057 ff. 5 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 200, 321. 6 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 320 ff.; einschränkend Söffing, StVj. 1992, 51 ff. 7 Im Einzelnen Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 77 ff.

385

10.27

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) auch auf Basisgesellschaften angewendet.1 Danach wurde eine in einem Oasenland gegründete Basisgesellschaft dann als treuhänderisches Eigentum dem im Inland ansässigen Anteilseigner unmittelbar zugerechnet, wenn kein Interessenübergang von dem Anteilseigner auf die Basisgesellschaft stattgefunden und der Anteilseigner sich alle Grundsatzentscheidungen vorbehalten hatte. Diese Rechtsprechung wurde allerdings unter Hinweis auf das im Steuerrecht verankerte allgemein gültige Trennungsprinzip, wonach eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit im Körperschaftsteuerrecht stets als ein vom Gesellschafter gesondertes und eigenständiges Steuersubjekt anzusehen ist, für den Fall einer das gesamte Vermögen dieser Kapitalgesellschaft erfassenden Treuhandschaft aufgegeben.2 Daher kann eine Zurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO allenfalls aufgrund eines vereinbarten Treuhandverhältnisses für einzelne Wirtschaftsgüter einer Basisgesellschaft in Betracht kommen.3 Heute werden in der Besteuerungspraxis Basisgesellschaften insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Orts der Geschäftsleitung (§ 10 AO)4 beurteilt. Denn nicht selten werden bei Basisgesellschaften ohne eigenen Geschäftsbetrieb die Geschäfte ausschließlich oder überwiegend vom Inland aus geführt. In derartigen Fällen ist entweder die Basisgesellschaft mit ihren gesamten Einkünften unmittelbar selbst unbeschränkt steuerpflichtig oder aber, falls die Steuersubjektseigenschaft (ausnahmsweise) zu verneinen ist, (Rz. 6.7) sind dies die inländischen Gesellschafter mit den auf sie entfallenden Einkünften. Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung der Basisgesellschaft im Ausland, kommt entweder die Anwendung des § 42 AO oder der §§ 7 bis 14 AStG in Betracht.

10.28 Vom Tatbestand her greift § 42 AO dann ein, wenn der Steuerpflichtige5 eine unangemessene rechtliche Gestaltung wählt, die bei ihm oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt,6 Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts wählt, die ggü. den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen unangemessen, das heißt, durch keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe gerechtfertigt sind.7 Die Rechtsprechung hat hierzu in zahlreichen Entscheidungen den Tatbestand des § 42 AO8 vor allem dann als erfüllt angesehen, wenn für die 1 BFH v. 21.5.1971 – III R 125–127/70, BStBl. II 1971, 721 (sog. 1. Treuhandurteil); vgl. zur Kritik Flick/Wassermeyer, DB 1972, 110 ff.; Salditt, StuW 1972, 12 (27). 2 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553 (sog. 2. Treuhandurteil). 3 Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 96 ff. 4 Vgl. zum Ort der Geschäftsleitung Rz. 6.2 ff.; speziell zu Basisgesellschaften Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 80 ff. 5 § 42 AO findet auch auf beschränkt steuerpflichtige Personen Anwendung; BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 6 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen Drüen in T/K, vor § 42 AO Rz. 17 ff. 7 Aus der ab 2008 geltenden Neuregelung ergeben sich insoweit keine Änderungen. 8 Aus der ab 2008 geltenden Neuregelung ergeben sich insoweit keine Änderungen.

386

C. Systematische Einordnung

Errichtung von Auslandsgesellschaften wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird.1 Die Frage, ob für die Errichtung der Auslandsgesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen, beurteilt sich nach der Rechtsprechung nicht allein nach dem in dem Statut niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben der Gründer, sondern nach dem tatsächlichen Vollzug des Gesellschaftszwecks, so wie er nach außen in Erscheinung tritt.2 Es reichen damit nicht nur beachtliche wirtschaftliche Motive für die Errichtung einer Auslandsgesellschaft aus, vielmehr muss diese eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Beim Fehlen wirtschaftlicher Gründe für die Errichtung einer Auslandsgesellschaft werden von der Rechtsprechung als sonst beachtliche Gründe nur solche anerkannt, die sich auf die Wahl des Sitzes und der Rechtsform der Gesellschaft beziehen, soweit sich diese Wahl mit außersteuerlichen Gründen rechtfertigen lässt.3 Kann beides nur mit der Absicht der Steuerersparnis erklärt werden, fehlt es an sonst beachtlichen Gründen für die Errichtung der Auslandsgesellschaft.4 Die von der Rechtsprechung geforderte wirtschaftliche Betätigung ist bei einer eigenwirtschaftlich funktionslosen Basisgesellschaft nicht gegeben.5 Verlangt wird daher nicht mehr als das Halten von Beteiligungen oder das Halten und Verwalten von sonstigem Vermögen, so dass etwa entgeltliche Kapitalüberlassungen sowie Wertpapiergeschäfte ausreichen,6 wobei ein Outsourcing unschädlich ist.7 1 Aus der umfangreichen Rechtsprechung nur BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 268; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 2 Z.B. BFH v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401. 3 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265. 4 BFH v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; vgl. im Übrigen zum Abkommensmissssbrauch durch Zwischenschaltung von ausländischen Kapitalgesellschaften (treaty shopping) Rz. 16.127, 16.160 ff. 5 BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, I R 88/04, BStBl. II 2006, 118. 6 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 25.2.2004, BStBl. II 2005, 14; strenger noch die vorangegangene Rspr. z.B. BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513; v. 24.2.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 265; zu dieser Entwicklung in der Rspr. Gosch in FS Reiß, 597 (598 ff.). 7 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; einschränkend noch BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163, wonach darauf abgestellt wird, ob das Outsourcing seinerseits einer endgültigen Steuerersparnis dient und wirtschaftlich oder sonst beachtliche Gründe hierfür gegeben sind.

387

10.29

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.30 Was als missbräuchlich i.S. von § 42 AO anzusehen ist, ist letztlich eine Frage der Wertung. Hierbei sind die vom Gesetzgeber selbst gesetzten Wertungsmaßstäbe zu berücksichtigen. Derartige Wertungsmaßstäbe können wegen der vergleichbaren Zielsetzung den §§ 7 bis 14 AStG entnommen werden.1 Hier hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, niedrig besteuerte Auslandsgesellschaften anzuerkennen und die Einkünfte aus passivem Erwerb dieser Gesellschaften der Besteuerung zu unterwerfen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung ist auch für § 42 AO bindend. So wird etwa durch das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb nicht der Tatbestand des § 42 AO erfüllt.2

10.31 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zum Konkurrenzverhältnis des § 42 AO einerseits und der §§ 7 bis 14 AStG andererseits folgende Grundsätze aufgestellt:3 – Im Ausgangspunkt ist § 42 AO ggü. den §§ 7 bis 14 AStG logisch vorrangig, weil die Rechtsfolge des § 42 AO bereits bei der Einkünftezurechnung ansetzt und die Einkünfte von vornherein dem zurechnet, der sie bei unterstellter angemessener Gestaltung erzielt hätte. Demgegenüber behandeln die §§ 7 bis 14 AStG die (ausländische) Zwischengesellschaft als Einkünfteerzielungssubjekt, so dass ihr die von ihr erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb auch steuerlich zugerechnet werden und erst auf einer weiteren Stufe diese Einkünfte so besteuert werden, als hätte die Zwischengesellschaft die von ihr erzielten und ihr zugerechneten Einkünfte zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgeschüttet. – Der logische Vorrang des § 42 AO setzt voraus, dass dessen Tatbestandsmerkmale sämtlich erfüllt sind. Das ist nicht der Fall, wenn – die Hinzurechnungsbesteuerung, auf die Gesamtdauer der Gestaltung gesehen, eine höhere inländische Steuer auslöst4 oder – die Unangemessenheit der Gestaltung ausschließlich auf Tatumständen beruht, die nach § 8 AStG die Einkünfte einer Auslandsgesellschaft als Zwischeneinkünfte qualifizieren.5

1 Im Übrigen ist auch § 50d Abs. 3 EStG relevant; hierzu Gosch in FS Reiß, 597 (613 ff.); zu Einzelheiten Rz. 16.160 ff. 2 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 117/97, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.11.2000 – IV R 85/99, BStBl. II 2001, 122; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; hierzu Gosch in FS Reiß, 597 (602 f.). 3 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.11.2000 – IV R 85/99, BStBl. II 2001, 122; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 91 f.; Kraft, IStR 1993, 148 ff.; Gosch in FS Reiß, 597 (602 f.). 4 Vgl. BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 5 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029.

388

C. Systematische Einordnung

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass im Ergebnis § 42 AO durch die §§ 7 bis 14 AStG verdrängt wird, soweit über das Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb hinaus keine weiteren Umstände vorliegen, die die Einschaltung einer Auslandsgesellschaft als unangemessen – als Manipulation – erscheinen lassen. Das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb rechtfertigt daher, für sich genommen, keinen Missbrauchsvorwurf i.S. des § 42 AO. Die Anwendung des § 42 AO wird im Ergebnis auf sog. Briefkastengesellschaften ohne eigene Geschäftsräume und ohne eigenes Personal beschränkt und damit insoweit die Ausnahme sein.1

10.32

Dass die Anwendung des § 42 AO in dem hier interessierenden Zusammenhang die Ausnahme sein wird, ergibt sich auch auf Grund der Schrankenwirkung der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten.2 Gemessen hieran wird das Missbrauchsverdikt sich ggü. den Grundfreiheiten nur dann legitimieren können, wenn es sich um rein künstliche Konstruktionen handelt, bei denen die ökonomische Substanz fehlt.3 Im Hinblick darauf wird in EU-Staaten gegründeten Kapitalgesellschaften die steuerliche Anerkennung in aller Regel nicht versagt werden können.4 Damit gilt: Hat die Kapitalgesellschaft in dem anderen Land einen funktionserfüllten Ort der Geschäftsleitung,5 bleibt das Missbrauchsverdikt gem. § 42 AO von vornherein versagt.6 Die Grundfreiheiten entfalten indessen auch Schrankenwirkungen ggü. der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) mit der Folge, dass insbesondere eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt.7

10.33

4. Investmentfonds Literatur Kommentare zu § 7 Abs. 7 AStG; Dettmeier/Dörr, Geplante Änderungen der Unternehmensbesteuerung in den Regierungsentwürfen zum Richtlinien-Umsetzungsgesetz und EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz, BB 2004, 2383; Schnitger/Schachinger, Das Transparenzprinzip im Investmentsteuergesetz und seine Bedeutung

1 Hierzu Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, 73 (202 ff.); Kraft, IStR 1993, 148 (153); Gosch in FS Reiß, 597 (602, 604 f.). 2 EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829 f., Rz. 42; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 52; Vanistendael, EC Tax Revue 2006, 192 (194); Schön in FS Reiß, 571 (579). 3 Schön in FS Reiß, 571 (585). 4 Entsprechend EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459, Rz. 23 f.; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE, 2002, I-9919, Rz. 78 f.; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155, Rz. 95 f. 5 Zu den hierfür maßgeblichen Erfordernissen Rz. 6.2 f. 6 Hierzu Schön in FS Reiß, 571 (588 f.). 7 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995, Rz. 54; zu dem hierauf aufbauenden § 8 Abs. 2 AStG vgl. Rz. 10.133 ff.

389

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung für das Zusammenwirken mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, BB 2007, 801.

10.34 Erträge aus Anteilen an ausländischem Investmentvermögen gehören zu den steuerpflichtigen Einkünften, wenn es sich um auf diese Anteile ausgeschüttete oder um ausschüttungsgleiche Erträge sowie um Zwischengewinne handelt (§ 2 Abs. 1 InvStG). So weit das Investmentvermögen zugleich als Zwischengesellschaft gem. § 7 Abs. 1, 6 AStG zu qualifizieren ist, droht eine Doppelbesteuerung nach den Regeln des InvStG einerseits und denen der §§ 7 bis 14 AStG andererseits. Dieses auf Doppelbesteuerung gerichtete Konkurrenzverhältnis löst § 7 Abs. 7 AStG dahingehend auf, dass der Besteuerung nach dem InvStG Vorrang eingeräumt wird. Die steuerliche Erfassung etwaiger Hinzurechnungsbeträge des an dem Investmentvermögen beteiligten Steuerinländers unterbleibt somit.1 Die Hinzurechnungsbesteuerung tritt bereits dann zurück, wenn eine Besteuerung nach dem InvStG abstrakt eingreift, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Steuer tatsächlich festgesetzt oder gar bezahlt wurde.2

10.35 Die Hinzurechnungsbesteuerung tritt indessen dann nicht zurück, wenn die Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträge bei Anwendung von DBA von der inländischen Bemessungsgrundlage auszunehmen wären. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Anwendung der internationalen Schachtelprivilegien (Rz. 16.545 ff.) sowie um solche Fälle, in denen der unbeschränkt Steuerpflichtige in Folge Doppelansässigkeit in einem anderen Vertragsstaat als ansässig gilt3 (§ 7 Abs. 7 S. 2 Hs. 2 AStG). Durch diese Regelung soll eine Minderbesteuerung vermieden werden.

10.36 Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 AStG spielt in der Praxis für die wichtigen Fälle der Dividenden und der Beteiligungsveräußerungsgewinne deshalb keine große Rolle, weil diese zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 9 AStG) gehören, so dass insoweit von vornherein die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht erfüllt sind.4

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen I. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen 10.37 Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG kommt nur für unbeschränkt Steuerpflichtige in Betracht. Damit sind als Hinzurech1 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 245. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 245; Dettmeier/Dörr, BB 2004, 2383 (2386). 3 Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; zu Einzelheiten Rz. 16.202 ff. 4 Zu Einzelheiten Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 159 ff.; Schnitger/Schachinger, BB 2007, 801 ff.

390

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen

nungssubjekte sowohl natürliche als auch juristische Personen betroffen. Die unbeschränkte Steuerpflicht muss sowohl zum Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres1 als auch zum Zeitpunkt des Zuflusses des Hinzurechnungsbetrages gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG, also unmittelbar nach Ablauf des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft, gegeben sein.2 Von der Rechtsfolge her unterliegt damit der Hinzurechnungsbetrag in seiner durch § 10 Abs. 2 AStG gefundenen Qualifikation als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb entweder der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer. Gehören die Anteile an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen, fällt für den Hinzurechnungsbetrag gegebenenfalls auch Gewerbesteuer an.3 Zu dem Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zählen auch jene, die der erweiterten oder der fingierten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (§§ 1 Abs. 2, 3; 1a EStG; vgl. Rz. 5.37 ff., 5.40 ff.). Während für erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen § 5 AStG zur Anwendung kommt (Rz. 5.283 ff.), scheiden beschränkt steuerpflichtige Personen aus der Hinzurechnungsbesteuerung aus.4 Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen, ist die generelle Suspendierung der Hinzurechnungsbesteuerung für beschränkt steuerpflichtige Personen nicht gerechtfertigt. Denn auch beschränkt steuerpflichtige Personen können sich durch Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung abschirmen, sofern die Ausschüttungen aus diesen ausländischen Kapitalgesellschaften der beschränkten Steuerpflicht unterlägen. Damit sind vor allem jene Fälle angesprochen, in denen die Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften zu einem inländischen Betriebsvermögen (Betriebsstätte) des beschränkt Steuerpflichtigen gehören oder aber von einer inländischen Personengesellschaft gehalten werden, an der ein beschränkt Steuerpflichtiger beteiligt ist.

10.38

II. Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft 1. Ausländische Gesellschaft Voraussetzung für die Hinzurechnungsbesteuerung ist die Beteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer ausländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse. § 7 Abs. 1 AStG verweist insoweit auf § 1 Abs. 1 KStG, womit im Ergebnis jeder Rechtsträger erfasst werden soll, der weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und der 1 Zu bestimmen nach ausländischem Recht; hierzu Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 38. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 69. 3 Hierzu Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 9; zur überschießenden Wertungen in diesem Zusammenhang Rz. 10.200, 10.213. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 9.3; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 35.

391

10.39

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

körperschaftsteuerpflichtig wäre, wenn er Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hätte. Maßgeblich ist demnach das deutsche Steuerrecht,1 so dass darauf abzustellen ist, ob etwa die betreffende ausländische Gesellschaft sich nach Aufbau und wirtschaftlicher Bedeutung z.B. mit einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts vergleichen lässt.2 Schließlich werden auch nur solche ausländischen Rechtsträger durch § 7 Abs. 1 AStG erfasst, deren Einkünfte nicht gem. § 3 Abs. 1 KStG von der inländischen Körperschaftsteuer ausgenommen wären, wenn der Rechtsträger Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hätte.3 Nicht zu den ausländischen Gesellschaften gehören doppelt ansässige Gesellschaften, und zwar auch dann nicht, wenn sie gem. Art. 4 OECD-MA (Rz. 16.209) in dem anderen Vertragsstaat als ansässig gelten mit der Folge, dass im Grundsatz dieser allein besteuern darf, soweit nicht etwa in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten wird.4 2. Beteiligungsvoraussetzungen a) Grundsatz

10.40 Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG erfolgt eine Hinzurechnungsbesteuerung nur dann, wenn eine oder mehrere unbeschränkt steuerpflichtige Personen, gegebenenfalls mit erweitert beschränkt steuerpflichtigen Personen zusammen (§ 7 Abs. 2 AStG), zu mehr als der Hälfte an einer Zwischengesellschaft beteiligt sind. In diesem Fall sind die Einkünfte aus passivem Erwerb bei jedem der unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt. Für die Frage der Mehrheitsbeteiligung kommt es dabei nicht darauf an, ob diese in einer Hand ist. Es reicht vielmehr aus, dass die Mehrheitsbeteiligung kumulativ durch mehrere Beteiligungen erreicht wird. Nach § 7 Abs. 2 AStG ist eine Mehrheitsbeteiligung nicht nur gegeben, wenn den Steuerinländern mehr als die Hälfte der Anteile zustehen, sondern auch dann, wenn ihnen die Mehrheit der Stimmrechte zuzurechnen ist.

10.41 Zum Sondertatbestand des § 7 Abs. 6 AStG, der in den Fällen von Zwischengesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften keine inländische Beherrschung verlangt, s. unter Rz. 10.59 ff.

10.42 Während für die Frage, ob zugerechnet wird, die Mehrheit der Anteile oder der Stimmrechte maßgeblich ist, kommt es für die Frage, wie viel 1 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 10.2; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 12. 2 RFH v. 13.9.1929, RStBl. 1930, 44; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; zur Subjektqualifikation im Einzelnen Rz. 6.7. 3 Hierzu Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 44. 4 Zu entsprechenden (engen) Gestaltungsmöglichkeiten Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 42.

392

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen

zugerechnet wird, lediglich auf die Beteiligung am Nennkapital an. Erfolgt die Gewinnverteilung laut Gesellschaftsvertrag abweichend von dem Beteiligungsverhältnis am Nennkapital, so ist der abweichende Gewinnverteilungsschlüssel maßgeblich (§ 7 Abs. 5 AStG). Diese Bestimmung ermöglicht es u.a., verdeckte Gewinnausschüttungen, die außerhalb der Bilanz den Gewinn der ausländischen Gesellschaft erhöhen, dem jeweiligen Anteilseigner i.S. des § 7 Abs. 1 AStG hinzuzurechnen. § 7 Abs. 5 AStG kommt schließlich auch dann zur Anwendung, wenn der ausländische Rechtsträger über kein Nennkapital, an dem Personen beteiligt sind, verfügt. In diesem Fall löst die bloße Beteiligung am Gewinn die Hinzurechnungsfolge aus.1 Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur bei unmittelbarer Beteiligung ein. Ist die ausländische Gesellschaft, an der der unbeschränkt Steuerpflichtige unmittelbar beteiligt ist, an nachgeschalteten Zwischengesellschaften beteiligt, so werden deren Hinzurechnungseinkünfte gem. § 14 AStG zunächst der Obergesellschaft zugerechnet und unterliegen erst von dort aus der Hinzurechnungsbesteuerung. Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Obergesellschaft ihrerseits nicht Zwischengesellschaft ist.

10.43

b) Beherrschungsbeteiligung Während es für die Hinzurechnungsquote nach § 7 Abs. 1 AStG nur auf 10.44 die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital ankommt, so dass von der Hinzurechnungsbesteuerung nur die an der Zwischengesellschaft unmittelbar selbst beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen erfasst werden,2 ist für die nach § 7 Abs. 2 AStG geforderte Beherrschungsquote entscheidend, ob unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern allein oder zusammen mit erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern Anteile oder Stimmrechte an der Zwischengesellschaft zu mehr als der Hälfte zuzurechnen sind. Die Beherrschungsquote kann also entweder durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung (Beteiligungsquote) oder durch Innehaben von Stimmrechten (Stimmrechtsquote) vermittelt werden. Bei der Errechnung der Beteiligungsquote sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus enthält § 7 Abs. 3 und 4 AStG noch besondere Regelungen. Unter welchen Voraussetzungen eine Beteiligung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen zu mehr als der Hälfte an Zwischengesellschaften angenommen werden kann, ergibt sich aus § 7 Abs. 2 AStG. Die Legaldefinition des § 7 Abs. 2 AStG stellt darauf ab, ob unbeschränkt steuerpflichtige Personen allein oder zusammen mit Personen i.S. des § 2 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt sind. Wer Person i.S. von § 2 AStG ist, er1 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 93 ff. 2 Zur Besonderheit der nachgeschalteten Zwischengesellschaften Rz. 10.216 ff.

vgl.

393

10.45

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

gibt sich aus § 5 Abs. 1 AStG, wonach es sich hierbei um natürliche Personen handelt, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG erfüllen. Es handelt sich also um Personen, die fünf Jahre lang als Deutsche während eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Wegzug unbeschränkt steuerpflichtig waren und nunmehr in einem niedrig besteuerten Gebiet ansässig sind. Ob diese Personen die übrigen (sachlichen) Voraussetzungen des § 2 AStG erfüllen, ist ohne Belang.1

10.46

Die schrankenlose Einbeziehung von Personen, die die Grundtatbestandsvoraussetzungen der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht erfüllen, führt zu unsinnigen, weit über die Grundwertungen der Hinzurechnungsbesteuerung hinausgehenden Ergebnissen. Da die Qualifikation als Person i.S. des § 2 AStG keine zeitliche Limitierung erfährt, ist jede Person, die irgendwann einmal die in § 5 Abs. 1 AStG genannten Voraussetzungen erfüllt hat, lebenslänglich Person i.S. von § 2 AStG, wenn sie nicht in ein hoch besteuertes Gebiet umzieht. Sachgemäß ist indessen allein, die Einbeziehung derartiger Personen in die Beteiligungsquote auf die Dauer der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (höchstens elf Jahre) zu beschränken.2 Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion des § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG im vorgenannten Sinne geboten.

10.47 Bei der Frage, ob an der Zwischengesellschaft unbeschränkt steuerpflichtige Personen allein oder zusammen mit Personen i.S. von § 2 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt sind, ist auf die von den Gesellschaftern gehaltenen Anteile abzustellen. Eigene Anteile der ausländischen Gesellschaft sind daher bei der erforderlichen Beteiligungsquote nicht mitzurechnen, so dass eigene Anteile der Gesellschaft zugleich die für § 7 Abs. 2 AStG maßgeblichen Beteiligungsquoten der Gesellschafter erhöhen.3

10.48 Für die Berechnung der Beteiligungsquote sind die Beteiligungsverhältnisse am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft maßgebend. Durch die Veräußerung von Anteilen, etwa an ausländische Gesellschafter, kurz vor Ende des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft, kann daher die Hinzurechnungsbesteuerung mit Wirkung zum Beginn des Wirtschaftsjahres in vollem Umfange entfallen. Eine Aufteilung der Einkünfte zwischen Veräusserer und Erwerber erfolgt also nicht.4 § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG knüpft nicht nur an eine gesellschaftsrechtliche Betei1 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 43. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 44, 44a; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.2.1 Nr. 2a. 3 BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258; Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 68; BMF v. 14. 05. 2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.2.2. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 69, 70; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 73 ff.

394

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen

ligung an der Zwischengesellschaft an, sondern erhebt alternativ auch das Stimmrecht zum Maßstab für die Beherrschungsquote.1 Unter Stimmrecht ist dabei nur das mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verbundene und aus der Mitgliedschaft fließende Mitwirkungsrecht zu verstehen.2 Die nach § 7 Abs. 2 AStG erforderliche Stimmrechtsquote wird vor allem dann Bedeutung erlangen, wenn Anteile mit Mehrstimmrechten ausgestattet sind. Für die Berechnung der Beteiligungsquote und Stimmrechtsquote stellt § 7 Abs. 2 Satz 2 AStG auch auf mittelbare Beteiligungen ab. Die vermittelnde Beteiligung kann logisch nur eine solche an einer ausländischen Gesellschaft sein, weil unmittelbare Beteiligungen an einer Zwischengesellschaft schon unter § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG fallen.3 Damit sind alle mittelbar über andere ausländische Gesellschaften gehaltenen Beteiligungen und Stimmrechte anteilsmäßig mitzurechnen. Die vermittelnde ausländische Gesellschaft ihrerseits muss nicht inländisch beherrscht sein.4

10.49

§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG verlangt allerdings, dass über alle Stufen des Beteiligungsaufbaus die Inlandsbeherrschung durchgängig entweder nur durch Anteils- oder nur durch Stimmrechtszurechnung festgestellt wird. Die Inlandsbeherrschung kann sich daher auf der einen Stufe nicht durch Anteilszurechnung und auf der anderen Seite durch Stimmrechtszurechnung ergeben.5

10.50

Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über die Zurechnung von Beteiligungen, so dass etwa Beteiligungen des Treuhänders dem Treugeber und im Sicherungseigentum stehende Beteiligungen dem Sicherungsgeber zuzurechnen sind (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).6 Nießbrauchsbelastete Anteile sind dagegen nicht dem Nießbrauchsberechtigten, sondern dem

10.51

1 Bei mehreren Beteiligten darf also nicht bei den einen auf die Beteiligung und bei den anderen auf die Stimmrechte abgestellt werden; vgl. hierzu Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 92 ff. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 55 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 73; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 105; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.1.2; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 48; a.A. Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 83, der die Einbeziehung über inländische Gesellschaften gehaltener Beteiligungen erst bei der Hinzurechnung herausrechnen will. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 74; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 203; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 82; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 48; a.A. Lipps, Außensteuerrecht2, 120. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 66.1; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 51; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 204; Reiser/Goebel/Schmidt in W/S/G, § 7 AStG Rz. 58; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.2.1; Baumgärtel/Perlet, in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, 171 (186). 6 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 28 ff.; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 40 f.

395

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Anteilseigner zuzurechnen.1 Für die Zurechnung von Stimmrechten gelten entsprechende Grundsätze.2

10.52 Typische und atypische stille Beteiligungen sowie typische und atypische stille Unterbeteiligungen (§§ 230 ff. HGB) vermitteln keine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, so dass sie bei Errechnung der Beteiligungsquote ohne Belang sind.3 Entsprechendes gilt auch für die Errechnung der Stimmrechtsquote gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG.4 Partizipationsscheine, Gewinnscheine und Wandelanleihen vermitteln schließlich ebenfalls keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen.5

10.53 Kennt das ausländische Recht für die in Betracht kommende Zwischengesellschaft weder eine Beteiligung an der Gesellschaft noch ein Stimmrecht im Rahmen der Gesellschaft, so kommt es gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 AStG für die Ermittlung der Beteiligungsquote auf die Beteiligung des oder der Steuerinländer am Gesellschaftsvermögen an. Gibt es auch eine derartige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht, scheidet eine Hinzurechnungsbesteuerung von vornherein aus.6 Da die wichtigsten Körperschaften ohne Nennkapital, etwa Stiftungen, Trusts und Vereine, zumeist der Sonderregelung des § 15 AStG unterfallen, hat § 7 Abs. 2 Satz 3 AStG als Auffangnorm eine nur sehr geringe Bedeutung. c) Beteiligung über Personengesellschaften

10.54 § 7 Abs. 3 AStG enthält eine den § 7 Abs. 2 AStG ergänzende Regelung dahingehend, dass Beteiligungen über zwischengeschaltete Personengesellschaften stets als unmittelbare Beteiligungen an Zwischengesellschaften anzusehen sind. Diese Regelung gilt ebenso wie § 7 Abs. 2, 4 AStG nur für die Beherrschungsquote.7 Die Vorschrift hat nur in den Fällen konstitutive Wirkung, in denen ausländische Personengesellschaften nach dortigem Recht rechtsfähig sind. Insoweit sind insbesondere mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Personengesellschaften des romanischen Rechtskreises angesprochen.8 In den übrigen Fällen hat § 7 Abs. 3 AStG lediglich deklaratorische Wirkung, da § 7 Abs. 1 AStG konzeptionell Mitunternehmerschaften als den bloßen personenmäßigen 1 Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 22. 2 Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 59, 62; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 42 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 29, 30. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 60; zur Rechtslage bei atypisch stillen Gesellschaften und Unterbeteiligungen Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 31 f., 61. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG, Rz. 39, 12; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 61; a.A. zu Genussrechten i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 58. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 80, 93. 7 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 8 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 84.

396

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen

Zusammenschluss von Steuerpflichtigen auffasst, so dass nicht die Mitunternehmerschaften selbst, sondern die Mitunternehmer als beteiligungsfähig angesehen werden.1 § 7 Abs. 3 AStG ist vom Wortlaut her insoweit missglückt, als die dortige Regelung lediglich für unbeschränkt steuerpflichtige Personen, nicht aber ausdrücklich auch für Personen i.S. von § 2 AStG für anwendbar erklärt wird. Da § 7 Abs. 3 AStG indessen lediglich eine Komplementärfunktion zu § 7 Abs. 2 AStG hat, gelten die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift auch für § 7 Abs. 3 AStG, so dass auch erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in die Berechnung der maßgeblichen Beherrschungsquote einzubeziehen sind.2

10.55

d) Weisungsgebundenheit Gemäß § 7 Abs. 4 AStG sind dem unbeschränkt Steuerpflichtigen auch Anteile oder Stimmrechte von Personen zuzurechnen, die seinen Weisungen so zu folgen haben oder so folgen, dass ihnen kein eigener wesentlicher Entscheidungsspielraum verbleibt. Dieser Ergänzungstatbestand hat ausschließlich Bedeutung für die Beherrschungsquote, nicht aber für die Hinzurechnungsquote.3

10.56

Als weisungsgebundene Personen i.S. von § 7 Abs. 4 AStG können nur solche Personen verstanden werden, die wie ein Treuhänder Beteiligungen und Stimmrechte an ausländischen Gesellschaften halten, ohne deshalb Treuhänder im formellen bzw. vertraglichen Sinne zu werden. Im Falle der Treuhandschaft erfolgt nämlich bereits eine Zurechnung unmittelbar über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.4 § 7 Abs. 4 AStG erfasst daher lediglich ausländische weisungsgebundene Personen, weil inländische Personen bereits über ihre unmittelbare Beteiligung gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen sind.5 Eine Zurechnung über § 7 Abs. 4 AStG kommt nur dann in Betracht, wenn die Weisungsgebundenheit sich auf die Beteiligung bzw. auf die Ausübung der Stimmrechte bezieht. Eine Weisungsgebundenheit in anderen Bereichen, etwa bei der Geschäftsführung, ist ohne Bedeutung.6 Die Weisungsgebundenheit muss so gestaltet sein, dass der den Weisungen unterworfenen Person kein ei-

10.57

1 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 9.1, 27; Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 41. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 87.2.; a.A. Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 92. 3 BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258; Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 89; BMF v. 14. 05. 2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.4.3. 4 Zum Konkurrenzverhältnis Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 90.2; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, 140; Bellstedt, RIW/AWD 1979, 460 (462). 5 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 91.2; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 132; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 97; a.A. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 222. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 91.3; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.4.3.

397

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

gener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Es spielt keine Rolle, ob die Weisungsgebundenheit eine vertragliche Grundlage hat oder aber nur faktischer Natur ist.

10.58 Die Reichweite des § 7 Abs. 4 AStG ist ferner insoweit eingeschränkt, als die Zurechnung von Anteilen oder Stimmrechten weisungsgebundener Personen nur für unbeschränkt steuerpflichtige Personen angeordnet wird. Personen i.S. des § 2 AStG sind nicht genannt. Das bedeutet, dass der Weisungsgeber stets unbeschränkt steuerpflichtig sein muss.1 e) Beteiligungsvoraussetzungen bei Kapitalanlageeinkünften

10.59 § 7 Abs. 6, 6a AStG enthält abweichend von § 7 Abs. 1 AStG hinsichtlich der Beteiligungsvoraussetzungen eine Sonderregelung für Zwischengesellschaften, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielen. Betragen die den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegenden Bruttoerträge mehr als 10 Prozent aber nicht mehr als 90 Prozent der gesamten Bruttoerträge2 der ausländischen Zwischengesellschaft oder übersteigen die hiernach außer Ansatz zu lassenden Beträge insgesamt Euro 80 000, so erfolgt insoweit eine Hinzurechnung zum unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner, wenn dieser mindestens zu 1 Prozent an der Zwischengesellschaft beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 u. 2 AStG). Betragen die den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegenden Bruttoerträge mehr als 90 Prozent3 der gesamten Bruttoerträge der vorgenannten Art, so löst auch eine Beteiligung von weniger als 1 Prozent die Hinzurechnungsfolge aus, es sei denn, die ausländische Gesellschaft ist börsennotiert (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG).

10.60 Im Hinblick auf die gem. § 7 Abs. 6 AStG im Vergleich zu § 7 Abs. 1 AStG niedriger angesetzte Mindestbeteiligungsquote ergibt sich, dass § 7 Abs. 6 AStG insoweit dem § 7 Abs. 1 AStG vorgeht. Das gilt aber nur solange, wie der unbeschränkt Steuerpflichtige nicht allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 2 AStG) zu mehr als der Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Wird diese Beherrschungsquote erreicht, überlagert § 7 Abs. 1 AStG den § 7 Abs. 6 AStG, so dass dessen Rechtsfolge ihre eigenständige Bedeutung verliert.4

10.61 Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind gem. § 7 Abs. 6a Satz 2 AStG Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus 1 Zu den möglichen Motiven des Gesetzgebers für diese einschränkende Regelung Mössner in B/K/L/M/R, § 7 AStG Rz. 69. 2 Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer, vgl. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 9.0.1; zu Einzelheiten Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 120 f. 3 Ausschließlich oder fast ausschließlich; vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 76.1. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 108; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 53.

398

D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen

dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass sie aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient.1 Als Einkünfteerzielungssubjekt ist in § 7 Abs. 6a AStG ebenso wie in § 7 Abs. 6 AStG die (ausländische) Zwischengesellschaft bezeichnet. Da beide Vorschriften keine eigenständige Definition der Zwischengesellschaft enthalten, gilt § 7 Abs. 1 AStG, wonach Zwischengesellschaft eine ausländische Gesellschaft mit niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb ist. Hieraus folgt, dass die in § 7 Abs. 6a AStG angesprochenen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ebenfalls stets niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb sind. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter können daher nur solche Einkünfte sein, die nicht unter den Katalog des § 8 Abs. 1 oder 2 AStG fallen.2

10.62

Von den Einkünften mit Kapitalanlagecharakter werden typischerweise die Einkünfte von Finanzdienstleistungsgesellschaften erfasst.3 Ausgenommen sind allerdings die in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Gewinnausschüttungen und Beteiligungsveräußerungsgewinne, die ohnehin nicht zu den Einkünften aus passivem Erwerb gehören.4 Im Übrigen werden solche Einkünfte ausgenommen, die funktional mit einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen (aktiven) Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft stehen. Da insoweit wegen der geltenden funktionalen Betrachtungsweise (Rz. 10.75 f.) Einkünfte aus aktiver Tätigkeit gegeben sind, wirkt diese Ausnahmeregelung ebenfalls nur deklaratorisch.5 Ebenso klarstellend ist der Hinweis auf Investmentgeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG), die nur dann Einkünfte aus passivem Erwerb sind, wenn sie (ausnahmsweise) nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG fallen.6

10.63

f) Beteiligungsvoraussetzungen bei Einkünften aus einer REIT-AG Ist die ausländische Gesellschaft (Zwischengesellschaft) an einer REITAG (Real Estate Investment Trust-AG) beteiligt, werden die Rechtsfolgen einer Hinzurechnungsbesteuerung auch dann ausgelöst, wenn bei der Zwischengesellschaft die Beteiligungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG nicht erfüllt sind (§ 7 Abs. 8 AStG). Damit soll die Hinzurechnungsbesteuerung auch in den Fällen sichergestellt werden, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige Anteile an einer REIT-AG über eine auslän1 Ausnahme: Tätigkeiten i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 188; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 48, § 10 AStG Rz. 78. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 195 ff. 4 Die Ausnahme wirkt insoweit nur deklaratorisch. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 207. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 209 f.

399

10.64

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

dische Zwischengesellschaft halten, ohne dass es auf eine irgendwie geartete Beherrschungsquote ankommt.1 Anderenfalls käme es im Hinblick auf die Steuerbefreiung der REIT-AG (§ 16 REITG) zu ungerechtfertigten Steuervorteilen.2 Unerheblich ist daher, ob unbeschränkt Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen, mehr als 50 Prozent der Anteile oder der Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür, ob überhaupt eine Beteiligung gegeben ist, ist stets das Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres (§ 7 Abs. 2 AStG),3 wobei allerdings nur eine Beteiligung an der Zwischengesellschaft relevant ist.4 Von der Reichweite des § 7 Abs. 8 AStG werden nur Beteiligungen an einer unbeschränkt Steuerpflichtigen REIT-AG erfasst, die gem. § 16 REITG steuerfrei ist. Aus § 7 Abs. 8 AStG ergibt sich zwar nicht das Erfordernis einer Mindestbeteiligungsquote, diese leitet sich aber aus § 14 Abs. 2 AStG ab, so dass im Ergebnis eine unmittelbare und/oder mittelbare Beteiligung der Zwischengesellschaft an der REIT-AG von mehr als 50 Prozent gegeben sein muss.5

10.65 Ist die ausländische Gesellschaft (Zwischengesellschaft) indessen börsennotiert, gelten die allgemeinen Beteiligungsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 2, 6 AStG.

10.66 Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 AStG ist von vorneherein dadurch eingeschränkt, dass im Regelfall die ausländische Gesellschaft über ihre Beteiligung an der REIT-AG Dividenden erzielt, die als Gewinnausschüttungen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren sind. Einkünfte aus passivem Erwerb werden daher allenfalls im Zusammenhang von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG vorliegen.6

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen I. Allgemeines 10.67 Während § 7 AStG den Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung enthält und zugleich die persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreibt, bestimmt § 8 AStG im Einzelnen, für welche Einkünfte eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, welche Einkünfte also überhaupt der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen (Hinzurech1 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 251, 254; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG Rz. 5. 2 Vgl. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 461 f. 3 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG Rz. 5. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 255. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 255; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 178; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 34. 6 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG Rz. 11.

400

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

nungsobjekt). Insoweit sind die an die ausländische Gesellschaft anknüpfenden sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen betroffen. Es geht um die Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 AStG) als erste und die Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) als zweite sachliche Tatbestandsvoraussetzung. Beide sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen dienen der Definition der Zwischengesellschaft, die als ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt, die einer niedrigen Besteuerung im Sitzstaat unterliegen. Nach der Grundentscheidung des § 8 AStG muss daher die Aufschubbzw. Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung dann hingenommen werden, wenn die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erzielt oder keiner niedrigen Besteuerung unterliegt.

10.68

Mit der Umschreibung der Einkünfte aus passivem Erwerb in § 8 Abs. 1 AStG hat der Gesetzgeber zugleich eine über die Hinzurechnungsbesteuerung hinausgehende Wertung vorgenommen. Diese Wertung ist insbesondere für die Anwendung von § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) im Zusammenhang mit Basisgesellschaften von Bedeutung. Abgesehen von dem ohnehin bedeutsamen Konkurrenzverhältnis zwischen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) einerseits und der „Missbrauchsbesteuerung“ (§ 42 AO) andererseits,1 kann eine Basisgesellschaft unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO grundsätzlich nicht angenommen werden, wenn sie Einkünfte aus aktiver Tätigkeit i.S. von § 8 Abs. 1 AStG erzielt.2

10.69

Während § 7 Abs. 1 AStG davon ausgeht, dass „die Einkünfte, für die die- 10.70 se Gesellschaft Zwischengesellschaft ist“, bei den Steuerinländern steuerpflichtig sind, umschreibt § 8 Abs. 1 AStG zugleich das Steuerobjekt der Hinzurechnungsbesteuerung. Steuerobjekt sind danach die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb. Auf der Rechtsfolgenseite werden diese Einkünfte auf einer ersten Stufe gem. § 7 Abs. 1 AStG als eigene Einkünfte der unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner behandelt und auf einer zweiten Stufe sodann in ausgeschüttete Dividendenerträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Gewerbebetrieb umqualifiziert (§ 10 Abs. 2 AStG). Sind nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 AStG Einkünfte aus passivem Erwerb gegeben, eröffnet § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit eines Gegenbeweises dahingehend, dass eine EU-/EWR-Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht mit der Folge, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung ausscheidet. Diese aus europarechtlichen Gründen3 gebotene Sonderregelung gewährleistet, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung 1 Vgl. zu dem Konkurrenzverhältnis Rz. 10.31 ff. 2 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; zu Einzelheiten Gosch in FS Reiß, 597 ff. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, EuGH-E 2006, I-7995.

401

10.71

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

auch dann unterbleibt, wenn die Voraussetzungen von § 8 Abs.l AStG gegeben sind.1

II. Einkünfte aus passivem Erwerb Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 1 AStG; Bellstedt, Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften nach dem Außensteuergesetz-Entwurf, FR 1972, 242; Bialek/ Grillet, Captive-Versicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Bruckmeier/Zwirner/Künkele, Die Behandlung eigener Anteile – Das BilMoG kürzt das Steuersubstrat und fördert Investitionen in eigene Aktien, DStR 2010, 1640; Diehl, Ausgewählte Fragen zur Anwendung des deutschen Außensteuergesetzes, in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 59; Förster/Schmidtmann, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem BilMoG, BB 2009, 1342; Haase, Der Wechsel zwischen aktiven und passiven Tätigkeiten in § 8 Abs. 1 AStG, IStR 2009, 24; Haase, Ungereimtheiten der sog. Mitwirkungstatbestände des Außensteuergesetzes, IStR 2007, 437; Herzig/Briesemeister, Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz nach BilMoG – Unvermeidbare Abweichungen und Gestaltungsspielräume, WPg 2010, 63; Hollatz/Moebus, Ausländische Finanzierungsgeschäfte im Spiegel der Zugriffsbesteuerung, DB 1979, 959; Hollatz/Moebus, Steuerliche Beurteilung von Finanzierungsgeschäften im Ausland, DB 1978, 605; Kamphaus/Weihmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei Auslandsumwandlungen – ein Leitfaden für die steuerliche Praxis, Ubg 2009, 502; Köhler, Verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen bei ausländischen Zwischengesellschaften, RIW 1989, 466; Kraft/ Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuergesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427; Mutter, Internationale Gestaltungen mit Werkverträgen als Handelstätigkeit im Sinne des Außensteuergesetzes, IStR 2006, 262; Parczyk, Was bedeutet „eingerichteter Geschäftsbetrieb“ und „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ in § 8 Abs. 1 des Außensteuergesetzes?, BB 1973, 1158; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496; Runge, Anm. zum BMF-Schreiben v. 10.1.1977, DB 1977, 145; Scheidle, Die funktionale Betrachtungsweise des AStG in der Bewährungsprobe, IStR 2007, 287; Schießl, Hinzurechnungsbesteuerung bei Umwandlungen am Beispiel der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft, DStZ 2009, 207; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei internationalen Umwandlungen-Neuregelungen durch das SEStEG, IStR 2007, 229; Schnitger, Ausländische Umwandlungen – Fragen im Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG; Schnitger/Rometzki, Ausländische Umwandlungen und ihre Folgen beim inländischen Anteilseigner – Problemfelder vor und nach dem Entwurf des SEStEG, FR 2006, 845; Schönfeld, Probleme der Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG (Anteilsveräußerungsgewinne und -verluste) in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, IStR 2008, 392; Wassermeyer, 25 Jahre Außensteuergesetz, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1057.

1 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 421.

402

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

1. Einkünftezurechnung Für die Zurechnung von Tätigkeiten und damit zugleich auch von Einkünften zu ausländischen Gesellschaften gelten auch für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 AStG die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätze.1 Für die den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zugrunde liegenden insbesondere in § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AStG genannten Tätigkeiten folgt hieraus: Den Einkünftetatbestand verwirklicht derjenige, der persönlich selbständig, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig ist.2 Insoweit kommt es darauf an, wer das Unternehmerrisiko trägt, für wessen Rechnung die Tätigkeit ausgeübt wird.3 Übt daher ein fremder Dritter für Rechnung der ausländischen Gesellschaft eine aktive Tätigkeit aus, erzielt diese insoweit Einkünfte aus aktiver Tätigkeit.4

10.72

Eine derartige Zurechnung von Tätigkeiten und in deren Gefolge auch von Einkünften wird auch mittels einer mitunternehmerischen Beteiligung der ausländischen Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft ausgelöst.5 Erzielt also eine nachgeschaltete Personengesellschaft Einkünfte aus in § 8 Abs. 1 AStG bezeichneter aktiver Tätigkeit, so sind diese über § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG der beteiligten ausländischen Kapitalgesellschaft nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen.6

10.73

Eine Zurechnung erfolgt schließlich auch aufgrund eines Organschaftsverhältnisses, soweit die ausländische Gesellschaft Organträgerin oder an einer Personengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits als Organträgerin fungiert.7 2. Einkünftequalifikation § 8 Abs. 1 AStG enthält nicht etwa einen Katalog der Einkünfte aus passivem Erwerb, sondern einen numerus clausus der Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Alle nicht ausdrücklich als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit genannten Einkünfte sind also demnach solche aus passivem Erwerb. Dieser Umkehrschluss gilt allerdings nur insoweit, als es sich um Einkünfte handelt, die unter die sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes fallen. Der Einkünftekatalog des § 8 AStG geht nämlich nicht über 1 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118. 2 BFH v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 13.2.1980 – I R 17/78, BStBl. II 1980, 303. 3 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222, v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118. 4 BFH v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.0.1. 5 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049. 6 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 42; Haun/Kahle/Goebel/Cortez in W/S/G, § 8 AStG Rz. 9; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.0.4. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 43, 329.

403

10.74

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

den Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG hinaus.1 Beide Einkünftekataloge sind deckungsgleich. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die in § 8 AStG aufgeführten Einkünfte einer anderen Differenzierung unterworfen sind.

10.75 Diese Differenzierung ist unterhalb des Begriffs der Einkünfte angesiedelt mit der Folge, dass eine ausländische Gesellschaft nicht stets einheitliche Einkünfte aus nur einer Einkunftsart bezieht.2 Soweit ausländische Gesellschaften im Rahmen ihrer unternehmerischen Aktivitäten mehrere der in § 8 Abs. 1 AStG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, sind diese, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, derjenigen Tätigkeit zuzuordnen, die das Gepräge gibt.3 Hieraus folgt, dass für die Einkünftequalifikation des § 8 Abs. 1 AStG eine funktionale Betrachtungsweise geboten ist.4 Aufgrund dieser funktionalen Betrachtungsweise sind insbesondere Einkünfte aus Nebentätigkeiten denen der Haupttätigkeit zuzuordnen. So gehören etwa Zinserträge für die Anlage von Kapital eines Produktionsunternehmens, z.B. für spätere Investitionen, sowie Zinserträge für die Stundung von Forderungen aus der Lieferung von Produktionsgütern zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG, obwohl Zinserträge, isoliert betrachtet, zu den Einkünften aus passivem Erwerb zählen. Schließlich zählen auch Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen zu den aus der betreffenden Haupttätigkeit erzielten Einkünften.5 Die funktionale Betrachtungsweise verlangt damit stets eine Zuordnung von Neben-, Folge- und Hilfstätigkeiten zu einer bestimmten Haupttätigkeit der betreffenden ausländischen Gesellschaft. Eine rechtsträgerübergreifende funktionale Betrachtungsweise ist allerdings nicht möglich.6 Aufgrund dieser Zuordnung wird zugleich das sich in § 8 Abs. 1 AStG ergebende dort aber nicht geregelte Konkurrenzverhältnis der einzelnen Tätigkeitsmerkmale bestimmt.

10.76 Soweit nach den vorgenannten Gesichtspunkten Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen als Nebenerträge zu qualifizieren sind, ergibt sich ein Problem des Zeitbezuges. Unklar ist nämlich, auf welchen Zeitraum bei der Frage abzustellen ist, ob die Nebenerträge Einkünften aus aktiver Tätigkeit oder Einkünften aus passivem Erwerb zuzurechnen sind. Im Zweifel kommt es hierbei in Orientierung an das allgemeine Veranlagungszeitraumprinzip auf das laufende Wirtschaftsjahr an. Wird 1 BFH v. 21.1.1998 – I R 3/96, BStBl. II 1998, 468; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 7, 10. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 32 f. 3 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.0.2. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 31 ff.; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 15; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 10; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 91; Haun/Kahle/Goebel/Cortez in W/S/G, § 8 AStG S. 120/1; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.0.2. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 36. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 39; vgl. allerdings § 14 Abs. 1 AStG; hierzu Rz. 10.232.

404

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

zu Beginn des Wirtschaftsjahres veräußert, ist allerdings auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr abzustellen.1 § 8 AStG erfasst sowohl ausländische als auch inländische Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft. Im Hinblick auf die Grundwertung der Hinzurechnungsbesteuerung – Beseitigung der Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung – ist die Erfassung auch von inländischen Einkünften nicht gerechtfertigt, weil diese Einkünfte bereits der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht und der Gewerbesteuer im Inland unterliegen und damit der deutschen Besteuerung nicht vorenthalten werden.2 Zwar ist gem. § 12 Abs. 1 AStG eine Steueranrechnung möglich, diese erfasst allerdings nicht die Gewerbesteuer, so dass es insoweit zu einer Doppelbelastung kommt.3 Daher ist ein Erlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten, sofern die Steuerbelastung durch die Hinzurechnungsbesteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner und bei beschränkter Steuerpflicht der ausländischen Kapitalgesellschaft insgesamt höher ist als die Steuerbelastung der inländischen Einkünfte im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht beim inländischen Anteilseigner bei Vollausschüttung.

10.77

Eine weitergehende Differenzierung enthält § 7 Abs. 6a AStG für sog. Kapitalanlageeinkünfte, die im Ergebnis einer verschärften Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen sind (Rz. 10.61).

10.78

3. Einkünftekatalog a) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, zu denen auch die Einkünfte aus der Veräußerung des dafür eingesetzten Vermögens zählen,4 sind stets Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, so dass diese von vornherein aus der Hinzurechnungsbesteuerung ausscheiden. Da § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG keinen eigenständigen Begriff der Land- und Forstwirtschaft enthält, gelten im Einzelnen die Regelungen der §§ 13 und 14 EStG. Im Hinblick darauf sind auch die zu den §§ 13 und 15 EStG entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft einerseits und Einkünften aus Gewerbebetrieb andererseits von Bedeutung.5

10.79

b) Einkünfte aus industrieller Tätigkeit Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG sind die Einkünfte aus der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, der Erzeugung von 1 Auf einen Zwei- bis Fünf-Jahres-Zeitraum abstellend Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 17; ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 20. 2 Hierzu Köhler, RIW 1989, 466 ff. 3 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 43; Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, 469 ff.; Rödder, IStR 2009, 873 ff.; hierzu auch Rz. 10.135. 4 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.1. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 54; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 19; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 16; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 10 f.; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 74.

405

10.80

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Energie sowie dem Aufsuchen und der Gewinnung von Bodenschätzen uneingeschränkt Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, für die eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht in Betracht kommt. Voraussetzung ist, dass die vorbezeichneten Tätigkeiten entweder von der ausländischen Gesellschaft tatsächlich selbst ausgeübt werden oder aber ihr als eigene Tätigkeiten zugerechnet werden können, so dass etwa eine anderweitig vergebene Auftragsproduktion unschädlich ist, solange die ausländische Gesellschaft als Auftraggeberin das Herstellerrisiko trägt und den Herstellungsprozess beherrscht.1

10.81 Was die Herstellung, Verarbeitung und Bearbeitung sowie die Montage von Sachen anbelangt, so ist damit fast das gesamte Spektrum industrieller Tätigkeit erfasst. Indessen reicht nicht jede beliebige Be- oder Verarbeitung aus: Es muss ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstehen, so dass bloßes Kennzeichnen, Umpacken, Umfüllen, Sortieren sowie das Zusammenstellen erworbener Gegenstände zu Sachgesamtheiten nicht ausreicht.2 Aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise zählen zu diesen Einkünften auch die Einkünfte aus der Veräußerung der hergestellten Produkte als Einkünfte aus einer Folgetätigkeit und von Anlagevermögen als Einkünfte aus einer Hilfstätigkeit.3 c) Einkünfte aus Bank- und Versicherungsgeschäften

10.82 Einkünfte aus dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen sind im Grundsatz Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, soweit für diese Geschäfte ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb unterhalten wird.

10.83 Da § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG den Begriff des Kreditinstituts als gegeben vorausgesetzt, kann die Begriffsbestimmung im Kreditwesengesetz (KWG)4 herangezogen werden. Nach § 1 Abs. 1 KWG sind danach Kreditinstitute Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Damit ist der Begriff des eingerichteten Geschäftsbetriebs in der zweiten Alternative bereits begriffsimmanent. § 1 KWG enthält zwar einen Katalog von Bankgeschäften, der aber für Zwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG nicht als abschließend anzusehen ist, weil die öffentlich-rechtliche Ordnungsfunktion des Kreditwesengesetzes nur für inländische Kreditinstitute maßgeblich ist.5 Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 46; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 25. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 71; Haum/Kahle/Goebel/Cortez in W/S/G, § 8 AStG Rz. 63; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.2.2. 3 Zu weiteren Neben-, Folge- und Hilfstätigkeiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 78. 4 KWG v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2776. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 87; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 19; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 29; FG Baden-Württemberg v. 27.7.1995 – 6 K 216/88, EFG 1996, 350.

406

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

AStG geht es aber allein um die Tätigkeiten ausländischer Kreditinstitute, so dass hierunter alle Geschäfte fallen, die Kreditinstitute in den betreffenden Ländern üblicherweise erledigen. Im Hinblick darauf gehören hierzu alle Geschäfte, die über die Bankgeschäfte hinaus betrieben werden dürfen.1 Demnach können hierunter neben dem klassischen Kreditgeschäft auch Factoring-,2 Fortfaitierung3 und Leasinggeschäfte,4 Investmentgeschäfte sowie Wertpapiergeschäfte für eigene Rechnung und Inkassogeschäfte und darüber hinaus im Rahmen der funktionalen Betrachtungsweise auch weitere Geschäfte fallen, die etwa der Anlage eigenen Kaptitals dienen5 Neben den Einkünften aus dem Betrieb von Kreditinstituten sind auch die Einkünfte aus dem Betrieb von Versicherungsunternehmen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Was ein Versicherungsunternehmen i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ist, lässt sich unmittelbar weder dem Gesetz selbst noch anderweitigen gesetzlichen Regelungen entnehmen.6 Aus dem Versicherungsgeschäft ableitend, so wie es sich tatsächlich darstellt, kann als Versicherungsunternehmen ein Unternehmen bezeichnet werden, das dem Versicherungsnehmer eine Vermögensleistung für den Eintritt eines bestimmten Versicherungsfalles gegen Zahlung einer Prämie als vertragliches Entgelt verspricht. Typisch für die sich in der Praxis tatsächlich darstellenden Versicherungsgeschäfte ist ein Risikoausgleich nach dem Gesetz der großen Zahl. Daher kann von dem „Betrieb eines Versicherungsunternehmens“ keine Rede sein bei konzerneigenen Versicherungsgesellschaften – captives7 –, soweit sich deren Funktion darin erschöpft, lediglich einen Risikoausgleich innerhalb des Konzerns herbeizuführen.8 Zu den Versicherungsgeschäften zählen ebenfalls nicht die bloße Selbst1 In Orientierung an § 1 KWG gehören hierzu auch die Geschäfte, die von Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen betrieben werden. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 Rz. 93; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 140 ff.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 900; einschränkend BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.3, wonach der Forderungserwerb ausschließlich oder überwiegend von verbundenen Unternehmen nicht ausreichen soll. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 93.1; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 144. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 94; differenzierend BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.6.4. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 91, 103; Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427 ff.; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.4. 6 Das HGB und das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 17.12.1992 – VAG – (BGBl. I 1993, 2) enthalten keine Legaldefinition. 7 Zur steuerrechtlichen Behandlung von captives Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1126 ff.; Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 ff. 8 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 98; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 31; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 35; Runge, DB 1977, 145; im Ergebnis ebenso BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.6; die vorbezeichnete Einschränkung ergibt sich auch aus § 8 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 AStG.

407

10.84

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

versicherung und die Tätigkeit als Versicherungsmakler.1 Über die typischen Versicherungsgeschäfte2 hinaus gehört auf Grund der insoweit geltenden funktionalen Betrachtungsweise auch die unter dem Gesichtspunkt der Risikotrennung gebotene versicherungsübliche Kapitalanlage zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens.3

10.85 Voraussetzung dafür, dass die Einkünfte aus dem Betrieb von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit darstellen, ist, dass für die vorgenannten Geschäfte ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb unterhalten wird.4

10.86 Werden die Geschäfte5 überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, oder mit diesen Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Personen betrieben (konzerninterne Geschäfte), so sind die Einkünfte dagegen wiederum solche aus passivem Erwerb. Schädlich sind allerdings nur Geschäfte mit unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Personen an der Gesellschaft beteiligt sind. Geschäfte mit nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern sind daher unschädlich, soweit diese nicht dem vorgenannten Personenkreis i.S. von § 1 Abs. 2 AStG nahe stehen.6

10.87 Voraussetzung für die Ausnahmeregelung ist, dass die Bank- und Versicherungsgeschäfte überwiegend mit dem zuvor genannten Personenkreis betrieben werden. Obwohl das Gesetz an anderer Stelle sich der Formulierung „mehr als die Hälfte“ (vgl. § 7 Abs. 2 AStG) bedient, ist der Begriff „überwiegend“ im gleichen Sinne zu verstehen.7 Unklar ist, worauf sich das „überwiegend“ bezieht, ob etwa auf die Zahl der abgeschlossenen Geschäfte, auf den Gewinn oder auf den Umsatz.8 Irgendwelche Anhaltspunkte liefert das Gesetz nicht. Da der Umsatz eine objektiv zuverlässige Maßgröße ist, erscheint es sachgerecht, hierauf abzustellen.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Hier kommt ggf. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG in Betracht. Vgl. hierzu die Aufzählung bei Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 97. BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.4. Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 99 ff.; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 23; Parczyk, BB 1973, 1158. Sowohl Aktiv- als auch Passivgeschäfte. Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 107; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 32; BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.5. Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 38; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 27; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 109; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 32; BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.5. Im Sinne von Summe der abgeschlossenen Aktiv- und Passivgeschäfte. Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 110; dagegen auf Umsatz, Gewinn und Anzahl gleichermaßen abstellend Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 27; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 37; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 206; Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427 (431).

408

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

d) Einkünfte aus Handelstätigkeit Einkünfte aus Handelstätigkeit sind zwar grundsätzlich solche aus aktiver Tätigkeit, § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG ist aber mit mehreren auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelten Ausnahmeregelungen durchsetzt mit der Folge, dass im Ergebnis lediglich eigenständig operierende Handelsgesellschaften mit weit verzweigtem Kundennetz i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG aktiv tätig sind.

10.88

Handelstätigkeit umfasst die Anschaffung und Weiterveräußerung von Sachen (Waren), soweit diese ohne die Marktgängigkeit verändernde Be- oder Verarbeitung weiter veräußert werden. Aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG lässt sich schließen, dass lediglich bewegliche Sachen, nicht aber unbewegliche Sachen, insbesondere nicht Rechte, Gegenstand der hier angesprochenen Handelstätigkeit sein können.1 Andernfalls wäre nicht verständlich, aus welchen Gründen nur beim Handel mit Gütern oder Waren, also nur bei beweglichen Sachen, Einkünfte aus passivem Erwerb vorgesehen sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG).2

10.89

In § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG werden die Tätigkeiten von Vertriebsgesellschaften (Nr. 4 Buchst. a) und von Einkaufsgesellschaften (Nr. 4 Buchst. b) auf einer ersten Stufe aus den aktiven Handelstätigkeiten ausgenommen, soweit Handelspartner unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter3 oder diesen nahe stehende Personen sind. Schädlich ist die Einschaltung einer ausländischen Vertriebsgesellschaft nur dann, wenn die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern oder Waren von dem vorstehend genannten Personenkreis der ausländischen Gesellschaft verschafft wird. Unschädlich ist es daher, wenn eine beschränkt steuerpflichtige Person, die einer an der ausländischen Vertriebsgesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht nahe steht, Waren aus dem Inland an die ausländische Vertriebsgesellschaft liefert.4 Da es alleine auf die Verschaffung der Verfügungsmacht ankommt, werden Lieferungen im Ausland ohne Inlandsberührung und Lieferungen im Inland ohne Auslandsberührung gleichermaßen erfasst.5

10.90

Die für Einkaufsgesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AStG) geltende Ausnahmevorschrift, die zu Einkünften aus passivem Erwerb führt, greift

10.91

1 Haun/Kahle/Goebel/Cortez in W/S/G, § 8 AStG Rz. 86; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.4.1.1; a.A. BFH v. 29.11.2000 – I R 87/99, IStR 2001, 185 mit Anm. F.W.; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 116; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 38; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 75; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 45; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 38. 2 Aus diesem Grunde wollen Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 118 und Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 32, § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG auch auf den Handel mit Grundstücken und Rechten ausdehnen. 3 Erweitert beschränkt Steuerpflichtige werden also nicht erfasst, Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 126; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 38. 4 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 6.12.1995 – I R 40/95, IStR 1996, 340 mit Anm. F.W.; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 128. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 73; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 238.

409

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

ein, wenn diese einem an der Zwischengesellschaft beteiligten Steuerinländer oder einer ihm nahe stehende Person die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern oder Waren verschafft.

10.92

Es erfolgt zum Zwecke der Hinzurechnung auch keine quotale Begrenzung dieser Einkünfte auf die Beteiligung des liefernden oder die Lieferung empfangenden Steuerinländers. Da die Lieferung von den und an die den inländischen Beteiligten nahe stehenden Personen ebenfalls schädlich ist, wird bei einem weit verzweigten Beteiligungsnetz die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes und damit die Besteuerung selbst nicht mehr vorhersehbar. Schließlich geht der Tatbestand auch über die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich die Beseitigung der Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung, hinaus. Gerechtfertigt ist die Hinzurechnungsbesteuerung nämlich nur für jene Inlandsbeteiligten, die selbst oder durch nahe stehende Personen an die Zwischengesellschaft liefern. Es ist daher ggf. ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.1

10.93 Trotz Einschaltung einer Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft sind Einkünfte aus aktiver Handelstätigkeit anzunehmen, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft für die Lieferung von Waren und Gütern der Allgemeinheit als Geschäftspartner zur Verfügung steht, also einen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält. Hierbei genügt es, wenn sich die Einkaufsgesellschaft nur beim Einkauf und die Vertriebsgesellschaft nur beim Verkauf an eine unbestimmte Anzahl von Personen wendet.2 Dass die ausländische Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft tatsächlich aber nur mit einem Geschäftspartner, etwa mit einer Konzerngesellschaft, kontrahiert, spielt keine Rolle, solange die Begrenzung dieser Handelstätigkeit auf dem Gegenstand der in Betracht stehenden Geschäftstätigkeit beruht.3 Ist die Begrenzung der Handelstätigkeit indessen eine Folge etwa der Konzerneinbindung, ist eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu verneinen.4

10.94 Neben dem eingerichteten Geschäftsbetrieb und der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist weiterhin erforderlich, dass nachgewiesen wird, dass die zur Vorbereitung, dem Abschluss und der Ausführung der Geschäfte gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung5 der beteiligten Steuerinländer oder der ihnen nahe stehenden Personen ausgeübt werden. Schädlich ist jedwede Mitwirkung, durch die Aufgaben übernommen werden, die funktional der ausländischen Vertriebs- oder

1 2 3 4

Wassermeyer in F/W/B, § 8 Rz. 129; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 39. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.4.2. Etwa bei Spezialprodukten. Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; weitere Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 143 ff. 5 Einzelheiten zum Mitwirkungstatbestand Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146 ff.

410

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

Einkaufsgesellschaft im Rahmen ihrer Handelstätigkeit1 obliegen2 und üblicherweise nicht vom Vertragspartner oder dritten Unternehmen übernommen werden.3 Damit sind Mitwirkungen außerhalb der Handelstätigkeit, etwa im Bereich der Dienstleistungen, insoweit unschädlich.4 e) Einkünfte aus Dienstleistungen Einkünfte aus Dienstleistungen sind zwar grundsätzlich solche aus aktiver Tätigkeit, durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfährt dieser Grundsatz aber wesentliche Durchbrechungen, so dass Dienstleistungsgesellschaften nur insoweit aktiv tätig sind, als sie die entsprechenden Dienstleistungen tatsächlich selbst ausführen.

10.95

Die unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG fallenden Dienstleistungsbereiche5 unterfallen nur dann dem § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG, wenn sie nicht bereits aufgrund funktionaler Betrachtungsweise anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind.

10.96

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und Buchst. b AStG ist die Dienstleistungstätigkeit dann nicht mehr aktiver Art, wenn sich die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person bedient, soweit diese mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig ist (Nr. 5 Buchst. a) oder die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung einem unbeschränkten steuerpflichtigen Anteilseigner oder einer ihm nahe stehenden Person gegenüber erbringt (Nr. 5 Buchst. b).

10.97

Die ausländische Gesellschaft bedient sich i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG (Bedienungstatbestand) dann einer anderen Person, wenn dieser Aufgaben übertragen werden, zu deren Erfüllung sich die ausländische Gesellschaft ggü. dem Auftraggeber verpflichtet hat. Daraus folgt, dass die Tätigkeit der vorgenannten Personen nur dann schädlich ist, wenn sich diese auf jeweils einzelne Erfüllungsgeschäfte beziehen lässt.6

10.98

1 Z.B. die Übernahme des Vertriebs, Leitung des Vertretereinsatzes. 2 Geringfügige Mitwirkungen sind wegen der weitreichenden Konsequenzen aus Billigkeitsgründen als unschädlich anzusehen, BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.4.3.1. 3 Zu einzelnen Fällen BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.4.3.2. 4 Sehr instruktiv sind die zwischen den Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Finanzverwaltung im Rahmen eines Planspiels erörterten Musterfälle, vgl. hierzu auch die entsprechenden Lösungshinweise bei Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 154 bis 163. 5 Hierzu die Übersicht bei Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 51. 6 Darüber hinaus ist nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.5.2.1 erforderlich, dass die Person zwecks Erfüllung jedenfalls eines nicht unwesentlichen Teils der Dienstleistung herangezogen wird.

411

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Daher sind alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung, allgemeinen Geschäftsführung, Controlling und Akquisition unschädlich.1

10.99 Ob der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner für seine Tätigkeit im Dienste der ausländischen Gesellschaft eine Vergütung erhält, ist ohne Belang. Demgegenüber führt die entsprechende Tätigkeit einer nahe stehenden Person nur dann zur Hinzurechnungsbesteuerung, wenn diese hierfür ein Entgelt erhält und dieses im Inland steuerpflichtig, das heißt aufgrund unbeschränkter, beschränkter oder erweiterter beschränkter Steuerpflicht tatsächlich zur Besteuerung heranzuziehen ist.2 Etwaige Befreiungen aufgrund von DBA führen dazu, dass die Dienstleistungstätigkeiten nahe stehender Personen unschädlich sind.3 Der Grund für diese differenzierende Behandlung ist nicht erkennbar und entzieht sich jeder Plausibilität.4

10.100 Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG (Erbringungstatbestand) sind Einkünfte aus passiver Dienstleistungstätigkeit dann gegeben, wenn die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung gegenüber einem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner oder einer diesem nahe stehenden Person erbringt, die im Inland steuerpflichtig ist.5

10.101 Die vorstehenden Dienstleistungen sind allerdings dann unschädlich, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und die zu der Dienstleistung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung6 eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person ausübt. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist dann zu verneinen, wenn die Dienstleistung nur innerhalb eines Konzerns erbracht wird und die diesbezügliche Beschränkung auf der inneren Konzernstruktur und nicht auf den Besonderheiten der zu erbringenden Dienstleistung beruht.7 1 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 50. 2 BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.5.2.2. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 187; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 103; dagegen nur auf abstrakte Steuerpflicht abstellend Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 60. 4 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 187. 5 Die in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG verwendete Formulierung „… einer solchen nahe stehenden Person erbringt …“ ist dahin gehend auszulegen, dass nicht jede nahe stehende Person als Dienstleistungsempfänger in Betracht gezogen werden kann, sondern nur solche, die im Inland steuerpflichtig sind, vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 192. 6 Einzelheiten zum Mitwirkungstatbestand Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 140 ff.; zur Kritik an den Mitwirkungstatbeständen Wassermeyer in FS Flick, 1057 (1066 f.). 7 Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 208; vgl. dort auch die instruktiven Beispiele mit Lösungshinweisen in den Rz. 196–207.

412

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

f) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind grundsätzlich ebenfalls Einkünfte aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG). Da insbesondere die Tätigkeiten von Patentverwertungsgesellschaften (Nr. 6 Buchst. a), Grundstücksgesellschaften (Nr. 6 Buchst. b) und Leasing-Gesellschaften (Nr. 6 Buchst. c) weitgehend ausgenommen sind, ist die Vermietung und Verpachtung als aktive Tätigkeit im Ergebnis jedoch praktisch die Ausnahme.

10.102

In Anlehnung an § 21 Abs. 1 EStG wird durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen, die zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten sowie die Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen erfasst.1 Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zählen aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise auch die Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen der Vermietung und Verpachtung selbst sowie solcher Gegenstände, die dieser Tätigkeit gedient haben,2 soweit die Veräußerungsgewinne nach dem Einkommensteuergesetz überhaupt steuerbar sind.3

10.103

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG sind insbesondere die Einkünfte von ausländischen Patentverwertungsgesellschaften und vergleichbaren Gesellschaften aus der Überlassung der Nutzung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen als Einkünfte aus passivem Erwerb zu qualifizieren, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die ausländische Gesellschaft die Ergebnisse eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit4 auswertet, die ohne Mitwirkung5 eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person gewonnen worden sind.

10.104

Im Ergebnis werden auch Lizenzgebühren der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt, die eine ausländische Patentverwertungsgesellschaft von im Ausland ansässigen dritten Lizenznehmern für die Überlassung von Rechten erhält, die sie ihrerseits von im Ausland ansässigen dritten Erfindern erworben hat. Damit geht diese Regelung über den Sinn und Zweck des Gesetzes, nämlich die Aufschub- und Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften zu beseitigen,

10.105

1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 217. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 218; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 347; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 75. 3 Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 66. 4 An Dritte vergebene Auftragsforschung ist unschädlich, solange die ausländische Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko der Forschung/Entwicklung trägt und als Know-how-Träger die Forschung und Entwicklung maßgeblich steuert; ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 58. 5 Zum Mitwirkungstatbestand im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146 ff.

413

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung weit hinaus.1 Daher ist hier ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten (§§ 163, 227 AO).

10.106 Die Vermietung und Verpachtung durch Grundstücksgesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG) führt zu Einkünften aus passivem Erwerb. Im Unterschied zu § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der neben Grundstücken auch Gebäude, Gebäudeteile und grundstücksgleiche Rechte aufzählt, sind in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG lediglich Grundstücke erwähnt. Indessen kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Grundstücksbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG lediglich Grund und Boden erfasst.2 Grundstücksgleiche Rechte, insbesondere das Erbbaurecht, zählen dagegen nicht zum Grundstücksbegriff.3

10.107 Die Einkünfte ausländischer Grundstücksgesellschaften sind allerdings dann als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, wenn nachgewiesen wird, dass die Einkünfte nach einem DBA steuerbefreit wären, wenn sie von dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner unmittelbar bezogen würden. Diese auf den Grundsatz – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit – zurückführende Ausnahme der zweiten Stufe berücksichtigt den Umstand, dass aufgrund des durchweg in den DBA verankerten Belegenheitsprinzips der Besteuerungszugriff für die Vermietung und Verpachtung von ausländischen Grundstücken dem Belegenheitsstaat zugewiesen ist. Damit sind die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken4 und von ausländischen Grundstücken in Staaten, mit denen Deutschland entweder überhaupt keine oder nur solche DBA abgeschlossen hat, in denen das Belegenheitsprinzip ausnahmsweise nicht verankert ist,5 stets Einkünfte aus passivem Erwerb.

10.108

Durch die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG wird unter Einbeziehung der Wirkungsweisen der DBA die Abschirmwirkung der Grundstücksgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung beseitigt. Die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken werden hierdurch der deutschen Besteuerung so zugeführt, wie sie ohne Zwischenschaltung der Grundstücksgesellschaften in Deutschland der Besteuerung unterlägen. Diese 1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 224; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 363; Bellstedt, FR 1972, 242 (244). 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 124; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.6.1; zweifelnd Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 226. 3 Ebenso Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 226; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, 268; vgl. hierzu auch § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, in dem grundstücksgleiche Rechte neben Grundstücken aufgeführt sind; zum Erbbaurecht als immaterielles Wirtschaftsgut BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413. 4 Vgl. zur Kritik Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG, Rz. 232; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 6.2. 5 Hierzu der Überblick bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16 und Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 228.

414

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen dem Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung zuzuordnende Regelung entspricht der Rechtsfolge des § 42 AO, allerdings mit dem Unterschied, dass die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung selbst im Ergebnis zu einer Umqualifizierung dieser Einkünfte in solche aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb führt (§ 10 Abs. 2 AStG). Unverständlich ist, aus welchen Gründen der Einkünftekatalog des § 8 Abs. 1 AStG im Übrigen nicht auf die Wirkungsweisen von DBA abstellt. Hätte der dem § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG zugrunde liegende Gedanke für § 8 Abs. 1 AStG allgemeine Geltung, lägen Einkünfte aus passivem Erwerb nur dann vor, wenn im Falle des direkten Bezugs durch inländische Anteilseigner diese aufgrund von DBA überhaupt der deutschen Besteuerung unterlägen.

Die Vermietung und Verpachtung von beweglichen Sachen führt zu Einkünften aus passivem Erwerb. Durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG sind dadurch vor allem ausländische Leasing-Gesellschaften angesprochen.1 Einkünfte aus passivem Erwerb sind allerdings dann nicht gegeben, wenn nachgewiesen wird, dass die Vermietung und Verpachtung von der ausländischen Gesellschaft gewerbsmäßig unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr betrieben wird und sie dafür einen entsprechenden Geschäftsbetrieb unterhält.2 Dabei dürfen auch in diesem Fall weder der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner noch eine ihm nahe stehende Person an den zur Vermietung oder Verpachtung gehörenden Geschäften mitwirken.3

10.109

g) Einkünfte aus Finanzierungstätigkeit Aus § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG ist zu folgern, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich Einkünfte aus passivem Erwerb sind. Stammen indessen die Einkünfte aus der Aufnahme und darlehensweisen Vergabe von Kapital, sind sie als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, sofern nachgewiesen wird, dass das Kapital ausschließlich bei fremden Dritten auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen und entweder inländischen Betrieben oder Betriebsstätten oder im Ausland belegenen Betrieben oder Betriebsstätten zugeführt wird, die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich4 aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1–6 AStG) beziehen. Das bedeutet, dass die Hingabe von aus Eigenmitteln stammenden Darlehen im Grundsatz schädlich ist.5 1 Das Finanzierungs-Leasing unterliegt nicht dem Regelungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG, sondern als Kreditgeschäft dem § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG, wenn der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.6.4; vgl. die sog. Leasing-Erlasse v. 21.3.1972, BStBl. I 1972, 188; v. 23.12.1991, BStBl. I 1992, 13. 2 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 236 f. 3 Zum Mitwirkungstatbestand im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146 ff. 4 Bagatellgrenze von 90 Prozent; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 5 Zu diesen Eigenmitteln gehören auch die Einkünfte aus der Vergabe von nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG begünstigten Darlehen; Haun/Kahle/Goebel/Cortez in W/S/G, § 8 AStG Rz. 128; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 105; Mössner in

415

10.110

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.111

Im Hinblick auf die engen Grenzen, in denen Einkünfte aus Kapitalvermögen solche aus aktiver Tätigkeit sind, ist das Ziel des Gesetzgebers erkennbar, ausländische Gesellschaften zur Ausschüttung zu zwingen. Indessen geht der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG über die selbst gezogenen Wertungsgrenzen dadurch hinaus, dass die Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung auch bei Gesellschaften beseitigt wird, die im Wesentlichen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit haben. Denn unter § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG fällt auch eine ausländische Gesellschaft, die ihre aus aktiven Tätigkeiten erzielten Gewinne darlehensweise an nicht aktiv tätige fremde Dritte im Ausland vergibt.1

10.112 Soweit § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG von einer Identität zwischen aufgenommenem und weitergegebenem Darlehen ausgeht und in diesem Zusammenhang dem Steuerpflichtigen die Nachweislast aufbürdet, geht die Vorschrift praktisch zu Lasten des Steuerpflichtigen. Offenbar ist der Gesetzgeber von der wirklichkeitsfremden Vorstellung ausgegangen, bei Unternehmen, zumal bei Großunternehmen, lasse sich ein Geldfluss nachverfolgen und es könnten bestimmte Geldmittel von der Herkunft her gegenständlich Eigen- oder bestimmten Fremdmitteln zugeordnet werden.2 Daher muss der Nachweis ausreichen, dass vergebene Darlehen durch aufgenommene Fremdmittel in gleicher Höhe gedeckt sind.3

10.113 Das Erfordernis der Aufnahme des Kapitals durch die ausländische Gesellschaft auf einem ausländischen Kapitalmarkt bedeutet lediglich, dass die Kapitalaufnahme unter Inanspruchnahme des ausländischen Marktes erfolgt. Es kommt daher allein auf die Lokalisierung der Darlehensaufnahme an und nicht etwa darauf, ob der Darlehensgeber ein Ausländer ist oder etwa die Kapitalmittel ursprünglich aus dem Ausland stammen.4 § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG verlangt schließlich auch, dass das von der ausländischen Gesellschaft gewährte Darlehen vom Darlehensnehmer nur im Rahmen seines in- oder ausländischen Betriebes (Betriebsstätte) verwendet wird. Erforderlich ist insoweit ein differenzierter Nachweis, weil die Zuführung der Darlehensmittel zu einem inländischen Betrieb (Betriebsstätte) im Unterschied zur Zuführung zu einem ausländischen Betrieb

1 2 3 4

B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 83; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 74; Diehl, in Vogel/ Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 59 (68); a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 248; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, 251 ff. Zur Kritik im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 243; Hollatz/Moebus, DB 1978, 605 ff. Das wird allenfalls bei reinen Anleihekonsortien und Emmissionsgeschäften möglich sein. Nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.7.3 soll die Zuordnung zunächst nach der direkten und sodann nach der indirekten Methode nach Maßgabe des Kapitalspiegels erfolgen. Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 252 ff., Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 82, Hollatz/Moebus, DB 1978, 605 ff.; enger BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.7.2.

416

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

(Betriebsstätte) stets unschädlich ist. Hier scheitert die vom Gesetz auferlegte Nachweispflicht in aller Regel an tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit. Denn die Verwendung der hingegebenen Darlehen liegt allein in der Sphäre des Darlehensnehmers und entzieht sich einer Überprüfung durch die außenstehende ausländische Gesellschaft und erst recht durch die an dieser beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person. Soll die Vorschrift sich nicht von vornherein einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken, muss als Nachweis ausreichen, dass die entsprechende betriebliche Verwendung des Darlehens zwischen darlehensgebender ausländischer Gesellschaft und Darlehensnehmer vertraglich vereinbart ist.1 § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG macht die Qualifizierung der Einkünfte aus aktiver Tätigkeit insbesondere davon abhängig, dass vom Darlehensnehmer die Darlehensmittel im In- oder Ausland belegenen Betrieben oder Betriebsstätten darlehensweise zugeführt werden. Das bedeutet, dass die Zuführung dieser Mittel zu eigenen Betrieben und Betriebsstätten außerhalb der Reichweite des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG bleibt.

10.114

Soweit schließlich das Gesetz noch den Nachweis verlangt, dass der im Ausland gelegene Betrieb (Betriebsstätte des Darlehensnehmers) seine Bruttoerträge (Rz. 10.59) ausschließlich oder fast ausschließlich2 aus aktiven Tätigkeiten erzielt, die unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallen, wird dieser Nachweis ebenfalls an tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit scheitern, weil in aller Regel ein Außenstehender keinen Zugang zu den betrieblichen Interna des Darlehensnehmers haben wird. Als Nachweis muss auch hier die vertragliche Zusicherung des Darlehensnehmers ausreichen, dass der Betrieb (Betriebsstätte) Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erwirtschaftet.3

10.115

h) Gewinnausschüttungen Gewinnausschüttungen zählen stets zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit, und zwar unabhängig davon, ob die den Gewinnausschüttungen zugrunde liegenden Einkünfte bzw. Bruttoerträge aus aktiver Tätigkeit oder aus passivem Erwerb stammen.4 Daher fallen auch Ausschüttungen von vermögensverwaltenden ausländischen Kapitalgesellschaften auch soweit sie Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG) erzielen, in den Begünstigungsrahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG. Ohne Bedeutung ist, wo die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist. Es muss sich allerdings bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handeln. 1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 262 f.; Mössner in B/K/L/M/R, § 8 AStG Rz. 86. 2 Mindestens 90 Prozent; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 263, 271; mangels Durchführbarkeit wird § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG insoweit für verfassungswidrig gehalten von Hollatz/Moebus, DB 1979, 959 (962 f.). 4 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG, Rz. 281; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 159.

417

10.116

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Hierzu zählen die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Rechtsträger inländischen Rechts und schließlich auch nach ausländischem Recht errichtete Rechtsträger, soweit sie nach dem hierfür maßgeblichen Typenvergleich (Rz. 6.7) als Kapitalgesellschaften zu qualifizieren sind.

10.117 Zu den Gewinnausschüttungen zählen alle Bezüge i.S. der § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, so dass insbesondere auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu Einkünften aus aktiver Tätigkeit führen.1 Hierzu gehören auch etwa Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.2 Nicht dazu gehören demgegenüber die entnommenen Gewinnanteile persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG) sowie die Ergebnisabführung auf Grund eines im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages (§ 14 KStG).3 Ebenso gehören nicht zu den Gewinnausschüttungen Auskehrungen auf Grund einer Kapitalherabsetzung, soweit hierfür die Rücklagen und/oder Teile des Nennkapitals ausgekehrt werden, für die der Sonderausweis gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG gilt, sowie Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG).4 i) Beteiligungsveräußerungsgewinne

10.118 § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG qualifiziert Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Kapitalgesellschaft im Grundsatz als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Betroffen hierdurch sind nur die Beteiligungsveräußerungsgewinne, die seitens der vorgeschalteten ausländischen Kapitalgesellschaft erzielt werden. Gewinne aus der Veräußerung dieser Gesellschaft, die beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anfallen, sind dagegen entweder gem. § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG oder gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen steuerfrei (Rz. 15.37 ff., 15.174 ff.).

10.119 Die Einstufung der von der ausländischen Kapitalgesellschaft erzielten Beteiligungsveräußerungsgewinne als Einkünfte aus aktivem Erwerb ist eine Folge von § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG, wonach Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften stets als aktiv qualifiziert werden (Rz. 10.116 f.). § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG enthält allerdings zwei systembedingte Ausnahmen: Beteiligungsveräußerungsgewinne sind nicht aktiv, soweit sie anteilig auf vermietete oder verpachtete Grundstücke einer steuerbefreiten REIT-AG entfallen. Hierdurch wird sichergestellt, dass wegen der fehlenden steuerlichen Vorbelastung auf Gesellschaftsebene jedenfalls Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der steuerbefreiten REIT-AG als Einkünfte 1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 283, BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.8. 2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer. 1, Tz. 8.1.8. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 282. 4 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 284; vgl. zur Einlagenrückgewähr auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, DB 2010, 256.

418

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

aus passivem Erwerb in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen werden.1 Beteiligungsveräußerungsgewinne werden schließlich auch dann als Einkünfte aus passivem Erwerb eingestuft, wenn sie anteilig auf Wirtschaftsgüter entfallen, die bei der nachgeschalteten Gesellschaft Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen. Damit werden im Ergebnis die in den betreffenden Wirtschaftsgütern über den Veräußerungspreis vergüteten Reserven der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt.2 Sofern in der Vergangenheit insoweit bereits eine Hinzurechnungsbesteuerung der Kapitalanlageeinkünfte ausgelöst wurde, sieht § 11 AStG in gewissen zeitlichen Grenzen zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung eine Steuerbefreiung der Beteiligungsveräußerungsgewinne vor (Rz. 10.178 ff.). Von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG werden alle Veräußerungsvorgänge erfasst, die auf eine entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gerichtet sind.3 Hierzu gehören aus deutscher Sicht u.a. der Tausch, die Einziehung gegen Abfindung4, umwandlungsbedingte Vermögensübertragungen5 sowie als veräußerungsgleiche Vorgänge die Liquidation und Kapitalherabsetzung6 und schließlich in Orientierung an die teleologische Ausrichtung des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG – der insoweit der Erfassungsbreite des § 8b Abs. 2 KStG entspricht – auch alle Ersatzrealisationstatbestände wie verdeckte Einlage, verdeckte Gewinnausschüttung und Sachdividende.7

10.120

Angesprochen wird nur die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,8 wobei es keine Rolle spielt, ob Letztere im Inland oder im Ausland ansässig sind.9 Hieraus folgt, dass nach Maßgabe des deutschen Mitunternehmerkonzepts Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften als Gewinne aus der anteiligen Veräußerung des Betriebs der Personengesellschaft zu behandeln sind.10 Die vorgenannten Beteiligungsveräußerungsgewinne sind nur dann als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgüter der nachgeschalteten Gesellschaft entfällt, die anderen als den in § 8 Abs. 1 1 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 304.1; Jacob in Helios/ Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 16 f. 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 165. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 293; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 169. 4 Seit Inkrafttreten des BilMoG bloße Kapitalmaßnahme und kein Anschaffungsbzw. Veräußerungsgeschäft; so Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1342 (1344); Herzig/Briesemeister, WPg 2010, 63 (75); Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, 1640 (1643); a.A. Dotsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 72. 5 Vgl. aber die Sondervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG, hierzu Rz. 10.128 ff. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 293 ff. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 293.1; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 85; a.A. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 170; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 102; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 547. 8 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 171; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 87. 9 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 295. 10 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 295.

419

10.121

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Nr. 6 Buchst. b AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen, soweit es sich um Einkünfte einer Gesellschaft i.S. des § 16 REITG handelt, oder um solche, die den in § 7 Abs. 6a AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen. Ist die nachgeschaltete Gesellschaft ihrerseits an einer weiteren Gesellschaft beteiligt, beziehen sich die vorgenannten Nachweispflichten auch auf diese Gesellschaft. Von der Sache her sind die den inländischen Steuerpflichtigen betreffenden Nachweispflichten solche i.S. des § 90 Abs. 2 AO.1

10.122

Die dem Steuerpflichtigen in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG auferlegten Nachweispflichten scheitern in der Praxis nicht selten an objektiver Unmöglichkeit. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige lediglich eine Minderheitsbeteiligung hält mit der Folge, dass ihm der Zugang zu den Informationen bereits aus gesellschaftsrechtlichen Gründen verwehrt ist, zumal es um Informationen geht, die aus Sicht des inländischen Steuerpflichtigen lediglich nachgeschaltete Gesellschaften betreffen. Der Steuerpflichtige wird den ihm von Gesetzes wegen auferlegten Nachweispflichten auch dann nicht nachkommen können, wenn der Veräußerungspreis nach Ertragswertgesichtspunkten gebildet worden ist: Eine Zuordnung des auf dieser Grundlage erzielten Veräußerungsgewinns zu einzelnen Wirtschaftsgütern, zu denen etwa Kapitalrücklagen ohnehin nicht gehören,2 ist in aller Regel nicht möglich.3 Um eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu vereinbarende Besteuerung von Solleinkommen zu vermeiden, kommt die sich zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkende Beweislastverteilung erst dann zum Zuge, wenn überhaupt Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die nachgeschalteten Gesellschaften die in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG angesprochenen schädlichen Tätigkeiten ausüben.4

10.123 Ob Wirtschaftsgüter den in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG oder den in § 7 Abs. 6a AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen, ist nach Veranlassungsgesichtspunkten zu beurteilen mit der Folge, dass ggf. auch eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf die einzelnen Wirtschaftsgüter der Gesellschaft in Betracht kommt.5 Unter Zeitbezugsgesichtspunkten ist hierbei auf das betreffende Wirtschaftsjahr abzustellen, in dem die Veräußerung erfolgt. Wird zu Beginn des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft veräußert, ist das vorangegangene Wirtschaftsjahr maßgeblich.6

10.124 Werden von der ausländischen Gesellschaft Anteile an einer gem. § 16 REITG steuerbefreiten REIT-AG veräußert, ist der Veräußerungsgewinn als passiv zu qualifizieren, soweit er anteilig auf im Inland belegene Grundstücke entfällt oder soweit es sich um ausländische Grundstücke 1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 298; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 176. 2 Zu diesem Problem Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 180. 3 Zur Kritik im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 298; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 177. 4 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 298; Lieber, FR 2001, 139 (145). 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 302 f. 6 Nach Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 302 soll auf die während der Nutzungsdauer eingetretene Werterhöhung abgestellt werden.

420

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

handelt, bei denen die Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung abkommensrechtlich nicht steuerbefreit wären, wenn sie von dem inländischen Steuerpflichtigen unmittelbar bezogen worden wären. Hieraus folgt, dass der Veräußerungsgewinn insoweit freigestellt ist, als er anteilig auf ausländische Grundstücke entfällt, deren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abkommensrechtlich beim inländischen Steuerpflichtigen freizustellen wären.1 Soweit dem Steuerpflichtigen der Nachweis gelingt, dass der Veräußerungsgewinn Wirtschaftsgütern der nachgeschalteten Gesellschaft zuzuordnen ist, die nicht der Erzielung von Kapitalanlageeinkünften (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen, ist der Veräußerungsgewinn insgesamt als aktiv einzustufen. Wird der Nachweis nicht in zurechenbarer Weise (Rz. 10.122) erbracht, so ist der Veräußerungsgewinn, soweit nicht eine Aufteilung im Schätzungswege in Betracht kommt, in vollem Umfange den Einkünften aus passivem Erwerb zuzuordnen.2 Voraussetzung ist allerdings, dass die Kapitalanlageeinkünfte der nachgeschalteten Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, einer Niedrigbesteuerung unterliegen.3

10.125

Die für die Qualifizierung der Veräußerungsgewinne als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit gebotene Transparenz der nachgeschalteten Gesellschaft wird gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 AStG auf eine weitere nachgeschaltete Gesellschaft ausgedehnt, so dass sich die Nachweisverpflichtung des inländischen Steuerpflichtigen insgesamt auf ein dreistufiges Beteiligungsverhältnis erstreckt. Das bedeutet, dass Gewinne aus der Veräußerung einer auf der zweiten Stufe nachgeschalteten Kapitalgesellschaft selbst dann als aktiv zu qualifizieren sind, wenn diese ausschließlich auf Wirtschaftsgüter entfallen, die bei einer auf der vierten Stufe nachgeschalteten Kapitalgesellschaft Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen.4

10.126

Soweit Beteiligungsveräußerungsgewinne Einkünfte aus passivem Erwerb sind mit der Folge, dass sie insoweit eine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen,5 folgt hieraus zwingend, dass entsprechende Veräußerungsverluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Das setzt allerdings voraus, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste auf solchen Wirtschaftsgütern beruhen, die der schädlichen Vermietung und Verpach-

10.127

1 Dies ergibt sich aus dem Bezug auf § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG; hierzu Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 95; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 23 f. 2 Nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.19 soll eine Aufteilung nicht in Betracht kommen. 3 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz, lässt sich aber aus § 11 AStG schließen; für eine teleologische Reduktion in diesem Sinne Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 304. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 181; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 307; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.9 Satz 3; kritisch dagegen Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 633. 5 Soweit nicht die Steuerbefreiung des § 11 AStG eingreift; hierzu Rz. 10.178 ff.

421

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

tung von Grundstücken (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG) oder aber Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 3 AStG). Das gilt gleichermaßen für Verluste durch Veräußerung, Liquidation oder durch Kapitalherabsetzung usw.1 Entsprechendes gilt auch für etwaige Teilwertabschreibungen.2 Soweit hiernach ein Verlust berücksichtigungsfähig ist, wird hierdurch die Möglichkeit eröffnet, diese Verluste mit anderen Zwischeneinkünften aus passivem Erwerb gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG auszugleichen, wobei auch ein Verlustvor- oder -rücktrag in Betracht kommt. j) Umwandlungsgewinne

10.128 Umwandlungsgewinne sind gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG grundsätzlich aktiv. Damit sollen im Ergebnis in- und ausländische Umwandlungsvorgänge gleichbehandelt werden.3 Im Hinblick darauf stellt § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf ab, ob der Umwandlungsvorgang unter Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes zu Buchwerten erfolgen könnte. Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen die entsprechenden Umwandlungsvorgänge im Inland steuerneutral vollzogen werden könnten, im Grundsatz keine Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst werden soll.

10.129 Die Reichweite des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG ist indessen begrenzt, weil überhaupt nur solche Umwandlungsgewinne erfasst werden, die auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft und nicht etwa beim inländischen Anteilseigner anfallen und zudem nicht schon auf Grund funktionaler Betrachtungsweise anderweitig Einkünften aus aktiver Tätigkeit zuzuordnen sind.4 Hieraus folgt etwa, dass umzuwandelnde ausländische Kapitalgesellschaften, die ausschließlich Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erzielen, im Falle ihrer Umwandlung unter keinen Umständen eine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen können. Das gilt darüber hinaus in aller Regel auch dann, wenn an den ausländischen Umwandlungen Kapitalgesellschaften beteiligt sind,5 die ihrerseits Einkünfte aus passivem Erwerb erzielen, es sei denn, es handelt sich um solche Einkünfte aus passivem Erwerb, die im Veräußerungsfall die Qualifikation als aktive Einkünfte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG ausschließen würden.6 Damit ergibt sich weitgehend eine Parallelität mit § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG, der oh1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 309; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 97. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 293; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.1. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 316. 5 Bei einer ausländischen Seitwärtsverschmelzung sind dies die übertragende und die aufnehmende Kapitalgesellschaft sowie die ausländische Zwischengesellschaft als gemeinsame Muttergesellschaft; vgl. Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (503). 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 316.2; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 99; Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (504).

422

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

nehin Umwandlungsgewinne auf ausländischer Gesellschafterebene erfasst (Rz. 10.118). Erfasst werden Gewinne aus Umwandlungen, zu denen alle ausländischen Vorgänge gehören, die mit den in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG aufgezählten inländischen Umwandlungen vergleichbar sind.1 Hierbei kommt es darauf an, ob die ausländische Umwandlung aufgrund ihrer maßgeblichen Strukturmerkmale2 einer im deutschen Umwandlungsgesetz geregelten Umwandlung entspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass die ausländische Umwandlung überhaupt einen Gewinnrealisierungstatbestand erfüllt, was bei einem identitätswahrenden Formwechsel von vorneherein nicht der Fall ist. Löst die ausländische Umwandlung abstrakt eine Gewinnrealisierung aus, kommt es für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf an, dass die Umwandlung zu Buchwerten erfolgen könnte, so dass eine tatsächliche Gewinnrealisierung etwa bei unterlassenem Antrag auf Buchwertfortführung unschädlich ist.3

10.130

Soweit Umwandlungsgewinne nicht schon auf Grund funktionaler Betrachtungsweise als aktiv einzustufen sind, kommt es gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf an, ob es sich um eine Umwandlung handelt, die zwar nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 oder 4 UmwStG, aber doch alle übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes erfüllt. Mit anderen Worten: Entscheidend ist, dass die Umwandlung im Inland zu Buchwerten hätte erfolgen können, wenn die umgewandelte Gesellschaft von § 1 Abs. 2 oder 4 UmwStG zu erfassen wäre. Hierbei sind stets inländische Umwandlungen zu unterstellen, und zwar selbst dann, wenn tatsächlich die Umwandlung im Ausland grenzüberschreitend erfolgt ist.4 Denn die Parallelität mit der in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG getroffenen Regelung soll im Ergebnis sicherstellen, dass Veräußerungs- und Umwandlungsvorgänge für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung gleich behandelt werden. Dementsprechend regelt § 8 Abs. 1 Nr. 10 Halbs. 2 AStG eine Ausnahme von dem Grundsatz der Aktivität für Umwandlungsgewinne, die Anteile an Kapitalgesellschaften erfassen, die im Veräußerungsfall nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG begünstigt wären. Damit wird letztlich vermieden, dass als passiv zu qualifizierende Beteiligungsveräußerungsgewinne durch entsprechende Umwandlungsvorgänge ersetzt werden.5

10.131

1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 317.und Rz. 317.1; zum Formwechsel Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (504). 2 Hierzu Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 86; Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 74 ff.; Schnitger, IStR 2010, 265 (267). 3 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 102; Ritzer in R/H/vL, Anh. 7, Rz. 27. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 319.1; Schießl, DStZ 2009, 207 (213); dagegen nur für die fiktive Verlegung der Zwischengesellschaft in das Inland Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.l7; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 103; Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (505). 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.10; zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 19.10.

423

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.132 Sind Umwandlungsgewinne nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze als Einkünfte aus passivem Erwerb einzustufen, unterbleibt aber dennoch eine Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die ausländische Umwandlung innerhalb der EU bzw. des EWR erfolgt und sich deren Aktivität aus § 8 Abs. 2 AStG ergibt. Voraussetzung hierfür ist, dass die ausländische Gesellschaft insoweit tatsächlich wirtschaftliche Aktivitäten im EU-/-EWRBereich entfaltet und zudem Amtshilfe gewährleistet ist (Rz. 10.133 ff.). Im Hinblick darauf können geschäftsleitende EU-/EWR-Holdinggesellschaften aus dem Diskriminierungsrahmen der Hinzurechnungsbesteuerung herausfallen. 4. Europarechtliche Sonderregelungen Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 2 AStG; Hahn, Erläuterungen und legislatorische Überlegungen zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“, DStZ 2007, 201; Haun/Käshammer/Reiser, Das BMF-Schreiben vom 8.1.2007 zur Hinzurechnungsbesteuerung – eine erste Analyse, GmbHR 2007, 184; Köhler/Eicker, Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben „Cadbury Schweppes“ vom 8.1.2007, DStR 2007, 331; Köhler/Eicker, Wichtige EuGH-Entscheidungen zur Hinzurechnungs- und Wegzugsbesteuerung, DStR 2006, 1871; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Kraft, Konzeptionelle und strukturelle Defizite der Hinzurechnungsbesteuerung – Reformbedarf und Reformnotwendigkeit, IStR 2010, 377; Kraft/ Bron, Inplikationen des Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die Fortexistenz der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2008, 614; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg. 2009, 496; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln 2004; Sedemund, Europarechliche Bedenken gegen den neuen § 8 Abs. 2 AStG, BB 2008, 696; Wassermeyer/Schönfeld, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ und deren Auswirkungen auf die deutsche Hinzurechungsbesteuerung, GmbHR 2006, 1065.

a) Allgemeines

10.133 Die Hinzurechnungsbesteuerung ist konzeptionell insbesondere mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) unvereinbar. Sie behindert nämlich die Erwerbstätigkeit durch Tochtergesellschaften im Ausland dadurch, dass die dort erzielten Gewinne immer besteuert werden ohne Rücksicht darauf, ob diese in das Inland transferiert werden und auf der inländischen Gesellschafterebene der Einkommen-/Körperschaftsteuer sowie ggf. der Gewerbesteuer unterworfen werden. Wären beispielsweise Einkaufs- und Vertriebsgesellschaften, deren Tätigkeiten als passiv eingestuft werden, wenn ein inländischer Gesellschafter schädlich mitwirkt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG), dagegen im Inland ansässig, erfolgte eine Besteuerung nur bei tatsächlicher Ausschüttung. Hierdurch sind die inländische Muttergesellschaft bzw. die Gesellschafter insbesondere in ihrer Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt. Von der Schutzwirkung der Niederlassungsfreiheit werden dabei auch die Er424

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

werbstätigkeit von nachgeschalteten Gesellschaften in einer mehrstufigen Beteiligungskette erfasst. Von der Niederlassungsfreiheit wird also nicht nur die unmittelbare eigene Erwerbstätigkeit, sondern auch diejenige geschützt, die z.B. über zwischengeschaltete Holdinggesellschaften ausgeübt wird.1 Obwohl die Unvereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Niederlassungsfreiheit seit Jahren offenkundig war, hat der Gesetzgeber erst auf Grund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes2 im Rahmen des Jahressteuergesetzes 20083 reagiert:4 § 8 Abs. 2 AStG schließt die Hinzurechnungsbesteuerung für inländisch beherrschte Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens aus, wenn die Gesellschaft in diesem Staat eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und der Steuerpflichtige dies nachweist. Hieraus folgt, dass § 8 Abs. 2 AStG erst dann zur Anwendung kommt, wenn Einkünfte aus passivem Erwerb gegeben sind. Nur für diesen Fall wird der Gegenbeweis nach § 8 Abs. 2 AStG eröffnet. Dementsprechend sieht § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG vor, dass im Rahmen der Erklärung zur gesonderten Feststellung auf einer ersten Stufe die Zwischeneinkünfte zu erklären sind und erst auf einer zweiten Stufe der Gegenbeweis erbracht werden kann.5

10.134

Die Cadbury Schweppes-Entscheidung des EuGH6 ist durch § 8 Abs. 2 AStG nur unzureichend umgesetzt worden, so dass die Hinzurechnungsbesteuerung unverändert in Teilen europarechtlichen Zweifeln ausgesetzt ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Aktiv-/Passivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG mit seiner übermäßigen Typisierung im Ausgangspunkt auch für den EU-/EWR-Bereich gilt, obwohl der EuGH wirkliche wirtschaftliche Tätigkeiten, zu denen auch rein vermögensverwaltende Tätigkeiten zählen,7 generell für unschädlich hält. Darüber hinaus führt auch die in § 8 Abs. 3 AStG verankerte Niedrigsteuergrenze zu europarechtlichen Verwerfungen, weil zwar einerseits der Hinzurechnungsbetrag der Gewerbesteuer unterliegt,8 aber andererseits bei Anwendung des § 12 Abs. 1 AStG die im Ausland gezahlte Steu-

10.135

1 2 3 4 5 6 7 8

Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 81 ff. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. Vom 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Vgl. die für die Zwischenzeit bedeutsame Verwaltungsregelung in BMF v. 8.1.2007, BStBl. I 2007, 99. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 421; kritisch hierzu Köhler/ Haun, Ubg 2008, 73 (84 f.). EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995; ergangen zu den britischen Controlled Foreign Companies Regeln(CFC-Regeln). EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 – ICI, EuGHE 1998, I-4711; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, EuGHE 2003, I-9430; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGH 2006, I-7995. Kritisch hierzu Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 354 ff.; Rödder, IStR 2009, 873.

425

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung er nicht auch auf die deutsche Gewerbesteuer, die bei der 25 %-Grenze mit „einkalkuliert“ worden ist, zur Anrechnung kommt.1 Schließlich ist es unter europarechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zu rechtfertigen, unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die nur gering an einer Zwischengesellschaft beteiligt sind, auf den Gegenbeweis gem. § 8 Abs. 2 AStG zu verweisen, da dieser insoweit in aller Regel an rechtlicher und/oder tatsächlicher Unmöglichkeit scheitert.2 In den vorgenannten Fällen sind daher stets Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) geboten.

b) EU-/EWR-Gesellschaften

10.136 § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG eröffnet den Gegenbeweis für tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeiten von Gesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens haben. Angesprochen sind damit ausländische Gesellschaften, die von der Reichweite des § 7 Abs. 1 AStG erfasst werden.3 Voraussetzung ist, dass sie ihren Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich haben. In den Privilegierungsrahmen des § 8 Abs. 2 AStG fallen damit im Ausland doppelt ansässige Gesellschaften auch dann, wenn sie etwa den Satzungssitz im EU-/EWR-Bereich haben, der Ort der Geschäftsleitung sich aber in einem Drittstaat befindet.4 Erfasst werden schließlich auch nachgeschaltete ausländische Gesellschaften (§ 14 Abs. 1 AStG), (Rz. 10.216 ff.) wenn sie den Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich haben.5 Ob die in den vorgenannten Gebieten ansässigen Gesellschaften ihrerseits an Drittstaaten-Gesellschaften beteiligt sind oder dort Betriebsstätten unterhalten, ist insoweit ebenfalls ohne Bedeutung. Allerdings: Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 AStG wird der Gegenbeweis für die in DrittstaatenGesellschaften/-Betriebsstätten angefallenen Zwischeneinkünfte abgeschnitten (Rz. 10.144 f.). Obwohl in EWR-Staaten6 ansässige Gesellschaften in den Privilegierungsrahmen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG fallen, bleibt im Ergebnis der Gegenbeweis für Zwischeneinkünfte einer in Liechtenstein ansässigen Gesellschaft einstweilen verschlossen, weil zwischen Deutschland und Liechstenstein aus der Sicht Deutschlands kein ausreichender Auskunftsverkehr gewährleistet ist (§ 8 Abs. 2 Satz 2

1 Kritisch hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 407; Ruf/Wohlfahrt, Ubg. 2009, 496 (499 f.); vgl. im Übrigen Rz. 10.213. 2 Zu weiteren Einzelheiten hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 409; Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (187); Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (332). 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 426. 4 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 158. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 445. 6 Liechtenstein, Norwegen und Island.

426

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

AStG1). Drittstaaten-Gesellschaften sind somit generell aus dem Begünstigungsrahmen des § 8 Abs. 2 AStG ausgeschlossen.2 c) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG lässt die Steuerpflicht für Zwischeneinkünfte entfallen, für die der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht wird. Der Gegenbeweis bezieht sich somit nicht auf die gesamten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, sondern stets nur auf die Zwischeneinkünfte. Diese müssen sich auf eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft in dem Staat zurückführen lassen, um die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 AStG auszulösen. Der Gegenbeweis steht im Grundsatz zwar lediglich unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zu, über die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 1 AStG, wonach für Zwecke der Anwendung von §§ 7, 8 und 14 AStG die unbeschränkte Steuerpflicht unterstellt wird, kann der Gegenbeweis (§ 8 Abs. 2 AStG) auch von erweitert beschränkt Steuerpflichtigen geführt werden.3 Sind mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige an der EU-/EWRGesellschaft beteiligt, so reicht es aus, wenn einer der Beteiligten den entsprechenden Gegenbeweis antritt. Er gilt dann für und gegen alle Gesellschafter als erbracht.4 Für den Gegenbeweis werden außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Satz 1 AStG nur unbeschränkt Steuerpflichtige zugelassen, die gem. § 7 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind. Erfasst werden somit nur unbeschränkt Steuerpflichtige, wenn ihnen allein oder zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen am Ende des Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, in dem die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG bezogen worden sind, mehr als 50 Prozent der Anteile oder Stimmrechte zuzurechnen sind. Vom Gegenbeweis werden also Personen ausgeschlossen, die nach Maßgabe des § 7 Abs. 6 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Angesprochen sind hiermit insbesondere nicht inländisch beherrschte ausländische Gesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften.5

10.137

Dass unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter von nicht inländisch beherrschten ausländischen Kapitalanlagegesellschaften6 vom Gegenbeweis ausgeschlossen sind, ist mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten

10.138

1 Mit dem Inkrafttreten des Informationsaustauschabkommens mit Liechtenstein hat dieser Vorbehalt allerdings keine Bedeutung mehr. 2 Zu einer ggf. möglichen entsprechenden Anwendung auf Drittstaaten unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und auf der Grundlage von Assoziierungsabkommen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 429 ff.; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 149, 152 ff. 3 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 444. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 447. 5 Inländisch beherrschte Kapitalanlagegesellschaften fallen unter § 7 Abs. 1 AStG; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B § 8 AStG Rz. 450. 6 Ausländische Gesellschaft mit Kapitalanlageeinkünften i.S. von § 7 Abs. 6a AStG.

427

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung unvereinbar.1 Es ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, warum einem unbeschränkt Steuerpflichtigen, der etwa zu 40 Prozent an einer derartigen Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 7 Abs. 6a AStG beteiligt ist, der Gegenbeweis versagt bleibt. Angesichts der Höhe seiner Beteiligung kann er ebenso die Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) für sich in Anspruch nehmen wie ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter, der allein nur zu 10 Prozent aber zusammen mit anderen unbeschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Aber auch in jenen Fällen, in denen es bloß um Portfoliobeteiligungen geht, werden sich die betreffenden Gesellschafter auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) berufen können.2 Im Hinblick auf diese normativen Defizite ist unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) sowie die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV)3 über § 8 Abs. 2 AStG stets der Gegenbeweis zuzulassen.

10.139 Der Gegenbeweis bezieht sich darauf, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Aufnahmemitgliedstaat nachgeht. Was eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ist, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen.4 Anhaltspunkte für die Auslegung ergeben sich allerdings aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes,5 wonach tatsächliche (wirkliche) wirtschaftliche Tätigkeiten zu verneinen sind, wenn sie „sich speziell auf rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und insbesondere der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird“. Damit ist in objektiver Hinsicht darauf abzustellen, ob eine rein künstliche Gestaltung gegeben ist und in subjektiver Hinsicht, ob eine derartige Gestaltung der Steuerumgehung dient. Beide Merkmale müssen erfüllt sein, um den Gegenbeweis zu versagen. Führt somit die Prüfung zu dem Ergebnis, dass die ausländische Gesellschaft über die erforderliche wirtschaftliche Realität im Aufnahmemitgliedstaat verfügt, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Einsatz dieser Gesellschaft steuerlich motiviert ist oder nicht.6

10.140 In Orientierung an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes7 ist in objektiver Hinsicht darauf abzustellen, ob die ausländische Gesellschaft stabil und kontinuierlich am Wirtschaftsleben des Aufnahmemitgliedstaates teilnimmt, für die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eine feste Einrichtung in diesem Staat auf un1 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 165; Bedenken äußert auch Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 799; Kraft, IStR 2010, 377 (380 f.). 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 449, 429 ff. 3 Zum Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit vgl. Rz. 4.37 ff. 4 Ein Rückgriff auf § 8 Abs. 1 AStG verbietet sich, weil anderenfalls der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG erst gar nicht eröffnet wäre. 5 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. 6 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 466. 7 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995.

428

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

bestimmte Zeit unterhält und dort Geschäftsräume und Ausrüstungsgegenstände hat sowie Personal beschäftigt.1 Von besonderer Bedeutung ist die Teilnahme am Wirtschaftsleben im Aufnahmemitgliedstaat. Hierfür reicht es aus, wenn die ausländische Gesellschaft dort entweder am Absatz- oder Beschaffungsmarkt teilnimmt, was bereits dann der Fall ist, wenn hierfür die Ressourcen im Aufnahmemitgliedstaat nachhaltig genutzt werden.2 Ob die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Geschäftsbeziehungen gegenüber fremden Dritten oder gegenüber nahe stehenden Personen erfolgt, ist ohne Bedeutung mit der Folge, dass auch konzerninterne Leistungsbeziehungen eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.3 Einer Teilnahme am Wirtschaftleben im Aufnahmemitgliedstaat steht nicht entgegen, wenn bestimmte Funktionen der ausländischen Gesellschaft ausgelagert werden. Ein derartiges Outsourcing ist unschädlich, so lange die betreffenden Kernfunktionen von der Gesellschaft selbst ausgeübt werden.4

10.141

Die geforderte wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat setzt eine gewisse Verankerung dort selbst voraus. Das bedeutet in aller Regel, dass dort jedenfalls eine feste Geschäftseinrichtung bestehen muss. Eine bloße Geschäftsadresse oder ein Telefonanschluss mit automatischem Anrufbeantworter reichen nicht aus, so dass etwa bloße Domizil- oder Briefkastengesellschaften von vornherein untauglich sind.5 Dementsprechend bedarf es in der Regel eigener Geschäftsräume mit eigenem Personal und entsprechenden Ausrüstungsgegenständen. Das Personal muss so qualifiziert sein, dass es die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig erfüllen kann, wobei eine Mitwirkung seitens der Gesellschafter unschädlich ist, soweit die maßgeblichen Kernfunktionen von eigenem Personal ausgeübt werden.6 Unter diesem Gesichtspunkt sind auch konzerninterne Finanzierungsgesellschaften unschädlich.7

10.142

d) Auskunftserteilung Um den Gegenbeweis führen zu können, verlangt § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG als weitere Voraussetzung, dass auf Grund der EU-Amtshilferichtlinie 1 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 467 ff. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 471 ff., 511; Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871 (1873). 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 474; vgl. auch BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446, Tz. 6.1. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 476; großzügiger Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (185). 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 482. 6 Die Einzelheiten sind streitig; wie hier Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 490 ff.; großzügiger Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (186); Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (333). 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 495.

429

10.143

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

oder einer vergleichbaren zwei- oder mehrseitigen Vereinbarung diejenigen Auskünfte durch die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen. Soweit es sich um EU-Staaten handelt, wird durch die EU-Amtshilferichtlinie1 die Auskunftserteilung ohne weiteres sichergestellt. Ob die Auskunftserteilung tatsächlich in ausreichendem Maße erfolgt, spielt hierbei keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass die Auskunftserteilung in Anspruch genommen werden kann, so dass der Gegenbeweis nicht davon abhängt, ob der jeweilige Aufnahmemitgliedstaat auskunftsfreudig ist oder nicht.2 Da die EU-Amtshilferichtlinie nicht im Verhältnis zu den EWR-Staaten3 Geltung hat, kommt es hier darauf an, ob vergleichbare zwei- oder mehrseitige Vereinbarungen, die eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung begründen, bestehen. Dies ist im Verhältnis zu Norwegen und Island der Fall, weil insoweit die mit diesen beiden Staaten abgeschlossenen DBA auf Grund der sog. Auskunftsklauseln (Rz. 19.62 ff.) einen ausreichenden Auskunftsaustausch gewährleisten.4 Entsprechende Regelungen gibt es im Verhältnis zu Liechtenstein einstweilen noch nicht.5 e) Nachgeschaltete Zwischengesellschaften und Betriebsstätten

10.144 Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG kann der Gegenbeweis auch erbracht werden, wenn die betreffenden Einkünfte von einer der ausländischen Gesellschaft nachgeschalteten EU-/EWR-Gesellschaften erzielt werden.6 Ob die betreffende Obergesellschaft ihrerseits in einem EU-/EWR-Staat ansässig ist, spielt hierbei keine Rolle. Ausgeschlossen ist allerdings der Gegenbeweis in dem Fall, dass die nachgeschaltete Gesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AStG). Gemeint ist damit der Fall, dass die nachgeschaltete Zwischengesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat hat.

10.145 Die vorstehenden für nachgeschaltete Zwischengesellschaften geltenden Grundsätze gelten entsprechend auch für Betriebsstätten, so dass der Gegenbeweis auch versagt bleibt, soweit passive Einkünfte einer Betriebsstätte in einem Drittstaat zuzurechnen sind (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Sind demgegenüber Einkünfte einer EU-/EWR-Betriebsstätte einer Drittstaa-

1 Richtlinie 77/799/EWG des Rates v. 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien, ABL. EG 1977, Nr. L 336, 15 v. 27.12.1977; hierzu Rz. 19.62 ff. 2 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 527. 3 Liechtenstein, Norwegen und Island. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 521; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 167. 5 Anders wohl, sobald das Informationsaustauschabkommen mit Liechtenstein in Kraft getreten ist. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 445; Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (83).

430

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

tengesellschaft zuzurechnen, kann der Gegenbeweis wiederum geführt werden1 f) Steuerliche Zurechnung Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG soll der Gegenbeweis nur für diejenigen Einkünfte offen stehen, die einer eigenen tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Zwischengesellschaft oder einer nachgeschalteten Zwischengesellschaft zuzurechnen sind. Es sind nur diejenigen Einkünfte der Gesellschaft zuzuordnen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft erzielt werden und dies nur insoweit, als der Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 AStG) beachtet worden ist. Abzustellen ist auf den im Steuerrecht allgemein gültigen Veranlassungszusammenhang.2 Dieser Veranlassungszusammenhang entfaltet seine besondere Bedeutung in den Fällen des Outsourcing, soweit Kernfunktionen ausgelagert werden. In diesen Fällen sind der ausländischen Gesellschaft zwar auch die im Rahmen des Outsourcing erzielten Einkünfte zuzurechnen, sie sind der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft aber nur insoweit zuzuordnen, als diese im Rahmen der bei ihr verbliebenen Kernfunktionen erzielt werden. Bei einem wertschöpfenden Outsourcing wird daher der Gegenbeweis nicht selten nur für einen Teil der von der ausländischen Gesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte gelingen.3 Die Zuordnung der Zwischeneinkünfte zu der tatsächlich wirtschaftlichen Tätigkeit, für die der Gegenbeweis eröffnet wird, ist stets nach Fremdvergleichsgrundsätzen (§ 1 AStG) vorzunehmen. Damit sind nur fremdübliche Zwischeneinkünfte einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen, so dass im Ergebnis für den unangemessenen Teil der Gegenbeweis nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG versagt bleibt.4

III. Niedrigbesteuerung Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 3 AStG; Goebel/Haun, § 4h EStG und § 8a KStG (Zinsschranke) in der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2007, 768; Köhler/Luckey/Kollruss, Das Malta-Modell nach dem Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010, Ubg 2010, 465; Lenz/Heinsen, Zur Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG, IStR 2003, 793; Pitzal, Nicht- und Niedrigbesteuerung in Vorschriften des nationalen Außensteuerrechts und des Abkommenrechts, Baden-Baden 2008; Vogt, Die Niedrigbesteuerung in den Hinzurechnungsvorschriften des AStG, DStR 2005, 1347; Wassermeyer/Schönfeld, Die Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG vor dem Hintergrund eines inländischen KSt-Satzes von 15 %, IStR 2008, 496; Wurster, Der Einkunftsbegriff bei der Hinzurechnungsbesteuerung, FR 1984, 331. 1 2 3 4

Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 552. Zum Veranlassungsprinzip allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 213 ff. Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 562. Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 572.

431

10.146

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.147 Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt nur in Betracht, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft einer niedrigen Besteuerung unterliegt. Dies ist allgemein der Fall, wenn die Belastung dieser Einkünfte durch Ertragsteuern1 weniger als 25 Prozent beträgt, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen beruht (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AStG).

10.148

Von der Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung her sollten die Einkünfte aus passivem Erwerb nur aus Steueroasen erfasst werden. § 8 Abs. 3 AStG geht aber erheblich über diese Zielsetzung hinaus und erfasst in weiten Bereichen auch Einkünfte aus passivem Erwerb aus klassischen Hochsteuerländern. So wird lediglich auf Ertragsteuern abgestellt, obwohl es Staaten gibt, die ihr Steueraufkommen durch hohe indirekte Steuern erzielen und deshalb noch nicht als Steueroasen qualifiziert werden können. Schließlich ist die Belastungsgrenze von weniger als 25 Prozent im Hinblick auf den deutschen Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent ohnehin zu hoch angesetzt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung, weil nicht stets alle Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen und darüber hinaus die Gesamtbelastung in Gemeinden mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 200 Prozent unter 25 Prozent liegt. So gesehen gehört Deutschland nach dieser durch § 8 Abs. 3 AStG vorgegebenen Wertung selbst zu den Niedrigsteuerländern.

10.149 Die nach § 8 Abs. 3 AStG maßgebliche Belastungsgrenze von 25 Prozent knüpft an die Einkünfte an, womit mangels entgegenstehender Vorschriften die Einkünfte i.S. der § 2 Abs. 2 EStG und § 8 Abs. 1 KStG gemeint sind,2 allerdings unter dem Vorbehalt, dass diese aus passivem Erwerb stammen.3 Im Rahmen der Belastungsberechnung (Prozent-Grenze) ist nicht auf die im Ausland rechtlich geschuldete Steuer abzustellen;4 allein entscheidend ist vielmehr, in welcher Höhe die Steuer tatsächlich erhoben5 wird (§ 8 Abs. 3 Satz 2 AStG).

10.150 Von wem die Steuer erhoben wird, ist ohne Bedeutung mit der Folge, dass etwa im Rahmen einer Organschaft oder Gruppenbesteuerung von einem anderen Steuersubjekt erhobene Steuern zu berücksichtigen sind.6 Bei verschiedenen Steuersubjekten erhobene Steuern sind demgegenüber für Zwecke der Anwendung des § 8 Abs. 3 AStG nicht zu addieren oder im 1 Das sind Steuern auf das Gesamteinkommen oder Teile des Einkommens; vgl. hierzu BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.3.1.2. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 706; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 191; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 189, Wurster, FR 1984, 331 ff., wonach die nach ausländischem Steuerrecht ermittelten Einkünfte maßgeblich sein sollen. 3 Abzustellen ist auf die einzelne passive Einkunftsquelle, Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B § 8 AStG Rz. 707; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 143; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 190; Reiche in Haase, § 8 AStG, Rz. 188; a.A. wohl BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.3.2.1; 8.3.3. 4 So aber noch BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4 zur Fassung des § 8 Abs. 3 AStG vor dem JStG 2008. 5 Vgl. §§ 218 ff. AO. 6 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1 Rz. 8.3.1.2.

432

E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen

Falle der Steuervergütung zu kompensieren.1 Da entscheidend auf die Erhebung (Festsetzung) der Steuern abzustellen ist, kommt es nicht darauf an, auf Grund welcher Rechtsgrundlage diese erfolgt.2 Ohne entsprechende Steuerfestsetzung freiwillig gezahlte Steuern sind demgegenüber nicht zu berücksichtigen.3 Außer Betracht bleibt allerdings eine Absenkung der tatsächlichen Steuerbelastung infolge eines im Ausland in Anspruch genommenen horizontalen oder vertikalen Ausgleichs mit Verlusten aus anderen aktiven Tätigkeiten oder Tätigkeiten aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 AStG). Über diesen gesetzlich geregelten Fall hinaus ist von einer korrigierten Bemessungsgrundlage auch dann auszugehen, wenn die nach deutschem Steuerrecht ermittelten Einkünfte nur deshalb höher sind, weil vom Ausland gewährte abweichende Abschreibungs- und Bewertungsregeln berücksichtigt worden sind, die lediglich zu interperiodischen Gewinnverschiebungen führen. Deshalb sind etwa im Ausland gewährte Sonderabschreibungen sowie unterschiedliche Gewinnrealisierungs- und Aktivierungszeitpunkte ebenso unerheblich wie vom deutschen Steuerrecht abweichende Rückstellungsgrundsätze.4

10.151

Dies gilt auch für die Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) mit der Folge, dass diese ebenso wie bei § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG5 nicht zu berücksichtigen ist.6

10.152

Bei der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG erforderlichen Belastungsberechnung ist auf die erhobenen Ertragsteuern im Staat der Geschäftsleitung, im Staat des Sitzes sowie in Drittstaaten abzustellen, wozu auch eine deutsche Körperschaft- und Gewerbesteuer zählen kann.7 Geboten ist daher stets die Addition aller zu Lasten der Zwischengesellschaft auf deren Einkünfte aus passivem Erwerb erhobenen Steuern.8

10.153

1 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 183 mit Hinweis auf die in der Praxis anzutreffenden doppelstöckigen Gesellschafterstrukturen auf Malta; nach dem JStG 2010 sollen demgegenüber in die Belastungsberechnung Ansprüche der Gesellschafter auf Erstattung oder Anrechnung der von der ausschüttenden ausländischen Gesellschaft gezahlten Ertragsteuern einbezogen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 AStGE), hierzu Köhler/Luckey/Kollruss, Ubg. 2010, 465 ff. 2 BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729; BMF v. 13.4.2007, BStBl. I 2007, 440. 3 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 730. 4 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 712; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.3.1.1.; 8.3.2.3 ff. 5 Im Ergebnis ist ohnehin die Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG innerhalb des § 8 Abs. 3 AStG geboten; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 708, 713 ff.; dort auch zu weiteren Modifikationen. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 708, 713; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 193; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 191; Goebel/Haun, IStR 2007, 768 ff. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 705, 711. 8 Nach Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 707 soll dagegen auf jede einzelne Einkunftsquelle aus passivem Erwerb abgestellt werden.

433

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

F. Rechtsfolgen I. Allgemeines 10.154 Während § 7 Abs. 1 AStG als Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolge enthält, werden in § 7 Abs. 2 bis 4 AStG die persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen und in § 8 AStG die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschrieben. Die §§ 9 bis 12 AStG betreffen dagegen ausschließlich die Rechtsfolge der Hinzurechnung. Die Rechtsfolge ist auf die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages gerichtet, der bei dem betreffenden Steuerinländer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbetrieb anzusetzen ist.1

II. Freigrenze bei gemischten Einkünften 10.155 Bezieht eine ausländische Gesellschaft außer den Einkünften aus aktiver Tätigkeit in geringem Umfang auch solche aus passivem Erwerb, so bleiben letztere außer Ansatz, sofern – die den gesamten Einkünften aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft zugrunde liegenden Bruttoerträge nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge (vgl. zum Begriff Rz. 10.59) ausmachen (relative Freigrenze), – die Summe der Hinzurechnungsbeträge sämtlicher Inlandsbeteiligter derselben ausländischen Gesellschaft Euro 80 000,– nicht übersteigen (gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze) und – beim einzelnen Steuerinländer die Summe der Hinzurechnungsbeträge aufgrund aller Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften Euro 80 000,– nicht übersteigt (gesellschafterbezogene absolute Freigrenze).

10.156 Die vorgenannten Voraussetzungen, die gleichzeitig vorliegen müssen, betreffen nur solche Gesellschaften, die über sog. gemischte Einkünfte verfügen, wobei die Einkünfte aus aktiver Tätigkeit im Vordergrund stehen müssen. In der Praxis hat § 9 AStG dennoch nur geringe Bedeutung. Die gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze i.H. von Euro 80 000,– ist nämlich so gering angesetzt, dass die von deutschen Unternehmen im Ausland betriebenen Tochtergesellschaften mit ihren Einkünften aus Zinsen, Lizenzen sowie Vermietung und Verpachtung, soweit diese Einkünfte aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise (Rz. 10.75) nicht zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit zu zählen sind, regelmäßig diese 1 Sind die Steuerinländer über eine inländische Personengesellschaft an der ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt, sind die hinzuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen bei der Personengesellschaft zu erfassen; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122.

434

F. Rechtsfolgen

Freigrenze überschreiten. Entsprechend § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG sind für die Ermittlung der relativen Freigrenze die Vorschriften des deutschen Steuerrechts maßgeblich, wobei die Verhältnisse des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft zugrunde zu legen sind, für das die Zwischeneinkünfte ermittelt werden. Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der relativen Freigrenze von 10 Prozent sind die Gesamtbruttoerträge der ausländischen Gesellschaft einerseits und die den Zwischeneinkünften zugrunde liegenden Bruttoerträge anderseits. Wird die relative Freigrenze überschritten, so unterliegen die den Bruttoerträgen zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte bei allen Inlandsbeteiligten der Hinzurechnungsbesteuerung. Es kommt sodann weder auf die gesellschaftsbezogene noch auf die gesellschafterbezogene absolute Freigrenze an.

10.157

Bei der Ermittlung der absoluten Freigrenze von Euro 80 000,– ist nicht auf die Bruttoerträge, sondern auf die Beträge abzustellen, die aufgrund der relativen Freigrenze für die Anwendung des § 7 Abs. 1 AStG außer Ansatz bleiben. Diese Beträge sind nach Maßgabe des § 10 AStG zu ermitteln, so dass sowohl ausgleichsfähige Verluste aus passivem Erwerb als auch solche Verluste aus anderen Jahren, soweit sie gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V. mit § 10d EStG abzugsfähig sind, berücksichtigt werden müssen.1

10.158

III. Hinzurechnungsbetrag Literatur Kommentare zu § 10 AStG; Eicker/Rouenhoff, Europarechtskonforme Auslegung des § 3c EStG in Bezug auf den Hinzurechnungsbetrag nach §§ 7, 10 AStG, IStR 2005, 128; Goebel/Haun, § 4h EStG und § 8a KStG (Zinsschranke) in der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2007, 768; Kessler/Teufel, Läuft die Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen leer? Überlegungen zur Anwendbarkeit von § 8b Abs. 1 und 2 KStG n.F. im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG, IStR 2000, 545; Köhler, Die steuergesetzliche Tatbestandsbildung der Zugriffsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz, RIW 1988, 979; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schönfeld, Probleme beim Zusammenwirken von Hinzurechnungsbesteuerung und Abgeltungsteuer nach dem UntStRefG 2008, IStR 2007, 666; Wettlaufer, Außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbilanz bei Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern, Berlin 1984.

1. Allgemeines § 10 AStG ist im Wesentlichen eine technische Durchführungsvorschrift, die der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages als Ausgangsbasis für die 1 Wassermeyer in F/W/B, § 9 AStG Rz. 42 f., Mössner in B/K/L/M/R, § 9 AStG Rz. 16.

435

10.159

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Hinzurechnungsbesteuerung dient. Im Hinblick auf § 10 Abs. 1 AStG einerseits und § 10 Abs. 2 AStG andererseits ist zwischen dem Hinzurechnungsbetrag und dem anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag zu differenzieren. Der Hinzurechnungsbetrag i.S. von § 10 Abs. 1 AStG ist gesellschafterbezogen und wird auf der Grundlage der von der Zwischengesellschaft erzielten niedrig besteuerten Einkünfte aus passivem Erwerb (Zwischeneinkünfte) ermittelt.1 Diese Zwischeneinkünfte sind um bestimmte Beträge zu erhöhen bzw. zu kürzen und sodann auf die Inlandsbeteiligten entsprechend zu verteilen. Damit wird deutlich, dass die von der Zwischengesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte Besteuerungsobjekt sind. Für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung werden sie aber nicht der ausländischen Gesellschaft selbst, sondern dem Inlandsbeteiligten als Steuersubjekt zugerechnet. Im Einzelnen: Die Zwischeneinkünfte sind bei der Zurechnung nachgeschalteter Zwischengesellschaften (§ 14 AStG) zu erhöhen oder zu mindern und ggf. um gem. § 11 AStG steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne, um abziehbare Steuern (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KStG) und schließlich um einen Verlustabzug (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG) zu kürzen. Der so ermittelte Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG ist im Falle der optionalen Anrechnung der entrichteten Steuern (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AStG) gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG zu erhöhen und sodann als anzusetzender Hinzurechnungsbetrag i.S. von § 10 Abs. 2 AStG bei jedem Inlandsbeteiligten als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb der Besteuerung zu unterwerfen.2

10.160 Hiernach ergibt sich folgendes vereinfachtes Ermittlungsschema. Zwischeneinkünfte (§ 10 Abs. 3 AStG) Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften; ggf. Abzug (§ 14 AStG) ./. von der Zwischengesellschaft entrichtete Steuern vom Einkommen und vomVermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) ./. steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§ 11 AStG) ./. Verlustabzug (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V. mit § 10d EStG) = Hinzurechnungsbetrag, ggf. verteilt auf mehrere Inlandsbeteiligte + Aufstockungsbetrag in Höhe der anteiligen anrechenbaren Steuern bei Antrag auf Steueranrechnung (§ 12 Abs. 1 AStG) = anzusetzender Hinzurechnungsbetrag +

2. Ermittlung der Zwischeneinkünfte

10.161 § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG ordnet an, dass die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte (Zwischeneinkünfte) in entsprechender 1 Im Rahmen der Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG hat dessen Ansatz nur nachrichtlichen Charakter; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 61, 71; Gropp in Lademann, § 10 AStG Rz. 50.

436

F. Rechtsfolgen

Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind.1 Da die ausländische Zwischengesellschaft nicht unmittelbar selbst in den Pflichtenkreis des deutschen Steuerrechts einbezogen ist, wendet sich diese Vorschrift ausschließlich an den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner und begründet für ihn, gesondert für jede Zwischengesellschaft, an der er beteiligt ist, eine originäre eigene Einkünfteermittlungspflicht.2 Er allein ist Ermittlungs- und Zurechnungssubjekt der Zwischeneinkünfte; die Zwischengesellschaft selbst ist lediglich Einkünfteerzielungssubjekt.3 Hierdurch werden die steuerlichen Pflichten des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners auf den Bereich der Zwischengesellschaft ausgedehnt. Im Ergebnis bürdet § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner diejenigen steuerlichen Einkünfteermittlungspflichten auf, die die ausländische Zwischengesellschaft hätte, wäre sie im Inland mit den Zwischeneinkünften selbst steuerpflichtig. Diese weitreichende Einkünfteermittlungspflicht stößt insofern an die Grenzen der tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit, als die Ermittlung der Zwischeneinkünfte den Rückgriff auf das Buchführungswerk der ausländischen Zwischengesellschaft voraussetzt. Ob hierauf ein Rechtsanspruch besteht, beurteilt sich ausschließlich nach dem jeweiligen ausländischen Gesellschaftsrecht. Aus der Einkünfteermittlungspflicht des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners folgt allerdings nicht, dass dieser eine eigene Buchführung einzurichten und Aufzeichnungen zu machen hätte.4 Es reicht vielmehr aus, wenn die nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zu ermittelnden Zwischeneinkünfte aus den Buchführungsunterlagen der ausländischen Zwischengesellschaft abgeleitet werden.5

10.162

Die Einkünfteermittlungspflicht bezieht sich nicht auf sämtliche Einkünfte der Zwischengesellschaft, sondern nur auf die Zwischeneinkünfte. Da eine quotale Bilanzierung von Vermögen, Ertrag und Aufwand nicht möglich ist, beschränkt sich § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG nicht auf die Zwischeneinkünfte, soweit sie auf den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner entfallen, sondern erstreckt sich auf alle Zwischeneinkünfte.6 Da § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG nur Zwischeneinkünfte erfasst, bedarf es einer besonderen Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben in den Fällen, in denen die ausländische Gesellschaft auch Einkünfte aus aktiver

10.163

1 Die Zwischeneinkünfte gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, die gem. § 18 AStG gesondert festgestellt werden. 2 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 212 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 63; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 62. 3 BFH v. 2.7.1997 – I R 32/95, BStBl. II 1998, 176. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 221. 5 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.2.1. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 74, 213; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 67; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.1.1.1.

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Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Tätigkeit erzielt. Diese Zuordnung ist bedeutsam insbesondere im Hinblick auf § 10 Abs. 4 AStG, wonach bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte nur solche Betriebsausgaben oder ggf. Werbungskosten1 abgezogen werden dürfen, die mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.2 In der Praxis erfolgt hier die Einkünfteabgrenzung nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Betriebsstättengewinnermittlung, (Rz. 18.9 ff.) so dass bei gemischten Einkünften die direkte oder die indirekte Gewinnermittlungsmethode zur Anwendung kommt.3

10.164 Nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG sind die Zwischeneinkünfte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln.

10.165

Im Hinblick auf die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen, führt die Maßgeblichkeit der Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts zu einem Systembruch. Soll nämlich entsprechend der in den §§ 7 bis 14 AStG statuierten Ausschüttungsfiktion beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner die Besteuerung als Rechtsfolge so vorgenommen werden, als ob die ausländische Gesellschaft ausgeschüttet hätte, ist allein auf den ausschüttungsfähigen Gewinn, der nach den Vorschriften des jeweiligen ausländischen Handelsrechts ermittelt wird, abzustellen. Da § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG indessen den Gewinn nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zur Besteuerungsgrundlage erhebt, wird das Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung weitgehend verfehlt. Der inländische Anteilseigner hat daher im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht selten mehr zu versteuern, als er bei tatsächlicher Vollausschüttung zu versteuern hätte. Die durch § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG bewirkte Divergenz zwischen fiktiver Ausschüttung einerseits und tatsächlich möglicher Ausschüttung andererseits führt zu Doppelbelastungen, sofern die tatsächlich mögliche Ausschüttung hinter der fingierten Ausschüttung zurückbleibt.

10.166 Im Grundsatz greifen alle Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts ein.4 Zu diesen Vorschriften gehört auch der im außensteuerlichen Kontext bedeutsame § 1 AStG. Die entsprechende Anwendung auch des § 1 AStG bedeutet, dass auf die Geschäftsbeziehungen der ausländischen Zwischengesellschaft „zum Ausland“ abzustellen ist.

1 Von der Hinzurechnungsbesteuerung werden nicht nur Gesellschaften, sondern auch andere Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erfasst, die die Einkünfte durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermitteln; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 422. 2 Ein „unmittelbarer“ wirtschaftlicher Zusammenhang wird nicht verlangt, maßgeblich ist die betriebliche Veranlassung; zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 424. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 224, 424; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 66 ff.; vgl. auch BMF v. 14.5.2004, BStBl. 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.4. 4 Vgl. die Aufstellung bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 234 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 71 ff.; Edelmann in Kraft, § 10 Rz. 500 ff.

438

F. Rechtsfolgen

Da diese Gesellschaften aber nur Geschäftsbeziehungen „im Ausland“ oder „zum Inland“ haben,1 wird der Tatbestand des § 1 AStG nicht erfüllt,2 so dass er bei Ermittlung der Zwischeneinkünfte im Ergebnis unberücksichtigt bleibt.3 § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG verweist lediglich auf die Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts. Die Verweisung erfasst damit die Einkommensermittlungsvorschriften nicht zur Gänze. Eine Erweiterung enthält allerdings § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG, aufgrund dessen § 10d EStG (Verlustabzug) für anwendbar erklärt wird. Die Verweisung in § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG erfährt aber eine Einschränkung durch § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG, wonach steuerliche Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines inländischen Betriebs oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, ebenso außer Betracht bleiben4 wie die Vorschriften des § 4h EStG und der §§ 8a, 8b Abs. 1 und 2 KStG und des UmwStG, soweit umwandlungsbedingte Einkünfte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG hinzuzurechnen sind.5

10.167

Durch die Suspendierung steuerlicher Vergünstigungen,6 die an die unbeschränkte Steuerpflicht7 oder an eine inländische Betriebsstätte anknüpfen, wird sichergestellt, dass entsprechende steuerliche Förderungsmaßnahmen nicht auf das Ausland ausgedehnt werden, so dass hierdurch die Zwischeneinkünfte auch keine Schmälerung erfahren. Unterhält die Zwischengesellschaft im Inland allerdings eine Betriebsstätte, sind steuerliche Vergünstigungen insoweit anwendbar.8 Die Nichtanwendbarkeit des § 4h EStG und des § 8a KStG (Zinsschranke) soll eine Erhöhung der Zwischeneinkünfte ohne eine entsprechende ausländische Besteuerung vermeiden. Anderenfalls geriete die ausländische Gesellschaft nur wegen

10.168

1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 318; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 76; Köhler, RIW 1988, 979 (985). 2 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 318 ff.; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 60; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.1.1.1. 3 Bei der Ermittlung der vom unbeschränkt Steuerpflichtigen selbst erzielten Einkünfte kann wegen seiner Geschäftsbeziehungen zu einer Zwischengesellschaft § 1 AStG dagegen Anwendung finden, wobei dann zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei der Ermittlung der Einkünfte der Zwischengesellschaft eine Gegenberichtigung durchzuführen ist, so BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer. 1, Tz. 10.1.1.1. 4 Einzelheiten hierzu bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 340 ff. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 345.1 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 73 ff.; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 79 ff. 6 Hierzu gehören vor allem Lenkungsnormen; im Übrigen ist der Begriff unklar; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 341 ff. 7 Z.B. §§ 6 Abs. 2, 6a, 6b, 7b, 7g, 13a, 14a EStG; zur Anwendung von § 66 EStG Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 345; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 107. 8 Schönfeld/Wassermeyer in F/W/B, § 10 AStG Rz. 344.

439

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

der Zinsschranke in eine Niedrigbesteuerung, wodurch ggf. eine Doppelbesteuerung ausgelöst werden könnte, falls der inländische Anteilseigner Darlehensgeber ist.1 Dass bei der Ermittlung die Zwischeneinkünfte ferner auch § 8b Abs. 1 u. 2 KStG nicht anzuwenden ist, beruht letztlich darauf, dass Dividenden und Veräußerungsgewinne bereits gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8 u. 9 AStG zu den aktiven Einkünften und somit von vorneherein nicht zu den Zwischeneinkünften zählen.2

10.169 Die Nichtanwendung des UmwStG schließlich beschränkt sich auf den Fall, dass die Einkünfte nicht aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG stammen.3 Das bedeutet, dass das UmwStG im Ergebnis nur dann unanwendbar bleibt, wenn Umwandlungsgewinne passiv sind.

10.170 Soweit die Zwischengesellschaft in- oder ausländische Investmentfondsanteile (§ 1 Nr. 1 InvG) hält, gelten für die Ermittlung der diesbezüglichen Einkünfte die Vorschriften des InvStG4 sinngemäß (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG). Wegen § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG hat die vorstehende Regelung indessen keine praktische Bedeutung.5

10.171 § 10 Abs. 3 Satz 2 AStG räumt dem inländischen Anteilseigner hinsichtlich der Einkünfteermittlungsmethode ein Wahlrecht ein: Er kann zwischen §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG (Betriebsvermögensvergleich) einerseits und § 4 Abs. 3 EStG (Einnahme-Überschussrechnung) andererseits wählen. Die Entscheidung des inländischen Anteilseigners für einen Betriebsvermögensvergleich gilt unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft ihrerseits nach dem für sie maßgeblichen ausländischen Recht zu einer Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich verpflichtet ist.6 Das Wahlrecht kann gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AStG bei mehreren Beteiligten nur einheitlich ausgeübt werden.

10.172 Das vorstehende Wahlrecht setzt allerdings voraus, dass die Zwischengesellschaft Gewinneinkünfte erzielt. Erzielt daher etwa eine Zwischengesellschaft Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung bzw. sonstige Einkünfte, so sind die Zwischeneinkünfte zwingend nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln, soweit die Anteile im Privatvermögen gehal-

1 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 708, 713; § 10 AStG Rz. 345.1; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 193; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 191; Goebel/Haun, IStR 2007, 768 (774); Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (75 f.). 2 Vgl. Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 81. 3 Die in § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG gewählte Formulierung „soweit Einkünfte aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 hinzuzurechnen sind“ ist missverständlich. 4 Investmentsteuergesetz v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2676. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 326; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 69. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 327.

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F. Rechtsfolgen

ten werden. Eine Option zugunsten einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist für diesen Fall rechtlich nicht vorgesehen.1 Jeder unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, der erstmalig der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, hat eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz zu erstellen, soweit nicht zulässigerweise für die Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG optiert wird.2 Die eröffnende Hinzurechnungsbilanz ist auf den Zeitpunkt aufzustellen, an dem erstmalig die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung vorliegen.3 Für die Wertansätze gilt § 21 Abs. 3 AStG, wonach die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, die sich ergeben würden, wenn seit Übernahme der Wirtschaftsgüter durch die ausländische Gesellschaft die Vorschriften des deutschen Steuerrechts angewendet worden wären.4 Damit werden bereits früher entstandene stille Reserven bei ihrer Realisierung der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen.5 Die eröffnende Hinzurechnungsbilanz sowie die weiteren Hinzurechnungsbilanzen können in Euro oder in fremder Währung aufgestellt werden.6 Die Einkünfteermittlung selbst kann auch in ausländischer Währung erfolgen. Die Währungsumrechnung ist hierbei in erster Linie nach dem sog. Zeitbezugsverfahren7 vorzunehmen;8 aus Vereinfachungsgründen kann aber auch der Jahresdurchschnittskurs zugrunde gelegt werden.9

10.173

3. Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Gesellschaften In den Fällen eines mehrstufigen Beteiligungsaufbaus, in denen einer ausländischen Obergesellschaft eine oder mehrere Zwischengesellschaften 1 BFH v. 13.11.1996 – I R 3/96, HFR 1997, 596; v. 21.1.1998 – I R 3/96, BStBl. II 1998, 468; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 249, 327. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 277; nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.3.1 soll dagegen stets eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz dem Finanzamt vorgelegt werden müssen. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 280; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 92; Mössner in B/K/L/M/R, § 10 AStG Rz. 22; demgegenüber eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft verlangend BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.3.1. 4 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 276. 5 Diese tatbestandliche Rückanknüpfung hat der BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113 als nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßend gebilligt. 6 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.2.3. 7 Hierzu Langenbucher-Blaum in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Kap. 6 Rz. 630 ff.; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 323 ff. 8 Die Rechtsprechung bevorzugt diese Umrechnungsmethode, vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57 und v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 9 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.1.1.4.

441

10.174

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

nachgeschaltet sind, werden die Zwischeneinkünfte dieser Untergesellschaften der vorgeschalteten Obergesellschaft zugerechnet. Die Zurechnung setzt auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages an.1 Die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft gehören zu den dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft gem. § 10 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Einkünften. Diese Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG hat an erster Stelle unmittelbar nach Ermittlung der Zwischeneinkünfte zu erfolgen.2 4. Steuerabzug

10.175 Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG errechnet sich der maßgebliche Hinzurechnungsbetrag auf der Grundlage der Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft nach Abzug der Steuern vom Einkommen und Vermögen dieser Gesellschaft. Erfasst werden damit Steuern, die nicht ohnehin schon als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Solche außerbetrieblichen Steuern werden in Abweichung zu § 10 Nr. 2 KStG deshalb zum Abzug zugelassen, weil nur so, entsprechend dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, der Betrag erfasst wird, den die ausländische Gesellschaft günstigstenfalls hätte ausschütten können.

10.176

Im Hinblick auf die konzeptionelle Gleichstellung von ausschüttungsfähigem Gewinn einerseits und Hinzurechnungsbetrag andererseits ist es inkonsequent, den Abzug der Steuern nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass diese tatsächlich erhoben und entrichtet worden sind (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AStG). Die Höhe des ausschüttungsfähigen Gewinns wird nämlich schon durch Bildung von Steuerrückstellungen beeinflusst. Aus diesem Grund ergeben sich Divergenzen zwischen tatsächlicher Ausschüttung und dem Hinzurechnungsbetrag, die zu Doppelbelastungen führen können.

10.177 Abziehbar sind nur diejenigen Steuern, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhoben3 werden.4 Hierzu gehören nicht nur die sog. Sitzstaatensteuern, sondern auch jene Steuern, die von Drittstaaten, also ggf. auch von Deutschland, erhoben werden.5 Die Abzugsfähigkeit ist hierbei begrenzt auf Steuern, die auf die Zwischeneinkünfte und das ihnen zugrunde liegende Vermögen entfallen. Bei gemischten Einkünften hat eine

1 BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 2 Vgl. Rz. 10.160; zu Einzelheiten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Untergesellschaften vgl. Rz. 10.217 ff. 3 D.h. gezahlt werden; BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727, also Saldo von Entrichtung und Erstattung; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 96. 4 Sie gehen in die gesonderte Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG ein; vgl. BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 5 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 21.

442

F. Rechtsfolgen

Aufteilung zu erfolgen, wobei auch hier nach der direkten oder indirekten Methode verfahren werden kann.1 5. Beteiligungsveräußerungsgewinne Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Kapitalgesellschaft sind gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG grundsätzlich Einkünfte aus aktivem Erwerb, soweit nachgewiesen wird, dass der Gewinn Wirtschaftsgütern der nachgeschalteten Gesellschaft zuzuordnen ist, die nicht der Erzielung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter dienen. Entsprechendes gilt auch für die Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals. Gelingt dieser auf ein Wirtschaftsgut bezogene Nachweis nicht, werden die vorgenannten Beteiligungsveräußerungsgewinne auf der Ebene der ausländischen Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) als Einkünfte aus passivem Erwerb qualifiziert und somit im Ergebnis der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt. Insoweit kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn im Veräußerungspreis des Anteils thesaurierte Gewinne (offene Rücklagen) abgegolten werden, die in der Vergangenheit als Einkünfte aus passivem Erwerb, und zwar als Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG), bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben. Es handelt sich hierbei um die Kapitalanlageeinkünfte der nachgeschalteten Kapitalgesellschaft (Untergesellschaft), die über § 14 AStG der vorgeschalteten Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) zugerechnet und von dort der Hinzurechnungsbesteuerung beim inländischen Anteilseigner zugeführt worden sind. Um diese Doppelbesteuerung auf der Ebene der Zwischengesellschaft zu vermeiden,2 enthält § 11 AStG eine sachliche Steuerbefreiung, wonach die Beteiligungsveräußerungsgewinne vom Hinzurechnungsbetrag auszunehmen sind. Das bedeutet, dass bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die Zwischeneinkünfte um die steuerfreien Beteiligungsveräußerungsgewinne zu kürzen sind.3

10.178

Die Beteiligungsveräußerungsgewinne werden allerdings nur freigestellt, soweit die Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG) der nachgeschalteten Gesellschaft (Untergesellschaft) für das gleiche Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre oder Wirtschaftsjahre als Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 AStG) beim inländischen Anteilseigner der ausländischen Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterlegen haben. Hieraus folgt, dass weiter zurückliegende, im Inland versteuerte, Hinzurechnungsbeträge unberücksichtigt bleiben, so dass diesbezüglich eine

10.179

1 Zur direkten und indirekten Methode Rz. 10.163, 18.23; vgl. im Übrigen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 98, 102, dort auch zu Problemen der zeitlichen Zuordnung in Rz. 103 ff. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 11 AStG Rz. 9; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 3; Intemann in Haase, § 11 AStG Rz. 1. 3 Vgl. hierzu das vereinfachte Ermittlungschema Rz. 10.160.

443

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Doppelbesteuerung nicht vermieden wird.1 Da nur thesaurierte Gewinne der nachgeschalteten Kapitalgesellschaft (Untergesellschaft) im Veräußerungspreis und damit auch im Veräußerungsgewinn abgebildet sein können, greift die Steuerbefreiung nur insoweit ein, als die betreffenden Kapitalanlageeinkünfte noch nicht ausgeschüttet worden sind. Hierbei ist davon auszugehen, dass vorrangig stets diejenigen Gewinne als ausgeschüttet gelten, die nicht zu den Kapitalanlageeinkünften zählen.2

10.180 Von der Reichweite der Steuerbefreiung des § 11 AStG werden wegen des sachlichen Zusammenhangs mit § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG alle veräußerungsbedingten Gewinnrealisationen sowie solche erfasst, die auf veräußerungsgleichen Vorgängen beruhen. Betroffen sind nicht nur entsprechende Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der unmittelbar nachgeschalteten Kapitalgesellschaft, sondern auch von solchen an weitere auf nachfolgenden Beteiligungsstufen angesiedelten Gesellschaften. Entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG werden von § 11 AStG auch Kapitalgesellschaften i.S. des § 16 REITG erfasst (Rz. 10.121). Erfasst werden schließlich nur Gewinne, nicht aber Verluste. Denn diese finden bereits im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Berücksichtigung mit der Folge, dass im Hinblick auf die hierdurch geminderten Einkünfte aus passivem Erwerb eine Doppelbesteuerung insoweit nicht eintreten kann.3

10.181 § 11 AStG ist zwar auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichtet, dies setzt aber keine Personen- oder Anteilsidentität voraus. Das bedeutet, dass die Steuerbefreiung des § 11 AStG dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner auch dann zugute kommt, wenn er selbst in der Vergangenheit nicht oder nicht in entsprechendem Umfang an der ausländischen Gesellschaft beteiligt war.4 Schließlich kommt es auch nicht darauf an, dass in der Vergangenheit die betreffenden Hinzurechnungsbeträge eine effektive Einkommen- oder Körperschaftsteuer ausgelöst haben. Es reicht vielmehr aus, dass sie steuerlich erfasst worden sind.5 6. Verlustabzug

10.182 Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG entfällt zwar eine Hinzurechnung, sofern nach Berücksichtigung der abziehbaren Steuern (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG) 1 Zur Kritik an dieser Restriktion L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 43; Intemann in Haase, § 11 AStG Rz. 30. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 11 AStG Rz. 55; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 48; Intemann in Haase, § 11 AStG Rz. 3.2; Rödder in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung2, 293 (303); a.A. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.5.1, wonach auf eine zeitliche Zuordnung abgestellt wird. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 11 AStG Rz. 32; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 27.1. 4 Hierzu L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 42.1.; Intemann in Haase, § 11 AStG Rz. 27. 5 Hierzu L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 45; BMF v. 14 5. 2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.5.2.

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F. Rechtsfolgen

ein negativer Betrag verbleibt; § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG eröffnet aber dennoch die Möglichkeit, negative Zwischeneinkünfte im Rahmen eines Verlustabzuges (§ 10d EStG) durch Verrechnung mit positiven Zwischeneinkünften steuerlich zur Geltung zu bringen. Da der Verlustabzug bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages auf der letzten Stufe einsetzt, wird im Ergebnis der Wertung des § 10d EStG entsprochen, der als Sonderausgabenvorschrift seine Wirkung erst nach der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte entfaltet (§ 2 Abs. 4 EStG).1 Durch die konstitutiv wirkende Verweisung kommt § 10d EStG entgegen seiner systematischen Stellung im Einkommensteuergesetz als Einkommensermittlungsvorschrift bereits bei der Ermittlung der Einkünfte, nämlich des Hinzurechnungsbetrages, zur Anwendung.2 Infolge des Charakters als Einkünfteermittlungsvorschrift im Rahmen der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags wirkt sich die Anwendung des § 10d EStG automatisch auch auf die Gewerbeertragsteuer aus, so dass es insoweit in § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG keiner Verweisung auf § 10a GewStG bedurfte.3

10.183

§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG ist eine konsequente Folge des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG und gewährleistet im Rahmen des Verlustvortrages, dass entsprechend dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung – Beseitigung der Aufschub- und Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung – der beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzende Hinzurechnungsbetrag sich wenigstens, über mehrere Wirtschaftsjahre gerechnet, insgesamt am ausschüttungsfähigen Gewinn (Bilanzgewinn) der Zwischengesellschaft orientiert.

10.184

Die Ermittlung der Zwischeneinkünfte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts ist indessen nicht geeignet, den Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung zu verwirklichen. Im Grundsatz soll nämlich die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner zu einer Besteuerung führen, die der Besteuerung der Dividenden im Falle der Vollausschüttung entspricht. Der ausschüttungsfähige Gewinn der ausländischen Gesellschaft wird aber allein auf der Grundlage der Gewinnermittlungsvorschriften des ausländischen Handelsrechts ermittelt. Ergibt sich ein Verlust (Jahresfehlbetrag), so beeinflusst dieser zwar die ausschüttungsfähigen Gewinne der nächsten Jahre, er führt aber nicht zu einer Minderung der ausschüttungsfähigen Gewinne bereits abgelaufener Wirtschaftsjahre. Im Hinblick darauf ist die Anwendung des § 10d EStG, insbesondere im Rahmen des Verlustrücktrages, inkonsequent.

10.185

1 Dies wird durch § 10 Abs. 3 Satz 6 AStG bestätigt, wonach der Verlustabzug in Höhe des um den Steuerabzug erhöhten Betrages der negativen Zwischeneinkünfte in Betracht kommt; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 72, 357; für den Ansatz an letzter Stelle auch BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.5.1. 2 BFH v. 5.11.1992 – I R 38/92, HFR 1993, 166. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 382.

445

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

10.186 Da die entsprechende Anwendung des § 10d EStG auf der Ebene der Einkünfteermittlung erfolgt und damit gesellschaftsbezogen ist, darf der Verlustabzug nur bei der Zwischengesellschaft erfolgen, die zuvor den entsprechenden Verlust auch tatsächlich erlitten hat.1 Ein Ausgleich mit positiven Zwischeneinkünften einer anderen Zwischengesellschaft, an der der Anteilseigner beteiligt ist, bleibt daher versagt.2 Wegen der Gesellschaftsbezogenheit des Verlustabzuges spielen die Beteiligungsverhältnisse keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass am Ende des Verlustjahres allgemein die Voraussetzungen der §§ 7 bis 14 AStG vorgelegen haben. Dazu gehört, dass in diesem Zeitpunkt unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zu mehr als der Hälfte oder, soweit § 7 Abs. 6 AStG eingreift, zu einer geringeren Quote an der ausländischen Gesellschaft beteiligt waren. Welchem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ggü. der Verlustabzug wirkt, beurteilt sich dagegen nach den Verhältnissen im Verlustabzugszeitpunkt,3 so dass auch derjenige vom Verlustabzug profitiert, der im Verlustentstehungsjahr an der Zwischengesellschaft nicht beteiligt war.4

10.187 § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG ordnet schließlich an, dass der Verlustabzug, der nicht gesondert festgestellt werden muss,5 stets um die nach § 9 AStG außer Ansatz zu lassenden Zwischeneinkünfte zu kürzen ist. Daher ist ein Verlustvortrag auch dann gegen positive Zwischeneinkünfte zu rechnen, wenn diese an sich schon nach § 9 AStG von der Hinzurechnungsbesteuerung auszunehmen wären.6 7. Aufteilung auf mehrere Steuerinländer

10.188 § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AStG bestimmt, dass die Steuerpflicht nur bei demjenigen einsetzt, der am Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres an der Zwischengesellschaft beteiligt ist. Mit dieser grundlegenden Bestimmung steht § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG im Einklang, wonach der Hinzurechnungsbetrag bei dem jeweiligen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzen ist. Hieraus folgt, dass im Anschluss an die Ermittlung der Zwischeneinkünfte – unter Berücksichtigung zuzurechnender Zwischeneinkünfte (§ 14 Abs. 1 AStG), der von der Zwischengesellschaft selbst entrichteten Steuern (§ 10 Abs. 1 AStG), bestimmter Beteiligungsveräußerungsgewinne (§ 11 AStG) und eines Verlustabzuges (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG) – diese entsprechend aufzuteilen sind, soweit mehrere unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zum maßgeblichen 1 BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.1.1.3. 3 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.3.5.3; Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 359; Mössner in B/K/L/M/R, § 10 AStG Rz. 65. 4 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 114; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 85. 5 BFH v. 5.11.1992 – I R 38/92, BStBl. II 1993, 177. 6 Weitere Einzelheiten bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 398 ff.

446

F. Rechtsfolgen

Stichtag beteiligt sind.1 Nach dieser Aufteilung ergibt sich für jeden unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ein Hinzurechnungsbetrag, der nach Berücksichtigung des Aufstockungsbetrages gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG als anzusetzender Hinzurechnungsbetrag unmittelbar steuerlich wirksam wird. Während die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Beträge gem. § 10 Abs. 3 AStG gesellschaftsbezogen sind und damit einheitlich für und gegen alle unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner festgestellt werden,2 ist die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages im Anschluss an die Aufteilung gesellschafterbezogen, so dass es für jeden einzelnen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner einen gesonderten Hinzurechnungsbetrag gibt.3 Bei Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners an mehreren Zwischengesellschaften sind zugleich auch mehrere Hinzurechnungsbeträge zu ermitteln.4

IV. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Literatur Kommentare zu § 10 AStG; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Lipps, Außensteuerrecht, 2. Aufl. Baden-Baden 1987; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, Köln 1986; Rasch, Die Ziele der neuen deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, Weilerswist 2004; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 73; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985, 209.

1. Systematischer Standort Der gem. § 10 Abs. 1 AStG auf der Grundlage der Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft für jeden einzelnen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ermittelte Hinzurechnungsbetrag ist für die Besteuerung im Inland noch nicht maßgebend, sofern die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhobenen Steuern gem. § 12 Abs. 1 AStG beim Anteilseigner angerechnet werden sollen. Anzusetzen ist in diesem Fall der um den Aufstockungsbetrag (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AStG) erhöhte Hin-

1 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 10.0.1. 2 Einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 AStG. 3 BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502; BMF v. 14 5. 2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.2.4. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 63.

447

10.189

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

zurechnungsbetrag. Die steuerliche Behandlung dieses anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages ergibt sich aus § 10 Abs. 2 AStG.1

10.190 Ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag negativ, so entfällt eine Hinzurechnung. Die diesbezügliche Bestimmung in § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG ist zwar auf den Hinzurechnungsbetrag bezogen, betrifft aber in Wahrheit den für die Besteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag.2 Dass ein negativer anzusetzender Hinzurechnungsbetrag beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner unmittelbar keine steuerliche Berücksichtigung finden kann, ist, gemessen am Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, selbstverständlich. Die Hinzurechnungsbesteuerung will von ihrer Rechtsfolge her den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner nämlich so behandeln, als habe die ausländische Gesellschaft ausgeschüttet. Die auf die Beseitigung der ggü. der deutschen Besteuerung bestehenden Aufschub- und Abschirmwirkung gerichtete Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung erlaubt es daher nicht, beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner einen negativen Hinzurechnungsbetrag anzusetzen.3 Da bei der Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners an mehreren Zwischengesellschaften jeweils gesondert anzusetzende Hinzurechnungsbeträge zu ermitteln sind, negative anzusetzende Hinzurechnungsbeträge gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG aber außer Ansatz bleiben müssen, ergibt sich als weitere Folge insoweit auch ein Ausgleichsverbot zwischen negativen und positiven Hinzurechnungsbeträgen.4 2. Einkünftequalifikation a) Einkünfte aus Kapitalvermögen

10.191 Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag wird gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gezählt.5 Der Ansatz als Dividende beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ist folgerichtig und entspricht der Grundwertung der Hinzurechnungsbesteuerung, den Steuerinländer in der Rechtsfolge so zu be1 Im Rahmen der Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG hat dessen Ansatz nur nachrichtlichen Charakter; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.2.4. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 131 ff. 3 Hierzu Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 34; Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 222; Reiser/Haun/Käshammer in W/S/G, § 10 AStG Rz. 7; verfassungsrechtliche Zweifel äußern dagegen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 133; ähnlich Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 38. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 134; zu Gestaltungsüberlegungen durch Zusammenfassung von Beteiligungen in einer ausländischen Holding Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 38. 5 Die Entscheidung über die Einkunftsart wird erst im Veranlagungsverfahren des Steuerpflichtigen getroffen, BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502.

448

F. Rechtsfolgen

handeln, als habe die ausländische Gesellschaft an ihn ausgeschüttet. Damit wird im Ergebnis beim inländischen Gesellschafter Soll-Einkommen erfasst.1 Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag stellt eine (fiktive) Einnahme2 dar mit der Folge, dass ihm auch Werbungskosten gegenüberzustellen sind, die in wirtschaflichem Zusammenhang mit der Beteiligung an der Zwischengesellschaft anfallen, selbst aber keine Aufwendungen dieser Zwischengesellschaft sind. So können etwa Kosten anlässlich der Gesellschafterversammlungen sowie aus Anlass der Aufstellung der Hinzurechnungsbilanz und der dafür maßgebenden Buchführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden,3 wobei allerdings gem. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG das partielle Abzugsverbot (40 Prozent) des § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung kommt (Rz. 10.198).

10.192

Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner hat die Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit ihnen ein anzusetzender Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegt, auf zwei Stufen zu ermitteln: Auf der ersten Stufe sind die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte aufgrund der Sondernorm des § 10 Abs. 3 AStG im Regelfall (Rz. 10.171) durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) oder durch Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) zu ermitteln. Der sich unter Berücksichtigung des Aufstockungsbetrages gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG ergebende anzusetzende Hinzurechnungsbetrag ist sodann auf einer zweiten Stufe bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Vergleich der Einnahmen mit den Werbungskosten anzusetzen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

10.193

§ 10 Abs. 2 AStG legt nicht nur die Einkunftsart fest, innerhalb deren der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen ist, sondern bestimmt auch, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen gilt. Damit wird auch die notwendige zeitliche Beziehung zwischen den persönlichen und sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen einerseits und der Rechtsfolge andererseits hergestellt. Die Zuflussfiktion konkretisiert die Grundwertung des Gesetzes dahingehend, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner in der Rechtsfolge so behandelt wird, als habe die ausländische Gesellschaft zum frühest-

10.194

1 Zur Legitimation unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten Schaumburg in FS Tipke, 125 (140). 2 So auch Mössner in B/K/L/M/R, § 10 AStG Rz. 101; im Sinne eines „Einkünfteerhöhungsbetrages eigener Art“ BFH v. 7.9.2005 – I R 118/04, BStBl. II 2006, 537; v. 11.2.2009 – I R 40/08, BStBl. II 2009, 594; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 144; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 40; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 44; nunmehr durch § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG (JStG 2008) im Sinne der fiktiven Einnahme geregelt, wodurch die praktische Relevanz der Meinungsunterschiede entfallen ist. 3 Das gilt im Ergebnis auch bei Ansatz eines Einkünfteerhöhungsbetrages.

449

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

möglichen Zeitpunkt an ihn ausgeschüttet. Diese Rechtsfolge unterscheidet sich von der Besteuerung tatsächlicher Ausschüttungen allerdings dadurch, dass gem. § 7 Abs. 1 AStG die Steuerpflicht nur bei demjenigen einsetzt, der am Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres beteiligt ist; bei der Besteuerung tatsächlicher Ausschüttungen kommt es hingegen darauf an, wer zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 20 Abs. 5 EStG).

10.195 Entspricht das für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte maßgebende Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft dem Kalenderjahr, so erfolgt die Hinzurechnung jeweils am 1. 1. des auf das Wirtschaftsjahr folgenden Kalenderjahres, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der zum maßgeblichen Stichtag 31. 12. beteiligte unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner auch am 1. 1. noch beteiligt ist.1 Da bei abweichendem Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft das Ende des Wirtschaftsjahres und der Zeitpunkt der Hinzurechnung stets in dasselbe Kalenderjahr fallen, erfolgt die Besteuerung damit im Ergebnis in ein und demselben für den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner maßgeblichen Veranlagungszeitraum. b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb

10.196 § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG bestimmt, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag den Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit zuzuordnen ist, wenn die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehört.2 Da die vorgenannte Vorschrift keine weitere Differenzierung vornimmt, spielt es für die Einkünftequalifizierung keine Rolle, ob die Anteile inländisches oder ausländisches Betriebsvermögen, notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen oder aber Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen sind.3

10.197 Gehören die Anteile zu einem gewerblichen Betriebsvermögen mit der Folge, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählt, so ist dieser nicht ohne weiteres zugleich auch Bestandteil der nach § 5 EStG aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs oder nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmeüberschussrechnung vorzunehmenden Gewinnermittlung. Dies deshalb nicht, weil der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag nicht tatsächliche, sondern lediglich fiktive Einnahmen repräsentiert. Im Hinblick darauf ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag außerhalb der Steuerbilanz und der Einnahme-

1 Zu den damit verbundenen Problemen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 156 ff. 2 Hierüber wird erst im Veranlagungsverfahren des Steuerpflichtigen entschieden; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 181; Mössner in B/K/L/M/R, § 10 AStG Rz. 108.

450

F. Rechtsfolgen

überschussrechnung bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Korrekturposten (Erhöhungsbetrag) zu berücksichtigen.1 Auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag finden §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, 32d EStG sowie § 8b Abs. 1 KStG keine Anwendung, wodurch im Ergebnis sichergestellt wird, dass die betreffenden Zwischeneinkünfte auf das maßgebliche inländische Ertragsteuerniveau angehoben werden.2 Im Hinblick darauf, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag als (fiktive) Einnahme zu qualifizieren ist, regelt § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG, dass hierauf § 3c Abs. 2 EStG entsprechend zur Anwendung kommt3 mit der Folge, dass auf Gesellschafterebene anfallende Werbungskosten und Betriebsausgaben nur zu 60 Prozent abzugsfähig sind.4

10.198

Die Anwendung des partiellen Abzugsverbotes (§ 3c Abs. 2 EStG) im Zusammenhang mit dem anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 Satz 4 AStG) entspricht insoweit nicht der Folgerichtigkeit, als auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 Satz 3 EStG das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) keine Anwendung findet. Der Widerspruch zu der im Übrigen getroffenen Belastungsentscheidung – volle Besteuerung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages – lässt eine nur teilweise Berücksichtigung (60 Prozent) von Betriebsausgaben oder Werbungskosten eigentlich nicht zu. Das gilt zumal, weil auch bei späterer tatsächlicher Ausschüttung, soweit diese – im Regelfall – steuerfrei5 ist (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG), das partielle Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG wiederum eingreift. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG ist daher im Ergebnis mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

10.199

Soweit der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, unterliegt dieser im Grundsatz auch der Gewerbesteuer.6 Da der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag aufgrund der teleologischen Ausrichtung der Hinzurechnungsbesteuerung als „QuasiAusschüttung“ (Dividende) zu qualifizieren ist,7 kommt die Anwendung

10.200

1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 183.; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 36; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 43; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 54; für einen Ansatz innerhalb der Steuerbilanz Mössner in B/K/L/M/R, § 10 AStG Rz. 111; der Meinungsstreit hat allerdings keine nennenswerte praktische Bedeutung. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 187, 202. 3 Allerdings keine Anwendung auf Kapitalgesellschaften; zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 208 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 61; Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (87). 4 Gegen BFH v. 7.9.2005 – I R 118/04, BStBl. II 2006, 537 durch das JStG 2008 in das Gesetz eingefügt; vgl. zur Anwendung § 21 Abs. 17 Satz 1 AStG. 5 Vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 207; Intemann in Haase, § 10 AStG Rz. 56; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 40; Gropp in Lademan, § 10 AStG Rz. 53; Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (87). 6 BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 186; Absch. 38 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 GewStR 2008. 7 BFH v. 7.9.2005 – I R 118/04, BStBl. 2006, 537; BFH v. 11.2.2009 – I R 40/08, IStR 2009, 363; ferner Rz. 10.191.

451

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG in Betracht,1 die im Ergebnis allerdings nur im Falle der Anwendung der Mutter-Tochterrichtlinie2 entlastende Wirkung erzeugt (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG). 3. Anwendung von DBA

10.201 Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zwar als „Quasi-Ausschüttung“ (Dividende) zu qualifizieren, (Rz. 10.191) diese einseitige Qualifizierung ist aber im Anwendungsbereich der Zuteilungsnormen der DBA grundsätzlich rechtlich ohne Bedeutung. Denn maßgeblich allein sind die Einkünftequalifikationen und Definitionen der DBA selbst (Rz. 16.214 ff.). Da nach der Systematik der §§ 7 bis 14 AStG nicht etwa der nichtausgeschüttete Gewinn, sondern die Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft den maßgeblichen Besteuerungsgegenstand darstellen, beurteilt sich die Besteuerungsbefugnis im Grundsatz nach Art. 7 OECD-MA, wonach das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne nur dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zusteht. Dass die Unternehmensgewinne der ausländischen Gesellschaft über die §§ 7 bis 14 AStG letztlich auch den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern zugerechnet werden, ist zunächst nur einseitiger Natur. Sie widerspricht der sich aus Art. 7 OECD-MA ergebenden Zurechnung der Unternehmensgewinne zur betreffenden ausländischen Gesellschaft. Diese Zurechnungskonkurrenz ist durch die treaty overriding-Klausel des § 20 Abs. 1 AStG3 dahingehend gelöst, dass das Abkommensrecht insoweit verdrängt wird.4 Darüber hinaus bewirkt § 20 Abs. 1 AStG, dass die für den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag vorgenommene Qualifizierung als Dividende (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG) auch abkommensrechtlich wirkt. Damit ist der Hinzurechnungsbetrag nicht nur nach innerstaatlichem Recht, sondern auch auf Abkommensebene aus deutscher Sicht als Dividende des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners der ausländischen Gesellschaft zu qualifizieren. Hieraus folgt, dass Deutschland grundsätzlich auch abkommensrechtlich den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag nach Maßgabe der für Dividenden geltenden Verteilungsnormen (Art. 10 OECD-MA) besteuern darf.

1 Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, 496 (497 f.); Rödder, IStR 2009, 873 (876 f.) mit Hinweis auch auf die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG; a.A. Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 187. 2 RL Nr. 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- du Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten; hierzu Rz. 3.65 ff. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 20 AStG Rz. 22. 4 Zum treaty overriding im Einzelnen Rz. 3.26.

452

F. Rechtsfolgen

4. Aufstockung bei Steueranrechnung Gemäß § 10 Abs. 1 AStG sind bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern von den Zwischeneinkünften in Abzug zu bringen. Dieser Steuerabzug entspricht der erkennbaren Primärwertung des Gesetzes, die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen und den ausschüttungsfähigen Gewinn,1 also den Gewinn nach Steuern, zum frühestmöglichen Ausschüttungszeitpunkt beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner nach Maßgabe seiner Beteiligung als Dividenden der inländischen Besteuerung zu unterwerfen. § 12 Abs. 1 AStG räumt dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner auf Antrag allerdings das Recht ein, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern auf seine eigene Steuer anzurechnen. Diese Steueranrechnung, die unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung der Abschirmwirkung nicht plausibel ist,2 macht eine weitere Wertung des Gesetzgebers dahingehend deutlich, dass die Hinzurechnungsbesteuerung zu keiner höheren Steuer führen soll, als bei Nichteinschaltung der ausländischen Gesellschaft entstanden wäre. In diesem Falle wären etwaige ausländische Steuern zu Lasten des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners angefallen, wobei dieser die ausländischen Steuern unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG (§ 26 Abs. 1 KStG) sodann aber hätte anrechnen können.3 Wählt der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner die Steueranrechnung nach § 12 AStG, so ist die Aufstockung des Hinzurechnungsbetrages um die anrechnungsfähige Steuer eine logische Folge (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AStG).4

10.202

Andernfalls würde sich der Abzug der anrechnungsfähigen Steuern steuerlich dadurch doppelt auswirken, dass die ausländische Steuer einerseits nicht in der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer enthalten ist, andererseits aber auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Obwohl eine Anrechnung bei der Gewerbesteuer ausgeschlossen ist (Rz. 10.135), führt der Aufstockungsbetrag dort ebenfalls zu einer Erhöhung des Hinzurechnungsbetrages.5 Soweit es hierdurch zu einer übermäßigen Besteuerung kommt, sind Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) seitens der Finanzverwaltung geboten.6

10.203

1 Soweit ihm Zwischeneinkünfte zugrunde liegen. 2 Die Anrechnung wäre allein unter Durchgriffsgesichtspunkten folgerichtig gewesen; vgl. hierzu Mössner in B/K/L/M/R, § 12 AStG Rz. 1. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 3. 4 Der entsprechende Erhöhungsbetrag setzt auf der letzten Stufe der Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages an; vgl. Rz. 10.160. 5 BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555; Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 16; Intemann in Haase, § 12 AStG Rz. 6; Gropp in Lademann, § 12 AStG Rz. 9; Mössner in B/K/L/M/R, § 12 AStG Rz. 18; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG, Rz. 23a; modifizierend Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 17. 6 BFH v. 5.4.1995 – I R 81/94, BStBl. II 1995, 629; ferner Rz. 10.135.

453

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

V. Steueranrechnung 1. Allgemeines

10.204 Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag gehört zumeist zu den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Gewerbebetrieb des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners. Im Rahmen der steuerlichen Veranlagung können auf Antrag die in § 12 Abs. 1 AStG näher bezeichneten Steuern zur Anrechnung gebracht werden. Es handelt sich um eine Tarifvorschrift, die sich auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag lediglich mittelbar durch den entsprechenden Aufstockungsbetrag auswirkt (Rz. 10.202). Darüber hinaus können gem. § 12 Abs. 3 AStG auf Antrag auch auf die nach § 3 Nr. 41 EStG steuerfreien Ausschüttungen (Rz. 15.37 ff.) erhobenen Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden.

10.205 Beide Anrechnungsvorschriften haben nichts miteinander zu tun. Denn nach § 12 Abs. 1 AStG werden die Steuern einer Zwischengesellschaft, an der der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt ist (Tochtergesellschaft), angerechnet, und zwar nur insoweit, als die Steuern auf die Zwischeneinkünfte entfallen. Demgegenüber werden im Rahmen des § 12 Abs. 3 AStG die eigenen Steuern des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners angerechnet. Die Anrechnung nach den vorgenannten Vorschriften erfolgt mithin auf zwei verschiedenen Stufen, wobei die Anrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG derjenigen des § 12 Abs. 3 AStG in aller Regel zeitlich vorangeht.

10.206

Die Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG passt nicht in das System der Hinzurechnungsbesteuerung. Sie widerspricht insbesondere der in § 10 AStG verankerten Ausschüttungsfiktion, wonach folgerichtig von der Zwischengesellschaft gezahlte Steuern von den Zwischeneinkünften in Abzug gebracht werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG), weil diese das ausschüttbare Volumen mindern. Die Anrechnung dieser Steuern auf die Steuern des inländischen Anteilseigners entspricht konzeptionell dem Durchgriff durch die Zwischengesellschaft. Dieser Durchgriffskonzeption ist der Gesetzgeber im Ausgangspunkt aber gerade nicht gefolgt (Rz. 10.3, 10.16 ff.). § 12 Abs. 3 AStG dient der Vermeidung der Doppelbesteuerung von anzusetzendem Hinzurechnungsbetrag einerseits und nachfolgender Ausschüttung seitens der ausländischen Gesellschaft andererseits, wobei diese Vorschrift im Außensteuergesetz deplatziert und zudem unvollkommen ist. Beide Vorschriften machen indessen eine Sekundärwertung des Gesetzes erkennbar, wonach dem durch die Hinzurechnungsbesteuerung betroffenen Steuerpflichtigen insgesamt keine höheren Steuerlasten auferlegt werden sollen, als bei Nichteinschaltung der Zwischengesellschaft entstünden.

10.207 Von der Rechtsfolge her kann der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner im Rahmen des § 12 Abs. 1 AStG die zu Lasten der Zwischengesellschaft auf die Zwischeneinkünfte erhobenen Steuern so anrechnen, als hätte er diese Einkünfte selbst bezogen und die darauf entfallende Steuer selbst entrichtet. Die Rechtsfolge des § 12 Abs. 3 AStG geht im

454

F. Rechtsfolgen

Wesentlichen dahin, die Quellensteuern auf Ausschüttungen, deren zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte im Jahr des Bezugs oder in den vorangegangenen sieben Jahren der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden, zur Anrechnung zu bringen oder zum Abzug zuzulassen, obwohl die Ausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 EStG steuerfrei sind. 2. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG Literatur Kommentare zu § 12 AStG; Günkel/Lieber, Anmerkung zu BFH I R 4/05, IStR 2006, 459; Kollruss, Fiktive Anrechnung ausländischer Steuern im System der neuen Hinzurechnungsbesteuerung; lässt sich die Hinzurechnung durch Gewinnausschüttungen er ausländischen Zwischengesellschaft vermeiden?, IStR 2006, 513; Wurster, Die Anrechnungsoption nach § 12 AStG, StuW 1981, 351.

Auf Antrag des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners werden auf die auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag entfallende Einkommen- oder Körperschaftsteuer diejenigen Steuern angerechnet, die nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbar sind. Der Antrag, der an keine bestimmte Form und an keine bestimmte Frist1 gebunden ist, führt zu einem Wahlrecht zwischen Steuerabzug einerseits und Steueranrechnung andererseits. In aller Regel wird die Anrechnung gem. § 12 AStG günstiger sein als der Steuerabzug im Rahmen des Hinzurechnungsbetrages. Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner kann seinen Antrag nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG auf jeden einzelnen Hinzurechnungsbetrag beziehen. Das Wahlrecht ist daher nicht für alle Hinzurechnungsbeträge einheitlich auszuüben.2 Der Antrag kann auch auf einen Teil der bei einem Hinzurechnungsbetrag abziehbaren Steuern mit der Folge beschränkt werden, dass der Hinzurechnungsbetrag auch nur um den entsprechenden Teil des Aufstockungsbetrages zu erhöhen ist.3

10.208

Anrechenbar sind ausschließlich diejenigen Steuern, die zu Lasten der Zwischengesellschaft erhoben wurden4 und gem. § 10 Abs. 1 AStG abziehbar sind. Es kann sich hierbei sowohl um ausländische als auch um inländische Steuern, um direkte Steuern oder um Quellensteuern, nicht aber um betriebliche Steuern, die gem. § 10 Abs. 3 AStG ohnehin als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, handeln. Obwohl § 12 Abs. 1 AStG keine dahingehende Regelung enthält, sind die von der Zwischengesellschaft entrichteten und auf die Zwischeneinkünfte bzw. das ihnen zugrunde

10.209

1 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 6; Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 8; Menck in Blümich, § 12 AStG Rz. 12. 2 Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 6; Intemann in Haase, § 12 AStG Rz. 17. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 20b; Reiser in W/S/G, § 12 AStG Rz. 10; a.A. Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 7, Intemann in Haase, § 12 AStG Rz. 18; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 12.1.3. 4 Hierzu gehört auch die auf Gewinnausschüttungen deutscher Kapitalgesellschaften an Zwischengesellschaften erhobene deutsche Kapitalertragsteuer; vgl. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 12.1.2.

455

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

liegende Vermögen entfallenden Steuern nur quotal, also nur insoweit anrechenbar, als der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner am Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft an deren Nennkapital beteiligt ist.1 Auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Besteuerung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages einerseits und die auf die Zwischeneinkünfte der Zwischengesellschaft entrichteten Steuern andererseits kommt es nicht an mit der Folge, dass durchaus Steuern angerechnet werden können, die auf Zwischeneinkünfte eines anderen Jahres entfallen.2 Werden allerdings ausländische Steuern in einem Jahr gezahlt, in dem ein Hinzurechnungsbetrag nicht anzusetzen ist, entfällt eine Anrechnung.3

10.210 Soweit die ausländische Gesellschaft gemischte Einkünfte erzielt, sind nur die auf die Zwischeneinkünfte entfallenden Steuern anrechenbar.4 Im Hinblick darauf hat eine Aufteilung zu erfolgen. Ohne Bedeutung ist indessen, dass Steuern auf Zwischeneinkünfte entfallen, die gem. § 11 Abs. 1 AStG aus der Hinzurechnungsbesteuerung ausscheiden. In diesem Fall kommt es nämlich lediglich zu einer Kürzung des Hinzurechnungsbetrages. Dies hat allerdings für die Höchstbetragsberechnung (§ 12 Abs. 2 AStG) Bedeutung, weil die Anrechnung auf die Einkommensteuer bzw. auf die Körperschaftsteuer beschränkt ist, die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt.5

10.211 Da gem. § 14 Abs. 1, 3 AStG die Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften der vorgeschalteten ausländischen Kapitalgesellschaft (Obergesellschaft) zuzurechnen sind und hierfür auch § 12 AStG zur Anwendung kommt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AStG), sind auch die Steuern der nachgeschalteten Zwischengesellschaften anrechenbar. Die Anrechnung ist so vorzunehmen, als ob es sich um eigene Steuern der Obergesellschaft handelte. Als Folge hiervon ist der Hinzurechnungsbetrag des betreffenden inländischen Anteilseigners um diese Steuern zu erhöhen (Aufstockungsbetrag).6

10.212 Macht eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von der Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG Gebrauch, so ist die anzurechnende Steuer nicht selten höher als die deutsche Körperschaftsteuer, so dass es insoweit zu Anrechnungsüberhängen kommt, denen eine steuerliche Verwertbarkeit versagt bleibt.

1 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 16a; Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 15. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 17; Mössner in B/K/L/M/R, § 12 AStG Rz. 13. 3 Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 10; Intemann in Haase, § 12 AStG Rz. 15 jeweils mit Hinweis auf Billigkeitsmaßnamen (§§ 163, 227 AO). 4 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 12.2.1. 5 BFH v. 9.11.1983 – I R 120/79, BStBl. II 1984, 468. 6 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.9.

456

F. Rechtsfolgen

Die für die Niedrigbesteuerung maßgebliche Belastungsgrenze von weniger als 25 Prozent orientiert sich an der deutschen Ertragsteuerbelastung, und zwar an der Körperschaftsteuer unter Einbeziehung der Gewerbesteuer. Die entrichteten in- oder ausländischen Steuern können indessen aber nur auf die deutsche Körperschaftsteuer, die 15 Prozent beträgt (§ 23 Abs. 1 KStG) zur Anrechnung gebracht werden. Die Anrechnung bloß auf die deutsche Körperschaftsteuer führt in den Fällen, in denen die ausländische Steuer höher ist, zu steuerlichen Mehrbelastungen, die mit der Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung unvereinbar sind. Es wäre systemgerecht, wenn die ausländische Steuer auch auf die deutsche Gewerbesteuer angerechnet werden könnte. Dies gilt zumal deshalb, weil der im Falle der Anrechnung vorgesehene Aufstockungsbetrag (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AStG) auch auf den Gewerbeertrag gem. § 7 GewStG durchschlägt.1 Kommt es in derartigen Fällen zu einer Überbesteuerung, sind Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung geboten (§§ 163, 227 AO).2

10.213

§ 12 Abs. 2 AStG schreibt vor, dass bei der Anrechnung die Vorschriften des § 34c Abs. 1 EStG und des § 26 Abs. 1 und 6 KStG entsprechend anzuwenden sind. Es handelt sich damit um eine Rechtsfolgenverweisung, so dass im Ergebnis lediglich die in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG vorgeschriebene Höchstbetragsberechnung im Rahmen der Steueranrechnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG entsprechende Anwendung findet.3 Hiernach berechnet sich der Höchstbetrag wie folgt: (Rz. 15.111)

10.214

deutsche Einkommensteuer/ × Körperschaftsteuer

anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Summe der Einkünfte/ körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen

3. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 3 AStG § 12 Abs. 3 AStG ermöglicht die Anrechnung eigener Steuern des inländischen Anteilseigners auf Gewinnausschüttungen, die gem. § 3 Nr. 41 EStG steuerfrei sind.4 Es handelt sich bei der im § 12 Abs. 3 AStG verankerten Anrechnung um eine Ausnahme von § 34c Abs. 1 EStG, weil die Anrechnung gewährt wird, obwohl die Einkünfte selbst steuerfrei sind. Der Antrag ist im Rahmen der Feststellung nach § 18 AStG zu stellen. Dabei ist auch anzugeben, ob die Anrechnung der Steuern gem. § 34c Abs. 1 EStG oder aber der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG begehrt wird.5 1 Zur Kritik insoweit Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 23a; vgl. auch Rz. 10.135. 2 Dazu, dass die Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG ohnehin systemfremd ist vgl. Rz. 10.206. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 12 AStG Rz. 24, 25. 4 Zu dieser Steuerbefreiung im Einzelnen Rz. 15.37 ff. 5 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 12.3.1; zu weiteren Einzelheiten Rz. 15.127 ff.

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10.215

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

VI. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften Literatur Kommentare zu § 14 AStG; Debatin, Die Erfassungsspannweite der deutschen Zugriffsbesteuerung auf Auslandsbeteiligungen, DB 1978, 1195, 1240; Debatin, Kein Verlustausgleich im Rahmen der Zugriffsbesteuerung zwischen ausländischen Unter- und Obergesellschaften, RIW 1988, 388; Kessler/Teufel, Hinzurechnungsbesteuerung bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen – derzeitige Rechtslage, künftige Rechtslage, Gestaltungsansätze, IStR 2000, 673; Menck, Mehrstufige Beteiligungen im Außensteuergesetz – Zur Anwendung des § 14 AStG, DStZ A 1976, 291; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, Köln 1986; Rättig/Protzen, Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, Zur Hinzurechnungsbesteuerung von sog. „gemischten Einkünften“ im mehrstufigen Konzern nach §§ 7–14 AStG in der derzeit geltenden Fassung und nach Steuersenkungsgesetz, IStR 2000, 743; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Wassermeyer, Die Anwendung des AStG innerhalb des REITG, IStR 2008, 197; Wassermeyer, Die Zuwendung von Einkünften einer ausländischen Untergesellschaft gegenüber ihrer ausländischen Obergesellschaft nach § 14 AStG, IStR 2003, 665.

1. Allgemeines

10.216 Die Regelungen der §§ 7 bis 12 AStG erfassen in ihrer Wirkungsbreite grundsätzlich nur die Zwischengesellschaft als ausländische Obergesellschaft, an der unbeschränkt steuerpflichtige Personen unmittelbar beteiligt sind. Sind einer ausländischen Obergesellschaft, gleichgültig ob diese als Zwischengesellschaft zu qualifizieren ist oder nicht, Zwischengesellschaften nachgeschaltet, so werden diese über § 14 AStG in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen. § 14 AStG ist insoweit ein Ergänzungstatbestand.1

10.217 Die Einbeziehung nachgeschalteter Zwischengesellschaften (ausländische Untergesellschaften) in die Hinzurechnungsbesteuerung erfolgt durch eine Zurechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft gem. § 14 AStG und sodann nach § 7 AStG durch eine Hinzurechnung von der ausländischen Obergesellschaft zum unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. § 14 AStG greift mithin immer nur bei einem mehrstufigen Aufbau ein, wobei die Zurechnung (§ 14 AStG) der Hinzurechnung (§ 7 AStG) logisch stets vorausgeht.2

10.218 Die Zurechnung setzt auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages an. Die zuzurechnenden Einkünfte der ausländischen Untergesellschaft gehören mithin zu den 1 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 21; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 1; Uterhark in Haase, § 14 AStG, Rz. 3. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 23, 82.

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F. Rechtsfolgen

dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft gem. § 10 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Einkünften.1 Im Ergebnis besteht die Funktion des § 14 Abs. 1 AStG darin, die ausländische Obergesellschaft so zu behandeln, als habe sie und nicht die nachgeschaltete ausländische Gesellschaft die Zwischeneinkünfte erzielt.2 Daher erfolgt im Zuge der Zurechnung von der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft auch keine Umqualifizierung etwa in Kapitalerträge nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG.3 Gegenstand der Zurechnung sind allein die Zwischeneinkünfte, so dass auch eine Zurechnung von Verlusten aus passivem Erwerb der Untergesellschaft gem. § 14 Abs. 1 AStG in Betracht kommt.4 § 14 Abs. 1 AStG stellt ferner nicht auf fiktive Ausschüttungen der Untergesellschaft an die Obergesellschaft ab mit der Folge, dass die Zurechnung auch nicht etwa wie die Hinzurechnung unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), sondern in der letzten logischen Sekunde des maßgeblichen Ermittlungszeitraums der ausländischen Untergesellschaft bei der ausländischen Obergesellschaft vorgenommen wird.5

10.219

2. Anzusetzender Zurechnungsbetrag6 der Untergesellschaft a) Grundsätze Die Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG erfasst im Ausgangspunkt die 10.220 Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft und weiterer nachgeschalteter Untergesellschaften, soweit diese nicht aus Tätigkeiten stammen, die bestimmten aktiven Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft dienen (Funktionseinkünfte). Da diese Zwischeneinkünfte zu den Einkünften zählen, die dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft zugrunde liegen, findet § 10 Abs. 3 AStG unmittelbar auch hierfür Anwendung. Für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft ergeben sich damit keine Besonderhei1 Vgl. hierzu das Ermittlungsschema Rz. 10.160. 2 BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.6. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 5 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 87; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 29; Uterhak in Haase, § 14 AStG Rz. 63. 6 Der Begriff Zurechnungsbetrag ist kein rechtstechnischer Begriff, sondern lediglich eine Rechengröße; er dient hier der vereinfachten Verständigung und hat nichts mit dem Begriff des Hinzurechungsbetrages zu tun (vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868); vgl. auch BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Schema II in Anlage 3; nach Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 172 lässt sich diese Rechengröße auch als steuerpflichtige Zwischeneinkünfte bezeichnen.

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Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

ten.1 Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft sind allerdings infolge der Zurechnung (weiterer) nachgeschalteter Zwischengesellschaften zu erhöhen oder zu mindern. Sodann sind gem. § 10 Abs. 1 AStG diejenigen Steuern abziehbar, die auf die Einkünfte von der ausländischen Untergesellschaft entrichtet worden sind. Damit ist zwar bei der ausländischen Untergesellschaft der Steuerabzug möglich, es fehlt aber eine Vorschrift, die die Anrechnung nach § 12 AStG für Steuern der ausländischen Untergesellschaft zulässt. Die diesbezügliche Gesetzeslücke ist durch Analogie zu schließen,2 so dass im Ergebnis die Steuern, die die ausländische Untergesellschaft auf zuzurechnende Zwischeneinkünfte entrichtet hat, so anzurechnen sind, wie wenn die Obergesellschaft sie selbst entrichtet hätte. Folge dieser Anrechnungsmöglichkeit ist weiter, dass gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG der Zurechnungsbetrag um den sog. Aufstockungsbetrag zu erhöhen ist.3 Hat indessen die ausländische Untergesellschaft Beteiligungsveräußerungsgewinne erzielt (Rz. 10.178 ff.), erfolgt zuvor eine Kürzung des Zurechnungsbetrages gem. §§ 14 Abs. 1; 11 Abs. 1 AStG. Hierdurch ergibt sich sodann der Zurechnungsbetrag, der bei der ausländischen Obergesellschaft zu den Zwischeneinkünften zählt. Insgesamt ergibt sich somit folgendes vereinfachtes Schema für die Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages:4 Zwischeneinkünfte (§§ 14 Abs. 1, 10 Abs. 3 AStG) ./. Funktionseinkünfte (§ 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 AStG) + übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwischengesellschaften i.S. von § 14 Abs. 3 AStG (ggf. Abzug) ./. entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§§ 14 Abs. 1, 10 Abs. 1 AStG) ./. steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1, 11 Abs. 1 AStG) = Zurechnungsbetrag + Aufstockungsbetrag bei beantragter Steueranrechnung (§§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1b AStG) = Anzusetzender Zurechnungsbetrag b) Zurechnungsvoraussetzungen

10.221 § 14 AStG geht in seiner Grundkonzeption davon aus, dass eine ausländische Obergesellschaft an einer ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist. Die Vorschrift betrifft damit einen dreistufigen Aufbau, wobei mit der ausländischen Untergesellschaft die zweite Stufe des sich im 1 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 116; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 49. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 124; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 24; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 59; Uterhak in Haase, § 14 AStG Rz. 3; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.9. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 124; zum Aufstockungsbetrag Rz. 10.202. 4 Abgeleitet aus Schema II in Anlage 3 des BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1.

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F. Rechtsfolgen

Ausland befindlichen Beteiligungsaufbaus angesprochen ist. Über § 14 Abs. 3 AStG wird darüber hinaus aber auch ein mehrstufiger Aufbau erfasst, wenn der ausländischen Untergesellschaft weitere ausländische Gesellschaften nachgeschaltet sind. Ist der ausländischen Obergesellschaft eine inländische Gesellschaft nachgeschaltet, greift § 14 AStG allerdings nicht ein.1 Durch § 14 AStG werden nur solche ausländischen Untergesellschaften erfasst, an denen eine ausländische Obergesellschaft allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen gem. § 7 AStG beteiligt ist. In Betracht kommt nur eine Beteiligung am Nenn- oder Stammkapital, da nur dieses Grundlage für die Zurechnung als Rechtsfolge sein kann.2 Die ausländische Obergesellschaft muss an der ausländischen Untergesellschaft stets unmittelbar beteiligt sein, andernfalls ist eine Zurechnung nicht möglich. Sind neben der ausländischen Obergesellschaft auch unbeschränkt steuerpflichtige Personen unmittelbar an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt, so erfolgt ggü. den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen eine Hinzurechnung gem. § 7 Abs. 1 AStG und ggü. der ausländischen Obergesellschaft eine Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG und von dort gegebenenfalls sodann eine Hinzurechnung ggü. den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen gem. § 7 Abs. 1 AStG.3

10.222

§ 14 Abs. 1 AStG stellt darauf ab, ob die ausländische Obergesellschaft allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen gem. § 7 AStG an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist (Beteiligungsquote). Wem gegenüber die Obergesellschaft die Beteiligung an einer Untergesellschaft vermittelt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange an der ausländischen Obergesellschaft unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind, ist nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 AStG unerheblich. Da § 14 AStG letztlich aber nur Bedeutung hat für Zwecke der Anwendung der §§ 7 bis 12 AStG und lediglich einen Ergänzungstatbestand darstellt, ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass eine Zurechnung von der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft nur dann erfolgt, wenn entsprechend § 7 Abs. 2 AStG sowohl an der ausländischen Untergesellschaft als auch an der ausländischen Obergesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige sowie erweitert beschränkt Steuerpflichtige4 allein oder zusammen zu mehr als der Hälfte –

10.223

1 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 38. 2 BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258. 3 Zur Zwischenschaltung von Personengesellschaften und Stiftungen vgl. Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 42 f. 4 Erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen (§ 2 AStG) werden wegen der Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG mit einbezogen, so Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 61; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 29; Menck in Blümich, § 14 AStG Rz. 16; Franz in W/S/G, § 14 AStG Rz. 22; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.0.1.; a.A. Protzen in Kraft, § 14 AStG Rz. 55.

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Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

unmittelbar und/oder mittelbar – beteiligt sind.1 Damit muss im Ergebnis auch die ausländische Untergesellschaft inlandsbeherrscht sein. In welchem Umfang die ausländische Obergesellschaft ihrerseits an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist, spielt keine Rolle.

10.224 Liegen die Zurechnungsvoraussetzungen vor, sind sodann gesondert hiervon für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung auf einer zweiten Stufe die Hinzurechnungsvoraussetzungen zu prüfen.

10.225 Liegt die Beteiligung der Steuerinländer bei der Obergesellschaft nicht über 50 Prozent, wirkt die Obergesellschaft wie eine Sperre, so dass zwar wegen der Inlandsbeherrschung der ausländischen Untergesellschaft grundsätzlich eine Zurechnung zur ausländischen Obergesellschaft erfolgen könnte, diese aber unterbleibt, weil eine Hinzurechnung wegen fehlender Inlandsbeherrschung ausgeschlossen ist.

10.226 Für die nach § 14 Abs. 1 AStG maßgebliche Beteiligungsquote sind ggf. von der Beteiligung am Nennkapital abweichende Stimmrechte (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG) sowie weisungsgebundene Anteile (§ 7 Abs. 4 AStG) mit einzubeziehen.2 Für die Berechnung der Beteiligungsquote ist dabei, wie sich aus der Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG ergibt, auf das Ende des Wirtschaftsjahres abzustellen, in dem die ausländische Untergesellschaft die Zwischeneinkünfte bezogen hat.3 c) Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages

10.227 Gegenstand der Zurechnung sind die Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten ausländischen Zwischengesellschaft, die nicht aus Tätigkeiten und Gegenständen stammen, die bestimmten aktiven Tätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG) der Obergesellschaft dienen (Funktionseinkünfte), ggf. erhöht oder vermindert um die übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwischengesellschaften (§ 14 Abs. 3 AStG), gemindert um einen Steuerabzug (§§ 14 Abs. 1; 10 Abs. 1 AStG) sowie gemindert um etwaige steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1; 11 Abs. 1 AStG) und schließlich erhöht um einen Aufstockungsbetrag bei beantragter Steueranrechnung (§§ 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 AStG).4 Die Zurechnung erfolgt gegebenenfalls über mehrere Stufen (§ 14 Abs. 3 AStG) bis zur ausländischen Obergesellschaft, wo die vorstehenden Ein1 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 48; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 24 f.; Protzen in Kraft, § 14 AStG Rz. 34; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 10; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 20; Uterhark in Haase, § 14 AStG Rz. 32; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.0.1. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 55 f., 60; Uterhark in Haase, § 14 AStG Rz. 24 f. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 64 ff.; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 30. 4 Im Ergebnis handelt es sich hierbei um den hier so bezeichneten anzusetzenden Zurechnungsbetrag (§ 14 Abs. 2 AStG); vgl. das Ermittlungsschema Rz. 10.220.

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F. Rechtsfolgen

künfte als Rechnungsposten in die Berechnung des Hinzurechnungsbetrages eingehen. Die Funktion des § 14 Abs. 1 AStG besteht also darin, die ausländische Obergesellschaft so zu behandeln, als habe sie und nicht die nachgeschaltete ausländische Gesellschaft die Zwischeneinkünfte1 erzielt.2 Die Zurechnung verändert daher weder Inhalt noch Art der zuzurechnenden Zwischeneinkünfte. Die Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten Untergesellschaft werden nach Berücksichtigung der vorgenannten Erhöhungs- und Minderungsbeträge vielmehr so, wie sie von dieser Gesellschaft erzielt worden sind, bei der ausländischen Obergesellschaft entsprechend der unmittelbaren Beteiligungsquote der ausländischen Obergesellschaft an der nachgeschalteten Untergesellschaft angesetzt, um dort bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages einbezogen zu werden.3 Sind neben der ausländischen Obergesellschaft unmittelbar auch unbeschränkt Steuerpflichtige an der nachgeschalteten ausländischen Untergesellschaft beteiligt, so erfolgt im Verhältnis zur ausländischen Obergesellschaft eine Zurechnung und daneben im Verhältnis zu den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern unmittelbar eine Hinzurechnung gem. § 7 Abs. 1 AStG.4 Auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft werden die zugerechneten Zwischeneinkünfte nicht schon bei der Ermittlung von deren eigenen Zwischeneinkünften, sondern erst auf der nächsten Stufe im Zuge der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages erfasst.5 Sie finden daher auch keinen Eingang in die Hinzurechnungsbilanz der ausländischen Obergesellschaft und haben auch keine Auswirkung auf die Berechnung der Bruttoerträge (§§ 7 Abs. 6, 9 AStG, § 9 Nr. 7 GewStG) und der Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) bei der ausländischen Obergesellschaft.6 Daher tritt durch die Zurechnung grundsätzlich auch keine Infektionswirkung von unten ein mit der Folge, dass Einkünfte der ausländischen Obergesellschaft aus aktiver Tätigkeit oder hoch besteuerte Einkünfte unverändert bleiben.7 Eine Infektionswirkung kann sich allerdings dadurch ergeben, dass durch Zurechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft die Freigrenzen des § 9 AStG überschritten werden.8 Hierdurch kann eine ausländische Obergesellschaft mit gemischten Einkünften, die bislang etwa wegen Unterschreitens der 10 Prozent-Grenze zu keiner

1 2 3 4 5

Einschließlich der Erhöhungs- und Minderungsbeträge. BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 105. Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 129. Als zweiter Rechnungsposten (übertragende Zurechnung); vgl. hierzu das Ermittlungsschema Rz. 10.220. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 105; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 42; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.5. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 100; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 58; Uterhark in Haase, § 14 AStG Rz. 69. 8 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.3.

463

10.228

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

Hinzurechnung führten, durch Zurechnung zugleich auch in die Hinzurechnung gelangen.1

10.229 Mit der Zurechnung geht auch keine Umqualifizierung der Einkünfte einher.2 Die Zurechnung bewirkt auch keine fiktive Ausschüttung von der ausländischen Untergesellschaft an die ausländische Obergesellschaft,3 obwohl die Ermittlung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft konzeptionell nach den gleichen Grundsätzen erfolgt wie bei der ausländischen Obergesellschaft, so dass die Ermittlung des Zurechnungsbetrages ebenfalls auf den größtmöglichen Ausschüttungsbetrag hinausläuft. § 14 Abs. 1 AStG behandelt demnach die ausländische Untergesellschaft im Ergebnis wie eine verselbständigte Betriebsstätte der ausländischen Obergesellschaft.4 Nur so ist auch erklärlich, dass die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft in der letzten logischen Sekunde des ablaufenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Untergesellschaft5 – Zeitpunkt der Zurechnung – und nicht etwa wie bei der Hinzurechnung zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Obergesellschaft zugerechnet werden. Die wichtigste Folge dieser Betriebsstättenfiktion ist indessen, dass auch Verluste der ausländischen Untergesellschaft zugerechnet werden können.6

10.230 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Zurechnungsbetrages sind die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft. Es handelt sich hierbei um Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 AStG), die einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegen.

10.231 Obwohl § 14 Abs. 1 AStG keine Regelung dahingehend enthält, nach welchen Grundsätzen die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zu ermitteln sind, greifen die Grundsätze des § 10 Abs. 3 AStG ein, weil letztlich auch die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zu den „dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde 1 Zu den Gründen für eine Zusammenrechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Unter- und Obergesellschaft für Zwecke des § 9 AStG im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 114; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 44. 2 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 42; Uterhark in Haase, § 14 AStG Rz. 68. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 83; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 42. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868. 5 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 87; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 28; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 41; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.5. 6 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989 13; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 90 f.; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.6.

464

F. Rechtsfolgen

liegenden Einkünften“ gehören. Nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 AStG sind die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft mit Hilfe einer gesonderten Gewinnermittlung festzustellen. Die Zwischeneinkünfte sind hierbei entweder gem. § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Hinsichtlich der Gewinnermittlung ergibt sich keine Bindungswirkung zwischen der ausländischen Untergesellschaft oder weiteren ausländischen Gesellschaften und der ausländischen Obergesellschaft.1 Aus der Anwendung des § 10 Abs. 3 AStG folgt weiter die Möglichkeit des Verlustabzuges (§ 10d EStG) (Rz. 10.182 ff.). Bei einem mehrstufigen Aufbau ist der Verlustabzug grundsätzlich auf jeder einzelnen Stufe möglich. Da der (horizontale) Verlustausgleich dem Verlustabzug vorgeht, ist zunächst auf jeder Stufe ein Verlustausgleich durchzuführen mit der Folge, dass etwa bei einem mehrstufigen Aufbau negative Zwischeneinkünfte auf der untersten Stufe auf den nächstfolgenden höheren Stufen mit dortigen positiven Zwischeneinkünften ausgeglichen werden können.2 Insoweit schließt die Zurechnung eines Verlustes den Verlustvor- oder -rücktrag auf der Ausgangsstufe stets aus. Kommt es trotz eines gegebenenfalls über mehrere Stufen durchgeführten Verlustausgleichs noch zu einem Verlustvor- oder rücktrag, so ist dieser auf der Stufe der ausländischen Obergesellschaft durchzuführen.3 Gemäß § 14 Abs. 1 AStG scheidet die Zurechnung aus, soweit die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft aus Tätigkeiten stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeit der ausländischen Obergesellschaft dienen (= Funktionseinkünfte). Dieses Funktionsprivileg beruht auf der Überlegung des Gesetzgebers, dass aus Gründen des ausländischen Steuerrechts gewisse Tätigkeiten im Ausland von anderen aktiven Tätigkeiten abgespalten und von einer eigens dafür gegründeten Gesellschaft ausgeübt werden können.4 Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit den vorgenannten aktiven Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AStG). Im Ergebnis kommt es darauf an, dass sich die wirtschaftlichen Funktionen der ausländischen Untergesellschaft und der ausländischen Obergesellschaft ergänzen oder bedingen.5 Das setzt voraus, dass die ausländische Obergesellschaft aktive Tätigkeiten ausübt. Ob diese zu Gewinnen oder Verlusten führen, ist unerheblich.6 Das Funktionsprivileg 1 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 116; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 19. 2 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 117 f.; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 37; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.1.7.; a.A. Debatin, RIW 1988, 388 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 119 f. mit weiteren Einzelheiten. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 134; Uterhak in Haase, § 14 AStG Rz. 46. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 135; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 39; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 55. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 141.

465

10.232

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

entfällt allerdings in den Fällen, in denen die Zwischeneinkünfte, die die ausländische Untergesellschaft aus Tätigkeiten erzielt, die den eigenen unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft dienen, ihrerseits als Kapitalanlageeinkünfte gem. § 7 Abs. 6a AStG zu qualifizieren sind (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AStG). Damit sind vor allem die in der Praxis wichtigen Finanzierungsfunktionen aus dem Privilegierungsrahmen ausgenommen.1

10.233 Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft sind für den Fall, dass weitere ausländische Zwischengesellschaften nachgeschaltet sind, um die nach den gleichen Regeln zu ermittelnden und zu modifizierenden Zwischeneinkünfte dieser Gesellschaften zu erhöhen oder zu mindern.2

10.234 Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft werden sodann um die zu ihren Lasten entrichteten Ertrag- und Vermögensteuern gekürzt (Steuerabzug) (Rz. 10.175 ff.). Diese Rechtsfolge ergibt sich aus der Verweisung des § 14 Abs. 1 AStG auf § 10 Abs. 1 AStG. Entsprechendes gilt für steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1, 11 Abs. 1 AStG) (Rz. 10.178 ff.) 3. Zurechnung bei steuerbefreiter REIT-AG

10.235 Der Anwendungsbereich der in § 14 Abs. 1 AStG verankerten Zurechnung von nachgeschalteten Zwischengesellschaften wird durch § 14 Abs. 2 AStG auf REIT-AGs i.S. von § 16 REITG erweitert. Diese Sonderregelung ist darauf gerichtet, Einkünfte einer steuerbefreiten, einer ausländischen Obergesellschaft nachgeschalteten REIT-AG wie Einkünfte einer ausländischen nachgeschalteten Zwischengesellschaft der Zurechnung zu unterwerfen und so der Hinzurechnungsbesteuerung zuzuführen. Erfasst werden lediglich steuerbefreite REIT-AGs, also unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Steuersubjekte. Nicht erfasst werden nachgeschaltete ausländische REIT-Gesellschaften, die aber ggf. unter § 14 Abs. 1 AStG fallen.3 Hinsichtlich der Beteiligungsvoraussetzungen verweist § 14 Abs. 2 AStG auf § 7 AStG mit der Folge, dass im Grundsatz wegen § 7 Abs. 8 AStG (Rz. 10.64 ff.) irgendwelche Mindestbeteiligungsvoraussetzungen bei der ausländischen Obergesellschaft nicht gefordert werden.4 Da Voraussetzung für die sich aus § 16 REITG ergebende Steuerbefreiung die Börsenzulassung der REIT-AG ist, wird in aller Regel die in § 7 Abs. 8 AStG verankerte Börsenklausel eingreifen, so dass es für Zwecke der Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG für die Beteiligung der auslän-

1 Zu den Gründen – Ausschluss von Umgehungsfällen: Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 40. 2 Wegen der Besonderheiten vgl. Rz. 10.237 ff. 3 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 32. 4 Zweifelnd Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 33.

466

F. Rechtsfolgen

dischen Obergesellschaft an der REIT-AG wiederum auf die üblichen Beteiligungsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 1, 6 AStG ankommt.1 Die Verweisung in § 14 Abs. 2 AStG auf Abs. 1 bedeutet eine Rechtsgrundverweisung2 mit der Folge, dass die im Übrigen maßgeblichen Voraussetzungen für die Zurechnung erfüllt sein müssen. Eine Besonderheit ergibt sich freilich insoweit, als bei der Frage, ob eine für die Qualifikation als Zwischeneinkünfte erforderliche niedrige Besteuerung gegeben ist, auf die Steuer auf Einkünfte der inländischen REIT-AG abzustellen ist. Das bedeutet, dass die REIT-AG im Inland einer niedrigen Besteuerung unterliegen muss, was im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 16 REITG ohne weiteres gegeben ist.

10.236

4. Zurechnung bei weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften Gemäß § 14 Abs. 3 AStG gelten die für das Verhältnis zwischen der ausländischen Obergesellschaft und der ausländischen Untergesellschaft maßgeblichen Grundsätze (§ 14 Abs. 1 AStG) auch für weitere nachgeschaltete Untergesellschaften. Damit wird die Zurechnung über einen dreistufigen Aufbau hinaus sichergestellt. Ebenso wie beim dreistufigen Aufbau (§ 14 Abs. 1 AStG) enthält das Gesetz auch beim mehrstufigen Aufbau (§ 14 Abs. 3 AStG) keine Regelungen über die Technik der Zurechnung. So ist dem § 14 Abs. 3 AStG unmittelbar nicht zu entnehmen, ob die Zurechnung der Zwischeneinkünfte stufenweise zur jeweils vorgeschalteten Gesellschaft oder aber unmittelbar unabhängig von der Größe der Beteiligungskette direkt zur jeweiligen ausländischen Obergesellschaft erfolgt.

10.237

Aus der gem. § 14 Abs. 3 AStG gebotenen entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 AStG ist zu folgern, dass die in § 14 Abs. 1 AStG angesprochenen Verhältnisse zwischen nachgeschalteter Untergesellschaft und ausländischer Obergesellschaft auch auf das Verhältnis weiterer nachgeschalteter Untergesellschaften untereinander zu projizieren sind. Im Hinblick darauf erfolgt die Zurechnung zwischen den weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften stufenweise am Ende des Wirtschaftsjahres der jeweils nachgeschalteten Untergesellschaft.3 Demgemäß erfolgt

10.238

1 Uterhak in Haase, § 14 AStG Rz. 60. 2 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 39. 3 So die herrschende Stufentheorie, von der im Ergebnis auch die Rechtsprechung des BFH ausgeht, vgl. BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258; v. 6.2.1985 – I R 11/83, BStBl. II 1985, 410; v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; ferner z.B. Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 204; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 79; a.A. die Anhänger der sog. Schachttheorie oder Einheitstheorie z.B. Menck, DStZ A 1976, 291 ff.; Debatin, DB 1978, 1195 ff., 1240 (1242); so auch BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.3., wo aus Vereinfachungsgründen aber auch die stufenweise Zurechnung akzeptiert wird, wenn hierdurch keine schwerwiegenden zeitlichen Verschiebungen eintreten.

467

Kapitel 10 Hinzurechnungsbesteuerung

die übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwischengesellschaften bei den Zwischeneinkünften der vorgeschalteten Gesellschaft.1

10.239 Da die Zurechnung von Stufe zu Stufe jeweils am Ende des Wirtschaftsjahres der auf der unteren Stufe stehenden nachgeschalteten Untergesellschaft erfolgt, ergeben sich bei abweichenden Wirtschaftsjahren der vorgeschalteten ausländischen Gesellschaften zeitliche Verschiebungen in der Hinzurechnungsbesteuerung, die dazu führen können, dass unter Umständen erst nach Jahren die einzelnen zugerechneten Zwischeneinkünfte bei der ausländischen Obergesellschaft in den Hinzurechnungsbetrag eingehen.2

10.240 Überträgt man die in § 14 Abs. 1 AStG aufgestellten Voraussetzungen jeweils auf das Verhältnis der nachgeschalteten ausländischen Untergesellschaften untereinander, so folgt daraus, dass an der nachgeschalteten ausländischen Gesellschaft die jeweils vorgeschaltete ausländische Gesellschaft allein oder zusammen mit anderen Steuerinländern unmittelbar oder mittelbar grundsätzlich zu mehr als der Hälfte beteiligt sein muss (§ 7 Abs. 1 AStG).3 Was den Umfang der Zurechnung anbelangt, so ist ausschließlich auf die unmittelbare Beteiligung der jeweils vorgeschalteten an der nachgeschalteten Gesellschaft abzustellen.

1 Nach dem Ermittlungsschema II in Anlage 3 des BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1 unmittelbar nach Ermittlung der Zwischeneinkünfte; vgl. auch das Ermittlungsschema Rz. 10.220. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 206; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 80; Uterhark in Haase, § 14 AStG Rz. 65; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 80; diese zeitliche Verschiebung wird von der FinVerw nicht akzeptiert; vgl. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 14.3. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 208; Mössner in B/K/L/M/R, § 14 AStG Rz. 74; aus der Sicht der Schachttheorie oder Einheitstheorie dagegen konsequent die „Beteiligung gem. § 7“ lediglich auf die ausländische Obergesellschaft beziehend Debatin, DB 1978, 1195; 1240 (1242).

468

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen Literatur Kommentare zu § 15 AStG; Bredow, Ausländische Trusts deutscher Steuerpflichtiger, WIB 1995, 775; Felix, Zur Auslegung des § 15 AStG (Familienstiftung), DB 1972, 2275; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertrag- und Erbschaft-/ Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Helmert, Die Zurechnung nach § 15 AStG bei Verlusten, IStR 2005, 272; Hey, Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen gem. § 15 AStG i.d.F. des JStG 2009 – europa- und verfassungswidrig!, IStR 2009, 1189; Jülicher, Zurechnung von Erträgen und Vermögen einer Auslandsstiftung nach § 15 AStG, PIStB 2002, 8; Kapp, Familienstiftungen im Ausland, BB 1964, 1984; Kellersmann/Schnitger, Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen, IStR 2005, 253; Kinzl, Nachfolgeplanung mit Familienstiftungen: § 15 AStG zwischen Hindernis und Europarechtswidrigkeit, IStR 2005, 624; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Herne 2010; Kraft/Hause, Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 15 AStG zur Besteuerung ausländischer Familienstiftungen und ihrer Begünstigten in Deutschland, DB 2006, 414; von Löwe, Österreichische Privatstiftung mit Stiftungsbeteiligten in Deutschland, IStR 2005, 578; Martin, Zur Besteuerung der inländischen Anfalls- und Bezugsberechtigten ausländischer Familienstiftungen nach dem Außensteuergesetz, GmbHR 1972, 118; Opel, Steuerliche Behandlung von Familienstiftungen, Stiftern und Begünstigten in nationalen und internationalen Verhältnissen, Zürich 2009; Piltz, Die österreichische Privatstiftung in der Nachfolgeplanung – für Steuerinländer tabu?, ZEV 2000, 378; Rehm/Nagler, Zurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen (§ 15 AStG) und die Empfängerbenennung (§ 160 AO) auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrecht, IStR 2008, 284; Richter/ Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, Angelbachtal 2007; Runge, Die Familienstiftung im Außensteuergesetz, DB 1977, 514; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schindler, Familienstiftungen, Berlin/Bielefeld/München 1975; Schönfeld, Probleme der neuen einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Anwendung des § 15 AStG (ausländische Familienstiftungen), IStR 2009, 16; Seibold, Die ertragsteuerliche Behandlung von Common Law Trusts, IStR 1993, 545; Seifert/von Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, München 2009; Sieker, Der US-Trust, Baden-Baden 1991; Wassermeyer, Die Zurechnung von Einkünften aus Kapital, DStJG 30 (2007), 257; Wassermeyer, Zurechnung negativen Einkommens nach § 15 AStG im Verfahren nach § 180 AO, IStR 2009, 72; Wassermeyer, Einkommenszurechnung nach § 15 AStG, IStR 2009, 191; Wienbracke, Die ertragsteuerliche Behandlung von Trusts nach nationalem und nach DBA-Recht, RIW 2007, 201.

A. Allgemeines Zu den international tragenden Besteuerungsprinzipien gehört, dass nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Stiftungen als eigenständige Steuersubjekte behandelt werden. Das gilt auch dann, wenn derartige Stiftungen Vermögen lediglich im Interesse des Stifters oder der Destinatäre halten. Soweit Vermögen in ausländischen Familienstiftungen angelegt ist, 469

11.1

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

entfalten diese ggü. der deutschen Besteuerung eine Abschottungswirkung mit der Folge, dass eine Besteuerung im Inland allenfalls dann ermöglicht wird, wenn unbeschränkt steuerpflichtigen Personen Vermögen oder Einkommen zugewendet wird. § 15 AStG zielt auf die Besteuerung der den Familienstiftungen nahe stehenden und unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ab. Die durch ausländische Familienstiftungen ggü. der deutschen Besteuerung verursachte Abschottungswirkung wird dadurch durchbrochen, dass Einkommen und Vermögen,1 dieser ausländischen Familienstiftungen unmittelbar dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter, Anfalls- oder Bezugsberechtigten zugerechnet werden. Hierdurch verlieren ausländische Familienstiftungen,2 etwa Stiftungen in der Schweiz, in Liechtenstein und in Österreich ebenso steuerliche Attraktivität wie die gem. § 15 Abs. 4 AStG den Familienstiftungen gleichgestellten Trusts des angloamerikanischen Rechtskreises.

11.2 Die Zurechnung nach § 15 AStG entspricht in etwa der Zurechnung gem. §§ 5 und 14 AStG. Konzeptionell wird durch § 15 AStG die Rechtssubjektsqualität der ausländischen Familienstiftung nicht in Frage gestellt. Die von der Familienstiftung verwirklichten Besteuerungstatbestände werden lediglich im Wege der Zurechnung als Einkommen und Vermögen bei dem Stifter bzw. dem Anfalls- oder Bezugsberechtigten erfasst.3

11.3 Mit der Beseitigung der Abschottungswirkung ausländischer Familienstiftungen durch § 15 AStG soll das Ziel erreicht werden, eine Steueroder Kapitalflucht zu verhindern.4 Über dieses Ziel schießt § 15 AStG indessen weit hinaus.

11.4

So wird von § 15 AStG Vermögen und Einkommen ausländischer Familienstiftungen unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugsberechtigten auch dann zugerechnet, wenn die Stiftung von einem ausländischen Stifter errichtet und mit ausländischem Vermögen ausgestattet worden ist. Von einer Kapital- oder Steuerflucht kann hier keine Rede sein. Über § 15 AStG wird schließlich Einkommen und Vermögen inländischen Bezugsberechtigten ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Leistungsfähigkeit zugerechnet. Gegen diese Vorschrift sind daher, wie auch schon gegen die Vorgängervorschrift (§ 12 StAnpG), weitergehende verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden. So wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) mit der Begründung geltend gemacht, die steuerlich benachteiligende Sonderbehandlung von Familienstiftungen sei nicht von anzuerkennenden Rechtfertigungsgründen getragen. Diese diskriminierende Sonderbehandlung führe auch zu einer Verletzung von Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie) und von Art. 14 GG (Eigentumsgarantie).5 1 Die Vermögensteuer wird nicht mehr erhoben, und für die Erbschaftsteuer gilt § 15 AStG nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AStG). 2 Vgl. hierzu den Überblick bei Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 673 ff.; Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, 595 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 7, 53 ff. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 10; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 1. 5 Felix, DB 1972, 2275 ff.; Martin, GmbHR 1972, 118 ff.; Runge, DB 1977, 514 ff.; Kapp, BB 1964, 1984 ff.; vgl. im Übrigen Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 12, 13, 13.1; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 3, 4.

470

A. Allgemeines

Die Zurechnung von Einkommen und Vermögen erfolgt im Sinne einer steuerlichen Zuordnung in persönlicher Hinsicht, die mit der Zurechnung im Rahmen von Treuhandverhältnissen vergleichbar ist. Da Gegenstand der Zurechnung das von der Stiftung erzielte Einkommen ist, die Zurechnung also auf einer den Einkünften nachgeordneten Ebene erfolgt, unterliegt die Stiftung mit den von ihr erzielten inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht. Die anderweitige Zurechnung des Einkommens schließt somit die Besteuerung der Familienstiftung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht aus.1 Eine etwa erhobene deutsche Körperschaftsteuer ist gem. § 15 Abs. 5 Satz 1, 12 Abs. 1 AStG zur Anrechnung zu bringen.2

11.5

Die Zurechnungsbesteuerung nach Maßgabe des § 15 AStG unterliegt grundsätzlich den Schrankenwirkungen der anzuwendenden DBA. Die Zurechnung nach § 15 AStG gilt auf der Ebene der DBA solange nicht, als dort eigenständige Zurechnungsregeln zur Anwendung kommen. So bestimmen die DBA im Regelfall in Übereinstimmung mit § 38 AO, dass eine unternehmerische Tätigkeit, eine selbständige Arbeit, Dividenden, Zinsen oder Lizenzen stets demjenigen zuzurechnen sind, der den Besteuerungstatbestand selbst verwirklicht hat. Soweit § 15 AStG im Ergebnis hiervon dadurch abweicht, dass nicht die vorbezeichneten Einkünfte, dafür aber das hierauf beruhende Einkommen zugerechnet wird, werden die DBA wegen der in § 20 Abs. 1 AStG verankerten treaty overridingKlausel verdrängt.3 Die entsprechende Rechtsfolge ergibt sich auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 11 DBA-Schweiz, wonach jene Personen ausdrücklich aus dem Schutz des DBAs ausgenommen werden, denen aufgrund nationaler Zurechnungsvorschriften bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte zuzurechnen sind.4

11.6

Die Zurechnungsbesteuerung hat sich schließlich auch ggü. den europa- 11.7 rechtlich verbürgten Grundfreiheiten zu legitimieren. Hierbei geht es insbesondere darum, dass für inländische Familienstiftungen eine dem § 15 AStG entsprechende Regelung fehlt, so dass etwa Begünstigte einer inländischen Familienstiftung erst dann zur Besteuerung herangezogen werden, wenn sie tatsächlich Zuwendungen erhalten. Im Unterschied zu ausländischen Familienstiftungen bleibt somit das Trennungsprinzip aufrechterhalten. Diese Ungleichbehandlung wäre insbesondere mit der Ka1 BFH v. 8.4.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 33.42; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 23; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 1; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 19; a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 2; Habammer, DStR 2002, 425 (432); Piltz, ZEV 2000, 378 (380); Wienbracke, RIW 2007, 201 (204). 2 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 33; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 19. 3 Im Ergebnis ebenso BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 26; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 6; Kraft in Kraft § 15 AStG Rz. 46; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 226 ff. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 235; Gross in W/S/G, § 15 AStG Rz. 15.

471

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

pitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) unvereinbar.1 Aus diesem Grunde sieht § 15 Abs. 6 AStG vor,2 dass die Zurechnung von Einkommen unterbleibt, wenn die Stiftung ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat bzw. einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens hat. Voraussetzung ist allerdings, dass den in Betracht kommenden Zurechnungsempfängern die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist.3 Voraussetzung ist ferner, dass die betreffenden EU-/EWR-Staaten auf Grund zwei- oder mehrseitiger Vereinbarungen diejenigen Auskünfte erteilen, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen.4 Damit ergibt sich, dass § 15 AStG im Wesentlichen in Drittstaaten angesiedelte Familienstiftungen und gleich gestellte Vermögensmassen (§ 15 Abs. 4 AStG) erfasst, ohne dass die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) Schutzwirkungen entfaltet.5

11.8 Soweit § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG den Nachweis verlangt, dass die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist, kommt es auf die Zivilrechtslage und das wirtschaftliche Eigentum gleichermaßen an, so dass nachzuweisen ist, dass seitens der Familienstiftung keine Rückgewährverpflichtung6 und zugleich wirtschaftliches Eigentum an dem übergegangenen Stiftungsvermögen besteht.7 Im Hinblick darauf spielen etwa eine satzungsmäßige Vermögensbindung sowie ein Vermögensrückfall bei Beendigung der Familienstiftung keine Rolle.8

11.9 Der für Familienstiftungen mit Sitz oder9 Ort der Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat10 in § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG verankerte Gegen1 Vgl. hierzu EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 zu der mit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung vergleichbaren CFC-Besteuerung in Großbritannien; ausführlich hierzu Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 156 ff. 2 Eingeführt durch das JStG 2009 v. 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794); zur Kritik an der Neuregelung Hey, IStR 2009, 181 ff. 3 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; damit wird zugleich deutlich, dass § 39 AO Vorrang vor § 15 AStG hat; hierzu Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 170. 4 Große Auskunftsklauseln in DBA und Informationsaustauschabkommen reichen aus. 5 Im Ergebnis wegen der stand still-Klausel des Art. 64 AEUV, weil § 15 AStG seit dem 31.12.1993 im Wesentlichen unverändert geblieben ist; zu Einzelheiten Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 176 ff., 180. 6 Vgl. BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; Anwendungsfall: freier Widerruf; vgl. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877. 7 Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 194. 8 Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 195, 197; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 81. 9 Anders noch BMF v. 14.5.2008, BStBl. I 2008, 638, wonach in der Zwischenzeit bis zur Ergänzung durch § 15 Abs. 6 AStG auf Geschäftsleitung und Sitz abgestellt wurde. 10 Wo sich das Stiftungsvermögen befindet und aus welchen Staaten die Einkünfte resultieren spielt keine Rolle; vgl. hierzu Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 173.

472

B. Anwendungsbereich

beweis ist an die Adresse der Stifter und Destinatäre gerichtet, wobei es ausreicht, dass einer von ihnen diesen Gegenbeweis erbringt.1 Diese Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast,2 die auf der Vermutung beruht, dass die Einschaltung der ausländischen Familienstiftung rechtsmissbräuchlich ist, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.3 Sie entfällt daher, wenn der Gegenbeweis objektiv unmöglich ist, was bei Destinatären nicht selten vorkommen wird. In diesem Fall hat die Finanzverwaltung insbesondere unter Nutzung der ihr zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten, die gem. § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG ohnehin gegeben sein müssen, den Sachverhalt nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln.4

B. Anwendungsbereich Unter die Zurechnungsvorschrift des § 15 AStG fallen in erster Linie ausländische Familienstiftungen.5 Gemäß § 15 Abs. 2 AStG sind Familienstiftungen Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind. Während Stifter derjenige ist, der die Stiftung errichtet und/oder dieser Vermögen zugewendet hat,6 das dem Stiftungskapital zuwachsen soll, sind Angehörige die in § 15 AO und Abkömmlinge die in § 1589 BGB genannten Personen. Bei wörtlicher Auslegung des § 15 Abs. 2 AStG müssten die vorgenannten Personen sämtlich bezugs- oder anfallsberechtigt sein. Dies würde bedeuten, dass jene Stiftungen, bei denen nur der Stifter selbst bezugs- oder anfallsberechtigt ist, keine Familienstiftung i.S. des § 15 Abs. 2 AStG wäre. Eine so verstandene Legaldefinition der Familienstiftung wäre unsinnig. Gemäß § 15 Abs. 2 AStG sind als Familienstiftungen daher Stiftungen zu verstehen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind.7

1 Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 188. 2 Kritisch hierzu Hey, IStR 2008, 181 ff. 3 Zur europa- und verfassungsrechtlichen Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EGV Rz. 157 ff.; Sachs in Sachs, Art. 20 GG Rz. 145 ff. 4 Hierzu Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 188. 5 Zum Typenvergleich BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; Kraft in Kraft, § 15 AStG Rz. 302; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 47. 6 Oder für dessen Rechnung Vermögen übertragen wird; vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.2.1. 7 Es handelt sich offenbar um ein Redaktionsversehen, das ohne weiteres im Rahmen der Auslegung zu korrigieren ist; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; Schönfeld in F/W/B, § 15 AStG Rz. 84; allgemein zur Korrektur von

473

11.10

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

11.11 Die in § 15 Abs. 2 AStG angesprochene Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte setzt die Ermittlung sämtlicher Bezugs- und Anfallsberechtigten voraus. In aller Regel ist aber gerade bei einer Familienstiftung der Kreis der Bezugs- und Anfallsberechtigten satzungsgemäß nicht abgegrenzt. Wenn die Satzung etwa regelt, bestimmte Mittel seien zum Unterhalt bedürftiger Abkömmlinge des Stifters und anderer Menschen zu verwenden, ist die Quantifizierung der Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung unmöglich.1 Ist aber die Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte nicht feststellbar, handelt es sich nicht um eine Familienstiftung i.S. von § 15 Abs. 2 AStG. Daher werden von vornherein nicht wenige Stiftungen als Familienstiftungen i.S. von § 15 Abs. 2 AStG ausscheiden.2

11.12 Bei der Frage, ob eine Bezugs- oder Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte vorliegt, ist getrennt auf die Bezugs- oder die Anfallsberechtigung abzustellen,3 wobei jeweils die Barwerte der jeweiligen Bezüge bzw. des Anfalls4 die Ausgangsgröße für die Quotenbesteuerung bilden.5

11.13 Neben Familienstiftungen werden über § 15 Abs. 3 AStG auch Unternehmensstiftungen erfasst, soweit sie überwiegend den Stifter und/oder seine Gesellschafter, von ihm abhängige Gesellschaften, Mitglieder, Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte oder Angehörige dieser Personen begünstigen.6 Stifter selbst kann hiernach ein Unternehmer, Mitunternehmer sowie eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein.

11.14 Schließlich werden auch sonstige Zweckvermögen und Vermögensmassen wie Familienstiftungen behandelt. Voraussetzung ist indessen, dass sie auch Stiftungscharakter haben, das heißt, dass nach der Satzung Bezugs- und/oder Anfallsberechtigte vorgesehen sind.7 Damit werden von der Reichweite des § 15 AStG auch ausländische Trusts erfasst, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um rechtsfähige oder um nichtrechts-

1 2 3 4 5

6 7

Redaktionsversehen: Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 267; BFH v. 16.1.1980 – II R 83/74, BStBl. II 1980, 359. Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 87. Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 87; Runge in B/K/L/M/R, § 15 Rz. 18. Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 85; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 41. Das Einkommen der Stiftung ist unmaßgeblich. Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 85; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.2.3; modifizierend Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 42, die bei Anfallsberechtigten die bloße Addition der jeweiligen Ansprüche auf das Stiftungsvermögen bei Auflösung der Stiftung also ohne Abzinsung für ausreichend halten; vgl. die Übersicht der z.T. stark divergierenden Literaturmeinungen Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 59. Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 101 ff. Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 126; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 70; Wenz/Linn in Haase, § 15 StG Rz. 121; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 41.

474

C. Gegenstand der Zurechnung

fähige Gebilde handelt; die wirtschaftliche Selbständigkeit reicht aus.1 Voraussetzung ist allerdings, dass der Trust selbst Einkünfteerzielungssubjekt ist. Sog. revocable Trusts, bei denen der Errichter oder Treugeber (settlor, grantor) dem Vermögensverwalter (trustee) Vermögenswerte nur widerruflich zum Eigentum überträgt, führen nicht zur Übertragung einer Einkunftsquelle: Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sind die Einkünfte unverändert dem Treugeber zuzurechnen.2 Denkbar ist aber auch, dass der trustee das Vermögen treuhänderisch für die Anfalls- bzw. Bezugsberechtigten (beneficiaries) hält mit der Folge, dass die Einkünfte unmittelbar diesem Personenkreis zuzurechnen sind.3 In diesem Fall greift § 15 AStG ebenfalls nicht ein. Erfasst wird lediglich der sog. irrevocable Trust, bei dem der settlor dem trustee die Wirtschaftsgüter endgültig zu Eigentum überträgt, ohne dass der settlor oder die beneficiaries als wirtschaftliche Eigentümer des Trustvermögens anzusehen sind. In diesem Fall besteht lediglich eine treuhänderische Bindung des trustees ggü. dem Trust, die ihre Grundlage in einem Vertrag zugunsten Dritter zwischen dem settlor und dem trustee hat. Hieraus folgt, dass das Einkommen des Trusts als Vermögensmasse gem. § 15 Abs. 4 AStG der Zurechnung (§ 15 Abs. 1 AStG) unterliegt.4

C. Gegenstand der Zurechnung Gemäß § 15 AStG werden nicht Einkünfte oder bestimmte Vermögensgegenstände zugerechnet, sondern lediglich Einkommen und Vermögen.5 Die in § 15 Abs. 1 AStG genannten Zurechnungsempfänger erzielen damit keine originären eigenen Einkünfte, ihnen werden vielmehr für Zwecke der Besteuerung lediglich saldierte Rechengrößen zugerechnet.6 Da sich die Zurechnung weder auf den Gewerbeertrag noch auf das Betriebsvermögen erstreckt, hat § 15 AStG keine Bedeutung für die Gewerbesteu-

1 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 2 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; vgl. auch BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669. 3 Das setzt voraus, dass sich der settlor des Vermögens endgültig begeben hat und die beneficiaries als wirtschaftliche Eigentümer des Trustvermögens anzusehen sind; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388. 4 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994, v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 123; Bredow, WIB 1995, 775 (780); Seibold, IStR 1993, 545 ff. 5 Die Zurechnung von Vermögen geht seit dem 1.1.1997 ins Leere, weil seitdem keine VSt mehr erhoben wird; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 34; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 46; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 67; a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 10.

475

11.15

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

er.1 Aus der Zurechnung von Einkommen und Vermögen folgt weiter, dass die Ermittlung des Einkommens2 und des Vermögens auf der Stufe der ausländischen Familienstiftung zu erfolgen hat, so dass allein deren Verhältnisse maßgeblich sind.3 Die Begriffe Einkommen und Vermögen verweisen auf § 8 KStG und das Bewertungsgesetz, mit der Folge, dass diese Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln sind, als ob die ausländische Familienstiftung unbeschränkt steuerpflichtig wäre.4 Damit sind auf der Ebene der ausländischen Familienstiftung die entsprechenden Pausch- und Freibeträge zu berücksichtigen.5

11.16 Da § 15 AStG keine dem § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG vergleichbare Vorschrift enthält, erfasst die Zurechnung an sich auch negatives Einkommen und Vermögen,6 so dass beim Zurechnungsempfänger ein Ausgleich mit anderem positiven Einkommen und Vermögen möglich wäre. Diese Rechtsfolge wird indessen durch § 15 Abs. 7 Satz 2 AStG7 ausgeschlossen, weil bei einem negativen Betrag die Zurechnung als solche entfällt. Zulässig ist gem. § 15 Abs. 7 Satz 3 AStG nur ein Verlustrück- oder Verlustvortrag gem. § 10d EStG. Da § 10d EStG ausschließlich zu einer Verminderung des Gesamtbetrages der Einkünfte führen kann (§ 2 Abs. 4 EStG) und die Zurechnung des Einkommens erst auf einer späteren Stufe einsetzt, ist damit zugleich ein Verlustvor- oder -rücktrag beim Zurechnungsempfänger ausgeschlossen.8

1 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 38; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 7; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 66; von Löwe, IStR 2005, 578 (580); a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 26. 2 Zu ermitteln nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts (§ 15 Abs. 7 Satz 1 AStG). 3 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; BFH v. 8.4.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 34; von Löwe, IStR 2005, 578; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.1.1.; auf die Verhältnisse des Zurechnungsempfängers abstellend dagegen Groß in W/S/G, § 15 AStG Rz. 28; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 10; Groß, DB 1977, 514 (514). 4 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388, Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 203; Wenz/Linn in Haase, § 15 Rz. 28. 5 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.1.1. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 34; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 9, 10. 7 Eingefügt durch das JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. In 2008, 2794, und zwar rückwirkend auf alle noch offene Veranlagungen (§ 21 Abs. 18 Satz 7 AStG). 8 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 215.

476

D. Zurechnungsempfänger

D. Zurechnungsempfänger I. Allgemeines Da Einkommen und Vermögen zum Ende des Wirtschafts- oder Kalenderjahres der ausländischen Familienstiftung zu ermitteln sind, erfolgt die Zurechnung zu diesem Zeitpunkt bei demjenigen, der in diesem Zeitpunkt Stifter, Bezugs- und/oder Anfallsberechtigter ist.1

11.17

Die Zurechnung gem. § 15 AStG ist mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unvereinbar.2 Das gilt insbesondere für den Fall, dass dem Zurechnungsempfänger Einkommen zugerechnet wird, obwohl dieser seitens der Familienstiftung entweder überhaupt keine oder nur geringe Zuwendungen erhalten hat. Soweit der Zurechnungsempfänger Zuwendungen erhalten hat, die bei ihm im Grundsatz der Steuerpflicht unterliegen (z.B. § 22 Nr. 1 EStG), kommt es dennoch zu keinen steuerlichen Doppelbelastungen, weil die Besteuerung der tatsächlichen Auskehrungen auf der Grundlage des § 22 Nr. 1 EStG3 durch die Zurechnungsbesteuerung gem. § 15 Abs. 1 AStG verdrängt wird.4 Im Übrigen verbleibt es allerdings bei einer Besteuerung von Soll-Einkommen, wofür ein Legitimationsgrund nicht gegeben ist.5 Um hier eine Überbesteuerung zu vermeiden und eine an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung zu gewährleisten, ist ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.6 Damit scheiden insbesondere Zufallsdestinatäre, denen kein Mitwirkungsoder Beeinflussungsrecht bei der Stiftung zusteht und die nur einen Anspruch auf Zuwendung in Fällen der Not haben, aus der Zurechnungsbesteuerung aus.7

11.18

1 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 214; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 105; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 23; a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 25; der auf den für den Zurechnungsempfänger maßgeblichen Veranlagungszeitraum abstellt. 2 Schaumburg in FS Tipke, 125 (141). 3 Das BMF v. 27.6.2006, BStBl. I 2006, 417 geht von der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG aus; vgl. zur Kritik Wassermeyer, DStJG 30 (2007), 257 (265 ff.); im Zuge des JStG 2010 soll § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zur Anwendung kommen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStGE). 4 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.1.5.; Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 41, Rundshagen in S/K/K § 15 AStG Rz. 58. 5 Schaumburg in FS Tipke, 125 (141). 6 Im Ergebnis ebenso Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 24; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 4. 7 Die Finanzverwaltung verzichtet in diesen Fällen auf die Zurechnung; vgl. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.2.1.; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 4, 16.

477

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

II. Stifter 11.19 Gemäß § 15 Abs. 1 AStG erfolgt die Zurechnung in erster Linie bei dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter. Stifter ist derjenige, der die Stiftung errichtet hat1 oder wer Vermögen auf die Stiftung mit der Bestimmung übertragen hat, dass dieses Vermögen dem Stiftungskapital zuwächst.2 Demgegenüber wird in § 15 Abs. 3 AStG als Stifter einer Unternehmensstiftung nur der Errichter derselben bezeichnet. Damit wären von vornherein jene Personen ausgeschlossen, die Unternehmensstiftungen Zustiftungen widmen. Dem Gesetzgeber ist hier offenkundig ein Redaktionsversehen unterlaufen, das im Rahmen der Auslegung ohne weiteres korrigiert werden kann.3

11.20 Die Zurechnung bei dem Stifter erfolgt unter der Voraussetzung, dass dieser im Zurechnungszeitpunkt unbeschränkt steuerpflichtig (§ 15 Abs. 1 AStG) oder aber erweitert beschränkt steuerpflichtig (§ 15 Abs. 5 AStG) ist.4 Der Zurechnung nach § 15 Abs. 5 AStG und § 5 AStG bei erweitert beschränkt steuerpflichtigen Stiftern unterliegen nur Zwischeneinkünfte und das ihnen zugrunde liegende Vermögen, soweit es sich um erweiterte Inlandseinkünfte und erweitertes Inlandsvermögen handelt.5

11.21 Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 und 5 AStG kommt auf der ersten Stufe eine Zurechnung ausschließlich bei dem unbeschränkt und/oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Stifter in Betracht. Eine Zurechnung gegenüber anderen Stiftern ist ausgeschlossen.

11.22

Diese Rechtsfolge widerspricht indessen jeglicher Logik. Denn dem Stifter kann nicht mehr zugerechnet werden, als er selbst gestiftet hat. Gemessen an der Zielsetzung des § 15 AStG, eine Kapital- und Steuerflucht zu vermeiden, ist allenfalls der Zustand herzustellen, der ohne Einschaltung der ausländischen Familienstiftung bestände. § 15 Abs. 1 AStG ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass dem unbeschränkt und/oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Stifter nur dasjenige Einkommen zugerechnet wird, das dem Anteil des von ihm gestifteten Vermögens am gesamten Stiftungsvermögen entspricht.6 1 Oder für dessen Rechnung das Stiftungsgeschäft abgeschlossen worden ist; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.2.1. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 43; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 13; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 17. 3 Zur Korrektur von Redaktionsfehlern allgemein: Drüen in T/K, § 4 AO Tz. 267; BFH v. 16.1.1980 – II R 83/74, BStBl. II 1980, 359. 4 Bei zugezogenen Stiftern, die die Stiftung vor dem Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht errichtet haben, ist die Zurechnung nicht gerechtfertigt; hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 13 f. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 134; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 42; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.5.1. 6 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 45, 68; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 90; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 128; Runge, DB 1977, 514 (515).

478

D. Zurechnungsempfänger

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG kommt es für die Zurechnung nicht darauf an, ob der Stifter selbst bezugs- oder anfallsberechtigt ist. Demgegenüber stellt § 15 Abs. 2 AStG für die Frage, ob eine Familienstiftung gegeben ist, auf die Bezugs- und Anfallsberechtigung auch des Stifters ab.1

11.23

Diese Unabgestimmtheit führt zu sinnwidrigen Ergebnissen. So ist kein Grund erkennbar, Einkommen dem Stifter zuzurechnen, wenn er nicht selbst, sondern lediglich seine Angehörigen bezugs- und anfallsberechtigt sind. Hat der Stifter sich seines Vermögens durch Übertragung auf die Familienstiftung endgültig entäußert, ist er also weder anfalls- noch bezugsberechtigt, müsste eigentlich eine Zurechnung ihm gegenüber ausscheiden.2 § 15 Abs. 1 AStG lässt es indessen für die Zurechnung ausreichen, dass der Stifter die Familienstiftung ins Leben gerufen oder Zustiftungen erbracht hat. Die primäre Anknüpfung an den Stifter ist in der vorgenannten Fallkonstellation mit dem Leistungsfähkeitsprinzip nicht zu vereinbaren.3

11.24

III. Destinatäre Die Zurechnung gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und 11.25 Anfallsberechtigten erfolgt im Verhältnis zu den Stiftern lediglich subsidiär. Das bedeutet, dass eine Zurechnung bei den Destinatären nur dann eingreift, wenn eine Zurechnung bei einem unbeschränkt und/oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Stifter ausscheidet.4 Wer Bezugs- und Anfallsberechtigter ist, erläutet das Gesetz nicht. Daher ist entscheidend auf den Wortsinn der verwendeten Begriffe abzustellen. Hieraus folgt, dass Bezugsberechtigter nur derjenige sein kann, der ggü. der Familienstiftung einen Rechtsanspruch oder jedenfalls eine rechtliche Anwartschaft auf den Bezug von Gütern in Geld oder Geldeswert hat. Eine bloß tatsächliche Chance oder Erwartung, Zuwendungen seitens der Familienstiftung zu erhalten, reicht für die Zurechnung nicht aus.5 Demgegenüber soll Bezugsberechtigter bereits derjenige sein, der solche Zuwendungen tatsächlich erhält oder bei dem nach den Umständen zu er-

1 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 83. 2 Vgl. auch Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 72, 89; Seibold, IStR 1993, 545 (548). 3 Im Ergebnis dennoch gebilligt von BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457. 4 Die subsidiäre Anknüpfung gilt damit nicht, wenn der Stifter im Inland entweder nur beschränkt oder überhaupt nicht steuerpflichtig ist; hierzu Wenz/Linn in Haase § 15 AStG Rz. 73. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 49 ff.; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 14; Gross in W/S/G, § 15 AStG Rz. 19; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 56.

479

11.26

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

warten ist, dass er sie erhalten wird.1 Darüber, wer Anfallsberechtigter ist, ist ebenfalls nicht aufgrund irgendwelcher Zuwendungsprognosen zu entscheiden. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die Satzung einem bestimmten Personenkreis einen Rechtsanspruch bzw. eine Rechtsanwartschaft einräumt. Ist dies nicht der Fall, gibt es auch keine Anfallsberechtigten.2

11.27 Obwohl § 15 Abs. 1 AStG lediglich eine Rangfolge der Zurechnung zwischen Stifter einerseits und Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten andererseits vorsieht, ergibt sich eine derartige Rangfolge logisch auch im Verhältnis zwischen Bezugs- und Anfallsberechtigten. Das Vermögen und das Einkommen kommt nämlich den Anfallsberechtigten erst im Falle der Liquidation der Stiftung zugute. Die Zurechnung des Einkommens bei den Anfallsberechtigten ist insbesondere dann sinnwidrig, wenn dieses Einkommen den Bezugsberechtigten zugewendet wird. § 15 Abs. 1 AStG ist daher dahingehend auszulegen, dass eine Zurechnung des Einkommens bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anfallsberechtigten solange unterbleibt, wie unbeschränkt steuerpflichtige Bezugsberechtigte vorhanden sind.3

11.28 Sind neben unbeschränkt und/oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten auch Steuerausländer als Bezugsund Anfallsberechtigte vorhanden, erfolgt nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG eine Zurechnung ausschließlich bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten.

11.29

Diese Zurechnung ist sinnwidrig und schießt weit über das Ziel hinaus. Denn eine Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG kann logisch nicht weitergehen als der Rechtsanspruch auf die Zuwendung reicht. Eine darüber hinausgehende Zurechnung würde zu einer übermäßigen der Leistungsfähigkeit des Zurechnungsempfängers nicht entsprechenden Besteuerung führen. § 15 Abs. 1 AStG ist deshalb dahingehend auszulegen, dass die Zurechnung bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten nur nach Maßgabe ihrer Quote an der Gesamtberechtigung erfolgt.4 Ist indessen eine Quote nicht feststellbar, etwa weil in der Satzung hierzu nichts geregelt ist oder der Stif-

1 BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.2.1.; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 14; Runge, DB 1977, 514 (514); eine gesicherte Rechtsposition halten für erforderlich Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 21. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 35, 36, 36.1 und 36.2. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 64; im Ergebnis ebenso Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 22; Schulz in Lademann, § 15 AStG Rz. 38; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 21; Runge, DB 1977, 514 (515); a.A. Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 18; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 135; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.1.3. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 63; Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 21; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 24; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 91; Kirchhain, Die Familienstifung im Außensteuerrecht, Rz. 133; Runge, DB 1977, 514 (516).

480

E. Ermittlung des zuzurechnenden Einkommens tungsvorstand bzw. der trustee die Quoten bzw. die tatsächlichen Zuwendungen nach eigenem Ermessen festsetzen kann, ist § 15 AStG nicht vollziehbar: Kein deutsches Finanzamt wird in der Lage sein, den auf den unbeschränkt steuerpflichtigen Begünstigten entfallenden Anteil am Einkommen und Vermögen der Familienstiftung zu ermitteln. Dieses Vollzugsdefizit ergibt sich nicht nur bei mehreren in- und ausländischen Begünstigten, sondern auch in den Fällen, in denen nur inländische Begünstigte ohne feste Quote bezugsberechtigt sind.

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG kommt eine Zurechnung auch bei bezugs- und anfallsberechtigten Dritten in Betracht, obwohl § 15 Abs. 2 AStG für die Frage, ob eine Familienstiftung gegeben ist, nur auf bezugs- und anfallsberechtigte Angehörige des Stifters abstellt.

11.30

Diese Unabgestimmtheit führt ebenfalls zu sinnwidrigen, mit den Wertungen der Zurechnungsbesteuerung des § 15 AStG unvereinbaren Ergebnissen. Es ist kein Grund erkennbar, warum außen stehenden Dritten, die bezugs- und anfallsberechtigt sind, Einkommen und Vermögen zugerechnet wird, nur weil es sich um eine Familienstiftung handelt. Daher ist auch eine einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass neben dem Stifter nur bezugs- und anfallsberechtigte Angehörige und deren Abkömmlinge Zurechnungsempfänger sind.1

11.31

E. Ermittlung des zuzurechnenden Einkommens Gegenstand der Zurechnung ist das Einkommen i.S. des § 8 KStG.2 Das bedeutet, dass das Einkommen so zu ermitteln ist, als wäre die Stiftung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.3 Maßgeblich sind somit die Vorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 15 Abs. 7 Satz 1 AStG). Hieraus folgt, dass Zuwendungen an die bezugs- und anfallsberechtigten Personen steuerlich nicht abziehbar sind (§ 10 Nr. 1 KStG).4 Das auf der Ebene der Familienstiftung ermittelte Einkommen wird als Rechengröße beim Zurechnungsempfänger erfasst mit der Folge, dass sein eigenes Einkommen entsprechend erhöht wird. Da § 12 AStG über § 15 Abs. 5 AStG entsprechende Anwendung findet, ist der Zurechnungsempfänger berechtigt, die von der ausländischen Stiftung erhobene Ertrag- und Vermögensteuer auf die inländische Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld nach den Re1 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 61; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 132; a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 15 AStG Rz. 31. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 203; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 47; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 23. 3 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; Wassermeyer in F/W/B, § 15 AStG Rz. 203; Wassermeyer, IStR 2009, 191 f.; BMF v. 15.4.2001, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.1.1. 4 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727.

481

11.32

Kapitel 11 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen

geln des § 34c Abs. 1 EStG (§ 26 Abs. 1 KStG) anzurechnen. Die Anrechnung erfasst sowohl in- als auch ausländische Steuern; sie können nur für die Jahre angerechnet werden, in denen sie entrichtet wurden.1 Ist die Bemessungsgrundlage der ausländischen Einkünfte nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts niedriger als im Ausland, so ist die anzurechnende ausländische Steuer dennoch ungekürzt in die Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG einzubeziehen, so dass die von der ausländischen Familienstiftung insoweit entrichteten Steuern ohne weiteres bis zur Höhe der von den Begünstigten auf das zugerechnete Einkommen gezahlten Steuern angerechnet werden können.2 Etwas anderes gilt allerdings, wenn in die ausländische Bemessungsgrundlage der ausländischen Steuer nicht ausländische Einkünfte einfließen: Hier ist die ausländische Steuer entsprechend aufzuteilen, weil nur die auf ausländische Einkünfte entfallende ausländische Steuer der Höchstbetragsregelung des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG unterliegt.3 Im Übrigen ergeben sich keine Anrechnungsbeschränkungen. Das gilt auch, soweit die ausländische Steuer nicht von der Familienstiftung (Trust) selbst, sondern vom Stifter oder vom Begünstigten zu zahlen war:4 Hier ist die Anrechnung aus Billigkeitsgründen so vorzunehmen, wie wenn diese Steuern von der Familienstiftung (Trust) selbst entrichtet worden wären.5

1 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.5.2. 2 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.5.2. 3 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 15.5.2.; Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 134. 4 So etwa beim sog. grantor trust in den USA; hierzu Sieker, Der US-Trust, 212. 5 Vgl. BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727.

482

3. Teil Doppelbesteuerungsrecht Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung Literatur Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 32; Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in FS für Debatin, München 1997, 55; Burmester, Begriff und Funktion des Steuergutes im Steuerrecht, StuW 1993, 221; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Flick, Das Erfordernis der Subjektsidentität bei Doppelbesteuerungsnormen, StuW 1960, 329; Flick, Gleichheit von Steuergegenstand und Bemessungsgrundlage im Internationalen Steuerrecht, StuW 1961, 679; Hey/Bauersfeld, Die Besteuerung der Personen(handels)gesellschaften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, IStR 2005, 649; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 2009; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXV Ib (1981), 81; Kormann, Die Steuerpolitik der Internationalen Unternehmung, Düsseldorf 1970; Lang, M., Doppelte Nichtbesteuerung, CDFI 89a (2004), 21; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), Tübingen 1965, 89; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppelund Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, Diss. Göttingen 1970; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStJG 8 (1985), 135; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖZöffR 1974, 255; Philipp, Befreiungssysteme mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966, 372; Schmitz, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1957, 16; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 74; Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart 1967; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489.

Rechtslehre und Praxis unterscheiden im Bereich des Internationalen Steuerrechts gemeinhin zwischen Außensteuerrecht und Doppelbesteuerungsrecht.1 Da der Begriff des Internationalen Steuerrechts selbst recht 1 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 3; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 5; Mössner, ÖZöffR 1974, 255 (260 ff.); zu weiteren Einzelheiten Rz. 1.4.

483

12.1

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung

unscharf ist, nimmt es nicht wunder, dass der Begriff der Doppelbesteuerung ebenfalls unterschiedlichen Deutungen zugänglich ist. So sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die vielfältigen Erscheinungsformen der Doppelbesteuerung gegeneinander abzugrenzen. Die Doppelbesteuerung im engeren, weiteren und weitesten Sinn, die formale und materielle, subjektive und objektive, echte und unechte sowie die eigentliche und uneigentliche Doppelbesteuerung1 ist ebenso wie die technische,2 rechtliche,3 juristische,4 wirtschaftliche,5 ökonomische,6 schräge, horizontale und vertikale,7 direkte und indirekte8 Doppelbesteuerung ein Beleg für die Beliebigkeit und zugleich für die fehlende Bedeutung dieser Begriffsbildung. Dem Begriff der Doppelbesteuerung als solchem, der rechtlich ohnehin nicht existent ist,9 lassen sich nämlich keine Orientierungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen.10

12.2 Der Doppelbesteuerung liegen grenzüberschreitende Sachverhalte zugrunde, die dazu führen, dass sich der Steuerpflichtige dem Steuerzugriff mehrerer Staaten ausgesetzt sieht, dort also steuerpflichtig wird. Hierdurch wird in aller Regel eine steuerliche Mehrbelastung verursacht. Den Normen, die sich mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung beschäftigen, können folgende Merkmale entnommen werden, die das Phänomen der Doppelbesteuerung konkretisieren: – Besteuerung durch verschiedene Hoheitsträger, – Identität von Steuersubjekt, – Identität von Steuerobjekt, – Identität des Besteuerungszeitraums, – Gleichartigkeit der Steuer.

12.3 Die Besteuerung durch verschiedene Hoheitsträger grenzt die Doppelbesteuerung von der Doppelbelastung ab, die konkurrierende steuerliche Mehrbelastungen durch ein und dieselbe Abgabengewalt bezeichnet.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 58. Flick, FinArch. 1961 (Band 21), 86 (90). Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, 372. OECD-Kommentar zum Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, Bericht des Fiskal-Ausschusses der OECD 1977, Bonn 1979, 11. Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, 372. Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (92). Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 136. Juch, CDFI LXV Ib (1981), 81. Mössner DStJG 8 (1985) 135 (137). Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 5; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1; Mössner DStJG 8 (1985) 135 (137). Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 85; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 28; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 44;

484

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung

Die von verschiedenen Abgabengewalten1 ausgehende Besteuerung muss sich auf ein und dasselbe Steuerobjekt2 beziehen. Da für die Besteuerung als geeignet erscheinende wirtschaftliche Vorgänge oder Zustände, etwa die Erzielung von Einkommen, zum Anknüpfungspunkt für die Besteuerung erhoben werden, wird eine völlige Identität des Steuerobjekts international nur ausnahmsweise, etwa bei parallel gewachsenen Steuersystemen,3 möglich sein. Da aber die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung beliebig gestaltet werden können, stellen die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durchweg nicht auf eine streng juristische, sondern auf eine wirtschaftliche Identität des Steuerobjekts ab. Es reicht daher aus, wenn im Wesentlichen das gleiche Besteuerungsgut erfasst wird.4 Der Verzicht auf die streng juristische Identität des Steuerobjekts hat insbesondere Bedeutung für die Steuerbemessungsgrundlage, die als quantifiziertes Steuerobjekt5 wegen der spezifisch technisch-rechtlichen Ausgestaltung, insbesondere im Bereich der Ertragsteuern, international sehr stark divergiert.6 Ebenso wie die Steuerobjektsidentität kann auch die Identität des Steuersubjekts7 nicht streng juristisch, nicht in seiner technisch-tatbestandlichen Ausgestaltung verstanden werden, wenn das Phänomen der Doppelbesteuerung nicht zu einem Randproblem reduziert werden soll. Denn die Zurechnung des Steuerobjekts zu einem Steuersubjekt als Rechtssubjekt des jeweiligen Steuergesetzes ist in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt. So sind etwa im romanischen Rechtskreis die Personenhandelsgesellschaften im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht durchweg Steuersubjekte.8 Darüber hinaus ergeben sich international erhebliche Zurechnungsdivergenzen, etwa bei Nießbrauch- und Treuhand-

1 2 3 4 5 6 7 8

die Terminologie ist allerdings uneinheitlich: so wird als Doppelbelastung die wirtschaftliche Doppelbesteuerung verschiedener Steuersubjekte verstanden; so z.B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 3 f., und die Mehrfachbelastung des nämlichen Steuersubjektes durch denselben Steuergläubiger als Doppelbesteuerung, durch mehrere Steuergläubiger als mehrfachberechtigte Doppelbesteuerung und die durch verschiedene Völkerrechtssubjekte als internationale Doppelbesteuerung bezeichnet; vgl. Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 44 ff. Unklar ist, ob hierbei auf die Gesetzgebungshoheit, Ertragshoheit oder Verwaltungshoheit abzustellen ist; vgl. Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 2. Im Sinne von Steuergegenstand oder Besteuerungsgut; zum Begriff Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 23; Burmester, StuW 1993, 221 ff. Etwa die Einkommensteuersysteme Deutschlands und Österreichs. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 180; Mersmann in Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (91); Flick, StuW 1960, 329 (341); Flick, StuW 1961, 679 (681 f.). Zum Begriff Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 23 ff. Hierzu Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 195 f. Zum Begriff Steuersubjekt Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 22. Vgl. hierzu die Übersicht bei Hey/Bauersfeld, IStR 2005, 649 ff.

485

12.4

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung

verhältnissen.1 Im Hinblick darauf wird die Subjektsidentität auch dann angenommen, wenn in dem einen Staat die Personengesellschaft selbst und in dem anderen Staat deren Gesellschafter zur Steuer herangezogen werden.2 Die vorgenannte allgemein akzeptierte Abweichung vom Prinzip der Subjektsidentität im juristischen Sinne lässt sich dahingehend formulieren, dass eine wirtschaftliche Subjektsidentität immer dann gegeben ist, wenn mehrere Staaten zwar dasselbe Steuerobjekt besteuern, die Erfassung aber bei verschiedenen, privatrechtlich selbständigen Einheiten, z.B. bei verbundenen Unternehmen, erfolgt.3 Im Hinblick darauf wird denn auch im Unterschied zur juristischen Doppelbesteuerung von einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gesprochen,4 die ihre Ausprägung im nationalen Recht in § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG5 und auf der Ebene von DBA in Art. 9 OECD-MA (Gewinnkorrektur zwischen verbundenen Unternehmen) hat.

12.5 Im Ergebnis liegt daher die eigentliche Funktion des Erfordernisses der Subjektsidentität darin, die Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern grundsätzlich der Doppelbesteuerungsproblematik zu entziehen.6

12.6 Der Identität des Besteuerungszeitraums wird als Merkmal der Doppelbesteuerung allgemein keine besondere Bedeutung beigemessen, weil insbesondere die Gewinnrealisierungstatbestände in den einzelnen Steuerrechtsordnungen unterschiedlichen Zeiträumen zugeordnet werden.

12.7 Die Gleichartigkeit der Steuer verlangt schließlich ebenfalls keine Identität der Steuer, die wegen der verschiedenen Steuersysteme ohnehin nicht gegeben ist. Abgestellt wird vielmehr auf die Vergleichbarkeit, die vor allem am Steuerobjekt und an der Belastungswirkung zu messen ist.7

1 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 15 f. 2 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 440; BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 15.3.1995 – II R 24/91, BStBl. II 1995, 653; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; Wassermeyer, IStR 1998, 489 (492). 3 Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 18; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 16 f. 4 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 32; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 4; Grotherr in G/K/G, DBA, Grundlagen, Rz. 23 f.; Flick, StuW 1960, 329 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 34. 5 Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg bei mittelbarer Beteiligung; vgl. im Einzelnen Rz. 15.238 ff. 6 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (139). 7 Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 28.

486

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung

Die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung betreffen nicht nur die effektive Doppelbesteuerung, also den Fall, dass ein und dasselbe Steuersubjekt tatsächlich auch von mehreren internationalen Abgabenhoheiten in Anspruch genommen wird. Sie betreffen auch die virtuelle Doppelbesteuerung, wonach ein mehrstaatlicher Steuerzugriff aufgrund von in DBA eingeräumten Besteuerungskompetenzen zwar möglich ist, tatsächlich aber nicht erfolgt. In diesem Fall kommt es zu überhaupt keiner Besteuerung (sog. Nullbesteuerung), sofern die Doppelbesteuerung durch Freistellung auf Abkommensebene vermieden wird.1 Um eine derartige Nullbesteuerung zu vermeiden, sehen einige DBA2 sowie das nationale Steuerrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 50d Abs. 8 EStG) und in bestimmten Fällen von Qualifikationskonflikten (§ 50d Abs. 9 EStG) sog. subject-to-tax-Klauseln3 vor, nach denen die Freistellung davon abhängig gemacht wird, dass die betreffenden Einkünfte im anderen Staat steuerpflichtig und/oder tatsächlich der Besteuerung unterworfen sind.4

12.8

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, den Begriff der Doppelbesteuerung, der im Wesentlichen durch qualitative Merkmale getragen ist, durch Anreicherung quantitativer Aspekte zu verengen. Hiernach soll eine Doppelbesteuerung nur dann vorliegen, wenn die von einem Steuersubjekt zu tragende Steuer jene Steuerlast übersteigt, die es zu tragen hätte, wenn es nur einer Steuerhoheit unterläge.5 Diese Begriffseinengung mag zwar wünschenswert sein, weil sie sich lediglich auf die effektive, nicht aber auf die virtuelle Doppelbesteuerung bezieht und dadurch das Problem der Null- bzw. doppelten Nichtbesteuerung6 aufhebt, den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung lässt sich dieser quantitative Aspekt indessen nicht entnehmen, soweit diese die Vermeidung der (virtuellen) Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung bewirken.

12.9

Als Folge der Vermeidung der Doppelbesteuerung kommt es in der Besteuerungspraxis nicht selten zu einer doppelten Nichtbesteuerung. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen insbesondere durch Steuerfreistellung die virtuelle Doppelbesteuerung vermieden wird. Darüber hinaus kommt es zu einer derartigen Nullbesteuerung oder Minderbesteue-

1 Die Steuerfreistellung erfolgt in der internationalen Praxis auf der Ebene von DBA überwiegend unbedingt, d.h. ohne Rücksicht darauf, ob der berechtigte Staat besteuert. 2 Hierzu der Überblick bei Vogel in V/L5, Vor Art. 6 Rz.-22 OECD-MA Rz. 31 ff. 3 Auch Rückfallklauseln genannt. 4 Hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff.; ferner Rz. 16.522 ff. 5 Frotscher, Internationales Steuerrecht3, 3 f.; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 30; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (139 f.); Philipp, Befreiungssysteme mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, 9 f.; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, 50; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 17 ff. 6 Hierzu Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht.

487

12.10

Kapitel 12 Begriff der Doppelbesteuerung

rung auch bei Qualifikations- und Zuordnungskonflikten.1 Im Hinblick darauf ist von einer doppelten Nichtbesteuerung dann auszugehen, wenn grenzüberschreitend erzielte Einkünfte nicht oder nur teilweise steuerlich erfasst werden, weil es aufgrund des Aufeinandertreffens mehrerer eigenständiger Rechtsordnungen zu einer Freistellung oder Nichterfassung der Einkünfte in beiden Staaten kommt.2

1 Zu Einzelheiten Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 74 ff. 2 So die Definition von Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 273; ähnlich Burmester in FS Debatin, 55 (56 f.); M.Lang, CDFI 89a (2004), 21 ff.

488

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung Literatur Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 32 ff.; Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in FS für Debatin, München 1997, 55; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung, Diss. Mainz 1970; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974,; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973; Lang, M., Doppelte Nichtbesteuerung, CDFI 89a (2004), 21; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, Diss. Göttingen 1970; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966; Ritter in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 96; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983), 15 ff.; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982, 29.

Die Steuerhoheit ist Ausdruck der Gebietshoheit eines Staates, innerhalb dessen Grenzen die Staatsgewalt ausgeübt wird. Daraus folgt, dass als Anknüpfungspunkte für die Besteuerung alle wirtschaftlichen Erscheinungen innerhalb des Staatsgebietes in Betracht kommen können (Territorialitätsprinzip). Damit ist das Ausmaß der Besteuerung aber noch nicht erschöpft; denn mangels eines entgegenstehenden völkerrechtlichen Verbots kann die Abgabengewalt auch auf auslandsbezogene Steuergüter ausgeweitet werden (Universalitätsprinzip). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es in persönlicher Hinsicht irgendeine Beziehung zum Staatsgebiet gibt, und zwar durch Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitzprinzip) oder aber durch die Staatsangehörigkeit selbst. Existiert eine derartige persönliche Beziehung nicht, bleibt es bei der durch das Staatsgebiet gezogenen Besteuerungsschranke. Diese Schrankenwirkung entspricht dem völkerrechtlich verbindlichen Grundsatz, dass nur solche Sachverhalte der Besteuerung eines Staates unterworfen werden dürfen, die einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt zu diesem aufweisen.

13.1

Die Steuersysteme der einzelnen Länder haben den vorstehenden Prinzipien weitgehend Rechnung getragen, das Einkommen-, Körperschaftund Erbschaftsteuergesetz Deutschlands beispielsweise durch die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht. Die unbeschränkte Steuerpflicht knüpft an den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder an den Ort der Geschäftsleitung des Steuersubjektes an. Bei anderen Ländern, z.B. in den USA, tritt die Staatsangehörigkeit als weiteres Anknüpfungsmerkmal hinzu. Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht, in deren Rahmen das gesamte Welteinkommen/Weltvermögen erfasst wird,

13.2

489

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung

ist die beschränkte Steuerpflicht auf Inlandseinkünfte/Inlandsvermögen begrenzt.

13.3 Diejenigen Normen, die im Bereich der Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer eine unbeschränkte Steuerpflicht mit der Folge der Besteuerung des Welteinkommens/Weltvermögens statuieren, sind kollisions- oder konfliktbegründend. Sie sind die eigentliche Ursache der Doppelbesteuerung. Eine Kollisionsbegründung erfolgt im Bereich der vorgenannten Steuern insbesondere durch das internationale Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht im Wohnsitzstaat durch Erfassung des Welteinkommens/Weltvermögens und beschränkter Steuerpflicht im Quellenstaat durch Erfassung inländischen Einkommens und Vermögens. In diesem primären Kollisionsfall kollidieren also die Steueransprüche des Wohnsitzstaates und des Quellenstaates. Die Vermeidung der hierdurch verursachten Doppelbesteuerung ist das Hauptziel der kollisionsauflösenden Normen, das heißt derjenigen Normen, die die Vermeidung der Doppelbesteuerung zum Ziel haben.1

13.4 Eine Besteuerung nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips ist von ihrem Ansatz her grundsätzlich auf Vermeidung von Doppelbesteuerung angelegt. Hierzu bedürfte es allerdings eines internationalen Konsenses aller Staaten insbesondere über die inländischen Steueranknüpfungspunkte. Denn nur bei identischen Quellendefinitionen lässt sich konzeptionell eine Doppelbesteuerung vermeiden. Ein derart weltweites Territorialitätsprinzip ist indessen chancenlos, weil Hochsteuerländer durch Überwechseln vom Welteinkommensprinzip zum Territorialitätsprinzip Steuerausfälle zu befürchten hätten.2

13.5 Eine weitere Ursache der Doppelbesteuerung liegt in dem Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten, etwa bei Doppelwohnsitz oder Mehrfachwohnsitz oder aber im Falle der Anknüpfung an den Wohnsitz einerseits und an die Staatsangehörigkeit andererseits. Auch diese Fälle der Doppelbesteuerung werden von den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfasst. Schließlich ist eine Doppelbesteuerung auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich, etwa dann, wenn für die inländischen Steuerquellen jeweils unterschiedliche Anknüpfungspunkte gewählt werden.

13.6 Bei den Verkehr- bzw. Verbrauchsteuern, insbesondere bei der Umsatzsteuer, liegt die Ursache der Doppelbesteuerung in dem Nebeneinander

1 Zu kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen Rz. 2.6 ff. 2 Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung, 85 f.; Ritter in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 96; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 52.

490

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung

von Bestimmungsland- und Ursprungslandbesteuerung.1 Wo im Verhältnis mehrerer Staaten zueinander etwa das Bestimmungslandprinzip Geltung hat – derzeit in der EU –, tritt eine Doppelbesteuerung allerdings nur ein, wenn die Anknüpfungspunkte hierfür unterschiedlich ausgestaltet sind.2 Die Ursache für eine Doppelbesteuerung im Bereich der Gewerbesteuer liegt insbesondere in der unterschiedlichen Anknüpfung an Steuerobjekte im Rahmen des prinzipiell geltenden Territorialitätsprinzips. So können etwa der Gewerbesteuer unterliegende Steuerquellen eines Staates einer Betriebsstätte des anderen Staates zugeordnet und dort ebenfalls der Gewerbesteuer unterworfen werden.

13.7

Neben der Doppelbesteuerung selbst wird auch die doppelte Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) als ein Ergebnis nicht oder nicht voll korrespondierender3 Normen (bzw. von deren Auslegungen) in einigen Staaten aufgefasst.4 Aufgrund kollisionsbegründender Normen ist bei den Personensteuern eine Minderbesteuerung insbesondere in den Fällen denkbar, in denen Steuerpflichtige in Staaten ansässig sind, die nicht das Welteinkommen, sondern lediglich das Einkommen nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips versteuern.5 Soweit in diesem Rahmen unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Besteuerung gewählt werden, kann es aus internationaler Sicht zu Besteuerungslücken kommen. Im Übrigen entsteht eine Minderbesteuerung auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerflucht. Im Hinblick darauf wird die Minderbesteuerung auch als Ergebnis eines aktiven Steuerwiderstandes gedeutet,6 womit zugleich die Ursache dieser Minderbesteuerung umschrieben ist. Überwiegend wird eine Minderbesteuerung indessen nicht mit Steuerflucht in Verbindung gebracht, sondern stets dann angenommen, wenn Einkünfte in verschiedenen Staaten aufgrund unterschiedlich wirkender Rechtsordnungen tatsächlich keiner oder nur einer teilweisen Besteuerung Unterliegen. Angesprochen sind damit u.a. die Fälle zwischenstaatlicher Qualifikationskonflikte, aufgrund deren es, etwa bei divergierender Anwendung von DBA, zu Doppelfreistellungen kommt (Rz. 16.84 f.).

13.8

Im Hinblick darauf sind die uni- und bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht selten mit Normen zur Vermeidung einer

13.9

1 Stadie in R/D, Einf. UStG Rz.Rz. 270 ff.; Ruppe, CDFI LXVIIIb (1983), 15 ff.; zu Einzelheiten Rz. 9.2 ff. 2 Ruppe, CDFI LXVIIIb (1983), 15 (28 f.). 3 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 166 ff. 4 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169 f.; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 29; Burmester in FS Debatin, 55 ff.; M. Lang, CDFI 89a (2004), 21 ff. 5 Hongkong, Kenia, Uruguay. 6 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, 120 f.

491

Kapitel 13 Ursachen der Doppelbesteuerung

Minderbesteuerung verknüpft. Diese sind zumeist darauf gerichtet, Steuerentlastungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Zu diesen Normen gehören etwa die treaty shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG, subject-to-tax-Klauseln der DBA sowie des § 50d Abs. 8 und 9 EStG, die switch-over-Klausel des § 20 Abs. 2 AStG sowie die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln.

492

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung Literatur Bachmayr, Rechtsanspruch auf Schutz gegen internationale Doppelbesteuerung, StuW 1964, 885; Becker, Tücken bei der Anrechnung ausländischer Steuern, BB 1977, 536; Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1 (4); Brodmann, Wettbewerbswirkungen unterschiedlicher Steuersysteme im internationalen Handel unter besonderer Berücksichtigung der Besteuerungsverhältnisse in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, St. Gallen 1974; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Dautzenberg, Doppelbesteuerung und EG-Vertrag: Die Anrechnungsmethode als gemeinschaftsrechtlicher Mindeststandard?, DB 1994, 1542; Ditz/ Plansky, Aktuelle Entwicklungen bei der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste, DB 2009, 1669; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Drüen, Die Bruttobesteuerung von Einkommen als verfassungsrechtliches Vabanquespiel, StuW 2008, 3; Dürrschmidt, „Europäisches Steuerrecht“ nach Lissabon, NJW 2010, 2086; Ebling, Rechtsgrundsätze des Bundesfinanzhofs zum Internationalen Steuerrecht, DB 1983, Beilage Nr. 18, 1; Ebling, Die unilateralen Maßnahmen zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung, DStR 1976, 231; Englisch, Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des objektiven Nettoprinzips, DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 92; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Feuerbaum, Maßnahmen zur Sicherung der internationalen steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft – insbesondere des Großanlagenbaus, DB 1980, 1805; Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), Köln 1996; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Flick, Steuerliche Gefahren für den Anlagenbau im Ausland, DStR 1977, 253; Freudling, Grundfragen zu DBA, AWD 1969, 108; Gandenberger, Der Einfluss der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, DStJG 8 (1985), 33; Gebhardt/Quilitzsch, Europarechtliche Überlegungen zu § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG, IStR 2010, 390; Häger, Meistbegünstigung im Recht der DBA, Baden-Baden 2008; Hahn, Grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten?, IStR 2002, 681; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973; IdW, Zur direkten Steueranrechnung nach § 34c EStG und § 26 Abs. 1 KStG 1977, DB 1977, 322 (323); Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, CDFI LXVIb (1981), 81; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen DBA und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, Frankfurt u.a. 2007; Kiehne, Verluste aus ausländischen Betriebsstätten nach deutschem Doppelbesteuerungsrecht, AWD 1967, 187; Knauer, Verlustausgleich und DBA, StuW 1964, 155; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Krebühl, Das Steueranrechnungsverfahren in den USA – Ein Vorbild für Deutschland?, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 147; Lamprecht, Betriebsstättenverluste, Verlustvortragsrecht und Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach dem Urteil des EuGH in der Rs. KR Wannsee, IStR 2008, 766; Lang, M., Doppelbesteuerungsabkommen und Gemein-

493

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung schaftsrecht, in Breuninger/Müller/Strobl-Haarmann (Hrsg), Steuerrecht und europäische Integration, FS für Rädler, München 1999, 429; Lang, Familienexistenzminimum im Steuer- und Kindergeldrecht, StuW 1990, 331; Lehner in Birk/Ehlers (Hrsg.), Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995, 18; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 241; Lehner, Der Einfluss des Europarechts auf die Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2001, 329; Lehner, Beseitigt die neue Verfassung für Europa die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung?, IStR 2005, 397; Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, Bern 1996; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Maiterth, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, Bielefeld 2001, 213; Manke, Günstigere Regelungen zur Berücksichtigung ausländischer Steuern, DStZ 1980, 323; Mennel, Internationaler Vergleich der Anrechnung ausländischer Steuern, RIW 1977, 470; Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), Tübingen 1965; Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzuges, DStJG 17 (1994), 231; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStJG 8 (1985), 135; Mössner/Kellersmann, Grenzenlose Steuern – Fiktion oder Wirklichkeit?, DVBl. 1995, 968; Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989; Rädler, Meistbegünstigung im europäischen Steuerrecht?, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 335; Ritter, Nationale Steuerverschärfung als Beitrag zum internationalen Steuerwettbewerb, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, in FS für L. Fischer, Berlin 1999, 179; Ritter, Das Prinzip Rücksicht – zu den internationalen Grenzen der Steuerhoheit, BB 1984, 1109; Ritter, Steuerfreiheit ausländischer Schachteldividenden, BB 1994, 509; Ritter, Steuerprobleme inländischer Muttergesellschaften mit ausländischem Beteiligungsbesitz, JbFSt 1975/76, 339; Schaumburg, Das Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Tipke/Seer/Hey/Englisch (Hrsg.), Gestaltung der Rechtsordnung, FS für Lang, Köln 2010, 1099; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Scheffler, Steuerfreistellung für Auslandsinvestitionen, in Jacobs/Spengel (Hrsg.), Aspekte der Unternehmensbesteuerung in Europa, Baden-Baden 1996, 155; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Schmitz, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1957; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und Europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, 158; Seiler/Axer, Die EuGH-Entscheidung im Fall „Lidl-Belgium“ als (Zwischen-) Schritt auf dem Weg zur Abstimmung von nationaler Steuerhoheit und europäischem Recht, IStR 2008, 838; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Tipke, Hütet das Nettoprinzip!, in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 177; Tipke, Verständigungsverfahren: Rechtsanspruch auf Beseitigung der Folgen einer Doppelbesteuerung oder bloßer Rechtsreflex?, AWD 1972, 589; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), 322; Vogel, Der Grundsatz der Rücksichtnahme im deutschen innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, in Kley/ Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 771; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Vogel, Theorie und Praxis im Interna-

494

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung tionalen Steuerrecht, DStR 1968, 427; Vogel, Harmonisierung des Internationalen Steuerrechts in Europa, StuW 1993, 380; Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, München 1996; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; WeberFas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982, 29; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, Münster 1988, 135; Widmer, Tendenzen in der Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, RIW 1976, 566; Wolf, Die Individualberechtigung aus Abkommen im Internationalen Steuerrecht, Diss. München 1964.

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung Die Doppelbesteuerung beruht im Bereich der Subjektsteuern1 vor allem auf dem internationalen Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht durch Erfassung des Welteinkommens/Weltvermögens, die anknüpft an Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, und beschränkter Steuerpflicht durch Erfassung inländischen Einkommens/inländischen Vermögens. Neben dieser primären Kollision von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits kann es zu einer Doppelbesteuerung auch durch das Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten kommen. Schließlich ist eine Kollision auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich. Die internationale Doppelbesteuerung infolge kollisions- oder konfliktbegründender Normen2 erfährt ihre Einschränkung oder gar Aufhebung durch kollisonsauflösende Normen, das heißt durch Normen, die auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichtet sind.

14.1

Der Begriff Vermeidung der Doppelbesteuerung ist zwar allgemein gebräuchlich, erfasst aber lediglich diejenigen (kollisionsvermeidenden) Normen, die das Zustandekommen einer Doppelbesteuerung verhindern. Im Vordergrund stehen indessen (kollisionsauflösende) Normen, die nachträglich eine Doppelbesteuerung beseitigen oder mildern. Im Hinblick darauf wird auch der Begriff Ausschaltung der Doppelbesteuerung verwendet.3

14.2

Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählt zwar für jeden Staat das Verbot, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne räumliche oder persönliche Schranken auszudehnen, so dass nur solche Sachver-

14.3

1 Zu ihnen gehören insbesondere Einkommensteuern; zur Steuertypologie im Einzelnen Lang in Tipke/Lang20, § 8 Rz. 20 ff. 2 Z.B. §§ 1 Abs. 1 bis 3 i.V. mit 2 Abs. 1 EStG für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht und §§ 1 Abs. 4 i.V. mit § 49 Abs. 1 EStG für die beschränkte Einkommensteuerpflicht. 3 Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (90); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 19; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 27 f.

495

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

halte der einseitigen Regelung eines Staates unterworfen sind, die eine tatsächliche Anknüpfung zum regelnden Staat aufweisen. Es gibt aber keinen völkerrechtlichen Satz, der eine Doppelbesteuerung verböte und der die Vermeidung der Doppelbesteuerung zur Auflage machte.1 Insbesondere hat sich bislang auch kein Völkergewohnheitsrecht entwickelt, aufgrund dessen eine übereinstimmende Rechtsüberzeugung festgestellt werden könnte, dass eine Doppelbesteuerung vermieden werden müsste.2

14.4 Auch der AEUV enthält kein ausdrückliches Doppelbesteuerungsverbot.3 Der inzwischen ersatzlos aufgehobene4 Art. 293 EG-Vertrag verpflichtete aber die Mitgliedstaaten untereinander, Verhandlungen einzuleiten,5 um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung sicherzustellen.6 Auf dieser Grundlage wurde mit dem EU-Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen7 ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag geschaffen worden, der darauf gerichtet ist, durch korrespondierende Gewinnberichtigungen eine Doppelbelastung zu vermeiden (Rz. 3.74 ff., 16.114 ff.). Im Übrigen ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der EU nicht sichergestellt.8 Das in Art. 26 1 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 14; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 167; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 39 f.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 29; Mersmann in Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (93); Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 277; Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (56); Ebling, DStR 1976, 231 (231). 2 Vogel, DStR 1968, 427 (430); Widmer, RIW 1976, 566 (567). 3 Hierzu Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 381 ff.; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 76 f. 4 Zu den Folgen dieser Aufhebung Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2089). 5 Diese Verpflichtung war allerdings nicht einklagbar; vgl. EuGH v. 11.7.1985 – Rs. 137/84 – Mutsch, EuGHE 1985, 2681, Tz. 11; v. 10.2.1994 – Rs. C-398/92 – Mund & Fester, EuGHE 1994, I-467, Tz. 11; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793, Tz. 15. 6 Dieses Gebot wirkte konstitutiv; hierzu Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 384; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 61 ff.; Lehner in Birk/Ehlers (Hrsg.), Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, 18; Lehner in Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 13 (15). 7 90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Gesetz zu dem Übereinkommen v. 23.7.1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle der Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 26.8.1993, BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818); BGBl. II 1995, 84 (BStBl. I 1995, 166). 8 Für eine Meistbegünstigung durch Inanspruchnahme der günstigsten vergleichbaren Besteuerung nach nationalem Steuerrecht oder nach Maßgabe eines DBAs z.B. Scherer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 124; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 836 ff.; Wassermeyer in Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Köln 1996, 151 (162 f.); Beul,

496

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung

AEUV verankerte Binnenmarktziel verpflichtet zwar die Mitgliedstaaten der EU auf die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel und auf die Verschmelzung der nationalen Märkte hinzuarbeiten, hieraus kann aber allenfalls die Verpflichtung der EU-Staaten abgeleitet werden, untereinander Verhandlungen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung aufzunehmen; ein Verbot der Doppelbesteuerung wird hierdurch nicht begründet.1 Ein Doppelbesteuerungsverbot lässt sich auch nicht unmittelbar aus den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten ableiten.2 Die internationale Doppelbesteuerung verursacht zwar binnenmarktwidrige Wettbewerbshindernisse,3 diese beruhen aber durchweg auf Systemdefiziten sowohl der Ansässigkeits- als auch der Quellenstaaten. Es ist das nicht aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Steuernormen (Rz. 2.6 ff.) der einzelnen Staaten, die einerseits eine Doppelbesteuerung verursachen und andererseits eine solche nur unzureichend zu mildern vermögen.4 Im Hinblick auf diese parallelen Verantwortlichkeiten von Ansässigkeits- und Quellenstaaten lässt sich ein grundfreiheitliches Verbot der Doppelbesteuerung nicht eindeutig nur an den einen oder anderen Staat adressieren. Im Hinblick darauf zielen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten nicht auf ein Verbot der Doppelbesteuerung, sondern vielmehr auf die teilweise Besei-

1

2

3 4

IStR 1997, 1 (4); M.Lang in FS Rädler, München 1999, 429 (432 ff.); Tumpel, DStJG 23 (2000), 322 (344); Rädler in FS Debatin, München 1997, 333 (340 ff.); abgelehnt durch BFH v. 31.10.1990 – II R 176/87, BStBl. II 1991, 161; v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767; v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767; v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564 unter Hinweis auf EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2973; v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, IStR 2005, 483; umfassend Häger, Meistbegünstigung im Recht der DBA, vgl. im Übrigen Rz. 16.44 f. Im Einzelnen hierzu Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 30 f.; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 381 ff.; Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (272 f.); a.A. Dautzenberg, DB 1994, 1542 ff., der ein europarechtliches Doppelbesteuerungsverbot auf Art. 4 Abs. 3 EUV und 110 AEUV stützt. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-226/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793 Rz. 30; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Schön, IStR 2004, 289 (299); Hahn, IStR 2002, 681 (686); Mössner/Kellersmann, DVBl. 1995, 968 (970); für ein grundfreiheitliches Verbot dagegen Englisch, Dividendenbesteuerung, 251 ff.; Dautzenberg, DB 1994, 1542 ff.; ferner mehr oder weniger stark differenzierend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 857 ff.; Lehner in FS Wassermeyer, 241 ff.; Schönfeld, StuW 2005, 158 ff.; vgl. auch den Literaturüberblick bei Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 161 ff.; die Vereinbarkeit des abkommensrechtlichen Progressionsvorbehaltes mit den Grundfreiheiten wurden bejaht von BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660. Lehner, IStR 2005, 397 (398). Zu den Ursachen der Doppelbesteuerung Rz. 13.1 ff.

497

14.5

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

tigung derselben ab.1 Hieraus folgt, dass sich die unilateralen und bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ggü. den Grundfreiheiten zu legitimieren haben. Das gilt insbesondere für die Vorschriften über die Anrechnung ausländischer Steuern, die in ihrer jeweiligen normenspezifischen Ausprägung nicht selten gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) oder die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) verstoßen (Rz. 15.101, 15.112, 15.115).

14.6 Das sekundäre Unionsrecht enthält allerdings für bestimmte Sachbereiche mitunter ein partielles Gebot der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Angesprochen sind hiermit insbesondere die steuerliche Fusionsrichtlinie,2 die Mutter-/Tochter-Richtlinie3 und die Zins- und Lizenzrichtlinie:4 Die Fusionsrichtlinie gewährleistet unter bestimmten Voraussetzungen die grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung und Sitzverlegung mit dem Ziel der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Das gilt insbesondere für jene Fälle, in denen Mitgliedstaaten die an der Umstrukturierung beteiligten Gesellschaften einerseits als eigenständige Steuersubjekte und andererseits als transparente Gesellschaften, für die aus deutscher Sicht die Mitunternehmerkonzeption zur Anwendung kommt, qualifizieren.5 Die Fusionsrichtlinie ist in das deutsche Steuerrecht durch das UmwStG umgesetzt worden, womit im Wesentlichen die steuerneutrale Umstrukturierung von Gesellschaften über die Grenze erleichtert wird (Rz. 3.61 ff.). Die Mutter-/Tochter-Richtlinie verpflichtet demgegenüber die Mitgliedstaaten, in ihrer Eigenschaft als Quellenstaaten, Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von der Quellensteuer freizustellen.6 Diese Regelung ist durch § 43b EStG umgesetzt worden (Rz. 3.65 ff.). Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten auf Grund der Mutter-/Tochter-Richtlinie als Wohnsitzstaat der Muttergesellschaft gehalten, die entsprechenden Ausschüttungen freizustellen, oder aber die auf die Ausschüttungen entfallende Körperschaftsteuer der Tochtergesell1 Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung als gemeinschaftsrechtliches Ziel EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823, Rz. 16, 23. 2 Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990 über das gemeinsame Steuersystem für … Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat; zuletzt geändert durch Beitrittsakte 2004 (ABL. EG 2003 Nr. L 236, 1 sowie Richtlinie 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG, ABL. EG Nr. L 58, 19 v. 4.3.2005; hierzu Rz. 3.61 ff. 3 Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990 über das gemeinsame Steuersystem von Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten; hierzu Rz. 3.65 ff. 4 Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABL. EG Nr. L 157, 49 ff. v. 26.6.2003; hierzu Rz. 3.69 ff. 5 Z.B. Art. 4 Abs. 2 der Fusionsrichtlinie. 6 Art. 5 Mutter-/Tochter-Richtlinie.

498

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung

schaft anzurechnen. Diesem Freistellungsgebot entspricht § 8b Abs. 1 KStG.1 Primärer Zweck der Zins- und Lizenzrichtlinie ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch eine Zuweisung des alleinigen Besteuerungsrechts an den Mitgliedstaat, in dem der Nutzungsberechtigte der Zins- oder Lizenzzahlungen ansässig ist. Im Hinblick darauf ist der andere Mitgliedstaat verpflichtet, eine Steuerbefreiung zu gewähren (Art. 1 Abs. 1 ZiLiRL) (Rz. 3.69). Mit § 50g EStG sind die entsprechenden materiellen Bestimmungen ins deutsche Recht überführt worden, so dass Deutschland als Quellenstaat auf Antrag eine Entlastung vom deutschen Steuerabzug gewährt.2 Die Vermeidung der Doppelbesteuerung lässt sich als allgemein verbindliches Gebot schließlich auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz internationaler Rücksichtnahme ableiten.3 Dieser Rechtsgrundsatz, wenn er überhaupt eine eigenständige Völkerrechtsquelle4 darstellt, vermag nämlich nur dann Verbindlichkeit zu entfalten, wenn die Vermeidung der Doppelbesteuerung aus Rücksichtnahme auf die Besteuerungsinteressen anderer Staaten zwingend geboten wäre. Außerhalb des Geltungsbereichs von DBA ist dies zu verneinen.5

14.7

Allgemein wird angenommen, dass auch dem nationalen Recht kein Rechtssatz dahingehend zu entnehmen sei, dass eine Doppelbesteuerung verboten und deren Vermeidung geboten sei.6 Im Hinblick auf die internationale Kooperation, die Liberalisierung des Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs seien es lediglich Gründe der Opportunität, Klugheitsregeln, die den Staat veranlassten, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.7 Indessen ist es das verfassungsrechtlich verankerte Rechtsprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet.8

14.8

1 Früher § 26 Abs. 2a KStG (indirekte Anrechnung). 2 Zu Einzelheiten Dörr, IStR 2005, 109 ff. 3 So aber Ritter, JbFSt 1975/76, 339 (348); Ritter, BB 1984, 1109 (1112 f.); ferner Vogel in FS Ritter, 771 ff. 4 Hierzu zählen internationale Übereinkünfte, internationales Gewohnheitsrecht von Kulturvölkern, anerkannte Rechtsgrundsätze sowie als Hilfsquellen richterliche Entscheidungen und Lehrmeinungen; Einzelheiten hierzu unter Rz. 3.11 ff., 3.14. 5 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 32 ff.; vgl. auch Mössner, DStJG 8 (1985) 121 f. 6 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; Ebling, DB 1983, Beilage Nr. 18, 1 (8); ein subjektives Recht auf Vermeidung der Doppelbesteuerung wird allerdings abgeleitet aus der Transformation des EWG-Vertrages von Wolf, Die Individualberechtigung aus Abkommen im Internationalen Steuerrecht, 99 ff. 7 So Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 45. 8 Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (272 f.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (143 ff.); Tipke, AWD 1972, 589 ff.; ähnlich Bachmayr, StuW 1964, 885 ff.; Knechtle, Grund-

499

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

14.9

Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das als Fundamentalprinzip der Besteuerung weitgehend anerkannt wird (Rz. 4.10), erlangt insbesondere in Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt nämlich den Vergleichsmaßstab für den allgemeinen Gleichheitssatz ab, so dass jedwede steuerrechtliche Differenzierung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu erfolgen hat.

14.10 Dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht (auch) die Besteuerung des Welteinkommens, wobei das Territorialitätsprinzip eine weitere Konkretisierungsmöglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips bedeutet.1 Die Besteuerung des Welteinkommens führt konzeptionell zu einer qualitativ und quantitativ vollständigen Erfassung der Einkünfte von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen. Dieser universellen Erfassung der Einkünfte als Maßgröße objektiver Leistungsfähigkeit folgt stets die Korrektur durch die Maßgröße subjektiver Leistungsfähigkeit, die zu dem Ergebnis des für die Steuerzahlung verfügbaren (disponiblen) Einkommens führt.2

14.11 Ausländische Steuern, die zusätzlich auf das Einkommen oder auf die Einkommensverwendung zu zahlen sind, belasten die subjektive Leistungsfähigkeit.3 Sie mindern als unvermeidbare Belastungen das disponible Einkommen. Die auf ausländische Einkommensteile gezahlte ausländische Einkommensteuer ist daher stets unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.4 Nur so wird die horizontale Steuergerechtigkeit verwirklicht, die die gleiche Steuerbelastung gleich hoher (disponibler) Einkommen gebietet.5

14.12 Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist somit die Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens.6 Im Hinblick darauf sind die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in erster Linie im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht zu ergreifen.7 Diese Aufgabe fällt damit

1 2 3

4 5

6 7

fragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976, 52 f.; ferner Grotherr in G/K/G, Grundlagen, Rz. 37. Zu Einzelheiten Schaumburg in FS Tipke, 125 (128). Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff., 763 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 168 f. Der Grundsatz, dass die Einkommensteuer als Rechtsfolge der persönlichen Leistungsfähigkeit nicht selbst die Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit beeinflussen soll, betrifft stets nur die inländische Steuer; hierzu Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 80. Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Flick, FR 1961, 171 (172), die die Vermeidung der Doppelbesteuerung als Gebot der Steuergerechtigkeit auffassen. Zur horizontalen und vertikalen Steuergerechtigkeit als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl. II 1990, 653 (659); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 165, 170; Lang, StuW 1990, 331 (347 f.). So auch Regierungsbegründung zum StÄndG v. 20.8.1980 betr. § 34c EStG (BTDrucks. 8/3648, 19 ff.). Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen beschränkter Steuerpflicht gem. § 50 Abs. 3 EStG im Einzelnen Rz. 16.160 ff.

500

A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung

vor allem dem jeweiligen Wohnsitzstaat zu.1 Diese Rechtspflicht ist im deutschen Steuerrecht weitgehend durch die unilateralen2 und bilateralen3 Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung umgesetzt worden. Hierbei handelt es sich indessen nur um partielle Regelungen. Es gibt keine steuerrechtliche Norm, die das dem Leistungsfähigkeitsprinzip entlehnte, dem Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende Gebot der Vermeidung der Doppelbesteuerung generell umsetzt. Die Finanzverwaltung ist daher im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen durch Steuererlass (§§ 163, 227 AO) gehalten, die Doppelbesteuerung zu vermeiden und hierdurch dem Leistungsfähigkeitsprinzip Geltung zu verschaffen,4 soweit dies weder die unilateralen noch die bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu leisten vermögen. Die Doppelbesteuerung führt zu einer Beeinträchtigung des internationalen Wirtschaftsverkehrs und behindert die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit. Sie führt zudem zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition, da mit jeder Doppelbesteuerung, soweit sie nicht nachträglich behoben werden kann, eine finanzielle Mehrbelastung verbunden ist.5 Eine derartige Schwächung der Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen ist mit den Grundsätzen einer liberalisierten Weltwirtschaft und damit zugleich mit den vom GATT-Vertrag6 verfolgten Zielsetzungen7 unvereinbar. Soweit die aufgrund internationaler Doppelbesteuerung entstehenden Mehrlasten nicht überwälzt werden können,8 verschlechtert sich die Wettbewerbsposition langfristig insbesondere dadurch, dass infolge geringerer Nettogewinne die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten zur Vornahme von Rationalisierungs- oder Kapazitätserweiterungsmaßnahmen abnehmen und die Betei1 Manke, DStZ 1980, 323 (326); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 83; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, 81. 2 Z.B. § 34c EStG, § 26 KStG, § 102 Abs. 2 BewG, § 9 Nr. 7 GewStG, § 8b Abs. 1 KStG. 3 DBA. 4 Vgl. grundsätzlich zu dieser exekutiven Entlastungspflicht BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (12); BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682, v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; vgl. auch BMF v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461 Rz. 8 für den Fall des Scheiterns von Verständigungsverfahren; einen Anspruch des Steuerpflichtigen ggü. der Finanzverwaltung dagegen verneinend Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, 45 f. 5 Vgl. hierzu im Einzelnen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 4 ff. 6 BGBl. II 1951, 4 sowie BGBl. II 1994, 1438 und BGBl. II 1995, 456 in der von der sog. Uruguay-Verhandlungsrunde ergänzten Fassung. 7 Hierzu die Hinweise bei Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 5 ff. 8 Zur Überwälzbarkeit von Gewinnsteuern Brodmann, Wettbewerbswirkungen unterschiedlicher Steuersysteme im internationalen Handel unter besonderer Berücksichtigung der Besteuerungsverhältnisse in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, 88 ff.

501

14.13

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

ligungs- und Fremdfinanzierung erschwert wird.1 Im Hinblick darauf hat insbesondere die internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre den Einfluss der Besteuerung auf die ausländische Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen untersucht.2 Im Vordergrund stehen hierbei steuerorientierte Handlungsalternativen und Entscheidungsmodelle, die sich im Sinne einer Steuerminimierung auch daran orientieren, in welchem Maße eine internationale Doppelbesteuerung vermieden werden kann.3

14.14 Deutschland mit seiner exportorientierten Volkswirtschaft, mit hoher Auslandsinvestitionsquote und starken Auslandsaktivitäten der deutschen Wirtschaft ist in besonderem Maße sensibel ggü. den wettbewerbsverzerrenden Einflüssen internationaler Doppelbesteuerung. Die Konkurrenzfähigkeit bestimmter Wirtschaftszweige, die überwiegend auf Auslandsmärkten tätig sind, etwa des Anlagenbaus,4 hängt weitgehend davon ab, in welchem Maße die Vermeidung der Doppelbesteuerung tatsächlich gelingt.

14.15 Im Hinblick darauf wird die Vermeidung der Doppelbesteuerung als ein Gebot (auch) wirtschaftlicher Vernunft allgemein anerkannt.5

1 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 34 ff. 2 Auch als internationale betriebswirtschaftliche Steuerwirkungslehre bezeichnet, vgl. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 251 ff. 3 Umfassend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 853 ff.; zur Steuerplanung im Internationalen Steuerrecht ferner: Rieger, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts als Problem der Steuerplanung in der multinationalen Unternehmung, Berlin 1978; Dücker, Die Ertragsteuerbelastung von Auslandsinvestitionen unter besonderer Berücksichtigung der steuerlichen Verlustverrechnung, Frankfurt 1985; Wacker, Steuerplanung im nationalen und transnationalen Unternehmen, Berlin 1979; Haas/Bacher/Scheuer, Steuerliche Gestaltung internationaler Geschäftsbeziehungen, Berlin 1974; Kratz, Steuerplanung internationaler Unternehmungen, Bern/Stuttgart 1986; Arndt, Die Besteuerung internationaler Geschäftstätigkeit deutscher Banken, Baden-Baden 1986; Hoffmann, Besteuerung bei internationaler Finanzierung und Kapitalverlagerung deutscher Unternehmen, Göttingen 1980; Nieß, Der Einfluss der internationalen Besteuerung auf die Finanzierung ausländischer Grundeinheiten deutscher multinationaler Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1989; Schlick, Besteuerung und internationale Finanzierung, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989; Böhmer, Die deutsche Besteuerung grenzüberschreitender Unternehmensverträge, Baden-Baden 1991; Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung2. 4 Hierzu Feuerbaum, DB 1980, 1805 ff.; Flick, DStR 1977, 253 ff. 5 Vgl. Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, 47; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 34 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 63.

502

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung I. Methodenvielfalt Die Methoden beschreiben die technische Art und Weise, wie die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung im Rahmen der einzelnen Maßnahmen erreicht werden soll. Die technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten sind vom deutschen Gesetzgeber durchweg umgesetzt worden, so dass die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von einer Methodenpluralität beherrscht werden. Während auf unilateraler Ebene neben der Steueranrechnung,1 dem Steuerabzug,2 der Steuerermäßigung3 und der Steuerpauschalierung4 die Steuerfreistellung5 nur ausnahmsweise in Betracht kommt, stellt auf bilateraler Ebene, also im Rahmen von DBA, die Steuerfreistellung neben der Steueranrechnung die Regelmethode dar. Die systematischen Ansätze dieser Methoden sind unterschiedlich.

14.16

Die Anrechnungsmethode ist mit dem Welteinkommensprinzip systemkonform und unterstreicht das mit diesem Welteinkommensprinzip verbundene Leistungsfähigkeitsprinzip dahingehend, dass inländische und ausländische Einkommensteile gleichermaßen mit inländischer Steuer belastet sind. Durch die Anrechnungsmethode wird zugleich die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländischen Unternehmen (Kapitalexportneutralität) verwirklicht.6 Auf gleiche Weise finden auch die Methoden des Steuerabzugs, der Steuerermäßigung sowie der Steuerpauschalierung ihre systematische Einordnung: Sie entsprechen ebenfalls dem Welteinkommensprinzip.7

14.17

Demgegenüber realisiert die Freistellungsmethode partiell das Territorialitätsprinzip insoweit, als ausländische Einkünfte im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung nicht unterworfen werden. Dieser Systembruch führt dazu, dass im Widerspruch zum Welteinkommensprinzip für in- und ausländische Einkünfte eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit zur Geltung kommt.8

14.18

1 2 3 4 5 6

§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG, § 21 ErbStG. § 34c Abs. 2, 3 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 34c Abs. 4 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 34c Abs. 5 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 9 Nr. 7 GewStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG. Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (35 f.); Lehner in V/L5, Einl. DBA Rz. 267; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 18 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 38 ff.; Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (86); Burmester in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (244). 7 Schaumburg in FS Tipke, 125 (146). 8 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteue-

503

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

14.19

Die Differenzierung zwischen inländischer und ausländischer Leistungsfähigkeit1 entspricht dem Territorialitätsprinzip, das in seiner konzeptionellen Ausrichtung sachgerechter ist als das Welteinkommensprinzip.2 Das Abstellen auf die ausländische Leistungsfähigkeit im Rahmen des Territorialitätsprinzips ist insbesondere dann geboten, wenn der betreffende Steuerpflichtige mit der ausländischen Volkswirtschaft wirtschaftlich und damit wettbewerbsmäßig eng verbunden ist.3 Eine derartige Einbettung in die ausländische Volkswirtschaft ist vor allem bei dort belegenen aktiv tätigen Betriebsstätten gegeben. Hier ist es sachgerecht, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit an den Verhältnissen des Betriebsstättenstaates zu orientieren. Der deutsche Gesetzgeber hat indessen das Welteinkommensprinzip verwirklicht, mit dem eine Steuerfreistellung im Grundsatz unvereinbar ist. Deshalb lässt sich die Steuerfreistellung auch nicht als Verwirklichung der allein im Rahmen des Territorialitätsprinzips bedeutsamen ausländischen Leistungsfähigkeit rechtfertigen.4 Aus der Sicht Deutschlands als kapitalexportierendem Staat ist die Freistellungsmethode, auch wenn sie nicht mit dem Welteinkommens-/Weltvermögensprinzip vereinbar ist, dennoch sachlich gerechtfertigt, weil sie die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt und den deutschen Auslandsinvestitionen Wettbewerbschancen einräumt.5 Damit ergibt sich: Die konsequente Umsetzung des Welteinkommens-/Weltvermögensprinzips verlangt zwar im Grundsatz allein die Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die Freistellungmethode, die konzeptionell das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verwirklicht, ist aber gleichwohl gerechtfertigt, weil gerade sie in besonderem Maße eine auf die ausländische Leistungsfähigkeit ausgerichtete Besteuerung berücksichtigt.6

14.20 Mit der Steuerfreistellung wird zugleich die Wettbewerbsneutralität im Ausland gegenüber ausländischen Unternehmen (Kapitalimportneutralität) gewahrt.7

14.21 Im Hinblick auf die mit der Freistellungsmethode verknüpfte Kapitalimportneutralität wird im Ausgangspunkt dem europäischen Binnenmarktkonzept in besonderer Weise dadurch entsprochen, dass inländische Investoren Zugang zu ausländischen Märkten mit geringerem Steuerniveau eröffnet wird, ohne dass das zwischenstaatliche Steuergefälle durch gesetzgeberische Maßnahmen – wie bei der Anrechnungsmetho-

1 2 3 4

5 6 7

rung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung 6, 19 ff. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142 f.); Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (28 ff.). Zum Welteinkommensprinzip und Territorialitätsprinzip im Einzelnen Rz. 5.53 ff. Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteueurng6, 26 ff. Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (28 ff.); a.A. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 42 ff. Im Hinblick darauf wird die Freistellungsmethode als Regelmethode für ausländische Direktinvestitionen gefordert von Vogel, StuW 1993, 380 (386 ff.); Ritter, BB 1994, 509; Ritter in FS L. Fischer, 179 (186 f.); Krebühl in FS Ritter, 147 (166). Schaumburg in FS Tipke, 125 (147). Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (35 f.).

504

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

de – vereitelt wird.1 Indessen orientiert sich das Konzept des europäischen Binnenmarktes hinsichtlich der Gewährleistung freier Standortentscheidungen nicht an Steuerbelastungsunterschieden in den einzelnen Mitgliedstaaten, so dass unter diesem Gesichtspunkt wegen der kapitalexportneutralen Besteuerung auch die Anrechnungsmethode gerechtfertigt ist.2 Im Ergebnis sind somit die Freistellungs- und Anrechnungsmethode gleichermaßen mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten vereinbar.3

II. Freistellungsmethode Die Freistellungsmethode, die insbesondere von den kontinentaleuropäischen Staaten angewendet wird,4 entfaltet ihre eigentliche Bedeutung im Rahmen von DBA. Eine Freistellung ausländischer Einkünfte auf unilateraler Basis, also durch einseitige Maßnahmen des nationalen Steuerrechts, erfolgt nur selten.5 Diese Zurückhaltung in der Anwendung der Freistellungsmethode ist systembedingt, weil die Freistellungsmethode der Verwirklichung des Territorialitätsprinzips dient und im Grundsatz mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar ist.6 Schließlich sind es auch fiskalische Klugheitsregeln, die dazu führen, dass ein einseitiger Steuerverzicht nur selten ausgesprochen wird.7

14.22

Soweit die Freistellung auf bilateraler Ebene eingreift, ergibt sich die Rechtsgrundlage hierfür unmittelbar aus den DBA selbst. Die entsprechenden Abkommensvorschriften führen zu einer unmittelbar wirkenden Steuerbefreiung im nationalen Recht, sind also self-executing-Normen.8 Sie werden überwiegend als sachliche Steuerbefreiung aufgefasst.9

14.23

1 Für eine Präferenz der Freistellungsmethode unter diesem Gesichtspunkt Lehner in FS Wassermeyer, 241 ff.; Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 21. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 26 ff.; Maiterth, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, 213; Rädler, DStJG 14 (1994), 279 ff. 3 Schön, StbJb 2003/2004, 27 (44); Lehner, IStR 2001, 329 (336). 4 Überblick bei Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 ff. 5 Vgl. aber z.B. § 9 Nr. 7 GewStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG. 6 Zu weiteren methodischen Defiziten der Freistellungsmethode Scheffler in Jacobs/Spengel (Hrsg.), Aspekte der Unternehmensbesteuerung in Europa, 155 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 26 ff. 7 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (165); Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 101; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 64 f.; Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (279). 8 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (147). 9 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, IStR 1992, 103; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 1a, 57; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 322; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen DBA und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, 79; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steu-

505

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Steuerbefreiung greift deshalb grundsätzlich unabhängig davon ein, ob in dem anderen Land tatsächlich eine Besteuerung erfolgt.1

14.24 Die Rechtsprechung2 folgert aus der abkommensrechtlich gebotenen Freistellung der Einkünfte im Grundsatz die Nichtberücksichtigung der entsprechenden Verluste. Das Verbot des Verlustausgleichs über die Grenze wird von der Rechtsprechung durchweg unmittelbar aus den DBA selbst abgeleitet, wonach bestimmte Einkünfte, also auch positive und negative Beträge, von der deutschen Besteuerung ausgenommen sind (Symmetriethese).3

14.25

Die Nichtberücksichtigung von Verlusten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer führt zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und zu einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips4 und damit zugleich des Leistungsfähigkeitsprinzips, wenn die Gesamtsteuerbelastung hierdurch höher ist als bei Anwendung der systemkonformen Anrechnungsmethode.5 Das Höchst-

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4 5

ern vom Ertrag, 100; Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (106); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 64; modifizierend BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (280), wonach die freizustellenden Einkünfte von vornherein der deutschen Besteuerung entzogen sind. Sog. virtuelle Doppelbesteuerung, vgl. RFH vom 29.2.1940, RStBl. 1940, 532; BFH v. 13.9.1972 – I R 130/70, BStBl. II 1973, 57; v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61; v. 4.8.1976 – I R 152, 153/74, I R 152/74, I R 153/74, BStBl. II 1976, 662. Ständige Rechtsprechung: RFH v. 26.6.1935, RStBl. 1935, 1358; RFH v. 21.10.1936, RStBl. 1937, 424; BFH v. 11.3.1970 – I 91/65, BStBl. II 1970, 588; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.8.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 18.7.2001 – I R 70/00, BStBl. II 2003, 48; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BFH/NV 2010, 1163; für eine Verlustberücksichtigung dagegen Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 41; Knauer, StuW 1964, 155 ff.; Kiehne, AWD 1967, 187 f.; Freudling, AWD 1969, 108 ff.; Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzuges, in Wassermeyer (Hrsg.), Grundfragen der Unternehmensbesteuerung, Köln 1994, 231 (250 ff.); zu weiteren Einzelheiten Rz. 16.532 ff. Ständige Rechtsprechung: RFH v. 26.6.1935, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I 91/65, BStBl. II 1970, 588; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.8.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 18.1.2001 – I R 70/00, BStBl. II 2003, 48; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BFH/NV 2010, 1163; v. 9.6.2010 – I R 100/09, DB 2010, 1731; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733. Hierzu Schaumburg in FS Lang, 1099 ff. Hierzu das instruktive Beispiel bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 46.

506

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung maß der an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung wird nämlich durch das Welteinkommensprinzip unter Einbeziehung der Steueranrechnung gesetzt. Von dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung darf zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nicht abgewichen werden mit der Folge, dass die Steuerfreistellung zu keiner Steuerverschärfung führen darf.1 Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten: Soweit ein Verlustausgleich im Inland möglich ist, darf er grenzüberschreitend nicht versagt werden, soweit der Verlust im Ausland steuerlich nicht (mehr) zur Geltung gebracht werden kann.2

Durch die Freistellungsmethode wird die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung im Sinne der Kapitalimportneutralität realisiert.3 Hierdurch wird im Grundsatz gewährleistet, dass inländische Unternehmen auf ausländischen Märkten den gleichen Steuerlasten unterworfen sind wie die dortigen Konkurrenten. Die Verwirklichung des Territorialitätsprinzips und der damit verbundenen Kapitalimportneutralität erfolgt zumeist mit Einschränkungen oder nur unter Vorbehalt. So wird insbesondere auf der Ebene von DBA die Freistellung im Quellenstaat mitunter nur auf die in den Wohnsitzstaat überwiesenen Einkünfte beschränkt4 oder nur unter der Bedingung gewährt, dass die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat auch tatsächlich steuerpflichtig sind.5 Schließlich sehen DBA mitunter auch den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode bei Qualifikations- oder Zurechnungskonflikten (Rz. 16.82 ff.) sowie zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Rz. 16.124 ff., 16.133 ff.) vor.6

14.26

Nicht selten wird die Freistellung nur unter Aktivitätsvorbehalt gewährt, so dass die betreffenden Einkünfte aus sog. aktiven oder produktiven Tä-

14.27

1 Schaumburg in FS Tipke, 125 (151). 2 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008 I-3617; hierzu Seiler/Axer, IStR 2008, 838 ff.; BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; Nichtanwendungserlass BMF v. 13.7.2009, BStBl. I 2009, 835; BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, BFH/NV 2010, 1163; vgl. auch EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733: Berücksichtigung finaler Verluste nur bei Umwandlung der Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft oder bei „endgültiger“ Aufgabe, nicht aber bei einem nur zeitlich begrenzten Verlustvortrag; vgl. auch Rz. 16.532 ff. 3 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 25; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 19 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommenund Körperschaftsteuer, 64; Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (42 f.); Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (86). 4 Sog. remittance-base-Klauseln; vgl. hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECDMA Rz. 18, 30; ferner Rz. 16.200, 16.217. 5 Sog. subject-to-tax-Klauseln; vgl. hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 20; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Art. 23 Rz. 86; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 46; im nationalen Recht auch § 50d Abs. 8, 9 EStG. 6 Sog. switch over-Klauseln; im nationalen Recht auch § 20 Abs. 2 AStG; hierzu Rz. 16.140, 16.151.

507

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

tigkeiten stammen müssen.1 Darüber hinaus wird die Steuerfreistellung in aller Regel mit einem sog. Progressionsvorbehalt gekoppelt, nach dem das inländische Einkommen dem für das gesamte Welteinkommen, also auch unter Einbeziehung der freigestellten ausländischen Einkünfte, geltenden progressiven Steuersatz unterworfen wird. Durch diesen Progressionsvorbehalt soll die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wie sie u.a. durch die progressive Ausgestaltung des Steuertarifs ihren Ausdruck findet, sichergestellt werden.2 Die Zielsetzung des Progressionsvorbehaltes, die durch Aufteilung von Einkünften auf verschiedene Staaten entstehenden Progressionsvorteile zu vermeiden,3 kann indessen nur teilweise erfüllt werden. Denn es verbleibt stets ein Progressionsvorteil dadurch, dass die im Wohnsitzstaat freigestellten Einkünfte im Quellenstaat regelmäßig nicht nach dem Steuersatz des Gesamteinkommens besteuert werden.4

14.28 Im deutschen Steuerrecht ist die Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt § 32b EStG. Er stellt eine Ausnahme zu § 32a EStG dar, wonach der Steuersatz nach dem zu versteuernden Einkommen zu bemessen ist.5 § 32b EStG bewirkt einerseits, dass durch Einbeziehung positiver ausländischer Einkünfte die inländischen Einkünfte auf ein höheres Steuerniveau hochgeschleust werden (positiver Progressionsvorbehalt), und andererseits, dass durch Berücksichtigung ausländischer Verluste für die inländischen Einkünfte eine Steuerminderung eintritt, die, soweit die inländischen Einkünfte die ausländischen Verluste nicht auszugleichen vermögen, zu einem Fortfall jeglicher inländischer Besteuerung führen können (negativer Progressionsvorbehalt).

III. Anrechnungsmethode 14.29 Im Gegensatz zur Freistellungsmethode entspricht die Anrechnungsmethode dem im deutschen Steuerrecht verankerten Welteinkommensprinzip und verwirklicht zugleich im Grundsatz die Kapitalexportneutra1 Sog. Aktivitätsklauseln; vgl. hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 74 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 54; im nationalen Recht auch § 20 Abs. 2 AStG; ferner Rz. 16.138. 2 BFH v. 6.10.1982 – I R 121/79, BStBl. II 1983, 34; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 121; Probst in H/H/R, § 32b EStG Rz. 7; vgl. auch die Sonderregelung in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach der Progressionsvorbehalt für bestimmte abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte aus EU-/EWR-Staaten ausgeschlossen wird, hierzu Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2010, 390 ff. 3 Sog. Splitting-Effekt; vgl. hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 15, 25. 4 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (154 f.); vgl. auch Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 99 f., 105, der unter Hinweis auf die Praxis in der Schweiz einen Progressionsvorbehalt auch im Quellenstaat für sachgerecht hält. 5 Heinicke in Schmidt29, § 32b EStG Rz. 1.

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B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

lität.1 Dies gilt freilich nur bei unbeschränkter Anrechnung (full credit), wenn also die ausländische Steuer ohne jegliche Einschränkung auf die für das Welteinkommen festgesetzte inländische Steuer angerechnet werden kann.2 In der internationalen Praxis wird ebenso wie in Deutschland dagegen die anrechenbare ausländische Steuer auf die Höhe der anteiligen Inlandssteuer beschränkt (ordinary credit).3 Diese Begrenzung der Anrechnung auf die Höhe der entsprechenden inländischen Steuern ist mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar. Dient nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip die ungeteilte steuerliche Leistungsfähigkeit, wonach es für die Besteuerung unerheblich ist, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden, so müssen folgerichtig die ausländischen Steuern auch dann zur Anrechnung gelangen und ggf. zu einer Steuererstattung führen, wenn diese höher sind als die entsprechenden Inlandssteuern.4 Die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die entsprechende Inlandssteuer führt zu einer lediglich einseitigen Realisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips:5 Sind die ausländischen Steuern niedriger als die inländischen, wird auf das höhere inländische Steuerniveau hochgeschleust. Sind die inländischen Steuern dagegen höher als die ausländischen, unterbleibt eine Herabschleusung. Dieser Systembruch hat seinen Grund in fiskalischen Erwägungen, weil die Gefahr gesehen wird, dass bei unbeschränkter Steueranrechnung eine Erhöhung der Steuerbelastung im Quellenstaat stets auf Kosten des Wohnsitzstaates geht.6 Dieser Fiskalzweck ist indessen kein Rechtfertigungsgrund, das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu durchbrechen.7 Zum Minimalprogramm einer an der weltweiten Leistungsfähigkeit (Gesamtleistungsfähigkeit) ausgerichteten Besteuerung gehört es, für die den 1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 25; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 19 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommenund Körperschaftsteuer, 61; Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 ff. 2 Im Einzelnen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 24. 3 Überblick bei Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (97); Mennel, RIW 1977, 470 (472); ferner deutsche Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 4 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (160); IdW, DB 1977, 322 (323); Becker, BB 1977, 536 (536). 5 Zu Einzelheiten Schaumburg in FS Tipke, 125 (147 f.). 6 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 333 ff.; Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (112); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 101; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 97. 7 Vgl. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (233); Tipke in FS Raupach, 177 (178 f.); Drüen, StuW 2008, 3 (11 f.); Englisch, DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 92 (97).

509

14.30

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

Anrechnungshöchstbetrag übersteigenden ausländischen Steuern wenigstens einen Anrechnungsvor- oder rücktrag (carry forward, carry back) vorzusehen, zumal Anrechnungsüberhänge nicht selten ein Ergebnis bloßer Zufälligkeiten sind.1

14.31 Soweit die Höchstbetragsberechnung auf jedes einzelne Land bezogen wird,2 ist diese sog. per country limitation ebenfalls mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar. Denn gerade das Welteinkommensprinzip wird damit gerechtfertigt, dass es für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ohne Bedeutung ist, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden. Die per country limitation hat daher ebenfalls allein fiskalische Gründe.3 Damit wird der ohnehin durch den Anrechnungshöchstbetrag verursachte Systembruch noch verschärft: Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach Maßgabe der Gesamtleistungsfähigkeit kann es für die Anrechnung keine Rolle spielen, aus welchem Staat die ausländischen Einkünfte stammen.4

14.32 Neben weiteren, insbesondere dem Anrechnungsverfahren des deutschen Rechts (§ 34c Abs. 1 EStG) anhaftenden Systemfehlern (Rz. 15.79, 15.96, 15.101, 15.112, 15.115, 15.117) hat die Anrechnungsmethode den wesentlichen Nachteil, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Rahmen der Anrechnung im Wohnsitzstaat kompensiert werden. Damit kommen derartige Steuervergünstigungen des Quellenstaates nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Fiskus des Wohnsitzstaates zugute.5 Demgegenüber hat die Anrechnungsmethode im Vergleich zur Freistellungsmethode den Vorteil, dass für ausländische Verluste ein Verlustausgleich gewährt wird, während im Rahmen der Freistellungsmethode eine Verlustberücksichtigung nur ausnahmsweise möglich ist (Rz. 16.532 ff.).

14.33 In der internationalen Besteuerungspraxis wird die Anrechnungsmethode zumeist mit dem Ziel der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eingesetzt. In den meisten Ländern wird nämlich neben der direkten Steueranrechnung, aufgrund deren nur solche Steuern angerechnet werden können, die der inländische Steuerpflichtige im Ausland auf seine eigenen Einkünfte gezahlt hat, auch die indirekte Steueranrechnung angewendet.6 Die indirekte Steueranrechnung ermöglicht die Anrechnung der von ausländischen Beteiligungsgesellschaften in einem mehrstufigen Konzernaufbau im Ausland gezahlten Steuern auf die inländische Steuer der inländischen Muttergesellschaft, wobei die Steueranrechnung 1 2 3 4 5

Schaumburg in FS Tipke, 125 (148). Vgl. etwa § 34c Abs. 1 letzter Halbsatz EStG. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (161); vgl. im Übrigen Rz. 15.115. Schaumburg in FS Tipke, 125 (148 f.). Es sei denn, es erfolgt eine Anrechnung fiktiver Steuern, sog. tax sparing credit und tax matching credit, vgl. hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 190 ff.; ferner Rz. 16.566 f. 6 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (99 f.).

510

B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

zumeist auf einen dreistufigen Konzernaufbau, also auf die von ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften gezahlten ausländischen Steuern, begrenzt ist.1 Im Ergebnis dient damit die indirekte Steueranrechnung, soweit sie zusätzlich zur direkten Steueranrechnung gewährt wird, der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung.

IV. Abzugsmethode Im Rahmen der Abzugsmethode können ausländische Steuern von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Dieser Abzug ist bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte möglich (§ 34c Abs. 2, 3 EStG). Damit führt die Abzugsmethode grundsätzlich lediglich zu einer Milderung, nicht aber zu einer Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung.2 Hieraus folgt zugleich, dass die Abzugsmethode auch nicht die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländischen Unternehmen (Kapitalexportneutralität) herstellen kann.3 Im Hinblick darauf dient sie durchweg nur als Ergänzung zur Freistellungs- oder Anrechnungsmethode, soweit durch diese beiden Methoden die Doppelbesteuerung nicht gänzlich vermieden werden kann.4

14.34

Es wird die Meinung vertreten, dass der Steuerabzug aufgrund des Kostencharakters der ausländischen Steuern im Verhältnis zur inländischen Einkommensteuer ohnehin möglich sei, so dass die entsprechenden Vorschriften, die den Steuerabzug vorsehen,5 lediglich deklaratorischen Charakter hätten.6 Dem § 12 Nr. 3 EStG ist indessen keine Beschränkung des Abzugsverbots nur auf inländische Personensteuern zu entnehmen.7 Aus § 34c Abs. 2 EStG ergibt sich zwar, dass ausländische Steuern wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar sind, damit erhalten sie aber nicht den Charakter von Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Ausländische Steuern vom Einkommen sind daher nicht Betriebsausgaben/Werbungskosten.8

14.35

1 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (99 f.); vgl. für Deutschland den früher geltenden § 26 Abs. 2, 2a, 5 KStG. 2 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 328; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 55. 3 Flick, Fin.Arch. 1961 (Bd. 21), 86 (109); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 55. 4 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (83 ff.); Mennel, RIW 1977, 470 (472); vgl. auch § 34c Abs. 2, 3 EStG. 5 Etwa § 34c Abs. 2 EStG. 6 Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (109); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144). 7 BFH v. 2.10.1963 – I 308/61 U, BStBl. III 1964, 5; v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 55. 8 BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920.

511

Kapitel 14 Vermeidung der Doppelbesteuerung

V. Pauschalierungsmethode 14.36 Aufgrund der Pauschalierungsmethode werden im Rahmen des Welteinkommensprinzips einzubeziehende ausländische Einkünfte mit in einem Pauschbetrag festgesetzten Steuern belegt. Die Pauschalierungsmethode konkretisiert sich zumeist in der Anwendung eines festen Steuersatzes auf individuell ermittelte ausländische Einkünfte. Von einer Milderung oder gar Vermeidung der Doppelbesteuerung kann daher nur dann die Rede sein, wenn der Pauschalsteuersatz niedriger als der sonst übliche Steuersatz ist. Die zuvor beschriebene Pauschalierungsmethode führt zu einem gespaltenen Steuersatz für inländische und ausländische Einkünfte mit der Folge einer Progressionsmilderung der auf die inländischen Einkünfte entfallenden Steuer.

14.37 Die Pauschalierungsmethode ist ebenso wenig wie die Abzugsmethode darauf angelegt, die Doppelbesteuerung in vollem Umfang zu beseitigen. Die Pauschalierungsmethode – in Deutschland in § 34c Abs. 5 EStG verankert – ist international wenig gebräuchlich.

VI. Erlassmethode 14.38 Zur Herstellung der individuellen Leistungsfähigkeit kann für Zwecke der Beseitigung der Doppelbesteuerung die Steuer auf ausländische Einkünfte erlassen werden. Entsprechend den jeweiligen nationalen Vorschriften wird ein Steuererlass zumeist nur ausgesprochen, wenn ihm Billigkeitserwägungen zugrunde liegen.

14.39 Die Erlassmethode kommt daher insbesondere ergänzend zur Anrechnungsmethode zur Anwendung, sofern durch diese eine Doppelbesteuerung nur unzureichend vermieden werden kann.

C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 14.40 Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt entweder im Rahmen unilateraler Maßnahmen, also einseitig durch nationale Vorschriften, oder aber im Rahmen bilateraler Maßnahmen durch Abschluss von DBA.1 Im Vergleich zu den unilateralen Maßnahmen haben sich in der Besteuerungspraxis DBA als besonders vorteilhaft erwiesen. So können durch DBA die einzelnen Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie deren Umfang an den steuerlichen und wirtschaftlichen Belangen der Vertragsstaaten ausgerichtet werden. Demgegenüber ist ein 1 Zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden gibt es ein multilaterales Abkommen (Nordische Konvention); vgl. hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 39.

512

C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

differenzierter Einsatz der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch unilaterale Maßnahmen nur sehr eingeschränkt möglich.1 Darüber hinaus fehlt den unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ein wirksames Instrument, um auf die Besteuerung im Ausland Einfluss auszuüben und ausländische Staaten ebenfalls zu wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuhalten.2 Aus der Sicht des Steuerpflichtigen ist das Vertrauen in den Bestand von DBA als völkerrechtliche Verträge eher gerechtfertigt als in den von unilateralen Maßnahmen auf der Grundlage des nationalen Rechts.3 Schließlich haben unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Bedeutung für die Zuordnung von Steuergütern zwischen einzelnen Staaten. Insoweit können unilaterale Maßnahmen in grenzüberschreitenden Steuerfällen für Steuergerechtigkeit allenfalls ggü. dem einzelnen Steuerpflichtigen sorgen. Die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Staat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes unter mehreren Staaten nach sachgerechten, konsequent durchgeführten Regeln kann dagegen nur durch DBA erreicht werden.4 Da das Netz der DBA weltweit noch nicht annähernd vollständig ist, nicht einmal zwischen allen Industrieländern DBA bestehen, sind die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unverzichtbar. Aber auch in jenen Fällen, in denen DBA eingreifen, behalten unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ihre Bedeutung, wenn die Regelungen der DBA eine Doppelbesteuerung nicht vollkommen beseitigen.5

1 Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 151; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 55. 2 Einseitige Steuerentlastungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung können allerdings unter den Vorbehalt der Gegenseitigkeit gestellt werden (sog. Reziprozitätsklauseln); vgl. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 262 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 63. 3 Flick, FinArch. 1961 (Band 21), 86 (90); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 65. 4 Zur gerechten Zuordnung von Steuergütern Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 24; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120. 5 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (87), 109.

513

14.41

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung A. Einkommensteuer Literatur Kommentare zu § 3 Nr. 40 u. 41, 34c, 34d EStG und InvStG; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Burmester, Die Anrechnungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 241; Commandeur, Berücksichtigung ausländischer Steuern im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. München 1983; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Crezelius, Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht im Rechtssystem, ZEV 2009, 1; Demuth, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerreform – Erster Überblick über die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, Stbg 2009, 9; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, Köln 2004; Dieterlen/Schaden, Einige Bemerkungen zu den Regelungen des Steuersenkungsgesetzes zur Besteuerung von Anteilsveräußerungen, BB 2000, 2492; Dinkelsbach, Besteuerung des Anteilsbesitzes an Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren, Düsseldorf 2006; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 1458; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, Diss. Mainz 1970; Endres, Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, München 1986; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart, 1974; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Flick, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften nach § 34c EStG und § 19a KStG, Bergisch Gladbach 1959; Fock, Unternehmenssteuerreform und beschränkte Steuerpflicht, RIW 2001, 108; Förster, Ausgewählte Fragen bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Stbg 2001, 657; Gandenberger, Diskussionsbeitrag in DStJG 8 (1985), 133; Haritz, Unternehmenssteuerreform 2001: Begünstigte Veräußerungsgewinne bei einbringungsgeborenen Anteilen, DStR 2000, 1537; Heining, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, CDFI XIII (1959), 574; Hellwig, Die bezahlte Untätigkeit im internationalen Steuerrecht, DStZ A 1978, 83; Herzig/ Joisten/Vossel, Die Vermeidung der Doppelbelastung mit ESt und ErbSt nach Einführung des § 35b EStG, DB 2009, 584; Hey, Anrechnung ausländischer Quellensteuern aus Billigkeitsgründen?, FR 1995, 819; Hey, BVerfG zur Erbschaftsteuer: Bewertungsgleichmaß und Gemeinwohlzwecke, JZ 2007, 564; Horlemann, Änderungen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Abzug ausländischer Quellensteuern gem. § 34c Abs. 2 EStG, DStR 1995, 1535; Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), Bonn 1977; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), Bonn 1982; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXV Ib (1981), 81; Kempf, Korrespondenzprinzip bei internationalen verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen, StbJb

514

A. Einkommensteuer 2008/2009, 147; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, DStR 2003, 1156; Lickteig, Änderung der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Abzug ausländischer Quellensteuern gem. § 34c Abs. 2 EStG, IStR 1995, 792; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/ Bern/New York/Paris 1987; Lübbehusen/Schmitt, Investmentsteuergesetz – Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DB 2004, 268; Lüdicke, Internationale Aspekte des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, IStR 2003, 433; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, Köln 1985; Manke, Außensteuerrechtliche Wirkungen der Steuerreformgesetze, JbFSt. 1977/78, 444; Mellinghoff, Das Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – Zur Vermeidung steuerlicher Mehrfachbelastungen, DStJG 22 (1999) 127; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Müller-Dott, Zur Rechtsänderung des § 34c EStG zur Anrechnung ausländischer Steuern durch das StVergAbG, DB 2003, 1468; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, Berlin 2007; Phillip, Befreiungssystem mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966, 350; Reinhart, Der Auslandstätigkeitserlass, BB 1983, 2246; Schänzle, Generalthema II: Steuerliche Behandlung von Wechselkursschwankungen, IStR 2009, 514; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369; Schaumburg/ Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schnitger, Internationale Aspekte des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG), IStR 2003, 73; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, Köln 1997, 743; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Sedemund, Zuständigkeitsund Verfahrensfragen bei Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner, IStR 2010, 270; Sedemund/Fischenich, Steuerneutralität von Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren vor und nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG, BB 2008, 1656; Seer, Die Erbschaft- und Schenkungsteuer im System der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, GmbHR 2009, 225; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt/M. 1985; Sradj/Mertes, Neuregelungen bei der Besteuerung von Investmentvermögen, DStR 2004, 201; Thurmayr, Vorgehensweise der Finanzverwaltung bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuern bei Einkünften aus Kapitalvermögen, DB 1996, 1696; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), 321; Wassermeyer, Außensteuerrechtliche Probleme der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), 103; Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen, IStR 2001, 113; Wassermeyer, W., Der zweite Entwurf des Investmentsteuergesetzes vom 20.8.2003, DB 2003, 2085; Zeller, Einkünfteermittlung bei Investmentfonds, DStR 2005, 899.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

I. Überblick 15.1 Für den Bereich der Einkommensteuer sind die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einerseits durch die Freistellungsmethode und andererseits durch die Anrechnungsmethode geprägt. Obwohl die Vermeidung der Doppelbesteuerung primär Aufgabe des Wohnsitzstaates ist, wird die Doppelbesteuerung seitens Deutschlands im Rahmen der unilateralen Maßnahmen auch bei beschränkt Steuerpflichtigen vermieden. Auch hier kommt die Freistellungs- und Anrechnungsmethode gleichermaßen zur Anwendung. Darüber hinaus enthält das Einkommensteuergesetz Regelungen, auf Grund deren die Abzugs-, Pauschalierungs- und Erlassmethode verwirklicht wird.

15.2 Die Freistellungsmethode kommt in folgenden Fällen zur Anwendung: – Im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) werden insbesondere die Veräußerungen von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften sowie Ausschüttungen derselben bei unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen zu 40 Prozent steuerfrei gestellt. Im Kern geht es hier zwar um die Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung, wegen der Abhängigkeit von der steuerlichen Vorbelastung auch auf ausländischer Gesellschaftsebene dient § 3 Nr. 40 EStG so gesehen aber auch der Vermeidung der (internationalen) wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. – Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinnausschüttungen derselben werden steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 41 EStG), soweit für das Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) entsprechende Hinzurechnungsbeträge auf Gesellschafterebene der Einkommensteuer unterlegen haben. – In Investmenterträgen in- und ausländischer Investmentfonds enthaltene ausländische Einkünfte werden bei den Investmentfondsanlegern gem. § 4 Abs. 1 InvStG freigestellt, wenn sie bei unmittelbarem Bezug abkommensrechtlich von der deutschen Besteuerung auszunehmen wären.

15.3 Die Anrechnungsmethode wird durch § 34c EStG verwirklicht, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Personen ausländische Einkünfte (§ 34d EStG) erzielen, wobei die im Ausland gezahlte Steuer bis zur Höhe der deutschen Einkommensteuer zur Anrechnung kommt. Eine entsprechende Anrechnung wird auch beschränkt steuerpflichtigen Personen für Drittstaateneinkünfte gewährt (§ 50 Abs. 3 EStG).

15.4 Im Gegensatz zu der in § 3 Nr. 40, 41 EStG verankerten Freistellungsmethode, die dort die Vermeidung der (internationalen) wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nur als Nebenzweck verfolgt, steht im Übrigen die Anrechnungsmethode im Vordergrund, die insbesondere durch die Ab-

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A. Einkommensteuer

zugs- und die Pauschalierungsmethode sowie die Erlassmethode1 ergänzt wird. Durch die in § 34c EStG geregelte Anrechnungsmethode wird dem im Einkommensteuergesetz für unbeschränkt steuerpflichtige Personen verankerten Welteinkommensprinzip Rechnung getragen und zugleich im Grundsatz die Kapitalexportneutralität verwirklicht.2 § 34c EStG ist als kollisionsauflösende Norm die logische Folge der durch die Besteuerung des Welteinkommens auf Doppelbesteuerung ausgerichteten und damit kollisionsbegründenden §§ 1 Abs. 1 bis 3; 2 Abs. 1 EStG. Die primäre Zielsetzung des § 34c EStG ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung, die unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit geboten ist. Hieran hat sich die Auslegung des § 34c EStG zu orientieren. Der Grundwertung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind andere Auslegungsgesichtspunkte unterzuordnen. Hierzu gehört insbesondere der dem § 34c EStG zugeschriebene Zweck, die internationale Steuerflucht zu verhindern.3 § 34c EStG ist nämlich lediglich eine kollisionsauflösende Norm mit einer Komplementärfunktion zu §§ 1 Abs. 1 bis 3;4 2 Abs. 1 EStG. Diese Norm zielt nicht darauf ab, Einkünfteverlagerungen in das Ausland zu verhindern.5 Die Auslegung hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt möglichst geringer Steuerausfälle zu erfolgen. Zwar führt jede Maßnahme zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung zu einem Steuerausfall,6 für die Auslegung des § 34c EStG ist dieser fiskalische Gesichtspunkt aber unbeachtlich. Die Auslegung hat sich nämlich nicht am Finanzzweck,7 Einnahmen zu erzielen, auszurichten.8 Orientierungsmaßstab ist vielmehr die Vermeidung der Doppelbesteuerung als eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Im Hinblick darauf ist grundsätzlich diejenige Auslegung des § 34c EStG richtig, die eine Doppelbesteuerung möglichst gering hält.

1 Der Steuererlass hat im Ergebnis allerdings eine ähnliche Wirkung wie die Steuerfreistellung. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 19 ff.; ferner Rz. 14.17. 3 Auf diesen Zweckgesichtspunkt wird abgestellt von Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 102; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 31. 4 Die Anwendung des § 34c EStG auf Steuerpflichtige, die für die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG optiert haben, hat, da nur inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 EStG erfasst werden, keine praktische Bedeutung. 5 Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 121 f.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 78. 6 Flick, FinArch. 1961 (Band 21), 86 (89); Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 29. 7 Dieser ist lediglich Motiv und allgemeine finanzpolitische Aufgabe. 8 Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 54.

517

15.5

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.6 § 34c Abs. 1 EStG regelt die direkte Steueranrechnung, die für das Einkommensteuerrecht die wesentliche unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist. Sie ist als begrenzte Anrechnungsmethode (ordinary credit) ausgestaltet, so dass eine Anrechnung ausländischer Steuern nur bis zur Höhe der entsprechenden inländischen Einkommensteuer in Betracht kommt. Die Vorschriften über die direkte Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG gelten durch die Bezugnahme in § 26 Abs. 6 KStG auch für die Körperschaftsteuer. Im Lohnsteuerabzugsverfahren (§ 39a Abs. 1 EStG) kann die Steueranrechnung keine Berücksichtigung finden, so dass für Zwecke der Steueranrechnung – gegebenenfalls auf Antrag (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) – stets eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist.1 Entsprechendes gilt aufgrund der Sonderregelung des § 32d Abs. 5, 6 EStG auch für die Abgeltungsteuer.

15.7 Als weitere Methode sieht § 34c Abs. 2 EStG den Steuerabzug vor. § 34c Abs. 2 EStG eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, zwischen Anrechnungsmethode und Abzugsmethode zu wählen. Die Abzugsmethode wird insbesondere dann zur Anwendung kommen, wenn durch die Anrechnung ausländischer Steuern die Doppelbesteuerung nur zu einem Teil vermieden werden kann, etwa weil die anzurechnende ausländische Steuer die inländische Einkommensteuer übersteigt (Anrechnungsüberhang).

15.8 In Erweiterung zu § 34c Abs. 1, 2 EStG normiert § 34c Abs. 3 EStG den Steuerabzug in den Fällen, in denen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen die Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG) und der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG ausscheiden. Das gilt vor allem dann, wenn die ausländische Steuer nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht oder aber auf Einkünfte erhoben worden ist, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG darstellen.

15.9 Der Abzug der ausländischen Steuer erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte mit der Folge, dass hierdurch ein etwaiger vor- bzw. rücktragsfähiger Verlust erhöht wird.

15.10 Schließlich sieht § 34c Abs. 5 EStG die Pauschalierungs- und die Erlassmethode vor, die anwendbar sind, soweit dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Anwendung der Anrechnungsvorschriften besonders schwierig ist. § 34c Abs. 5 EStG ist als eine an die Finanzverwaltung gerichtete Ermächtigungsvorschrift ausgestaltet. Von der Ermächtigung hat die Finanzverwaltung durch den sog. Pauschalierungserlass2 und den sog. Auslandstätigkeitserlass3 Gebrauch gemacht. Während der Auslandstätigkeitserlass bestimmte Arbeitnehmereinkünfte unter Progressionsvorbehalt von der Lohnsteuer freistellt, werden nach dem 1 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 31; Heinicke in Schmidt29, § 34c EStG Rz. 2. 2 BMF v. 10.4.1984, BStBl. I 1984, 252. 3 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470.

518

A. Einkommensteuer

Pauschalierungserlass bestimmte ausländische Einkünfte mit einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent besteuert. Die in § 3 Nr. 40, 41 EStG und § 34c EStG normierten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung überschneiden sich nicht und stehen somit gleichberechtigt nebeneinander. So kann etwa von einer der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Dividende einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§ 3 Nr. 40 Buchst. d) EStG) erhobene ausländische Kapitalertragsteuer gem. § 34c Abs. 1 EStG zur Anrechnung gebracht werden. Die in § 34c EStG geregelten Methoden stehen ebenfalls gleichberechtigt nebeneinander. Im Gegensatz zur Anrechnungsmethode einerseits und der Abzugsmethode andererseits, die in einem Ausschlussverhältnis zueinander stehen, können Erlass- und Pauschalierungsmethode auch neben den beiden vorgenannten Methoden zur Anwendung kommen.1

15.11

II. Konkurrenz zu DBA § 2 AO bestimmt zwar den Vorrang von DBA vor Steuergesetzen,2 das schließt allerdings die weitergehende Anwendung derselben nicht aus, soweit sie aus der Sicht des Steuerpflichtigen eine für sie günstigere Rechtsfolge anordnen (Rz. 16.546). Im Hinblick darauf wird die durch § 3 Nr. 40, 41 EStG angeordnete (teilweise) Steuerfreistellung durch DBA nicht eingeschränkt. Ergibt sich jedoch abkommensrechtlich eine völlige Freistellung etwa von Dividenden, weil diese einer ausländischen Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat tatsächlich zuzurechnen sind, geht die durch Abkommensrecht vorgeschriebene (völlige) Freistellung der (teilweisen) Freistellung des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG vor. Entsprechendes gilt auch für § 3 Nr. 41 EStG sowie für die im InvStG verankerten und auf die Vermeidung von Doppelbesteuerungen gerichteten Regelungen. § 34c EStG ist demgegenüber im Verhältnis zu DBA grundsätzlich subsidiär.3 Das in § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG normierte Rangverhältnis hat lediglich deklaratorische Bedeutung und entspricht dem Grundsatz, dass die Normen der DBA als spezielleres Recht vorgehen.

15.12

Im Hinblick auf § 34c Abs. 6 Sätze 2 bis 6 EStG gilt der Vorrang von DBA ausnahmslos nur für diejenigen Fälle, in denen die ausländischen Einkünfte nach der Freistellungsmethode der Besteuerung durch Deutschland entzogen sind.4 Nach § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG stehen DBA im Übrigen der Erlass- oder Pauschalierungsmethode (§ 34c Abs. 5 EStG) nicht

15.13

1 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 89. 2 Zur Reichweite dieser Vorrangklausel Rz. 3.25. 3 BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 4 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; BFH v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 8.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

entgegen.1 In Bezug auf die Anrechnungs- und Abzugsmethode gilt der Vorrang von DBA lediglich im Grundsatz, da § 34c Abs. 6 Satz 2 bis 6 EStG entsprechende Modifikationen vorsehen. Gemäß § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG sind die Vorschriften über die Anrechnung (§ 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5 EStG) und den alternativen Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 EStG) entsprechend anzuwenden, soweit ein DBA die Anrechnung ausländischer Steuern vorsieht.2 Aus der lediglich entsprechenden Anwendung der vorgenannten Vorschriften folgt, dass sie stets mit den Regelungen des betreffenden DBAs selbst vereinbar sein müssen.3 Das bedeutet, dass die Anwendung der nationalen Anrechnungsregelungen von vornherein ausscheidet, wenn das betreffende DBA die Durchführung der Steueranrechnung selbst regelt.4 Die Anwendung des Steuerabzugs gem. § 34c Abs. 2 EStG wird hierdurch nicht gehindert, es sei denn, es handelt sich um Fälle, in denen DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern (Rz. 16.566 f.) gewähren (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG). Soweit die DBA sich darauf beschränken, die Steueranrechnung dem Grunde nach zu regeln, hinsichtlich der Modalitäten aber auf nationales Recht verweisen, greifen dagegen die nationalen Anrechnungsregeln nach Maßgabe des § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG ein.5 Ordnen DBA schließlich eine Steueranrechnung an, ohne auf nationales Recht ausdrücklich zu verweisen, kommen die nationalen Anrechnungsregeln ebenfalls zur Anwendung, soweit aus den Abkommen selbst keine anderweitigen Auslegungsergebnisse zu gewinnen sind.6

15.14 Soweit DBA die Anrechnung vorsehen, betrifft diese stets nur die anrechenbaren Steuern auf die Summe derjenigen Einkünfte aus dem betreffenden Vertragsstaat, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen sind (Anrechnungseinkünfte). Daraus folgt, dass über § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG nur eine alle Anrechnungseinkünfte des Vertragsstaates erfassende Gesamtoption für den Steuerabzug möglich ist.7 Darüber hinaus kann nicht mehr angerechnet werden als die dem Quellenstaat abkommensrechtlich zustehende etwa auf einen bestimmten Quellensteuersatz begrenzte Steuer.8

1 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 173. 2 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 8. 3 Stellungnahme des Bundesrates zum StÄndG v. 20.8.1980 betreffend § 34c EStG (BT-Drucks. VIII/3648, 21); Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 208. 4 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 82; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 96. 5 BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 82. 6 Sog. subsidiäre Begriffsausfüllung gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 16.56. 7 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 211; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 30; R 34c Abs. 4 EStR 2008. 8 BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; zu etwaigen Billigkeitsmaßnahmen Hey, FR 1995, 819.

520

A. Einkommensteuer

Der optionale Steuerabzug ist bei Anwendung von DBA (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) nur in den Grenzen des § 34c Abs. 2 EStG möglich, so dass er ausgeschlossen ist, soweit die partielle Steuerbefreiung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG) eingreift (Rz. 15.129). Darüber hinaus wird er auch in den Fällen der Abgeltungsteuer versagt (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG).1

15.15

§ 34c Abs. 6 Satz 3 EStG stellt auch in Abkommenfällen sicher, dass die Einkünfte, die abkommensrechtlich in dem anderen Staat nicht besteuert werden können, nicht in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen sind. Diese dem § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG entsprechende Sonderregelung wirkt sich insbesondere in den Fällen aus, in denen aus demselben ausländischen Staat neben den dort abkommensrechtlich freigestellten auch tatsächlich der Besteuerung unterworfene Einkünfte bezogen werden.2

15.16

§ 34c Abs. 6 Satz 4 EStG ermöglicht eine Steueranrechnung oder wahlweise den Steuerabzug, wenn durch das DBA bestimmte ausländische Steuern des anderen Vertragsstaates nicht erfasst werden. Angesprochen ist damit insbesondere der Fall, dass nicht alle in dem anderen Vertragsstaat erhobenen Steuern, etwa Ertragsteuern einzelner Mitgliedsstaaten,3 unter das DBA fallen.4

15.17

§ 34c Abs. 6 Satz 5 EStG gewährleistet die Steueranrechnung oder den Steuerabzug auch in den Fällen, in denen abkommensrechtlich die ausländischen Einkünfte eigentlich steuerfrei zu stellen sind, wegen der in § 50d Abs. 9 EStG verankerten switch over-Klausel (Rz. 16.524 ff.) es aber zu einer Besteuerung kommt. Erfasst werden hierdurch insbesondere sog. negative Qualifikationskonflikte, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 16.84 f.) führen können.

15.18

§ 34c Abs. 6 Satz 6 EStG verweist schließlich auf § 34c Abs. 3 EStG, der vor allem die in der Praxis bedeutsame Liefergewinnbesteuerung erfasst. Hierbei entsteht insbesondere bei Baustellen und Montagen5 eine Doppelbesteuerung dadurch, dass Gewinne aus „Lieferungen“ des Stammhauses an die Betriebsstätte von den beteiligten Staaten unterschiedlich zugeordnet werden. Während in Auslegung des § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG diese Liefergewinne nicht als ausländische Einkünfte, sondern als dem inländischen Stammhaus zuzuordnende inländische Einkünfte zu qualifizieren sind,6 werden sie nicht selten von den ausländischen Fi-

15.19

1 § 32d Abs. 5, 6 EStG enthält hinsichtlich der Berücksichtigung ausländischer Steuern eine abschließende Regelung; vgl. BMF v. 22.12.2009, BStBl. I 2010, 94 Tz. 201 ff. 2 Zu Einzelheiten Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 10, 6; Strunk/Kaminski in Korn, § 34c EStG Rz. 70.2. 3 Vgl. die Hinweise bei Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 15. 4 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 12. 5 Es handelt sich hierbei um Betriebsstätten sowohl gem. § 12 Nr. 8 AO als auch gem. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA. 6 BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94.

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nanzverwaltungen dort als Betriebsstätteneinkünfte besteuert. Die durch diesen Zurechnungskonflikt bewirkte Doppelbesteuerung wird bei Nichtvorliegen eines DBAs durch den Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG gemildert. Greift ein DBA ein, ist gem. § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG dieser Steuerabzug ebenfalls möglich, soweit es sich nicht um das Ergebnis einer missbräuchlichen Gestaltung handelt.

III. Steuerfreistellung 1. Teileinkünfteverfahren a) Allgemeines

15.20 Das in § 3 Nr. 40 EStG geregelte Teileinkünfteverfahren stellt mit Körperschaftsteuer belastete Vermögensmehrungen und Bezüge zu 40 Prozent steuerfrei, wobei die in wirtschaftlichem Zusammenhang hiermit stehenden Vermögensminderungen und Erwerbsaufwendungen gem. § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls zu 40 Prozent vom Steuerabzug ausgeschlossen sind. Diese Regelung, die nur für Vermögensmehrungen von im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen sowie solchen gem. § 17 EStG und nur für den Gewinneinkunftsarten zuzuordnende Bezüge gilt,1 ist untrennbar mit dem ab 2001 geltenden Körperschaftsteuersystem verknüpft, wonach Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen einheitlich mit einer Körperschaftsteuer von derzeit 15 Prozent ohne Rücksicht darauf belastet sind, ob der Gewinn ausgeschüttet wird oder nicht. Das Teileinkünfteverfahren ist darauf gerichtet, die steuerliche Doppelbelastung für Gewinne durch Körperschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits abzumildern (Rz. 5.90). Das gilt auch für Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen, da diese jedenfalls teilweise auf bereits mit Körperschaftsteuer belasteten Rücklagen beruhen.2 Durch die partielle Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 EStG wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung in typisierter Form berücksichtigt. Da dies bei einer REIT-AG wegen ihrer Steuerfreiheit nicht der Fall ist (§ 16 REITG), gilt das Teileinkünfteverfahren insoweit nicht (§ 19 Abs. 3 REITG).3

15.21 Die im Vergleich zu anderen Einkünften im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens eintretenden Belastungsdivergenzen halten sich in den Grenzen, die das BVerfG im Zusammenhang mit einer verfassungsrechtlich zulässigen normativen Typisierung gezogen hat.4 Im Hinblick auf die mit dem Teileinkünfteverfahren verbundene Vereinfachung ist die Regelung des § 3 Nr. 40 EStG insgesamt nicht unverhältnismäßig. Dies gilt im Er1 Im Übrigen greift die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) ein. 2 Vgl. hierzu den Überblick bei Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 11 ff. 3 Zu trotzdem verbleibenden Doppelbelastungen Engers in Helios/Wewel/Wiesbrock, § 19 REITG Rz. 24 ff. 4 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551.

522

A. Einkommensteuer

gebnis auch nach der Rechtsprechung des BFH1 für das in § 3c Abs. 2 EStG verankerte und mit dem Teileinkünfteverfahren korrespondierende Abzugsverbot.2 Das Teileinkünfteverfahren findet auch Anwendung auf Bezüge (z.B. Ausschüttungen) und Vermögensmehrungen (z.B. Veräußerungserlöse) aus dem Ausland. So gesehen dient § 3 Nr. 40 EStG auch der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung. Im Hinblick auf die fehlende Subjektidentität ist das in § 3 Nr. 40 EStG implementierte Teileinkünfteverfahren als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zu qualifizieren.

15.22

b) Persönliche Voraussetzungen Das Teileinkünfteverfahren gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen gleichermaßen. § 3 Nr. 40 EStG ist somit im Ausgangspunkt diskriminierungsfrei ausgestaltet. Ausgenommen sind unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen, soweit diese Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute oder Finanzunternehmen betreiben.3

15.23

Die insbesondere aus europarechtlichen Gründen in § 3 Nr. 40 EStG normierte Gleichstellung von unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen erfährt unter mehreren Gesichtspunkten Einschränkungen: Für Bezüge (z.B. Ausschüttungen) insbesondere seitens inländischer Kapitalgesellschaften wird das Teileinkünfteverfahren durch die in § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG verankerte Abgeltungswirkung suspendiert.4 Die Kapitalertragsteuer, die ggf. auf Grund von DBA zu ermäßigen ist,5 wird hierbei im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) i.H.v. 25 Prozent vom Bruttobetrag einbehalten, ohne dass die Möglichkeit besteht, die partielle Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 EStG in Anspruch zu nehmen. Betroffen sind damit insbesondere solche Fallgestaltungen, die nicht von der Reichweite der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) erfasst werden6 (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3; 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Teileinkünfteverfahren kommt für beschränkt Steuerpflichti-

15.24

1 Gerechtfertigter Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip; BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551. 2 Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 7, 23; zu Recht kritisch Hey in Tipke/ Lang20, § 11 Rz. 15 jeweils m.w.N.; einschränkend auch BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220; Nichtanwendungserlass: BMF v. 15.2.2010, BStBl. I 2010, 181. 3 Zu Einzelheiten Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 175 ff. 4 Intemann, in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 33; von Beckerath in K/S/M, § 3 Nr. 40 EStG B 40, 58; Fock, RIW 2001, 108 (111). 5 Hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 6 Z.B. bei Beteiligungen von mindestens 10 Prozent (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG).

523

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ge ausnahmsweise allerdings dann zur Geltung, wenn die Bezüge (z.B. Ausschüttungen) einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG) (Rz. 5.258 f.).

15.25

Dass bei beschränkter Steuerpflicht die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, durch den Steuerabzug auf Bruttobasis abgegolten wird, hat zur Folge, dass sowohl das Teileinkünfteverfahren als auch ein Abzug von Erwerbsaufwendungen ausgeschlossen ist. Dies führt zu einem Verstoß gegen das dem Einkommensteuergesetz als Konzeption zugrunde liegende Nettoprinzip. Dieser Systembruch, nämlich der Wechsel von der Nettozur Bruttobesteuerung, bewirkt eine höhere Besteuerung insbesondere in den Fällen, in denen die Erwerbsaufwendungen eine bestimmte Höhe überschreiten (Rz. 5.109 ff.). Hierdurch ist nicht nur ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gegeben, sondern auch ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) bzw. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), insbesondere in den Fällen, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige in vergleichbarer Lage nicht der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) unterliegen.

15.26 Im Gegensatz zu Bezügen (z.B. Ausschüttungen) unterliegen Vermögensmehrungen, insbesondere Erlöse aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. e, Nr. 8 EStG) keinem Kapitalertragsteuerabzug. Hieraus folgt, dass für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht eine Steuerveranlagung durchzuführen ist, in deren Rahmen das Teileinkünfteverfahren uneingeschränkt zur Anwendung kommt. Das gilt allerdings nur in den Fällen, in denen entweder keine DBA eingreifen oder aber diese den deutschen Steuerzugriff uneingeschränkt aufrechterhalten.1 c) Bezüge und gleichgestellte Einnahmen

15.27 Kern des Teileinkünfteverfahrens ist § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, wonach u.a. Bezüge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu 40 Prozent steuerbefreit sind. Angesprochen sind hiermit offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Vorabausschüttungen. Diesen Bezügen ist im Grundsatz gemeinsam, dass sie das steuerpflichtige Einkommen der ausschüttenden Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nicht gemindert haben und somit definitiv mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Zu den vorgenannten Rechtsträgern gehören auch solche, die im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind.2 Die nach ausländischem Recht errichteten nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträger müssen den entsprechenden inländischen in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen 1 Art. 13 Abs. 2, 4 OECD-MA; hierzu im Einzelnen Rz. 16.385 ff., 16.396 ff. 2 Die Aufzählung im § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist insoweit nicht abschließend; BFH v. 8.2.1995 – I R 73/94, BStBl. II 1995, 552; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399.

524

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und Vermögensmassen entsprechen.1 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob der ausländische Rechtsträger tatsächlich der Körperschaftsteuer unterlegen hat und somit die Bezüge, soweit es sich nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG), entsprechend steuerlich vorbelastet sind.2 Unter § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG fällt, soweit keine Abgeltungsteuer eingreift, u.a. auch die Einlagenrückgewähr durch ausländische Kapitalgesellschaften, wenn hierfür eine gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 8 KStG nicht erfolgt ist (§ 27 Abs. 8 Satz 9 KStG).3

15.28

Zu den dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Bezügen gehören auch die in Investmenterträgen enthaltenen Dividenden und gleichgestellte Erträge,4 und zwar auch solche, die auf der Ebene des in- oder ausländischen Investmentvermögens von einem ausländischen Rechtsträger zufließen.5 Im Ergebnis werden hierdurch Investmentfondsanleger und Direktanleger nach dem Grundsatz der Transparenz auch hinsichtlich der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung steuerlich gleichgestellt.

15.29

Dem Teileinkünfteverfahren unterliegen auch Bezüge, die nach der Auflösung (Liquidation) einer Körperschaft oder Personenvereinigung anfallen (§§ 3 Nr. 40 Buchst. e, 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Von der Reichweite dieser Vorschrift werden unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen gleichermaßen erfasst. Da das Teileinkünfteverfahren diesbezüglich nur auf betriebliche Einkünfte anwendbar ist (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG), hat § 3 Nr. 40 Buchst. e EStG kaum praktische Bedeutung, weil auflösungsbedingte Bezüge bereits unter § 3 Nr. 40 Buchst. a oder Buchst. c EStG fallen.6

15.30

Dem Teileinkünfteverfahren unterliegen ferner besondere Entgelte und Vorteile (§ 3 Nr. 40 Buchst. f EStG) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen, soweit es um zukünftige Gewinnansprüche geht (§ 3 Nr. 40 Buchst. g EStG). Entsprechendes gilt auch für Gewinne aus der Abtretung von Dividendenansprüchen und sonstigen Ansprüchen (§ 3 Nr. 40 Buchst. h EStG). Das insoweit eingreifende Teileinkünfteverfahren wird auch von nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern vermittelt.

15.31

1 Insoweit gelten die allgemeinen für den Typenvergleich maßgeblichen Grundsätze; vgl. hierzu Rz. 6.7. 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 126; zu dem für verdeckte Gewinnausschüttungen geltenden Korrespondenzprinzip Kempf, StbJb 2008/2009, 147 ff. 3 Zu europarechtlichen Problemen Sedemund/Fischenich, BB 2008, 1656 ff.; zu weiteren Einzelheiten Sedemund, IStR 2010, 270 ff. 4 § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InvStG i.V. mit §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG. 5 Carlé in Korn, § 2 InvStG Rz. 11, 16, 18; Ramackers in L/B/P, § 10 InvStG Rz. 41. 6 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 141.

525

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.32 Vom Teileinkünfteverfahren erfasst werden schließlich auch Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG, soweit diese von einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stammen (§ 3 Nr. 40 Buchst. i EStG). Angesprochen sind damit insbesondere Bezüge, die von einem unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträger außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52–54 AO gewährt werden. Entsprechende Bezüge, die von nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern stammen, werden ebenfalls erfasst. d) Veräußerungserlöse und gleichgestellte Einnahmen

15.33 Im Vordergrund des für Einnahmen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen und aus veräußerungsgleichen Vorgängen maßgeblichen Teileinkünfteverfahrens steht § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG, von dessen Reichweite nur Kapitalanteile im Betriebsvermögen erfasst werden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Kapitalanteile einem in- oder ausländischen Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Neben der Veräußerung selbst, werden auch andere Realisationssachverhalte erfasst, insbesondere Entnahmen, Auflösungen (Liquidationen), Kapitalherabsetzungen sowie Teilwertzuschreibungen auf Grund einer Wertaufholung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG), soweit die vorangegangene Teilwertabschreibung nicht vollumfänglich den Gewinn gemindert hat (§ 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG). Aus dem Einlagekonto (§ 27 KStG) stammende Bezüge gehören ebenfalls zu den einer Veräußerung gleichgestellten Vorgängen, soweit hierfür eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG erfolgt ist.1

15.34 Die vorgenannten Realisationsvorgänge gelten im Grundsatz auch für ausländische Rechtsträger, soweit diese auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gleichgestellt sind (Rz. 6.7). So führt etwa die Rückzahlung von Kapital durch eine ausländische Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 KStG zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, soweit die Kapitalrückzahlung den Buchwert der Beteiligung übersteigt. Entsprechendes gilt auch für die Herabsetzung des Nennkapitals. Soweit im Zusammenhang mit der Überführung von Kapitalanteilen aus einem inländischen Betriebsvermögen in eine ausländische Betriebsstätte eine Gewinnrealisierung angenommen wird (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) (Rz. 5.349 ff.), kommt auch hier das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG zur Anwendung,2 und zwar auch soweit es die Auflösung eines Ausgleichspostens gem. § 4g EStG betrifft.3 1 Heger in Gosch2, § 27 KStG Rz. 60 ff.; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 113; Intemann, NWB 2010, 2295 (2299); vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578. 2 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 19; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 57; Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 Rz. 117.17. 3 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 57.

526

A. Einkommensteuer

§ 3 Nr. 40 Buchst. b EStG erfasst Einnahmen aus mittelbaren Anteilsveräußerungen sowie Veräußerungen von 100 %-Beteiligungen. Es geht hierbei insbesondere um Kapitalanteile, die im Zusammenhang mit Betriebsveräußerungen, Teilbetriebsveräußerungen oder der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen mit übertragen werden.1 Auch hier werden Anteile an in- und ausländischen Rechtsträgern gleichermaßen erfasst. Das Teileinkünfteverfahren erstreckt sich gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG im Ausgangspunkt schließlich auch auf die Einnahmen aus der Veräußerung von zum Privat- oder Betriebsvermögen gehörenden einbringungsgeborenenen Anteilen (§ 21 Abs. 1 UmwStG)2 sowie auf die in § 21 Abs. 2 UmwStG aufgeführten Ersatztatbestände.3

15.35

§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG erstreckt das Teileinkünfteverfahren auf Einnahmen aus Anteilsveräußerungen im Privatvermögen. Dies gilt auch für die Veräußerung von Auslandsanteilen. Im Falle des Wegzugs der Kapitalgesellschaft ins Ausland greift wegen § 17 Abs. 5 EStG das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG ebenso ein wie im Falle des Wegzugs des Anteilseigners selbst (§ 6 AStG).4

15.36

2. Gewinne bei Hinzurechnungsbesteuerung a) Allgemeines § 3 Nr. 41 EStG ist primär darauf gerichtet, die Doppelbelastung von Hinzurechnungsbeträgen einerseits und Gewinnausschüttungen seitens bestimmter ausländischer Kapitalgesellschaften (Zwischengesellschaften) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an denselben andererseits zu vermeiden. Die Vermeidung der Doppelbelastung erfolgt durch eine vollständige Steuerfreistellung der tatsächlich bezogenen Gewinnausschüttungen bzw. tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinne. Diese Steuerfreistellung, die der partiellen Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 EStG vorgeht, gilt unabhängig von der Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart und unabhängig davon, ob die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft einem Betriebs- oder Privatvermögen zuzuordnen sind.

15.37

Die Steuerfreistellung des § 3 Nr. 41 EStG ist eine notwendige Folge der in den §§ 7–14 AStG verankerten Hinzurechnungsbesteuerung (Rz. 10.1 ff.): Sind unbeschränkt oder erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in einem bestimmten Umfang an einer ausländischen Kapitalgesellschaft

15.38

1 Für Betriebsverlagerungen ins Ausland greift in Anknüpfung an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entnahme) das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG ein. 2 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 30; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 82 f.; Haritz, DStR 2000, 1537 (1544), a.A. Dieterlen/Schaden, BB 2000, 2492 (2494) wonach zum Privatvermögen gehörende einbringungsgeborene Anteile unter § 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG fallen sollen. 3 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 124; Hötzel in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, 222; Förster, Stbg 2001, 657 (658). 4 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 101; ferner Rz. 5.378.

527

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

beteiligt, die mit ihren Einkünften aus passivem Erwerb niedrig besteuert ist, so werden die nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Kapitalgesellschaft nach Ablauf des Wirtschaftsjahres den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen nach Maßgabe ihrer Beteiligung als Hinzurechnungsbetrag hinzugerechnet. Dieser Hinzurechnungsbetrag wird als Einkünfte im Sinne der im § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Art qualifiziert und unterliegt entweder den Einkünften aus Kapitalvermögen oder aber insbesondere den Einkünften aus Gewerbebetrieb, ohne dass hierfür das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Mit dieser Hinzurechnungsbesteuerung wird die Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung letztlich dadurch beseitigt, dass die Besteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner so erfolgt, als sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt und im größtmöglichen Umfang ausgeschüttet worden. Damit knüpft die Besteuerung insoweit an Soll-Einkommen an.1 Wird nun seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft nachfolgend tatsächlich ausgeschüttet, unterliegen die Ausschüttungen an sich dem Teileinkünfteverfahren, so dass insoweit eine Doppelbelastung einträte. Diese wird durch Freistellung gem. § 3 Nr. 41 EStG vermieden (Rz. 5.94). Entsprechendes gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit deren Einkünfte aus passivem Erwerb eine Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst haben.

15.39 Da die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 EStG entsprechend der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Konzeption auch auf die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet ist, wird durch § 12 Abs. 3 AStG folgerichtig die Anrechnung der von der Ausschüttung einbehaltenen ausländischen Quellensteuer ermöglicht. Auf einer vergleichbaren Wertungsebene ist § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG angesiedelt, wonach für Zwecke der Gewerbesteuer die internationale Doppelbesteuerung dadurch vermieden wird, dass eine Hinzurechnung unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG stets unterbleibt (Rz. 15.223 f.). b) Gewinnausschüttungen

15.40 Gemäß § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG werden Gewinnausschüttungen seitens ausländischer Kapitalgesellschaften von der Besteuerung freigestellt, soweit für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr des Bezugs oder für die vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre nachweislich Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Einkommensteuer unterlegen haben und in der Vergangenheit § 11 Abs. 1 und 2 AStG a.F. nicht anzuwenden war.2 Angesprochen sind damit in Abgrenzung zu den in § 3 1 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (139 ff.). 2 § 11 Abs. 1 und 2 AStG a.F. galt letztmals für Gewinnausschütten vor dem 1.1.2001, so dass dieser Vorbehalt heute keine Rolle mehr spielt; zu Einzelheiten Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 65 ff.

528

A. Einkommensteuer

Nr. 41 Buchst. b EStG erfassten Veräußerungen und veräußerungsgleichen Vorgängen, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Bezüge,1 zu denen nicht nur offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, sondern auch alle sonstigen aus der Beteiligung fließenden Vorteile gehören, soweit sie auf gesellschaftsrechtlicher und nicht auf schuldrechtlicher Grundlage beruhen.2 Ob diesen Gewinnausschüttungen Einkünfte aus passivem Erwerb oder aus aktiver Tätigkeit zugrunde liegen, spielt keine Rolle.3 Zwecks Vermeidung der Doppelbelastung reicht es aus, wenn der inländische Anteilseigner einen Betrag erhält, der der Höhe nach den niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft)4 entspricht. Würde die Gewinnausschüttung nur in dem Verhältnis steuerfrei gestellt, in dem die niedrig besteuerten Einkünfte aus passivem Erwerb zu den gesamten Einkünften der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) stehen, käme es zu einem Zwang zur Ausschüttung der aktiven Einkünfte. Ein derartiger Ausschüttungszwang widerspräche indessen der eigentlichen Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften nur hinsichtlich ihrer Einkünfte aus passivem Erwerb zu beseitigen (Rz. 10.67 ff.). Aus dem gleichen Grund ist es auch geboten, bei der Steuerfreistellung nicht darauf abzustellen, ob für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr, in dem die Gewinnausschüttungen bezogen werden, Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben, sondern vielmehr darauf, ob dies in dem Kalender- oder Wirtschaftsjahr der Fall ist, in dem die Gewinnausschüttungen bezogen werden.5

15.41

Durch die zeitliche Limitierung auf höchstens acht Jahre wird das Ziel des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG – Vermeidung einer Doppelbelastung – nicht selten verfehlt. Übersteigen nämlich die tatsächlichen Ausschüttungen die Hinzurechnungsbeträge des Ausschüttungsjahres (Kalenderoder Wirtschaftsjahr) und die der vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre,6 so können Ausschüttungsüberschüsse verbleiben, die sodann nicht mehr freigestellt, sondern dem Teileinkünfteverfahren unterliegen.7 Für die zeitliche Limitierung werden Praktikabilitätsgesichts-

15.42

1 Gemeint sind hier Bruttoerträge vor Abzug von Quellensteuern. 2 Hierzu zählen auch Investmenterträge, für die gem. § 2 Abs. 4 InvStG § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ebenfalls zur Anwendung kommt; hierzu Carlé in Korn, § 2 InvStG, Rz. 37. 3 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14; Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 34; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Rz. 18.1.5.1. 4 So die Terminologie gem. § 7 Abs. 1 AStG. 5 Ausführlich Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 41. 6 Die Gewinnausschüttungen werden vorrangig mit den ältesten Hinzurechungsbeträgen verrechnet; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Rz. 18.1.5.1. 7 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, vor §§ 7–14 AStG Rz. 86.

529

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

punkte angeführt.1 Diese vermögen indessen unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Leistungsfähigkeit eine Doppelbesteuerung nicht zu rechtfertigen,2 wenn etwa auf Grund einer Außenprüfung für weit zurückliegende Zeiträume eine Hinzurechnungsbesteuerung angenommen wird. Hier hat die Finanzverwaltung aus Billigkeitsgründen durch Steuererlass die Doppelbesteuerung zu vermeiden (§§ 163, 227 AO).3

15.43

Schließlich führen auch die systemwidrigen Divergenzen zwischen der Hinzurechnungsbesteuerung einerseits und der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen andererseits zu unvermeidbaren Zielkonflikten. Bleibt nämlich die Hinzurechnungsbesteuerung hinsichtlich ihrer Belastungswirkungen, etwa durch Berücksichtigung eines Verlustabzugs (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG), hinter der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen zurück, so wird die durch die §§ 7–14 AStG angestrebte steuerliche Einmalbelastung der ausschüttungsfähigen Gewinne zum frühestmöglichen Zeitpunkt verfehlt. Geht indessen die Belastungswirkung der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen über die der Hinzurechnungsbesteuerung, etwa auf Grund unterschiedlicher Gewinnermittlungsgrundsätze oder wegen eines zwischenzeitlichen Währungsverfalls, hinaus, so tritt eine nicht gewollte Doppelbelastung ein. Derartige Doppelbelastungen werden in der Praxis mitunter durch eine entsprechende Ausschüttungspolitik seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) vermieden werden können. Minderheitsgesellschafter haben jedoch in aller Regel keinen Einfluss auf die Ausschüttungspolitik, so dass deren Steuerbelastung auf Grund des Nebeneinanders von Hinzurechnungsbeträgen und tatsächlichen Gewinnausschüttungen kaum vorhersehbar ist. Im Hinblick darauf sind auch hier Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) seitens der Finanzverwaltung geboten.

15.44 § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG verlangt, dass die Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben, ob hierauf tatsächlich eine Einkommensteuer zu bezahlen war, ist unerheblich.4 Abgestellt wird allerdings nur auf die Hinzurechnungsbeträge im Ausschüttungsjahr (Kalenderoder Wirtschaftsjahr) und die der vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre. Der Gesetzgeber geht dabei erkennbar von dem Regelfall aus, dass der Besteuerung der Hinzurechnungsbeträge die Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen folgt. Das ist indessen bei Vorabausschüttungen und verdeckten Gewinnausschüttungen nicht der Fall, weil diese dem Ansatz des entsprechenden Hinzurechnungsbetrages zeitlich vorangehen.

15.45

Eine hieraus folgende steuerliche Doppelerfassung widerspricht der erkennbaren Wertung des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, wonach eine Doppelbelastung von Hinzurechnungsbeträgen und tatsächlichen Gewinnausschüttungen vermie1 BT-Drucks. 14/6882, 31. 2 Zu diesem Aspekt insbesondere Wassermeyer, DStJG 25 (2002), 103 (107 ff.); Lieber, FR 2002, 139 (141 f.); zu europarechtlichen Bedenken Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 18. 3 Vgl. BFH v. 5.4.1995 – I R 81/94, BStBl. II 1995, 629. 4 Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 55.

530

A. Einkommensteuer den werden soll. Von drei denkbaren Zuflusszeitpunkten – Hinzurechnungsbetrag vor Gewinnausschüttung, Hinzurechnungsbetrag zeitgleich mit Gewinnausschüttung und Gewinnausschüttung vor Hinzurechnungsbetrag – sind in § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG nur die ersten beiden Alternativen geregelt. Diese Wertungslücke ist durch Analogie zu schließen, so dass eine Steuerfreistellung auch dann in Betracht kommt, wenn der Hinzurechnungsbetrag erst später der Einkommensteuer unterworfen wird. Damit wird zugleich auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprochen. Dieser Grundsatz kann aber auch im Billigkeitswege (§§ 163, 227 AO) dadurch verwirklicht werden, dass bei nachfolgender Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages die Bezüge rückwirkend steuerfrei gestellt werden.1

Die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG verlangt keine Per- 15.46 sonenidentität in dem Sinne, dass nur der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, der die Gewinnausschüttungen bezieht, zugleich auch mit dem Hinzurechnungsbetrag der Einkommensteuer unterworfen war.2 Hat daher etwa ein unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner nach dem Hinzurechnungszeitpunkt (§ 10 Abs. 2 AStG), jedoch vor dem Bezug der Gewinnausschüttungen, seinen Anteil übertragen, steht die Steuerfreistellung dem Erwerber zu. Verlangt wird schließlich auch keine Anteilsidentität mit der Folge, dass auch eine Veränderung der Anteilsquoten an der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) auf die Steuerbefreiung keinen Einfluss hat. Erforderlich ist aber eine Gesellschaftsidentität, d.h. die ausländische Gesellschaft, von der die Gewinnausschüttung stammt, muss mit der Gesellschaft, die die dem Hinzurechungsbetrag zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte erzielt hat, identisch sein, wobei identitätswahrende Umwandlungen unschädlich sind.3 § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG schreibt für die bezogenen Gewinnausschüttun- 15.47 gen die Anwendung der in § 3c Abs. 2 EStG verankerten Ausgabenabzugsbeschränkung vor. Damit kommt das partielle Abzugsverbot trotz vollständiger Steuerfreistellung zur Anwendung.4 Vom partiellen Abzugsverbot erfasst werden lediglich Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Gewinnausschüttungen selbst stehen.5 1 So BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Rz. 18.1.5.4. 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 9; Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 48. 3 Zu weiteren Einzelheiten Intemann in H/H/R § 3 Nr. 41 EStG Rz. 9; Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Abs. 52 f. 4 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 15; Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 73; Dötsch in D/J/P/W, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14; Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 6; a.A. Handzik in L/B/P, § 3 Rz. 1563, der von einem vollständigen Abzugsverbot ausgeht. 5 Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 70, 72 mit Hinweisen dazu, dass § 3c Abs. 2 EStG im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 41 EStG systematisch verfehlt ist; einschränkend auch BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220, wonach ein Erwerbsaufwand dann nicht gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei – hier durch eine Kapitalbeteiligung vermit-

531

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

c) Veräußerungsgewinne

15.48 § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG ist ein Ergänzungstatbestand dahingehend, dass auch Veräußerungsgewinne und Gewinne aus der Auflösung und Kapitalherabsetzung von Zwischengesellschaften steuerfrei gestellt werden, soweit für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr des Bezuges oder für die vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre im Zusammenhang mit der Beteiligung an dieser Gesellschaft eine Hinzurechnungsbesteuerung angefallen ist.1

15.49 Damit zielt dieser Ergänzungstatbestand ebenfalls auf eine Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung ab. Voraussetzung für die Steuerfreistellung ist allerdings, dass die Zwischeneinkünfte, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, nicht ausgeschüttet worden sind. Da hierfür § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG eingreift, wird somit eine Doppelfreistellung vermieden.2 3. Investmenterträge

15.50 Das dem Investmentsteuergesetz jedenfalls teilweise zugrunde liegende Transparenzprinzip3 ist darauf gerichtet, Investmentfondsanleger und Direktanleger hinsichtlich der Versteuerung ihrer Kapitalerträge grundsätzlich gleichzubehandeln. Das wird dadurch erreicht, dass inländisches Sondervermögen als unbeschränkt steuerpflichtiges Zweckvermögen gilt und von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Die Besteuerung erfolgt sodann auf der Ebene der Fondsanleger.4

15.51 Im Hinblick auf dieses Gleichbehandlungsgebot schreibt § 4 Abs. 1 InvStG vor, dass die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge bei Veranlagung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen sind, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die Deutschland auf Grund eines DBAs auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Das bedeutet, dass für Zwecke der Anwendung der DBA so getan wird, als hätte der Fondsanleger die ausländischen Einkünfte des Investmentfonds nach Maßgabe seiner Beteiligung unmittelbar selbst bezogen. Diesbezüglich ist auf dasjenige DBA abzustellen, das mit dem Staat besteht, in welchem der Investmentfonds investiert hat.5 Das

1 2 3 4 5

telte – Einnahmen erziehlt hat; ggf. rechtsprechungsbrechende Änderung des § 3c Abs. 2 EStG durch JStG 2010. Eine Gesellschaftsidentität ist also erforderlich. Hierzu Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 22; Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 93. Hierzu Geurts in Bordewin/Brandt, § 1 InvStG Rz. 1. Hierzu Zeller, DStR 2005, 899 ff. Hamacher in Korn, § 4 InvStG, Rz. 5; W. Wassermeyer, DB 2003, 2085 (2088); Sradj/Mertes, DStR 2004, 201 (205).

532

A. Einkommensteuer

gilt auch für die Investmenterträge aus einem ausländischen Investmentfonds, der in einem anderen ausländischen Staat investiert hat.1 Angesprochen sind vor allem Einkünfte aus im Ausland belegenen Grundbesitz, die abkommensrechtlich nach Maßgabe des Belegenheitsprinzips in aller Regel von deutscher Steuer freigestellt sind (Art. 6, 23a OECD-MA).2

15.52

Soweit § 4 Abs. 1 InvStG auf ausländische Einkünfte abstellt, sind diese nicht etwa i.S. von § 34d EStG, sondern im abkommensrechtlichen Sinne zu verstehen. Andernfalls würde das Ziel verfehlt, die Doppelbesteuerung so zu vermeiden, als ob der Fondsanleger die ausländischen Einkünfte des Investmentfonds unmittelbar selbst erzielt hätte.3 Rechtstechnisch erfolgt somit für Zwecke der Anwendung von DBA eine Auswechslung des Steuersubjekts, ohne dass die Einkünfte hierdurch umqualifiziert werden. Im Ergebnis werden damit durch § 4 Abs. 1 InvStG dem Fondsanleger nach Maßgabe seiner Beteiligung die Einkünfte des in- oder ausländischen Investmentfonds zugerechnet. Dies ist abkommensrechtlich unbedenklich, zumal die DBA durchweg keine Regelungen über die Zurechnung von Einkünften enthalten.

15.53

Die Steuerbefreiung wird schließlich unter Progressionsvorbehalt gestellt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 InvStG i.V. mit § 32a Abs. 1 EStG).4

15.54

Gewinne aus der Veräußerung von im Betriebsvermögen gehaltenen – auch ausländischen5 – Investmentanteilen unterliegen dem Teileinkünfteverfahren oder der Steuerbefreiung gem. § 4 Abs. 1 InvStG, soweit sie auf thesaurisierte Erträge oder Veräußerungsgewinne und Wertsteigerungen entfallen, die bei direkter Ausschüttung gem. § 3 Nr. 40 EStG partiell oder gem. § 4 Abs. 1 InvStG zur Gänze steuerbefreit wären (§ 8 Abs. 1 InvStG). Damit werden die vorgenannten Gewinne aus der Veräußerung der Investmentanteile steuerlich entsprechend dem für das InvStG maßgeblichen Transparenzprinzip behandelt, so dass etwa die abkommensrechtliche Freistellung für Gewinne aus der Veräußerung von ausländischen Betriebsstätten und Immobilien (Art. 13 Abs. 1, 2 OECD-MA) auf den Fondsanleger durchschlagen.6 Das vorstehende spezifische Steuerregime gilt allerdings nicht für Beteiligungen an einer REIT-AG, da diese nicht steuerlich vorbelastet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V. mit § 19 Abs. 3 REITG.7

15.55

1 Hamacher in Korn, § 4 InvStG, Rz. 5; a.A. Lübbehusen/Schmitt, DB 2004, 268 (270). 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 51. 3 Hamacher in Korn, § 4 InvStG Rz. 4. 4 Zum Progressionsvorbehalt Rz. 16.534 ff. 5 Carlé in Korn, § 8 InvStG Rz. 10. 6 Carlé in Korn, § 8 InvStG Rz. 12; Ramackers in L/B/P, § 8 InvStG Rz. 12. 7 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 4 Rz. 9 ff.

533

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

IV. Steueranrechnung 1. Allgemeines

15.56 Für den Bereich der Einkommensteuer ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung in § 34c EStG verankert. Diese Vorschrift gelangt darüber hinaus auch zur Anwendung auf Grund von Verweisungen z.B. in § 26 Abs. 6 KStG, § 12 Abs. 3 AStG und § 4 Abs. 2 InvStG sowie in den DBA. 2. Persönliche Voraussetzungen

15.57 Werden unbeschränkt Steuerpflichtige mit ihren aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen, so ist gem. § 34c Abs. 1 EStG die festgesetzte, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt. Die Begrenzung der Anrechnungsberechtigung auf unbeschränkt steuerpflichtige Personen ist die Folge des nur bei unbeschränkter Steuerpflicht zur Geltung kommenden Welteinkommensprinzips. Da die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG sowie die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG keine selbständigen Formen der Steuerpflicht sind, gelten alle Vorschriften, die an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfen, automatisch auch für die Fälle des § 1 Abs. 2 und 3 EStG. Erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen sowie Grenzpendler (§ 1 Abs. 3 EStG) können daher ebenfalls die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen.1 Zu dem Kreis der Anrechnungsberechtigten gehören auch jene Steuerpflichtige, die etwa aufgrund eines Doppelwohnsitzes in mehreren Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind.2

15.58

Obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden, sieht § 50 Abs. 3 EStG eine Steueranrechnung auch für beschränkt Steuerpflichtige vor.3 Dieser an sich systemfremden Steueranrechnung bedurfte es, weil die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG auch ausländische Einkunftsquellen erfassen und damit kollisionsbegründend sind. § 50 Abs. 3 EStG lässt die Steueranrechnung nur zu bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbetrieb und selbständiger Arbeit, für die ein inländischer Betrieb unterhalten wird, soweit darin nicht Einkünfte aus einem ausländischen Staat enthalten sind, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige

1 BFH v. 13.10.1965 – I 410/61 U, BStBl. III 1965, 738; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 121; für Grenzpendler ist § 34c EStG allerdings ohne praktische Bedeutung, weil gem. § 1 Abs. 3 EStG ohnehin nur inländische Einkünfte (§ 49 EStG) erfasst werden. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 121. 3 § 50 Abs. 3 EStG verweist auf § 34c Abs. 1 bis 3 EStG.

534

A. Einkommensteuer dort mit seinem Welteinkommen zur Steuerpflicht herangezogen wird. Angesprochen sind hierdurch vor allem Einkünfte aus Drittstaaten, etwa Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die mit einer Quellensteuer belegt sind. In der Praxis hat § 50 Abs. 3 EStG insbesondere Bedeutung für inländische Niederlassungen ausländischer Banken sowie für Beteiligungen beschränkt Steuerpflichtiger an inländischen Personengesellschaften.1

Die Steueranrechnung setzt voraus, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige selbst mit seinen aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen wird. Damit ist die Steuersubjektsidentität Voraussetzung für die Steueranrechnung. Da die Rechtssysteme der ausländischen Staaten sich durchweg von denen Deutschlands unterscheiden und den persönlichen Anknüpfungspunkten für die Besteuerung vielfach unterschiedliche Konzeptionen zugrunde liegen, wird eine Identität des Steuersubjekts im streng juristischen Sinne insbesondere bei Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften häufig nicht erreicht werden können. So sind etwa im romanischen Rechtskreis die Personengesellschaften im Gegensatz zum deutschen Einkommen-/Körperschaftsteuerrecht selbständige Steuersubjekte. Gleichwohl werden sie nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durchweg als Mitunternehmerschaften qualifiziert, so dass unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter mit den auf sie entfallenden Gewinnanteilen zur deutschen Einkommensteuer herangezogen werden, unabhängig davon, ob der Gewinn ausgeschüttet worden ist oder nicht.2 Dieser dem deutschen Einkommensteuergesetz folgenden Qualifikation hat eine am Sinn und Zweck des § 34c EStG – Vermeidung der Doppelbesteuerung – orientierte Auslegung Rechnung zu tragen mit der Folge, dass die Steuersubjektsidentität unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bejahen und daher eine Steueranrechnung möglich ist.3 Dies gilt nicht nur für die auf Gesellschaftsebene gezahlten Steuern, sondern auch für etwaige Quellensteuern auf Ausschüttungen an die Gesellschafter.4 Die Steuersubjektsidentität ist auch in den Fällen der Zurechnungsdivergenz zu bejahen, sofern der unbeschränkt Steuerpflichtige mit der ausländischen Steuer belastet ist. Werden etwa Einkünfte im Ausland dem Treuhänder und im Inland dem Treugeber zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO), so kann der Treugeber die im Ausland vom Treuhänder

1 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 117. 2 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 18.10.2007 – V B 164/06, BStBl. II 2008, 263; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 2; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35; Piltz, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 107 f. 3 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; BMF v. 1.10.1997, BStBl. I 1997, 863; v. 28.5.1998, BStBl. I 1998, 557. 4 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 2; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 35.

535

15.59

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

geschuldete Steuer anrechnen, wenn diese im Rahmen des Aufwendungsersatzes zu seinen Lasten geht.1

15.60 Entsprechendes gilt im Falle des Nießbrauchs, falls im Ausland die Einkünfte dem Eigentümer und im Inland dem unbeschränkt steuerpflichtigen Nießbraucher zugerechnet werden.2

15.61 Eine Ausnahme vom Erfordernis der Subjektsidentität ergibt sich aus § 19 Abs. 1 und 2 KStG für die Organschaft. Der Organträger kann danach die auf die ausländischen Einkünfte der Organgesellschaft entfallende ausländische Steuer vom Einkommen unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG selbst anrechnen. Ist Organträger eine Personengesellschaft, so sind die Gesellschafter zur Anrechnung befugt (§ 19 Abs. 3 KStG).3

15.62 Nach der Rechtsprechung des BFH4 soll die Steuersubjektsidentität und damit die Voraussetzung für eine Steueranrechnung oder eine sonstige Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den Fällen nicht gegeben sein, in denen die Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts als Steuerumgehung gem. § 42 AO qualifiziert wird (Rz. 10.23 ff.).

15.63

Durch § 42 Abs. 1 Satz 3 AO wird der Umgehungserfolg dadurch verhindert, dass der Steueranspruch so verwirklicht wird, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. An die Stelle der tatsächlich gewählten rechtlichen Gestaltung wird daher für Zwecke der steuerlichen Rechtsfolge die angemessene Rechtsgestaltung der Besteuerung zugrunde gelegt. Müssten für den gleichen Sachverhalt bei angemessener Gestaltung ebenso wie bei der tatsächlich verwirklichten unangemessenen Gestaltung ausländische Steuern entrichtet werden, ist eine Steueranrechnung zulässig. Bezieht also eine ausländische Basisgesellschaft Dividendeneinkünfte, für die sie Kapitalertragsteuer entrichtet hat, und werden diese Dividendeneinkünfte als Rechtsfolge des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner der Basisgesellschaft zugerechnet, so kann dieser die von der ausländischen Basisgesellschaft im Ausland gezahlte Kapitalertragsteuer auf seine eigene Einkommensteuerschuld anrechnen.5 § 42 Abs. 1 Satz 3 AO schließt daher die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG nicht aus.

15.64 Die Steuersubjektsidentität ist schließlich auch in den Fällen zu bejahen, in denen eine im Ausland erhobene Steuer auf Kapitaleinkünfte als Teil-

1 BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 2 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 2, Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 37. 3 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 38. 4 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 132; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 37; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 2; ebenso zu § 34c Abs. 3 EStG BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869.

536

A. Einkommensteuer

habersteuer des inländischen Gesellschafters anzusehen ist.1 Lässt sich die ausländische Einkommen-/Körperschaftsteuer als Steuer der ausschüttenden ausländischen Kapitalgesellschaft qualifizieren,2 so ist deren Anrechnung auf die deutsche Einkommensteuer des Anteilseigners ausgeschlossen. Anrechenbar gem. § 34c Abs. 1 EStG ist in diesem Fall nur die nach der im Ausland erfolgten Körperschaftsteueranrechnung verbleibende ausländische Einkommensteuer.3 3. Ausländische Einkünfte a) Allgemeines Ausländische Steuern können gem. § 34c Abs. 1 EStG nur dann angerechnet werden, wenn sie auf ausländische Einkünfte erhoben worden sind. Was unter ausländischen Einkünften zu verstehen ist, ergibt sich aus § 34d EStG. Der Katalog der dort genannten ausländischen Einkünfte entspricht im Wesentlichen dem Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG. § 34d EStG enthält damit eine ähnlich lückenhafte Anknüpfung an Steuerquellen wie § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 5.129). Im Hinblick darauf kann § 34d EStG von vornherein der Zielsetzung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, in nur eingeschränktem Maße dienlich sein.4

15.65

Unter diesen Umständen schließt § 34c Abs. 3 EStG, wonach u.a. ein Steuerabzug auch insoweit möglich ist, als ausländische Einkünfte nicht vorliegen, insbesondere die durch § 34d EStG verursachten Lücken.

15.66

Der Katalog der ausländischen Einkünfte gem. § 34d EStG ist abschließend.5 Für die Qualifizierung der Einkünfte ist, obwohl § 34d EStG diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung enthält, die isolierende Betrachtungsweise, wie sie sich aus § 49 Abs. 2 EStG ergibt, maßgeblich.6 Dementsprechend bleiben inländische Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung ausländische Einkünfte nicht angenommen werden könnten.7

15.67

1 Krabbe in B/K/L/M/R, § 34c EStG Rz. 16. 2 Entsprechend der früheren deutschen Körperschaftsteuer, die auch die Ausschüttung belastet hat; BFH v. 9.2.1982 – VIII B 132/81, BStBl. II 1982, 401. 3 Krabbe in B/K/L/M/R, § 34c EStG Rz. 16; Flick, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 45 f. 4 Hierzu Inst.FuSt. Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – Notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), 13; Burmester in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (248). 5 Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 1; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 2. 6 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 2; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 9. 7 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 5, dementsprechend als umgekehrte isolierende Betrachtungsweise bezeichnet.

537

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.68 Neben dem Umstand, dass dem Einkünftekatalog des § 34d EStG weitgehend der des § 49 Abs. 1 EStG zugrunde liegt, ergibt sich die Geltung der isolierenden Betrachtungsweise aus den Qualifikationsregeln des § 34d Nr. 1, Nr. 2a und Nr. 3 EStG, wonach für bestimmte Einkünfte die Subsidiarität zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit ausdrücklich begründet wird. Ohne Geltung der isolierenden Betrachtungsweise hätten diese besonderen Subsidiaritätsregeln im Hinblick auf §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1 EStG keine Bedeutung.

15.69 § 34d EStG regelt nicht, aus welchem ausländischen Staat die einzelnen Einkünfte stammen. Diese Differenzierung ist aber sowohl für die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG als auch für den Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG von Bedeutung, weil sowohl Steueranrechnung als auch Steuerabzug jeweils länderbezogen sind und der Höchstbetrag der Anrechnung für jeden Staat gesondert zu ermitteln ist (sog. per country limitation, Rz. 15.114 ff.). § 34d EStG enthält auch keinen Auslandsbegriff, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Da das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz ebenfalls keinen Auslandsbegriff enthalten, kann auf diesen nur aus dem Inlandsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG geschlossen werden.1 Da § 34d EStG nicht voraussetzt, dass die auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmale2 zum Zeitpunkt des Erzielens der Einkünfte (noch) vorhanden sein müssen, sind auch nachträgliche Einkünfte als ausländische Einkünfte zu qualifizieren.3 § 34d EStG beschränkt sich schließlich darauf, bestimmte Einkünfte als ausländische zu qualifizieren, ohne zu bestimmen, wie diese Einkünfte zu ermitteln sind. Es gelten daher die Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts.4 Da die ausländischen Einkünfte ausnahmslos im Sinne von Nettoeinkünften zu verstehen sind,5 sind bei deren Ermittlung Betriebsausgaben und Werbungskosten zu berücksichtigen. In Abgrenzung zu den übrigen Einkünften dürfen bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte im Grundsatz nur Ausgaben angesetzt werden, die in einem direkten (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang zu der Einnahmeerzielung stehen.6 1 Hoheitsfreie Gebiete zählen allerdings nicht zum Ausland; BFH v. 14.6.1991 – VI R 185/87, BStBl. II 1991, 926; Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 4; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 6. 2 Z.B. Betriebsstätte bei § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG. 3 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 5; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 12; Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 66 f. 4 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; Wassermeyer in F/W/B, § 34d EStG Rz. 35; Strunk/Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 16; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 11. 5 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799. 6 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577.

538

A. Einkommensteuer

Hiervon abweichend regelt § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG, dass bei Ermittlung der zum Gewinn eines inländischen Betriebs gehörenden ausländischen Einkünfte der in § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchst. c EStG genannten Art im betreffenden Veranlagungszeitraum1 angefallene Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen stets dann zu berücksichtigen sind, wenn sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Einnahmen stehen. Im Ergebnis reicht somit ein bloß mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang aus,2 so dass etwa Refinanzierungskosten im Zusammenhang mit ausländischen Kapitalanlagen zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf die für die Anrechnung maßgebliche Höchstbetragsregelung ist diese Sonderregelung für Steuerpflichtige mit betrieblichen Einkünften nachteilig.3

15.70

Die Regelungen des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG zwingen bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte zu einer Differenzierung wie folgt: Bei Überschusseinkünften4 werden nur solche Erwerbsaufwendungen berücksichtigt, die in einem direkten (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen.5 Für Gewinneinkünfte6 sind demgegenüber auch in einem bloß (mittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen einbezogen. Entsprechendes gilt auch für Betriebsvermögensminderungen. Das bedeutet etwa, dass im Gegensatz zu den Überschusseinkünften ausländische Gewinneinkünften um Refinanzierungskosten für ausländische Portfolioanlagen, Verluste aus Kurssicherungsgeschäften sowie um Wertverluste von Darlehensforderungen und Beteiligungen7 gemindert werden. Unterschiedslos sind allerdings Währungsverluste zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn diese zwischen Entstehung etwa einer der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Forderung und dem Zahlungseingang verursacht werden. Derartige Währungsverluste sind grundsätzlich nämlich den aus-

15.71

1 Zur Zeitraumidentität zwischen Einnahmen und Betriebsausgaben bzw. Betriebsvermögensminderungen Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 84.5; Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1470); Köhler, DStR 2003, 1156 (1156 f.). 2 § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG eingefügt durch StVergAbG v. 16.5.2003 (BGBl. I 2003, 660) gegen BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; zu Einzelheiten Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 60. 3 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469) leitet hieraus einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ab. 4 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG). 5 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577. 6 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG). 7 Nur im Rahmen der steuerlichen Absetzbarkeit (§ 3c Abs. 2 EStG, § 8b Abs. 3 KStG).

539

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

ländischen Einnahmen zuzuordnen,1 so dass das Anrechnungsvolumen (zur Höchstbetragsberechnung Rz. 15.111 ff.) entsprechend gekürzt wird.2 Nicht erfasst werden dagegen in allen Fällen etwa allgemeine Verwaltungskosten, die Zuführung zu Rückstellungen, Raum- und Personalkosten, soweit diese keinen zweckgerichteten Bezug zu den ausländischen Einnahmen haben.3

15.72 Da über die Zuordnungsregel des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG hinaus für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte keine Sonderregelungen gelten, finden die allgemeinen für die Einkünfteermittlung maßgeblichen Grundsätze Anwendung. Hierzu gehört auch der allgemein geltende Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (Jahressteuerprinzip),4 wonach nur die im jeweiligen Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte der Besteuerung zu unterwerfen sind (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG). Eine periodenübergreifende Besteuerung ist dem deutschen Ertragsteuerrecht im Grundsatz fremd.5 Hieraus folgt eine Zeitraumidentität zwischen ausländischen Einnahmen und den entsprechenden Erwerbsaufwendungen. Das bedeutet, dass stets nur solche Erwerbsaufwendungen berücksichtigt werden können, die im selben Veranlagungszeitraum wie die ausländischen Einnahmen angefallen sind.6 Hieraus folgt, dass etwa Entwicklungskosten aus Perioden vor der Erzielung der hierauf beruhenden ausländischen Lizenzeinnahmen im Ergebnis das Anrechnungsvolumen nicht kürzen.7

15.73 Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG sind bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte solche Einkünfte nicht zu berücksichtigen, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden. Angesprochen sind damit nicht steuerbare und steuerbefreite Einkünfte, nicht aber solche, die in dem anderen Land entgegen der dortigen Rechtslage nicht besteuert werden.8 § 34c Abs. 1 EStG enthält insoweit den Charakter einer per-item-limitation.9 Diese Eingrenzung wirkt sich ins1 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714; v. 16.2.1996, BStBl. II 1996, 588, v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 2 Im EU-/EWR-Bereich sind finale Währungsverluste dagegen den inländischen Einkünften zuzurechnen; EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1147: Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit; anders bei Drittstaaten EuGH v. 6.11.2007, Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, IStR 2008, 107: kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit; zu Einzelheiten Schänzle, IStR 2009, 514 (516 f.); Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1458 (1459); zur Finalität BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1773. 3 Im Sinne dieser einengenden Auslegung Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 15; Dötsch in D/J/P/W, § 26 KStG Rz. 168. 4 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 44 ff. 5 Ausnahme: § 3c Abs. 2 EStG. 6 Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 84.5; Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1470); Köhler, DStR 2003, 1156 (1156 f.). 7 Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 84.5. 8 OFD Berlin v. 22.1.2004, IStR 2004, 288. 9 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 26.

540

A. Einkommensteuer

besondere dann steuerlich nachteilig aus, wenn aus demselben Staat weitere dort besteuerte Einkünfte bezogen werden, deren Steuerbelastung über dem deutschen Steuerniveau liegt (zu den hiermit verbundenen Systembrüchen Rz. 15.114 ff.). Entspricht es der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das gesamte Welteinkommen zu besteuern, so ist folgerichtig die Doppelbesteuerung auch für das gesamte Welteinkommen zu vermeiden. Deshalb widerspricht es dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn einerseits alle Einkünfte der Besteuerung unterworfen werden, andererseits aber die Doppelbesteuerung für nur ganz bestimmte Einkünfte vermieden wird. § 34d EStG, der einen numerus clausus von ausländischen Einkünften enthält, für die eine Doppelbesteuerung vermieden wird, ist daher systemwidrig. Verfehlt ist insbesondere die Konzeption, § 34d EStG wie § 49 Abs. 1 EStG auszugestalten.1 Das Ergebnis dieser verfehlten Konzeption ist, dass für zahlreiche Einkünfte, die in § 34d EStG nicht als ausländische Einkünfte qualifiziert werden, eine Doppelbesteuerung entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt vermieden werden kann.

15.74

Für die in § 34d EStG vorgenommenen Differenzierungen gibt es keine rechtfertigenden Gründe. § 34d EStG führt daher zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung: Werden nämlich ohne jede Differenzierung aus dem In- und Ausland stammende Einkünfte der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen, ist ebenso ohne jede Differenzierung für alle mit ausländischer Steuer belasteten Einkünfte die Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen. Dass die Vermeidung der Doppelbesteuerung nur für bestimmte ausländische Einkünfte ermöglicht wird, entspricht allerdings einer fiskalischen Klugheitsregel. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass bei einer derart unbeschränkten Steueranrechnung die Besteuerung im Quellenstaat zu Lasten des Wohnsitzstaates ausgedehnt wird.

b) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Zu den ausländischen Einkünften zählen gem. § 34d Nr. 1 EStG die Einkünfte aus einer im Ausland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§§ 13, 14 EStG). Die Land- und Forstwirtschaft wird im Ausland betrieben, wenn sich die bewirtschafteten Grundstücke im Ausland befinden, und zwar unabhängig davon, wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat oder ob die Land- und Forstwirtschaft von aus dem Inland entsandten Personen betrieben wird. Damit knüpft § 34d Nr. 1 EStG an das international übliche Belegenheitsprinzip an.

15.75

Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, für deren Qualifikation allein die Vorschriften der §§ 13, 14 EStG maßgeblich sind, gehören auch die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb oder Teilbetrieb (§ 14 EStG). Zu den ausländischen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, für die die Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1, 3; 13a EStG zur Anwendung

15.76

1 Hierzu auch Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommenund Körperschaftsteuer, 133 f.

541

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

kommen, zählen auch nachträgliche Einkünfte, sofern sie für den Zeitpunkt, in dem der Anspruch begründet wurde, als ausländische Einkünfte qualifiziert werden können.1 Zu den ausländischen Einkünften aus Landund Forstwirtschaft gehören schließlich auch solche Einkünfte, die ihrer Art nach Einkünfte aus Kapitalvermögen, Veräußerungen, Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte sind, sofern und soweit sie im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen. Diese in § 34d Nr. 1 EStG vorgenommene Erweiterung des Einkünftebereichs suspendiert die im Grundsatz auch für § 34d EStG geltende isolierende Betrachtungsweise, so dass insoweit die allgemeinen Subsidiaritätsregeln, insbesondere die der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG, wieder aufleben.2 c) Einkünfte aus Gewerbebetrieb

15.77 § 34d Nr. 2 EStG erfasst als ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus nur einigen der im Ausland ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Maßgebend für die Auslandsqualifizierung sind nur ganz bestimmte Anknüpfungsmerkmale im Ausland, und zwar eine ausländische Betriebsstätte oder ein für das Ausland bestellter ständiger Vertreter. Erfasst werden ferner Bürgschafts- und Avalprovisionen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat, sowie Beförderungsvorgänge mit Seeschiffen und Luftfahrzeugen zwischen ausländischen und von ausländischen zu inländischen Häfen.

15.78 Den für die Qualifizierung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als ausländische Einkünfte gewählten Anknüpfungsmerkmalen liegt keine erkennbare Konzeption zugrunde. § 34d Nr. 2 EStG lässt sich nicht einmal als Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG verstehen, da die dort gewählten Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht mit den Anknüpfungsmerkmalen des § 34d Nr. 2 EStG nicht deckungsgleich sind und zum Teil über diese hinausreichen.

15.79

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die lückenhaften Anknüpfungsmerkmale des § 34d Nr. 2 EStG damit zu rechtfertigen, dass nach nationalem Recht die Anrechnung nur derjenigen ausländischen Steuern verlangt werden könne, die auf Einkünfte erhoben würden, die den inländischen Einkünften des § 49 Abs. 1 EStG entsprächen. Durch die Begrenzung werde klargestellt, dass der deutsche Gesetzgeber dem Ausland eine Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen nur insoweit zugestehe, wie er selbst beschränkt steuerpflichtige Personen in Anspruch nehme. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass ausländische Staaten, etwa durch Ausweitung der Quellenbesteuerung, im Er-

1 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; vgl. auch BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 2 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise.

542

A. Einkommensteuer gebnis die Besteuerung zu Lasten Deutschlands durchführten.1 Dahinter steht der Gedanke, dass der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG Richtmaßstab für eine – aus inländischer Sicht – zutreffende Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen durch ausländische Staaten darstelle.2 Diese fiskalpolitischen Erwägungen vermögen indessen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht zu suspendieren. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist nämlich die Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens. Die Erfassungsbreite derjenigen Einkünfte, für die eine Doppelbesteuerung zu vermeiden ist, wird daher nicht durch § 49 Abs. 1 EStG, sondern allein durch § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt. Die durch § 34d Nr. 2 EStG erfassten Einkünfte aus Gewerbebetrieb bleiben weit hinter den unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit §§ 15, 16 und 17 EStG fallenden Einkünften zurück. Sie reichen nicht einmal an die durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfassten gewerblichen Einkünfte heran. Erzielt etwa ein unbeschränkt steuerpflichtiger Berufssportler im Ausland gewerbliche Einkünfte, ohne dort eine Betriebsstätte zu unterhalten, so werden diese Einkünfte gem. § 34d Nr. 2 EStG nicht als ausländische qualifiziert. Eine auf diese Einkünfte im Ausland gezahlte Steuer ist daher nicht anrechenbar, obwohl nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers derartige Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuerungswürdig sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).

Im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist die im Ausland belegene Betriebsstätte das wichtigste Anknüpfungsmerkmal. Obwohl auf die im Ausland belegene Betriebsstätte abgestellt wird, wird damit nicht zugleich auf die Betriebsstättendefinition des betreffenden ausländischen Steuerrechts verwiesen. Mangels anderweitiger Regelung ist vielmehr die Betriebsstättendefinition des § 12 AO maßgeblich.3 Damit scheidet eine Steueranrechnung stets aus, wenn zwar nach ausländischem Recht, nicht aber nach § 12 AO eine Betriebsstätte vorliegt. Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, wäre es sachgerecht, für die Qualifikation als ausländische Einkünfte auf die Betriebsstättendefinition des betreffenden ausländischen Staates abzustellen.4 Durch § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG werden die in der ausländischen Betriebsstätte bzw. durch sie erzielten Gewinne erfasst. Für die Ergebniszuordnung kommt es auf die wirtschaftliche Veranlassung an, so dass der Betriebsstätte diejenigen Einnahmen zuzuordnen sind, für die sie kausal ist, und diejenigen Aufwendungen zuzurechnen sind, die durch ihre Tä1 Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 13; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 135 f.; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 87; Manke, JbFSt. 1977/78, 444 (458). 2 Heining, CDFI XIII (1959), 574 (577). 3 BFH v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 29 Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 26. 4 Ebenso Strunk/Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 23; die Maßgeblichkeit des § 12 AO wird durchweg damit gerechtfertigt, dass nur so vermieden werden könne, dass ausländische Staaten ihre Besteuerung zu Lasten Deutschlands ausdehnten; so etwa Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 13.

543

15.80

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

tigkeit veranlasst werden.1 Daher sind auch nachträgliche Einkünfte, also solche, die nach Schließung der Betriebsstätte zufließen, ebenso als ausländische Einkünfte zu qualifizieren wie Einkünfte aus der Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte.2

15.81 Da eine ausländische Personengesellschaft nach deutschem Einkommensteuerrecht kein Steuersubjekt ist, Steuersubjekte vielmehr die Mitunternehmer sind, ist die Stätte der Geschäftsleitung zugleich gemeinsame Betriebsstätte dieser Mitunternehmer. Hieraus folgt, dass die Gewinnanteile an ausländischen Personengesellschaften, soweit diese aus inländischer Sicht als Mitunternehmerschaften zu qualifizieren sind, unter § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG fallen.3

15.82 Weiteres Qualifikationsmerkmal für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als ausländische Einkünfte ist der im ausländischen Staat tätige ständige Vertreter. Der Begriff des ständigen Vertreters ist dem § 13 AO zu entnehmen.

15.83 Zu den ausländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen gem. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Veräußerungen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte, sofern und soweit sie im Rahmen der ausländischen Betriebsstätte oder der Tätigkeit des ständigen Vertreters im Ausland anfallen. In Abweichung von der sonst geltenden isolierenden Betrachtungsweise werden durch diese Erweiterung der gewerblichen Einkünfte die Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG wieder in Kraft gesetzt.4 Darüber hinaus wird aber auch die Subsidiarität der Einkünfte aus selbständiger Arbeit ggü. den Einkünften aus Gewerbebetrieb begründet, obwohl sich § 18 EStG und § 15 EStG einander in der Anwendung ausschließen.5

15.84 Zu den ausländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Bürgschafts- und Avalprovisionen, wenn der Schuldner im Ausland ansässig ist (§ 34d Nr. 2 Buchst. b EStG). Hierdurch wird es dem inländischen Gläubiger ermöglicht, auf derartige Provisionen erhobene Quellensteuern anzurechnen. In der Praxis sind insbesondere deutsche Banken betroffen, die ausländischen Schuldnern Fertigstellungs-, Gewährleistungs- und Zahlungsbürgschaften erteilen.6

1 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; hierzu Rz. 18.34. 2 Hierzu Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 29; Einzelheiten bei Rz. 5.128, 18.35 ff. 3 Wegen weiterer Einzelheiten zur Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten vgl. Rz. 18.9 ff. 4 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise. 5 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771. 6 Hierzu Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 85.

544

A. Einkommensteuer

§ 34d Nr. 2 Buchst. c EStG stellt eine Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 15.85 Buchst. b EStG dar. Damit sind die im Ausland erhobenen Steuern auf Beförderungen mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen anrechenbar. d) Einkünfte aus selbständiger Arbeit § 34d Nr. 3 EStG stellt für die Auslandsqualifizierung bei Einkünften aus selbständiger Arbeit auf die Ausübung oder Verwertung derselben im Ausland ab. Damit ergibt sich im Grundsatz eine lückenlose Erfassung freiberuflicher Tätigkeit im Ausland.

15.86

Die Ausübung verlangt eine persönliche Tätigkeit, sie erfolgt in der Regel dort, wo sich die betreffende Person physisch aufhält.1 Erfasst werden z.B. das Konzert des Musikers, die Operation des Arztes und die Prozessvertretung des Rechtsanwaltes im Ausland.2

15.87

Verwertung setzt einen über die eigentliche Leistung hinausgehenden Vorgang voraus, ein körperliches oder geistiges Produkt, das der Steuerpflichtige selbst dem Ausland zuführt.3 Hierunter fallen vor allen Dingen Vorgänge, die von § 15 UrhG erfasst werden, wonach der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten.4

15.88

Da § 34d Nr. 3 EStG alternativ auf Ausübung und Verwertung abstellt, reicht es aus, wenn eines der beiden auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmale erfüllt ist. Wird daher etwa eine selbständige Arbeit im Inland ausgeübt, im Ausland aber verwertet, so sind die aus der Verwertung der selbständigen Arbeit im Ausland fließenden Einkünfte ausländische Einkünfte.

15.89

In Abweichung von der sonst geltenden isolierenden Betrachtungsweise werden nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 34d Nr. 3 EStG zu den ausländischen Einkünften aus selbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Veräußerungen, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie aus bestimmten sonstigen Leistungen gezählt, soweit sie zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören. Hierdurch werden insbesondere die Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG wieder in Kraft gesetzt.5

15.90

1 RFH v. 29.1.1935, RStBl. 1935, 759; BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 2 Zu Beispielen aus Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 93 ff.; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 58. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383. 4 Zu Beispielen aus Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 97 ff.; Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 30 f. 5 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise.

545

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

e) Einkünfte aus Veräußerungen

15.91 Gemäß § 34d Nr. 4 EStG gehören zu den ausländischen Einkünften auch Einkünfte aus der Veräußerung von – Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines (inländischen) Betriebs gehören, wenn die Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Gesellschaft Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat.

15.92 Die Qualifizierung der vorgenannten Veräußerungsgewinne als ausländische Einkünfte zielt vor allem darauf ab, die im Ausland auf capital gains erhobenen Steuern zur Anrechnung zu bringen.1 Voraussetzung ist indessen, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Ausland belegen sind. Soweit es sich um Gegenstände handelt, ist auf die Belegenheit im örtlichen Sinne abzustellen. Handelt es sich dagegen um Rechte, Forderungen und immaterielle Wirtschaftsgüter, so ist für die Belegenheit derjenige Ort maßgeblich, an dem die Rechte ausgeübt und die immateriellen Wirtschaftsgüter genutzt werden; bei Forderungen kommt es auf den Erfüllungsort an.2

15.93 Die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften3 sind ebenfalls ausländische Einkünfte. Obwohl § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG nicht auf §§ 17, 20 Abs. 2 EStG verweist, müssen deren Voraussetzungen erfüllt sein, soweit die Anteile zum Privatvermögen zählen. Die Erfassungsbreite der ausländischen Einkünfte wird nämlich stets begrenzt durch die der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegenden Einkünfte gem. § 2 Abs. 1 EStG.4

15.94 Die Anwendung des § 34d Nr. 4 EStG ist gegenüber § 34d Nr. 1 bis 3 EStG lediglich subsidiär, so dass eine Qualifizierung der Einkünfte als solche aus Veräußerungen gem. § 34d Nr. 4 EStG nur dann in Betracht kommt, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören und insbesondere keiner dort belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind. f) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

15.95 Im Rahmen des § 34d Nr. 5 EStG wird für die Qualifizierung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) als ausländische Einkünfte alternativ auf Ausübung und Verwertung der Tätigkeit abgestellt. Insoweit stellt sich § 34d Nr. 5 EStG als Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG dar. Für die Ausübung ist auf den Tätigkeitsort, auf den Ort der Ar1 2 3 4

Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 12. Zu den Einzelheiten Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 109. Hierfür ist ein Typenvergleich maßgeblich; hierzu Rz. 6.7. A.A. Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 12, wonach inländische Besteuerungsgrundsätze unbeachtlich sein sollen.

546

A. Einkommensteuer

beitsausübung abzustellen, also darauf, wo sich der Arbeitnehmer persönlich zur Ausführung seiner Arbeit aufhält, wobei es nicht auf die Zeitdauer ankommt.1 Wird der Arbeitnehmer dafür bezahlt, dass er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt oder etwas unterlässt, etwa bei einem Wettbewerbsverbot, so ist der Ort der Tätigkeit ebenfalls dort, wo sich der Arbeitnehmer aufhält.2 Bei der geschäftsführenden Tätigkeit der Organe von Kapitalgesellschaften ist im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG3 stets auf den tatsächlichen Tätigkeitsort4 abzustellen, so dass ggf. eine Aufteilung der Vergütung erforderlich ist.5 Ob der Arbeitslohn von einem ausländischen Arbeitgeber gezahlt wird, spielt keine Rolle.6 Die Verwertung, die allein durch den Arbeitnehmer selbst erfolgen kann,7 geschieht dort, wo der Arbeitnehmer das Ergebnis seiner nichtselbständigen Arbeit seinem Arbeitgeber zuführt.8 Da der Verwertungstatbestand ggü. dem Ausübungstatbestand subsidiär ist, kommt als Ort der Verwertung nur ein Ort in Betracht, der vom Ausübungsort abweicht.9 Als drittes Anknüpfungsmerkmal enthält § 34d Nr. 5 EStG die Zahlung aus ausländischen öffentlichen Kassen. Im Hinblick auf dieses Kassenprinzip werden gem. § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG Einkünfte nicht als ausländische Einkünfte behandelt, wenn sie von inländischen öffentlichen Kassen gewährt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die entsprechenden Tätigkeiten im Ausland ausgeübt werden. 1 BFH v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. 2 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; anders dagegen, wenn sich das Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot als Nebenpflicht einer früheren Arbeitsleistung darstellt; in diesem Fall ist der frühere Arbeitsort maßgeblich; BFH v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; kritisch hierzu Prokisch in V/L, Art. 15 OECD-MA Rz. 36; Hellwig, DStZ A 1978, 83 (83). 3 Hiernach ist der Ort der Geschäftsleitung maßgeblich, so dass insoweit ein Wertungswiderspruch gegeben ist; vgl. Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 13. 4 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; die frühere Rspr. stellte demgegenüber durchweg auf den Verwaltungssitz der Gesellschaft ab: RFH v. 25.4.1933, RStBl. 1934, 417; v. 12.5.1938, RStBl. 1938, 812; BFH v. 28.7.1960 – V 157/58 U, BStBl. III 1960, 417; v. 12.8.1960 – VI 300/58 S, BStBl. III 1960, 441; v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402; v. 22.6.1983 – I R 67/83, BStBl. II 1983, 625; diese Rechtsprechung sollte nur gelten, falls das Organ außerhalb des Sitzstaates der Gesellschaft ansässig ist (BFH v. 22.6.1983 – I R 67/83, BStBl. II 1983, 625), wiederum aber nicht gelten, wenn die Tätigkeit des Organs eng abgegrenzt (BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68) oder diese während einer Dienstreise ausgeübt wird (BFH v. 16.7.1986 – I R 201/84, BFH/NV 1988, 235; v. 21.5.1986 – I R 37/83, BStBl. II 1986, 739). Diese Rechtsprechung war nicht plausibel. 5 BMF v. 5.7.1995, BStBl. I 1995, 373: Der Steuerpflichtige hat nach § 90 Abs. 2 AO den Nachweis über die Ausübung der Tätigkeit in dem anderen Staat und deren Zeitdauer durch Vorlage geeigneter Aufzeichnungen zu führen. 6 RFH v. 21.2.1934, RStBl. 1934, 628. 7 Vgl. BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381. 8 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381. 9 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381.

547

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.96

Mit der Fiktion des § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG wird das Ziel des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, weitgehend verfehlt. Die Fiktion wäre nur dann akzeptabel, wenn das dem § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG zugrunde liegende Kassenprinzip internationale Geltung hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht einmal in Deutschland ist dieses Kassenprinzip durchgängig normiert. So enthält etwa § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG keine dem § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG entsprechende Regelung. Vielmehr sind in Deutschland tätige Arbeitnehmer, die von ausländischen öffentlichen Kassen bezahlt werden, mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Somit besteht zwischen § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG einerseits und § 34d Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG andererseits ein Wertungswiderspruch, dem einseitige fiskalische Zielsetzungen zugrunde liegen. Die auf derartige Einkünfte im Ausland gezahlte Steuer ist daher nicht anrechenbar, obwohl nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers gleichartige Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuerungswürdig sind. Soweit deshalb die Doppelbesteuerung nicht vermieden werden kann, hat die Finanzverwaltung einen Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen zu gewähren (§§ 163, 227 AO).1

g) Einkünfte aus Kapitalvermögen

15.97 Nach § 34d Nr. 6 EStG liegen ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) vor, wenn entweder der Schuldner im Ausland ansässig ist2 oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist. Trotz dieser im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG weit gefassten Vorschrift kann die Doppelbesteuerung nicht durchgängig vermieden werden. So können im Ausland auf Zinseinkünfte erhobene Quellensteuern nicht zur Anrechnung gebracht werden, wenn die Zinsen von einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Schuldners stammen, da es sich in diesem Fall nicht um ausländische Einkünfte handelt.3 h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

15.98 Gemäß § 34d Nr. 7 EStG werden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) als ausländische Einkünfte qualifiziert, soweit das unbewegliche Vermögen oder die Sachinbegriffe in einem ausländischen Staat belegen oder die Rechte zur Nutzung in einem ausländischen Staat überlassen worden sind. Durch diese weite Anknüpfung werden alle wesentlichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst, so dass eine Vermeidung der Doppelbesteuerung weitgehend gewährleistet ist. Wer-

1 Zur Kritik auch Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 145; Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 13; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 82; Strunk/ Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 35; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 46. 2 Das gilt auch für vereinnahmte Stückzinsen beim Verkauf ausländischer Wertpapiere; BMF v. 8.10.1996, IStR 1996, 593. 3 Zu der insoweit verfehlten Gesetzesformulierung Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 50.

548

A. Einkommensteuer

den allerdings in einem inländischen Schiffsregister eingetragene Schiffe an einen ausländischen Betrieb verpachtet, fallen die Einkünfte zwar weder unter § 34d Nr. 7 EStG noch unter eine andere in § 34d EStG geregelte Einkunftsart,1 eine im Ausland erhobene Steuer ist aber dennoch aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) anrechenbar.2 i) Sonstige Einkünfte

15.99

Sonstige Einkünfte werden als ausländische Einkünfte erfasst, wenn – der zur Leistung der wiederkehrenden Bezüge Verpflichtete im Ausland ansässig ist, – bei privaten Veräußerungsgeschäften die veräußerten Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – bei Einkünften aus Leistungen, einschließlich der Einkünfte aus Leistungen i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete im Ausland ansässig ist. § 34d Nr. 8 EStG ist ein Auffangtatbestand, unter den im Wesentlichen Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen sowie Know-how-Vergütungen und Einkünfte aus der Veräußerung von Rechten3 fallen. 4. Anrechenbare Auslandssteuern Anrechenbar sind nur solche Steuern, die in dem Staat erhoben wurden, aus dem die ausländischen Einkünfte stammen (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG). Anrechenbar sind daher nur die Steuern des Ursprungsstaates, nicht aber Drittstaatensteuern; für diese kommt allein ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG in Betracht.4

15.100

Dass Drittstaatensteuern nicht angerechnet werden können, führt dazu, dass das eigentliche Ziel des § 34c Abs. 1 EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, weit gehend verfehlt wird. Die Möglichkeit eines Steuerabzugs gem. § 34c Abs. 3 EStG führt allenfalls zu einer Milderung der Doppelbesteuerung. Damit wird nicht nur das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt, sondern zugleich auch gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstoßen.5 Durch den Anrechnungsausschluss von Drittstaatensteuern sind insbesondere Steuerinländer in den Fällen betroffen, in denen sie innerhalb des EU-/EWR-Raumes über ausländische Betriebsstätten in anderen Staaten quellensteuerpflichtige Einkünfte erzielen, ohne dort selbst Be-

15.101

1 Zur Kritik Krabbe in B/K/L/M/R, § 34d EStG Rz. 57. 2 Im Ergebnis ebenso Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 58; Gosch in Kirchhof9, § 34d EStG Rz. 15. 3 Einkünfte aus zeitlich begrenzter Rechtsüberlassung unterliegen dagegen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem § 34d Nr. 7 EStG; vgl. BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 4 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 145. 5 Zur Konvergenz zwischen steuerlicher Leistungsfähigkeit und den Grundfreiheiten vgl. Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 ff.

549

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung triebsstätten zu unterhalten.1 Aus Gründen des Europarechts ist es in den vorgenannten Fällen geboten, durch Erlass im Ergebnis die Anrechnung von Drittstaatensteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen zu gewähren (§§ 163, 227 AO).

15.102 Die Steuern des Ursprungsstaates müssen der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Da die Steuersysteme der verschiedenen Staaten unterschiedlich sind, genügt die Gleichartigkeit der Auslandssteuern mit der deutschen Einkommensteuer.2 Abzustellen ist hierbei in erster Linie auf die Funktion und den wirtschaftlichen Gehalt der ausländischen Steuer, auf deren Belastungswirkung, nämlich die Belastung des Einkommens.3 Ohne Bedeutung ist demgegenüber die Gleichartigkeit hinsichtlich des Steuersatzes, der Bemessungsgrundlage und der Erhebungsform.4 Schließlich sind auch die Bezeichnung der ausländischen Steuer und deren gesetzestechnische Ausgestaltung ebenso ohne Bedeutung wie etwa die der deutschen Einkommensteuer entsprechende fiskalische Gleichwertigkeit.5 Im Sinne der Belastungswirkung sind damit der deutschen Einkommensteuer ausländische Steuern auch dann gleichartig, wenn etwa aus Vereinfachungsgründen bei beschränkt steuerpflichtigen Personen im Ausland nicht das Einkommen, sondern pauschalierend der Umsatz als Bemessungsgrundlage herangezogen wird.6 Unerheblich ist letztlich auch, ob es sich bei der ausländischen Steuer um eine Länder-, Provinzoder Gemeindeeinkommensteuer handelt.7

15.103 Die Anlage zu R. 34c EStR 2008 enthält einen nicht abschließenden Katalog ausländischer Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen.8 Dieser Katalog ist großzügig angelegt und ist das Ergebnis einer am Sinn und Zweck des § 34c EStG orientierten Auslegung, die Doppelbesteuerung zu vermeiden.

15.104 Die Anrechnung setzt voraus, dass für die ausländischen Einkünfte sowohl im Ursprungsstaat als auch im Inland Steuern vom Einkommen gezahlt worden sind. Damit verlangt § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit eine Identität des Steuerobjekts in dem Sinne, dass dieselben Einkünfte im Inund Ausland der Besteuerung unterliegen. 1 2 3 4 5 6 7 8

Hierzu Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 37. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 142. BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607; v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 142; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 19. Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, (Brief 164), 25. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 141; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 29. Der BFH geht im Zweifel von der Verbindlichkeit der Aufzählung in der Anlage zu R 34c EStR 2008 aus; vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 3/86, BStBl. II 1991, 610.

550

A. Einkommensteuer

Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG sind die ausländischen Steuern nur insoweit anzurechnen, als sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Die Anrechnung setzt also nicht voraus, dass die auf ausländische Einkünfte entfallende ausländische Steuer für denselben Zeitraum festgesetzt und gezahlt worden ist wie die entsprechende deutsche Einkommensteuer.1 Weichen etwa Steuerperiode, d.h. der Zeitraum, für den die Steuer erhoben wird, und Bemessungsperiode, d.h. der Zeitraum, der für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage maßgebend ist, im Ausland voneinander ab, so ist diejenige ausländische Steuer anzurechnen, die für das Jahr erhoben wird, das dem deutschen Veranlagungszeitraum entspricht.2 Wollte man dagegen auf die mehr oder weniger zufällig identische Steuerperiode abstellen, so ließe sich bei abweichender Bemessungsperiode eine Doppelbesteuerung schon im Ansatz nicht vermeiden: Die Anrechnung liefe ins Leere, wenn der ausländischen Steuer im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht entsprechende Einkünfte im Inland gegenüberstünden. Aus diesem Grunde sind etwa bei einem mehrjährigen Auslandsbauvorhaben bereits während der Bauausführungen im Ausland festgesetzte und gezahlte Steuerbeträge auf die deutsche Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums anzurechnen, in dem der Gewinn aus dem Auslandsbauvorhaben nach deutschem Steuerrecht zu versteuern ist.3 § 34c EStG verlangt damit für die Steueranrechnung keine Zeitraumidentität.

15.105

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ausländische Steuern nur insoweit anzurechnen sind, als sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen (§ 34c Abs. 1 Satz 5 EStG), enthält § 12 Abs. 3 AStG. Hiernach können Steuern von den nach § 3 Nr. 41 EStG befreiten Gewinnausschüttungen (Rz. 15.40 ff.) auf Antrag im Veranlagungszeitraum des Anfalls der zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte als Hinzurechnungsbetrag angerechnet werden. Es erfolgt somit eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Hinzurechnungsbesteuerung. Diese Rückbeziehung dient dem Ziel, die in § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG verankerte Höchstbetragsregelung zur Geltung zu bringen. Ohne diese Rückbeziehung liefe die Anrechnung der auf der Gewinnausschüttung lastenden ausländischen (Quellen-)Steuern angesichts der Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ins Leere.

15.106

1 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 138; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 20. 2 BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Wassermeyer in F/W/B, § 34c Rz. 137; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 47; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 20. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 137, 210; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 48.

551

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.107 Anrechenbar ist nur eine festgesetzte1 und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer. Soweit daher im Ausland eine Steuerermäßigung in Anspruch genommen werden kann oder konnte, scheidet eine Steueranrechnung aus. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass der inländische Steuerpflichtige es zu Lasten des deutschen Fiskus unterlässt, die ausländischen Steuern rechtzeitig durch entsprechende Anträge zu reduzieren.2 Aus der vorstehenden Eingrenzung der anrechenbaren ausländischen Steuer folgt, dass etwa in Fällen eines Dividendenbezugs aus dem Ausland (§ 34d Nr. 6 EStG) nur diejenige ausländische Steuer angerechnet werden kann, die nach Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer noch verbleibt, soweit im Ausland eine Körperschaftsteueranrechnung gewährt wird.3

15.108 Gewährt der ausländische Staat Steuervergünstigungen, um etwa Investitionsanreize zu geben, kommen diese Steuervorteile nicht dem Unternehmen, sondern allein dem deutschen Fiskus zugute. Dieser Nachholeffekt4 des Anrechnungsverfahrens ist zwar im Hinblick auf das Welteinkommensprinzip konsequent, führt aber zu einer Störung internationaler Investitionsströme und zu Wettbewerbsverzerrungen im betreffenden Investitionsland. In DBA wird in derartigen Fällen eine Anrechnung fiktiver Steuern gewährt.5 In § 34c EStG ist eine solche Anrechnung fiktiver Steuern indessen nicht vorgesehen. Da unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung des Welteinkommens das Leistungsfähigkeitsprinzip durch den Nachholeffekt nicht tangiert wird, scheiden Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) aus.6

15.109 Wird die ursprüngliche Steuerfestsetzung nachträglich geändert, so hat der Steuerpflichtige dies dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen (§ 153 Abs. 2 AO), damit für Zwecke der Anrechnung auch der inländische Einkommensteuerbescheid geändert werden kann (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).7

15.110 Die Ermittlung der anrechenbaren Auslandssteuer, die nach dem Kurs in Euro umzurechnen ist, der für den Tag der Zahlung gilt,8 bereitet dann keine Schwierigkeiten, wenn ihr ausnahmslos ausländische Einkünfte i.S. des § 34d EStG zugrunde liegen. Ist das nicht der Fall, muss die auf 1 Eine von einem privaten Arbeitgeber oder Unternehmer angemeldete Steuer reicht aus, da eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung gleichsteht, so BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 2 Ausländische Steuern, die nur wegen verjährter Erstattungsansprüche zu zahlen sind, können damit nicht angerechnet werden; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 22. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 155. 4 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 75. 5 Tax sparing credit/tax matching credit; hierzu Rz. 16.566 f. 6 BFH v. 13.7.1976 – VIII R 236/72, BStBl. II 1977, 125; ggf. kommt aber eine Steuerpauschalierung (§ 34c Abs. 5 EStG) in Betracht. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 160. 8 R 34c Abs. 1 EStR 2008.

552

A. Einkommensteuer

die ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG entfallende ausländische Steuer aus der im ausländischen Steuerbescheid festgesetzten Gesamtsteuer herausgerechnet werden. Dies macht in der Regel eine Verhältnisrechnung erforderlich.1 Gemäß § 68b EStDV trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die Höhe der ausländischen Einkünfte und für die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuern. Der Nachweis hat durch entsprechende Urkunden2 (Steuerbescheid, Quittung über die Zahlung) zu erfolgen. In den Fällen, in denen keine Steuerfestsetzung erfolgt ist, ist nachzuweisen, in welcher Weise die Steuer erhoben und gezahlt worden ist.3 5. Anrechnungshöchstbetrag Die ausländische Steuer ist auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat entfällt. Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG errechnet sich die deutsche Einkommensteuer,4 bis zu der die ausländische Steuer angerechnet werden kann, entsprechend dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte. Hierfür gilt folgende Formel: Hochstbetrag ¼ ¨

15.111

Deutsche Einkommensteuer  auslandische ¨ Einkunfte ¨ Summe der Einkunfte ¨

Die nach ausländischem Steuerrecht nicht der Besteuerung unterliegenden Einkünfte (§ 34c Abs. 1 Satz 3 EStG) sind ebenso wie die nach Abkommensrecht im Ausland steuerfrei gestellten Einkünfte (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte und somit im Zähler der vorgenannten Formel nicht zu berücksichtigen.5 Hierdurch wird das Anrechnungsvolumen im Sinne einer per-item-limitation6 erheblich reduziert, was demgegenüber bei einer nur ganz geringfügigen Steuerbelastung der ausländischen Einkünfte nicht der Fall ist.7 Der in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verankerte Anrechnungshöchstbetrag entspricht zwar internationaler Übung (ordinary credit), ist aber mit dem durch die Besteuerung des Welteinkommens zum Ausdruck kommenden ungeteil1 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 45. 2 Zur Prüfung der Echtheit derartiger Urkunden BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 3 BFH v. 26.8.1993 – I B 87/93, BFH/NV 1994, 175; zu Einzelheiten des Nachweises vgl. BMF v. 12.5.1998, BStBl. I 1998, 554. 4 Eine Anrechnung auf den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer scheidet also aus; eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer ist ebenfalls nicht vorgesehen; vgl. hierzu Rz. 15.206. 5 Eine entsprechende Kürzung im Nenner der vorgenannten Formel ist nicht vorgesehen; hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 194; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 119; a.A. wohl Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 6 Hierzu Schnitger, IStR 2003, 73 (73). 7 Diese Differenzierung ist zwar sachlich nicht plausibel, europarechtlich aber nicht zu beanstanden; hierzu Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 33.

553

15.112

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ten Leistungsfähigkeitsprinzip (Rz. 14.29 f.) unvereinbar. Soweit nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip der Personensteuercharakter der Einkommensteuer herangezogen wird, wonach es zwingend sei, alle Einkünfte, unabhängig von der Art ihrer Herkunft, zusammenzufassen und einer gleichen Steuer zu unterwerfen,1 folgt hieraus, dass alle Einkünfte unterschiedslos in Höhe deutscher Einkommensteuer zu belasten sind. Indessen gilt dies nach Maßgabe des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nur für den Fall, dass die auf ausländische Einkünfte im Ausland erhobene Steuer niedriger ist als die deutsche Einkommensteuer. Ist die ausländische Steuer höher als die deutsche Einkommensteuer, sieht § 34c Abs. 1 EStG eine Steuererstattung jedoch nicht vor. Durch diese Prinzipienuntreue wird die durch das Welteinkommensprinzip vorgegebene Leistungsfähigkeit aus fiskalischen Gründen gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG) nur einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen realisiert (Rz. 14.30). Hierdurch ist zugleich ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) oder Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gegeben, weil im Unterschied zu Inlandsinvestitionen, bei denen inländische Quellensteuern stets uneingeschränkt angerechnet werden können, auf ausländischen Investitionen lastende Steuern einem Anrechnungshöchstbetrag ausgesetzt sind.2 Das gilt freilich nur in den Fällen, in denen im anderen Staat diskriminierungsfrei die Steuer auf Nettobasis erhoben wird. Erfolgt demgegenüber im Quellenstaat eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbare Bruttobesteuerung, besteht für den Wohnsitzstaat aus europarechtlichen Gründen kein Kompensationszwang: Das Systemdefizit liegt hier in der Bruttobesteuerung des Quellenstaates begründet, so dass insoweit eine Vollanrechnung im Wohnsitzstaat nicht geboten ist.3

15.113 Aus der Höchstbetragsberechnung folgt, dass die Anrechnung nur im Rahmen der Durchschnittssteuerbelastung möglich ist,4 so dass auch persönliche Freibeträge in die entsprechende Verhältnisrechnung einzubeziehen sind.5 Diese Begrenzung ist im Hinblick darauf, dass generell die nach einem progressiven Tarif berechnete Einkommensteuer inländische 1 Hierzu etwa Gandenberger, DStJG 8 (1985), 133. 2 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 28; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 239; Brück in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 1026; Schaumburg, StuW 2000, 369 (375); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (251); Lüdicke, IStR 2003, 433 ff.; Wassermeyer, IStR 2001, 113 (117); Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (67 ff.). 3 Die Einzelheiten sind streitig; ohne Differenzierung einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten verneinend Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 14; Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 31; Schön in GS Knobbe-Keuk, 743 (772 f.); Schön, StbJb 2003/2004, 27 (44 f.); ähnlich BFH v. 2.12.2003 – I S 10/03 (PKH), IStR 2004, 279; v. 5.5.2004 – II R 33/02, BFH/NV 2004, 1279; EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823, Rz. 51 ff.; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11083, Rz. 85 ff.; v. 14.12.2006 – Rs. C-513/04 – Kerckhaert-Morris, DStR 2006, 2118; v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 – Glaxo Welcome, IStR 2009, 691. 4 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 5 BFH v. 16.5.2001 – I R 102/00, BStBl. II 2001, 710; kritisch zu dieser Einbeziehung Thurmayr, DB 1996, 1696 ff.; zu weiteren Einzelheiten Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 35; ferner unter Rz. 15.118 f.

554

A. Einkommensteuer

und ausländische Einkommensteile gleichermaßen belastet, sachgerecht.1 § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ermöglicht lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer, die auf Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat entfällt.2 Damit ist die Höchstbetragsberechnung für die Einkünfte aus jedem ausländischen Staat einzeln und getrennt durchzuführen. Diese per country limitation ergibt sich ausdrücklich aus § 68a EStDV. Die Anwendung der per country limitation verhindert dann eine durchgängige Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn bei Bezug von Einkünften aus mehreren Staaten die den Höchstbetrag übersteigenden Steuern durch nicht ausgenutzte Höchstbeträge in anderen Ländern aufgefangen werden könnten, ein Ausgleich von hoch und niedrig besteuerten Einkünften verschiedener Länder also möglich wäre.3 Dieser Steuernachteil wird zudem in den Fällen verschärft, in denen die im Ausland keiner Besteuerung unterliegenden Einkünfte (§ 34c Abs. 1 Satz 3 EStG) sowie die im Ausland abkommensrechtlich steuerfrei gestellten Einkünfte (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) unberücksichtigt bleiben. Stehen allerdings positiven Einkünften aus einem ausländischen Staat negative Einkünfte aus einem anderen ausländischen Staat gegenüber, wirkt sich die Höchstbetragsrechnung nach der per country limitation für den Steuerpflichtigen günstig aus, weil anderenfalls im Falle der Zusammenrechnung eine Steueranrechnung mangels ausländischer Einkünfte zunichte gemacht würde.4

15.114

Die in § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG (§ 68a EStDV) verankerte per country limitation ist mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar. Dient nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip die ungeteilte steuerliche Leistungsfähigkeit, wonach es für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unerheblich sei, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt würden (Rz. 14.29), so kann es für die Anrechnung keine Rolle spielen, aus welchem Land die ausländischen Einkünfte stammen. Führt schon die gesetzliche Verankerung des Anrechnungshöchstbetrages zu einem Systembruch, so wird dieser durch die per country limitation noch verschärft. Das durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegebene Ziel des § 34c Abs. 1 EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird dadurch weitgehend verfehlt. Aus diesem Grunde verstößt die per country limitation gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.5 Sie führt für die im Ausland tätige deutsche Wirtschaft zu Wettbewerbsnach-

15.115

1 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 25; zweifelnd dagegen Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (160 f.); Burmester in Gassner/Lechner/Lang, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (253). 2 Bei Zusammenveranlagung sind die Einkünfte der Ehegatten aus demselben ausländischen Staat zusammenzurechnen; Erlass FinMin Niedersachsen v. 31.7.1996, DStR 1996, 1811. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 176 f. mit Berechnungsbeispielen. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 177 mit Berechnungsbeispielen. 5 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 28; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 51 ff.; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (161); Schaumburg in FS Tipke, Köln 1995, 125 (148); Schaumburg; DStJG 24 (2001), 225 (251 f.).

555

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung teilen, weil wichtige Konkurrenzländer die Möglichkeit der globalen Anrechnung, also einer overall limitation gewähren.1 Diese overall limitation, aufgrund deren die ausländischen Einkünfte aus den verschiedenen Ländern zwecks Steueranrechnung zusammengefasst werden, entspricht allein dem sich aus der Besteuerung des Welteinkommens ergebenden Leistungsfähigkeitsprinzip.2 Die Konzeption des Europäischen Binnenmarktes fordert ebenfalls eine für den Bereich der EU-/EWR-Staaten geltende overall limitation (per community limitation),3 die freilich unter dem Gesichtspunkt der auch gegenüber Drittstaaten Schutzwirkung entfaltenden Kapitalverkehrsfreiheit allgemeine Geltung beansprucht.4 Dass eine normative Ausrichtung an die overall limitation möglich ist, zeigt im Übrigen § 32d Abs. 5 EStG (Anrechnung auf die Abgeltungsteuer).

15.116 Übersteigt die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, so kann für den übersteigenden Teil die Doppelbesteuerung nicht vermieden werden. Der nichtanrechenbare Teil der ausländischen Steuer kann nämlich weder gem. § 34c Abs. 2 oder Abs. 3 EStG noch unter anderen Gesichtspunkten bei der Einkommensermittlung abgesetzt werden. Insbesondere können derartige Anrechnungsüberhänge nicht im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder -rücktrags (carry forward, carry back) steuerlich zur Geltung gebracht werden. Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) werden in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung nicht für sachgerecht gehalten.5 Dem Steuerpflichtigen verbleibt allein die Möglichkeit, statt der Steueranrechnung insgesamt den Steuerabzug zu beantragen (§ 34c Abs. 2 EStG).

15.117

Anrechnungsüberhänge sind nicht selten ein Ergebnis bloßer Zufälligkeiten, etwa dann, wenn sie durch zeitliche Schwankungen, unterschiedliche Bemessungsgrundlagen oder durch unterschiedliche Steuersätze entstehen. Derartige Divergenzen können sich über mehrere Jahre ausgleichen. Im Hinblick darauf ist die Konzeption des § 34c Abs. 1 EStG, die Vermeidung der Doppelbesteuerung dem Primat der Abschnittsbesteuerung zu unterstellen, nicht sachgerecht6 und zudem europarechtlich zweifelhaft.7 Auch insoweit ist die im Ausland tätige deutsche Wirtschaft Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt,8 weil

1 Juch, CDFI LXVI b (1981), 81 (100); vgl. speziell zur Wettbewerbssituation Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), 37 ff.; weitere Hinweise bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 51 ff., 236 ff. 2 Burmester in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (253); Schaumburg in FS Tipke, Köln 1995, 125 (148); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (251 f.); Schaumburg, StuW 2000, 369 (375 f.). 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 238 ff.; Schön in GS KnobbeKeuk, 743 (774); Schön, StbJb 2003/2004, 27 (45); Lüdicke, IStR 2003, 433 f.; Tumpel, DStJG 23 (2000), 321 (345); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (250 f.). 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 239; einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten verneinend Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 32. 5 BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271. 6 Schaumburg in FS Tipke, 125 (148). 7 Weiterführend Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 34. 8 Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), 38 f.

556

A. Einkommensteuer vergleichbare Industriestaaten einen Anrechnungsvor- oder -rücktrag gewähren.1

Der Anrechnungshöchstbetrag wird maßgeblich durch die nach deutschem Recht zu ermittelnde Summe der Einkünfte bestimmt. Denn anrechenbar ist die ausländische Steuer nur bis zum Höchstbetrag, der durch das Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte, bezogen auf die sich ergebende Steuer, errechnet wird. Die Summe der Einkünfte2 berechnet sich gem. § 2 Abs. 2 EStG, also auch unter Berücksichtigung von Verlusten. Da bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages auf die Summe der Einkünfte einerseits und die deutsche Steuer andererseits abgestellt wird, entstehen zahlreiche Ungereimtheiten, die ihren Grund darin haben, dass die deutsche Steuer nicht von der Summe der Einkünfte, sondern vom zu versteuernden Einkommen berechnet wird. Damit gehen alle Abzüge, die in § 2 Abs. 3, 4 und 5 EStG nach der Ermittlung der Summe der Einkünfte berücksichtigt werden, nicht allein zu Lasten der deutschen Steuerquellen, sondern werden in dem Verhältnis ausländischer Einkünfte zur Summe der Einkünfte im Ergebnis auch auf die ausländischen Steuerquellen abgewälzt.3 Neben dem Verlustabzug (§ 10d EStG), der einerseits die Summe der Einkünfte nicht mindert, andererseits aber zu einer Reduzierung der deutschen Steuer führt,4 ergibt sich ein vergleichbarer Effekt bei den Kosten der Lebensführung. Denn Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen führen zu einer Minderung der inländischen Steuer mit der Folge, dass durch den Bezug auf die Summe der Einkünfte im Ergebnis die Kosten der Lebensführung auch den ausländischen Einkunftsteilen zugeordnet werden.

15.118

Die Abwälzung der abziehbaren Kosten der Lebensführung auf ausländische Einkunftsteile mit der Folge, dass der Anrechnungshöchstbetrag hierdurch gemindert wird, ist mitunter damit gerechtfertigt worden, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen das Gesamteinkommen und nicht nur einzelne Einkommensteile belasteten. Indessen ist das Abstellen auf die Summe der Einkünfte im Rahmen der Höchstbetragsberechnung europarechtlich zweifelhaft5 und unvereinbar mit der selbst statuierten Sachgesetzlichkeit des deutschen Einkommensteuergesetzes. Dem § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG ist nämlich zu entnehmen, dass die Kosten der Lebensführung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Dieses Abzugsverbot beruht auf der (anfechtbaren) These, dass es allein Aufgabe des

15.119

1 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 53; Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (101). 2 Bei Zusammenveranlagung (§§ 26, 26b EStG) ist für Ehegatten eine einheitliche Summe der Einkünfte zu bilden; R 34e Abs. 3 Satz 8 EStR 2008. 3 Mössner, DStJG 8 (1985) 135 (163). 4 Dieser Doppeleffekt im Zähler und im Nenner der mathematischen Höchstbetragsformel bewirkt eine Verkürzung der Steueranrechnung; hierzu im Einzelnen Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 35. 5 Zu Einzelheiten Schönfeld in F/W/B, vor § 34c EStG Rz. 35.

557

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Wohnsitzstaates sei, die Kosten der Lebensführung und damit die persönliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz muss auch im Rahmen der Steueranrechnung Geltung haben mit der Folge, dass die Kosten der Lebensführung im Ergebnis nur zu Lasten des inländischen Steuerfiskus gehen dürfen. Diesem Gebot entspricht zwar die Steuerfreistellung, nicht aber die Steueranrechnung. Für diese Ungleichbehandlung ist ein rechtfertigender Grund nicht erkennbar, insbesondere ist diese Ungleichbehandlung nicht zwangsläufige Folge der Methodenunterschiede zwischen Steuerfreistellung und Steueranrechnung,1 da die Steueranrechnung statt auf die Summe der Einkünfte auf das zu versteuernde Einkommen abstellen könnte.2

15.120 Die Einbeziehung der Summe der Einkünfte in die Höchstbetragsberechnung führt auch dazu, dass die §§ 2a und 15a EStG zu berücksichtigen sind.3 Betreffen die nichtausgleichsfähigen Verluste die ausländischen Einkünfte und stehen den Verlusten andere positive ausländische Einkünfte gegenüber, so führen die Verlustausgleichsverbote der §§ 2a und 15a EStG zu einer Erhöhung des Höchstbetrages, weil nur die positiven ausländischen Einkünfte in die Summe der Einkünfte eingehen.4 Dieser Erhöhungseffekt kann aber in den folgenden Jahren zu einem entsprechenden Minderungseffekt führen.5 Die Berechnung der Einkommensteuer erfolgt gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG unter Berücksichtigung des § 32a EStG (Grund- oder Splittingtabelle), des § 32b EStG (Progressionsvorbehalt) und der §§ 34, 34b EStG (außerordentliche Einkünfte) sowie des § 34a EStG (Thesaurisierungsbegünstigung). Hieraus ergibt sich, dass andere Steuerermäßigungen, die für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages maßgebliche deutsche Einkommensteuer nicht beeinflussen;6 das heißt, sie mindern im Ergebnis den Anrechnungshöchstbetrag nicht. Die der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünfte sowie die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) selbst werden in die Höchstbetragsberechnung ebenfalls nicht einbezogen (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG). Die Anrechnung erfolgt hier entsprechend der in § 32d Abs. 5 EStG verankerten Sonderregelung, für die übrigens nicht die per country limitation, sondern (ausnahmsweise) die overall limitation (Rz. 15.115) zur Geltung gebracht wird.

15.121 Für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages sind die ausländischen Einkünfte von Bedeutung, die mangels besonderer Vorschriften nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln sind.7 Da die Gewinnermitt1 So aber BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; im Ergebnis ebenso BFH v. 16.5.2001 – I R 102/00, BStBl. II 2001, 710. 2 Ausführlich Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (162). 3 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 187; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 16. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 187. 5 Vgl. zu den Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 187. 6 Zu den Einzelheiten Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 109 ff.; Krabbe in B/K/L/M/R, § 34c EStG Rz. 34 f. 7 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; v. 16.5.2001 – I R 102/00, BStBl. II 2001, 710.

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A. Einkommensteuer

lungsvorschriften in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sind, kommt es nicht selten zu Anrechnungsüberhängen, die, da § 34c Abs. 1 EStG keinen Vor- oder Rücktrag kennt, für die Anrechnung verloren gehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die nach deutschem Steuerrecht ermittelten ausländischen Einkünfte niedriger sind als diejenigen, die nach Maßgabe des ausländischen Steuerrechts dort zur Besteuerung geführt haben. Derartige Divergenzen in den Bemessungsgrundlagen, die zu steuerlich nicht verwertbaren Anrechnungsüberhängen führen, finden sich in der Besteuerungspraxis insbesondere bei der Anrechnung von ausländischen Betriebsstättensteuern, wenn Umlagen des Stammhauses oder sonst außerhalb des Betriebsstättenstaates entstandene Kosten bei der ausländischen Ermittlung des Betriebsstättengewinns nicht anerkannt werden (zur Zuordnung derartiger Aufwendungen Rz. 18.38 ff.). Schließlich entstehen Anrechnungsüberhänge auch dann, wenn ausländische Staaten Quellensteuern auf Bruttobasis erheben. Hierdurch betroffen sind insbesondere Lizenzgebühren und Zinsen aus dem Ausland, denen im Inland entsprechende Entwicklungs- und Forschungsaufwendungen sowie Refinanzierungskosten gegenüberstehen (Rz. 15.112).

V. Steuerabzug 1. Allgemeines Der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 und 3 EStG, der lediglich zur Milderung internationaler Doppelbesteuerung beiträgt, ist nicht geeignet, Kapitalexportneutralität (Rz. 14.29) zu gewährleisten. Nach der Konzeption des § 34c EStG erlangt der Steuerabzug seine eigentliche Bedeutung dann, wenn durch die Steueranrechnung die Doppelbesteuerung nur sehr unvollkommen vermieden werden kann.

15.122

Damit wird erkennbar, dass der Steuerabzug als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung lediglich eine Folge der zu Systembrüchen führenden Regelung über die Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG) ist. So führt die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die entsprechende Inlandssteuer im Rahmen des Anrechnungshöchstbetrages zu einer lediglich einseitigen Realisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Da das Einkommensteuergesetz das systemtragende Leistungsfähigkeitsprinzip durch das Welteinkommensprinzip konkretisiert hat, ist es indessen nicht sachgerecht, im Rahmen der Steueranrechnung eine Steuererstattung zu versagen (Einzelheiten hierzu unter Rz. 15.112). Dieser Systembruch wird insbesondere durch die per country limitation noch verschärft.

Die hierdurch auftretenden Mängel der Steueranrechnung sollen durch den Steuerabzug gemindert werden. Deshalb eröffnet § 34c Abs. 2 EStG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, statt der Steueranrechnung den Steuerabzug zu wählen, wenn dieser für ihn zu einem günstigeren Ergebnis führt. Nach § 34c Abs. 3 EStG ist schließlich ein Steuerabzug auch

559

15.123

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

für jene Fälle zugelassen, in denen die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG oder einen Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG nicht vorliegen.

15.124 Während der die Steueranrechnung regelnde § 34c Abs. 1 EStG eine Tarifvorschrift ist, setzt § 34c Abs. 2 und 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte an.1 Der Steuerabzug schlägt somit grundsätzlich auf die Gewerbesteuer durch. In den Fällen allerdings, in denen die ausländischen Einkünfte nicht der Gewerbesteuer unterliegen, etwa bei Schachteldividenden infolge der Kürzung gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG, erfolgt zwecks Vermeidung einer zweifachen Minderung des Gewerbeertrages eine Hinzurechnung der ausländischen Steuern gem. § 8 Nr. 12 GewStG.

15.125

Es wird die Meinung vertreten, ausländische Steuern hätten im Verhältnis zur inländischen Einkommensteuer Kostencharakter und seien daher ohnehin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.2 § 12 Nr. 3 EStG spreche lediglich für inländische Personensteuern ein Abzugsverbot aus. Ausländische Personensteuern fielen nicht unter dieses Abzugsverbot, weil durch die ausländische Steuerzahlung eine inländische Steuerschuld nicht zum Erlöschen gebracht werde.3 Dem § 12 Nr. 3 EStG lässt sich eine derartige Differenzierung allerdings nicht entnehmen. Im Hinblick auf das dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Welteinkommensprinzip werden in- und ausländische Einkünfte vielmehr gleichermaßen der Besteuerung unterworfen. Die Einkünfteermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes gelten unterschiedslos sowohl für in- als auch für ausländische Einkünfte. Zu diesen Einkünfteermittlungsvorschriften zählt auch § 12 Nr. 3 EStG, so dass ausländische Steuern grundsätzlich keine Betriebsausgaben sind.4 Die Regelung des § 34c Abs. 2 und 3 EStG, die einen Abzug ausländischer Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte vorsieht, hat daher konstitutive Bedeutung.5

15.126 Gemäß § 50 Abs. 3 EStG können auch beschränkt steuerpflichtige Personen unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit die Doppelbesteuerung durch Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 und 3 EStG) mildern (Rz. 15.58).

1 Der Steuerabzug unterliegt allerdings den allgemeinen Abzugsverboten gem. §§ 2a, 15a EStG. 2 Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144 f.). 3 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144 f.). 4 BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 84. 5 § 34c Abs. 2, 3 EStG hätte allerdings in § 12 Satz 1 EStG als Ausnahme zitiert werden müssen.

560

A. Einkommensteuer

2. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG Gemäß § 34c Abs. 2 EStG kann anstelle der Anrechnung die ausländische Steuer auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden.1 Dieses Wahlrecht impliziert, dass Steuerabzug und Steueranrechnung nur unter den gleichen Voraussetzungen möglich sind.

15.127

Die in § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG geregelte per country limitation führt im Rahmen des Anwendungsbereiches des § 34c Abs. 2 EStG dazu, dass das Wahlrecht für Einkünfte aus demselben Staat zwar einheitlich,2 für Einkünfte aus mehreren Staaten aber unterschiedlich erfolgen kann.3 Da schließlich auch für § 34c Abs. 2 und 3 EStG das Abschnittsprinzip gilt, kann das Wahlrecht Jahr für Jahr neu ausgeübt werden.4 Der Steuerabzug wird insbesondere in folgenden Fällen günstiger sein als die Steueranrechnung.5 – Fällt etwa infolge von (inländischen) Verlusten keine deutsche Einkommensteuer an, geht eine Steueranrechnung ins Leere. Dagegen führt der Steuerabzug zu einer Erhöhung des Verlustrück- bzw. Verlustvortrages (§ 10d EStG) und kann hierdurch steuerwirksam werden.

15.128

– Überschreitet die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, geht der Anrechnungsüberhang verloren. Handelt es sich hierbei nicht nur um geringfügige Beträge, ist der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG insgesamt günstiger. Das ist stets dann der Fall, wenn die ausländische Steuer höher ist als die nach inländischen Vorschriften ermittelten ausländischen Einkünfte. Der Steuerabzug geht indessen bei Kleinanlegern ins Leere, deren ausländische Zins-/Dividendeneinnahmen unter dem Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) liegen: Der Sparer-Freibetrag (Euro 801,–) und der gemeinsame Sparer-Freibetrag (Euro 1602,–) dürfen nicht höher sein, als die um die Werbungskosten einschließlich einer abzusichernden ausländischen Steuer geminderten Kapitalerträge (§ 20 Abs. 9 Satz 4 EStG). Hieraus folgt, dass im Gegensatz zu anderen Einkunftsarten der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei Inanspruchnahme des Sparer-Freibetrages zu keinen negativen Einkünften führen darf. Da in derartigen Fällen auch keine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG in Betracht kommt, werden Kleinanleger, die Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften oder ausländischen Finanzanlagen in ihrem Portfolio haben, steuerlich benachteiligt.6 1 Das gilt nicht für den Fall, dass ein DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern zulässt (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG). 2 Zusammenveranlagte Ehegatten müssen dieses Wahlrecht dagegen nicht einheitlich ausüben; R 34c Abs. 4 Satz 2 EStR 2008. 3 Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 39; R 34c Abs. 4 Satz 2 EStR 2008. 4 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 77. 5 Zur Ausübung des Wahlrechts Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 257 f. 6 Hierzu im Einzelnen Lickteig, IStR 1995, 792 ff.; vgl. aber auch Horlemann, DStR 1995, 1535 f.

561

15.129

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Schließlich bleibt der volle Steuerabzug auch in Fällen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) versagt (§ 3c Abs. 2 EStG). Um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden kann eine ausländische Steuer nur i.H. von 60 Prozent abgezogen werden.1 3. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG

15.130 Im Unterschied zum Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG greift der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG dann ein, wenn die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG nicht gegeben sind. § 34c Abs. 3 EStG ist daher lediglich eine Auffangvorschrift,2 die nur dann Bedeutung erlangt, wenn eine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG oder ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG nicht möglich ist, weil die ausländische Steuer – nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht, – nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen oder – auf Einkünfte erhoben wird, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind.

15.131 Da § 34c EStG ohnehin nur ausländische Steuern vom Einkommen erfasst, werden die Fälle selten sein, in denen derartige Steuern nicht der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Die erste Alternative ist daher von geringer Bedeutung. Mit der zweiten Alternative werden Drittstaatensteuern erfasst, wobei in der Praxis insbesondere jene Fälle Bedeutung haben, in denen außerhalb des Betriebsstättenstaates Quellensteuern z.B. auf der Betriebsstätte zuzuordnende Zinseinnahmen erhoben werden.3 Mit der dritten Alternative werden die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle der Liefergewinnbesteuerung (Rz. 15.19) erfasst. Während die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG und der unter den gleichen Voraussetzungen mögliche Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG die Steuerpflicht der ausländischen Einkünfte im Inland voraussetzt, enthält § 34c Abs. 3 EStG dieses Erfordernis nicht. Der Wortlaut des § 34c Abs. 3 EStG verlangt vielmehr lediglich, dass die ausländischen Einkünfte der deutschen Einkommensteuer „unterliegen“, das heißt steuerbar sind, so dass hiernach eine etwaige Steuerfreiheit den Steuerabzug nicht hindern würde. Ein derartiges Auslegungsergebnis wäre allerdings mit dem Sinn und Zweck des § 34c Abs. 3 EStG – Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung – und seiner Komplementärfunktion zu § 34c Abs. 1 EStG unvereinbar. Der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG setzt daher im Inland steuerpflichtige Einkünfte voraus.4 1 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 75; R. 34c Abs. 4 Satz 8 EStR 2008. 2 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 32. 3 Vgl. hierzu die Regierungsbegründung zum StÄndG v. 20.8.1980, BT-Drucks. 8/3648 (abgedruckt bei Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG S. 11 ff.). 4 Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 32; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 87; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 48; Krabbe in B/K/L/M/R, § 34c EStG

562

A. Einkommensteuer

VI. Steuererlass und Steuerpauschalierung 1. Allgemeines § 34c Abs. 5 EStG enthält eine an die Adresse der Exekutive gerichtete Ermächtigung zur abweichenden Steuerfestsetzung, wenn

15.132

– es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder – die Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG besonders schwierig ist. Die abweichende Steuerfestsetzung kann durch vollständigen oder teilweisen Steuererlass oder durch Steuerpauschalierung erfolgen. Während der vollständige Steuererlass ebenso wie die Steuerfreistellung zu einer Beseitigung der Doppelbesteuerung und damit zur Verwirklichung der Kapitalimportneutralität (Rz. 14.26) führt, bedeuten ein teilweiser Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung lediglich eine Milderung der Doppelbesteuerung. Dem Steuererlass und der Steuerpauschalierung kommt eine Auffangfunktion zu;1 sie finden ihre Rechtfertigung darin, dass insbesondere die Steueranrechnung als Regelmethode in der gesetzlichen Ausprägung des § 34c Abs. 1 EStG nicht geeignet ist, die Doppelbesteuerung in allen Fällen zu vermeiden. Eine etwa verbleibende Doppelbesteuerung führt bei einer exportorientierten Volkswirtschaft zu steuerlichen Hemmnissen, die eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten zur Folge hat. Im Hinblick darauf hat § 34c Abs. 5 EStG auch die Zielsetzung, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft zu verbessern.2

15.133

§ 34c Abs. 5 EStG3 wurde für verfassungswidrig gehalten, weil die Ermächtigung zum Erlass von Steuerverwaltungsakten nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß nicht hinreichend bestimmt und begrenzt sei.4 Die Regelung verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Prinzip der Gewaltenteilung und die rechtsstaatliche Forderung nach einem möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Hand. Demgegenüber hat das BVerfG die Ermächtigung für hinreichend bestimmt gehalten5 und dabei darauf abgestellt, dass § 34c Abs. 5 EStG nicht eine die Steuerpflicht begründende Vorschrift sei und nicht zu belastenden Verwaltungsakten ermächtige, sondern vielmehr eine Vorschrift sei, die auf eine Steuerentlastung abziele. In einem derartigen Fall seien die Anforderungen an das Maß der gesetzlichen Bestimmtheit geringer als bei Eingriffsermächtigungen. Dabei hat das BVerfG den Begriff „volkswirtschaftliche Gründe“ in seiner einschrän-

15.134

1 2 3 4 5

Rz. 51; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 323; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 69 f. BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552); BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139. BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). § 34c Abs. 3 EStG a.F. Vgl. BFH v. 13.1.1966 – IV 166/61, BStBl. III 1966, 556; v. 10.7.1970 – VI R 48/67, BStBl. II 1970, 728. BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552).

563

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kenden Konkretisierung „außenwirtschaftliche Gründe“ als hinreichend bestimmt akzeptiert.1

15.135 Auf der Ermächtigung des § 34c Abs. 5 EStG beruhen der Auslandstätigkeitserlass2 sowie der Pauschalierungserlass.3 Während die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses zu einer Aufhebung der Doppelbesteuerung durch Steuererlass führt, beinhaltet der Pauschalierungserlass eine Milderung der Doppelbesteuerung durch Steuerpauschalierung. Der Auslandstätigkeitserlass und der Pauschalierungserlass enthalten keine abschließenden Regelungen über die Möglichkeiten des Steuererlasses und der Steuerpauschalierung nach § 34c Abs. 5 EStG.4 Deshalb sind individuelle Billigkeitsmaßnahmen darüber hinaus ohne weiteres zulässig. 2. Billigkeitsmaßnahmen a) Allgemeines

15.136 Die in § 34c Abs. 5 EStG vorgesehenen Billigkeitsmaßnahmen sind den obersten Finanzbehörden der Länder oder den von ihnen beauftragten Finanzbehörden sowie dem Bundesfinanzministerium vorbehalten.5 In den für die Praxis wichtigen Fällen der Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses und des Pauschalierungserlasses ist den Finanzämtern die Entscheidungskompetenz überlassen.

15.137 Die Entscheidung über den Steuererlass oder die Steuerpauschalierung steht im Ermessen (§ 5 AO) der Finanzbehörde. Soweit der Auslandstätigkeitserlass und der Pauschalierungserlass ermessensregelnden Charakter haben, tritt eine Selbstbindung der Verwaltung ein, so dass eine Ermessensabweichung grundsätzlich den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.6 Die Billigkeitsmaßnahmen setzen auf der Tatbestandsseite alternativ die Zweckmäßigkeit aus volkswirtschaftlichen Gründen und die besondere Schwierigkeit der Steueranrechnung voraus.

15.138 Die volkswirtschaftlichen Gründe müssen spezifisch außenwirtschaftlicher Natur sein.7 Solche Gründe sind insbesondere dann zu bejahen, wenn die Steueranrechnung die Doppelbesteuerung entweder nur unzureichend vermeidet oder aber dem Steuerpflichtigen zum Zwecke der Investitionsförderung im Ausland gewährte Steuererleichterungen zunichte

1 Vgl. zu der nach wie vor bestehenden Kritik Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 474; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 77 ff. 2 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470. 3 BMF v. 10.4.1984, BStBl. I 1984, 252. 4 BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139; v. 20.5.1992 – I B 16/92, BFH/NV 1992, 740. 5 Gebilligt von BFH v. 25.4.2001 – I R 80/97, BFH/NV 2001, 1541. 6 Hierzu im Einzelnen Kruse in T/K, § 5 AO Rz. 50. 7 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552).

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A. Einkommensteuer

macht.1 Da § 34c Abs. 5 EStG auch der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft dienen soll,2 werden ein Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung aus volkswirtschaftlichen Gründen immer dann zweckmäßig sein, wenn durch Abbau von Steuerhürden deutsche Steuerpflichtige konkurrenzfähige Angebote im Ausland machen können.3 Soweit § 34c Abs. 5 EStG Billigkeitsmaßnahmen davon abhängig macht, dass die Steueranrechnung besonders schwierig ist, zielt diese Vorschrift auf Vereinfachung ab. Besondere Schwierigkeiten werden vor allem bei der Zuordnung von Steuerbeträgen auf Teile der ausländischen Bemessungsgrundlage und bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages liegen.4 Die Billigkeitsmaßnahmen nach § 34c Abs. 5 EStG sind auch im Rahmen von DBA zulässig.5 Eine Anwendung auf die der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) unterliegenden Zwischeneinkünfte ist mangels Subjektidentität allerdings ausgeschlossen.6

15.139

b) Steuererlass (Auslandstätigkeitserlass) Neben individuellen, auf Erlass von Steuern gerichteten Maßnahmen steht in der Besteuerungspraxis die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses7 im Vordergrund, der einen nur für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wirksamen Steuererlass für bestimmte gleichgelagerte Fälle aus volkswirtschaftlichen Gründen ausspricht.

15.140

Der Auslandstätigkeitserlass, der Arbeitnehmer von der Besteuerung des Arbeitslohns für bestimmte begünstigte Tätigkeiten im Ausland freistellt, wird damit gerechtfertigt, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen erhalten werden solle. Aufgrund der in der Exportwirtschaft üblichen Brutto-für-Netto-Lohnvereinbarungen sei die Freistellung von der Besteuerung des Arbeitslohnes der im Ausland tätigen Arbeitnehmer angesichts der Personalkostenintensität als besonders wirksame, kostensenkende Maßnahme für deutsche Auftragnehmer gedacht. Hier würden die „volkswirtschaftlichen Gründe“ besonders deutlich; es sei bewusst ein Gleichziehen mit

15.141

1 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). 2 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). 3 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 563; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 110. 4 Hierzu im Einzelnen Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 571 ff. 5 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 35. 6 § 12 Abs. 2 AStG verweist nur auf § 34c Abs. 1 EStG; BFH v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 35; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 106. 7 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470; der Auslandstätigkeitserlass enthält keine abschließende Regelung der Möglichkeiten des Steuererlasses und der Steuerpauschalierung nach § 34c Abs. 5 EStG, so BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139; v. 20.5.1992 – I B 16/92, BFH/NV 1992, 740; vgl. auch Rz. 5.96.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausländischen Konkurrenten beabsichtigt, weil in anderen Staaten ähnlich gefördert werde.1 Indessen sind es weniger die Ziele der Exportförderung, die im Vordergrund stehen; es sind vielmehr finanzielle Anreize zur Motivierung von Arbeitnehmern, die sich andernfalls für längerfristige Bau- und Montageausführungen im Ausland wegen der oft außerordentlich ungünstigen Nebenbedingungen nicht bereit erklären.2 Da die Steuerfreistellung aufgrund des Auslandstätigkeitserlasses nicht davon abhängig gemacht wird, dass im Ausland überhaupt eine entsprechende Steuer gezahlt worden ist, handelt es sich in Wahrheit um eine subventionierende Regelung, die sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung rechtfertigen lässt.3

15.142 Nach dem Auslandstätigkeitserlass wird von der Besteuerung des Arbeitslohnes bei Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers abgesehen, die aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses eine begünstigte Tätigkeit im Ausland ausüben. Die Erlassregelung gilt für Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers, und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig sind. Dabei ist Ermächtigungsgrundlage für den Erlass neben § 34c Abs. 5 EStG auch § 50 Abs. 4 EStG.

15.143 Zu den begünstigten Auslandstätigkeiten gehören insbesondere Montagen sowie die Planung, Inbetriebnahme, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Anlagen, also der gesamte Bereich der Errichtung von Anlagen von der Planung bis zur Wartung. Die begünstigte Auslandstätigkeit muss mindestens drei Monate betragen, wobei diese zeitliche Voraussetzung nicht objektbezogen ist. Die Steuerfreistellung, die nur für Auslandstätigkeiten in Staaten gewährt wird, denen aufgrund von DBA nicht die alleinige Besteuerungsbefugnis für Arbeitslöhne zugewiesen ist,4 steht unter Progressionsvorbehalt.5 c) Steuerpauschalierung (Pauschalierungserlass)

15.144 Die in der Praxis wichtigsten Fälle der Steuerpauschalierung sind im Pauschalierungserlass6 geregelt. Der Pauschalierungserlass, der nicht anwendbar ist, wenn die Einkünfte aus einem Staat stammen, mit dem für 1 So z.B. Reinhart, BB 1983, 2246 (2247). 2 Hierzu Schieber in F/W/B, Anhang zu § 34c Abs. 5 EStG Rz. 2, 5; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 123. 3 Zur Kritik auch Krabbe in B/K/L/M/R, § 34c EStG Rz. 68. 4 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/NV 1992, 248. 5 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/NV 1992, 248; zu weiteren Einzelheiten des Auslandstätigkeitserlasses ausführlich Schieber in F/W/B, Anhang zu § 34c Abs. 5 EStG Rz. 116 ff.; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, 150 ff. 6 BMF v. 10.4.1984, BStBl. I 1984, 252.

566

A. Einkommensteuer

diese Einkünfte ein DBA besteht, gewährt eine Steuerpauschalierung nur auf Antrag. Die Einkommensteuer auf die pauschal zu besteuernden Einkünfte beträgt 25 Prozent der Einkünfte, höchstens 25 Prozent des zu versteuernden Einkommens. Zu den pauschal zu besteuernden Einkünften gehören1 – gewerbliche Einkünfte aus aktiver Tätigkeit einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte, – Einkünfte aus einer in einem inländischen gewerblichen Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an einer ausländischen aktiv tätigen Mitunternehmerschaft, – Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die einer ausländischen Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzurechnen sind, durch technische Beratung, Planung und Überwachung bei der Anlagenerrichtung und – Schachteldividenden. Entsprechend der allgemein für § 34c EStG geltenden per country limitation kann der Antrag auf Pauschalierung auf Einkünfte aus einem Staat oder auf solche aus mehreren Staaten beschränkt werden. Für pauschalierungsfähige Einkünfte aus einem Staat muss allerdings das Wahlrecht einheitlich ausgeübt werden. Entsprechend dem eingeräumten Wahlrecht, kann der Pauschalierungsantrag für jedes Jahr neu gestellt werden mit der Folge, dass, soweit die Voraussetzungen vorliegen, der Steuerpflichtige Jahr für Jahr zwischen der Anrechnungsmethode, der Abzugsmethode und der Steuerpauschalierung wechseln kann.2

15.145

VII. Steuerermäßigung bei Erbschaftsteuerbelastung Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer,3 die auf diese Einkünfte anteilig entfällt, ermäßigt (§ 35b EStG). Die Ermäßigung bestimmt sich hierbei nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb i.S. des § 10 ErbStG die steuerfreien Beträge der §§ 5, 16 und 17 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG). Die vorgenannte Steuerermäßigung entfällt allerdings, soweit die Erbschaftsteuer als Versorgungsleistung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgezogen wird (§ 35b Satz 3 EStG).

1 Vgl. hierzu im Einzelnen Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 511 ff. 2 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 527. 3 § 35b EStG gilt nicht für die Körperschaftsteuer; BFH v. 14.9.1994 – I R 78/94, DB 1995, 509.

567

15.146

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.147 § 35b EStG dient der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, die darin besteht, dass derselbe Sachverhalt sowohl der Einkommensteuer als auch der Erbschaftsteuer unterliegt. Erbschaft- und Einkommensteuer schließen sich zwar nicht gegenseitig aus, weil sie einerseits Tatbestände der Vermögenssphäre und andererseits solche der Einkommensphäre betreffen, beide Steuern sind im Ergebnis aber auf die Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerichtet, so dass auch die Erbschaftsteuer als eine Steuer von Einkommen i.S. eines Reinvermögenzugangs zu qualifizieren ist.1 Im Hinblick darauf sind beide Steuern aufeinander abzustimmen,2 so dass eine Vermeidung der Doppelbelastung geboten ist. § 35b EStG zielt nicht auf die Vermeidung der (internationalen) Doppelbesteuerung ab. Dieser Vorschrift kommt aber im Ergebnis diese Wirkung zu, weil nicht nur inländische, sondern auch ausländische Erbschaftsteuer im Rahmen des § 35b EStG zu berücksichtigen ist.3

15.148

Die Einbeziehung nur der inländischen Erbschaftsteuer in die Steuerbetragsermäßigung des § 35b EStG ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Vorschrift für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuerermäßigung lediglich auf Vorschriften des inländischen Erbschaftsteuergesetzes verweise. Im Übrigen sei die Einbeziehung ausländischer Erbschaftsteuern unpraktikabel, weil bei allen ausländischen Erbschaftsteuerfestsetzungen im Wege der Rechtsvergleichung festgestellt werden müsse, welche ausländischen Vorschriften den inländischen entsprächen.4 Indessen ist zu berücksichtigen, dass § 35b EStG eine Steuerkonkurrenz insbesondere für diejenigen Fälle lösen will, in denen abweichend von der dem § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zugrunde liegende Konzeption Einkünfte von demjenigen zu versteuern sind, der sie nicht erwirtschaftet hat. § 35b EStG stellt daher einen Härteausgleich dar.5 Im Hinblick darauf macht es keinen Unterschied, ob die Härte der Doppelbesteuerung durch Entrichtung inländischer oder ausländischer Erbschaftsteuer bewirkt wird.6 § 35b EStG bleibt allerdings hinter dem durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegebene Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung insoweit zurück, als nur Erwerbe von Todes wegen, nicht aber Schenkungen erfasst werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie der vorweggenommenen Erbfolge dienen.7

1 Seer in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 102; im Einzelnen Rz. 7.1. 2 Seer in in Tipke/Lang20, § 13 Rz. 102; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 878; Mellinghoff, DStJG 22 (1999), 127 (134 ff.); Hey, JZ 2007, 564 (566); Crezelius, BB-Spezial 10/2007, 1 (13 ff.). 3 BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110 (zu § 35 EStG a.F.); Drenseck in in Schmidt29, § 35b EStG Rz. 12; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 28; Derlien in L/B/P § 35b EStG Rz. 25; a.A. Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 7; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 41. 4 FG Hess. v. 18.2.1982 – X 184/78, EFG 1982, 570. 5 Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 28; vgl. auch BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110; v. 7.12.1990 – X R 72/89, BStBl. II 1991, 350. 6 BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110. 7 Zur Kritik Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 3; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 17, 30; Darlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 16; Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584 (585); Crezelius, ZEV 2009, 1; Demuth, Stbg 2009, 9 (13); Seer, GmbHR 2009, 225 (237).

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A. Einkommensteuer

Die Steuerermäßigung erfasst Einkünfte, die bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt worden sind1 und gleichzeitig im laufenden oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen2 als Bereicherung des Erwerbers von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Angesprochen hierdurch sind z.B. Zahlungseingänge auf betriebliche Forderungen des den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Erblassers, Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die beim Erblasser zum Betriebsvermögen gehörten, sowie Gewinne aus der Veräußerung von zum Nachlass gehörenden Kapitalanteilen i.S. des § 17 Abs. 1, 2 EStG.3 Entsprechend der teleologischen Ausrichtung des § 35b EStG – Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung (Doppelbesteuerung) – sind eine Subjekt- und Objektidentität (Rz. 12.3 f.) nicht Voraussetzung für die Steuerermäßigung.4

15.149

Die Ermäßigungstechnik des § 35b EStG verlangt in einem ersten Schritt zunächst die Ermittlung der anteiligen Einkommensteuer, die auf die begünstigten Einkünfte entfällt. In einem zweiten Schritt (§ 35b Satz 2 EStG) ist der Prozentsatz zu ermitteln, um den die begünstigten Einkünfte ermäßigt werden. Dieser Prozentsatz errechnet sich aus dem Verhältnis der festgesetzten Erbschaftsteuer zum Gesamterwerb, also zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) zzgl. der steuerfreien Beträge gem. §§ 5, 16, 17 ErbStG.5 Soweit auf eine festgesetzte Erbschaftsteuer abgestellt wird, kommt es nicht darauf an, dass der Erbschaftsteuerbescheid bereits bestandskräftig ist. Das gilt auch für ausländische Erbschaftsteuerbescheide. Werden diese zu einem späteren Zeitpunkt geändert, ist auch der betreffende Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.6

15.150

1 Dazu gehören also nicht abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte und solche, die der Abgeltungsteuer unterliegen (§ 2 Abs. 5b EStG). 2 Diese Frist ist nicht mit den Behaltefristen in § 13a Abs. 1 Satz 2, Abs. 8 ErbStG (5 bzw. 7 Jahre) abgestimmt; zur Kritik Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 3; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 33; Seer, GmbHR 2009, 225 (237); Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584 (588). 3 Vgl. hierzu die Aufstellung bei Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 16 ff.; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 56 ff. 4 Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 29; Drenseck in Schmidt29, § 35b EStG Rz. 13; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 26 f.; Derlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 37; a.A. Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 29. 5 Zu Einzelheiten mit Berechnungsbeispielen und Formeln Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 41 ff.; Darlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 46 ff. 6 Drenseck in Schmidt29, § 35b EStG Rz. 12; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 27.

569

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

B. Körperschaftsteuer Literatur Kommentare zu §§ 8b, 26 KStG; § 50g EStG; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Burmester, Die Anrechnungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/ Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 241; Commandeur, Berücksichtigung ausländischer Steuern im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. München 1983; Dautzenberg, Europäische „Agenda“ für das Ertragsteuerrecht im Jahr 2004: Die Richtlinien vom Juni 2003, BB 2004, 17; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Dörr/Schreiber, Absenkung der Mindestbeteiligung nach § 43b EStG auf 20 % – Steuergeschenk auf „Abholschein“!, BB 2005, 129; Dötsch/Pung, Die Neuerungen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer durch das Steuergesetzgebungspaket vom Dezember 2003, DB 2004, 151; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, Diss. Mainz 1970; Eilers/Schmidt, Die Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG Praxis-Kommentierung zum BMF-Schr. v. 28.4.2003 (GmbHR 2002, 603) zur Anwendung des § 8b KStG 2002 und zu Auswirkungen auf die Gewerbesteuer, GmbHR 2003, 613; Endres, Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, München 1986; Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005; Flick, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften nach § 34c EStG und § 19a KStG, Bergisch Gladbach 1959; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Hauck, Zur Reichweite des internationalen Korrespondenzprinzips, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 741; Haun/Winkler, Klarstellung und Unklarheiten bei der Besteuerung von Beteiligungserträgen nach der Neufassung des § 8b KStG, GmbHR 2002, 192; Häuselmann/Ludemann, Besteuerung von verbundenen Unternehmen: Richtlinienumsetzungsgesetz und EGAmtshilfe-Anpassungsgesetz, RIW 2005, 123; Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), Bonn 1977; Inst.FuSt., Die indirekte Steueranrechnung (§ 26 Abs. 2 bis 5 KStG 1977) – Kritik, Alternativen, Verbesserungsvorschläge (Brief 182), Bonn 1980; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Jacob/Scheifele, § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG auf dem Prüfstand des BFH: Welche Auswirkungen ergeben sich für ausländische Holdinggesellschaften mit Beteiligung an inländischen (Grundstücks-) Kapitalgesellschaften?, IStR 2009, 304; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Kaminski/Strunk, Die steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteiligungen nach Änderung des § 8b KStG zum 1.1.2004, BB 2004, 689; Kaufmann, Die Körperschaftsteuerbelastung von Gewinnanteilen und Verlustübernahmen inländischer Kapitalgesellschaften aus der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften, Frankfurt 1992, 32; Kiehne, Grundrechte und Steuerordnung in der Rechtsprechung des BVerfG, Heidelberg 2004; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-How Internationales Steuerrecht, DStR 2005, 227; Krabbe, OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, 197; Kreuz, Beteiligung an ausländischen Gesellschaften nach § 8b KStG, Frankfurt/M. 1997; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteu-

570

B. Körperschaftsteuer erfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Lorenz, Die Suspendierung von § 8b Abs. 5 KStG durch EG- und DBA-Günstigerprüfung, IStR 2009, 437; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, Köln 1985; Moebus, Schachtelbeteiligung bei Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer in nationaler und internationaler Sicht, Herne/Berlin 1979; Oldiges, Wirkungen und Rechtfertigung des pauschalen Abzugsverbots gemäß § 8b Abs. 5 KStG, DStR 2008, 533; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, Berlin 2007; Pagel, Anwendung der Absenkung der Mindestbeteiligung nach § 43b EStG n.F. schon für ab dem 1.1.2004 zugeflossene Kapitalerträge? – BMF unternimmt untauglichen Reparaturversuch, DB 2005, 1025; Pezzer, Die Besteuerung des Anteilseigners, DStJG 25 (2002), 37; Phillip, Befreiungssystem mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Prinz/Schürner, Tracking Stocks und Sachdividenden – ein neues Gestaltungsinstrument für spartenbezogene Gesellschaftsrechte?, DStR 2003, 181; Pyszka/Brauer, Einschränkung der Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen bei Holdinggesellschaften (§ 8b Abs. 7 KStG), BB 2002, 1669; Rättig/Protzen, Das BMF-Schreiben vom 14.5.2004 – IV B 4 – S 1340 – 11/04 (Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes), IStR 2004, 625; Rödder, Aktuelle Fragen der Beteiligungsfinanzierung, WPg-Sonderheft 2003, 179; Rödder/Schumacher, Das BMF-Schreiben zu § 8b KStG, DStR 2003, 909; Rödder/Schumacher, Erster Überblick über die geplanten Steuerverschärfungen und -entlastungen für Unternehmen zum Jahreswechsel 2003/2004, DStR 2003, 1725; Rogall, Die Belastung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen im Konzern nach den beabsichtigten Neuerungen des § 8b Abs. 3 und 5 KStG, DB 2003, 2185; Romswinkel, Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen gem. § 8b Abs. 2 KStG systemimmanent?, GmbHR 2002, 1059; Schaumburg, Brennpunkte aus dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, JbFSt 1999/2000, 129; Schaumburg, Die Befreiungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/ Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 269; Schaumburg, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht, Stbg 1999, 97; Scheffler, Beteiligungsveräußerungen durch Kapitalgesellschaften: Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG ist gerechtfertigt, DB 2003, 680; Schreiber/ Rogall, Die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, BB 2003, 497; Sedemund, Zuständigkeits- und Verfahrensfragen bei Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner, IStR 2010, 270; Sedemund/Fischenisch, Steuerneutralität von Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren vor und nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG, BB 2008, 1656; Seer/Drüen, Vertrauensschutz bei steuerfreien Anteilsveräußerungen, GmbHR 2002, 1093; Thiede, Ökonomische Analyse der Körperschaftsbesteuerung bei ausländischen Einkünften, Bergisch Gladbach/Köln 1994, 108; Thömmes, Unvereinbarkeit des neuen § 8b Abs 7 KStG mit der EGMutter-/Tochterrichtlinie, DB 1999, 500; Wagner, Die Ausnahmetatbestände des § 8b Abs. 7 und 8 KStG für „Finanzdienstleister“ und „Versicherer“ – ihre Berechtigung und ihre Wirkung –, DK 2006, 609; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Soll Deutschland die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in seinen DBA verankern?, IStR 1999, 481; Watermeyer, Aktuelle Fragestellungen zu § 8b KStG in der Rechtsprechung, GmbH-StB 2009, 220.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

I. Überblick 15.151 Die für die Körperschaftsteuer maßgeblichen unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind in § 8b KStG und in § 26 KStG verankert. Ebenso wie auf bilateraler Ebene kommen somit Freistellungs- und Anrechungsmethode gleichermaßen zur Anwendung. Die in § 8b KStG geregelte Steuerfreistellung, die im Wesentlichen Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen betrifft, dient im außensteuerlichen Kontext auch der Vermeidung der internationalen (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung. § 26 Abs. 1 KStG (Steueranrechnung) ist demgegenüber eine auf § 34c EStG aufbauende spezifische Vermeidungsnorm. Ebenfalls auf die Vermeidung nur der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet sind die folgenden, in § 26 Abs. 6 KStG geregelten Methoden: Steuerabzug, Steuererlass und Steuerpauschalierung.

II. Steuerfreistellung 1. Steuerfreie Dividenden a) Allgemeine Hinweise

15.152 Gemäß § 8b Abs. 1 KStG werden Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG steuerfrei gestellt. Diese sachliche Steuerbefreiung gilt für In- und Auslandsdividenden gleichermaßen und kann sowohl von unbeschränkt als auch von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten in Anspruch genommen werden. Die Steuerbefreiung wird vorbehaltlos gewährt, so dass es auf irgendwelche Mindestbesitzzeiten, Mindestbeteiligungsquoten oder Aktivitätsvorbehalte nicht ankommt. Die Steuerfreistellung ist im Wesentlichen darauf gerichtet, körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG ist integraler Bestandteil sowohl der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) als auch des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG), das insbesondere bei Kapitalgesellschaften in einem in sich geschlossenen System von einer bestimmten körperschaftsteuerlichen Vorbelastung auf Gesellschaftsebene einerseits und einer ausschüttungsbedingten steuerlichen Nachbelastung auf Gesellschafterebene andererseits ausgeht.1 Im Hinblick auf diese typisierte körperschaftsteuerliche Vorbelastung ist die Steuerbefreiung für nachfolgende Ausschüttungen an andere Körperschaftsteuersubjekte systemimmanent. Ob eine in- oder ausländische körperschaftsteuerliche Vorbelastung tatsächlich überhaupt besteht, spielt für die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG keine Rolle. Eine auf die tatsächliche Vorbelastung abstellende Systemkorrektur erfolgt allerdings durch das in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verankerte, insbesondere für verdeckte Gewinnausschüttungen geltende Korrespondenzprinzip sowie im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG;

1 Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 12; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 12 ff.

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B. Körperschaftsteuer

Rz. 10.1 ff.) in den Fällen, in denen ausländische Körperschaftsteuersubjekte mit Einkünften aus passivem Erwerb niedrig besteuert sind.1 Soweit Ausschüttungen seitens ausländischer Körperschaftsteuersubjek- 15.153 te erfolgen, dient die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG im Hinblick auf den vorgenannten Systemzusammenhang auch der Vermeidung der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Darüber hinaus dient sie, soweit es um die Steuerbelastung der Dividenden selbst geht, der Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung.2 Soweit für derartige Ausschüttungen auch abkommensrechtliche Schachtelprivilegien (Art. 23A OECD-MA) eingreifen, sind im Ergebnis beide Steuerbefreiungen – sowohl das Schachtelprivileg als auch die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG – nebeneinander anwendbar.3 Da die Reichweite der in § 8b Abs. 1 KStG verankerten Steuerfreistellung in aller Regel über diejenige der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien hinausgeht, steht die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG im Vordergrund. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass die abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien nicht selten unter Aktivitätsvorbehalt stehen und im Grundsatz nur bei einer Mindestbeteiligung von 25 Prozent gewährt werden (Rz. 16.545 ff.). Die Anwendung abkommensrechtlicher Schachtelprivilegien wird allerdings dann in Betracht kommen,4 wenn die unilaterale Steuerfreistellung etwa an § 8b Abs. 7, 8 KStG scheitert oder die Ausschüttungen aus dem Ausland abkommensrechtlich zwar als Dividenden, nicht aber als Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG qualifiziert werden können.5 Soweit sich die Anwendungsbereiche von § 8b Abs. 1 KStG einerseits und der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (Art. 23A OECD-MA) andererseits decken, kommt der pauschalierte Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs gem. § 8b Abs. 5 KStG zur Anwendung, für den abkommensrechtlich keine Schrankenwirkungen bestehen.6 Insoweit greift stets § 8b Abs. 5 KStG (sog. Schachtelstrafe) und nicht etwa § 3c Abs. 1 EStG ein (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG).7 Entsprechendes gilt für das in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verankerte materielle Korrespondenzprinzip, das auch in Abkommensfällen anzuwenden ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG). 1 Zu den damit verbundenen Wertungswidersprüchen Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 25 ff. 2 Insoweit ist eine Subjektidentität gegeben; zur Begriffsbildung Rz. 12.4. 3 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 40, 143; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 24. 4 Für ein umfassendes Wahlrecht Hageböke, IStR 2009, 473 (481); Lorenz, IStR 2009, 437 (441). 5 Beispiel: Erträge aus stillen Beteiligungen; vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; vgl. auch BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854 zu § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG in der Fassung bis VZ 2002. 6 Insoweit handelt es sich nicht um die Rückgängigmachung der Steuerbefreiung; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 483. 7 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 10; Gosch in FS Herzig, 63 (85 ff.); a.A. Hageböke, IStR 2009, 473 ff. unter Hinweis auf BFH v. 22.6.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

b) Anwendungsvoraussetzungen

15.154 Da die Normadressaten in § 8b Abs. 1 KStG nicht benannt sind, werden von der Reichweite der Steuerbefreiung all jene Körperschaftsteuersubjekte erfasst, für die das Körperschaftsteuergesetz ganz allgemein zur Anwendung kommt.1 Im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zählen hierzu auch die Körperschaftsteuersubjekte, die nach ausländischem Recht errichtet sind (Rz. 6.7). Das bedeutet, dass insoweit auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften, wenn sie den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, von der Reichweite des § 8b Abs. 1 KStG erfasst werden.2 Beschränkt steuerpflichtige Rechtsträger können die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG nur dann beanspruchen, wenn sie strukturell den in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar sind (zum Typenvergleich Rz. 6.7).

15.155 Die Steuerbefreiung kommt auch in den Fällen der Organschaft (§§ 14–17 KStG) zur Anwendung, wobei auf Grund der Sondervorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG die Steuerbefreiung nicht von der Organgesellschaft, sondern allein vom Organträger in Anspruch genommen werden kann, soweit dieser Körperschaftsteuersubjekt ist und in den an ihn abzuführenden Gewinnen die in § 8b Abs. 1 KStG genannten Bezüge enthalten sind.3

15.156 Auf Grund der Sondervorschrift des § 8b Abs. 6 KStG wird die Steuerbefreiung auch auf Fälle der bloß mittelbaren Beteiligung über eine Mitunternehmerschaft ausgedehnt. Steuerfrei sind damit auch Bezüge, die einem Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen eines Gewinnanteils aus einer Mitunternehmerschaft4 zugerechnet werden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine in- oder ausländische Mitunternehmerschaft5 oder um eine mehrstöckige Mitunternehmerschaft handelt.6 Wird die Beteiligung an der in- oder ausländischen ausschüttenden Körperschaft über eine in- oder ausländische vermögensverwaltende Personengesellschaft gehalten, erfolgt die Zuordnung der betreffenden Anteile über § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO mit der Folge, dass die Bezüge den Gesellschaftern unmittelbar zuzurechnen sind.7

1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 10. 2 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 10. 3 Hierzu Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 12; Neumann in Gosch2, § 15 KStG Rz. 11 ff.; BMF v. 26.8.2003, BStBl. I 2003, 437 Rz. 22 ff. 4 §§ 13 Abs. 7, 15 Abs. 1 Nr. 2, 3, 18 Abs. 4 EStG. 5 Die ausländische Mitunternehmerschaft muss (abstrakt) von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst sein; hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 173. 6 Gosch, in Gosch2, § 8b KStG Rz. 522; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 142. 7 Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 105; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 523; BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 56.

574

B. Körperschaftsteuer

Sachliche Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung ist das 15.157 Vorliegen von Bezügen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG. Im Wesentlichen sind damit Dividenden und verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst, allerdings nur im Sinne von Bruttobeträgen.1 Die Qualifikation als Bezüge erfolgt allein auf der Ebene der die Bezüge empfangenden Körperschaftsteuersubjekte, wobei es ausreicht, dass die betreffenden Leistungen ihrer Art nach den Bezügen entsprechen, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG benannt sind. Eine korrespondierende Qualifikation (Qualifikationsverkettung) etwa zwischen ausschüttender und die Bezüge empfangender Kapitalgesellschaft ist nicht vorgesehen, so dass es insbesondere im internationalen Kontext zu Doppel- oder Minderbesteuerungen kommen kann.2 Eine Ausnahme hiervon besteht allein für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8b Abs. 1 Satz 2 EStG).3 Zu den steuerfreien Bezügen gehören auch Sachdividenden4 sowie die Einlagerückgewähr, soweit sie seitens ausländischer Körperschaften erfolgt, wenn hierfür eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG nicht vorliegt (§ 27 Abs. 8 Satz 9 KStG).5

15.158

Bezüge von ausländischen Rechtsträgern werden nur dann von der Steuerbefreiung erfasst, wenn diese nach dem maßgeblichen Typenvergleich (Rz. 6.7) einer deutschen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse strukturell gleich steht.6

15.159

c) Rechtsfolge Obwohl § 8b Abs. 1 KStG anordnet, dass die dort genannten Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, setzt die Steuerfreistellung bereits bei der Einkünfteermittlung an, so dass sie insoweit den Charakter einer sachlichen Steuerbefreiung hat. Hierdurch kann auch die internationale Doppelbesteuerung vermieden werden. Das gilt im Grundsatz auch für Ausschüttungen seitens ausländischer Rechtsträger, soweit hierfür bereits Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Körperschaftsteuer unterlegen haben. 1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 101. 2 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 102; a.A. Menck in Blümich, § 8b KStG Rz. 45. 3 Zu diesem materiellen Korrespondenzprinzip im Einzelnen Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 143a ff.; speziell zu grenzüberschreitenden Dreieckskonstellationen Hauck in FS Schaumburg, 741 ff. 4 Zu Einzelheiten Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 105, 193; BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 22. 5 Zu europarechtlichen Problemen Sedemund/Fischenich, BB 2008, 1656 ff.; zu weiteren Einzelheiten Sedemund, IStR 2010, 270 ff.; liegt eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG vor, greift § 8b Abs. 2 KStG ein, soweit die Auszahlungsbeträge nach steuerneutraler Verrechnung gegen den Beteiligungsbuchwert denselben übersteigen; vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 20f.; Intemann, NWB 2010, 2295 (2298); BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Tz. 6. 6 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 115.

575

15.160

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.161

Da die Doppelbesteuerung wegen der in § 8b Abs. 5 KStG verankerten 5 %-Klausel sowie wegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG im Ergebnis durch § 8b Abs. 1 KStG nicht vollständig vermieden werden kann, ist in den Fällen, in denen der Hinzurechungsbetrag (§ 10 Abs. 2 AStG) zuvor bereits der Körperschaftsteuer unterlag, aus Billigkeitsgründen § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG zur Anwendung zu bringen, so dass weder § 8b Abs. 5 KStG noch § 8 Nr. 5 GewStG1 eingreift.2 Das kann in den Fällen zu nicht systemgerechten Nachteilen führen, in denen die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG wirksam wird.3

15.162 Die Steuerbefreiung gilt allerdings nicht für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, bei denen gem. § 1a KWG die Anteile dem Handelsbuch zuzurechnen sind (§ 8b Abs. 7 Satz 1 KStG). Entsprechendes gilt für bestimmte Finanzunternehmen, die die Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben haben (§ 8b Abs. 7 Satz 2 KStG). Im Hinblick auf den Verweis auf das KWG gilt diese Regelung nur für entsprechende Unternehmen mit Sitz im Inland. Darüber hinaus gilt sie aber auch für inländische Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des EU-/EWR-Raumes (§ 8b Abs. 7 Satz 3 KStG),4 für die aber wiederum die Rückausnahme gem. § 8b Abs. 9 KStG gilt. Durch § 8b Abs. 9 KStG wird Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie5 entsprochen. Das bedeutet im Ergebnis, dass im Regelfall die Bezüge inländischer Zweigniederlassungen von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen mit Sitz im EU-/EWR-Raum uneingeschränkt steuerfrei gestellt sind. Das gilt auch für entsprechende Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, soweit diese mit ihren inländischen Zweigniederlassungen nicht der inländischen Kreditaufsicht unterliegen.6

15.163 Die Suspendierung der Steuerbefreiung für Bezüge durch § 8b Abs. 7 KStG entspricht der insbesondere für § 8b Abs. 2 KStG bedeutsamen Zielrich1 Vgl. § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG. 2 Vgl. R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2004; hierzu Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 59 ff.; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 86; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, 417 f.; Lieber, FR 2002, 139 (142); Köhler, DStR 2005, 227 (230), die § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG im Wege teleologischer Reduktion zur Anwendung bringen wollen; dagegen Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 25; Rättig/ Protzen, IStR 2004, 625 (634). 3 Im Hinblick darauf ist in diesen Fällen aus Billigkeitsgründen der Anwendung des § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG auch auf Fälle des § 8b Abs. 1 KStG der Vorzug zu geben; vgl. Dötsch in D/J/P/W, KStG, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 3; weitergehend Schönfeld in F/W/B, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 74, wonach § 3c EStG insgesamt nicht auf Körperschaften anzuwenden ist. 4 Nach Auffassung von Jacob/Scheifele, IStR 2009, 304 (309 f.) gilt dies auch ohne inländische Zweigniederlassung. 5 Richtlinie des Rates 2003/123/EG v. 22.12.2003 (ABL. EU 2004 Nr. L 7, 41 v. 13.1.2004). 6 Vgl. BMF v. 25.7.2002, BStBl. I 2002, 712.

576

B. Körperschaftsteuer

tung, nur solche in- und ausländischen Kapitalanteile zu erfassen, die auf Dauer wie Anlagevermögen dem Betriebsvermögen gewidmet sind.1 In Orientierung an diese Zielsetzung können durch den Ausschluss der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 7 KStG als Finanzunternehmen auch Holding-, Factoring-, Leasing-, Anlageberatungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften sowie vermögensverwaltende Gesellschaften erfasst sein.2 Die Steuerfreistellung von Bezügen entfällt auch in den Fällen, in denen Lebens- und Krankenversicherungsgesellschaften sowie Pensionsfonds Anteile an in- oder ausländischen Körperschaften halten (§ 8b Abs. 8 KStG). Erfasst werden nur solche Unternehmen, die der Versicherungsaufsicht unterliegen.3 Die Ausnahme von der Steuerfreistellung zielt darauf ab, den vorgenannten Unternehmen, die in- und ausländische Kapitalanteile als Kapitalanlage4 im Interesse der Versicherten halten, entgegen § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG eine steuerwirksame Teilwertabschreibung auf Anteile zu ermöglichen.5 Eine Rückausnahme ist indessen in Orientierung an Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie6 in § 8b Abs. 9 KStG enthalten, so dass insoweit für entsprechende Bezüge aus dem EU-/ EWR-Bereich die Steuerfreiheit gem. § 8b Abs. 1 KStG erhalten bleibt. Hieraus ergibt sich, dass letztlich der Ausschluss für die Steuerbefreiung nur für inländische Bezüge und Bezüge aus Drittstaaten gilt, wobei es keine Rolle spielt, ob die Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen bzw. Pensionsfonds unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind.7

15.164

Die auf die Suspendierung der Steuerfreiheit gerichteten Sonderregelungen in § 8b Abs. 7 und 8 KStG gelten allerdings nicht in jenen Fällen, in denen die betreffenden Bezüge als Dividenden abkommensrechtlich steuerfrei gestellt sind.8

15.165

Als weitere Rechtsfolge der für in- und ausländische Bezüge geltenden Steuerbefreiung ergibt sich aus § 8b Abs. 5 KStG ein pauschalierter Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs. Hiernach gelten 5 Prozent der Bezü-

15.166

1 Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG; so auch Frotscher in Frotscher/Maase, § 8b KStG Rz. 108; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 257; Kröner in Ernst & Young, § 8b KStG Rz. 257; a.A. Pyszka/Brauer, BB 2002, 1669 (1673); Jacob/ Scheifele, IStR 2009, 304 (309). 2 BMF v. 25.7.2002, BStBl. I 2002, 712 unter C. I. 3 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 612. 4 RechVersV v. 8.11.1994, BGBl. I 1994, 3378. 5 Hierzu Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 610; kritisch zu dieser Sonderregelung Kiehne, Grundrechte und Steuerordnung in der Rechtsprechung des BVerfG, 34 ff. 6 Richtlinie des Rates 2003/123/EG v. 22.12.2003 (ABL. EU 2004 Nr. 7, 41 v. 13.1.2004). 7 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 612. 8 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 598; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 280; Wagner, DK 2006, 609 (615); Lorenz, IStR 2009, 437 (440); vgl. auch BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854.

577

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

ge als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Das bedeutet im Ergebnis, dass stets nur 95 Prozent der in- oder ausländischen Bezüge steuerfrei sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Bezügen entstanden sind. § 3c Abs. 1 EStG ist daneben nicht anwendbar (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG).

15.167

Die in § 8b Abs. 5 KStG verankerte 5 %-Klausel beruht auf Art. 4 Abs. 2 der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie.1 Über diese Regelung setzt sich § 8b Abs. 5 KStG insofern hinweg, als unterschiedslos alle Kosten erfasst werden.2 Darüber hinaus geht § 8b Abs. 5 KStG auch über die Grenze hinaus, bis zu der verfassungsrechtlich eine Typisierung zulässig ist.3 Im Hinblick darauf ist die 5 %-Klausel bei nachweislich geringeren Kosten nicht anwendbar. Dies ergibt sich auch auf Grund einer einschränkenden Auslegung des Art. 4 Abs. 2 der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie.4

15.168 Da die 5 %-Klausel des § 8b Abs. 5 KStG auf jeder Beteiligungsstufe eingreift, ergibt sich bei einem mehrstufigen Konzern ein Kaskadeneffekt,5 so dass die Steuerfreistellung für Bezüge hierdurch stark eingeschränkt wird. Dieser Kaskadeneffekt kann im Inland im Wesentlichen nur durch Begründung eines Organschaftsverhältnisses und im Ausland durch eine dort thesaurierende Holdinggesellschaft vermieden werden.6

15.169 Trotz der in § 8b Abs. 1 KStG verankerten Steuerfreistellung für Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG ordnet § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG den Einbehalt von Kapitalertragsteuer i.H. von grundsätzlich 25 Prozent (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) an. Soweit für unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte eine Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen ist, wird die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer auf die festgesetzte Körperschaftsteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG i.V. mit § 31 Abs. 1 KStG). Ggf. ist die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 37 Abs. 2 AO).

1 Richtlinie des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG v. 23.7.1990), ABL. EG Nr. L 225/6 v. 20.8.1990, wonach im Zusammenhang mit der Beteiligung stehende Verwaltungskosten pauschal mit höchstens 5 Prozent der von der Tochtergesellschaft abgezogenen Gewinne festgesetzt werden darf. 2 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 451; Thömmes, DB 1999, 500 (501 f.); Schaumburg, JbFSt 1999/2000, 129 (134). 3 Schaumburg, JbFSt 1999/2000, 129 (136), Oldiges, DStR 2008, 533 ff.: Verstoß gegen den objektive Nettoprinzip; a.A. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 482. 4 So Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 451. 5 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 452; Rödder, WPg-Sonderheft 2003, 179 (186); Rödder/Schumacher, DStR 2003, 1725 (1727); Rogall, DB 2003, 2185 ff.; Dötsch/ Pung, DB 2004, 151 (154). 6 Kaminski/Strunk, BB 2004, 689 (693 ff.); Dötsch/Pung, DB 2004, 151 (154.).

578

B. Körperschaftsteuer

Eine Anrechnung oder gar Erstattung der trotz Freistellung (§ 8b Abs. 1 KStG) einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer bleibt allerdings in den Fällen grundsätzlich versagt, in denen die Kapitalertragsteuer abgeltende Wirkung erzeugt (§ 32 Abs. 1 KStG).1 Diese Abgeltungswirkung greift insbesondere bei beschränkter Steuerpflicht ein (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG; zum Problem der Abgeltungswirkung Rz. 5.111 ff., 5.255 f.).

15.170

Eine Abgeltungswirkung entfällt ausnahmsweise dann, wenn die steuerpflichtigen Kapitalerträge in einer inländischen Betriebsstätte des beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgers angefallen sind. Hierzu gehört auch der Fall, dass ein beschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Rechtsträger an einer in- oder ausländischen Personengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits im Inland eine Betriebsstätte unterhält (Rz. 5.242). Voraussetzung ist allerdings stets, dass die Kapitalanteile in einem funktionalen Zusammenhang mit einer in der inländischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit des beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgers stehen.

15.171

Der in § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG trotz Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 1 KStG) 15.172 angeordnete Kapitalertragsteuereinbehalt auch für Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG2 unterbleibt allerdings unter den Voraussetzungen des § 43b EStG. Diese Vorschrift beseitigt die internationale Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen, die eine inländische Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft vornimmt. Es handelt sich hierbei um die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie.3 Im bilateralen Verhältnis wird die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung dadurch erreicht, dass der EU-Mitgliedstaat, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, auf die Erhebung der Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen an die Muttergesellschaft verzichtet und der EU-Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, entweder die von der Tochtergesellschaft bezogenen Dividenden von der Steuer freistellt oder für die im Staat der Tochtergesellschaft erhobene Körperschaftsteuer die indirekte Steueranrechnung gewährt. Adressat der auf Antrag zu gewährenden Freistellung von der Kapitalertragsteuer sind beschränkt steuerpflichtige, in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften geführte Muttergesellschaften,4 soweit sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind. Entsprechendes gilt für Aus1 BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543; kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten; vgl. allerdings EuGH v. 19.11.2009 – Rs. C-540/07 – Kommission ./. Italien, EuZW 2010, 18. 2 Gebilligt durch BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543. 3 Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABL. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990, zuletzt geändert durch Richtlinie 2003/123/EG des Rates v. 22.12.2003, ABL. EU 2004 Nr. L 7, 41 v. 13.1.2004. 4 Vgl. Anl. 2 zum EStG.

579

15.173

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

schüttungen an eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte der Muttergesellschaft, und zwar auch dann, wenn Mutterund Tochtergesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dies setzt voraus, dass die Anteile an der (inländischen) Tochtergesellschaft dieser Betriebsstätte als Betriebsvermögen zuzurechnen sind, was nur bei einem funktionalen Zusammenhang mit einer in dieser Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit der Muttergesellschaft möglich ist. Voraussetzung für die Freistellung von der Kapitalertragsteuer ist zudem, dass die Muttergesellschaft mit mindestens 10 Prozent unmittelbar am Kapital der Tochtergesellschaft beteiligt ist (§ 43b Abs. 2 Satz 1 EStG). Voraussetzung ist ferner, dass die Beteiligung nachweislich ununterbrochen zwölf Monate besteht (§ 43 Abs. 2 Satz 4 EStG). Wird diese Mindestbesitzzeit erst nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG erreicht, gewährt § 50d Abs. 1 EStG der Muttergesellschaft einen Erstattungsanspruch (§ 43b Abs. 2 Satz 5 EStG).1 2. Steuerfreie Veräußerungsgewinne a) Allgemeines

15.174 § 8b Abs. 2 KStG, der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen freistellt, liegt auf der gleichen Wertungsebene wie § 8b Abs. 1 KStG, so dass es auch hier im Wesentlichen darum geht, körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Ausgehend davon, dass Veräußerungsgewinne auf der Auflösung offener Rücklagen und der Realisierung stiller Reserven beruhen, ist deren Steuerfreistellung in Ergänzung zu § 8b Abs. 1 KStG folgerichtig.2 Das gilt jedenfalls in den Fällen uneingeschränkt, in denen der Veräußerungsgewinn durch offene Rücklagen, die bereits mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind, abgebildet wird. Erfasst der Veräußerungsgewinn auch stille Reserven, so sind diese zwar nicht steuerlich vorbelastet, sie lösen aber auf der Ebene der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, zukünftige Steuerbelastungen aus. Unter diesem Gesichtspunkt vermeidet § 8b Abs. 2 KStG eine zukünftige körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastung.3

15.175 Werden Kapitalanteile an ausländischen Rechtsträgern veräußert, dient die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG auch der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung. Soweit für derartige Veräußerungsgewinne auch eine abkommensrechtliche Freistellung (Art. 13 Abs. 2, 5 OECD-MA; Rz. 13.85 ff.) eingreift, sind im Ergebnis beide Steuerbefreiungen nebeneinander anwendbar. Im Hinblick darauf, dass etwa Art. 13 1 Zu weiteren Einzelheiten Dörr/Schreiber, BB 2005, 129 ff.; Jesse, IStR 2005, 151 ff.; Pagel, DB 2005, 1025 ff. 2 Im Einzelnen Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 3, 150; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909; Eilers/Schmidt, GmbHR 2003, 613 (614); Scheffler, DB 2003, 680; Schreiber/Rogall, BB 2003, 497. 3 Kritisch zu dieser Steuerbefreiung Romswinkel, GmbHR 2002, 1059; Seer/Drüen, GmbHR 2002, 1093 (1099); Pezzer, DStJG 25 (2002), 37 (56 f.).

580

B. Körperschaftsteuer

Abs. 5 OECD-MA als vollständige Verteilungsnorm (Rz. 16.399) das Wohnsitzstaatsprinzip verwirklicht, überlagern sich beide Steuerbefreiungen im Wesentlichen bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht der veräußernden Körperschaft oder Personenvereinigung. Soweit sich die Anwendungsbereiche von § 8b Abs. 2 KStG einerseits und der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) andererseits decken, kommt der pauschalierte Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs gem. § 8b Abs. 3 KStG zur Anwendung mit der Folge, dass § 3c Abs. 1 KStG stets suspendiert bleibt (Rz. 15.153). b) Anwendungsvoraussetzungen Normadressaten der in § 8b Abs. 2 KStG verankerten Steuerfreistellung sind alle in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte, zu denen auch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften gehören (Rz. 6.7).

15.176

Erfasst werden Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und 15.177 ausländischen Körperschaften oder Personenvereinigungen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. der § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören. Darüber hinaus werden auch Anteile an nachgeschalteten Organgesellschaften erfasst.1 Da § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG nicht auf die Veräußerung von Anteilen an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen abstellt, werden auch eigene Anteile einbezogen.2 Als Anteile werden auch Genussrechte qualifiziert, soweit diese ein Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.3 Dies gilt indessen nicht für Bezugsrechte.4 Da § 8b Abs. 2 KStG nicht entnommen werden kann, was unter einer Veräußerung zu verstehen ist, kann auf die diesbezügliche Rechtsprechung zu § 17 EStG5 zurückgegriffen werden.6 Dementsprechend werden als Veräußerungen alle entgeltlichen Rechtsgeschäfte qualifiziert, die auf die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen gerichtet sind. Hierzu gehört auch der Tausch und somit auch die Einbringung von

1 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 16. 2 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 15 allerdings einschränkend nur für zur Weiterveräußerung erworbene eigene Anteile; kritisch hierzu Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 163. 3 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 24. 4 BFH v. 23.1.2008 – I R 101/06, BStBl. II 2008, 719; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 162; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 64; BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 24; anders zu § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG; BFH v. 27.10.2005 – IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171; hierzu Gosch in FS Herzig, 63 (64); BMF v. 20.12.2005, BStBl. I 2006, 8. 5 § 17 EStG enthält freilich ebenfalls keine Begriffsdefinition. 6 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 181; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 63.

581

15.178

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Kapitalanteilen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.1 In Orientierung am Sinn und Zweck des § 8b Abs. 2 KStG sind von dessen Reichweite überhaupt alle anteilsbezogenen gewinnrealisierenden Vorgänge zu erfassen, so dass auch Gewinne aus der Auflösung, der Kapitalherabsetzung oder Wertaufholung, aus der Entstrickung, aus der verdeckten Einlage und der Auflösung passiver Ausgleichsposten sowie umwandlungsbedingte Übertragungsgewinne steuerfrei sind.2

15.179 § 8b Abs. 2 KStG erfasst auch den Fall, dass Kapitalanteile etwa durch eine Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter unter Teilwert veräußert werden. Die hierdurch bewirkte verdeckte Gewinnausschüttung (verhinderte Vermögensmehrung), die zu einer Einkommenserhöhung führt, ist im Ergebnis steuerfrei.3 Entsprechendes gilt auch für die Auskehrung von Sachdividenden, soweit Ausschüttungsgegenstand Kapitalanteile sind: In Höhe des Buchwertes ist eine offene Gewinnausschüttung und darüber hinaus eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben, für die § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt.4 Unter § 8b Abs. 2 KStG fällt schließlich auch die Einlagerückgewähr, wenn hierfür eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG vorliegt und die Auszahlungsbeträge nach steuerneutraler Verrechnung gegen den Beteiligungsbuchwert denselben übersteigen.5 c) Rechtsfolge

15.180 § 8b Abs. 2 KStG ist eine sachliche Steuerbefreiung, die bereits bei der Einkünfteermittlung durch außerbilanzielle Kürzung des Bilanzgewinns zu berücksichtigen ist.6

15.181 Die Steuerbefreiung gilt gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG freilich nicht bei vorangegangener steuerwirksamer Teilwertabschreibung, soweit die Gewinnminderung nicht durch Ansatz eines höheren Wertes ausgeglichen worden ist (Wertaufholung) und zudem nicht, soweit der niedrigere Buchwert auf die Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG oder ähnliche Abzüge zurückzuführen ist (§ 8b Abs. 2 Satz 5 EStG). 1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 183, 186; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 63. 2 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 14, 16, 23; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 188. 3 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 21; zur Begründung im Einzelnen Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 189 ff. 4 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 193; Haun/Winkler, GmbHR 2002, 192 (194); a.A. Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 74; Prinz/Schürner, DStR 2003, 181 (183). 5 Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 20 f.; Intemann, NWB 2010, 2295 (2298); BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Tz. 6; a.A. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 106, wonach § 8b Abs. 2 KStG auf die den Beteiligungsbuchwert übersteigenden Rückzahlungsbeträge nicht anwendbar sein soll. 6 Vgl. R. 29 Abs. 1 KStR 2004.

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B. Körperschaftsteuer

Gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG wird die Steuerfreiheit im Ergebnis auf 15.182 95 Prozent reduziert, weil 5 Prozent als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden. § 3c Abs. 1 EStG findet keine Anwendung (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG). Das 5 %ige Abzugsverbot, das auch in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen überhaupt keine Betriebsausgaben entstanden sind (vgl. allerdings Rz. 15.167), knüpft an den Veräußerungsgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten und dem Buchwert im Zeitpunkt der Veräußerung an (§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG), so dass im Ergebnis die Veräußerungskosten einem doppelten Abzugsverbot unterworfen werden.1 Nicht zu berücksichtigen sind schließlich Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteilen stehen, so dass Gewinnminderungen durch Ansatz des niedrigeren Teilwertes sowie Veräußerungsverluste, zu denen auch Verluste infolge Auflösung oder Kapitalherabsetzung zählen, außer Ansatz bleiben (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Von der Reichweite dieses Gewinnminderungs- bzw. Verlustberücksichtigungsverbotes werden auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit in- und ausländischen Darlehensforderungen (§ 8b Abs. 3 Satz 4 KStG) und darlehensgleichen Forderungen (§ 8b Abs. 3 Satz 7 KStG) erfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass der Darlehens- oder Sicherungsgeber zu mehr als 25 Prozent unmittelbar oder mittelbar beteiligt oder eine nahe stehende Person i.S. von § 1 Abs. 2 AStG oder ein rückgriffsberechtigter Dritter ist (§ 8b Abs. 3 Satz 5 KStG). Das vorgenannte Gewinnminderungs- bzw. Verlustberücksichtigungsverbot gilt freilich dann nicht, wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte, wobei nur die eigenen Sicherungsmittel der darlehensnehmenden Gesellschaft zu berücksichtigen sind (§ 8b Abs. 3 Satz 6 KStG). Tritt bei einer wertgeminderten Darlehensforderung zu einem späteren Zeitpunkt eine Wertaufholung ein, ist insoweit Steuerfreiheit gewährleistet (§ 8b Abs. 3 Satz 8 KStG).

15.183

Die vorstehenden Regelungen sind im Kern darauf gerichtet, Eigenkapital ersetzende Darlehen den Anteilen steuerlich gleichzustellen, um so Asymmetrien insbesondere bei der Teilwertabschreibung zu vermeiden.2 Sie haben auch Auswirkungen auf grenzüberschreitend gewährte Darlehen und Sicherheiten, insbesondere bei internationalen cash-pools, zumal diesbezügliche Wertminderungen nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG fallen.3 In den Fällen, in denen auf die Rückzahlung des wertgeminderten Darlehens verzichtet wird, kann es

15.184

1 Zu diesem Systemverstoß Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 283; Dötsch/Pung, DB 2004, 151 (154). 2 Vgl. den Überblick zur Rechtlage vor Inkrafttreten des JStG 2008 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStGRz. 123. 3 Watermeyer, GmbH-StB 2009, 220 (221); a.A. wohl die FinVerw.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

schließlich auch zu Doppelbesteuerungen kommen, die durch Billigkeitserlass zu mildern sind.1

15.185 Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn die veräußerten Kapitalanteile über eine oder mehrere zwischengeschaltete in- oder ausländische Mitunternehmerschaften gehalten werden (§ 8b Abs. 6 Satz 1 KStG). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Kapitalanteile einer in- oder ausländischen Betriebsstätte einer in- oder ausländischen Mitunternehmerschaft zuzuordnen sind. Soweit es sich um ausländische Mitunternehmerschaften handelt, müssen diese so strukturiert sein, dass sie (abstrakt) von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst werden.2

15.186 Die Steuerbefreiung für die Gewinne aus der Veräußerung von in- und ausländischen Kapitalanteilen ist schließlich auch auf Grund der Sondervorschriften in § 8b Abs. 7 KStG (Eigenhandel von Banken und Finanzdienstunternehmen) sowie in § 8b Abs. 8 KStG (Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds) ausgeschlossen. 3. Steuerfreie Zinsen und Lizenzgebühren

15.187 § 50g EStG3 enthält in Umsetzung der Zins- und Lizenz-Richtlinie4 eine Steuerfreistellung für Zinsen und Lizenzgebühren, die an ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges verbundenes Unternehmen gezahlt werden. Normenadressaten des § 50g EStG sind ausschließlich nach dem Recht der EU-Mitgliedstaaten errichtete Kapitalgesellschaften,5 so dass von der Reichweite der Steuerfreistellung im Wesentlichen der konzerninterne Transfer von Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb der EU erfasst wird. Die lediglich für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht bedeutsame Steuerfreistellung wird entweder dadurch umgesetzt, dass die für Zinsen und Lizenzgebühren vorgesehene Quellensteuer nicht erhoben oder aber im Falle der Veranlagung Zinsen und Lizenzgebühren bei der Ermittlung der Einkünfte nicht erfasst werden (§ 50g Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).

15.188 Die Sonderregelung des § 50g EStG dient der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, die insbesondere in den Fällen zur Geltung kommt, in denen abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht des Quel1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 279g. 2 Hierzu Wassermeyer, IStR 1998, 489; Wassermeyer, IStR 1999, 481 ff.; Schaumburg, Stbg 1999, 97 ff.; Krabbe, IStR 2000, 197 ff.; BMF v. 28.12.1999, DStR 2000, 245 (zu ausländischen atypisch stillen Beteiligungen); BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411 (zur US-LLC). 3 Diese Vorschrift gilt auch für die Körperschaftsteuer, vgl. Anlage 3 Nr. 2 zu § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. 4 Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006; hierzu Rz. 3.69 ff. 5 § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG i.V. mit Anlage 3 Nr. 1 zum EStG.

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B. Körperschaftsteuer

lenstaates aufrechterhalten bleibt und die Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat lediglich durch teilweise Anrechnung vermieden wird. Eine vollständige Vermeidung der Doppelbesteuerung ist in den vorgenannten Fällen zumeist ausgeschlossen, weil die Quellensteuer auf Bruttobasis erhoben wird und die Anrechnung regelmäßig nur bis zur Höhe der im Ansässigkeitsstaat auf die Nettoeinkünfte erhobenen Körperschaftsteuer möglich ist (zum Anrechnungshöchstbetrag im deutschen Recht Rz. 15.205 f.). Die praktische Bedeutung der in § 50g EStG verankerten Steuerfreistellung ist allerdings begrenzt: Zinsen unterliegen ganz überwiegend nicht der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht1 und sind zudem abkommensrechtlich zumeist der Besteuerung in Deutschland als Quellenstaat entzogen; Lizenzgebühren unterliegen demgegenüber regelmäßig der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht,2 wobei aber in den meisten Fällen Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht genommen wird.3 Von der auf Antrag zu gewährenden Steuerfreistellung werden Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren erfasst

15.189

– von einer in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft oder einer hier gelegenen Betriebsstätte einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft – an eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige (unmittelbar) verbundene Kapitalgesellschaft oder an eine dort belegene Betriebsstätte einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen verbundenen Kapitalgesellschaft.4 § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a), Abs. 2 Nr. 1 EStG enthält einen eigenständigen Zinsbegriff, der insbesondere gegenüber § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG eine verkürzte Reichweite aufweist.5 Dazu gehören etwa Zinsen aus partiarischen Darlehen und aus Gewinnobligationen ebenso wenig wie Einnahmen aus obligationsähnlichen Genussrechten (§ 50g Abs. 2 Nr. 1 EStG). Darüber hinaus sind von der Steuerfreistellung auch Zinsen ausgeschlossen, die aus deutscher Sicht als verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) zu behandeln sind (§ 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 2 EStG). Angesprochen sind damit die Fälle, in denen der vereinbarte Zins den Fremdvergleichspreis übersteigt,6 oder Fälle, in denen der Zins als Mehrabführung gezahlt wird, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit hat.7 Im Ergebnis werden somit von der Steuerfreistellung nur angemessene Zinsen erfasst, wenn die ihnen zugrunde 1 Vgl. § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG; hierzu Rz. 5.217. 2 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Nr. 6, 9 EStG. 3 Art. 12 Abs. 1 OECD-MA; vgl. die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 4 Zu den einzelnen Fallkonstellationen Dörr, IStR 2005, 109 (111 ff.). 5 Zu Einzelheiten Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 60f. 6 Allerdings nur für den übersteigenden Betrag. 7 Kritisch hierzu Dautzenberg, BB 2004, 17 (19).

585

15.190

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

liegenden Forderungen grundpfandrechtlich gesichert sind (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG).1

15.191 Lizenzgebühren haben in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG ebenfalls eine eigenständige Definition erfahren, die im Wesentlichen mit der Begriffsbestimmung des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG übereinstimmt.2 Da Lizenzgebühren gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 6 oder 9 EStG uneingeschränkt der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen und zudem hierfür gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 EStG eine Quellensteuer i.H.v. 15 Prozent vorgesehen ist, entfaltet § 50g EStG seine eigentliche Bedeutung für Lizenzgebühren. Das bedeutet, dass entsprechende Zahlungen vom Quellensteuerabzug und die entsprechenden Einkünfte aus der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen sind. Auf die Anwendung von DBA kommt es daher insoweit nicht mehr an.

15.192 Die Steuerfreistellung kann nur von Kapitalgesellschaften in Anspruch genommen werden.3 Sie müssen in einem EU-Mitgliedstaat ansässig, d.h. dort unbeschränkt steuerpflichtig sein (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG)4 und zugleich im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen und nicht steuerfrei sein (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc EStG).5 Damit sind von vornherein Drittstaaten-Unternehmen ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn sie über eine Betriebsstätte in einem EU-Mitgliedstaat verfügen. Ein Ausnahme gilt allerdings für in der Schweiz ansässige Unternehmen und in der Schweiz belegene Betriebsstätten von EU-Unternehmen: Sind sie Gläubiger der Zinsen oder Lizenzgebühren, erfolgt die Quellensteuerentlastung unter den auch für EU-Unternehmen maßgeblichen Voraussetzungen (§ 50g Abs. 6 EStG).6 Im Hinblick auf die im DBA-Schweiz enthaltenen vergleichbaren Regelungen hat die vorstehende Sonderregelung vor allem Bedeutung für sog. Dreiecksfälle unter Beteiligung eines EU-Unternehmens.7 Voraussetzung ist schließlich, dass Gläubiger und Schuldner der Zinsen oder Lizenzgebühren miteinander verbundene Unternehmen sind, was eine unmittelbare Beteiligung8 von mindestens 25 Prozent am Nominalkapital voraussetzt, und zwar entweder des nutzungsberechtigten Unternehmens an dem zahlenden oder umgekehrt oder durch Beteiligung eines dritten Unternehmens sowohl an dem nutzungsberechtigten als auch an dem 1 Hierfür ist kein (abgeltender) Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen, so dass die steuerliche Erfassung ausschließlich im Wege der Veranlagung erfolgt. 2 Zu Einzelheiten Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 60f. 3 Die in Anl. 3 zum EStG aufgeführten Unternehmen sind sämtlich Kapitalgesellschaften (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a EStG). 4 Ansässigkeitsbescheinungen sind auf Antrag zu erteilen (vgl. § 50h EStG). 5 Insoweit handelt es sich um eine unilaterale Subject to tax-Klausel. 6 § 50g Abs. 6 EStG setzt Art. 15 Abs. 2 EU-Zinsabkommen mit der Schweiz (ABl. EU Nr. C 385, 20) um. 7 Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 20. 8 Diese Einschränkung führt zu einem nur eingeschränkten Anwendungsbereich.

586

B. Körperschaftsteuer

zahlenden Unternehmen. Als unmittelbare Beteiligung gelten auch solche, die über zwischengeschaltete Personengesellschaften oder von Betriebsstätten gehalten werden.1 Soweit Zins- und Lizenzzahlungen an Betriebsstätten erfolgen, sind diese nur dann steuerbefreit, wenn es sich um eine feste Geschäftseinrichtung in einem EU-Mitgliedstaat handelt, in der die Tätigkeit eines Unternehmens eines anderen EU-Mitgliedstaates ganz oder teilweise ausgeübt wird (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG).2 Voraussetzung für die Privilegierung der Betriebsstätte ist allerdings, dass entsprechend den abkommensrechtlichen Grundsätzen (Rz. 16.358, 16.370) das den Zinsenund Lizenzgebühren zugrunde liegende Stammrecht tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnen ist.3

15.193

III. Steueranrechnung 1. Regelungsinhalt des § 26 KStG § 26 KStG sieht folgende Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor:

15.194

– direkte Steueranrechnung (§ 26 Abs. 1 KStG), – Steuerabzug (§ 26 Abs. 6 KStG i.V. mit § 34c Abs. 2 und 3 EStG), – Steuererlass und Steuerpauschalierung (§ 26 Abs. 6 KStG i.V. mit § 34c Abs. 5 EStG). Im Vordergrund steht die Anrechnungsmethode, die insbesondere durch die Abzugs- und die Pauschalierungsmethode ergänzt wird. Die vorgenannten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entsprechen dem für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Personen geltenden Welteinkommensprinzip und führen im Grundsatz zur Verwirklichung der Kapitalexportneutralität (Rz. 14.29).

15.195

Obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden, sieht § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 50 Abs. 3 EStG unter bestimmten Voraussetzungen die Anrechnung ausländischer Steuern oder deren Abzug auch bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Personen vor, wodurch im Wesentlichen inländische Niederlassungen ausländischer Banken sowie Beteiligungen ausländischer Körperschaften an inländischen Personengesellschaften erfasst werden.

15.196

1 Dörr, IStR 2005, 109 (115 f.). 2 Die dem Art. 3 Buchst. c) der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie entnommene Formulierung ist weit gehend wortgleich mit dem abkommensrechtlichen Begriff in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, so dass die hierfür maßgeblichen Grundsätze ebenfalls zur Anwendung kommen; hierzu Häuselmann/Ludemann, RIW 2005, 123 (129). 3 Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 10; Wagner in Blümich, § 50g Rz. 50 f.

587

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

15.197 Als kollisionsauflösende Norm zielt § 26 KStG darauf ab, eine Doppelund Mehrfachbesteuerung zu vermeiden. Hieran hat sich die Auslegung zu orientieren.

15.198 § 26 Abs. 1 KStG regelt die direkte Steueranrechnung, aufgrund deren z.B. ausländische Quellensteuern auf Dividendeneinkünfte sowie auf ausländische Betriebsstättengewinne erhobene Steuern angerechnet werden können. § 26 Abs. 6 KStG verweist schließlich insbesondere auf die Regelungen des § 34c EStG mit der Folge, dass dadurch u.a. Steuerabzug, Steuerpauschalierung und der Steuererlass als Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch im Rahmen der Körperschaftsteuer zur Geltung kommen. 2. Reichweite des § 26 KStG

15.199 Im Verhältnis zu den DBA ist § 26 KStG grundsätzlich subsidiär (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Vorrang der DBA gilt uneingeschränkt nur in den Fällen, in denen die ausländischen Einkünfte nach der Freistellungsmethode der Besteuerung durch Deutschland entzogen sind.1 Demgegenüber stehen DBA der Anwendung der Erlass- oder Pauschalierungsmethode (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 5 EStG) nicht entgegen.2 In Bezug auf die Anrechnungs- und Abzugsmethode gilt der Vorrang von DBA lediglich im Grundsatz, da § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 6 Sätze 2 bis 5 EStG entsprechende Modifikationen vorsieht (Rz. 15.13).

15.200 Soweit DBA zur Anwendung kommen und als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Steueranrechnung vorschreiben, wegen der Modalitäten aber auf innerstaatliches Recht verweisen, greifen die nationalen Anrechnungsregeln ein (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG). Das Gleiche gilt für den Fall, dass DBA eine Steueranrechnung anordnen, ohne auf innerstaatliches Recht ausdrücklich zu verweisen (Rz. 15.13, 16.552). 3. Direkte Steueranrechnung

15.201 § 26 Abs. 1 KStG, der die direkte Steueranrechnung regelt, entspricht dem Wortlaut des § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. § 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5 EStG kommt über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG zur Anwendung, allerdings unter dem Vorbehalt des § 26 Abs. 6 Satz 2 KStG, der für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages eine speziell auf die Körperschaftsteuer ausgerichtete Sonderregelung enthält. Die direkte Steueranrechnung gem. 1 Vgl. BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317. 2 Lüdicke in F/W/B, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof9, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 173.

588

B. Körperschaftsteuer

§ 26 Abs. 1 KStG entspricht im Wesentlichen der in § 34c Abs. 1 EStG geregelten Steueranrechnung. Im Folgenden seien jedoch einige Besonderheiten erläutert: Die direkte Steueranrechnung kann im Grundsatz nur von unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern gem. § 1 Abs. 1 KStG in Anspruch genommen werden.1 Damit werden auch jene Körperschaftsteuersubjekte erfasst, die nach ausländischem Recht errichtet sind, soweit diese nach dem maßgeblichen Typenvergleich einem der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Rechtsträger vergleichbar sind (Rz. 6.7).

15.202

Die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG setzt ebenso wie § 34c Abs. 1 EStG eine Steuersubjektidentität voraus. Dieses Erfordernis erfährt durch § 19 Abs. 1 KStG im Rahmen der Organschaft eine Ausnahme dahingehend, dass die von der Organgesellschaft gezahlten ausländischen Steuern vom Organträger angerechnet werden können. Nach § 19 Abs. 1 KStG sind nämlich besondere Tarifvorschriften, zu denen auch § 26 Abs. 1 KStG zählt,2 beim Organträger so anzuwenden, als wären die Voraussetzungen für ihre Anwendung bei ihm selbst erfüllt. Voraussetzung für die Steueranrechnung beim Organträger ist, dass dieser der unbeschränkten Körperschaftsteuer- oder Einkommensteuerpflicht (§ 19 Abs. 2 KStG) unterliegt und die Voraussetzungen für die Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG von der Organgesellschaft dem Grunde nach erfüllt werden.3 Über § 19 Abs. 3 KStG kommt auch eine Steueranrechnung für den Fall in Betracht, dass eine Personengesellschaft Organträgerin ist: Die direkte Steueranrechnung kann hier nur durch die Gesellschafter selbst in Anspruch genommen werden.4 Ist der Organträger ein ausländisches Unternehmen i.S. des § 18 KStG, also lediglich beschränkt steuerpflichtig, so findet über § 19 Abs. 4 KStG die für beschränkt steuerpflichtige Personen geltende Steueranrechnungsvorschrift des § 50 Abs. 3 EStG5 Anwendung.

15.203

Obwohl § 26 Abs. 1 KStG den Begriff der ausländischen Einkünfte nicht definiert und § 26 Abs. 6 KStG nicht unmittelbar6 auf § 34d EStG verweist, gilt der in § 34d EStG enthaltene Katalog der ausländischen Einkünfte auch für Zwecke der direkten Steueranrechnung bei der Körperschaftsteuer.7 Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Rechtsträger an

15.204

1 Zur beschränkten Steuerpflicht vgl. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 50 Abs. 3 EStG. 2 BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. 3 Hierzu näher Geurts in Ernst & Young, § 26 KStGRz. 131, 146; Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 21. 4 Hierzu Neumann in Gosch2, § 19 KStG Rz. 17 f. 5 Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 17. 6 Allerdings Bezugnahme über § 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5, Abs. 2 bis 5 EStG, auf den § 34d EStG verweist. 7 Hierzu Roser in Gosch2, § 26 KStG Rz. 48; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 51; Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 28.

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Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

inländischen Personengesellschaften beteiligt sind, die ihrerseits ausländische Einkünfte beziehen, sind diese im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte dem betreffenden Rechtsträger nach Maßgabe seiner Beteiligung zuzurechnen,1 wobei zugleich auch die hierauf entfallenden ausländischen Steuern festgestellt werden. Im Ergebnis erfolgt die Anrechnung der ausländischen Steuern so, als habe der betreffende Gesellschafter die anteiligen ausländischen Einkünfte selbst bezogen und als wäre er mit der darauf entfallenden ausländischen Steuer unmittelbar belastet worden.2 Entsprechendes gilt auch bei der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft.

15.205 Wegen der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages verweist § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG zwar auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach die ausländische Steuer nur bis zu dem Höchstbetrag anrechenbar ist, der sich durch das Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte, bezogen auf die sich bei der Veranlagung ergebende Steuer, errechnet (Rz. 15.111); entsprechend der Systematik des Körperschaftsteuergesetzes wird aber abweichend hiervon die Anrechnung nicht auf die Durchschnittssteuerbelastung insgesamt bezogen, sondern gem. § 26 Abs. 6 Satz 2 KStG nur auf die Tarifbelastung (§ 23 Abs. 1 KStG), also auf die Körperschaftsteuer vor Anwendung der auf eine Körperschaftsteuerminderung bzw. -erhöhung gerichteten §§ 37, 38 KStG.

15.206

Im Hinblick auf den Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent (§ 23 Abs. 1 KStG) kommt es in der Praxis nicht selten zu erheblichen Anrechnungsüberhängen, insbesondere in den Fällen, in denen die ausländische Quellensteuer auf Bruttobasis erhoben wird. Eine Anrechnung auch auf die Gewerbesteuer, die bei Kapitalgesellschaften eine annähernd gleich hohe Belastungswirkung erzeugt wie die Körperschaftsteuer, ist von Gesetzes wegen zwar nicht vorgesehen, in Orientierung an das Leistungsfähigkeitsprinzip de lege ferenda aber geboten (Rz. 16.554). Das gilt vor allem auch deshalb, weil der alternative Steuerabzug (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 2 EStG) allenfalls eine Milderung der Doppelbesteuerung herzustellen vermag, die zudem in Verlustfällen durch die Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 10d EStG) an Wirkung verliert. Die Doppelbesteuerung ist daher ggf. durch Billigkeitserlass (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden.

15.207 Soweit im Ausland eine Körperschaftsteueranrechnung gewährt wird, erfolgt hierdurch eine Reduzierung der vom inländischen Dividendengläubiger im Ausland gezahlten Körperschaftsteuer mit der Folge, dass nur diejenige ausländische Steuer anzurechnen ist, die nach Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer noch verbleibt. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus § 26 Abs. 1 KStG, wonach nur die um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer zur Anrechnung kommt (Rz. 15.107).

1 Vgl. BFH v. 22.3.1994 – VII R 117/92, BStBl. II 1994, 789. 2 Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 69.

590

B. Körperschaftsteuer

Für die Anrechnung ausländischer Quellensteuern für Zinsen und Lizenzgebühren aus bestimmten EU-Staaten enthält § 26 Abs. 6 Sätze 4 bis 9 KStG eine Sonderregelung, die auf der Zins- und Lizenz-Richtlinie1 beruht. Hiernach unterbleibt im Grundsatz ein Quellensteuerabzug auf den Transfer von Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb der EU. Diesem Freistellungskonzept entsprechen die Regelungen in den §§ 50g, 50h EStG (Rz. 15.187 ff.). Einige EU-Mitgliedstaaten2 sind jedoch berechtigt, für eine Übergangszeit weiterhin Quellensteuer in begrenzter Höhe zu erheben.3 Dementsprechend ist Deutschland gehalten, die Doppelbesteuerung in dieser Übergangszeit durch Anrechnung zu vermeiden. Die hierfür im § 26 Abs. 6 Satz 4 bis 9 KStG getroffene Regelung, die weit gehend deklaratorischer Natur ist, betrifft die – Anrechnungsbegrenzung auf die in Art. 6 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie zulässigen Höchstsätze, soweit diese niedriger sind als die abkommensrechtlich zulässigen Steuersätze, es sei denn diese sind niedriger,4 – Reduktion des Anrechnungshöchstbetrages dadurch, dass die nach der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie steuerfrei gestellten Zinsen und Lizenzgebühren bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte aus dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat nicht zu berücksichtigen sind,5 – Herkunftsfiktion von Zinsen und Lizenzgebühren, wonach eine entsprechende Zahlung seitens eines Unternehmens, das in Ländern ansässig ist, für die die richtliniengemäße Übergangsregelung gilt, stets als aus dem betreffenden EU-Mitgliedstaat stammend angesehen wird,6 – zeitliche Begrenzung der abkommensrechtlich vorgesehenen Anrechnung fiktiver Quellensteuern auf Zinsen und Lizenzgebühren entsprechend der in Art. 6 Abs. 6 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie vorgesehenen Übergangszeit,7 – Anrechnung von Quellensteuern durch inländische Betriebsstätten ausländischer EU-Unternehmen für Zinsen und Lizenzgebühren im

1 Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABL. EU Nr. L 157/49 v. 26.6.2003 und Richtlinie 2004/76/EG v. 29.4.2004, ABL. EU Nr. L 157/106 v. 30.4.2004 betreffend die Erweiterung der EU zum 1.5.2004 um weitere Mitgliedstaaten; hierzu Rz. 3.69 ff. 2 Griechenland, Lettland, Litauen, Polen und Portugal für Zinsen und Lizenzgebühren sowie Spanien, die Slowakei und Tschechien nur für Lizenzgebühren. 3 Hierzu die Übersicht bei Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 126 und Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 141. 4 § 26 Abs. 6 Satz 4 KStG. 5 § 26 Abs. 6 Satz 5 KStG i.V. mit § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG, § 34c Abs. 6 Satz 3, Abs. 1 Satz 3 EStG; zur Höchstbetragsberechnung vgl. Rz. 15.205. 6 § 26 Abs. 6 Satz 6 KStG. 7 § 26 Abs. 6 Satz 7 KStG; betroffen sind Griechenland und Spanien für Zinsen sowie Portugal für Zinsen und Lizenzgebühren; zur Anrechnung fiktiver Quellensteuern Rz. 16.566 ff.

591

15.208

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Rahmen des § 50 Abs. 3 EStG, wobei die Anrechnung auf den zulässigen Höchstsatz begrenzt ist.1

15.209 Im Hinblick darauf, dass die in § 26 Abs. 6 Sätze 4 bis 9 KStG enthaltene Sonderregelung keine Definition der Zinsen und Lizenzgebühren enthält, gilt das Begriffsverständnis der umgesetzten Zins- und LizenzgebührenRichtlinie.2

15.210 § 26 Abs. 6 Satz 10 KStG enthält schließlich eine die Schweiz betreffende Sonderregelung, wonach die Anrechnungskonkurrenz hinsichtlich der nach dem DBA-Schweiz und dem EU-Zinsabkommen mit der Schweiz3 entsprechend § 26 Abs. 6 Satz 4 bis 9 KStG zu lösen ist. Da indessen nach Art. 11, 12 DBA-Schweiz keine schweizerische Quellensteuerberechtigung für Zins- und Lizenzzahlungen besteht, hat die vorstehende Sonderregelung einstweilen keine Bedeutung.4 4. Steuerabzug

15.211 Gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG kommt die Regelung des § 34c Abs. 2 und 3 EStG zur Anwendung, so dass der Steuerabzug als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch im Bereich der Körperschaftsteuer Geltung hat. Der Steuerabzug hat bei der Körperschaftsteuer die gleiche rechtliche Struktur wie bei der Einkommensteuer. Im Folgenden werden daher nur die für das Körperschaftsteuerrecht geltenden Besonderheiten erörtert.

15.212 Der den Steuerabzug regelnde § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 und 3 EStG) ermöglicht in Abweichung von § 10 Nr. 2 KStG5 den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte,6 wodurch grundsätzlich auch eine Gewerbesteuerersparnis eintritt.7 Da der Steuerabzug bei der Ermittlung der Einkünfte erfolgt, es sich mithin nicht um die Anwendung einer besonderen Tarifvorschrift handelt, greift im Falle der Organschaft § 19 Abs. 1 KStG nicht ein. Dies hat zur Folge, dass der Steuerabzug nicht beim Organträger, sondern bei der Organgesellschaft zu

1 § 26 Abs. 6 Satz 8 und 9 KStG; betroffen sind die Quellensteuern auf Zinsen und/ oder Lizenzgebühren aus Griechenland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Slowakei, Spanien und Tschechien. 2 Art. 2 Buchst. a) (Zinsen), Art. 2 Buchst. b) (Lizenzgebühren) der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABL. EU Nr. L 157/49 26.6.2003); vgl. auch § 50g Abs. 3 Nr. 4 EStG. 3 ABl. EU Nr. L 385, 30. 4 Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 152. 5 Das Abzugsverbot betrifft auch ausländische Steuern; BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920. 6 Vorbehaltlich des Verlustabzugsverbotes gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit 2a EStG bei nicht abziehbaren Auslandsverlusten. 7 Vgl. zur Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 12 GewStG Rz. 15.234.

592

B. Körperschaftsteuer

berücksichtigen ist.1 Das bedeutet zugleich, dass der Antrag auf Steuerabzug von jeder Organgesellschaft gesondert gestellt werden kann.2 Das Organeinkommen wird daher um die abgezogene ausländische Steuer reduziert und sodann gem. § 14 Satz 1 KStG dem Organträger zur Besteuerung zugewiesen.3 Der alternative Steuerabzug, der gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) auf Antrag anstelle der Anrechnung vorgenommen werden kann,4 ist auch in denjenigen Fällen möglich, in denen ein DBA lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern vorschreibt (Rz. 16.552). Das gilt allerdings nicht für den Fall, dass ein DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern5 zulässt (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V. mit § 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG).

15.213

Der Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 3 EStG) greift im Unterschied zum Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) nur dann ein, wenn die Voraussetzungen für die Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) nicht gegeben sind, weil die ausländische Steuer

15.214

– nicht der deutschen Einkommensteuer/Körperschaftsteuer entspricht, – nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen, oder – auf Einkünfte erhoben wird, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind.6 Während die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG und der Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 3 EStG) nebeneinander möglich sind, schließen sich die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG und der alternative Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) gegenseitig aus.

15.215

5. Steuererlass und Steuerpauschalierung Da über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG auch die Regelung des § 34c Abs. 5 EStG zur Anwendung kommt, kann ebenso wie für die Einkommensteuer auch für die Körperschaftsteuer ein Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung in Anspruch genommen werden. Während der für den Steuererlass 1 Müller-Dott in F/W/B, § 26 KStG Rz. 256; Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 105; Roser in Gosch2, § 26 KStG Rz. 132; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 146. 2 Roser in Gosch2, § 26 KStGRz. 132; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 146; Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 52; Täske in Blümich, § 26 KStG Rz. 105. 3 Müller-Dott in F/W/B, § 26 KStG Rz. 256. 4 Zu den Belastungsunterschieden zwischen Steueranrechnung einerseits und Steuerabzug andererseits Müller-Dott in F/W/B, § 26 KStG Rz. 232 ff.; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 148 ff. 5 Tax matching credit/tax sparing credit. 6 Zu weiteren Einzelheiten Müller-Dott in F/W/B, § 26 KStG Rz. 265 ff.

593

15.216

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

im Einkommensteuerrecht maßgebliche Auslandstätigkeitserlass1 für die Körperschaftsteuer keine Bedeutung hat und darüber hinaus keine Verwaltungsregelungen zur Steuerpauschalierung bestehen,2 sind im Bereich der Körperschaftsteuer einstweilen nur individuelle Einzelregelungen möglich.

C. Gewerbesteuer Literatur Kommentare zu § 9 GewStG; Dallwitz/Mattern/Schnitger, Beeinträchtigung grenzüberschreitender Finanzierung durch das JStG 2007, DStR 2007, 1697; Ernst, Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg – Irrungen und Wirrungen in nationalen und grenzüberschreitenden Konstellationen, Ubg 2010, 494; Glassl, Schachtelbeteiligung bei der Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer, Herne/ Berlin 1973; Gröning/Siegmund, Aushöhlung des Objektprinzips der Gewerbesteuer: Dauerschuldzinsaufwendungen für Streubesitzbeteiligungen, DStR 2003, 617; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Heurung/Engel/Seidel, Das DBA-Schachtelprivileg in Körperschaft- und Gewerbesteuer, DB 2010, 1551; Kessler/Knörzer, Die Verschärfung der gewerbesteuerlichen Schachtelstrafe – erneute Diskriminierung inländischer Holdinggesellschaften?, IStR 2008, 121; Killinger, Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei der Anwendung der Weisungsvorschriften des § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG, BB 1999, 500; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, DStR 2002, 1341; Moebus, Schachtelbeteiligung bei Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer, Herne/Berlin 1979; Prinz/Simon, Kuriositäten und Ungereimtheiten des UntStFG: Ungewollte Abschaffung des gewebesteuerlichen Schachtelprivileges für Kapitalgesellschaften? DStR 2002, 149; Rödder, Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von „Streubesitzdividenden“ nach § 8 Nr. 5 GewStG n.F., WPg 2002, 625; Schaumburg, Die Befreiungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 269.

I. Allgemeines 15.217 Aus dem dem Gewerbesteuergesetz als Konzeption zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip folgt die örtliche Anknüpfung der Besteuerung an das Gebiet einer bestimmten (inländischen) Gemeinde, in dem ein Gewerbebetrieb unterhalten wird (Rz. 8.1). Die Gewerbesteuer beschränkt sich damit grundsätzlich auf das Inland (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), so dass im Gegensatz zur Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer das Territorialprinzip verwirklicht wird. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppel1 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470. 2 Der Pauschalierungserlass (BMF v. 10.4.1984, BStBl. I 1984, 252) ist mit Wirkung ab 2004 aufgehoben worden (BMF v. 24.11.2003, BStBl. I 2003, 747).

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C. Gewerbesteuer

besteuerung stellen sich daher anders als bei der Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaft-/Schenkungsteuer für Zwecke der Gewerbesteuer nicht als Kehrseite des Welteinkommensprinzips dar. Dass das Gewerbesteuergesetz gleichwohl spezifische Regelungen enthält, die der Vermeidung einer Doppelbesteuerung (Mehrfachbelastung) dienen, hat seinen Grund insbesondere in Art. 3 Abs. 1 GG. Das in § 9 Nr. 7 GewStG verankerte, auf die Vermeidung (internationaler) Doppelbesteuerung ausgerichtete gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bewirkt nämlich im Wesentlichen eine Gleichbehandlung mit dem nationalen Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG sowie eine Gleichstellung mit der Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG. Mit dieser Gleichstellung ist einerseits sichergestellt, dass Erträge ausländischer Betriebsstätten, ausländischer Personen- und ausländischer Kapitalgesellschaften gleichermaßen von inländischer Gewerbesteuer freigestellt sind, und andererseits, dass diese ausländischen Erträge ebenso wie die entsprechenden inländischen Erträge im Inland nicht nochmals der Gewerbesteuer unterworfen werden.1 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG greift auch dann ein, wenn die ausländischen Beteiligungserträge nicht mit ausländischer Gewerbesteuer belastet sind. Dies entspricht konzeptionell den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien, die, soweit sie nicht mit subject to tax-Klauseln (Rz. 16.522) gekoppelt sind, stets auf die Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung gerichtet sind (Rz. 12.8).

15.218

Dass die gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien nicht darauf abstellen, ob im Ausland tatsächlich eine Gewerbesteuer erhoben wird, hat seinen eigentlichen Grund darin, dass zwischen den einzelnen Ertragsteuern, etwa zwischen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, eine enge Verzahnung besteht und deshalb die Belastung ausländischer Tochter- und Enkelgesellschaften durch Ertragsteuern – ohne Rücksicht auf die jeweilige Steuerordnung des anderen Staates – als Einheit zu sehen ist.2

15.219

Soweit das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz ganz oder teilweise Steuerbefreiungen vorsehen, gelten diese über § 7 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung auch der internationalen Doppelbesteuerung sind hiermit insbesondere § 3 Nr. 40, 41 EStG (Rz. 15.20 ff.) und § 8b KStG (Rz. 15.152 ff.) angesprochen (§ 7 Satz 4 GewStG). Im Ausgangspunkt sind damit etwa Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen ganz oder zu 40 Prozent steuerfrei. Eine weitergehende Freistellung oder aber deren Rückgängigmachung erfolgt durch Kürzungen (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG) oder Hinzurechnungen (§ 8 Nr. 5 GewStG). Schließlich gewähren auch DBA für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein internationales Schachtelprivileg. Dieses schlägt über § 7 GewStG unmittelbar auf die Gewerbesteuer

15.220

1 Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 18; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 1; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 288. 2 Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (294).

595

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

durch, so dass insoweit § 9 Nr. 7 GewStG nur subsidiäre Bedeutung hat.1 Führt die Anwendung des betreffenden DBAs zu keiner Freistellung für die Gewerbesteuer, kann sich hiervon unabhängig die Steuerfreistellung aus § 9 Nr. 7 GewStG ergeben. Im Ergebnis sind damit stets die für den Steuerpflichtigen günstigeren Bestimmungen anzuwenden.2

15.221 Im Gegensatz zu den übrigen Schachtelprivilegien ist das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg (§ 9 Nr. 7 GewStG) rechtsformneutral ausgestaltet, so dass es von jeder Person beansprucht werden kann, die einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S. von § 7 GewStG erzielt.3 Diese Rechtsformneutralität4 hat ihren Grund in der Gleichbehandlung mit Steuerfreistellungen anderer in- und ausländischer Erträge, die ebenfalls rechtsformunabhängig gewährt werden.

15.222

Die über § 7 GewStG auf die Gewerbesteuer durchschlagenden Steuerfreistellungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes (§ 3 Nr. 40, 41 EStG, § 8b KStG) haben ebenso wie die gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien (§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG) in erster Linie das Ziel, eine mehrfache Gewerbesteuerbelastung auf verschiedenen Beteiligungsstufen einer Unternehmenskette zu vermeiden. Damit steht die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung im Vordergrund. Im internationalen Kontext geht es vor allem um Auslandsdividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften.

II. Steuerfreie Dividenden 15.223 Für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags verweist § 7 GewStG auf die Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes. Damit wird im Ausgangspunkt eine kongruente Bemessungsgrundlage sichergestellt, die in Orientierung an den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer allerdings durch Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) Modifikationen erfährt. Aus der Anknüpfung an die für die Einkommen- und Körperschaftsteuer maßgebliche Bemessungsgrundlage folgt, dass u.a. auch die im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens gewährte Steuerfreistellung für Bezüge (§ 3 Nr. 40 Buchst. d und e EStG) sowie § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung kommt (§ 7 Satz 4 GewStG). Erfasst werden hierdurch im Wesentlichen Dividenden, die Einzelgewerbetreibende und Mitunternehmerschaften im Rahmen ihrer Betriebe beziehen. Die hierfür im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens verankerte partielle 1 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 293. 2 Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 GewStG Rz. 1; R 9.5 Satz 7 GewStR 2009. 3 Sarazzin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 22; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 289; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 3. 4 Schachtelprivilegien werden sonst durchweg nur juristischen Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften gewährt; vgl. § 8b Abs. 1, 2 KStG; DBA-Schachtelprivilegien (Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90).

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C. Gewerbesteuer

Steuerbefreiung gilt somit grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer.1 Über § 7 Satz 1 GewStG werden schließlich auch Auslandsdividenden ausgenommen, soweit der Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang bereits zur Hinzurechnungsbesteuerung herangezogen wurde (§ 3 Nr. 41 EStG2). Über § 7 Satz 1 GewStG kommt auch die Freistellung gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG zur Anwendung mit der Folge, dass im Ergebnis 95 Prozent der Bezüge steuerfrei bleiben (Rz. 15.166 ff.) und somit nicht in den Gewerbeertrag eingehen. Soweit Einzelgewerbetreibende Dividenden aus dem Ausland beziehen, gehen sie nach Maßgabe des auch für die Gewerbesteuer zur Anwendung kommenden Teileinkünfteverfahrens nur zu 60 Prozent in den Gewerbeertrag ein (§ 7 Satz 1 GewStG i.V. mit § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG). Durch das Zusammenspiel von § 8 Nr. 5 GewStG einerseits und § 9 Nr. 7 GewStG andererseits wird das Teileinkünfteverfahren für gewerbesteuerliche Zwecke im Ergebnis indessen wieder suspendiert. Dies deshalb, weil entweder die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG zu einer uneingeschränkten Gewerbesteuerbelastung führt oder aber das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg in § 9 Nr. 7 GewStG eine vollständige Freistellung bewirkt. Mit anderen Worten: Ausländische Dividenden unterliegen entweder in vollem Umfang oder überhaupt nicht der Gewerbesteuer.3 Die vorgenannte Hinzurechnung gilt allerdings nicht in den Fällen des § 3 Nr. 41 EStG (§ 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG), so dass Dividenden, denen Gewinne zugrunde liegen, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt wurden, keiner zusätzlichen Gewerbesteuer ausgesetzt sind.

15.224

Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für den Fall, dass die Bezüge im Rahmen der Einkünfteermittlung auf der Ebene einer Mitunternehmerschaft zu erfassen sind (§ 7 Satz 4 GewStG). Voraussetzung ist, dass an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind. Damit werden im Ergebnis auch doppelstöckige Personengesellschaften erfasst.4 Soweit Körperschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, kommt § 8b KStG zur Anwendung (§ 7 Satz 4 Halbs. 2 GewStG).

15.225

Das für die Gewerbesteuer gem. § 7 Satz 1 GewStG an sich maßgebliche Teileinkünfteverfahren wird durch Hinzurechnung unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 5 GewStG wieder rückgängig gemacht. Der Hinzurechnung unterliegen die außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit nicht die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien gem.

15.226

1 Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 45; Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 3. 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 4; ferner Rz. 15.39. 3 Hierzu Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 45. 4 Vgl. Roser in L/S, § 7 GewStG Rz. 393.

597

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG erfüllt sind. Die vorgenannten gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien setzen eine Mindestbeteiligungsquote von 5 Prozent seit Beginn des Erhebungszeitraums voraus und verlangen zudem bei ausländischen Rechtsträgern, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, eine aktive Tätigkeit. Deshalb bewirkt die Hinzurechnung im Ergebnis stets eine uneingeschränkte Gewerbesteuerbelastung für Streubesitzdividenden, für in- und ausländische Dividenden aus Kapitalanteilen, die unterjährig erworben wurden, und generell für Dividenden seitens ausländischer außerhalb der EU ansässiger Rechtsträger, soweit diese nicht aktiv tätig sind.

15.227

Die insbesondere auf die Suspendierung des Teileinkünfteverfahrens für gewerbesteuerliche Zwecke gerichtete Hinzurechnung führt zu einer Störung des Systemzusammenhangs zwischen dem im Einkommensteuergesetz angelegten Teileinkünfteverfahren und der daran anknüpfenden kongruenten gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Damit wird zugleich das durch das Teileinkünfteverfahren verfolgte Ziel der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung (Rz. 15.20) für gewerbesteuerliche Zwecke verfehlt. Im internationalen Kontext bedeutet dies, dass eine internationale Doppelbesteuerung somit nicht vermieden werden kann. Dieser Systembruch ist allein fiskalisch motiviert: Dem Gesetzgeber ging es im Wesentlichen darum, das Gewerbesteueraufkommen durch Einbeziehung von Streubesitzdividenden in die Bemessungsgrundlage zu sichern.1

15.228 Die Hinzurechnung betrifft nach dem Wortlaut des Gesetzes nur Gewinnanteile (Dividenden) und die ihnen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung und Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die, soweit sie gem. § 3 Nr. 40 EStG steuerfrei sind, bei der Gewinnermittlung außer Ansatz bleiben. Trotz unterschiedlicher Formulierungen sind § 8 Nr. 5 GewStG einerseits und § 3 Nr. 40 EStG andererseits insoweit deckungsgleich als § 3 Nr. 40 EStG alle steuerfreien Bezüge und Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i EStG erfasst.2 Das sind im Wesentlichen Dividenden. Der Hinzurechnung unterliegen nur die Nettobeträge; es werden also auch solche Betriebsausgaben berücksichtigt, die gem. § 3c Abs. 2 EStG bei der Gewinnermittlung nicht abgezogen werden dürfen (§ 8 Nr. 5 Satz 1 3. und 4. Halbs. GewStG). Soweit es hierbei zu einem negativen Nettobetrag kommt, bleibt eine Hinzurechnung, die sich in diesem Falle als Kürzung auswirken würde, allerdings versagt.3

15.229 Über § 7 Satz 1 GewStG kommen auch die Körperschaftsteuerbefreiungen gem. § 8b Abs. 1, 2 KStG zur Anwendung. Das hat zur Folge, dass 1 Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG, Rz. 561. 2 Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150). 3 Zur Begründung Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 586; Gröning/Siegmund, DStR 2003, 617 ff.; a.A. Sarrazin in L/S, § 8 Nr. 5 GewStGRz. 13; Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 5 GewStGRz. 3.

598

C. Gewerbesteuer

im Ausgangspunkt 95 Prozent der Dividenden (§ 8b Abs. 1, 3 KStG) und die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen (§ 8b Abs. 2, 3 KStG) aus dem Gewerbeertrag herausgenommen sind. Soweit es sich um die Veräußerungsgewinne handelt, ist diese Freistellung von der Gewerbesteuer endgültig. Für Dividenden und ihnen gleichgestellte Einnahmen kommt allerdings die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG zur Anwendung, so dass die Freistellung für Streubesitzdividenden, Dividenden aus unterjährig erworbenen Kapitalanteilen und Dividenden von nicht aktiv tätigen ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit diese nicht in EUMitgliedstaaten ansässig sind, suspendiert wird. Auch hier erfolgt die Hinzurechnung mit dem Nettobetrag, also auch unter Berücksichtigung von § 8b Abs. 5 KStG.1 Die Hinzurechnung hat für die in § 8 Nr. 5 GewStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen indessen nur eine begrenzte Reichweite: In den Fällen, in denen Auslandsdividenden den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien unterliegen und diese auch für die Gewerbesteuer gelten, kommt die abkommensrechtliche Freistellung (Rz. 16.545 ff.) ohne die Einschränkung des § 8 Nr. 5 GewStG zur Anwendung. Denn die auf den Bruttobetrag der Dividende bezogene abkommensrechtliche Freistellung wird ohne Vorbehalt gewährt, so dass die für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung zur Anwendung kommt.2

15.230

Im Übrigen unterbleibt eine Hinzurechnung und damit zugleich die Suspendierung von § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG, soweit die Voraussetzungen der in § 9 Nr. 2a, 7 GewStG verankerten gewerbesteuerlichen Schachelprivilegien erfüllt sind. Im außensteuerlichen Kontext ist allein § 9 Nr. 7 GewStG von Bedeutung. Das dort verankerte gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gilt sowohl bei unmittelbarer als auch bei mittelbarer Beteiligung.

15.231

III. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg 1. Unmittelbare Beteiligung Das als Kürzung ausgeprägte gewerbesteuerliche Schachtelprivileg, das von jedem in Anspruch genommen werden kann, der einen Gewinn aus 1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 74. 2 BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, DB 2010, 1802; Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 576; Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 2; Eilers/ Wienands in F/W/B, § 8b KStG Rz. 91; Kröner in Ernst & Young, § 8b KStG Rz. 76; Hageböke, IStR 2009, 473 (477); Ernst, Ubg 2010, 494 (503); Haas, DB 2002, 549 (551); Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150); Dallwitz/Mattern/Schnitger, DStR 2007, 1697; Kessler/Knörzer, IStR 2008, 121 (122); Köhler, DStR 2002, 1341 (1343); Rödder, WPg 2002, 625 (626); Heurung/Engel/Seidel, DB 2010, 1551 (1555); R 9.5 Satz 7 GewStR 2009; a.A. Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 29; Sarrazin in L/S, § 8 Nr. 5 GewStGRz. 26.

599

15.232

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Gewerbebetrieb i.S. von § 7 GewStG erzielt, bewirkt, dass die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die Gewinne aus Anteilen an einer aktiv tätigen ausländischen Kapitalgesellschaft oder einer EG-Tochtergesellschaft1 bei wesentlicher Beteiligung (5 Prozent) gekürzt wird (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG).

15.233 Da die Kürzung nur Gewinnanteile betrifft,2 die bei der Ermittlung des Gewinns nach § 7 GewStG angesetzt worden sind,3 fallen unter die Kürzung des § 9 Nr. 7 GewStG auch verdeckte Gewinnausschüttungen, Vorabausschüttungen und anderweitige geldwerte Vorteile wie Gratisaktien, Boni und Liquidationsgewinne. Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG hat indessen eine begrenzte Reichweite. Soweit ein DBA zur Anwendung kommt und dieses auch für gewerbesteuerliche Zwecke ein Schachtelprivileg gewährt, greift § 9 Nr. 7 GewStG von vornherein nicht ein, weil die so abkommensrechtlich steuerfrei gestellte Dividende bereits nicht im Gewinn gem. § 7 Satz 1 GewStG enthalten und eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG ausgeschlossen ist.4 Im Übrigen entfaltet § 9 Nr. 7 GewStG seine Wirkung nur im Rahmen der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG. Hiernach unterbleibt eine Hinzurechnung ausländischer Dividenden nur unter den Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG (Rz. 15.231). Da § 8 Nr. 5 GewStG unter dem Vorbehalt der Kürzungsvoraussetzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG steht, andererseits aber die Kürzung wiederum die vorangegangene Hinzurechnung voraussetzt, ginge das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg eigentlich ins Leere.5 In Orientierung an den Sinn und Zweck des § 9 Nr. 7 GewStG – Vermeidung der Doppel- und Mehrfachbesteuerung – ist der Regelungszusammenhang zwischen § 8 Nr. 5 GewStG und § 9 Nr. 7 GewStG so zu verstehen, dass § 8 Nr. 5 GewStG vorgeht und der Verweis auf § 9 Nr. 7 GewStG lediglich die abstrakten Tatbestandsvoraussetzungen betrifft.6

15.234 Da in die Kürzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG nur dasjenige einbezogen wird, was zuvor in den Gewinn gem. § 7 GewStG eingegangen ist, mindern Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Bezug der Dividenden den Kürzungsbetrag, wenn sie selbst ebenfalls den Gewinn gemindert haben (§ 9 Nr. 7 Satz 2 i.V. mit § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG). Sind ausländische Steuern, die auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Er1 Aufgeführt in Art. 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990 (ABl. EG Nr. L 255, 6 v. 20.8.1990); vgl. hierzu Anlage 2 zum EStG. 2 Nicht aber Anteilsveräußerungsgewinne; vgl. BFH v. 17.12.1971 – VIII R 3/70, BStBl. II 1972, 468; v. 2.2.1972 – I R 217/69, BStBl. II 1972, 470; v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160. 3 Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 8 GewStG Rz. 13. 4 BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; v. 23.6.2010 – I R 71/09, DB 2010, 1802; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 293; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 13; vgl. auch Rz. 15.230. 5 Hierzu Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150). 6 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 294; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 74 f.; Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 1.

600

C. Gewerbesteuer

mittlung des Gewerbeertrages außer Ansatz bleiben oder gem. § 9 GewStG gekürzt werden, nach § 34c Abs. 2 und 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, unterliegen sie gem. § 8 Nr. 12 GewStG einer Hinzurechnung. Damit wird eine zweifache Minderung des Gewerbeertrags in den Fällen vermieden, in denen die ausländischen Einkünfte ohnehin nicht der Gewerbesteuer unterliegen, z.B. weil es sich um Schachteldividenden handelt, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG gekürzt werden. Der Kürzung unterliegen nur Gewinne aus einem Anteil an einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Es muss sich im Anwendungsbereich von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG in Abgrenzung zu § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG um eine unmittelbare Beteiligung am Nennkapital handeln, so dass einerseits Gewinnanteile stiller Gesellschafter oder partiarischer Darlehensgeber und andererseits Gewinne aus Beteiligungen über andere Gesellschaften, etwa Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften nicht von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG erfasst werden.1 Die unmittelbare Beteiligung muss mindestens 5 Prozent betragen und während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden haben.2 Werden die Anteile an der ausländischen Tochtergesellschaft zum Jahreswechsel übertragen, können allerdings sowohl der Veräußerer (für den abgelaufenen Zeitraum) als auch der Erwerber (für den neuen Zeitraum) die Kürzung nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG beanspruchen.3

15.235

Soweit es sich nicht um eine EU-Tochtergesellschaft handelt, muss die ausländische Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) in dem Wirtschaftsjahr, für das sie ihre Ausschüttungen vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeiten und/oder aus einer ausländischen Landes- oder Funktionsholding4 bezogen haben (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG).

15.236

Für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 GewStG wird das Erfordernis einer aktiven Tätigkeit damit begründet, dass die Förderung der Wettbewerbslage ausländischer Tochtergesellschaften nur dann in Betracht komme, wenn diese Gesellschaften im Ausland durch Entfaltung eigener unternehmerischer Tätigkeit überhaupt dem dortigen Wettbewerb ausgesetzt seien. Indessen ist die Aktivitätsklausel des § 9 Nr. 7 GewStG nicht sachgerecht. Erzielt die ausländische Tochtergesellschaft über das unschädliche Maß

15.237

1 Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 2; eine mittelbare Beteiligung lassen dagegen ausreichen BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 23 (die praktische Bedeutung dieser Meinungsunterschiede ist gering); Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 308; Schnitter in Frotscher/Maas, § 9 GewStG Rz. 210; OFD Hannover v. 15.7.2002, DB 2002, 1917. 2 BFH v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStGRz. 2. 3 BMF v. 8.1.1976, FR 1976, 97 (sog. Mitternachtserlass); vgl. auch Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 309. 4 Die Voraussetzungen entsprechen denen des § 8 Abs. 2 AStG a.F.

601

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (10 Prozent der Bruttoerträge)1 hinaus Einkünfte aus passivem Erwerb, so entfällt in vollem Umfang das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg, also auch insoweit, als die ausländische Tochtergesellschaft Einkünfte aus aktiver Tätigkeit bezieht.

2. Mittelbare Beteiligung

15.238 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei mittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG) greift nur dann ein, wenn das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei unmittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG) ausscheidet, weil die Tochtergesellschaft die in § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG bestimmten Tätigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es sich bei der ausländischen Tochtergesellschaft um eine nicht privilegierte Holding2 handelt oder Ausschüttungen der nachgeschalteten Enkelgesellschaft bei der ausländischen Tochtergesellschaft zu Einkünften aus passivem Erwerb führen.

15.239 Voraussetzung für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG ist, dass das inländische Unternehmen an der ausländischen Tochtergesellschaft und diese an der ausländischen Enkelgesellschaft3 jeweils mit mindestens 15 Prozent beteiligt sind und die mittelbare Beteiligungsquote 15 Prozent erreicht.4 Die mittelbare Beteiligungsquote muss nicht während des Erhebungszeitraums ununterbrochen in gleichbleibender Höhe bestanden haben. Voraussetzung ist lediglich, dass die Beteiligung an der ausländischen Tochtergesellschaft und deren Beteiligung an der ausländischen Enkelgesellschaft seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens bei 15 Prozent lag.5

15.240 Weitere Voraussetzung ist darüber hinaus, dass das inländische Unternehmen in einem Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft bezogen und die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in dieses Wirtschaftsjahr fällt, ihrerseits Gewinne an die Tochtergesellschaft ausgeschüttet hat. Abzustellen ist hierbei auf das Wirtschaftsjahr des inländischen Unternehmens, so dass in diesen Zeitraum sowohl die Ausschüttung der Enkelgesellschaft an die Tochtergesellschaft als auch die Ausschüttung der Tochtergesellschaft an das inländische Unterneh-

1 Entspricht dem Tatbestandsmerkmal „fast ausschließlich“; vgl. BFH v. 2.10.2003 – IV R 13/03, BStBl. II 2004, 985; Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 26; Schnitter in Frotscher/Maas, § 9 GewStG Rz. 206; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 6, der auf 99 Prozent abstellt. 2 Soweit sie also weder Landes- noch Funktionsholding ist. 3 Diese Regelung gilt analog für inländische Enkelgesellschaften. 4 Eine Zusammenrechnung von unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen scheidet aus; BFH v. 21.8.1996 – I R 186/94, BStBl. II 1997, 434; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 8; Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 59. 5 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 323; Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 58; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 8.

602

C. Gewerbesteuer

men fallen muss.1 Hierbei ist es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Ausschüttungen der Tochtergesellschaft und der Enkelgesellschaft erfolgen.2 Schließlich muss die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Gewinnanteile ausschüttet, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und/oder aus einer Beteiligung an einer ausländischen Landesholding bezogen haben (§ 9 Nr. 7 Satz 6 GewStG). Im Gegensatz zum gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg bei unmittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG) sind somit Bruttoerträge aus einer Beteiligung an einer Funktionsholding dem passiven Erwerb zuzurechnen.

15.241

Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG beschränkt sich auf den Teil der vom inländischen Unternehmen bezogenen Gewinne, der der nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Unternehmen entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht. Soweit die Tochtergesellschaft in dem Wirtschaftsjahr des inländischen Unternehmens neben Gewinnanteilen einer Enkelgesellschaft noch andere Erträge bezogen hat, folgt eine weitere Einschränkung aus § 9 Nr. 7 Satz 5 GewStG; in derartigen Fällen ist das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nur auf den Teil der Ausschüttung der Tochtergesellschaft anzuwenden, der dem Verhältnis der Schachteldividende zur Summe der gesamten Erträge der Tochtergesellschaft entspricht.3 Übersteigen daher die von dem inländischen Unternehmen bezogenen Gewinnanteile diejenigen, die die Tochtergesellschaft von der Enkelgesellschaft bezogen hat und die mittelbar auf die Beteiligung des inländischen Unternehmens an der Tochtergesellschaft entfallen, so erstreckt sich die Steuerbefreiung nicht auf alle von der Muttergesellschaft bezogenen Gewinnanteile. Insoweit wird lediglich eine teilweise Steuerbefreiung gewährt.4 Sind die vom inländischen Unternehmen bezogenen Gewinnanteile dagegen niedriger als diejenigen, die die Tochtergesellschaft von der Enkelgesellschaft bezogen hat und die mittelbar auf die Beteiligung des inländischen Unternehmens an einer Tochtergesellschaft entfallen, so sind die bezogenen Gewinnanteile in vollem Umfang steuerbefreit, ohne dass ein nicht ausgeschöpfter Höchstbetrag in anderen Jahren berücksichtigungsfähig wäre.5

15.242

1 Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 57; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 9. 2 Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 57. 3 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 326 dort auch zur Höchstbetragsberechnung; Sarrazin in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 66. 4 Schnitter in Frotscher/Maas, § 9 GewStG Rz. 228. 5 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 327.

603

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

D. Erbschaftsteuer Literatur Kommentare zu § 21 ErbStG. Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1; Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, Berlin 2007; Dautzenberg/Brüggemann, EG-Vertrag und deutsche Erbschaftsteuer, BB 1997, 123; Deinigner/Götzenberger, Internationale Vermögensnachfolgeplanung mit Auslandsstiftungen und Trusts, Angelbachtal 2006; Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Fraberger, Nationale und Internationale Unternehmensnachfolge, Wien 2001; Hamdan, Die Beseitigung internationaler Doppelbeteuerung durch § 21 ErbStG, Angelbachtal 2007; Hönninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Frankfurt/M. 2003; Jülicher, Die anrechenbare Steuer im Sinne des § 21 ErbStG, ZEV 1996, 295; Krawitz/Dornhöfer, Möglichkeiten zur Vermeidung einer internationalen Mehrfachbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer bei der unentgeltlichen Übertragung von ausländischem Unternehmensvermögen, in Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 381; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Schnitger, Geltung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages im deutschen internationalen Erbschaftsteuerrecht, FR 2004, 185; Wachter, Deutsches Erbschaftsteuerrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht, FR 2004, 1256; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997.

15.243 Im innerstaatlichen Recht wird für den Bereich der Erbschaftsteuer die Doppelbesteuerung allein durch Steueranrechnung (§ 21 ErbStG) vermieden. § 21 ErbStG ist eine kollisionsauflösende Norm, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steht, der die Tatbestände der unbeschränkten und erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht enthält. Es handelt sich hierbei um eine kollisionsbegründende Norm, die den gesamten Vermögensanfall der Erbschaftsteuer unterwirft (Weltvermögensprinzip) und damit auf Doppelbesteuerung ausgerichtet ist.

15.244

In seiner Grundstruktur ist § 21 ErbStG dem § 34c EStG nachgebildet. Allerdings bleibt seine Reichweite deutlich hinter § 34c EStG zurück. So sieht § 21 ErbStG im Gegensatz zu § 34c EStG weder einen Steuerabzug noch eine Steuerpauschalierung oder einen Steuererlass vor. Der Steuerabzug ist sogar gem. § 10 Abs. 8 ErbStG ausdrücklich ausgeschlossen.1 Unter dieses Abzugsverbot fallen auch ausländische Erbschaftsteuerschulden.2 Trotz Anrechnung auslän1 Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 177; Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, § 10 Rz. 104; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 268, a.A. Meincke, § 10 ErbStG Rz. 59, § 21 Rz. 2, wonach § 10 Abs. 8 ErbStG den Abzug ausländischer Erbschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage der inländischen Erbschaftsteuer nicht verbiete. 2 Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 268 m.w.N.; ein wahlweiser Abzug wäre im Hinblick auf den Anrechnungshöchstbetrag allerdings geboten; vgl. Meincke, § 21 ErbStG Rz. 2.

604

D. Erbschaftsteuer discher Erbschaftsteuern verbleibt in der Praxis nicht selten eine erhebliche Doppelbesteuerung, die sich insbesondere im Falle der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht als Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip erweist.1 Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Erblasser in zwei Staaten etwa wegen doppelten Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig war und eine Anrechnung versagt bleibt, wenn aus der Sicht beider Staaten kein Auslandsvermögen übergegangen ist.2 Bei verbleibender Doppelbesteuerung ist daher stets ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.3

Im Hinblick darauf, dass insbesondere die Reichweite der unbeschränkten und erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht sehr weit gezogen ist und nur wenige DBA die Erbschaftsteuer erfassen,4 greift die in § 21 ErbStG verankerte Steueranrechnung zu kurz. Das auch für die Erbschaftsteuer geltende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit5 gebietet weitergehende Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Diesem Gesichtspunkt ist bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch die Möglichkeit des Steuerabzugs (§ 34c Abs. 2, 3 EStG, § 26 Abs. 6 KStG) jedenfalls teilweise entsprochen. Es ist kein Grund erkennbar, warum de lege ferenda nicht jedenfalls wahlweise ein Steuerabzug eingeräumt wird.6

15.245

Als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung greift § 21 ErbStG nur dann ein, wenn DBA (Erbschaftsteuerabkommen) nicht anzuwenden sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Da die von Deutschland abgeschlossenen Erbschaftsteuerabkommen durchweg nur die Erbschaftsteuer selbst, nicht aber die Schenkungsteuer betreffen,7 bleibt die Steueranrechnung bei Schenkungen insoweit möglich.

15.246

Die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

15.247

– Antrag, – unbeschränkte Steuerpflicht beim Erwerb,

1 Im Hinblick darauf besteht die Notwendigkeit, insbesondere zwischen den EUMitgliedstaaten DBA vermehrt auch über Erbschaftsteuern abzuschließen; hierzu Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 ff.; Beul, IStR 1997, 1 ff. 2 Keine Europarechtswidrigkeit: EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, DStR 2009, 373; hierzu Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 75; Richter in Viskorf, § 21 ErbStG Rz. 11. 3 Zu Billigkeitsmaßnahmen Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 6; Richter in Viskorf, § 21 ErbStG Rz. 35; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 24 f. 4 Vgl. die Aufstellung in BStBl. I 2010, 35, 39. 5 Hierzu Rz. 7.4; vgl. im Übrigen Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG. 6 Hierzu Meincke, § 21 ErbStG Rz. 2, der den Steuerabzug allerdings schon de lege lata für möglich hält. 7 Ausnahme: DBA-USA (Erb); DBA-Schweden; DBA-Dänemark; DBA-Frankreich (Erb); zum DBA-Schweiz (Erb) vgl. BMF v. 7.4.1988, DB 1988, 938: Verständigungsregelung zu Schenkungen von Geschäftsbetrieben.

605

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

– auf Auslandsvermögen erhobene und tatsächlich gezahlte ausländische Erbschaftsteuer, soweit sie der deutschen Erbschaftsteuer entspricht, – Berücksichtigung der ausländischen Erbschaftsteuer nur innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt ihres Entstehens und nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag.

15.248 Die Steueranrechnung ist nur bei Erbfällen und Schenkungen mit unbeschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) vorgesehen. Erblasser (Schenker) oder der Erwerber müssen also zum Zeitpunkt des Erwerbs Inländer sein. Bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und erweiterter beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 4 AStG) ist eine Anrechnung dagegen ausgeschlossen.1

15.249 Obwohl § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG für Zwecke der Anrechnung darauf abstellt, dass der Erwerber selbst zur ausländischen Steuer herangezogen worden ist, ist eine Steuersubjektidentität im formaljuristischen Sinne nicht erforderlich.2 Andernfalls ginge die Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG weitgehend ins Leere, weil die Erbschaftsteuer international nicht nur als Erbanfallsteuer, die für den Erwerber festgesetzt wird, ausgeprägt ist, sondern auch als Nachlasssteuer, die noch für die Person des Erblassers festgesetzt wird. Im Hinblick darauf kann der Erwerber die ausländische Erbschaftsteuer nicht nur dann anrechnen, wenn er selbst der Schuldner ist oder durch diese unmittelbar wirtschaftlich belastet wird, sondern auch dann, wenn, wie im Falle einer Nachlasssteuer, diese den Nachlass3 und damit alle Teile des Nachlasses belastet.4 Folgerichtig gehören daher zu den anrechenbaren ausländischen Erbschaftsteuern nicht nur Erbanfallsteuern, sondern auch ausländische Nachlasssteuern, die auf dem Nachlass selbst lasten.5 Anrechenbar ist schließlich auch eine ausländische Schenkungsteuer, die für Zuwendungen unter Lebenden erhoben wird. Ohne Bedeutung ist hierbei die Bezeichnung dieser Steuer. Entscheidend ist allein, ob die Steuer auf einen Vermögensübergang unter Lebenden deshalb erhoben wird, weil dieser unentgeltlich und freigebig ist.6 Stets muss aber die ausländische Erbschaftsteuer, gleich ob sie nach den Gesetzen einer Provinz oder eines Landes erhoben 1 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 11. 2 BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786, Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 34; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 21; Moench in Moench/Weinmann, § 21 ErbStGRz. 7; Meincke, § 21 ErbStG Rz. 13. 3 So etwa die vom Trustee als Steuerschuldner entrichtete Nachlasssteuer bei einem nach anglo-amerikanischem Recht errichteten Nachlasstrust; BFH v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 26.1. 4 BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 34; Moench in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz. 7; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 9. 5 BFH v. 26.6.1963 – II 196/61 U, BStBl. III 1963, 402; v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 1. 6 Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 6.

606

D. Erbschaftsteuer

wird,1 die Vermögenssubstanz als solche belasten.2 Daher ist etwa die kanadische Kapitalgewinnsteuer (capital gains tax), die in Erbfällen nur die Wertsteigerung der Vermögenssubstanz besteuert, nicht anrechenbar.3 In Betracht kommt daher nur ein Schuldenabzug gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.4 Die ausländische Erbschaftsteuer ist ohne Rücksicht darauf anrechenbar, 15.250 ob die deutsche und ausländische Steuerschuld im gleichen Zeitpunkt entstanden sind. Entscheidend ist allein, dass die ausländische Erbschaftsteuer für denselben Erbfall oder für dieselbe Schenkung erhoben wird wie die deutsche Erbschaftsteuer. § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG zieht allerdings eine zeitliche Grenze. Hiernach ist nur diejenige ausländische Steuer anrechenbar, die bis zu fünf Jahren vor der deutschen Erbschaftsteuer entstanden ist. Nicht geregelt ist der Fall, dass die ausländische Steuer zeitlich erst nach der deutschen Erbschaftsteuer entsteht. Da ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen beiden Fallgruppen nicht besteht, ist eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG für den Fall geboten, dass die ausländische Erbschaftsteuer innerhalb von fünf Jahren nach der deutschen Erbschaftsteuer entsteht.5 Die Änderung eines bereits bestandskräftigen Erbschaftsteuerbescheides ist sodann gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich.6 Anrechenbar ist allenfalls die tatsächlich gezahlte ausländische Erbschaftsteuer. § 21 ErbStG legt zwar nicht fest, nach welchem Stichtag und Kurs die anzurechnende ausländische Steuer in die deutsche Währung umzurechnen ist, es ist aber sachgerecht, auf den Tag abzustellen, an dem die deutsche Erbschaftsteuer für den Erwerb entstanden ist.7

15.251

In Anlehnung an die Anrechnungsvorschrift des § 34c Abs. 1 EStG lässt auch § 21 Abs. 1 ErbStG die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuern nur bis zu dem Betrag der deutschen Erbschaftsteuer zu, der auf das Auslandsvermögen entfällt. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die auf das Auslandsvermögen entfallende deutsche Erbschaftsteuer in der Weise zu ermitteln, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen sich erge-

15.252

1 BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BStBl. III 1964, 408; Richter in Viskorf, § 21 ErbStG Rz. 17. 2 Ausführlich hierzu Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 20 ff. mit Hinweisen zu anrechenbaren und nicht anrechenbaren Auslandssteuern. 3 BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 19; Richter in Viskorf, § 21 ErbStG Rz. 16; Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 59 f. 4 BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540. 5 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 51; Schaumburg, RIW 2001, 161 (168); Krawitz/Dornhöfer in FS Herzig, 381 (391). 6 Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 27; Richter in Viskorf, § 21 ErbStG Rz. 20; vgl. auch Meincke, § 21 ErbStG Rz. 26; Jülicher, ZEV 1996, 295 (298). 7 BFH v. 19.3.1991 – II R 134/88, BStBl. II 1991, 521; v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; kritisch hierzu Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 50; hiernach soll der Tag der Zahlung maßgeblich sein.

607

Kapitel 15 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

bende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. Auszugehen ist hierbei jeweils von den Nettowerten, also von den Steuerwerten abzgl. Verbindlichkeiten, aber ohne Abzug von Freibeträgen (§§ 16, 17 ErbStG)1 und ausländischer Steuer.2 Demgemäß wird der Höchstbetrag nach folgender Formel ermittelt: Hochstbetrag ¼ ¨

3 Deutsche Erbschaftsteuer  steuerpflichtiges Auslandsvermogen ¨ steuerpflichtiges Gesamtvermogen ¨

15.253 Nach der vorstehenden Formel ist der Höchstbetrag für jeden Staat gesondert zu berechnen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG).4

15.254 Die Höhe der anrechenbaren ausländischen Erbschaftsteuer hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang das im Ausland belegene Vermögen bei der Anrechnung berücksichtigt wird. § 21 Abs. 2 ErbStG unterscheidet zwei Fallgruppen: – War der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer, zählen zum Auslandsvermögen alle auf den ausländischen Staat entfallenden Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. – War der Erblasser zur Zeit seines Todes kein Inländer, zählen zum Auslandsvermögen alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens i.S. des § 121 BewG sowie aller Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen.

15.255 Für diese zweite Fallgruppe ist der Begriff des Auslandsvermögens deshalb weiter gefasst, weil der Erwerb eines inländischen Erwerbers aus einem ausländischen Nachlass regelmäßig bereits in dem Staat, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz hatte, in vollem Umfang der Besteuerung unterlegen hat.5

15.256

Die Begrenzung der Anrechenbarkeit auf jene ausländische Erbschaftsteuer, die auf ausländische Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art entfällt, ist nicht sachgerecht. Wird nämlich im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) Erbschaftsteuer für den gesamten Vermögensanfall beansprucht (Weltvermögensprinzip), so ist folgerichtig die Doppelbesteuerung auch für den gesamten Vermögensanfall zu vermeiden. Die Anknüpfung an § 121 BewG ist daher konzeptionell verfehlt. Sie bewirkt, dass für zahlreiche Vermögensgegenstände, die aufgrund des § 121 BewG nicht 1 BFH v. 10.7.1963 – II 115/62, HFR 1964, 12; Meincke, § 21 ErbStG Rz. 21. 2 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 56; Meincke, § 21 ErbStG Rz. 21 f.; Moench in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz. 14. 3 Die Bewertung des Auslands- und Gesamtvermögen erfolgt nach deutschen Vorschriften, wobei das Gesamtvermögen i.S. von Nettovermögen zu verstehen ist; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 58. 4 Zur Kritik an der per country limitation Rz. 15.114 f. 5 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 73; Moench in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz. 20.

608

D. Erbschaftsteuer als ausländische Vermögensgegenstände qualifiziert werden können, eine Doppelbesteuerung entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt vermieden werden kann.1 Fallen etwa ausländische Wertpapiere in den Nachlass eines inländischen Erblassers, ist eine Anrechnung der auf diese Wertpapiere erhobenen ausländischen Erbschaftsteuer gem. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen.2 In diesen Fällen ist indessen eine Steueranrechnung aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.3

1 Kein Verstoß gegen Verfassungsrecht: BFH v. 5.5.2004 – II R 33/02, BFH/NV 2004, 1279. 2 Hierzu unter europarechtlichen Gesichtspunkten Dautzenberg/Brüggemann, BB 1997, 123 (131 f.); Schnitger, FR 2004, 185 (194 f.); Wachter, FR 2004, 1256 (1267). 3 Kapp/Ebeling, § 21 ErbStGRz. 17; Moench in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz. 21, 22; Meincke, § 21 ErbStG Rz. 30; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 75.

609

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Literatur Kommentare zu deutschen DBA: Arthur Andersen & Co. GmbH, DBA-USA 1989; Becker, DBA-Kanada; Debatin/Endres, DBA-USA 1989; Debatin/Walter, DBAUSA 1954; Debatin/Wassermeyer, DBA; Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA; Endres/ Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland-USA 2006, Flick/Krabbe, DBA-Brasilien; Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz; Gassner/Lang/Lechner, Das neue DBA Österreich-Deutschland; Grützner, DBA; Haase, AStG/DBA; Hacker, Die DBA Russlands und der anderen GUS-Staaten; Heining/Timbart, DBA-Frankreich; Hilty, DBA Deutschland-Schweiz; Jacob, DBA-USA; Kessler/Linz/AchillesPujol, DBA-Kommentar Deutschland/Frankreich; Krabbe, DBA Deutschland-Uruguay; Kreile, DBA-China; Lang, M./Schuch, DBA-Österreich; Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBA-Schweiz; Meyer-Marsilius/Hangarter, DBA-Schweiz; Safarik, DBA Schweiz-Tschechien; Schulze-Brachmann, Doppelbesteuerung; SchulzeBrachmann/Dirksen, DBA-Niederlande; Shannon, Die DBA der USA; Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA; Vogel/Lehner, DBA; Weber, Handausgabe der DBA; Wingert/Krause, DBA.

A. Einführung Literatur Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Escher, Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, Bern/Stuttgart 1984; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/ Stuttgart 1973; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Kormann, Die Steuerpolitik der internationalen Unternehmung, Düsseldorf 1970; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, M., Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1997; Lang, M., Multilateral Tax Treaties – New Developments in International Tax Law, Wien 1997; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2005; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Loukota/Jirousek, Doppelbesteuerung und Gemeinschaftsrecht; SWI 2007, 295; Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Neuwied 1995; Mattson, Gehört den multilateralen DBA die Zukunft?, Hamburg 1985; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Mannheim 1980; Rädler/ Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart

610

A. Einführung 1967; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103.

Zu den unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gehören grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die einseitig von den Wohnsitzstaaten zugunsten ihrer unbeschränkt steuerpflichtigen Personen1 ergriffen werden. Im Vordergrund steht die Steueranrechnungsmethode, die allerdings in ihrer Ausprägung, die sie in der internationalen Praxis erfahren hat, eine Anrechnung der Steuern des Quellenstaates nur bis zur Höhe der Steuer im Wohnsitzstaat zulässt (Rz. 15.111 ff.). Da die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der einzelnen Staaten nicht aufeinander abgestimmt und darüber hinaus auch sehr unvollkommen ausgestaltet sind, vermögen sie eine Doppelbesteuerung letztlich nicht vollständig zu vermeiden.

16.1

Für einen Ausgleich des internationalen Regelungsgefälles wäre ein multilaterales Regelungssystem, etwa in Form von multilateralen DBA, am besten geeignet. Derartige multilaterale DBA haben aber im Verhältnis zu den bilateralen DBA bisher nur eine geringe Bedeutung erlangt. Ein multilaterales Abkommen ist nicht einmal für den Bereich der EU vorgesehen,2 obwohl hierdurch dem Integrationsziel und der Binnenmarktkonzeption in besonderer Weise entsprochen werden könnte.3 Im Hinblick darauf ist es geboten, dass die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, bilaterale Verhandlungen einleiten, um die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen.4 Dass multilaterale DBA5 bisher keine nennenswerte Bedeutung erlangt haben, hat seinen Grund in den unterschiedlichen fiskalpolitischen Interessenlagen, die in multilateralen Abkommen nicht ohne weiteres auszugleichen sind.6

16.2

1 Ausnahme: Unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 EStG werden auch beschränkt steuerpflichtige Personen einbezogen; vgl. Rz. 15.58. 2 Zum Vorentwurf eines multilateralen europäischen DBA aus dem Jahre 1968 vgl. Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 141; Text abgedruckt bei Regul, Steuern und Zölle im gemeinsamen Markt, V/VI, DBA, Bd. 8, V B/2. 3 Hierzu Lang, M., Multilateral Tax Treaties – New Developments in International Tax Law; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 374 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 29; Loukota/Jirousek, SWI 2007, 295 (301); Vogel, SWI 2000, 103 (106). 4 Auf der Grundlage von Art. 293 EG a.F. ist am 23.7.1990 ein multilaterales Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen – Schiedsverfahrenskonvention – abgeschlossen worden (90/436/EWG, ABl. EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; BGBl. II 1993, 1308); hierzu Rz. 16.114 ff. 5 Beispiele: Multilaterale Abkommen zwischen afrikanischen Staaten der – inzwischen aufgelösten – OCAM-Gruppe (Organisation Commune Africaine et Malgache), zwischen den Staaten Skandinaviens und den früheren RGW-Mitgliedstaaten, vgl. hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 39. 6 Mattson, Gehört den multilateralen DBA die Zukunft?; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 206 ff.

611

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.3 In der internationalen Praxis stehen bilaterale DBA im Vordergrund. Das Abkommensnetz ist allerdings lückenhaft, so dass eine internationale Doppelbesteuerung nur unvollkommen vermieden wird. Da sich derartige Lücken im Doppelbesteuerungsnetz für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr als außerordentlich hinderlich erweisen, werden nicht selten Gestaltungen gewählt, die auf die (missbräuchliche) Erlangung von Abkommensschutz ausgerichtet sind (zu diesem treaty shopping Rz. 16.127 ff.).

16.4 Obwohl die bilateralen DBA Deutschlands weitgehend den OECD-MA von 1963, 1977 und 1992 nachgebildet sind,1 gibt es dennoch Standardabweichungen, je nachdem, ob die Abkommen zwischen Industriestaaten oder Entwicklungsländern abgeschlossen worden sind. Diese Unterschiede beruhen im Wesentlichen auf den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Vertragsstaaten. So haben insbesondere Entwicklungsländer aufgrund ihrer Schuldnerposition ein Interesse daran, die Quellenbesteuerung weitgehend aufrechtzuerhalten, um dadurch ihre Fiskalopfer gering zu halten.2 Hochbesteuernde Industrieländer sind dagegen durchweg bestrebt, auf Abkommensebene der Steueranrechnung ggü. der Steuerbefreiung den Vorzug zu geben, um so ihren Steueranspruch aufrecht zu erhalten.

16.5 DBA sind darauf gerichtet, ggü. den aufgrund des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Vertragsstaaten entstehenden Steueransprüchen Schrankenwirkungen zu entfalten.3 Diese Wirkungen beruhen im Wesentlichen auf den mit lex specialis-Charakter ausgestatteten Normen der DBA,4 die nach Umsetzung in innerstaatliches Recht5 einen gegenseitigen Steuerverzicht der Vertragsstaaten begründen.6 Dieser gegenseitige Steuerverzicht wird, entsprechend der Grundkonzeption des OECD-MAs, dadurch gewährleistet, dass einerseits die Besteuerung im Quellenstaat umgrenzt wird (Art. 6 bis 21 OECD-MA) und andererseits der Wohnsitzstaat zur 1 Ergänzungen zum OECD-MA erfolgen seitdem fortlaufend. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 67 f.; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, 285 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 204 ff. 3 Gegen den Begriff „Schrankenrecht“ Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9, wonach die Normen der DBA durch Zustimmungsgesetz ähnlich wirkten wie §§ 3; 34c EStG, so dass die Abkommen nur eine völkervertragliche Verpflichtungserklärung enthielten, Steuerbefreiungs- und Steuerermäßigungsvorschriften der vorgenannten Art bzw. keine vom Abkommen abweichenden Besteuerungsvorschriften zu erlassen. Hierdurch werden aber gerade die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen deutlich; zu den in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich verwendeten, für die Rechtsanwendung aber nicht weiter bedeutsamen Begriffen Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 70; Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 2 Rz. 57 ff. 4 Drüen in T/K, § 2 Rz. 2, 5; zu Einzelheiten Rz. 3.24 ff. 5 In Deutschland durch Zustimmungsgesetz; hierzu Rz. 16.20. 6 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 70, 72; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (1 f.).

612

A. Einführung

Vermeidung der Doppelbesteuerung Steueranrechnung oder Steuerfreistellung gewährt (Art. 23 OECD-MA). Das Ausmaß der gegen die Besteuerung im Quellenstaat gerichteten Schrankenwirkungen orientiert sich an der Intensität der wirtschaftlichen Verknüpfung der Einkunftsquelle mit der Wirtschaft des Quellenstaates. Die auf dieser Grundlage in den DBA von den Vertragsstaaten getroffenen Wertentscheidungen (Art. 6 bis 21 OECD-MA) artikulieren sich in einem abgestuften Schrankensystem. Dieses führt z.B. für unbewegliches Vermögen durchweg zu keiner Einschränkung der Besteuerung im Quellenstaat (Belegenheitsprinzip, Art. 6 OECD-MA).

16.6

Neben dieser uneingeschränkten Aufrechterhaltung der Besteuerung im Quellenstaat verbleibt es in einem anderen Wertungsbereich bei der Besteuerung im Quellenstaat nur, wenn ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So können Unternehmensgewinne im Quellenstaat nur dann einer Besteuerung zugeführt werden, wenn diese im Rahmen einer im Quellenstaat belegenen Betriebsstätte erzielt werden (Betriebsstättenprinzip, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Ähnlich verhält es sich bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit: Hier verbleibt dem Staat des Arbeitsortes als Quellenstaat die Besteuerungsbefugnis nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer dort während des Steuerjahres mehr als 183 Tage aufgehalten hat oder die Vergütungen zu Lasten des Staates des Arbeitsortes gezahlt worden sind (Arbeitsortprinzip, Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA).

16.7

Schließlich richten sich die Besteuerungsschranken der Abkommen auch gegen die Höhe der im Quellenstaat erhobenen Steuer. So ist den Quellenstaaten aufgrund der maßgeblichen Verteilungsnormen für Dividenden und Zinsen lediglich eine Quellensteuerbefugnis in begrenzter Höhe1 eingeräumt (Art. 10 Abs. 2; 11 Abs. 2 OECD-MA). In anderen Fällen, etwa für Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA), wird die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat in vollem Umfang genommen.2

16.8

Diese gegen die Besteuerung im Quellenstaat gerichteten Schrankenwirkungen haben dann eine unmittelbare Bedeutung, wenn nach innerstaatlichem Recht des Quellenstaates der Steueranspruch über die Abkommensschranken hinausreicht. In derartigen Fällen sind die DBA stets auf die Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung gerichtet. Bleibt die Reichweite des innerstaatlichen Steueranspruchs des Quellenstaates dagegen hinter den Abkommensschranken zurück, so wirken sich diese zwar gegenwärtig nicht aus, führen aber zu einem Steuerverzicht des Quellenstaates, sobald dieser, etwa durch Steuererhöhungen oder die

16.9

1 Regelmäßig bis zu 15 Prozent oder 5 Prozent; in vielen deutschen DBA ist die Quellensteuerbefugnis für Zinsen auf 0 reduziert; vgl. die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 2 Viele deutsche Abkommen sehen allerdings, abweichend vom OECD-MA, eine der Höhe nach begrenzte Besteuerung im Quellenstaat vor; vgl. die Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 29.

613

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Ausdehnung von Steuertatbeständen, die durch die Schranken gezogenen Grenzen überschreitet. In diesem Sinne vermeiden die DBA eine virtuelle Doppelbesteuerung,1 wobei die hiermit verbundene doppelte Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) in Teilbereichen durch bilaterale und unilaterale subject to tax-Klauseln (Rz. 16.522 f.) vermieden wird.

16.10 Soweit die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat nicht gänzlich genommen ist, fällt nach der Grundstruktur des OECD-MAs stets dem Wohnsitzstaat die Aufgabe zu, die Doppelbesteuerung entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung zu vermeiden (Art. 23 OECD-MA). Diese Abkommensnormen über die Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung bestätigen den prinzipiellen Schrankencharakter des Abkommensrechts.2

16.11 Zu den bilateralen DBA zählen auch die insbesondere von Deutschland mit einigen Staaten abgeschlossenen Sonderabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Einkünfte von Luft- und/oder Schifffahrtunternehmen.3 Die Sonderabkommen beinhalten eine Freistellung der Einkünfte von Luft- und/oder Schifffahrtunternehmen von der Steuer in dem einen Vertragsstaat, sofern der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens in dem anderen Vertragsstaat belegen ist. Zudem enthalten mehrere Sonderabkommen4 eine Meistbegünstigungsklausel, nach der die Vertragsstaaten verpflichtet sind, dem Unternehmen aus dem anderen Vertragsstaat mindestens die Vorteile zu gewähren, welche sie Unternehmen aus Drittstaaten gewähren. Darüber hinaus beziehen sich die Sonderabkommen häufig nicht allein auf einen steuerrechtlichen, sondern zusätzlich auch auf einen handelsrechtlichen Anwendungsbereich – z.B. Maßnahmen zur erleichterten Abwicklung des Schiffsverkehrs, Zollabfertigung und Zolltarife. Der Sinn und Zweck der Sonderabkommen besteht somit nur teilweise darin, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zudem hat insbesondere Deutschland mit Staaten und anderen Jurisdiktionen, mit denen bislang entweder keine oder aus deutscher Sicht DBA mit nur unzureichenden Auskunftsklauseln bestehen, Informationsaustauschabkommen (Tax Information Exchange Agreements-TIEA) abgeschlossen, die gegen den von sog. Steueroasen gerichteten schädlichen Steuerwettbewerbs gerichtet sind und vor allem der vollständigen Erfassung von Kapitaleinkünften dienen.5 Soweit mit Staaten zugleich DBA bestehen, die mit den Sonderabkommen und den Informationsaustauschabkommen vergleichbare Regelungen enthalten, sind wegen der Gleich1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 74; Wassermeyer, in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 4; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2). 2 Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 2 Rz. 61; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (3). 3 Zum Abkommensstand: Jersey (BStBl. I 2010, 166); Liechtenstein (BGBl. II 2010, 950); Guernsey (BGBl. II 2010, 973); Isle of Man (BGBl. II 2010, 957); Gibraltar (BGBl. II 2010, 984). 4 Z.B. Chile, China und Jugoslawien. 5 Zum derzeitigen Stand BStBl. I 2010, 35.

614

B. Multinationale Entwicklung

rangigkeit der Abkommen die diesbezüglichen Regelungen gleichermaßen anwendbar, ohne dass die eine Regelung die andere verdrängt.1

B. Multinationale Entwicklung Literatur Dorn, Doppelbesteuerung und Völkerbund, StuW 1928, 49; Hundt, UN-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, RIW 1981, 306; Ritter, Steuerbeziehungen mit der Dritten Welt, DStZ A 1979, 419; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Vogel/Shannon/Doernberg/van Raad, United States Tax Treaties (Loseblatt).

I. Deutsche DBA Das erste allgemeine DBA überhaupt wurde am 16.4.1869 zwischen Preußen und Sachsen abgeschlossen. Unter den persönlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens fielen nur Staatsangehörige beider Staaten. Darüber hinaus erfasste das Abkommen vom sachlichen Anwendungsbereich her lediglich direkte Steuern. Es folgten Abkommen zwischen Österreich und Ungarn über die Unternehmensbesteuerung vom 18.12.1869/7.1.1870 sowie zwischen Preußen und Österreich vom 21.6.1899. Zum eigentlichen Aufbau eines Doppelbesteuerungsnetzes kam es erst nach dem 1. Weltkrieg im Zuge der weltwirtschaftlichen Verflechtung der deutschen Wirtschaft, und zwar durch Abkommen mit Österreich vom 23.5.1922, mit Italien vom 31.10.1925 und mit der Schweiz vom 15.7.1931. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die ersten Abkommen mit den USA am 22.7.1954 und mit Österreich am 4.10.1954 geschlossen. Es folgten sodann die Abkommen mit Kanada vom 4.6.1956, Norwegen vom 18.11.1958 sowie Schweden vom 17.4.1959 und den Niederlanden vom 16.6.1959. Seitdem hat Deutschland das Netz der DBA nicht nur mit Industriestaaten, sondern auch mit Entwicklungsländern kontinuierlich ausgebaut. Parallel hierzu sind einige Abkommen einer Revision unterworfen und neu abgeschlossen worden.2

16.12

Während derzeit über 80 Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen in Kraft sind, gibt es lediglich einige Erbschaftsteuerabkommen und darüber hinaus weitere Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen sowie Informationsaustauschabkommen. Eine Aufstellung

16.13

1 So ausdrücklich Abschn. 2 des Schlussprotokolls zum DBA-China betreffend Sonderabkommen. 2 So z.B. die DBA mit der Schweiz, Kanada, Italien, den USA sowie mit Schweden und Dänemark.

615

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

der zum Jahresbeginn geltenden DBA findet sich jeweils in der ersten Jahresausgabe des Bundessteuerblattes Teil I.

II. Musterabkommen 16.14 Da die internationale Doppelbesteuerung frühzeitig als ein multinationales Problem verstanden wurde, gab es bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg die ersten Bemühungen internationaler Organisationen, einheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung der internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen zu entwickeln.1 Zu diesen internationalen Organisationen gehörte insbesondere die Internationale Handelskammer, die im Jahre 1920 die Regierungen der alliierten Staaten aufgerufen hatte, aufeinander abgestimmte Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen.2 Parallel hierzu gab es auch Bemühungen des Völkerbundes, die theoretischen Grundlagen für die Maßnahmen zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung zu erarbeiten. Im Anschluss an verschiedene Empfehlungen dieser Expertenkommissionen wurden im Jahre 1928 vom Völkerbund drei Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern verabschiedet.3 Ein vom Völkerbund im Jahre 1928 eingesetzter ständiger Steuerausschuss entwickelte sodann in der Folgezeit zwei konkurrierende Modelle, und zwar 1943 das Muster von Mexiko und 1946 das Muster von London. Während das Muster von Mexiko, das im Wesentlichen von lateinamerikanischen Vorstellungen beeinflusst war, dem jeweiligen Quellenstaat ein umfangreiches Besteuerungsrecht zubilligte, entsprach das Muster von London mehr den Vorstellungen der Industriestaaten, so dass dem jeweiligen Wohnsitzstaat das vorrangige Besteuerungsrecht eingeräumt wurde.4 Nach dem Kriege wurden die Bemühungen um eine Vereinheitlichung von DBA von der OEEC (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) und später von deren Nachfolgeorganisation, der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), fortgesetzt. Ein im Jahre 1956 von der OECD ins Leben gerufener Steuerausschuss erhielt den Auftrag, ein Musterabkommen zu entwickeln, das als Grundlage für den Ausbau eines Netzes von bilateralen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten dienen sollte. Dieses Musterabkommen sollte eine größere Harmonisierung der bilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten nach einheitlichen Grundsätzen, Begriffsbestimmungen, Regeln und Verfahren sowie eine Einigung 1 Hierzu der Überblick bei Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 12 ff.; Wassermeyer in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 75 ff.; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 32 ff. 2 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 13. 3 Die deutsche Fassung ist abgedruckt in FinArch. 1929, Band I, 26 ff.; Erläuterungen hierzu von Dorn, StuW 1928, 49 ff. 4 Hierzu der Überblick bei Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 34; Wassermeyer in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 76 f.; Shannon, Die DBA der USA, 10 ff.

616

B. Multinationale Entwicklung

auf eine gemeinsame Auslegung ermöglichen. Im Jahre 1963 veröffentlichte die OECD ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens. Dem vollständigen Musterabkommen war ein Kommentar beigefügt, der das Muster erläuterte und Vorbehalte seiner Mitgliedstaaten in Bezug auf Vorschriften des Musters enthielt, denen sie nicht zu folgen bereit waren. Das OECD-MA 1963, das in den Folgejahren wesentlich zur Vereinheitlichung der DBA vieler Staaten beigetragen hat, wurde aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten und der Weiterentwicklung ihrer Steuersysteme überarbeitet und im Jahre 1977 neu gefasst und mit einem neuen Kommentar versehen. Dieses OECD-MA 1977 weicht von dem OECDMA 1963 kaum ab. Ein weiterer Schritt im Zuge des seitens der OECD1 angestrebten ständigen Revisionsprozesses ist das OECD-MA 1992 und das OECD-MA 2000, die in ihren Grundzügen den Vorgängerabkommen entsprechen.2 Seitdem wird das OECD-MA in zwei- bis dreijährigen Abständen überarbeitet, wobei das OECD-MA 2010 wichtige Änderungen zu Art. 7 OECD-MA enthält,3 die allerdings erst in zukünftigen Abkommen eingehen werden. Die OECD-MA, die darauf gerichtet sind, von den Mitgliedstaaten der OECD akzeptiert zu werden, entsprechen weitgehend den Interessen der Industriestaaten. Da diese Industriestaaten als Kapitalexportländer durchweg das Welteinkommensprinzip verwirklichen, wird nach den OECDMA die Wohnsitzbesteuerung überwiegend aufrechterhalten und die Quellenstaatbesteuerung limitiert.

16.15

Um die fiskalischen und wirtschaftlichen Belange der Entwicklungsländer4 ebenfalls zur Geltung zu bringen, wurde im Anschluss an das im Jahre 1971 als Gegenentwurf zum OECD-MA konzipierte Anden-Modell5 von den Vereinten Nationen (UN) im Jahre 1980 ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern eingreifen sollte, vorgelegt.6 Im Vergleich zu den OECD-MA sieht das UN-Musterabkommen eine umfangreiche Quellenstaatbesteuerung vor, so dass hierdurch insbesondere Entwicklungsländer als Kapitalimportländer fiskalisch begünstigt werden.7

16.16

1 Zur Arbeit des OECD-Steuerausschusses Krabbe in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156 ff. 2 Zu Einzelheiten Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht. 3 Vgl. hierzu die Hinweise in Rz. 16.267 ff.; 18.23 ff. 4 Vgl. etwa die in der Anlage zu § 5 KStDV aufgeführten Länder. 5 Erarbeitet und beschlossen von der in der sog. Anden-Gruppe zusammengeschlossenen Staaten Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und ab 1973 Venezuela; vgl. Naranjo, BIFD 1987, 89 ff.; im Überblick Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 24. 6 Vgl. zum Text bei V/L5, DBA, zu den einzelnen Artikeln des OECD-MAs. 7 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 24; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 37; Ritter, DStZ A 1979, 419 ff.; Hundt, RIW 1981, 306 ff.

617

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.17 Während die meisten DBA, die von den OECD-Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden, den OECD-MA folgen, hat es insbesondere in der Abkommenspraxis der USA Sonderentwicklungen gegeben. So haben die USA eigene Musterabkommen1 entwickelt, die bei ihren Abkommensverhandlungen Berücksichtigung gefunden haben.2 Darüber hinaus haben aber auch andere Staaten die von ihnen abgeschlossenen DBA in vielen Punkten ggü. den OECD-MA modifiziert. Hierzu gehört insbesondere das zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossene DBA vom 11.8.1971/30.11.1978,3 das in besonderem Maße dem deutschen Außensteuergesetz Rechnung trägt.

16.18 Im internationalen Bereich bestand schließlich schon frühzeitig das Bedürfnis, auch auf dem Gebiet der Erbschaft- und Nachlasssteuern DBA abzuschließen. Dementsprechend erarbeitete der OECD-Steuerausschuss im Jahre 1966 ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe und Erbschaften und 1982 ein weiteres Musterabkommen unter Einbeziehung von Schenkungen.4 Diese Musterabkommen haben in der Praxis allerdings keine große Bedeutung gewonnen. Derzeit gibt es sechs deutsche DBA auf dem Gebiet der Erbschaft- und Nachlasssteuern.5 Darüber hinaus hat der OECD-Steuerausschuss im Jahre 2002 ein Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen vorgelegt, das allerdings erst ab 2007 internationale Bedeutung erlangt hat und zugleich Grundlage für einige deutsche Informationsaustauschabkommen geworden ist.6

C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA Literatur Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Hahn/Suhrbier, Zulässigkeit der Rückwirkung des DBA-Italien vom 18.10.1989 hinsichtlich der Besteuerung von Einkünften in Italien ausgeübter nichtselbständiger Arbeit?, IStR 1993, 262; Handzik, Einkünfte aus in Italien ausgeübter nichtselbständiger Tätigkeit, RIW 1991, 653; Lüdicke, Nochmals: Zur rückwirkenden Anwendung des DBA-Italien 1989, DB 1995, 748; Lüdicke, Zur rückwirkenden Anwendung des DBA-Italien 1989, DB 1991, 1491; Vogel, H., Zur Rückwirkung von Regelungen in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in FS für O. L. Walter, Osnabrück 1988, 81. 1 Texte bei V/L5, DBA, zu den einzelnen Artikeln des OECD-MAs. 2 Zum US-Musterabkommen im Einzelnen Vogel/Shannon/Doernberg/van Raad, United States Tax Treaties (Loseblatt); Shannon, Die DBA der USA, 57 ff. 3 BStBl. II 1972, 518; BStBl. II 1980, 398 (DBA-Erb); das DBA v. 11.8.1971 ist in den Folgejahren wiederholt geändert worden. 4 Zu Einzelheiten Jülicher in D/W, vor Art. 1 ErbSt-MA Rz. 1 ff. 5 Griechenland (RGBl. 1912, 173); Schweden (BGBl. II 1994, 686); Schweiz (BGBl. II 1980, 594); USA (BGBl. II 1982, 847); Dänemark (BGBl. II 1996, 2565); Frankreich (BGBl. II 2009, 596). 6 Vgl. hierzu Hendricks in D/W, Vor Art. 1 MA-InfAust Rz. 32 ff.

618

C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA

DBA sind völkerrechtliche Verträge, also zwei- oder mehrseitige völkerrechtliche Rechtsgeschäfte, an dem Völkerrechtssubjekte beteiligt sind. Zum Charakteristikum völkerrechtlicher Verträge gehört, dass sie nicht nur dem Recht eines der Vertragspartner unterstellt sind. Das formelle Recht für völkerrechtliche Verträge und damit auch für DBA beurteilt sich nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23.5.1969.1 In Deutschland ist das WÜRV am 20.8.1987 in Kraft getreten;2 dessen Vorschriften wurden jedoch bereits zuvor beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen berücksichtigt. Denn die Vorschriften des WÜRV stellen weitgehend Völkergewohnheitsrecht3 dar, das über den Kreis der Mitgliedstaaten des WÜRV hinaus Anwendung findet.4

16.19

Der Abschluss von DBA erfolgt in einem mehrphasigen Verfahren.5 Zwischen dem Abschluss der Vertragsverhandlungen und der Erklärung, die dem Vertrag völkerrechtliche Verbindlichkeit verleiht, liegt das parlamentarische Verfahren. Es lassen sich folgende Phasen unterscheiden:6

16.20

– Die Vertragsverhandlungen werden durch Unterhändler, zumeist Ministerialbeamte des Bundesfinanzministeriums, geführt, die eine Verhandlungsvollmacht des Bundespräsidenten haben, der nach Art. 59 Abs. 1 GG den Bund völkerrechtlich vertritt und allein befugt ist, völkerrechtliche Verträge abzuschließen. – Die Unterhändler beider Vertragspartner einigen sich als erstes zumeist auf nur eine einzige Verhandlungssprache, um von vornherein die Möglichkeit sprachlicher Missverständnisse gering zu halten. In dieser Verhandlungssprache wird auch der vorläufige Abkommenstext erarbeitet, zu dem auch Protokolle und sonstige Briefwechsel gehören. – Zum Abschluss der Verhandlungen paraphieren die Unterhändler beider Vertragspartner jeweils eine Ausfertigung des Abkommenstextes, der Protokolle und des Briefwechsels. Nach dieser Paraphierung wird die in der Verhandlungssprache ausgefertigte Fassung in den jeweiligen Landessprachen der beiden Vertragspartnerländer abgefasst, und die Fassungen werden aufeinander abgestimmt. Die Unterhändler einigen 1 BGBl. II 1985, 926. 2 BGBl. II 1987, 757. 3 Als Völkergewohnheitsrecht ist das WÜRV aufgrund des Art. 25 Satz 2 GG innerstaatlich anwendbar, BVerfG v. 7.7.1975 – 1 BvR 274/72, 1 BvR 209/72, 1 BvR 195/73 u.a., BVerfGE 40, 141 (167); v. 14.11.1979 – 1 BvR 654/79, BVerfGE 52, 391 (406); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I2, § 14 IV 3c. 4 Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, § 2 Rz. 51; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 45, 105; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 68 f.; dagegen für die Anwendbarkeit erst ab Inkrafttreten BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 5 Hierzu im Einzelnen Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, § 2 Rz. 51. 6 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, § 2 Rz. 51; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 87 ff.; Maunz in Maunz/Dürig, Art. 59 GG Rz. 11; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 45 ff. mit Hinweisen auf die ausländische Praxis; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 6 ff.

619

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

sich sodann darüber, dass das Abkommen letztlich in der Fassung beider Landessprachen der Vertragspartnerstaaten verbindlich sein soll. Denkbar ist aber auch, den Abkommenstext in der Fassung einer dritten Landessprache als verbindlich festzulegen.1 Die Paraphierung des Abkommenstextes kennzeichnet lediglich den vorläufigen Charakter der Einigung. Die materielle Wirkung erschöpft sich darin, dass die beteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben nunmehr verpflichtet sind, den Vertrag in angemessener Zeit den Stellen vorzulegen, die über dessen Annahme oder Ablehnung zu entscheiden haben. Es besteht aber keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Annahme des Vertrages. – Da gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG völkerrechtliche Verträge der parlamentarischen Zustimmung bedürfen, legt die Bundesregierung dem Bundestag und gem. Art. 105 Abs. 3 GG auch dem Bundesrat den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu dem DBA einschließlich der Protokolle und des Briefwechsels vor. – Das Zustimmungsgesetz zum Abkommen (Art. 59 Abs. 2 GG) wird im Bundestag verabschiedet; der Bundesrat muss zustimmen (Art. 78 GG). Das Zustimmungsgesetz wird sodann gem. Art. 82 GG vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. – Durch das Zustimmungsgesetz wird der Inhalt des Vertrages innerstaatliches Recht unter der Voraussetzung, dass dieser Vertrag völkerrechtlich überhaupt in Kraft treten wird.2 – Die Ratifikation, d.h. die formelle Erklärung, dass der Vertragsstaat den in der betreffenden Urkunde wiedergegebenen Text des Vertrages einzuhalten gewillt ist und sich daran nunmehr völkerrechtlich für gebunden hält, erfolgt durch den hierfür allein gem. Art. 59 Abs. 1 GG zuständigen Bundespräsidenten. – Schließlich erfolgt ein Austausch der Ratifikationsurkunden und die Bekanntgabe hiervon im Bundesgesetzblatt. Dies ist der letzte Akt des förmlichen mehrphasigen Vertragsabschlussverfahrens. Er hat seine Bedeutung darin, dass erst dadurch der jeweils andere Vertragspartner formell vom Willen des anderen ratifizierenden Staates in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag nunmehr völkerrechtlich verbindlich sein soll. Daher beginnt die Bindungswirkung grundsätzlich erst mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden. Bei multilateralen Verträgen tritt anstelle des Austauschs der Ratifikationsurkunden nicht selten die Hinterlegung derselben bei einer bestimmten Stelle.3 1 Beispiele bei Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 49. 2 Das Zustimmungsgesetz enthält insoweit einen Anwendungsbefehl; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 61. 3 Das EU-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen – Schiedsverfahrenskonvention – (90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; BGBl. II 1993, 1308) z.B. sieht in seinem Art. 17 die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union vor; vgl.

620

C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA

Das Inkrafttreten wird in DBA zumeist zeitlich genau fixiert und fällt in aller Regel mit dem Tag zusammen, an dem die Ratifikationsurkunden ausgetauscht werden.1 Von dem Inkrafttreten des Abkommens ist die erstmalige Anwendung seiner Vorschriften zu unterscheiden. Auch hier werden regelmäßig besondere Regelungen getroffen.2 Eine rückwirkende Anwendung von DBA ist aber im Hinblick auf das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Rückwirkungsverbot3 unzulässig, wenn sie steuerlich belastend wirkt.4

16.21

In der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine belastende Rückwirkung verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 GG) zulässig ist oder nicht, unterscheidet das BVerfG5 bei DBA zwischen der Rückwirkung auf völkerrechtlicher Ebene und derjenigen auf der innerstaatlichen Ebene.6 Eine Rückwirkung des Abkommens auf der völkerrechtlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt vor dem Vertragsschluss (Austausch der Ratifikationsurkunden) festgelegt wird; eine Rückwirkung des Vertrages auf der innerstaatlichen Ebene ist gegeben, wenn der Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor der Verkündung des Zustimmungsgesetzes im Bundesgesetzblatt liegt. Für beide Fallgruppen ist die Reichweite des verfassungsrechtlich zu beachtenden schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der ursprünglichen günstigeren Rechtslage bis zum Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages über das Zustimmungsgesetz begrenzt. Darüber hinaus ist es auch bei Zustimmungsgesetzen von Verfassungs wegen nicht geboten, Vertrauensschutz noch für die Zeit nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Bundestages zu gewähren.7 Auf innerstaatlicher Ebene ist eine Rückwirkung daher verfassungsrechtlich unbedenklich, solange der völkerrechtliche Vertragsabschluss, das heißt der Austausch der Ratifikationsurkunden, angemessene Zeit8 nach dem Gesetzesbeschluss, erfolgt.

16.22

1 2 3 4

5 6 7 8

Bekanntmachung über das Inkrafttreten zum 1.1.1995, BStBl. I 1995, 166; Einzelheiten zu diesem EU-Abkommen unter Rz. 16.114 ff. Vgl. etwa Art. 32 Abs. 2 DBA-USA, in einigen Abkommen sind spätere Termine vorgesehen, hierzu Liesenfeld in V/L5, Art. 30–31 OECD-MA Rz. 18. Vgl. etwa Art. 32 Abs. 3 bis 6 DBA-USA. Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 170 ff. BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (284, 287) und in BStBl. II 1973, 431 (434, 435); v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 ff. und in BStBl. II 1986, 628 (640, 645);BFH v. 19.5.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1223; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 32; Liesenfeld in V/L5, Art. 30–31 OECD-MA Rz. 21; zum DBAItalien: Lüdicke, DB 1991, 1491 ff.; Handzik, RIW 1991, 653 ff.; Hahn/Suhrbier, IStR 1993, 262 ff. BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (354 f.); v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (267 ff.) und in BStBl. II 1986, 628 (649 ff.). Zur Kritik an dieser Differenzierung Vogel, H. in FS O. L. Walter, 81 (89 ff.). Zum DBA-Italien 1989 BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155. Im Falle des DBA-Italien 1989 betrug dieser Zeitraum fast zweieinhalb Jahre, ohne dass er verfassungsrechtlich beanstandet worden ist; BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155; BFH v. 28.12.1993 – I B 168/93, BFH/NV 1994, 692; v. 6.4.1994 – I B 218/93, BFH/NV 1995, 9; zur Kritik Lüdicke, DB 1995, 748 ff.

621

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.23 Indessen enthalten die meisten deutschen Zustimmungsgesetze eine Rückwirkungsklausel dahingehend, dass die Steuer nicht zu erheben oder ggf. zu erstatten ist, soweit die Rückwirkung zu einer Mehrbelastung des Steuerpflichtigen durch das DBA führen würde.1 Die Zustimmungsgesetze enthalten seit 1968 zudem jeweils eine gesonderte Rechtsgrundlage,2 um bereits bestandskräftige Steuerbescheide, die der Rückwirkung entgegenstehen, zu ändern.3

D. Änderungen und Erlöschen von DBA Literatur Böckstiegel, Wegfall der Geschäftsgrundlage und clausula rebus sic stantibus im Staatsvertrags- und Völkerrecht, JuS 1973, 759; Hoffmann, Internationales Privatrecht im Einigungsvertrag, IPRax 1991, 1; Köck, Altes und Neues zur clausula rebus sic stantibus, in FS für Verosta, Berlin 1980, 79; Poeggel/Meißner/Poeggel, Staatennachfolge in Verträge, Berlin 1980; Schaumburg/Schulz, Die Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Brasilien und ihre Konsequenzen nach nationalem deutschen Steuerrecht, IStR 2005, 794; Treviranus, Die Konvention der Vereinten Nationen über Staatensukzession bei Verträgen, ZaöRV 39 (1979), 259; Zemanek, Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge, in FS für Verdross, Berlin 1980, 719.

I. Änderungen und Ergänzungen 16.24 Auch nach dem Inkrafttreten von DBA ergeben sich vielfach Gründe, DBA zu ändern oder zu ergänzen. Zu den maßgeblichen Gründen zählen grundlegende Steuerreformen oder wesentliche Änderungen des Steuersystems eines der beiden Vertragsstaaten. Während Revisionsverhandlungen mit dem Ziel der Änderung völkerrechtlicher Verträge bei multilateralen Verträgen in aller Regel nur auf der Grundlage besonderer Revisionsklauseln erfolgen, werden bei bilateralen Verträgen, insbesondere bei DBA, Revisionsverhandlungen zumeist auf Initiative eines der beiden Vertragspartner ohne weiteres eingeleitet. Derartige Revisionsverhandlungen werden geführt bei grundsätzlichem Fortbestehen des betreffenden DBAs. Soweit nur eine partielle Änderung erfolgt, wird diese in einem Revisionsprotokoll niedergelegt, das nach den gleichen Regeln wie das DBA selbst in innerstaatliches Recht umgesetzt wird und völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt. Soll hingegen das DBA insgesamt geändert und durch ein neues DBA ersetzt werden, sind die entsprechenden Revisionsverhand1 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 32; Liesenfeld in V/L5, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 21. 2 Überblick über die einzelnen Zustimmungsgesetze bei Liesenfeld in V/L5, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 16. 3 Ohne gesonderte Rechtsgrundlage wäre eine Änderung nicht zulässig, und zwar auch nicht gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO; Loose in T/K, § 175 AO Rz. 43; von Groll in H/H/Sp, § 175 AO Rz. 251; Liesenfeld in V/L5, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 24.

622

D. Änderungen und Erlöschen von DBA

lungen auf den Abschluss eines Revisionsabkommens gerichtet. Durch ein derartiges Revisionsabkommen wird das alte Abkommen außer Kraft gesetzt, wobei zwecks Vermeidung steuerlicher Nachteile mitunter dem Steuerpflichtigen die Option eingeräumt wird, für eine bestimmte Übergangszeit das alte Abkommen weiter anzuwenden.1 Werden zu einem bereits bestehenden DBA zusätzliche Vereinbarungen getroffen, die die Normen des bestehenden DBAs nicht ändern, sondern lediglich formell oder materiell ergänzen, so steht am Ende der Revisionsverhandlungen ein Zusatzprotokoll, das ebenfalls nach den für DBA selbst bestehenden Regeln innerstaatliches Recht wird und völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt.

16.25

II. Außerkrafttreten In aller Regel ergeben sich die Erlöschensgründe aus dem völkerrechtlichen Vertrag selbst. So kann ein Vertrag erlöschen durch Eintritt einer auflösenden Bedingung oder aber durch Zeitablauf am Ende der vertraglich vereinbarten Geltungsdauer.2 Da DBA indessen durchweg für unbestimmte Zeit in Kraft treten, werden diese durch Kündigung beendigt, soweit sie eine Kündigungsklausel enthalten (Art. 31 OECD-MA). Gekündigt wurde zuletzt das DBA-Brasilien zum 31.12.20053 und das ErbStDBA mit Österreich zum 31.12.2007.4 Ohne Kündigungsklausel kann ein völkerrechtlicher Vertrag und damit auch ein DBA nur unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus5 oder einvernehmlich aufgehoben werden.

16.26

DBA erlöschen schließlich auch beim Untergang eines Vertragsstaates,6 es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Staatennachfolge.7 Hierfür gilt nach Maßgabe des Art. 31 des Wiener Übereinkommens über Staatennachfolge in Bezug auf Verträge vom 23.8.19788 das Prinzip der Kontinuität (automatische Nachfolge in alle Verträge), wobei der Anwendungsbereich der fortgeltenden Verträge jeweils auf das ursprüngliche Territorium der Vertragspartei beschränkt bleibt.9

16.27

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. etwa Art. 32 Abs. 3 DBA-USA. Vgl. Art. 54 WÜRV. Hierzu Schaumburg/Schulz, IStR 2005, 794 ff. BMF v. 8.10.2007, BStBl. I 2007, 821; Verlängerungsabkommen (bis 31.7.2008) v. 6.11.2008, BGBl. II 2009, 715. Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 103 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 103; Böckstiegel, JuS 1973, 759 ff.; Köck in FS Verosta, 79 ff. Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 103; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 103 ff. Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 340 ff. Vgl. dazu Treviranus, ZaöRV 39 (1979), 259 ff. mit Text im Anhang, S. 279 ff.; Zemanek in FS Verdross, 719 ff. Poeggel/Meißner/Poeggel, Staatennachfolge in Verträge, 108 f.; Treviranus, ZaöRV 39 (1979), 259 (271 f.); Hoffmann, IPRax 1991, 1 (7); zur Rechtslage bezüg-

623

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.28 Nach dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens sowie der Teilung der Tschechoslowakei wurden von Deutschland mit den neu entstandenen Staaten zunächst Vereinbarungen über die Fortgeltung der mit den drei vorgenannten Staaten bestehenden DBA geschlossen,1 wobei inzwischen mit einigen Nachfolgestaaten neue DBA abgeschlossen bzw. in Kraft getreten sind.2

E. Anwendung von DBA Literatur Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1; Bohnert, US-Steuerreform und deutsch-amerikanisches Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 37 ff.; Bothe, Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organiationen, NJW 1991, 2169; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung im Steuerrecht der EU-Staaten, München 2006; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Dürrschmidt, „Europäisches Steuerrecht“ nach Lissabon, NJW 2010, 2086; Forsthoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Häger, Meistbegünstigung im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Baden-Baden 2008; Hofbauer, Erfordern die Grundfreiheiten des EGV eine innereuropäische Meistbegünstigung? – Erste Erkenntnisse aus dem „D“-Fall, SWI 2004, 586; Jann, Die Auswirkungen des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996, 400; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Lang, M., Wohin geht das Internationale Steuerrecht?, IStR 2005, 289; Langbein, „Treaty overriding“ durch nationales Recht, RIW 1988, 875; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Seidl-Hohenveldern, Köln/Berlin/Bonn/München 1988, 403; Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern?, IStR 2006, 49; Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext, DStJG 4 (1985), 247; Scherer, Doppelbesteuerung und europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Schuch, Verpflichtet das EU-Recht zur DBA-rechtlichen Meistbegünstigung?, SWI 1996, 267; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Stockmann, Völkerrechtliche Meistbegünstigungsklausel und Internationales Steuerrecht, IStR 1999, 129; Vedder, Einwirkungen des Europarechts auf das innerstaatliche Recht und auf internationale Verträge der Mitgliedstaaten: Die Regelung der Doppelbesteuerung, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 1; Vogel, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 507; Wassermeyer, Die Vermeilich der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR und Jugoslawiens BMF v. 2.1.1997, BStBl. I 1997, 92. 1 Vgl. die Hinweise im BMF v. 2.1.1997, BStBl. I 1997, 92. 2 Hierzu der Überblick in BMF v. 12.1.2010, BStBl. I 2010, 35.

624

E. Anwendung von DBA dung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den BFH, StuW 1990, 404; Weggenmann, EG-rechtliche Aspekte steuerlicher Meistbegünstigung im Abkommensrecht, IStR 2003, 677; Wingert, Neuere Entwicklungen der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1990, 207.

I. Normengruppen DBA erlangen Rechtsnormcharakter dadurch, dass sie vom Bundestag und Bundesrat als Zustimmungsgesetze1 beschlossen und sodann durch das Ratifikationsverfahren völkerrechtlich verbindlich werden (Rz. 16.20 f.). Rechtsnormcharakter hat nicht nur der Abkommenstext als solcher, sondern haben auch die beigefügten Protokolle und Briefwechsel, die selbst integrale Bestandteile der DBA sind.2

16.29

In Protokollen und Briefwechseln werden gewöhnlich diejenigen Verhandlungsergebnisse niedergelegt, die entweder von den Vertragspartnern als weniger wichtig angesehen werden oder aber vom Regelungsgehalt her nur einen der beiden Vertragsstaaten betreffen. Indessen haben Protokolle und Briefwechsel in der Abkommenspraxis zunehmend an Bedeutung gewonnen.3 Dass vermehrt auch materiell-rechtliche Regelungen in Protokolle aufgenommen werden,4 hat seine Ursache im Wesentlichen darin, dass die von Deutschland abgeschlossenen DBA vom äußeren Aufbau her zwar noch weitgehend dem OECD-MA entsprechen, inhaltlich aber immer mehr von diesem abweichen. Dabei finden die Abweichungen Eingang in die den eigentlichen Abkommenstexten beigefügten Schlussprotokolle.5

16.30

Soweit Protokolle und Briefwechsel nicht zum Bestandteil der eigentlichen Abkommen selbst geworden sind und damit auch nicht am Ratifizierungsverfahren teilgenommen haben, kommt ihnen zwar kein Rechtsnormcharakter zu, sie stellen aber eine Auslegungshilfe dar.6

16.31

Da DBA darauf gerichtet sind, dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht im bilateralen Verhältnis Schranken7 aufzuerlegen,8 wirken sie unmittelbar auf das jeweilige Steuerrechtsverhältnis9 ein.10 Sie sind nach

16.32

1 Art. 59 Abs. 2 GG; die Zustimmung des Bundesrates ist gem. Art. 105 GG unabdingbar. 2 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 46, 53; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 7; Drüen in T/K, § 2 R AO z. 29. 3 Zu dieser „Protokollsucht“ Wingert, RIW 1990, 207 (209). 4 Vgl. etwa die Protokolle zum DBA-Italien und DBA-USA. 5 Zur „Bilateralisierung“ der DBA Wingert, RIW 1990, 207 (209). 6 Vgl. Art. 31 Abs. 2 WÜRV. 7 Kritisch zu diesem Begriff Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. 8 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 ff.). 9 Zum Steuerrechtsverhältnis Lang in Tipke/Lang20, § 6 Rz. 1 ff. 10 In Deutschland nach Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes als legislative Schranke gegen die übrigen Normen des nationalen Rechts; zum lex specialisCharakter Rz. 3.25.

625

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Umsetzung in innerstaatliches Recht insoweit unmittelbar anwendungsfähig, haben als solche also self executing-Charakter.1 Das bedeutet aber nicht, dass allen Vorschriften der DBA eine derartige self executing-Wirkung zukommt. So gibt es Vorschriften, die lediglich Ermächtigungsnormen darstellen, die zu ihrer Umsetzung noch einer innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift bedürfen.2 Ob eine Abkommensvorschrift self executing-Wirkung hat oder nicht, ist dem Wortlaut und dem Sinngehalt der einzelnen Vorschrift zu entnehmen. Für Ermächtigungsnormen sprechen Formulierungen wie „dürfen“ oder „können“, für unmittelbar anwendbare Normen sprechen dagegen Formulierungen wie „sind“. Zu diesen self executing-Normen zählen insbesondere die dealing-atarm’s-length-Klausel des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, zu deren Durchführung es keiner innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift mehr bedarf.3

16.33 Da DBA in erster Linie den Zweck verfolgen, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden,4 sind deren Normen unter diesem Gesichtspunkt als kollisions- oder konfliktauflösende Normen zu qualifizieren. Während die kollisions- oder konfliktbegründenden Normen, dass heißt solche Normen, die eine Doppelbesteuerung verursachen, Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind, erfolgt die Kollisionsauflösung auf der Ebene des Abkommensrechts.5 Der Zweck von DBA erschöpft sich indessen nicht darin, die Doppelbesteuerung zu vermeiden (Rz. 16.36). Aufgabe der DBA ist es vielmehr auch, in grenzüberschreitenden Steuerfällen aufgrund sachgerechter und konsequent durchgeführter Regeln für die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Staat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes unter mehreren Staaten Sorge zu tragen.6

1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 58, Henkel in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 11 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (1); zur Terminologie Stein/von Buttlar 12, Rz. 185 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 45 f. 2 So z.B. die Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA; hierzu im Einzelnen BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 zu Art. 6 DBA-Niederlande. 3 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 77 ff.; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 504; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 621 ff.; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 29 ff.; Kluge, StuW 1975, 294 (300 ff.); Schaumburg, DStJG 4 (1985), 247 (253); a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 171, 315. 4 Die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) ist nicht das eigentliche Ziel von DBA, sondern lediglich Folge der Freistellungsmethode; vgl. Rz. 16.84 ff.; 16.522 ff. 5 Zu kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen im Einzelnen Rz. 2.7 ff.; zur Abgrenzung: die Normen der DBA sind keine Kollisionsnormen im Sinne des Internationalen Privatrechts, hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 43, 68; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. 6 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 26; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120.

626

E. Anwendung von DBA

Die Normen der DBA werden u.a. als Verzichtsnormen1 oder als Verteilungsnormen2 (Zuteilungs-/Aufteilungsnormen) bezeichnet.3

16.34

In der Staatenpraxis werden die Normen der DBA indessen tatsächlich überwiegend nicht als ein auf Verteilungsgerechtigkeit, sondern eher als ein auf fiskalische Interessenverfolgung ausgerichtetes Regelungsgefüge, aufgefasst. Zu diesem Zweck werden die DBA nicht selten von den Vertragsstaaten selbst umgangen,4 wird Abkommensrecht offen oder verdeckt durch innerstaatliches Recht überlagert oder gar verdrängt (sog. treaty overriding, Rz. 3.25 f.), werden Normen der DBA unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Steuerverzichts ausgelegt und damit Qualifikationskonflikte, Auslegungskonflikte usw. (Rz. 16.79 ff.) hingenommen. Trotz DBA wird daher eine Doppelbesteuerung nicht stets vermieden, so dass Steuerpflichtige nicht selten Opfer dieses Verteilungskampfes werden, zumal ihnen in der internationalen Besteuerungspraxis kein Recht auf konfliktlösende zwischenstaatliche Verständigungsverfahren (Rz. 16.91) eingeräumt wird.5

16.35

Der Regelungsgehalt der DBA geht mitunter über die bloße Vermeidung der Doppelbesteuerung und die gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen den beteiligten Staaten hinaus. So dienen Abkommen auch der Verhinderung von Steuerverkürzungen,6 so dass die diesbezüglichen Normen, bei denen es sich zumeist um sog. Missbrauchsklauseln handelt,7 auch als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen8 aufgefasst werden können. Steuerbegründende Normen enthalten DBA demgegenüber nicht. Das Recht, Steuern zu erheben, wird nämlich nicht durch DBA verliehen, sondern leitet sich allein aus der Souveränität eines jeden Staates ab.9

16.36

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Hierzu ausführlich Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 f.). Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 71; Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 148. Kritisch zu diesen Begriffen Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. Hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 188 ff. Vgl. allerdings die abkommensrechtlichen Schiedsgerichtsklauseln sowie für den Bereich der EU die Schiedsverfahrenskonvention; zu Einzelheiten Rz. 16.114 ff. Vgl. etwa die Überschrift des DBA-USA. Vgl. etwa Art. 28 DBA-USA, Nr. 17 des Protokolls des DBA-Belgien; Nr. 7c des Protokolls des DBA-Neuseeland; Nr. 6 des Protokolls des DBA-Finnland; ferner Art. 23 DBA-Schweiz. Häufig auch als Steuerfluchtnormen bezeichnet; hierzu im Einzelnen Rz. 2.16 ff. Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 69; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 33; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 61; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (414); Wassermeyer, StuW 1990, 404 (411).

627

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

II. Normenkonkurrenz 1. Verhältnis zum nationalen Recht

16.37 DBA stehen als völkerrechtliche Verträge gem. Art. 59 Abs. 2 GG im Rang von Bundesgesetzen.1 Sie gehen indessen als leges speciales dem innerstaatlichen Steuerrecht vor.2

16.38 Diese Derogationswirkung hat allerdings Grenzen, weil spätere speziellere Regelungen des nationalen Steuerrechts den DBA vorgehen, soweit ein gesetzgeberischer Wille zur Abkommensverdrängung feststellbar ist.3 Die Derogationswirkung ergibt sich unabhängig von dem insoweit nur deklaratorisch wirkenden § 2 AO schon aus dem Sinn und Zweck der DBA. Während nämlich die Normen des nationalen Steuerrechts darauf gerichtet sind, die Voraussetzungen der Steuerpflicht zu bestimmen, besteht das Wesen der Abkommen demgegenüber darin, gegen das innerstaatliche Steuerrecht Schranken zu errichten,4 was aber nur dadurch erreicht werden kann, dass die Normen der DBA denen des innerstaatlichen Steuerrechts vorgehen.

16.39

Die Schrankenwirkung der DBA versagt indessen, wenn aufgrund gesetzgeberischer Maßnahmen des nationalen Rechts den DBA die Derogationswirkung genommen wird. Ein derartiges treaty overriding ist in denjenigen Staaten ausgeschlossen, in denen völkerrechtliche Verträge selbst vor späteren spezielleren nationalen Steuergesetzen Vorrang haben.5 Demgegenüber beanspruchen die gesetzgebenden Körperschaften der USA ein treaty overriding als verfassungsmäßiges Recht, von dem sie nicht selten Gebrauch machen.6 In Deutschland wird ein (offenes) treaty overriding in zunehmendem Maße praktiziert;7 das nationale deutsche Steuerrecht enthält zudem Vorschriften,8 die so ausgestaltet sind, dass sie entsprechende Abkommensvorschriften unterlaufen können.9 Offenes oder verdecktes treaty overriding bewirkt eine Störung der durch DBA geschaffenen bilateralen Steuerrechtsordnung, deren Normen wesensmäßig darauf gerichtet sind, beide Vertragsstaaten gleichermaßen zu verpflichten.10 Darüber hinaus führt ein Unterlaufen von DBA und deren 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

Grundlegend BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363). § 2 AO; zu den Einzelheiten Rz. 3.25. Drüen in T/K § 2 AO Rz. 38; vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 3.25 f. Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 ff.); kritisch hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. So in Frankreich, in den Niederlanden sowie in Belgien und in Japan; für die Schweiz ist dies umstritten; das schweizerische Bundesgericht (BGE 59 II 331 [337]) verneint es, in der Literatur (Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz2, 86 m.w.N.) wird dies überwiegend bejaht; Einzelheiten bei Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 201. Hierzu Shannon, Die DBA der USA, 50 ff.; Bohnert, RIW 1987, 37 ff.; Langbein, RIW 1988, 875 ff. Beispiele: § 50d Abs. 1, 3, 8 bis 10 EStG. Etwa § 20 Abs. 2 AStG. Zur Umgehung von DBA durch die Vertragsstaaten Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 188 ff. Debatin, DB 1985 Beilage 23, 1 (2).

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E. Anwendung von DBA nachhaltige Aushöhlung durch entgegenstehendes innerstaatliches Recht zu Vertragsverletzungen, die gem. Art. 60 WÜRV zu einer Vertragskündigung durch den anderen Vertragsstaat berechtigen können, zumal Art. 27 Abs. 1 WVK das Prinzip formuliert, dass Staaten sich nicht auf ihr internes Recht berufen dürfen, um die Nichterfüllung und Nichteinhaltung eines völkerrechtlichen Vertrages zu rechtfertigen.1 Ein etwaiger Abkommensverstoß hat indessen keine innerstaatlichen Wirkungen: Der Steuerpflichtige kann sich im Rechtsbehelfsverfahren nicht auf eine etwaige Völkerrechtswidrigkeit berufen.2

Im Hinblick auf den Charakter der Abkommen als leges speciales ggü. dem innerstaatlichen Steuerrecht ist zwar im Rahmen der Rechtsanwendung grundsätzlich die Prüfung von Abkommensrecht vorrangig,3 aus Gründen der Praktikabilität wird in der Praxis aber durchweg zunächst die Steuerpflicht nach innerstaatlichem Steuerrecht geprüft.4

16.40

2. Verhältnis zum Europarecht Soweit die europarechtlichen Normen self executing sind (Rz. 3.37), ge- 16.41 nießen sie innerhalb der Normenhierarchie des Internationalen Steuerrechts Anwendungsvorrang ggü. den Normen der DBA, die gem. Art. 59 Abs. 2 GG lediglich im Rang von Bundesgesetzen stehen (Rz. 3.24, 3.37). Dieser Anwendungsvorrang ist indessen begrenzt durch die Reichweite des primären und sekundären Unionsrechts selbst, das z.B. keine allgemeinen Kriterien für die Vermeidung der Doppelbesteuerung enthält.5 Die Vorrangwirkung erfasst uneingeschränkt die zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Altabkommen, also um Abkommen, die vor Inkrafttreten des EGVertrages (heute AEUV) abgeschlossen wurden, oder um Neuabkommen handelt.6 Auf mit Drittstaaten abgeschlossene DBA wirken die europa1 Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen vom 21.3.1986 (WVK) ist von Deutschland ratifiziert worden (BGBl. II 1990, 1415); zu Einzelheiten Bothe, NJW 1991, 2169. 2 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 12. 3 Debatin, DB 1985 Beilage 23, 1 (2); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (2); zur „richtigen“ Reihenfolge eingehend Vogel, DB 1986, 507 (508 f.) einerseits und Debatin, DB 1985 Beilage 23, 1 (5 f.) sowie dessen Replik zum Beitrag von Vogel, DB 1986, 507 (512 f.) andererseits. 4 So etwa seitens der Rechtsprechung, vgl. BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; vgl. auch Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (417). 5 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451 Rz. 45. 6 Zum Vorrang des Unionsrechts vor völkerrechtlichen Verträgen z.B. EuGH v. 10.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bonanich, EuGHE 2006, I-923; zu Altabkommen

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16.42

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

rechtlichen Normen nur dann ein, wenn die abkommensrechtlichen Regelungen Auswirkungen auf den Binnenbereich der EU und somit unionsrechtliche Relevanz haben.1 Soweit sich hiernach eine Bindungswirkung des vorrangigen Europarechts ergibt, gilt diese freilich nur für den EU-Vertragsstaat selbst, nicht aber für den Drittstaat. Das gilt für Altund Neuabkommen gleichermaßen. Verstoßen derartige mit Drittstaaten abgeschlossene DBA gegen primäres oder sekundäres Unionsrecht, ist wie folgt zu differenzieren: Altabkommen bleiben für den betreffenden EU-Vertragsstaat anwendbar (Art. 351 Abs. 1 AEUV), es sei denn, es wird primäres Unionsrecht (zum Begriff vgl. Rz. 1.7) verletzt. In diesem Fall trifft den EU-Vertragsstaat allerdings eine Anpassungspflicht, so dass alle geeigneten Mittel anzuwenden sind, um die Unvereinbarkeit mit dem primären Unionsrecht zu beheben, was bedeutet, dass entweder einseitig durch nationales Recht das primäre Unionsrecht auf die Altabkommen für anwendbar erklärt wird oder gegebenenfalls das DBA zu kündigen ist.2 Mit Drittstaaten abgeschlossene Neuabkommen sind indessen von vornherein unanwendbar, soweit sie gegen vorrangiges Europarecht verstoßen.3 Hieraus folgt, dass jeder EU-Vertragsstaat schon im Ausgangspunkt gehalten ist, die einzelnen DBA so auszuhandeln, dass sie den Grundfreiheiten entsprechen.4

16.43 Die die Anwendung von DBA überlagernde Bindung an primäres Unionsrecht bezieht sich vor allem auf die im AEUV verankerten Grundfreiheiten. Betroffen sind hierdurch die von den EU-Staaten untereinander geschlossenen DBA. Ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten ist stets dann gegeben, wenn die Abkommensanwendung zu einer Diskriminierung von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten führt. Hierbei geht es im Wesentlichen um die abkommensrechtliche Ungleichbehandlung von beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern fremder Staatsangehörigkeit im Vergleich zu unbeschränkt steuerpflichtigen Personen eigener Staatsangehörigkeit. Angesprochen sind aber auch die Fälle, in denen beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger verschiedener Staatsangehörigkeiten im Quellenstaat, etwa in Deutschland, ungleich behandelt werden. Erfasst werden in der ersten Fallgruppe z.B. beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger, die in Deutschland Betriebs-

1 2 3

4

EuGH v. 27.2.1962 – Rs. 10/61 – Kommission ./. Italien EuGHE 1962, 3; im Einzelnen m.w.N. Schönfeld in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 86 f.; Lehner in V/L5, Einl. DBA Rz. 259; Lang, M. in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), DBA und EU-Recht, 25 (27). Schönfeld in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 91; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 280 ff. Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 92; Lehner in V/L5, Einl. DBA Rz. 261. Wegen des bloß subsidiär anwendbaren Art. 63 AEUV (Kapitalverkehrsfreiheit) ist der Rechtsschutz allerdings sehr eingeschränkt; hierzu Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 101; Vedder, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, 1 (8). Hierzu Schuch, SWI 1996, 267 (269); Dautzenberg, DStJG 19 (1996) 151 (160).

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E. Anwendung von DBA

stätten mit Drittlandseinkünften unterhalten. Da Betriebsstätten nicht abkommensberechtigt sind (Rz. 16.175), kann die Doppelbesteuerung in derartigen Dreiecksfällen nicht vermieden werden (Rz. 16.182 ff.). Demgegenüber können unbeschränkt steuerpflichtige Personen die Schrankenwirkungen der von Deutschland als Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen DBA für derartige inländische Betriebsstätteneinkünfte aus in Drittstaaten belegenen Quellen in Anspruch nehmen.1 Im Ergebnis werden damit beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern nicht die gleichen Abkommensvergünstigungen gewährt wie den in Deutschland ansässigen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen. Die zweite Fallgruppe betrifft Fälle, in denen beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger verschiedener Nationalitäten etwa in Deutschland als Quellenstaat deshalb ungleich besteuert werden, weil die Schrankenwirkungen der mit den betreffenden EU-Ansässigkeitsstaaten geschlossenen DBA unterschiedliche Reichweiten haben. Die Grundfreiheiten werden mitunter dahingehend extensiv verstanden, dass sie auch eine Verpflichtung zur Meistbegünstigung enthalten.2 Hieraus wird gefolgert, dass beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger sich auf das jeweils günstigste EU-DBA des EU-Quellenstaates, etwa das von Deutschland, berufen können.3 Darüber hinaus wird angenommen, dass das Gebot der Meistbegünstigung nicht nur bei Anwendung von zwischen den EU-Staaten abgeschlossenen DBA, sondern auch dann zur Anwendung komme, wenn EU-Staaten DBA mit Drittstaaten abgeschlossen haben, von denen gegen die europarechtlichen Diskriminierungsverbote gerichtete Wirkungen ausgehen.4 Der Geltung der Meistbegünstigung im Europarecht5 hat indessen der EuGH6 eine Absage erteilt: Entsprechend dem Wesen von DBA mit ihren lediglich auf bilateraler Ebene wirkenden, auf Gegenseitigkeit beruhenden Normen ist eine Vergleichbarkeit von den in verschiedenen EU-Staaten ansässigen Gebietsfremden von vornherein nicht gegeben.7

1 Zu diesem Fall Jann, SWI 1996, 400 ff. 2 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 51 ff., 687, 817 f., 836 ff.; Weggenmann, IStR 2003, 677 ff. 3 Schuch in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), DBA und EU-Recht, 99 ff.; Schuch, SWI 1996, 267 ff.; Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 (162 f.); Beul, IStR 1997, 1 (4); Stockmann, IStR 1999, 129 ff. 4 Scherer, Doppelbesteuerung und europäisches Gemeinschaftsrecht, 156. 5 Hierzu Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 759 ff.; Hageböke in S/K/K, Art. 24 Rz. 29 ff. 6 EuGH v. 5.7.2005, Rs. C -376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821; ebenso BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560; v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 7 Diese Entscheidung ist überwiegend auf Kritik gestoßen, vgl. die Nachweise bei Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 759 ff.; ferner Häger, Meistbegünstigung im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 101 ff.

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16.44

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.45

Die Absage an eine innereuropäische Meistbegünstigung führt im Ergebnis dazu, dass die unterschiedliche Besteuerung von Gemeinschaftsbürgern unterschiedlicher Herkunft in einem EU-Mitgliedstaat konserviert wird. Diese steuerlichen Verwerfungen bewirken Wettbewerbsverzerrungen, die mit dem Binnenmarktkonzept des AEUV unvereinbar sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auf Grund der unterschiedlichen Steuerwirkungen bei einzelnen DBA mitunter Drittstaatenangehörige eine vorteilhaftere steuerliche Behandlung in einem EU-Mitgliedstaat in Anspruch nehmen können als Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten1 Die EU-Mitgliedstaaten werden daher gehalten sein, im Kernbereich inhaltsgleiche DBA oder ein multilaterales DBA abzuschließen.

16.46 Die Grundfreiheiten wirken auf Abkommensebene ggf. auch zugunsten unbeschränkt steuerpflichtiger Personen. Angesprochen sind hiermit insbesondere Fälle, in denen die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen davon abhängig sind, in welchem Ausmaß das eine oder andere DBA Aktivitätsklauseln (Rz. 16.138) enthält oder nicht, womit zugleich entgegen dem europarechtlich fundierten Binnenmarktkonzept Investitionsentscheidungen verzerrt werden.2 Dieser sog. Outbound-Meistbegünstigungsklausel hat der EuGH ebenfalls eine Absage erteilt.3

16.47 Die vom primären Unionsrecht ausgehenden Schutzwirkungen auf DBA haben in Orientierung an die hierfür maßgebliche EuGH-Rechtsprechung (Rz. 4.23 ff.) nur eine begrenzte Reichweite. So korrespondiert mit der fehlenden europarechtlichen Absicherung der Meistbegünstigung die nicht gegebene Verpflichtung der EU-Staaten, überhaupt DBA abzuschließen,4 so dass die Unionsbürger auch kein entsprechendes subjektives Recht herleiten können.5 Davon abgesehen sind im Ergebnis auch einzelne Regelungsbereiche der DBA den europarechtlichen Schutzwirkungen entzogen, so z.B. die Verteilungsnormen (Art. 6–21 OECD-MA)6 und die Methodenartikel (Art. 23A, 23B OECD-MA).7 Das schließt allerdings nicht aus, dass abkommensrechtliche Defizite aus Gründen des Europa-

1 Hierzu Hofbauer, SWI 2004, 586 ff. 2 Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 128; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 808 ff.; Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 (162 ff.); Lang, M., IStR 2005, 289 (295), a.A. wohl BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 3 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10497. 4 Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2089). 5 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly; EuGHE 1998, I-2823; vgl. Auch Forsthoff, IStR 2006, 509 ff. 6 Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 88, 110; vgl. im Einzelnen Rz. 16.211 ff. 7 Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 89, 116, 119 f.; vgl. im Einzelnen Rz. 16.512 ff.

632

F. Auslegung von DBA

rechts auf Ebene des nationalen (innerstaatlichen) Rechts auszugleichen sind.1 Abkommensrechtliche Verstöße gegen sekundäres Unionsrecht betreffen durchweg EU-Richtlinien, soweit sie einen Abkommensbezug haben.2 Setzt sich unter dem vorgenannten Gesichtspunkt das von einem EUVertragsstaat abgeschlossene DBA in Widerspruch zu einer EU-Richtlinie und werden hierdurch Unionsbürger benachteiligt, können sich diese auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinienbestimmung selbst berufen, sofern diese unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist (Rz. 3.31, 3.46). Dies gilt nicht, wenn die EU-Richtlinie von dem betreffenden EU-Vertragsstaat in übriges nationales Recht umgesetzt worden ist und soweit dieses Abkommensrecht verdrängt (treaty-overriding; vgl. Rz. 3.25 f., 16.35) oder neben diesem anwendbar ist. In diesem Fall kann die unmittelbare Anwendung des betreffenden nationalen Rechts insbesondere dann beansprucht werden, wenn dieses zu einer für den Steuerpflichtigen günstigeren Rechtsfolge führt,3 was beispielsweise bei Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) der Fall ist (Rz. 3.65 ff.).

F. Auslegung von DBA Literatur Kommentare zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Avery Jones, Qualification Conflicts: The Meaning of Application in Article 3 (2) of the OECD-Model, in FS Beusch, Berlin/New York 1993, 43; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte, Köln/Berlin 1963; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, AWD 1969, 477; Debatin, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Scherpf, Wiesbaden 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ A 1987, 211; Diehl, Qualifikationskonflikte im Außensteuerrecht, FR 1978, 517; Flick in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, Köln 1958, 151; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomati1 So etwa die finale Verlustberücksichtigung EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 zu Kapitalgesellschaften und EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601; v. 13.10.2008, Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769; v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerke Ergste Wertig, EuGHE 2007, I-151; v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129 zu Betriebsstätten. 2 Hierzu Lehner in V/L5, Einl. DBA Rz. 269; Schönfeld in D/W, Vor Art. 1 OECDMA Rz. 141. 3 Lehner in V/L5, Einl. DBA Rz. 270; Schönfeld in D/W, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 141.

633

16.48

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) schen Schutz – Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, Berlin 1988; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex-Fori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gröhs/Herbst, Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht, ZfV 1986, 16; Grützner, DBA, Herne/Berlin 1978; Haarmann, Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Köln 2004; Hahn, Zur Auslegung von DBA: Grundsatz der Entscheidungsharmonie im CrashTest, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 631; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 1992; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, Berlin/Heidelberg/New York 1973; Holthaus, Die Änderung der Freistellungspraxis im StÄndG 2003 beim ausländischen Arbeitslohn in § 50d EStG – Auswirkungen einer globalen Rückfallklausel in allen Anwendungsfällen der DBA, IStR 2004, 16; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Hamburg 1995; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW/AWD 1975, 90; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, M., Qualifikations- und Zurechnungskonflikte im DBA-Recht, IStR 2010, 114; Lang, M., Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/ Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, M., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Lang, M., DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, M., Grundsatzerkenntnis des VwGH zur DBA-Auslegung, SWI 1996, 427; Lang, M., Tax Treaty Interpretation, Wien 2001; Lang, Grundsätzliches zur Interpretation völkerrechtlicher Abkommen im Steuerrecht, StuW 1975, 285; Langbein, Doppelbesteuerungsabkommen im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und Völkerrecht, RIW 1984, 531; Lenz, Die Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2005; Menck, OECD-Bericht zur Personengesellschaft und zum Qualifikationskonflikt – ein Überblick, IStR 1999, 147; Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Staatsverträge, AVR 1972, 273; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Seidl-Hohenveldern, Köln/Berlin/Bonn/München 1988, 403; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, München 1995, 29; von Poser und GroßNaedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. München 1972; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Reimer, Die sog. Entscheidungsharmonie als Maßstab für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2008, 551; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, Diss. Köln 1971; Scheffler, Grenzüberschreitendes Leasing als Instrument der konzerninternen Außenfinanzierung, IStR 1993, 490; 538; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Strobl, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Döllerer, Düsseldorf 1988, 635; Vogel, Über Entscheidungsharmonie, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1043; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vo-

634

F. Auslegung von DBA gel, H., Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Vogel, Abkommensvergleich als Methode bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, StbJb 1983/84, 373; Vogel/Prokisch, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI LXXVIIIa (1993), 19; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, München 1995, 19; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 491; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Widmann, Zurechnungsänderungen und Umqualifikationen durch das nationale Recht im Verhältnis zum DBA-Recht, DStJG 8 (1985), 234.

I. Abkommensspezifische Auslegungsgrundsätze 1. Regelungssouveränität der Abkommen DBA beanspruchen als bilaterale völkerrechtliche Verträge eine einheitliche Anwendung durch beide Vertragsstaaten. Diese einheitliche Rechtsanwendung erfährt ihre Absicherung dadurch, dass DBA wegen ihres lex specialis-Charakters dem innerstaatlichen Steuerrecht beider Vertragsstaaten vorgehen (Rz. 3.25). Infolge der Trennung vom innerstaatlichen Steuerrecht stellen die Normen eines DBAs einen in sich geschlossenen Regelungskreis1 dar, der von dem jeweiligen innerstaatlichen Recht beider Vertragsstaaten grundsätzlich unabhängig ist. Diese Regelungssouveränität allein vermag der gegen innerstaatliches Steuerrecht gerichteten Schrankenwirkung (Rz. 16.5 ff.) Geltung zu verschaffen.

16.49

Da die Normen der DBA und die des innerstaatlichen Rechts auf getrennten Ebenen angesiedelt sind2 und aufgrund ihres unterschiedlichen Funktionsgehaltes – Begründung der innerstaatlichen Steuerpflicht einerseits und hiergegen gerichtete Schranken andererseits – die Begriffswelt beider Rechtskreise unterschiedlich ist, verbietet es sich grundsätzlich, die Normen der DBA im Lichte des innerstaatlichen Steuerrechts auszulegen.3

16.50

1 BFH 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 6.10.1971 – I R 207/66, BStBl. II 1972, 88; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Art. 3 OECD-MA Rz. 71a, 76; Henkel in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 562; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2); Debatin, DStR 1992, Beiheft zu Heft 23, 1 (2, 5); Strobl in FS Döllerer, 635 (642). 2 BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810. 3 So die sog. völkerrechtliche Theorie; anders dagegen die sog. landesrechtliche Theorie, wonach die nicht im Abkommen definierten Begriffe primär nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaates ausgelegt werden sollen; hierzu der Überblick Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 48, Art. 3 Rz. 82.

635

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.51 Die Regelungssouveränität der Abkommen hat jedoch ihre Grenzen. DBA schaffen nämlich kein vollständiges und eigenständiges Steuerrechtsverhältnis, insbesondere kein Steuerschuldverhältnis,1 und begründen damit auch keine Steuerpflicht für die in den Vertragsstaaten ansässigen Personen.2 Wegen ihrer Schrankenwirkung erlangen sie Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht. Hieraus folgt, dass auch der Pflichtenkreis der Vertragsstaaten über einen sie gleichermaßen treffenden Steuerverzicht grundsätzlich nicht hinausgeht.3 2. Regelungshomogenität der Abkommen

16.52 Da DBA primär Doppelbesteuerungen vermeiden und eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten regeln wollen, sind die Abkommensregelungen auf gemeinsame Rechtsfolgen gerichtet, was notwendigerweise eine einheitliche Anwendung der Normen durch die Vertragsstaaten voraussetzt.4 Wenn aber der Vertragszweck für beide Vertragsstaaten gleichermaßen verbindliche, gemeinsame Rechtsfolgen und damit eine einheitliche Rechtsanwendung verlangt, dann folgt aus dieser den DBA immanenten Regelungshomogenität das Gebot, Abkommen aus sich selbst heraus dergestalt auszulegen,5 dass die Ergebnisse der Auslegung von beiden Vertragsstaaten akzeptiert werden.6 Diese auf Entscheidungsharmonie7 ausgerichtete Auslegung wird in der Abkommenspraxis insbesondere durch eine zunehmend adaptierte einheitliche internationale Steuersprache abgesichert,8 zu der vor allem die Arbeit des Steuerausschusses der OECD beiträgt.9 Deshalb kommt eine Auslegung nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts nur dann in Betracht, wenn ein Auslegungsergebnis aus dem Abkommen selbst nicht zu 1 Zum Begriff Lang in Tipke/Lang20, § 6 Rz. 2; § 7 Rz. 1 ff. 2 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 69; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Haase in Haase, Einl. II Rz. 64; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 61; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 654 f.; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (414). 3 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3). 4 Haase in Haase, Einl. II Rz. 65; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 104 f., 108 ff.; Debatin, AWD 1969, 477 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin in FS Scherpf, 305 (309); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (25 f.). 5 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 562; Spitaler, CDFI XLII (1960), 165 ff.; Kluge, AWD 1975, 90 (92 ff.); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6). 6 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 114 ff.; Vogel in FS Flick, 1043 ff.; Flick in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 ff.; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406); Strobl in FS Döllerer, 635 (645 f.); Vogel/ Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (28 f.). 7 Ausführlich hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 114 ff.; Vogel in FS Flick, 1043 ff.; Reimer, IStR 2008, 551 ff. 8 Vgl. hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 41, 108; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (27). 9 Hierzu der Überblick bei Krabbe in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156 ff.

636

F. Auslegung von DBA

gewinnen ist.1 Aus der abkommensimmanenten Regelungshomogenität folgt ferner, dass DBA entsprechend ihrer Zielsetzung nicht ohne Einschränkung den üblichen völkervertraglichen Auslegungsregeln unterworfen sind. So sind insbesondere souveränitätsfreundliche Auslegungsregeln nicht anzuwenden, wonach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine geringstmögliche Einschränkung der Souveränität der Vertragsstaaten zur Folge hat.2 Demgegenüber wird die Auslegung von zwischen EU-Staaten abgeschlossenen DBA ganz wesentlich vom primären und sekundären Unionsrecht beeinflusst: Das insoweit höherrangige Unionsrecht verlangt insbesondere ein an den Grundfreiheiten und den EG-Richtlinien orientierte Auslegung (Rz. 3.54 ff.). Denn nur so können von den DBA ausgehende gemeinschaftswidrige Wirkungen vermieden und insoweit zugleich eine einheitliche Abkommensanwendung durch die EU-Staaten gewährleistet werden. In Übereinstimmung mit der abkommensimmanenten Regelungshomogenität enthalten die DBA durchweg eigene Auslegungsrichtlinien (Art. 3 OECD-MA), zu deren Anwendung sich die jeweiligen Vertragsstaaten verpflichtet haben. Die entsprechenden abkommensrechtlichen Auslegungsklauseln stecken den Rahmen ab, innerhalb deren eine Auslegung zu erfolgen hat.

16.53

II. Auslegungsrichtlinien der Abkommen 1. Reichweite der Auslegungsrichtlinien Die meisten DBA, insbesondere die von Deutschland abgeschlossenen,3 enthalten eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA4 vergleichbare Auslegungs1 BFH v. 6.10.1971 – I R 207/66, BStBl. II 1972, 88; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; BFH v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; OECD-MK zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Rz. 12; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 76; Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 116; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Flick, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 (163); Lenz, CDFI XLII (1960), 107 (113); Kluge, RIW 1975, 90 (96); Klebau, RIW 1985, 125 (126); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7); Debatin in FS Scherpf, 305 (311); Strobl in FS Döllerer, 635 (642); Lang, M. in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (35); zu Zweifeln an diesem Vorrang Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 120; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Gaffron in Haase, Art. 3 OECD-MA Rz. 54. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 77; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 148 f.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 76; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 81. 3 Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 126. 4 Wortlaut: Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht

637

16.54

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

klausel,1 die als Auslegungsrichtlinie den allgemeinen völkervertraglichen Auslegungsregeln vorgeht.2 Diese an die Rechtsanwender beider Vertragsstaaten3 gerichtete abkommensrechtliche Auslegungsrichtlinie ist verbindlich für die Auslegung aller Abkommensregelungen, soweit diese ihrerseits nicht besondere Auslegungsregelungen enthalten. Im Verhältnis zu diesen besonderen Auslegungsrichtlinien ist die allgemeine Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) stets subsidiär.4

16.55 Die dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Auslegungsklauseln legen zwar den Rechtsanwender nicht auf einzelne Auslegungsmethoden fest, sie enthalten aber eine bestimmte Reihenfolge von Orientierungsmaßstäben für die Auslegung. Durch diese Reihenfolge wird die Regelungshomogenität insbesondere durch die vorrangige Beachtung eigenständiger Definitionen sichergestellt.

16.56 Die allgemeinen Auslegungsrichtlinien der Abkommen enthalten drei Orientierungsmaßstäbe, die in folgender Reihenfolge zu beachten sind:5

1 2 3

4 5

definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates für die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach in diesem Staat anzuwendendem Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat; zum Begriff „Anwendung“ in einem weiten Sinn verstehend Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 111. Ausführlich zur Bedeutung dieser Lex-Fori-Klausel Gloria, RIW 1986, 970 ff. Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 77; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 120. Mitunter wird allerdings die Ansicht vertreten, die Auslegungsregel sei nur für den Vertragsstaat verbindlich, dessen Besteuerungsrecht durch das DBA beschränkt werde; Nachweise bei Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (45); hiergegen zu Recht Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 73. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 107. Für diese Reihenfolge die sog. völkerrechtliche Theorie: BFH v. 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; Erhard in F/W/K, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 182; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 71 ff.; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 115 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Grützner, DBA, Rz. 211; Debatin, AWD 1969, 477 ff., 484 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6 ff.); Kluge, RIW 1975, 90 (96); Vogel, H., BB 1978, 1021 (1021); Klebau, RIW 1985, 125 (126); Gloria, RIW 1986, 970 (975 f.); Gröhs/ Herbst, ZfV 1986, 16 (22 ff.); Strobl in FS Döllerer, 635 (642, 644 f.); dagegen für den Vorrang des innerstaatlichen Rechts vor dem Abkommenszusammenhang die sog. länderrechtliche Theorie: BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 mit kritischen Anmerkungen von Debatin, RIW 1991, 263; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. 34 ff.; eine Mittelmeinung vertreten: Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; zum Überblick über den „Theorienstreit“ Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (420 ff.); von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 50 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 92 ff.

638

F. Auslegung von DBA

– Begriffsdefinitionen der Abkommen, – Sinnzusammenhang der Abkommen, – Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts. Dem Wortlaut der allgemeinen Auslegungsrichtlinien lässt sich allerdings entnehmen, dass nach Berücksichtigung von Begriffsdefinitionen des Abkommens die Auslegung nach innerstaatlichem Recht vorrangig sein soll, da diese lediglich unter dem Vorbehalt steht, dass „der Zusammenhang nichts anderes erfordert“.1 Hieraus wird gefolgert, die Auslegung aus dem Zusammenhang des Abkommens habe keinen systematischen Vorrang vor der Bezugnahme auf das jeweilige innerstaatliche Recht.2 Soweit die Abkommen keine eigenen Begriffsdefinitionen enthielten, sei zunächst auf die Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts zurückzugreifen, von der dann abgewichen werden könne, wenn der in einem weiten Sinn zu verstehende Zusammenhang gewichtige Gründe hierfür biete.3 Die weite Auslegung des Begriffs „Zusammenhang“ ziele darauf ab, die durch den Rückgriff auf innerstaatliches Recht möglichen unangemessenen Ergebnisse zu vermeiden.4 Ob „der Zusammenhang nichts anderes erfordert“, wird indessen durch den primären Zweck der DBA bestimmt, Doppelbesteuerungen zu vermeiden und für eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten zu sorgen.5 Diese teleologischen Orientierungsmaßstäbe bestimmen den abkommensmäßigen „Zusammenhang“, in den die (auslegungsbedürftigen) Begriffe gestellt sind. Da die Auslegung darauf gerichtet ist, den Sinn von Gesetzesworten (hier: Abkommensbegriffen) vom Gesetzeszweck (hier: Abkommenszweck) her zu ermitteln und klarzustellen, also stets teleologisch orientiert ist,6 hat die Auslegung aus dem Abkommen heraus Vorrang, da die Auslegung nach innerstaatlichem Recht den Abkommenszweck nicht zu berücksichtigen vermag. Mit anderen Worten: Die Auslegungsklausel des Art. 3 Abs. 2 OECDMA gebietet die Auslegung unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, verankert das Gebot der teleologischen Auslegung7 und versperrt damit einen

1 So die sog. länderrechtliche Theorie; anders dagegen ausdrücklich z.B. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweden, wonach auf innerstaatliches Recht nur dann zurückgegriffen werden darf, wenn dies der Abkommenszusammenhang erfordert; hierzu Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 100. 2 Vogel in in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECDMA Rz. 82, wonach durch weite Auslegung des Begriffs „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ letztlich indessen vergleichbare Auslegungsergebnisse erzielt werden. 3 So die zwischen der sog. länderrechtlichen und der sog. völkerrechtlichen Theorie vermittelnde Meinung von Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; Vogel/ Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (49 f.); ähnlich Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (425 f.); Klebau, RIW 1985, 125 (131 ff.). 4 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121. 5 Nach Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78 soll dieses Auslegungsziel nur von sekundärer Bedeutung sein. 6 Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 50 ff. 7 Im Hinblick darauf käme die vorstehende Reihenfolge der Auslegung auch ohne ausdrückliche Regelung in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA in Betracht; Weber-Fas, RIW 1982, 803 (807); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (6); kritisch hierzu Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (424 f.).

639

16.57

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Rückgriff auf innerstaatliches Recht, solange aus dem Abkommen selbst ein Auslegungsergebnis zu gewinnen ist.1 Der Vorrang der am Abkommenszweck orientierten Auslegung ermöglicht allein die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Damit wird zugleich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprochen, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet. Darüber hinaus trägt die so verstandene allgemeine Auslegungsrichtlinie auch zur Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Vertragsstaaten bei. Ein Rückgriff auf das jeweils geltende, abänderbare2 innerstaatliche Recht eröffnete nämlich den Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch Änderung des innerstaatlichen Rechts zu Lasten des jeweils anderen Vertragsstaates eine anderweitige Verteilung der Steuergüter zu bewirken und hierdurch Abkommensregelungen zu unterlaufen.3

2. Begriffsdefinitionen der Abkommen

16.58 Die in einem in sich geschlossenen Regelungskreis eingebetteten Abkommensnormen haben vom jeweiligen innerstaatlichen Recht unabhängige und eigenständige Formulierungen erfahren. Die in den DBA und im innerstaatlichen Recht verwendeten Begriffe sind damit auf verschiedenen Begriffsebenen angesiedelt.4 Die Begriffsautonomie der DBA entspricht der Regelungssouveränität der Abkommen selbst. Auch wenn die auf Abkommensebene und auf der Ebene des nationalen Rechts verwendeten Begriffe einander ähneln oder gar übereinstimmen, so sind sie dennoch von ihrer Bedeutung her nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Insoweit gibt es grundsätzlich keine Begriffsidentität, sondern allenfalls eine Begriffsparallelität.5 Um zu gewährleisten, dass die Rechtsfolgen für die Abkommensnormen in beiden Vertragsstaaten gleichermaßen gezogen werden, enthalten die DBA in einem besonderen Artikel (Art. 3 Abs. 1 OECD-MA) einen umfangreichen, für die Auslegung verbindlichen Definitionenkatalog. Darüber hinaus finden sich in den einzelnen Abkommensnormen selbst weitere Begriffsdefinitionen, die ggü. dem allgemeinen, dem Art. 3 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Definitionenkatalog lex specialis-Charakter haben.6

1 Ähnlich auch die für die Auslegungspraxis gegebenen Hinweise bei Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 81, wonach bei Fehlen einer Abkommensdefinition zu prüfen ist, ob das Abkommen anderweitige Auslegungshinweise enthält. 2 Im Sinne einer dynamischen Verweisung; vgl. hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA 184 ff.; Art. 3 OECD-MA Rz. 116; Widmann, DStJG 8 (1985), 234 (242 ff.); Klebau, RIW 1985, 125 (129 f.); ferner Rz. 16.66. 3 Zu den Grenzen solcher Änderungen Vogel in V/L5, Einl. DBA 188 ff. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (5). 5 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); anders dagegen Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 71a, soweit es sich um termini technici des innerstaatlichen Rechts handelt. 6 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 122.

640

F. Auslegung von DBA

DBA verweisen1 schließlich auch auf innerstaatliches Recht und machen sich dadurch dessen Begriffswelt zu Eigen. Derart abgeleitete Begriffsdefinitionen, die stets nur durch Verweisung auf das innerstaatliche Recht eines der beiden Vertragsstaaten gewonnen werden, sind als Abkommensdefinitionen ebenfalls für beide Vertragsstaaten verbindlich. Die Verweisung für Zwecke der Begriffsschöpfung auf das innerstaatliche Recht erfolgt dabei durchweg nur auf das Recht desjenigen Vertragsstaates, dem letztlich – etwa als Quellenstaat – auch die Besteuerungsbefugnis erhalten bleibt. Dies gilt insbesondere für den Begriff „unbewegliches Vermögen“ (Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), für den allein das Recht des besteuerungsbefugten Belegenheitsstaates maßgeblich ist. Die Verweisung auf das jeweilige innerstaatliche Recht erfolgt in aller Regel ohne weitere Differenzierung,2 so dass das innerstaatliche Recht in seiner Gesamtheit angesprochen wird. Erfahren die in Bezug genommenen Begriffe des innerstaatlichen Rechts in den verschiedenen Rechtsmaterien3 unterschiedliche Deutungsinhalte, so ist wegen der Sachnähe im Zweifel die Begriffswelt des nationalen Steuerrechts maßgeblich.4 Verwiesen wird schließlich auch nicht etwa auf das innerstaatliche Recht nur zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBAs, sondern, soweit sich aus dem DBA hierfür keine Beschränkungen ergeben, auf das jeweils geltende innerstaatliche Recht.5

16.59

Eine derart dynamische Verweisung auf das innerstaatliche Recht nur eines Vertragsstaates kann dazu führen, dass durch Änderung der in Bezug genommenen innerstaatlichen Begriffsdefinitionen auch die Rechtsfolgen auf Abkommensebene, insbesondere im Bereich der Verteilungsnormen, eine Änderung erfahren. Da durchweg auf das innerstaatliche Recht des besteuerungsbefugten Quellenstaates verwiesen wird, gehen etwaige Änderungen in aller Regel zu Lasten des Wohnsitzstaates.6 Hiergegen schützen allerdings auf Abkommensebene die Verweisungsnormen selbst, indem sie der Verweisung enge Grenzen setzen. So enthält zwar Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA für den Begriff „unbewegliches Vermögen“ eine Verweisung auf das innerstaatliche Recht des Belegenheitsstaates, bestimmt aber zugleich, dass zum unbeweg-

16.60

1 Es handelt sich nicht um eine Rechtsfolgenverweisung, sondern lediglich um einen Rückgriff oder eine Bezugnahme auf nationales Recht; Mössner, in FS SeidlHohenveldern, 403 (422); ausführlich Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 105 ff., 112 ff. 2 Ausnahme: Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA, in dem für grundstücksgleiche Rechte auf das innerstaatliche Privatrecht des Belegenheitsstaates verwiesen wird. 3 Etwa Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. 4 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 105; Gaffron in Haase, Art. 3 OECD-MA Rz. 73. 5 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); hierzu im Einzelnen Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 184 ff.; Art. 3 OECD-MA Rz. 116; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 92; Widmann, DStJG 8 (1985), 235 (242 ff.); Klebau, RIW 1985, 125 (129 f.); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (48). 6 Zu einem derartigen „Unterlaufen“ von DBA Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 188.

641

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) lichen Vermögen unter keinen Umständen Schiffe und Luftfahrzeuge gehören.1

3. Auslegung nach dem Sinnzusammenhang

16.61 Da die eigenständigen Begriffsdefinitionen der Abkommen und die in Bezug genommenen Begriffsdefinitionen des innerstaatlichen Rechts in ihrer Zahl begrenzt sind, kommt der Auslegung nach dem Sinnzusammenhang die eigentliche Bedeutung zu.2 Dieser Auslegung sind nicht nur einzelne Ausdrücke oder Begriffe, sondern alle Normen der DBA insgesamt unterworfen.3 Nur diese uneingeschränkte Auslegung des Abkommens aus sich selbst heraus4 gewährleistet die abkommensimmanente Regelungshomogenität, stellt also sicher, dass beide Vertragsstaaten die Abkommensregeln einheitlich auslegen.

16.62 Da die dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Auslegungsklauseln keine Festlegung auf eine bestimmte Auslegungsmethode5 vorsehen, kommen insbesondere die grammatische, systematische, historische und die teleologische Auslegung in Betracht. Sie alle sind darauf gerichtet, den Sinn der Abkommensregelungen für beide Vertragsstaaten verbindlich zu erschließen.6 Die einzelnen Auslegungsmethoden schließen sich nicht gegenseitig aus, sie ergänzen sich vielmehr.7

16.63

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von DBA stellt wechselweise eine am Wortlaut orientierte Auslegung und eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Abkommens in den Vordergrund. Das Wiener

1 Demnach zählen im Schiffsregister und Luftfahrtregister eingetragene Schiffe und Luftfahrzeuge auf Abkommensebene entgegen der Rechtslage in Deutschland nicht zum unbeweglichen Vermögen. 2 Gaffron in Haase, Art. 3 OECD-MA Rz. 68; Debatin, RIW 1969, 477 (479); so ausdrücklich auch der österreichische VwGH v. 31.7.1996, zitiert und kommentiert von Lang, M., SWI 1996, 427 ff.; einschränkend Vogel in V/L5, Art. 3 OECDMA Rz. 117 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78, 82. 3 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz2, 76 f. 4 Debatin, DStZ A 1987, 211 (212); so ausdrücklich auch Art. 3 Abs. 2 DBASchweden. 5 Oder Auslegungskriterium; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 250 ff. 6 Zu den einzelnen Auslegungsmethoden Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 50 ff.; speziell im Abkommenszusammenhang Henkel in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 26 ff. 7 BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; BFH v. 24.4.1975 – I R 204/73, BStBl. II 1975, 604; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Henkel in G/K/G, Grundlagen Abschn. 4 Rz. 26 ff., Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (6).

642

F. Auslegung von DBA Übereinkommen über das Recht der völkerrechtlichen Verträge (WÜRV)1 bevorzugt eine bestimmte Auslegungsmethode ebenfalls nicht. Die in Art. 31 Abs. 1 WÜRV verankerte allgemeine Auslegungsregel gebietet, einen völkerrechtlichen Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“. Hiernach wird zwar zunächst auf den Wortlaut abgestellt, daraus folgt aber nicht, dass der grammatischen Auslegung der Vorzug zu geben ist.2 Art. 31 Abs. 1 WÜRV stellt lediglich klar, dass die Auslegung mit der Frage nach dem Wortsinn beginnt,3 ohne die teleologische Auslegung als nachrangig zu qualifizieren. Es gibt kein Primat der einen oder anderen Auslegungsmethode. Alle Auslegungsmethoden sind vielmehr lediglich Hilfsmittel, den Sinn von Abkommensnormen zu erschließen, was einen Rückgriff auf den Vertragszweck voraussetzt. Im Hinblick darauf verdient stets diejenige Auslegung den Vorzug, bei der der primäre Vertragszweck – Vermeidung der Doppelbesteuerung – erreicht wird.4

4. Rückgriff auf innerstaatliches Recht Kann der Sinngehalt einer Abkommensvorschrift nicht aus dem Abkommen selbst heraus erschlossen werden, ist als letztes Mittel der Auslegung ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht geboten.5 Es versteht sich hierbei von selbst, dass ein derartiger Rückgriff auf innerstaatliches Recht, wie sich auch aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ergibt, nur für die Auslegung von einzelnen Worten zulässig ist mit der Folge, dass etwaige Vertragslücken im Wege der Analogie nicht unter Heranziehung innerstaatlichen Rechts geschlossen werden dürfen.6 Andernfalls käme es zu einer Überlagerung der unterschiedlichen Wertungsebenen des Abkommens einerseits und des innerstaatlichen Rechts andererseits und damit zu einer Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität. 1 Vom 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927; das WÜRV ist seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985 (BGBl. II 1985, 926) am 20.8.1987 (BGBl. II 1987, 757) auch innerstaatlich unmittelbar anwendbar. 2 Gaffron in Haase, Art. 3 OECD-MA Rz. 62; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41 und Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 106 folgern allerdings aus Art. 31 Abs. 1 WÜRV den Vorrang des Wortlautes vor dem Vertragszweck. 3 Hierzu Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 261. 4 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; einschränkend Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78, der diesem Auslegungsziel nur sekundäre Bedeutung beimisst. 5 Im Sinne der sog. völkerrechtlichen Theorie im Gegensatz zur sog. landesrechtlichen Theorie; hierzu Rz. 16.56, Fn. 3; vermittelnd Vogel in V/L5, Art. 3 OECDMA Rz. 121; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 82; Wassermeyer, in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 19 (23) wonach durch weite Auslegung des Begriffs „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ vergleichbare Auslegungsergebnisse erzielt werden. 6 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 102; Blumenwitz, in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 5 (6); a.A. Kluge, RIW/AWD 1975, 90 (96); Diehl, FR 1978, 517 (517).

643

16.64

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.65

Zwar ist der Rückgriff auf innerstaatliches Recht für Zwecke der Auslegung einzelner Worte mit der abkommensimmanenten Regelungshomogenität grundsätzlich ebenfalls unvereinbar, dieser Auslegungsrückgriff findet seine Rechtfertigung aber dann, wenn sonst eine Anwendung von Abkommensvorschriften versagt bliebe. Vor diesem Hintergrund wird sich die Auslegung nach Maßgabe allein des innerstaatlichen Rechts nicht als Regel erweisen.1

16.66 Der in den allgemeinen Auslegungsrichtlinien vorgesehene Auslegungsrückgriff hat die Bedeutung einer dynamischen Verweisung, so dass stets das jeweils geltende innerstaatliche Recht maßgeblich ist.2 Materiell führt der Rückgriff auf innerstaatliches Recht zu einer Verweisung auf das dortige Steuerrecht, sofern die in Betracht kommenden Ausdrücke in den einzelnen Rechtsmaterien3 eine unterschiedliche Sinndeutung erfahren, und zugleich führt er aber auch auf das vorrangige europäische Recht, wenn der betreffende Staat der EU angehört.4

III. Völkerrechtliche Auslegungsregeln 16.67 Soweit die allgemeinen und speziellen Auslegungsregeln der DBA nicht entgegenstehen, kommen subsidiär völkervertragliche Auslegungsregeln, insbesondere die des Wiener Übereinkommens über das Recht der völkerrechtlichen Verträge (WÜRV)5 in Betracht.6

16.68 Art. 31 Abs. 1 WÜRV stellt die Grundregel auf, dass ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben (bona fide) in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen Bedeutung der im Vertrag verwendeten Worte in ihrem Zusammenhang und im Lichte des Vertragszieles ausgelegt werden soll. Diese Grundregel, die den Besonderheiten der Doppelbesteuerung selbst zwar nicht Rechnung trägt,7 stimmt aber weitgehend mit den Auslegungsregeln der DBA überein. Die völkervertraglichen Auslegungsregeln heben dementsprechend auf den Vertragswillen der Vertragspartner nur insoweit ab, als dieser seinen Niederschlag im Abkommen selbst gefun-

1 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz2, 83 f.; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 110; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (7); zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121. 2 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 184 ff., Art. 3 OECD-MA Rz. 116; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 92. 3 Etwa Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. 4 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 106. 5 Vom 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927; das WÜRV ist seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985 (BGBl. II 1985, 926) am 20.8.1987 (BGBl. II 1987, 757) auch innerstaatlich unmittelbar anwendbar. 6 Gemäß Art. 4 WÜRV gilt das WÜRV nur für Verträge, die von Staaten abgeschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist. 7 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 105.

644

F. Auslegung von DBA

den hat.1 Deshalb bleibt auch der authentischen Interpretation eine größere Bedeutung versagt.2 Durch eine authentische Interpretation bestünde die Gefahr, dass die einseitige subjektive Vorstellung nur eines der beiden Vertragspartner Eingang in die Auslegung fände.3 Eine derartige einseitige Berücksichtigung des subjektiven Parteiwillens widerspräche einer Auslegung des Vertragstextes unter Berücksichtigung von Treu und Glauben.4 Diese dem Art. 31 Abs. 1 WÜRV zu entnehmende Auslegungsregel gebietet nämlich, dasjenige Auslegungsergebnis anzustreben, das am ehesten die Aussicht hat, auch von dem anderen Vertragsstaat5 akzeptiert zu werden.6 Da nach den Auslegungsregeln des WÜRV eine Ausfüllung von Vertragslücken durch Analogie nicht von vorneherein verboten ist,7 kommen die im nationalen Recht allgemein geltenden und auch im Völkerrecht gebräuchlichen Grundsätze der Rechtsfortbildung,8 insbesondere die der Lückenausfüllung dienenden juristischen Schlussverfahren (z.B. Analogieschluss)9 zur Anwendung. Es gilt allerdings die Besonderheit, dass die Ausfüllung etwaiger Vertragslücken nur durch Abkommensrecht selbst, nicht aber durch Heranziehung innerstaatlichen Rechts zulässig ist.10 Dass in der internationalen Völkerrechtspraxis eine Analogie bei völkerrechtlichen Verträgen nur eingeschränkt zur Anwendung kommt,11 spielt demgegenüber keine Rolle, weil

1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 107; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte, 32; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 143; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (40); Lang, StuW 1975, 285 (289); Kluge, RIW/AWD 1975, 90 ff.; vgl. im Übrigen zur subjektiven und objektiven Theorie Lang in Tipke/ Lang20, § 5 Rz. 55. 2 Zu Einzelheiten Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (39 ff.). 3 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 107; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1; nach Blumenwitz, in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 5 (11) verlangt eine authentische Interpretation ohnehin eine einvernehmliche Auslegung. 4 Zur Auslegung nach den Regeln der bona fides Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 11 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 81 ff. 5 Zur Auslegung von DBA in anderen Staaten Strobl in FS Döllerer, 635 (646 ff.); speziell zu den USA und Kanada Langbein, RIW 1984, 531 ff.; vgl. ferner die Nationalberichte in CDFI LXXVIIIa (1993). 6 Zum Gebot der Entscheidungsharmonie Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 113 ff.; Vogel, in FS Flick, 1043 ff.; Mössner, in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406); Flick, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 (151); Strobl, in FS Döllerer, 635 (645 f.); ablehnend z.B. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 671 f.; Wassermeyer, IStR 1998, 491. 7 Heintschel von Heinegg in Ipsen5, § 19 Rz. 5 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 165 ff.; Bleckmann, AVR 17 (1976/77), 161 ff.; Lang, StuW 1975, 285 (290). 8 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 71 ff. 9 Zur Lückenausfüllung völkerrechtlicher Verträge Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 76 ff. 10 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 62. 11 Hierzu Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 19 Rz. 6 f.

645

16.69

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) dieser Grundsatz im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 OECD-MA für DBA nicht gilt.1

16.70 DBA werden in aller Regel mehrsprachig abgeschlossen, so dass zumeist mehrere authentische Vertragstexte zur Anwendung kommen. Seltener anzutreffen ist die zwischen den Vertragsstaaten getroffene Vereinbarung, dass der maßgebliche Vertragstext nur in der Fassung einer dritten Sprache – zumeist Englisch oder Französisch – verbindlich sein soll.2 Sind mehrere Vertragstexte authentisch, ist gem. Art. 33 Abs. 1 WÜRV der Text in jeder sprachlichen Fassung gleichermaßen verbindlich, so dass grundsätzlich auch der Text in der fremdsprachlichen Fassung bei der Auslegung heranzuziehen ist.3

16.71 Ergeben sich aufgrund der mehrsprachigen Fassungen Bedeutungsunterschiede, so ist gem. Art. 33 Abs. 4 WÜRV stets derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die die beiden Texte am besten miteinander in Einklang bringt. Gelingt dies nicht, ist diejenige Fassung maßgeblich, die insbesondere den Vertragszweck am besten zur Geltung bringt.4 Hierbei wird in der internationalen Gerichtspraxis nicht selten auf die Fassung der Arbeitssprache zurückgegriffen, in der der Vertragstext tatsächlich in der Phase bis zur Paraphierung erarbeitet worden ist.5 Es handelt sich hierbei aber nur um ein subsidiäres Auslegungsmittel; ein Rückgriff auf den Urtext als authentischen Text für die Rechtsanwendung selbst scheidet dagegen aus.6

16.72 Soweit Art. 31 Abs. 1 WÜRV für Zwecke der Auslegung auf die „Bestimmungen in ihrem Zusammenhang“ abstellt, wird auch hier auf die Auslegung aus dem Abkommen selbst heraus abgestellt.

IV. Hilfsmittel der Auslegung 16.73 Gegenstand der Auslegung sind neben dem Abkommen selbst die zu seinem Bestandteil erklärten (Schluss-)Protokolle und Briefwechsel.7 Die 1 Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 77; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 148 f.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 76. 2 Abkommensübersicht bei Liesenfeld in V/L5, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 42. 3 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); v. 7.2.1990 – I R 106/87, BFHE 159, 518; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 111; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 83; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 85. 4 Zu weiteren Einzelheiten Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 112, mit Fällen aus der Gerichtspraxis. 5 Die Sprache der Vertragsverhandlung selbst soll dagegen nach Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 112 unbeachtlich sein. 6 Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 90 f.; Mössner, AVR 1972, 273 (289 f.). 7 Vogel in V/L5, Einl. DBA Einl. Rz. 109.

646

F. Auslegung von DBA

Texte weiterer ergänzender Dokumente, insbesondere der Verhandlungsprotokolle, sind dagegen lediglich Hilfsmittel für die Auslegung der Abkommensbestimmungen.1 Die Materialien zu den DBA sind gem. Art. 32 WÜRV für die Auslegung darüber hinaus nur ergänzend heranzuziehen, wenn Zweifel verbleiben.2 Die bei Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens seitens der Bundesregierung dem Vertragstext beigegebene Denkschrift, die selbst nicht Bestandteil des Vertragsgesetzes wird, ist für die Auslegung allerdings nicht verwertbar, soweit sie lediglich die subjektive Vorstellung nur eines Vertragspartners wiedergibt.3 Art. 31 Abs. 3 WÜRV verlangt schließlich für die Auslegung auch die Beachtung von Verständigungsvereinbarungen sowie späteren Übereinkommen oder Übungen der Vertragspartner. Dies kann allerdings nur insoweit gelten, als sie im Abkommenstext selbst sowie in den zu seinem Bestandteil erklärten Protokollen und Briefwechseln ihre Bestätigung finden, nicht aber dann, wenn sie hiervon abweichen. Denn Änderungen von DBA werden innerstaatlich nur dann wirksam, wenn sie durch Gesetz erfolgen.4

16.74

Sind die Vertragspartner OECD-Staaten und entspricht das von ihnen vereinbarte DBA dem OECD-MA, so ist davon auszugehen, dass die verwendeten Begriffe und Ausdrücke, soweit sie wörtlich mit denen des OECDMAs übereinstimmen, einen mit diesem identischen Bedeutungsinhalt5 haben. Diese Vermutung begründet sich aus den Empfehlungen des Rates der OECD,6 wonach die Regierungen der Mitgliedstaaten gehalten sind, ihren DBA die OECD-MA zugrunde zu legen, wenn der betreffende Vertragsstaat nicht Vorbehalte angemeldet hat oder im Einzelfall sachliche Gründe der Übernahme des OECD-MAs entgegenstehen.7 Aus dem gleichen Grunde ist für die Auslegung der entsprechenden Abkommens-

16.75

1 Art. 31 Abs. 2 WÜRV. 2 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 110; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 40, 151; Lang, StuW 1975, 285 (288). 3 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 110; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 81 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (4). 4 BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171; v. 22.10.1986 – I R 128/83, BStBl. II 1987, 253; v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 11.4.1990 – I R 63/88, BFH/NV 1990, 705; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21; BFH v. 24.3.1998 – I R 49/96, BStBl. II 1998, 649; v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECDMA Rz. 79; vgl. zu weiteren Einzelheiten die Beiträge von Geiger, Widmann und Pöllath in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 37 ff.; 47 ff.; 55 ff. 5 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 126, 130; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECDMA Rz. 51; Gaffron in Haase, Art. 1 OECD-MA Rz. 58. 6 Z.B. vom 30.7.1963 und vom 11.4.1977. 7 Zu Einzelheiten Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 126; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34 ff.; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.); Lang, M., in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (18 ff.).

647

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

bestimmungen auch der OECD-Kommentar zum OECD-MA1 heranzuziehen.2

16.76

Die OECD-MA sowie ihre Kommentare sind nicht Bestandteil der Abkommen selbst. Sie haben sich auch nicht zum Völkergewohnheitsrecht3 verdichtet,4 so dass ihnen keine normative Wirkung zukommt. Sie gehören aber zu den primären Auslegungsmitteln i.S. von Art. 31 Abs. 4 WÜRV5 mit der Folge, dass in erster Linie sie heranzuziehen sind, um einerseits die historischen Absichten der Vertragsstaaten und andererseits den objektiven Erklärungswert des tatsächlich Vereinbarten zu ermitteln.6

16.77 Soweit zwischen OECD-Mitgliedstaaten abgeschlossene DBA nicht wörtlich mit den OECD-MA übereinstimmen, spricht die Vermutung insoweit für einen abweichenden Bedeutungsinhalt, wenn auch im Übrigen die Teleologie des betreffenden DBAs hierauf hindeutet.7 Für die Auslegung von DBA können das OECD-MA sowie der OECD-Kommentar nur in der Fassung herangezogen werden, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Geltung hatte,8 so dass früher abgeschlossene Abkommen ohne Rücksicht auf das OECD-MA und den OECD-Musterkommentar und nach dem Vorbild des OECD-MAs geschlossene Abkommen ohne Rücksicht auf spätere Fassungen9 auszulegen sind.10 1 Bei den einschlägigen Abkommensartikeln abgedruckt z.B. bei Vogel/Lehner, DBA; Debatin/Wassermeyer, DBA; und Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA. 2 Der OECD-Kommentar ist nicht etwa ein völkerrechtlicher Vertrag, sondern lediglich eine Auslegungsempfehlung einer internationalen Organisation und deshalb unverbindlich und nur in Grenzen anwendbar; für eine abgeschwächte Verpflichtung zur Anwendung des OECD-Kommentars dagegen Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 126. 3 Hierzu Einzelheiten bei Heintschel von Heinegg in Ipsen 5, § 16 Rz. 1 ff.; Stein/ von Buttlar12, Rz. 122 ff. 4 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 90. 5 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 126; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Lang, M., in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (18 ff.); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993) 19 (30 f.); demgegenüber als bloß (subsidiäre) Auslegungshilfe i.S. von Art. 32 WÜRV qualifizierend Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschafterbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 142 f.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 91. 6 So Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44. 7 Also kein genereller Umkehrschluss; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 133; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51; Lang, M., in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (23). 8 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 127; Wassermeyer in D/W, Vor OECD-MA Art. 1 Rz. 60, 63; Lang, M., IStR 2007, 606 ff. 9 Soweit diese nicht nur Klarstellungen enthält. 10 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 127; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 60, 63; demgegenüber erhebt die OECD selber den Anspruch, bereits beste-

648

F. Auslegung von DBA

DBA zwischen Staaten, die nicht Mitglieder der OECD sind, haben nicht selten ebenfalls nach dem Vorbild der OECD-MA DBA abgeschlossen. Auch hier kann bei der Auslegung von einem durch die OECD-MA vorgegebenen Bedeutungsinhalt ausgegangen werden.1 Schließlich können auch aus Parallelabkommen Anhaltspunkte für die Auslegung gewonnen werden, wenn feststeht, dass die dort verwendeten Begriffe im gleichen Sinne Verwendung finden sollen wie in dem anzuwendenden DBA.2

16.78

V. Auslegungskonflikte Es ist nicht zu vermeiden, dass die Vertragsstaaten ein und dieselben Abkommensvorschriften unterschiedlich auslegen. Eine derartige unterschiedliche Auslegung führt zu einer Störung der Regelungshomogenität und vereitelt damit nicht selten die Vermeidung der Doppelbesteuerung als eigentliches Vertragsziel der DBA. Es kommt hierbei zu Auslegungskonflikten.3 Diese können bilateral entweder durch normspezifische switch over-Klauseln4 oder durch ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA), multilateral partiell durch die Schiedsverfahrenskonvention5 oder in Anwendung des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten6 sowie durch bilaterale (Rz. 16.141, 16.522) und unilaterale7 subjekt-to-tax-Klauseln behoben werden. Auslegungskonflikte haben ihre Ursache in einer unterschiedlichen Auslegung – von eigenständigen Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung, – von Abkommensnormen, die für Zwecke der Begriffsbildung auf innerstaatliches Recht verweisen, und – von innerstaatlichem Recht der jeweiligen Vertragsstaaten, auf das als letztes Mittel die allgemeine abkommensrechtliche Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) verweist.

1 2 3 4 5 6 7

hende Abkommen im Lichte der jeweils neueren Kommentare auszulegen, soweit nicht einschneidende zwischenzeitliche Änderungen des OECD-MAs erfolgt sind; vgl. Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 11 (30). Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 134; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 57. Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 140 ff.; Vogel, StbJb 1983/84, 373 ff. Zur Typologie Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 151 ff.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 104 ff.; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, 129 ff. Hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA 168 ff. mit Abkommensübersicht. Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, 90/436/EWG, ABl. EG Nr. L 225/10 v. 20.8.1990; BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818). Vom 29.4.1957, BGBl. II 1961, 81; vgl. auch Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden. Z.B. § 50d Abs. 8 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; ferner § 50d Abs. 9 EStG; hierzu Rz. 16.523 ff.

649

16.79

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.80 Soweit es zu Divergenzen in der Auslegung von eigenständigen Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung kommt, handelt es sich um einen Subsumtionskonflikt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Auslegung durch einen der beiden Vertragsstaaten notwendigerweise unzutreffend sein muss.1 Ein derartiger Subsumtionskonflikt2 hat seinen Grund insbesondere in der unterschiedlichen Sachverhaltswürdigung durch beide Vertragsstaaten und in einer unterschiedlichen Auslegung der in Betracht kommenden Definitionen (Definitionenkonflikt).

16.81 Subsumtionskonflikte gehören zum eigentlichen Anwendungsbereich der in den DBA vorgesehenen Verständigungsverfahren (Art. 25 OECDMA), weil Subsumtionskonflikte stets eine Abkommensverletzung durch den einen oder anderen Vertragsstaat bedeuten.

16.82 Soweit Abkommensnormen durch Verweisung auf innerstaatliches Recht eines der beiden Vertragsstaaten dessen Begriffsinhalte übernehmen,3 kann es zu einer abweichenden Begriffsdeutung durch den anderen Vertragsstaat kommen. Obwohl derart übernommene Begriffe des innerstaatlichen Rechts eines der beiden Vertragsstaaten Abkommensrecht werden, besteht doch im Kern ein Konflikt um die zutreffende Anwendung von Begriffen, die dem innerstaatlichen Recht entspringen. Diese Konfliktsituation wird allgemein als Qualifikationskonflikt umschrieben.4 Qualifikationskonflikte können auch dann entstehen, wenn auf der Grundlage der in den Abkommen verankerten allgemeinen Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) als letztes Mittel der Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen wird. Derartige Qualifikationskonflikte können im Zusammenhang mit der persönlichen Abkommensberechtigung (subjektiver Qualifikationskonflikt) oder bei der Zurechnung von Einkommen und Vermögen zu einem bestimmten Steuersubjekt (subjektiver Zurechnungskonflikt)5 oder zu einer Betriebsstätte (objektiver Zurechnungskonflikt bzw. Zuordnungskonflikt auftreten.6

1 Von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 105; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (7). 2 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7). 3 So etwa den Begriff „unbewegliches Vermögen“, vgl. Art. 6 Abs. 2 OECD-MA. 4 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 152; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 86; Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 6 Rz. 2 ff. von Poser und Groß Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 111 f.; vgl. auch den Überblick über die in der Steuerrechtswissenschaft vorgenommene Klassifizierung und Systematisierung bei Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 107 ff.; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, 129 ff.; M. Lang, IStR 2010, 114 ff. 5 In der Praxis besonders prägnant sind die sog. double-dip-Modelle beim grenzüberschreitenden Leasing; hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1319 f.; Scheffler, IStR 1993, 490 ff.; 538 (541). 6 Die für die Rechtsanwendung wenig bedeutsame Terminologie ist z.T. abweichend; vgl. nur Vogel in V/L5, Einl. DBA 181a ff.

650

F. Auslegung von DBA

Da ein Verständigungsverfahren eine Doppelbesteuerung nicht in allen Fällen beseitigen und eine Doppelfreistellung nicht immer verhindern kann,1 hat es nicht an Versuchen insbesondere seitens des Steuerausschusses der OECD gefehlt,2 den unerwünschten Folgen von Qualifikationskonflikten durch Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates entgegenzutreten.3 Diese Auslegung nach den Rechten des Quellenstaates,4 die ohnehin nur in Betracht kommt für nicht vollständige Verteilungsnormen,5 führt allerdings nur dann weiter, wenn sie auch für den Wohnsitzstaat verbindlich ist. Für eigenständige Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung ist eine derartige Verbindlichkeit nicht vorgesehen. Das gilt auch in den Fällen, in denen gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf das innerstaatliche Recht des Quellenstaates zurückgegriffen wird. Anderenfalls läge es in der Hand des Quellenstaates, sein Besteuerungsrecht zu Lasten des Anssässigkeitsstaates auszudehnen. Daher bedeutet die Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates ebenso wie die nach dem Recht des Wohnsitzstaates keine Lösung von Qualifikationskonflikten, so lange hierfür abkommensrechtlich keine Rechtsgrundlage gegeben ist. Aus Art. 23A Abs. 4 OECD-MA, wonach die Freistellung im Ansässigkeitsstaat entfällt, wenn der Quellenstaat sein Besteuerungsrecht zu Unrecht verneint hat, ergibt sich ebenfalls keine Lösung, weil er nur für Fälle gilt, in denen der Quellenstaat das Abkommen unrichtig angewendet hat. Eine Bindung an das Recht des Quellenstaates ist daher nicht gegeben.6

16.83

Zu den objektiven Zurechnungskonflikten zählen auch Fälle, in denen beide Vertragsstaaten eine unterschiedliche Zuordnung derart vornehmen, dass es zu einer Doppelfreistellung bzw. doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 12.10) kommt. Es handelt sich hierbei um negative Qualifikationskonflikte,7 da beide Vertragsstaaten zu dem Ergebnis kommen, nur jeweils der andere Staat habe das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte. Diese negativen Qualifikationskonflikte bedeuten keine Abkommensverletzung, so dass eine Behebung dieser Qualifikationskonflikte durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) nicht vorgesehen ist.8 In der Praxis werden in diesen Fällen gleichwohl sog. Konsultationsverfahren, die auf eine die Gerichte allerdings nicht bindende Behebung die-

16.84

1 2 3 4 5 6

7 8

Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (8). Nachweise bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 112. Vgl. die Nachweise bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 112. Vgl. hierzu § 50d Abs. 10 EStG zu Sondervergütungen; zu Einzelheiten Rz. 18.72 f. Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 178. BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g, Art. 3 OECD-MA Rz. 80a; Gaffron in Haase, Art. 3 OECDMA Rz. 74; Aigner/Züger in Gassner/Lang/Lehner, Personengesellschaften, 47 ff.; Lang, M. in FS Vogel, 907 ff.; a.A. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 112 ff.; Vogel, SWI 2000, 103 (111); Menck, IStR 1999, 147 (148); Krabbe, IStR 1999, 591 und die dt. FinVerw, vgl. BMF v. 28.12.1999, BStBl. I 1999, 1121 zu atypisch stillen Beteiligungen. Hierzu Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (15). Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (8).

651

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ser negativen Qualifikationskonflikte ausgerichtet sind, eingeleitet.1 In den Fällen subjektiver und objektiver Zurechnungskonflikte sowie für Qualifikationskonflikte (Rz. 16.82) ist darüber hinaus in neueren deutschen DBA2 vorgesehen, dass anstelle der Steuerfreistellung die Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eingreift.3

16.85 Gegen eine Doppelfreistellung gerichtet ist auch die unilaterale subject to tax-Klausel des § 50d Abs. 8 EStG, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrifft. Auf Grund dieser Regelung erfolgt eine deutsche Besteuerung auch dann, wenn abkommensrechtlich Deutschland zur Freistellung verpflichtet ist (Rz. 16.523, 16.530). Die Einkünfte werden erst dann freigestellt, wenn die tatsächliche Besteuerung im Tätigkeitsstaat oder der Besteuerungsverzicht des Tätigkeitsstaats nachgewiesen werden. § 50d Abs. 8 EStG erfasst damit im Wesentlichen den Fall, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige im Tätigkeitsstaat pflichtwidrig seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dort nicht deklariert hat.4

16.86

§ 50d Abs. 8 EStG, der ausschließlich unbeschränkt steuerpflichtige Personen betrifft und somit falsch platziert ist,5 führt zu einem treaty overriding (Rz. 3.25 f., 16.523) in den Fällen, in denen abkommensrechtlich nicht bereits eine subject to tax-Klausel eingreift. Diese subject to tax-Klausel, die rechtlich zulässig ist (Rz. 16.141), bewirkt in Abkehr vom maßgeblichen Abkommensrecht eine Vermeidung nur der effektiven Doppelbesteuerung.6 § 50d Abs. 8 EStG leidet indessen insoweit an Plausibilitätsdefiziten, als nicht zu erklären ist, warum eine derartige unilaterale subject to tax-Klausel nur für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten soll und warum diese nur in Abkommensfällen zur Anwendung kommt. Angesprochen ist damit insbesondere der auf der Grundlage der §§ 34c Abs. 5, 50 Abs. 4 EStG ergangene Auslandstätigkeitserlass,7 wonach der Arbeitslohn für bestimmte im Ausland ausgeübte Tätigkeiten von deutscher Besteuerung frei gestellt wird, ohne dass hierfür der Nachweis einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat verlangt wird.8

16.87 Auf einer vergleichbaren Wertungsebene liegt die switch over-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG, wonach in bestimmten Fällen der Nichtbesteuerung 1 Zur fehlenden Bindungswirkung von Konsultationsverfahren (Art. 25 Abs. 3 OECD-MA) BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044. Durch das JStG 2010 soll über § 2 Abs. 2 AOE eine Verbindlichkeit durch Rechtsverordnung herbeigeführt werden können. 2 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 168. 3 Zu diesen switch over-Klauseln Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 169 ff.; vgl. ferner Rz. 16.140. 4 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35. 5 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35: systematisch korrekte Platzierung bei §§ 34c, 34d EStG. 6 Lieber in H/H/R, § 50d EStG Rz. J03-6; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35. 7 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470; vgl. Rz. 15.140 ff. 8 Hierzu Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35; Holthaus, IStR 2004, 16 (17); zum Auslandstätigkeitserlass Rz. 5.96 ff., 15.140 ff.

652

F. Auslegung von DBA

oder der Besteuerung mit einem begrenzten Steuersatz im Ausland die an sich abkommensrechtlich gebotene deutsche Steuerfreistellung durch eine Steueranrechnung ersetzt wird (Rz. 16.524 ff.).

VI. Verständigungsverfahren Literatur Kommentare zu Art. 25 OECD-MA; Bachmayr, Rechtsanspruch auf Schutz gegen internationale Doppelbesteuerung, StuW 1964, 885; Carl/Klos, Das völkerrechtliche Verständigungsverfahren des DBA, RIW 1995, 493; Bödefeld/Kuntschik, Schiedsverfahren nach DBA, IStR 2009, 449; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, AWD 1969, 477; Eilers/Wienands, Advance Pricing Agreements, IStR 1995, 311; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Gloria, Der Anspruch auf Durchführung des Verständigungsverfahrens und seine gerichtliche Durchsetzung in den Vereinigten Staaten, StuW 1989, 138; Grotherr, Advance Pricing Agreements – Verfahren zur Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten, BB 2005, 856; Grotherr, Überlegungen zur Ausgestaltung von speziellen Verfahrensregelungen für Advance Pricing Agreements, IStR 2005, 350; Herlinghaus, Gedanken zum abkommensrechtlichen Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA, IStR 2010, 125; Herzig, Advance Pricing Agreements, APAs, Köln 1996; Herzig, Advance Pricing Agreements: ein Instrument zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen?, in FS für Debatin, München 1997, 107; Hintzen/Hintzen, Die Systematik des völkerrechtlichen Verständigungsverfahrens der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1979, 1907, 1953; Ismer, Rechtswidrige Gewährung von Rechtsschutz?, IStR 2003, 394; Kaligin, Zur Rechtsschutzintensität des Verständigungsverfahrens im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, WPg. 1982, 217; Koch, Das Verständigungsverfahren – Verfahren und praktische Handhabung, CDFI LXVIa (1981), 13; Krabbe, DBA-Verständigungs- und Schiedsverfahren und innerstaatliches Verfahrensrecht, DStZ 1995, 627; Krabbe, Verständigungsverfahren, IStR 2002, 548; Kramer, APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, 174; Lang, M., Der Rechtsanspruch auf Einleitung des „Verständigungsverfahrens“, JBl. 1989, 365; Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages, München 1982; Leising, Die Klage auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA, IStR 2002, 114; Loh/Steinert, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisfragen an § 175a AO?, BB 2008, 2383; Loukota, Das internationale Verständigungsverfahren als Instrument der DBA-Auslegung, SWI 2000, 299; Lühn, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisfragen an § 175a AO?, BB 2009, 412; Mössner, Internationale Streitbeilegung und Internationales Steuerrecht, RIW 1983, 360; Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, Berlin 1976; Nientings/Tomson, Das verbindliche Schiedsverfahren nach dem neuen OECD-MA, IStR 2009, 615; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz, Zürich 1976; Saß, Zielkonflikte bei der Besteuerung in der EU, SWI 1996, 108; Spitaler, Empfiehlt sich die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichtshofs zur Entscheidung zwischenstaatlicher Steuerkonflikte?, StuW 1950, 803; Strobl, Das Verständigungsverfahren – Verfahren und praktische Handhabung, CDFI LXVIa (1981), 171; Strobl/Zeller, Probleme beim Verständigungsverfahren in Doppelbesteuerungsabkommen bezüglich Einkommen- und Körperschaftsteuer, StuW 1978, 244; Teichner, Die Verständigung – ein Versuch zu ihrer rechtssystematischen Einordnung –, StuW 1965, 343; Tipke, Verständigungs-

653

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) verfahren, Rechtsanspruch auf Beseitigung der Doppelbesteuerung oder bloßer Rechtsreflex?, AWD 1969, 589; Tittel, Das Verständigungsverfahren nach den Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Bern 1963; Züger, Schiedsverfahren für Doppelbesteuerungsabkommen: Möglichkeiten zur Verbesserung des Rechtsschutzes im internationalen Steuerrecht, Wien 2001.

1. Allgemeines

16.88 Eine unterschiedliche Auslegung von Abkommensvorschriften durch die Vertragsstaaten führt zu einer Störung der Regelungshomogenität der DBA und ist geeignet, deren eigentliches Ziel, nämlich die Vermeidung der Doppelbesteuerung, zu vereiteln.

16.89 Es geht hierbei insbesondere um Auslegungskonflikte, die auf bilateraler Ebene grundsätzlich nur durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECDMA) behoben werden können. Diese Verständigungsverfahren eröffnen den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten die Möglichkeit, Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der DBA im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Die DBA sehen in diesem Zusammenhang Verständigungsverfahren im engeren Sinne vor,1 die einzelfallbezogen darauf gerichtet sind, eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung durch einen oder beide Vertragsstaaten zu vermeiden oder aufzuheben (Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Hierzu zählen auch Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements – APAs), die insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Zusammenhang mit der Gewinnabgrenzung zu verbundenen Unternehmen und Betriebsstätten eine Rolle spielen.2 Darüber hinaus gibt es Konsultationsverfahren, die allgemein oder in einzelnen Anwendungsfällen, jedoch ohne Bezug auf einen bestimmten Steuerpflichtigen, der Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen3 oder allgemein der Schließung von Vertragslücken4 dienen.5 Schließlich gewährleisten auf Abkommensebene Schiedsverfahren (Art. 25 Abs. 5 OECD-MA) und bestimmte Sonderregelungen6 sowie die EU-Schiedsver-

1 Zur Terminologie Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 2; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 30; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 150 ff.; BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 1.2. 2 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 2. 3 Sog. konkretes Konsultationsverfahren; Art. 25 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA. 4 Sog. abstraktes Konsultationsverfahren; Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA. 5 Allerdings ohne Bindung für die Gerichte; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFH/ NV 2009, 2044. Durch das JStG 2010 soll über § 2 Abs. 2 AOE eine Verbindlichkeit durch Rechtsverordnung herbeigeführt werden können. 6 Vermeidung der Doppelbesteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten nach erfolglos durchgeführtem Verständigungsverfahren durch Steueranrechnung als ultima ratio; vgl. hierzu Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 136 mit Abkommensübersicht.

654

F. Auslegung von DBA

fahrenskonvention (Rz. 3.74 ff., 16.114 ff.), dass trotz bestehender Auslegungskonflikte die Doppelbesteuerung vermieden wird. Die Verständigungsverfahren sind Verwaltungsverfahren, die den Förmlichkeiten des diplomatischen Protokolls entzogen sind (Art. 25 Abs. 4 OECD-MA). Sie können daher in der Praxis durchweg flexibel gehandhabt werden.1 Die Verständigungsverfahren sind keine Rechtsbehelfsverfahren; an ihnen sind die Steuerpflichtigen grundsätzlich2 nicht beteiligt. Verständigungsverfahren sind vielmehr bilaterale Streiterledigungsmittel, für die zwar durchweg Billigkeits- und Praktikabilitätserwägungen,3 nicht aber die Grundsätze und Garantien von rechtsförmlichen Verfahren gelten.4 Verständigungsverfahren sind dennoch nicht im rechtsfreien Raum angesiedelt, es geht vielmehr um die rechtsrichtige Anwendung des DBAs selbst und damit um Fragen der zutreffenden Ermittlung des Sachverhaltes5 und der Rechtsanwendung.6

16.90

Da der betroffene Steuerpflichtige an dem Verständigungsverfahren nicht unmittelbar beteiligt ist, hat er auch keinen Einfluss auf dessen Fortführung bzw. Beendigung, so dass ein derartiges Verständigungsverfahren grundsätzlich auch gegen den Willen des Steuerpflichtigen weitergeführt werden kann.7 Im Hinblick darauf besteht für die beteiligten Verwaltungsbehörden auch keine Verpflichtung zur Einigung.8 Erfolgt eine Einigung, so ergibt sich hieraus eine unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit stehende völkervertragliche Erfüllungspflicht, die gem. § 175a AO in-

16.91

1 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 41. 2 Abgesehen von der Antragstellung (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA) und dem Anspruch auf rechtliches Gehör und Information; vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 116; BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 3.3. 3 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 919; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 69; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht, 164 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 169 ff.; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (26). 4 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Tittel, Das Verständigungsverfahren nach den DBA, 73 ff.; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 84; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 31; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 162 ff.; Strobl/Zeller, StuW 1978, 244 (245); Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (171). 5 Hieran hat der Steuerpflichtige ggf. mitzuwirken; vgl. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 3.2.1.; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 24 unter Hinweis auf § 90 Abs. 2 AO. 6 Lehner in in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 73. 7 Vgl. allerdings BMF (Merkblatt) v. 1.7.1997, BStBl. I 1997, 717, Rz. 5.2., wonach bei Verzicht seitens des Steuerpflichtigen kein Verständigungsverfahren durchgeführt wird. 8 OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Art. 25); Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 89; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 9, 54; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 373; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 30; die Einigung ist aber die Regel.

655

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

nerstaatlich ohne weiteres umzusetzen ist.1 Aus deutscher Sicht hat die Verständigungsvereinbarung den Rechtscharakter eines (schlichten) Verwaltungsabkommens,2 an das zwar nicht die Gerichte,3 wohl aber die Finanzbehörden gebunden sind.4

16.92 Obwohl die Verständigungsverfahren keinen förmlichen diplomatischen Regeln unterworfen sind (Art. 25 Abs. 4 OECD-MA), der diplomatische Weg über die Außenministerien deshalb nicht beschritten werden muss und die Verwaltungsbehörden5 grundsätzlich sogar unmittelbar im mündlichen Meinungsaustausch verkehren dürfen,6 dauern die Verfahren dennoch mitunter mehrere Jahre.7 Die für den Steuerpflichtigen bei der Durchführung von Verständigungsverfahren bestehenden rechtlichen Defizite und die Dauer der Verfahren selbst haben dazu geführt, dass in der internationalen Praxis relativ wenige Verständigungsverfahren durchgeführt werden.8

16.93

Wegen der geringen rechtsförmlichen Ausprägung der Verständigungsverfahren vermögen diese dem betroffenen Steuerpflichtigen keinen ausreichenden 1 Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 132; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 178. Dem Finanzamt ist kein Ermessensspielraum eingeräumt; Loose in T/K, § 175a AO Rz. 7; lt. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 3.4 Satz 2, 4.2 soll die Umsetzung der Verständigungsvereinbarung dagegen unter Zustimmungsvorbehalt seitens des Steuerpflichtigen stehen, so dass ggf. insoweit auf Rechtsbehelfe gem. §§ 354 Abs. 2, 362 Abs. 2 AO; §§ 50 Abs. 1a, 72 Abs. 1a FGO verzichtet oder diese zurückgenommen werden sollen. 2 Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG; hierzu im Einzelnen Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 132 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 178 ff.; aus der Sicht der Schweiz: Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 104 f. 3 BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 10.7.1997 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044. 4 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 132; Seer in T/K, § 110 FGO Rz. 35; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 182; Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (177); Koch, CDFI LXVIa (1981), 17 (45 f.); dagegen auch für einen Vorrang vor einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 25; Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 130; offen lassend z.B. Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 57; Ismer, IStR 2003, 394 (396); zu Einzelheiten Rz. 16.102 f. 5 Nach dem BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 1.4 führt das BZSt die Verständigungsverfahren im unmittelbaren Verkehr mit den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates. 6 Art. 25 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA; in vielen deutschen DBA ist ein mündlicher Meinungsaustausch allerdings nicht ausdrücklich erwähnt; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 192. 7 Vgl. Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 19. 8 In den Jahren 2005 bis 2007 sind 417 deutsche Verfahren mit einer Einigung beendet worden (vgl. BT-Drucks. 16/8027).

656

F. Auslegung von DBA Schutz vor einer Doppelbesteuerung zu gewähren. Deshalb wird zu Recht dafür geworben, die Rechte des Steuerpflichtigen bei Verständigungsverfahren zu stärken und jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Verwaltungsbehörden nicht einigen können, ein formelles Schiedsverfahren vorzusehen.1 Der Stärkung der Rechtsstellung des Steuerpflichtigen wird entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA in neueren deutschen DBA durch zumeist obligatorische Schiedsverfahren2 sowie durch besondere Regelungen, die in Fällen bestimmter Qualifikationskonflikte nach erfolglos durchgeführten Verständigungsverfahren eine Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung als ultima ratio gewährleisten,3 bereits entsprochen.4 Die Einrichtung eines besonderen Internationalen Schiedsgerichtshofes5 ist indessen bislang am Fiskalegoismus der einzelnen Staaten gescheitert.6 So stellt etwa die EUSchiedsverfahrenskonvention,7 wonach durch den Beratenden Ausschuss eine verbindliche Entscheidung in den Fällen getroffen werden soll, in denen eine bilaterale Verständigung über Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) nicht zustande kommt (Art. 12 Abs. 1 EUSchÜ), ebenso nur eine Teillösung dar (Rz. 16.123) wie die in neueren deutschen DBA für die Behebung bestimmter Qualifikationskonflikte vorgesehene Steueranrechnung als ultima ratio-Regelung.8 Auch der Vorschlag der Internationalen Handelskammer zur Fortentwicklung des Verständigungsverfahrens,9 in dem ein Recht der Steuerpflichtigen auf Beteiligung am Verfahren sowie die Bildung eines internationalen Steuergerichts vorgesehen wird, ist nicht verwirklicht worden.

2. Verständigungsverfahren in Einzelfällen Die für Verständigungsverfahren im engeren Sinne geltenden Abkommensnormen10 sehen für den betroffenen Steuerpflichtigen in Einzelfällen11 eine Antragsbefugnis vor, sofern er eine abkommenswidrige Besteuerung geltend macht. In der internationalen Abkommenspraxis sind nicht nur abkommensberechtigte Personen antragsbefugt, sondern darü1 Koch, CDFI LXVIa (1981), 17 (46, 48 f.). 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 250. 3 Zu weiteren Einzelheiten mit Abkommensübersicht Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 136, Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 38. 4 Ggf. erfolgt unilateral ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO); vgl. BMF (Merkblatt) v.13.7.2006, BStBl. I 2006, 461 Rz. 8. 5 Hierzu schon Spitaler, StuW 1950, 803 ff.; Azzi, BIFD 1998, 344 (347). 6 Vgl. allerdings Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden, wonach in dem Fall, dass eine Einigung nicht erfolgt, nach Maßgabe des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten v. 29.4.1957 (BGBl. II 1961, 81) der Internationale Gerichtshof entscheiden soll; vgl. hierzu Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 267. 7 ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8.1990, BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818). 8 Hierzu Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 136. 9 Abgedruckt in BB 1987, 595. 10 Art. 25 Abs. 1 OECD-MA. 11 Wird eine allgemeine Regelung angestrebt, kommt auch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens von Amts wegen in Betracht; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 21.

657

16.94

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ber hinaus auch Staatsangehörige eines der beiden Vertragsstaaten, soweit sie, ohne abkommensberechtigt zu sein, eine Staatsangehörigkeitsdiskriminierung (Art. 24 Abs. 1 OECD-MA, vgl. Rz. 4.51 ff.) rügen.1 Eine abkommenswidrige Besteuerung kann insbesondere geltend gemacht werden bei – falscher Auslegung und Anwendung des Abkommensrechts, – falscher Anwendung des innerstaatlichen Rechts, sofern das Abkommensrecht auf dieses Bezug nimmt, – unrichtiger Würdigung des Sachverhaltes.2

16.95 Mit dem Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens kann auch eine abkommenswidrige wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Rz. 12.3) geltend gemacht werden, so dass eine Subjektsidentität für die Antragsbefugnis nicht erforderlich ist, was durch Art. 9 Abs. 2 OECD-MA, der den in der Praxis wichtigen Konfliktfall der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen betrifft, nachdrücklich belegt wird.3

16.96 Der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens ist bei der zuständigen Behörde4 des Wohnsitzstaates zu stellen. In Deutschland ist dafür das BZSt zuständig.5 Die Anträge können aber auch beim für die Besteuerung des Abkommensberechtigten örtlich zuständigen Finanzamt eingereicht werden, die sie dann an das BZSt weiterleitet.6

16.97 In den Fällen, in denen eine abkommenswidrige Besteuerung im Zusammenhang mit Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen gerügt wird,7 kann der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens wahlweise von dem einen oder anderen verbundenen Unternehmen gestellt werden.8

1 In den älteren deutschen Abkommen ist eine Antragsbefugnis für Staatsangehörige indessen nicht vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 54. 2 Zu den einzelnen Fallgruppen Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 30. 3 Zu Einzelheiten Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 162 f.; vgl. auch Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 33; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 16; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 15; Krabbe, IStR 2002, 548; BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 2.1.2, wonach jeder antragsberechtigt ist, der durch die abkommenswidrige Besteuerung betroffen ist. 4 Vgl. Art. 3 Abs. 1 OECD-MA. 5 BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 1.4. 6 BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 2.1.4. 7 Das ist in der Praxis der wichtigste Anwendungsfall. 8 Bei einem Mutter-Tochterverhältnis wird der Antrag zweckmäßigerweise von der Muttergesellschaft gestellt werden (BMF v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461 Rz. 2.1.3) und zwar bei der Steuerbehörde des Staates, von der eine Gewinnanpassung zu erwarten ist.

658

F. Auslegung von DBA

Soweit deutsche DBA eine Antragsfrist vorsehen, gilt eine solche von zwei, drei oder vier Jahren,1 und zwar beginnend mit der ersten Mitteilung der Maßnahme,2 die zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führt.3 Ist abkommensrechtlich keine besondere Antragsfrist vorgesehen, wird seitens der deutschen Finanzverwaltung die Einleitung eines Verständigungsverfahrens grundsätzlich abgelehnt, wenn der Antrag erst nach Ablauf von vier Jahren gestellt wird.4

16.98

Nach Eingehen des Antrages auf Einleitung des Verständigungsverfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde unterscheiden die für die Verständigungsverfahren geltenden Abkommensnormen (Art. 25 Abs. 2 OECDMA) drei Verfahrensabschnitte,5 und zwar das

16.99

– Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren der Antragsbehörde, – Verständigungsverfahren der Behörden beider Vertragsstaaten, – Umsetzungsverfahren nach Abschluss der zwischenstaatlichen Verständigungsregelung durch die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten. Das Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren ist darauf gerichtet, bei Begründetheit des Antrages entweder abzuhelfen oder aber das Verständigungsverfahren einzuleiten. Eine Abhilfe kommt insbesondere bei eigener Rechtsverletzung in Betracht. Soweit die Steuerbescheide bestandskräftig sind, erfolgt die Abhilfe durch Änderung der Steuerbescheide gem. § 175a AO. Stellt die Antragsbehörde eine Rechtsverletzung durch den anderen Vertragsstaat fest, wird, soweit ein einseitiger Steuererlass (§§ 163, 227 AO) ausscheidet, nur die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zur Beseitigung des Besteuerungskonfliktes möglich sein. Scheitert das Verständigungsverfahren, kommt zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen6 oder ggf. ein Schiedsverfahren (Rz. 16.110 ff.) oder in bestimmten Fällen von Qualifikationskonflikten eine Steueranrechnung als ultima ratio7 in Betracht. Wird die Einleitung des Verständigungsverfahrens durch das BZSt abgelehnt, ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO).8 1 Hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 54, 62. 2 Z.B. Erlass eines Steuerbescheides; vgl. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 2.2.1; ggf. auch schon der Betriebsprüfungsbericht; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 28. 3 Art. 25 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; zu den Abweichungen in den deutschen DBA die Übersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 54. 4 BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 2.2.3. 5 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 71; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 45 ff. 6 BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 8. 7 Zu weiteren Einzelheiten mit Abkommensübersicht Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 136. 8 Gegeben ist die allgemeine Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO); BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583 hat die Frage, ob eine Verpflichtungsklage oder ei-

659

16.100

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.101

Überwiegend wird angenommen, es stehe im Ermessen der Antragsbehörde,1 ob ein Verständigungsverfahren eingeleitet werde oder nicht. Der Antragsteller habe daher nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.2 Eine Analyse der von Deutschland abgeschlossenen DBA ergibt indessen, dass die betreffenden Verständigungsklauseln dem Antragsberechtigten im Ergebnis durchweg einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens gewähren.3 Trotz unterschiedlicher Formulierungen gilt das für alle Abkommen, die eine dem Art. 25 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Verständigungsklausel enthalten,4 gleichermaßen. Davon abgesehen ergäbe sich aufgrund der dem Heimatstaat obliegenden diplomatischen Schutzpflicht ohnehin eine Reduzierung des der Antragsbehörde eingeräumten Ermessensspielraums auf Null.5 Darüber hinaus leitet sich der Anspruch auf Einleitung des Verständigungsverfahrens auch aus dem verfassungsrechtlich verankerten Rechtsprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ab. Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebietet aus Rechtsgründen die Vermeidung der Doppelbesteuerung als Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens (Rz. 14.8 ff.). Dies gilt vor allem dann, wenn es zu einer der Regelungshomogenität der Abkommen widersprechenden planwidrigen Doppelbesteuerung kommt. Wie diese planwidrige Doppelbesteuerung vermieden wird, ist durch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vorgegeben. In Abkommensfällen ist allerdings zunächst ein Verständigungsverfahren einzuleiten. Kommt es hierbei zu keiner Einigung, hat ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) zu erfolgen,6 soweit abkommensrechtlich nicht die Durchführung eines anschließenden Schiedsverfahrens oder eines Verfahrens nach der EU-Schiedsverfahrenskonvention oder in Fällen bestimmter Qualifikationskonflikte die Vermeidung der Dop-

1 2

3 4 5 6

ne allgemeine Leistungsklage gegeben ist, offen gelassen; ein Einspruchsverfahren ist bei der Verpflichtungsklage erforderlich, da das BZSt keine oberste Finanzbehörde ist (§ 348 Nr. 3 AO). Dies wird aus dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA („… wird sie sich bemühen …“) abgeleitet. BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; FG Hamburg v. 13.7.2000 – V 2/97, EFG 2001, 27; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 90; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 24; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 69; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 41; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (30); Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (174); Debatin, AWD 1969, 477 (485); Kaligin, WPg. 1982, 217 (220); für einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens dagegen OECD-Kommentar zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 22, 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA); Land in F/W/K, Art. 26 DBA-Schweiz Rz. 21; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 55; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 149 ff.; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 690; Bachmayr, StuW 1964, 885 (890 f.); Tipke, AWD 1969, 589 (592); Gloria, StuW 1989, 138 ff.; wohl auch BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461 Rz. 2.4.3; modifizierend Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 9a. Hierzu umfassend Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 247 ff.; vgl. ferner Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 136 ff. Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 263 ff. Zur Begründung im Einzelnen Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 267 ff. Vgl. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 8.

660

F. Auslegung von DBA pelbesteuerung durch Steueranrechnung als ultima ratio1 vorgesehen oder möglich ist (Rz. 14.12). Die Durchführung von Verständigungsverfahren zwischen EU-Mitgliedstaaten ist schließlich auch europarechtlich geboten. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft gehört nämlich zu den Zielen des EU-Vertrages2 und ist darüber hinaus sogar eines der Grundanliegen des gemeinsamen Marktes.3 Insoweit wird zugleich auch den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten entsprochen (Rz. 14.5). Im Hinblick auf die vorgenannten Gesichtspunkte lehnt die deutsche Finanzverwaltung die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nur ausnahmsweise ab.4

Die DBA sehen grundsätzlich vor, dass das Verständigungsverfahren unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe durchgeführt werden kann.5 In Deutschland sind daher Verständigungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren gleichzeitig möglich,6 wobei die Vollziehung angefochtener durch das Verständigungsverfahren betroffener Steuerbescheide regelmäßig auszusetzen ist (§ 361 AO, § 69 FGO).7 Verständigungsregelungen können hierbei grundsätzlich aufgrund von abkommensrechtlichen Sonderregelungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts erfolgen (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA), so dass Verständigungsverfahren unabhängig von etwaigen Verjährungs- und Ausschlussfristen möglich sind. Da einige der deutschen DBA dahingehende Regelungen nicht enthalten,8 sind insoweit Verständigungsregelungen durch Änderung von Steuerbescheiden (§ 175a AO) nur innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 AO) möglich, wobei jedoch durch Stellen des Antrages auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens der Fristablauf gehemmt ist mit der Maßgabe, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Verständigungsvereinbarung endet (§ 175a Satz 2 AO).9 Voraussetzung ist 1 Hierzu Einzelheiten sowie eine Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 136. 2 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793 Rz. 16. 3 Saß, SWI 1996, 108 (112); Schwartz/Mölls in von der Gröben/Schwartze, EU-/ EG-Vertrag, Art. 293 Rz. 78. 4 So der Hinweis von Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 24. 5 Art. 25 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA: Es handelt sich um eine Ausnahme von der sog. local remedies rule, wonach diplomatischer Schutz nur dann verlangt werden kann, wenn die innerstaatlich möglichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind; vgl. hierzu Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 125; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 205 ff. 6 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979 64; v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 93; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 34; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 18; Krabbe, IStR 2002, 548 (549); zur unterschiedlichen Rechtslage in einzelnen Staaten die Landesberichte in CDFI LXVI a (1981). 7 Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 35. 8 Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 134. 9 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 135; Loose in T/K, § 175a AO Rz. 8; BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 4.1.

661

16.102

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

allerdings, dass zum Zeitpunkt der Beantragung des Verständigungsverfahrens die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.1 Getroffene Verständigungsregelungen können die Bestandskraft von Steuerbescheiden oder die Rechtskraft von Urteilen nur aufgrund der Vorschriften des jeweiligen innerstaatlichen Rechts durchbrechen.2 Im deutschen Recht ist eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide aufgrund einer getroffenen Verständigungsregelung daher nur gem. § 175a AO möglich.3

16.103 Da eine Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 FGO möglich ist, ist bei Rechtskraft eines Urteils im Anschluss an ein Verständigungsverfahren eine Änderung eines Steuerbescheides gem. § 175a AO nicht zulässig. Ein Verständigungsverfahren selbst ist keine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft.4 Eine Änderung von Steuerfestsetzungen wegen abweichender Verständigungsregelungen ist allerdings stets auch als Billigkeitsmaßnahme (§§ 163, 227 AO) in Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips geboten.5 Im Hinblick auf die von § 110 Abs. 1 FGO ausgehende Bindungswirkung macht die Finanzverwaltung die innerstaatliche Umsetzung der Verständigungsvereinbarung generell davon abhängig, dass der Steuerpflichtige der Einigung zustimmt, anhängige Rechtsmittel zurücknimmt und auf seine Rechtsbehelfe entweder teilweise verzichtet (§ 354 Abs. 1a AO, § 50 Abs. 1a FGO) oder aber teilweise zurücknimmt (§ 362 Abs. 1a AO, § 72 Abs. 1a FGO).6 3. Vorabverständigungsverfahren (APAs)

16.104 Im Hinblick darauf, dass Verständigungsverfahren lediglich im Nachhinein wirkende bilaterale Streiterledigungsmittel sind (Rz. 16.90), haben sich in der internationalen Staatenpraxis in den letzten Jahren zunehmend präventiv wirkende Vorabverständigungsvereinbarungen (Advance Pricing Agreements – APAs) herausgebildet.7 Diese APAs sind darauf gerichtet, zwischen zwei oder mehreren Staaten eine einvernehmliche Besteuerung von noch nicht verwirklichten Geschäften eines Steuer1 Loose in T/K, § 175a AO Rz. 8; Balmes in von Wedelstädt19, § 175a AO Rz. 7; von Groll in H/H/Sp, § 175a AO Rz. 102; a.A. Loh/Steinert, BB 2008, 2383 (2385); zu Gestaltungshinweisen Lühn, BB 2009, 412 ff. 2 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 104. 3 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 105; Eilers in D/W, Art. 25 Rz. 57. 4 Seer in T/K, § 110 FGO Rz. 35; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 133; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 134. 5 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; Land in F/W/K, Art. 26 DBASchweiz Rz. 25; J. Förster in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuerund Abgabenrechts, § 30 Rz. 189; a.A. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 133. 6 Vgl. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 4.2. 7 Vgl. die Länderübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 316; vgl. auch Rz. 18.188.

662

F. Auslegung von DBA

pflichtigen mit nahe stehenden Personen i.S. von § 1 AStG, eine einvernehmliche Gewinnaufteilung zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder eine einvernehmliche Gewinnermittlung einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens herbeizuführen.1 Es geht also um die Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten im weitesten Sinne,2 wobei bilaterale APAs die Regel und multilaterale APAs die Ausnahme sind.3 Rechtsgrundlage für bilaterale und multilaterale APAs ist auf Abkommensebene Art. 25 Abs. 1, 2 OECD-MA.4 Nach innerstaatlichem Recht gelten die für eine verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) geltenden Grundsätze (Rz. 16.107). Darüber hinaus kommen auch unilaterale APAs in Betracht, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse5 besteht, etwa dann wenn Abkommen nicht eingreifen oder aber bei einer nur in einem Staat (Deutschland) strittigen Rechtsfrage.6 Rechtsgrundlage hierfür ist § 89 Abs. 2 AO (verbindliche Auskunft).7

16.105

APAs werden nur auf schriftlichen Antrag8 hin vom BZSt erteilt.9 Anträge auf APAs sind freilich relativ selten. APAs vermitteln zwar einerseits Planungssicherheit und dienen zudem der Streitvermeidung, andererseits sind die Verfahren gebührenpflichtig (§ 178a Abs. 2 AO) und dauern zumeist mehr als ein Jahr.10 Zudem besteht eine Offenlegungsverpflichtung, die dazu führen kann, dass die seitens der Finanzverwaltung erlangten Informationen im Übrigen zum Nachteil des Steuerpflichtigen verwendet werden können.11 Dem Antrag geht meist ein Vorgespräch (Prefiling) – auch auf anonymer Basis12 – voraus, in dessen Rahmen etwa die geplanten Verrechnungspreismethoden (Rz. 18.134 ff.), der APA-Zeitraum und die Frage einer rückwirkenden Anwendung (roll back) erörtert werden.13 Über die Annahme des Antrags wird sodann durch das BZSt

16.106

1 So die Formulierung im § 178a Abs. 1 AO. 2 Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 66. 3 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 322 f.; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 67; Grotherr, IStR 2005, 350 (350); Kramer, IStR 2007, 174 (175). 4 Zu Einzelheiten Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 327. 5 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 6 Weitere Fallkonstellationen bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 321; Grotherr, BB 2005, 856 (857); vgl. auch Rz. 18.188. 7 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 321; Kramer, IStR 2007, 174 (176 f.). 8 Zu Erfordernissen wie Begründung, Beifügung von Unterlagen usw. BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3. 9 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.3. 10 Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 74. 11 Zu den Vor- und Nachteilen Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 329 f.; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 66. 12 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.2. 13 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 334; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 72.

663

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

entschieden,1 das für sich ein Ermessen in Anspruch nimmt.2 Nach Annahme des Antrags erfolgt eine APA-Prüfung, die in aller Regel in den Räumen des Antrag stellenden Unternehmens durch Betriebsprüfer durchgeführt wird.3 Hieran schließen sich dann die eigentlichen APAVerhandlungen mit Vertretern des oder der anderen Vertragsstaaten an.4 Wird das APA erteilt, so hat es zumeist eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren,5 wobei insbesondere bei längerer Verfahrensdauer eine rückwirkende Geltung (roll back) in Betracht kommt.6 Haben sich die dem APA zugrunde gelegten Sachverhaltsumstände nicht geändert, kann zu einem späteren Zeitpunkt ein APA auch verlängert werden.7

16.107 APAs erlangen für die Finanzverwaltung als verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO) Bindungswirkung, soweit sie für die Zukunft wirken.8 Eine Bindungswirkung für den Antragsteller ist hiermit nicht verbunden. Haben APAs rückwirkende Geltung (roll back) ergibt sich eine dann allerdings beiderseitige Bindungswirkung nur unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Verständigung,9 was voraussetzt, dass die Regelung über Tatsachen im Vordergrund steht.10 Um für alle Fälle eine Bindung auch des Antragstellers zu gewährleisten, wird ihm im Vorhinein ein Einspruchsverzicht (§ 354 Abs. 1a AO) für die Steuerbescheide abverlangt, die die Vorabverständigungsvereinbarung für deren Laufzeit (zutreffend) umsetzen.11 Der Antragsteller seinerseits erhält eine verbindliche Vorabzusage.12 4. Konsultationsverfahren

16.108 Konsultationsverfahren sind darauf gerichtet, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen (konkretes Konsultationsver-

1 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594, Rz. 3.9. 2 Demgegenüber besteht auch hier wie bei Einleitung eines (normalen) Verständigungsverfahrens ein Anspruch auf Einleitung eines APA-Verfahrens; zur Begründung Rz. 16.101. 3 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.3; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 74. 4 Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 75. 5 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.8. 6 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 7.3. 7 BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594 Rz. 7.4; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 68. 8 Zur Bindungswirkung verbindlicher Auskünfte Seer in T/K, § 89 AO Rz. 27 f. 9 Hierzu Seer in T/K, vor § 118 AO Rz. 23. 10 Dass auch Rechtsfragen betroffen sind, ist unschädlich; vgl. BFH v. 13.8.1997 – I R 12/97, BFH/NV 1998, 498; Seer in T/K, vor § 118 AO Rz. 13. 11 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 377; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 75. 12 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 377; dort auch zu Bedenken zu diesem Verfahren.

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F. Auslegung von DBA

fahren)1 sowie Regelungslücken in DBA zu schließen (abstraktes Konsultationsverfahren).2 Es handelt sich hierbei um die Klärung von Rechtsfragen ohne Bezug auf einen konkreten Einzelfall, die mitunter parallel zu einem Verständigungsverfahren im engeren Sinne betrieben werden. Das Ziel dieser Konsultationsverfahren3 ist die gleichmäßige Anwendung und Auslegung der DBA im Sinne einer Regelungshomogenität. Damit werden nicht nur Sachverhalts- und Rechtsfragen, etwa Fragen der bilateralen Einkünfteabgrenzung,4 sondern auch verwaltungstechnische Fragen angesprochen.5 Derartige zwischenstaatlich getroffene Vereinbarungen, insbesondere Auslegungsvereinbarungen, sind entsprechend ihrem Rechtscharakter als (schlichtes) Verwaltungsabkommen6 weder für den Steuerpflichtigen noch für die Gerichte bindend.7 Dementsprechend können derartige Vereinbarungen auch die DBA selbst nicht ändern. Als Hilfsmittel für die Auslegung kommen sie indessen in Betracht.

16.109

5. Schiedsverfahren Die in den DBA vorgesehenen Verständigungsverfahren vermitteln den betroffenen Steuerpflichtigen keinen Anspruch darauf, dass sich die am Verständigungsverfahren beteiligten Behörden einigen.8 Im Hinblick auf die somit fortbestehenden Auslegungskonflikte kann das eigentliche Ziel der DBA, die Doppelbesteuerung auf bilateraler Ebene zu vermeiden, nicht erreicht werden. In derartigen Fällen hat etwa Deutschland als Wohnsitzstaat nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips die Doppel-

1 Art. 25 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA; zu Einzelheiten Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 158 f. 2 Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA; zu Einzelheiten Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 159 ff. 3 In einigen deutschen DBA sind sie nicht vorgesehen; Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 165, 167. 4 Hierfür sind besondere Konsultationsverfahren vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 168 ff. 5 Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 61; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (43). 6 Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG; zu Einzelheiten Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 188 ff.; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 166. 7 BFH v. 11.4.1990 – I R 63/88, BFH/NV 1990, 705; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 154, 166; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 61; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 208. Es ist beabsichtigt, gem. § 2 Abs. 2 AOE (JStG 2010) eine Verbindlichkeit durch Rechtsverordnung herbeiführen zu können. 8 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 89; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 9.54; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (40); OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA).

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16.110

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

besteuerung durch Steuererlass (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden.1 In einigen deutschen DBA2 ist indessen für den Fall, dass eingeleitete Verständigungsverfahren zu keiner einvernehmlichen Regelung führen, ein fakultatives oder ein obligatorisches Schiedsverfahren vorgesehen. Soweit dieses Schiedsverfahren in Anlehnung an Art. 25 Abs. 5 OECD-MA obligatorisch ist,3 folgt hieraus stets eine den Auslegungskonflikt behebende endgültige Entscheidung.4

16.111 Das Schiedsverfahren, das entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA nur auf Antrag dessen durchgeführt wird,5 der zuvor auch das Verständigungsverfahren beantragt hat, ist unselbständiger Teil des Verständigungsverfahrens selbst.6 Dementsprechend werden Schiedssprüche, soweit der Antragsteller zustimmt, dadurch umgesetzt, dass eine inhaltsgleiche Verständigungsvereinbarung abgeschlossen wird.7 Der Antragsteller ist ferner ebenso wenig wie im eigentlichen Verständigungsverfahren Partei, so dass er insbesondere nicht das Recht auf Akteineinsicht hat.8 Er hat aber ebenso wie im Verständigungsverfahren selbst die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen abzugeben.9

16.112 Die OECD-Schiedsklausel (Art. 25 OECD-MA) beinhaltet zwar keine bindenden Verfahrensvorschriften,10 die Eröffnung eines Schiedsverfahrens setzt neben einem Antrag allerdings voraus, dass sich die zuständigen Behörden im Rahmen des eigentlichen Verständigungsverfahrens über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht haben einigen können. Dass die Streitfrage nicht im Sinne des Antragstellers gelöst wird, ist hierbei unbeacht-

1 Vgl. BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Rz. 8. 2 Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 250; zur Abkommensentwicklung Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449 ff; Nientings/Tomson, IStR 2009, 615 ff. 3 Hierzu der Überblick bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 250, 260 ff. 4 Nach dem DBA-Schweden kommt auch eine Entscheidung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag nach Maßgabe des europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29.4.1957, BGBl. II 1961, 81 in Betracht. 5 Wie bei Verständigungsverfahren besteht ein Anspruch auf Durchführung eines (obligatorischen) Schiedsverfahrens; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 208; Herlinghaus, IStR 2010, 125 (126); ferner Rz. 16.101. 6 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 209; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 48. 7 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 237. 8 Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 53, 35. 9 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 228. 10 Vgl. allerdings die im Anh. zum OECD-MA eingefügte Musterverständigungsvereinbarung, die auch Regeln über den Verfahrensablauf enthalten; abgedruckt bei Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA; hierzu die Kommentierung bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 223 ff. und Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 54 ff.

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F. Auslegung von DBA

lich.1 Voraussetzung ist ferner, dass es auf Grund der fehlenden Einigung tatsächlich schon zu einer abkommenswidrigen Besteuerung gekommen ist.2 Hieraus folgt, dass die in Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b OECD-MA vorgesehene Zweijahresfrist erst mit Eintritt der abkommenswidrigen Besteuerung beginnt, sofern das Verständigungsverfahren zuvor bereits deshalb eingeleitet wurde, weil die abkommenswidrige Besteuerung (Doppelbesteuerung) drohte.3 Dies bedeutet etwa, dass für APAs ein Schiedsverfahren nur dann in Betracht kommt, wenn eine Besteuerung bereits erfolgt ist und seitdem zwei Jahre vergangen sind.4 Gemäß Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA darf ein Schiedsverfahren nicht eingeleitet werden, wenn bereits eine Gerichtsentscheidung zu dem konkreten Streitfall ergangen ist. Dies entspricht der deutschen Rechtslage, wonach Verständigungsverfahren die Rechtskraft von Urteilen nicht durchbrechen können.5

16.113

VII. EU-Schiedsverfahrenskonvention Literatur Kommentare zum Eh-SchÜ; Bödefeld/Kuntschik, Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsabkommen – Theorie und Praxis, IStR 2009, 268; Bödefeld/Kuntschik, Der Überarbeitete Verhaltenskodex zur Anwendung des EUSchiedsübereinkommen, IStR 2010, 474; Krabbe, Das Schiedsübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, IStR 1996, 5; Menck, Die Prüfung der internationalen Gewinnabgrenzung nach der „Schiedsstellenkonvention“ der EU, StBp. 1995, 169; Saß, Zum EG-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, DB 1991, 984; Schelpe, The Arbitration Convention, EC-Tax Review 1995, 68.

1. Allgemeine Hinweise Auf der Grundlage des Art. 220 EG-Vertrag a.F. haben die EG-Staaten das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen und im Verhältnis zu Betriebsstätten6 (Schiedsverfahrenskonvention) abgeschlos1 Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 76; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 49. 2 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 49. 3 Für einen im Sinne des Antragstellers großzügigen Umgang mit dieser Frist Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 215. 4 Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 49. 5 Hierzu Rz. 16.103; vgl. aber a.A. Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 51 unter Hinweis auf das DBA-USA, wonach ein dem Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA entsprechender Wortlaut nicht übernommen wurde. 6 Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990, geändert durch Richtlinie 2005/19/EG zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG v. 17.2.2005, ABl. EG Nr. L 58, 19 ff. v. 4.3.2005.

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16.114

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

sen, das als multilateraler völkerrechtlicher Vertrag1 nach Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden2 zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist.3

16.115 Die zunächst auf fünf Jahre befristete und nunmehr ohne Befristung geltende Schiedsverfahrenskonvention4 ist auf die Beseitigung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (zum Begriff Rz. 12.3) gerichtet.5 Diese kann dadurch entstehen, dass die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten nicht abgestimmte Einkünfteberichtigungen vornehmen, die sich als Folge von Verrechnungspreiskorrekturen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften und veränderten Einkünfteabgrenzungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten oder verschiedenen Betriebsstätten in den Mitgliedstaaten ergeben (Rz. 18.1 ff.). Dadurch wird sichergestellt, dass mit der auf Gewinnerhöhung gerichteten Erstberichtigung in dem einen Mitgliedstaat eine auf Gewinnminderung gerichtete Gegenberichtigung in dem oder den anderen Mitgliedstaaten korrespondiert. Da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die auf dieser nicht abgestimmten Einkünfteberichtigung beruhende wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden,6 entfaltet die Schiedsverfahrenskonvention eine Schutzwirkung zugunsten der in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen (verbundenen) Unternehmen gegenüber einseitigen Gewinnkorrekturen7 durch den einen oder anderen Mitgliedstaat.

16.116 Die auf eine Verständigungsregelung ausgerichteten Normen der Schiedsverfahrenskonvention sind neben den abkommensrechtlichen Regelungen über das Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) anwendbar.8 Ein Vorrangverhältnis besteht nicht, weil die Schiedsverfahrenskonvention weder zum primären noch zum sekundären Unionsrecht gehört.9 Da Deutschland mit allen Mitgliedstaaten der EU DBA abgeschlossen hat, gewinnt die Schiedsverfahrenskonvention gerade in Abkommensfällen 1 Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 78. 2 Art. 18 der Schiedsverfahrenskonvention. 3 BStBl. I 1995, 166. 4 Art. 20 EU-SchÜ; zum zeitlichen Geltungsbereich und zur Behandlung während des Übergangszeitraums vom 1.1.2000 bis 30.10.2004 Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 3; Art. 18 EU-SchÜ Rz. 5 ff.; zu Entwicklungstendenzen Bödefeld/ Kuntschik, IStR 2009, 268 ff., Bödefeld/Kuntschik, IStR 2010, 474 ff. 5 Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 1. 6 Art. 12 Abs. 1 Schiedsverfahrenskonvention; hierzu Krabbe in D/W, Art. 12 EUSchÜ Rz. 6. 7 Soweit sie sich auf die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer auswirken; Art. 2 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. 8 Art. 15 der Schiedsverfahrenskonvention; das europäische Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten v. 29.4.1957 (BGBI. 1961 II 81) wird indessen verdrängt, weil dieses nur Anwendung findet, soweit anderweitig keine auf Streitbeilegung gerichtete Verfahren vorgesehen sind; hierzu Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 9; Krabbe, IStR, 1996, 5 (5 f.). 9 Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 8; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301.

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F. Auslegung von DBA

ihre eigentliche Bedeutung. Die von Deutschland mit den Mitgliedstaaten der EU abgeschlossenen DBA vermögen nämlich eine korrespondierende Einkünfteberichtigung nicht zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die DBA durchweg keine dem Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Gegenberichtigungsklausel enthalten1 und zum anderen darauf, dass die wegen nicht abgestimmter Einkünfteberichtigungen an sich möglichen Verständigungsverfahren2 deshalb keinen vollständigen Rechtsschutz vermitteln, weil kein Rechtsanspruch darauf besteht, dass die Vertragsstaaten sich einigen (Rz. 16.91). Deshalb ist die Schiedsverfahrenskonvention für den eingeschränkten Bereich der Einkünfteabgrenzung3 als ein die abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren überlagerndes ebenfalls auf Beseitigung bilateraler Anwendungskonflikte gerichtetes multilaterales DBA4 zu qualifizieren. Im Unterschied zu den abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren führen die in der Schiedsverfahrenskonvention geregelten Verfahren stets zu einer Konfliktlösung, die allerdings nur in der Vermeidung der effektiven, nicht aber der virtuellen Doppelbesteuerung besteht.5 Soweit Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren verknüpft sind (Rz. 16.110), muss sich der jeweilige Antragsteller für das Verständigungsund Schiedsverfahren oder für das Verfahren nach der Schiedsverfahrenskonvention entscheiden, denn beide Verfahren sind nicht parallel anwendbar.6 Sieht das Verständigungsverfahren kein Schiedsverfahren vor, gilt im Zweifel der Antrag nach der Schiedsverfahrenskonvention als gestellt.7

16.117

2. Verfahren Die Schiedsverfahrenskonvention sieht folgende vier Verfahrensabschnitte vor:

16.118

– Vorverfahren – Verständigungsverfahren – Schlichtungsverfahren – Einigungsverfahren. Vor dem eigentlichen Verständigungsverfahren ist ein Vorverfahren vorgeschaltet, das auf eine einvernehmliche Regelung zwischen dem be1 Vgl. die Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145, 181. 2 Art. 25 OECD-MA. 3 Gewinnzurechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften sowie zwischen Stammhaus und Betriebsstätten und zwischen Betriebsstätten. 4 Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 10; Menck in G/K/G, Art. 1 OECD-MA Rz. 11. 5 Art. 14 Schiedsverfahrenskonvention; vgl. hierzu Menck, StBp. 1995, 169 (171). 6 Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 10, Art. EU-SchÜ Rz. 6; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 306; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 80. 7 Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 6.

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16.119

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

troffenen Unternehmen und den beteiligten Finanzbehörden abzielt. Im Hinblick darauf hat die Finanzverwaltung, die eine Gewinnerhöhung vornehmen will, das betroffene Unternehmen frühzeitig hierüber zu unterrichten, damit dieses Maßnahmen einleiten kann, um in dem anderen Vertragsstaat, in dem etwa das verbundene Unternehmen ansässig ist, eine Gegenberichtigung zu erwirken.1 Wird zwischen den Beteiligten über Berichtigung und Gegenberichtigung Konsens erzielt, ist die Angelegenheit bereits in diesem Stadium erledigt. Ein Verständigungs- und Schlichtungsverfahren wird erst gar nicht eingeleitet.2

16.120 Findet die Angelegenheit nicht bereits im Vorverfahren ihre Erledigung, so wird auf Antrag des betroffenen Unternehmens das Verständigungsverfahren eingeleitet.3 Der Antrag ist innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der Maßnahme, die eine Doppelbesteuerung herbeiführt oder herbeiführen könnte,4 zu stellen.5 Der Antrag kann in beiden Staaten gestellt werden.6 Antragsberechtigt sind in der EU ansässige Unternehmen, womit in Anlehnung an die Begriffswelt der DBA7 sowohl Einzelunternehmen als auch Kapitalgesellschaften angesprochen sind.8 Da Betriebsstätten9 den Unternehmen gleichgestellt sind,10 sind auch Betriebsstätten selbst sowie Personengesellschaften11 antragsberechtigt. Der Antrag verpflichtet zur Einleitung des Verständigungsverfahrens, es sei denn, es liegen Handlungen vor, die einen „empfindlich zu bestrafenden Verstoß gegen steuerliche Vorschriften“ darstellen.12 Gegen die Ablehnung des Antrags ist der Finanzrechtsweg gegeben.13

16.121 Die Schiedsverfahrenskonvention enthält für die Durchführung des Verständigungsverfahrens keine besonderen Vorschriften mit der Folge, dass insoweit die üblichen für die abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren vorgesehenen Regeln Anwendung finden können.14 Führt das Verständigungsverfahren zu keinem Ergebnis, etwa deshalb nicht, weil der 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Art. 5 der Schiedsverfahrenskonvention. Krabbe in D/W, Art. 5 EU-SchÜ Rz. 8. Art. 6 Schiedsverfahrenskonvention. Z.B. im Anschluss an eine Betriebsprüfung durch Änderungsbescheid. In Deutschland ist der Antrag an das BZSt zu richten. Art. 6 der Schiedsverfahrenskonvention; nach Menck, StBp. 1995, 169 (171) und Krabbe, IStR 1996, 5 ff. sollte der Antrag zweckmäßigerweise im Staat des übergeordneten Steuerpflichtigen gestellt werden. Vgl. die Verweisung in Art. 3 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. Hierzu Krabbe in D/W, Art. 1 EU-SchÜ Rz. 3. Erfasst werden nur Betriebsstätten von in der EU ansässigen Unternehmen. Art. 1 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. Diese gelten als Betriebsstätten; zu Einzelheiten Rz. 18.66. Art. 8 der Schiedsverfahrenskonvention; nach Krabbe in D/W, Art. 8 EU-SchÜ Rz. 2; Menck, StBp. 1995, 169 (172), soll dies bereits bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) und Steuergefährdung (§ 379 AO) gegeben sein. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 303; Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 82. Vgl. hierzu BMF (Merkblatt) v. 13.7.2006, BStBI. I 2006, 461, Rz. 3, 4.

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F. Auslegung von DBA

ersuchte Staat keine einseitige Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vornimmt oder beide Staaten kein Einvernehmen über die zu ergreifenden Maßnahmen1 erzielen, ist das Verständigungsverfahren gescheitert, so dass es in das sog. Schlichtungsverfahren überführt wird. In das Schlichtungsverfahren wird übergeleitet, wenn das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren2 zu einer Einigung bzw. zu einer Erledigung durch eine einseitige Maßnahme geführt hat. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens hat zur Folge, dass ein Beratender Ausschuss eingesetzt wird, der innerhalb von sechs Monaten eine Stellungnahme zu den zu ergreifenden Maßnahmen abzugeben hat. Dieser Beratende Ausschuss wird von den zuständigen Behörden3 für jeden Einzelfall gesondert4 eingesetzt.5 Auch während des Schlichtungsverfahrens bleiben die beteiligten Behörden beider Vertragsstaaten Herr des Verfahrens, so dass sie stets durch einseitige Maßnahmen die Doppelbesteuerung beseitigen und damit das Verfahren insgesamt beendigen können.6 Das vom Beratenden Ausschuss einzuhaltende Verfahren ist weitgehend ungeregelt geblieben, so dass die international anerkannten allgemeinen Verfahrensgrundsätze zur Anwendung kommen.7 Ausdrücklich geregelt sind allerdings das für die am Verfahren beteiligten Unternehmen geltende Recht auf Gehör, deren Antragsrecht sowie deren Pflicht, auf Ladung zu erscheinen, womit das Recht korrespondiert, vor dem Beratenden Ausschuss zu Sach- und Rechtsfragen selbst Stellung zu nehmen.8 Die vom Beratenden Ausschuss abzugebende Stellungnahme bezieht sich ausschließlich darauf, wie in Anlehnung an den arm’s length-Grundsatz die Doppelbesteuerung zu vermeiden ist.9 Damit gelten im Ergebnis die bei der Anwendung von DBA zu beachtenden allgemeinen Grundsätze der bilateralen Einkünfteabgrenzung (Rz. 16.264 ff., 16.289 ff.). Eine hierauf aufbauende Stellungnahme des Beratenden Ausschusses setzt eine entsprechende Sachverhaltsermittlung voraus. Die Sachverhaltsermittlungen kann der Beratende Ausschuss entweder selbst durchführen oder aber

1 Angesprochen sind nur die in Art. 14 der Schiedsverfahrenskonvention aufgeführten Maßnahmen. 2 Gemäß Art. 7 Abs. 4 der Schiedsverfahrenskonvention ist eine Fristverlängerung möglich. 3 In Deutschland das BZSt. 4 Krabbe in D/W, Art. 7 EU-SchÜ Rz. 7; Menck, StBp. 1995, 169 (173). 5 Zur Anzahl und Qualifikation der Mitglieder vgl. Art. 9 der Schiedsverfahrenskonvention. 6 Menck, StBp. 1995, 169 (173). 7 Vgl. EU-Verhaltenskodex v. 7.12.2004 (ABl. EG 2006 Nr. C 176, 8) und BMF v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.3; nunmehr „Überarbeiteter Verhaltenskodex“ v. 22.12.2009 (ABl. EU 2009 Nr. C 322, 1); hierzu Bödefeld/Kuntschik, IStR 2010, 474 ff. 8 Art. 10 Abs. 1, 2 der Schiedsverfahrenskonvention. 9 Art. 11 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Art. 4 der Schiedsverfahrenskonvention; hierzu Krabbe in D/W, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 3; vgl. auch Lehner in V/L5, Art. 25 OECDMA Rz. 301.

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16.122

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

durch die am Verfahren beteiligten Behörden beider Vertragsstaaten durchführen lassen.1

16.123 Sobald die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses vorliegt, beginnt das Einigungsverfahren, das bedeutet, dass innerhalb von weiteren sechs Monaten die am Verfahren beteiligten Behörden die Möglichkeit haben, die Doppelbesteuerung entweder durch einseitige Maßnahmen zu beheben oder sich entsprechend zu einigen. Während dieses Zeitraums ist die Stellungnahme mithin unverbindlich, so dass beide Behörden weiterhin Herr des Verfahrens bleiben. Einigen sie sich binnen sechs Monaten nicht, wird die Stellungnahme für sie indessen verbindlich.2 Die Doppelbesteuerung ist dann nach Maßgabe der in der Stellungnahme vorgeschlagenen Zuordnung von Gewinnen durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung3 zu vermeiden. Die bindend gewordene Stellungnahme des Beratenden Ausschusses ist von den Finanzbehörden umzusetzen, wobei bereits bestandskräftige Steuerbescheide gem. § 175a AO zu ändern sind. Wird die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens bindend, eröffnet sich dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, den Rechtsbehelf insoweit (teilweise) zurückzunehmen (§ 362 Abs. 1a AO; § 72 Abs. 1a FGO). Ist dagegen bereits in dieser Sache ein rechtskräftiges Urteil ergangen, so können die betreffenden Steuerbescheide trotz der Bindungswirkung des § 110 Abs. 1 FGO aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) entsprechend der bindend gewordenen Stellungnahme des Beratenden Ausschusses geändert werden.4 Die Finanzverwaltung wird auch in den Fällen, in denen Rechtsbehelfsverfahren anhängig sind, die Einleitung des Schlichtungsverfahrens davon abhängig machen, dass der Steuerpflichtige seine Rechtsbehelfe teilweise zurücknimmt (§ 362 Abs. 1a AO; § 72 Abs. 1a FGO) oder aber, soweit ein Rechtsbehelfsverfahren noch nicht anhängig ist, von vornherein einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht (§ 354 Abs. 1a AO; § 50 Abs. 1a FGO) ausspricht.5

G. Steuerumgehung bei DBA Literatur Arndt, Beschränkte Steuerpflicht im deutschen und amerikanischen Einkommensteuerrecht, StuW 1990, 364; Becker, Erschleichung der Abkommensberechtigung 1 2 3 4

Art. 10 Abs. 1 der Schiedsverfahrenskonvention. Art. 12 der Schiedsverfahrenskonvention. Art. 14 der Schiedsverfahrenskonvention. Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; J. Förster, in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 30 Rz. 189; für eine Änderung entsprechend § 110 Abs. 2 FGO i.V. mit § 175 Abs. 1 Satz 1 AO Krabbe in D/W, Art. 7 EU-SchÜ Rz. 15; eine Änderung dagegen generell ausschließend Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 132. 5 Rechtsgrundlage: Art. 7 Abs. 3 der Schiedsverfahrenskonvention.

672

G. Steuerumgehung bei DBA durch Zwischenpersonen, DStJG 8 (1985), 171; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmissbrauch, DB 1984, 530; Debatin, Rechtsmissbrauch im Internationalen Steuerrecht im Lichte deutscher Rechtsprechung, DB 1979, 181, 229; Drüen, „Präzisierung“ und „Effekturierung“ des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008?, Ubg 2008, 31; Fischer, Die Umgehung des Steuergesetzes, DB 1996, 644; Fischer-Zernin, Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 362; Gassner/Lang, Treaty Shopping, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 43; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Hey, Spezialgesetzgebung und Typologie zum Gestaltungsmissbrauch, DStJG 33 (2010), 129; Hey, Spezialgesetzliche Missbrauchsgesetzgebung, StuW 2008, 167; Höppner, Deutsche steuerliche Missbrauchsvorschriften und das Gemeinschaftsrecht – § 42 AO und 50d Abs. 1a EStG aus EG-rechtlicher Sicht, in Breuninger/Müller/Strobl/Haarmann (Hrsg.), Steuerrecht und europäische Integration, FS für Rädler, München 1999, 305; Kleineidam, Perspektiven der internationalen Einkunftsabgrenzung im Lichte globaler Unternehmensstrategien, in Klein/ Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 857; Kluge, Basisgesellschaften und Doppelbesteuerungsabkommen, RIW/AWD 1975, 525; Krabbe, Freistellung und Missbrauchsbekämpfung, in Vogel/ Wassermeyer u.a. Freistellung im Internationalen Steuerrecht, München 1996, 39; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberg 1991; Lampe, Missbrauchsvorbehalte in völkerrechtlichen Abkommen am Beispiel der Doppelbesteuerungsabkommen, Köln/Berlin/München 2006; Lang, M., „treaty-shopping“ – der Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1991, 55; Linn, Steuerumgehung und Abkommensrecht, IStR 2010, 542; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Lüdicke, Treaty shopping – § 50d Abs. 1a EStG, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 102; Lutz, Die Maßnahmen gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Zürich 2000; Menhorn, § 50d Abs. 3 EStG und der stillschweigende Missbrauchsvorbehalt in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2005, 325; Merthan, Die Anwendung von § 42 AO bei Missbrauch von DBA, RIW 1992, 927; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht, Wiesbaden 2001; Petereit, Die sog. switch-over-Klausel in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 277; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Rauer, Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts durch Einschaltung einer Basisgesellschaft, DB 1983, 2276; Schön, Gestaltungsmissbrauch im Europäischen Steuerrecht, IStR 1996, Beihefter zu Nr. 2; Spindler, § 42 AO n.F. – was hat sich geändert?, StbJb 2008/2009, 29; Tulloch, StÄndG 1992: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im AStG als Instrument der Missbrauchsbekämpfung, DB 1992, 1444; Vogel, Abkommensbindung und Missbrauchsabwehr, in FS für Höhn, Bern 1995, 461; Vogel, Steuerumgehung bei Doppelbesteuerungsabkommen, in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1994, 79; Vogel, Steuerumgehung nach innerstaatlichem Recht und nach Abkommensrecht, StuW 1985, 369; Vogel, Künstlergesellschaften und Steuerumgehung, StuW 1996, 248; Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981; Wassermeyer, Die Missbrauchsvorschriften des deutschen Gesetzgebers auf dem Gebiete des Internationalen Steuerrechts, SWI 1995, 139; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Wassermeyer; Missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2000, 505; Wienbracke, Die Genese fiskalischen Misstrauens, DB 2008, 664; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997.

673

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

I. Gestaltungen in der Praxis 16.124 Obwohl Deutschland ein vergleichsweise dichtes Netz von DBA unterhält, ist dieses dennoch derart lückenhaft, dass zahlreiche Länder, mit denen sie intensive Geschäftsbeziehungen pflegt, nicht eingebunden sind. In diesen Fällen kann eine Doppelbesteuerung lediglich durch innerstaatliche Regelungen vermieden oder gemildert werden. Innerstaatliche Regelungen sind indessen, wie insbesondere die des deutschen Steuerrechts zeigen, unvollständig und daher nicht immer geeignet, eine Doppelbesteuerung vollständig zu verhindern.

16.125 Da die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterschiedlich ausgeprägt sind, kommt es international zu einem starken Regelungsgefälle. Ein derartiges Regelungsgefälle herrscht allerdings auch auf der Ebene der DBA, obwohl ein solches vom Grundsatz her nach dem Vorbild der OECD-MA nicht vorhanden sein dürfte.

16.126 Die Folge dieses internationalen Regelungsgefälles bei den unilateralen und bilateralen Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist das Bestreben von Steuerpflichtigen, durch entsprechende Gestaltungen sich unter den Schutz jener Abkommensvorschriften zu stellen, die eine Milderung oder gar eine Vermeidung der Doppelbesteuerung am besten gewährleisten. International steht die Ausnutzung des Regelungsgefälles von DBA im Vordergrund. Es handelt sich hierbei um Fallgestaltungen, die insbesondere darauf gerichtet sind, – durch Zwischenschaltung einer Person die Schutzwirkung eines Abkommens in Anspruch zu nehmen, die sonst nicht gewährt würde (treaty shopping), – durch bestimmte Gestaltungen Einkünfte von einer in eine andere Einkunftsart des Abkommens umzuqualifizieren (rule shopping) oder – Doppelbefreiungen bzw. eine doppelte Nichtbesteuerung (negative Qualifikationskonflikte) zu erlangen.

16.127 Als treaty shopping1 gelten die Gestaltungen von nichtabkommensberechtigten Steuerpflichtigen, die darauf abzielen, durch Zwischenschaltung abkommensberechtigter Gesellschaften durch nicht abkommensberechtigte Gesellschafter in den Genuss von Abkommensvergünstigungen zu kommen.2 Zu diesen Fällen des treaty shopping gehören insbesondere jene, in denen etwa inländische Kapitalgesellschaften zwischen sich und ausländische Tochtergesellschaften, die in Ländern ansässig sind, mit denen Deutschland keine DBA geschlossen hat, Holding-Gesellschaften in Drittländern zwischenschalten, die mit den anderen Ansässigkeitsstaa1 Zur Bedeutung und Entwicklung dieses Begriffs im Einzelnen Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 2 ff.; Becker, DStJG 8 (1985), 171 (172 ff.). 2 Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 65; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 101; Gold in S/K/K, Art. 1 OECD-MA Rz. 33.

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G. Steuerumgehung bei DBA

ten durch DBA verknüpft sind.1 Gewähren diese DBA im Quellenstaat eine Quellensteuerreduktion (Rz. 16.324), so führt diese Multilateralisierung von DBA zur Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen, die ohne Einschaltung der Holding-Gesellschaft nicht zur Verfügung gestanden hätten. Zu einem treaty shopping führt auch die insbesondere im Dienstleistungsbereich verbreitete Zwischenschaltung sog. stepping stone-Gesellschaften, die etwa als Patentverwertungsgesellschaften von einem nichtabkommensberechtigten Steuerausländer in einem Abkommensland errichtet und zwischen Deutschland und den Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, zwischengeschaltet werden. Stellen die jeweiligen DBA die Lizenzgebühren von Quellensteuer frei, verbleibt es letztlich nur bei der (Niedrig-) Besteuerung im Wohnsitzstaat, wenn die seitens der zwischengeschalteten Patentverwertungsgesellschaft zu zahlenden Lizenzgebühren ihren Lizenzeinnahmen entsprechen.2

16.128

Ein ebenfalls auf die Reduktion der Quellensteuer ausgerichtetes treaty shopping ist in den Fällen gegeben, in denen ein nichtabkommensberechtigter Steuerausländer seine Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine in einem Abkommensland ansässige Holding einbringt mit der Folge, dass nunmehr nicht 25 Prozent, sondern aufgrund des eingreifenden DBAs eine reduzierte deutsche Kapitalertragsteuer auf Dividenden zu erheben ist.3 Die gleiche Zielrichtung verfolgen sog. QuintettLösungen, auf Grund deren die besondere Quellensteuerreduktion für Schachteldividenden (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA) in Anspruch genommen werden kann.4

16.129

Beim rule shopping5 sind die Sachverhaltsgestaltungen darauf gerichtet, über eine bestimmte Einkünftequalifizierung in den Genuss einer möglichst günstigen Verteilungsnorm zu kommen. Hierzu zählen insbesondere jene Fälle, in denen abkommensberechtigte Steuerinländer Bankguthaben in eine in einem Abkommensland liegende Betriebsstätte einbringen mit der Folge, dass Zinsen als Betriebsstättengewinne (ohne Aktivitätsklausel) der deutschen Besteuerung entzogen sind und schließlich keiner

16.130

1 Hierzu Schaumburg/Jesse, Die internationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch2, Rz. L 22 ff. 2 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 66; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (3). 3 Dem entspricht im EU-Bereich das directive shopping, das darauf abzielt, die Kapitalertragsteuerreduktion gem. § 43b EStG zu erlangen; vgl. Rz. 16.160. 4 Keine Steuerumgehung gem. § 42 AO: BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150, sog. Monaco-Fall; kritisch hierzu Rauer, DB 1983, 2276 ff.; zu Recht aufgegeben durch BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; vgl. auch § 50d Abs. 3 EStG, hierzu Rz. 16.160 ff. 5 Zum Begriff Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 68; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. 102, 110.

675

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

oder einer nur geringen Besteuerung unterliegen, sofern sie im Betriebsstättenstaat steuerlich privilegiert sind.1

16.131 Zu dieser Fallgruppe zählen insbesondere treasury centres, Versicherungsgesellschaften (captives), Factoring- und Reinvoicing-Gesellschaften sowie Koordinierungsstellen (coordination centers), die mitunter Steuerprivilegien genießen und über die DBA ggü. der deutschen Besteuerung eine Abschirmwirkung entfalten,2 soweit nicht eine Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 bis 14 AStG eingreift (Rz. 10.1 ff.). Die Ausnutzung des zwischenstaatlichen Steuergefälles ist auch über Kapitalgesellschaften möglich. In der Praxis spielen hierbei insbesondere in Niedrigsteuerländern ansässige Finanzierungsgesellschaften3 eine Rolle, die z.B. an in Deutschland ansässige verbundene Unternehmen Kredite vergeben, ohne dass dort die entsprechenden Zinseinkünfte einer nennenswerten Besteuerung unterliegen.4 Entsprechende Steuereffekte können aber nur dann erzielt werden, wenn keine Hinzurechnungsbesteuerung eingreift (Rz. 10.1 ff.). Schließlich haben in der Praxis auch sog. Künstlerverleihgesellschaften Bedeutung erlangt. Deren Einschaltung dient vor allem dem Zweck, das Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu unterlaufen.5

16.132 Zu Doppelfreistellungen oder zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen Sachverhaltsgestaltungen, die auf einen negativen Qualifikationskonflikt abzielen. Damit sind jene Fälle angesprochen, in denen DBA von beiden Staaten unterschiedlich angewendet werden (Rz. 16.84).

II. Reichweite des § 42 AO 1. Missbrauchsklauseln der DBA

16.133 § 42 Abs. 1 Satz 3 AO, aufgrund dessen bei Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstünde, findet vom Grundsatz her auf alle Normen, also auch auf jene der DBA, Anwendung. Indessen haben die Normen der DBA lex specialis-Charakter, so dass sie dem übrigen innerstaatlichen Recht grundsätzlich vorgehen (Rz. 3.24 f.). § 42 AO tritt folglich insoweit zurück, als die DBA

1 Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (3, 14). 2 Weitere Einzelheiten bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 115 ff. 3 Dublin dock companies, hierzu Tulloch, DB 1992, 1444 ff.; Höppner in FS Rädler, München 1999, 305 ff. 4 Keine Steuerumgebung gem. § 42 AO; BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 31.5.2005 – I R 74/04 I R 88/04, BStBl. II 2006, 118 (Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 166); inzwischen durch § 50d Abs. 3 EStG i.S. des BMF geregelt. 5 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 74; Art. 17 OECD-MA Rz. 59.

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G. Steuerumgehung bei DBA

eigenständige Missbrauchsklauseln enthalten.1 Dieses Konkurrenzverhältnis ergibt sich auch aus § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach einzelsteuergesetzliche Umgehungsvorschriften vorgehen.2 In Anlehnung an die US-amerikanische Abkommenspolitik, die seit jeher auf die Verankerung umfassender eigenständiger Missbrauchsklauseln in den DBA ausgerichtet ist,3 werden in die von Deutschland abgeschlossenen DBA in zunehmendem Maße derartige Missbrauchsklauseln aufgenommen.4 Einige deutsche Abkommen verweisen zudem auf innerstaatliche Missbrauchsvorschriften.5

16.134

Soweit der Tatbestand sowohl der abkommensrechtlichen Missbrauchsklauseln als auch des § 42 AO erfüllt wird, tritt § 42 AO zurück (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Soweit indessen § 42 AO über den Regelungsbereich einer abkommensrechtlichen Missbrauchsklausel hinausreicht, bleibt § 42 AO entsprechend seiner Auffangfunktion anwendbar, soweit die abkommensrechtliche Missbrauchsklausel nicht abschließend ist.6 Ob eine derartige Klausel abschließenden Charakter hat, ist durch Auslegung zu ermitteln.7 Ist das der Fall, handelt es sich also um eine echte Spezialvorschrift, so dass der Rekurs auf die Generalklausel des § 42 AO versperrt ist, woran auch § 42 Abs. 1 Satz 3 AO nichts ändert.8 Anderenfalls (unechte Spezialvorschrift) bleibt § 42 AO anwendbar.9

16.135

Abkommensrechtliche Missbrauchsklauseln zielen entweder auf die Abkommensberechtigung ab oder enthalten Einzelregelungen, die unter dem Gesichtspunkt des Abkommensmissbrauchs besondere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen aufstellen.

16.136

1 BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 56; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 46; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (4). 2 Zur entsprechenden Prüfungsfolge Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 10 ff. 3 Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 92 ff.; vgl. auch Art. 28 US-MA 2006; hierzu Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 123 ff. 4 Hier die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 136 ff. 5 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 135. 6 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 113; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9). 7 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 113; vgl. auch Spindler, StbJb 2008/2009, 29 (51); Hey, DStJG 32 (2010), 129 (145 f.). 8 Hierzu Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13, § 42 Rz. 20b; Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 25; Drüen, Ubg 2008, 31 (33 f.); Gosch in FS Reiß, 597 (604 f.); Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 30; Spindler, StbJb 2008/2009, 39 (52); Hey, StuW 2008, 167 (173); Mack/Wollweber, DStR 2009, 182 (186); Wienbracke, DB 2008, 664 (669). 9 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 20b; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9); a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f., wonach § 42 AO nur Anwendung findet, wenn das DBA insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Steuerrecht verweist.

677

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.137 Klauseln, die auf eine Einschränkung der Abkommensberechtigung gerichtet sind, betreffen in erster Linie ein treaty shopping.1 Derartige (abschließende) Regelungen enthalten insbesondere die mit der Schweiz und den USA abgeschlossenen DBA.2

16.138 So machen etwa die neueren deutschen DBA die Freistellung von Betriebsstättengewinnen und von Schachteldividenden davon abhängig, dass die Einnahmen der Betriebsstätte oder der Tochtergesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus sog. aktiven oder produktiven Tätigkeiten stammen.3 Derartige in DBA enthaltene eigenständige Aktivitätsklauseln, also solche, die nicht auf entsprechende Aktivitätsklauseln des innerstaatlichen Rechts verweisen, gehen ebenfalls § 42 AO vor. Sie sind darüber hinaus auch als abschließend anzusehen mit der Folge, dass weitergehende Aktivitätsvorbehalte auf der Grundlage des § 42 AO ausgeschlossen sind.

16.139 Darüber hinaus können Empfänger von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die Reduzierung von Quellensteuern oder deren Nichterhebung im Quellenstaat nur dann beanspruchen, wenn sie Nutzungsberechtigte (beneficial owner) sind, also nicht nur ein formales Recht auf die Einkünfte haben, sondern tatsächlich über die den vorgenannten Einkünften zugrunde liegenden Stammrechte und/oder über diese Einkünfte verfügen können.4 Soweit diese beneficiary-Klauseln eingreifen, scheidet die Anwendung des § 42 AO ebenfalls aus.

16.140 Neuere deutsche DBA5 enthalten Sonderregelungen, nach denen die beteiligten Vertragsstaaten von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode überwechseln können, um die steuerliche Freistellung von Einkünften in beiden Vertragsstaaten sowie Gestaltungen zum Abkommensmissbrauch und mitunter auch einen unfairen Steuerwettbewerb zu verhindern. Derartige switch over-Klauseln,6 soweit sie gegen den Abkommensmissbrauch gerichtet sind, werden allerdings durch die unilaterale switch over-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG überlagert (Rz. 16.525), so dass das Abkommensrecht insoweit verdrängt wird (Rz. 16.529), sofern die bilateralen switch over-Klauseln nicht noch weitergehen (§ 50d Abs. 9 Satz 3 EStG). § 42 AO kommt darüber hinaus nicht zur Anwendung.7

1 2 3 4

Wassermeyer in D/W, Art. 1 Rz. 73. Zu Einzelheiten Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 138 ff. Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 74 ff. Zu Einzelheiten Vogel in V/L5, vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff.; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 20 ff. 5 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 136. 6 Allgemein hierzu Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 168 ff.; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 162 ff.; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 152 ff.; Petereit, IStR 2003, 577 ff. 7 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 30.

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G. Steuerumgehung bei DBA

Zu den abkommensrechtlichen Missbrauchsklauseln zählen auch die subject-to-tax-Klauseln, die darauf gerichtet sind, insbesondere eine Doppelfreistellung oder -ermäßigung zu verhindern.1 Derartige subject-totax-Klauseln2 machen Steuerbefreiungen oder Steuererleichterungen im Quellenstaat oder Wohnsitzstaat davon abhängig, dass die betreffenden Einkünfte im jeweils anderen Staat der Besteuerung unterliegen.3 Die auf den Quellenstaat angewendete subject-to-tax-Klausel bewirkt im Ergebnis, dass unter den vorgenannten Voraussetzungen eine Steuerfreistellung oder eine Quellensteuerreduktion entfällt. Eine auf den Wohnsitzstaat angewendete subject-to-tax-Klausel bewirkt demgegenüber, dass die Doppelbesteuerung nicht durch Steuerfreistellung, sondern durch Steueranrechnung erfolgt, womit im Ergebnis stets nur die effektive Doppelbesteuerung vermieden wird.4 Da subject-to-tax-Klauseln abschließend sind, kommt § 42 AO darüber hinaus nicht zur Anwendung. Nicht ausgeschlossen ist allerdings die unilaterale subject-to-tax-Klausel des § 50d Abs. 8 EStG, die speziell für ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gilt.5

16.141

Die in Art. 17 Abs. 2 OECD-MA verankerten Künstlerverleihklauseln dienen ebenfalls der Missbrauchsabwehr.6 Sie bewirken, dass Personen, denen Einkünfte aus der Tätigkeit als Künstler oder Sportler zufließen, obwohl sie selbst nicht als Künstler oder Sportler auftreten, der Besteuerung in dem Staat unterliegen, in dem die künstlerische oder sportliche Tätigkeit ausgeübt wird. Nur soweit eine abkommensrechtliche Künstlerverleihklausel nicht vorgesehen ist, verbleibt ein Anwendungsbereich für § 42 AO.7

16.142

Auf der gleichen Linie liegen die Grundstücksklauseln (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA), wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften vom Belegenheitsstaat besteuert werden dürfen, so dass statt der Freistellungs- die Anrechnungsmethode eingreift.8 Hierdurch wird dem Immobilieninvestor die Möglichkeit genommen, durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft die Besteuerung im Belegenheitsstaat zu vermeiden.9 § 42 AO findet daneben keine Anwendung.

16.143

1 Zu Einzelheiten Vogel in V/L5, vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19, 20; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 72. 2 Mitunter auch als Rückfallklauseln bezeichnet; vgl. OFD Düsseldorf und Münster v. 18.7.2005, IStR 2006, 96. 3 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff. 4 Zum Streit darüber, unter welchen Voraussetzungen Abkommensbestimmungen als subject-to-tax-Klausel zu werten sind, Vogel in V/L5, vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 34. 5 Treaty overriding, vgl. Rz. 3.25 f.; Einzelheiten zu § 50d Abs. 8 EStG unter Rz. 16.523 f. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 74; Vogel, StuW 1996, 248 ff. 7 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235. 8 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 174. 9 Hierzu Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 118; dort auch zur Abkommensübersicht Rz. 149.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.144 Schließlich enthalten auch in einigen neuen deutschen Abkommen1 verankerte Arbeitnehmerüberlassungsklauseln eine Ausnahme von Art. 15 Abs. 2 OECD-MA, so dass auch der Tätigkeitsstaat besteuern darf.2 In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden, ohne dass darüber hinaus § 42 AO zur Anwendung käme. 2. DBA ohne Missbrauchsklauseln

16.145 Enthalten die DBA keine eigenständigen Missbrauchsklauseln, so beurteilt sich die Frage, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt, nach innerstaatlichem Recht.3

16.146

Es wird allerdings die Meinung vertreten, § 42 AO sei nur insoweit anwendbar, als auch der andere Vertragsstaat eine entsprechende innerstaatliche Missbrauchsvorschrift kenne.4 In diesem Fall könne davon ausgegangen werden, dass beide Vertragsstaaten die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften auch auf das DBA billigten.5 Existiere in dem anderen Vertragsstaat keine derartige Missbrauchsvorschrift, sei ein Rückgriff auf § 42 AO ausgeschlossen. Allerdings sei generell von der Geltung einer ungeschriebenen eigenständigen Abkommensmissbrauchsregel auszugehen.6 Die Annahme eines derartigen eigenständigen Missbrauchstatbestandes wird durchweg aus der Existenz eines allgemeinen völkerrechtlichen Missbrauchsvorbehaltes abgeleitet.7 In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass der abkommensmässige – freilich ungeschriebene – Missbrauchstatbestand enger sei als der des § 42 AO und daher die Schwelle, von wo ab die Steuergestaltung als missbräuchlich anzusehen sei, entsprechend höher ansetze.8 Indessen verbieten das auf verfassungsrechtlicher Grundlage beruhende Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung9 sowie das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit10 die Annahme eines – ungeschriebenen – Missbrauchstatbe1 Vgl. die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 69, 92 ff. 2 Hierzu Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 54 ff.; dort auch zu den entsprechenden missbräuchlichen Gestaltungen. 3 BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513; BFH v. 29.9.1976 – I R 171/75, BStBl. II 1977, 260; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (4 ff.); differenzierend Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f.; wonach § 42 AO nur zur Anwendung kommt, wenn insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Recht verwiesen wird. 4 Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79 (93 f.); Mössner, RIW 1986, 208 (211 ff.). 5 Fahrholz in Gaddum/Hoffmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, 51 (53); Mössner, RIW 1986, 208 (211). 6 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 190; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 117; Vogel, StuW 1985, 369 (372); Fischer, DB 1996, 644 (645); modifizierend Wassermeyer in D/W, Art. 1 Rz. 57; Menhorn, IStR 2005, 325 ff. 7 Hierzu Vogel, StuW 1985, 369 (378); Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1994, 79 (93 f.). 8 Vogel, StuW 1985, 369 (372, 381). 9 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 150 ff. 10 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 167 ff.

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G. Steuerumgehung bei DBA standes, der bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine subsumtionsfähige Konkretisierung erfahren hat.1

Da § 42 AO nur zur Anwendung kommt, wenn durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ein Steuergesetz umgangen wird, setzt die Subsumtion die Feststellung voraus, ob nach dem Gesetzeszweck eine Steuerbelastung gewollt oder eine Steuerentlastung nicht gewollt ist.2 Dabei ist nicht etwa auf Zweck und Ziel der Rechtsordnung schlechthin, sondern nur auf den Zweck der betreffenden Norm, deren Umgehung zu beurteilen ist, abzustellen. Hieraus folgt, dass für die Missbrauchsprüfung die Wertungen der einzelnen Normen der DBA zum Maßstab erhoben werden.3 Bei Anwendung des § 42 AO ist der Zweck der DBA allerdings nur insoweit maßgeblich, als deren Normen darauf gerichtet sind, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden und gegebenenfalls eine Steuerverkürzung zu verhindern.4 Soweit die DBA darüber hinaus in grenzüberschreitenden Steuerfällen die gerechte Zuordnung der Steuergüter zu einem Staat oder deren gerechte Verteilung zwischen mehreren Staaten gewährleisten wollen,5 spielt dieser Zweck für die Anwendung des § 42 AO keine Rolle. § 42 AO setzt nämlich tatbestandsmäßig voraus, dass durch die Umgehung im Ergebnis ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil dadurch entsteht, dass durch die unangemessene Rechtsgestaltung eine niedrigere – deutsche – Steuer ausgelöst wird als durch die angemessene Gestaltung. § 42 AO greift daher von vornherein dann nicht ein, wenn aufgrund einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung nur der andere Vertragsstaat einen Steuerausfall erleidet.6

16.147

Die Anwendung des § 42 AO stellt eine Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität dar. § 42 AO ist nämlich nicht auf eine für beide Vertragsstaaten gleichermaßen verbindliche Rechtsfolge gerichtet, sondern greift tatbestandsmäßig nur dann ein, wenn die missbräuchliche Rechtsgestaltung im Ergebnis zu Lasten des deutschen Steueraufkommens geht. Diese Störung der Regelungshomogenität ist indessen aus Gründen der Rechtssicherheit (Ge-

16.148

1 Zur Begründung im Einzelnen Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 19 f.; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (5); im Ergebnis ebenso Großfeld, Die Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 99 f.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 275 ff.; Kluge, RIW 1975, 525 (525 f.); Fischer-Zernin, RIW 1987, 362; Lang, M., SWI 1991, 55 ff.; Debatin, DB 1979, 181 ff., 229 (232); Merthan, RIW 1992, 927; (928). 2 Zum Tatbestand „gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil“ Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 20 ff. 3 Gassner/Lang in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 44 (59); Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9 f.). 4 Während die Vermeidung der Doppelbesteuerung Zweck aller DBA ist, realisiert sich die Verhinderung von Steuerverkürzungen als Vertragszweck nur in einigen DBA. 5 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 23 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Kleineidam in FS Flick, 857 (865 ff.). 6 Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9 f.).

681

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) setzmäßigkeit der Besteuerung) und der Gesetzesbestimmtheit hinzunehmen. Die deutsche Abkommenspraxis sollte daher darauf gerichtet sein, in den DBA eigenständige Missbrauchsklauseln zu verankern,1 zumal in der internationalen Staatenpraxis normative oder richterrechtliche Missbrauchsregeln2 gebräuchlich sind, die in ihrer Funktion, zum Teil auch in ihren Wirkungen, denen des § 42 AO weitgehend entsprechen.3

16.149 Die Ausrichtung des § 42 AO am Vertragszweck4 verhindert, dass die Anwendung der DBA durch § 42 AO unterlaufen wird. Andernfalls entspräche die Anwendung der DBA nicht mehr den Grundsätzen von Treu und Glauben, zu deren Einhaltung sich die Vertragsstaaten verpflichtet haben. 3. Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts

16.150 Das deutsche Steuerrecht enthält neben § 42 AO besondere gegen die Steuerumgehung gerichtete Vorschriften, die eine Konkretisierung des § 42 AO darstellen, dessen Generalklausel aber nur dann verdrängen, wenn sie abschließende Wirkung haben.5

16.151 Zu den vorgenannten speziellen Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts gehört insbesondere § 20 Abs. 2 AStG, der für niedrig besteuerte ausländische Betriebsstätteneinkünfte aus passivem Erwerb die abkommensrechtliche Steuerfreistellung durch die Steueranrechnung ersetzt.6 Die unilaterale switch over-Klausel erfasst niedrig besteuerte passive Einkünfte, die als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die Betriebsstätte eine ausländische Kapitalgesellschaft wäre. Dieser Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar europarechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden,7 wegen der Bezugnahme auf die §§ 7 ff. AStG ist aber der europarechtlich gebotene „Motivtest“, so wie er sich aus § 8 Abs. 2 AStG ergibt (Rz. 10.133 ff.), auch bei § 20 Abs. 2 AStG zu berücksichtigen (Rz. 16.544).8 Greift hiernach § 20 Abs. 2 AStG ein, wird im Ergebnis die Steuerbelastung auf inländisches Steuerniveau hochgeschleust. § 20 Abs. 2 AStG verdrängt insoweit die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln (Rz. 16.138), soweit der hierfür maßgebliche Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG ggü. den abkommensrecht1 Hierzu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 45 ff. 2 Zur substance-over-form-doctrine in den USA Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1347 (1349). 3 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 90 ff. 4 Insoweit ist § 42 AO nicht mehr als eine teleologische Hilfsnorm; hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 96. 5 Zu Einzelheiten Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13 f. 6 Gem. JStG 2010 soll der switch-over nicht gelten, wenn in der Betriebsstätte passive Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG erzielt wrden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStGE). 7 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 8 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2010, 149.

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G. Steuerumgehung bei DBA

lich verankerten Aktivitätskriterien strengere Maßstäbe setzt. Denn § 20 Abs. 2 AStG enthält eine abschließende Regelung mit der Folge, dass insoweit § 42 AO keine Anwendung findet. § 50d Abs. 1 EStG dient der Sicherstellung des Steuerabzugs und ist gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA insoweit gerichtet,1 als die durch DBA eingeräumte Reduzierung oder Freistellung von Quellensteuern nur dann beansprucht werden kann, wenn der Empfänger der betreffenden Einkünfte seine Abkommensberechtigung nachweist. In diesem Fall kommt für ihn entweder das auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung abzielende Freistellungsverfahren oder das Erstattungsverfahren in Betracht (§ 50d Abs. 1, 2 EStG). Entsprechendes gilt für § 48d EStG, wonach die Bauabzugssteuer auch dann einzubehalten und abzuführen ist, wenn die Einkünfte aus der Bauleistung abkommensrechtlich nicht besteuert werden dürfen. Hier wird der ausländische Bauleistende auf das Freistellungs- bzw. Erstattungsverfahren verwiesen (§§ 48b Abs. 2, 48d Abs. 1 EStG).

16.152

Auf einer vergleichbaren Wertungsebene ist die treaty shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG angesiedelt: Eine nicht aktiv tätige ausländische Gesellschaft hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Steuerentlastung nach Maßgabe der DBA und gem. der §§ 43b, 50g EStG, soweit an ihr Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung2 nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (Rz. 16.160 ff.). Schließlich verhindert auch die für die Einkommensermittlung bei Organschaft maßgebliche in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KStG verankerte Bruttomethode einen Abkommensmissbrauch dadurch, dass der Organträger etwa die abkommensrechtliche Steuerfreistellung von Schachteldividenden (internationales Schachtelprivileg) (Rz. 16.545 ff.) nicht in Anspruch nehmen kann, wenn er nicht selbst die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt.3 Während die §§ 50d Abs. 1, 2; 48d EStG nicht abschließend sind (unechte Spezialvorschriften),4 enthält § 50d Abs. 3 EStG eine abschließende Regelung (echte Spezialvorschrift), so dass § 42 AO insoweit grundsätzlich keine Anwendung findet.5

16.153

III. Anwendung des § 42 AO 1. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht Bei der Frage, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt oder nicht, findet, soweit spezielle Missbrauchsklauseln mit abschließender Wirkung nicht 1 Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. 16; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 1; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 44 ff. 2 Angesprochen ist vor allem die abkommensrechtliche Quellensteuerreduktion. 3 Hierzu Neumann in Gosch2, § 15 KStG Rz. 30. 4 So die Formulierung von Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 20 b. 5 BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04 I R 88/04, DB 2006, 370; noch offen gelassen von BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819.

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16.154

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

eingreifen, § 42 AO sowohl bei unbeschränkter als auch bei beschränkter Steuerpflicht gleichermaßen Anwendung. Weder dem § 42 AO noch den DBA lässt sich entnehmen, dass etwa von beschränkt Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalte der Anwendung des § 42 AO von vornherein entzogen sind.1 Soweit es um die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen geht, ergeben sich grundsätzlich auch keine Unterschiede in der Verwirklichung des Tatbestandes des § 42 AO. Anders verhält es sich dagegen im Zusammenhang mit der Anwendung des § 49 EStG. Wegen der bloß singulären Erfassung der Einkünfte im Rahmen des § 49 EStG ist hier der Bereich, innerhalb dessen missbräuchliche Gestaltungen angenommen werden können, eingeengt.2 2. Tatbestandsvoraussetzungen

16.155 Im außensteuerlichen Kontext hat die höchstrichterliche Rechtsprechung § 42 AO insbesondere im Zusammenhang mit ausländischen Basisgesellschaften dahingehend konkretisiert, dass die Zwischenschaltung dieser Basisgesellschaften in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland dann den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllt, wenn für ihre Einschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, also eigenwirtschaftlich funktionslos ist.3 Das ist allerdings zu verneinen, wenn eine Kapitalgesellschaft aus organisatorischen und haftungsrechtlichen Gründen innerhalb eines ansonsten wirtschaftlich aktiv tätigen Konzerns nicht nur vorübergehend zwischengeschaltet ist.4

16.156 Diese höchstrichterliche Tatbestandskonkretisierung findet als subsumtionsfähige Missbrauchsklausel ganz allgemein Anwendung bei der Wer1 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 103. 2 Vgl. BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; im Einzelnen Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (6); Crezelius, DB 1984, 530 (534); Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (71); Rauer, DB 1983, 2276 ff.; Arndt, StuW 1990, 364 (367 f.). 3 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 7.2.1975 – VIII B 61/74, VIII B 62/74, VIII B 61-62/74, BStBl. II 1976, 608; v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2003 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, 88/04, BStBl. II 2006, 118; vgl. allerdings die Nichtanwendungserlasse des BMF v. 19.3.2001, BStBl. I 2001, 243; v. 28.12.2004; BStBl. I 2005, 28; v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 166. 4 BFH v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, 88/04 BStBl. II 2006, 118; Nichtanwendungserlass des BMF v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 166.

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G. Steuerumgehung bei DBA

tung von Gestaltungen im zwischenstaatlichen Bereich. Dies gilt insbesondere für die Prüfung, ob bestimmte Gestaltungen einen Abkommensmissbrauch darstellen. Allerdings kann die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen nicht nur durch Kapitalgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland erreicht werden. Deshalb führt die höchstrichterlich formulierte Missbrauchsklausel im Ergebnis dazu, dass ein Abkommensmissbrauch immer dann vorliegt, wenn durch eine unangemessene und wirtschaftlich funktionslose, nur durch das Steuerersparnismotiv zu erklärende Gestaltung das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird und hierdurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil bewirkt wird. Die Rechtsfolgen eines Abkommensmissbrauchs ergeben sich unmittelbar aus § 42 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstände. Dies kann dazu führen, dass das betreffende DBA entweder überhaupt nicht oder aber nur modifiziert zur Anwendung kommt. Die als treaty shopping gekennzeichneten Gestaltungen sind durchweg darauf gerichtet, durch Zwischenschaltung weiterer Steuersubjekte Abkommensvergünstigungen zu erlangen, die ohne deren Zwischenschaltung nicht erreichbar wären. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen des § 42 AO nur dann erfüllt, wenn für die Zwischenschaltung dieser Steuersubjekte wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und diese zwischengeschalteten Steuersubjekte keine eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten entfalten. Wird in derartigen Fällen durch die Zwischenschaltung eine endgültige Steuerersparnis erreicht, ist den zwischengeschalteten Steuersubjekten als Rechtsfolge (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO) die Abkommensberechtigung zu versagen.1 § 50d Abs. 3 EStG, der auf die gleiche Rechtsfolge gerichtet ist, enthält insbesondere für den Fall der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer abkommensrechtlich oder gem. § 43b EStG möglichen Quellensteuerreduktion, eine abschließende Konkretisierung des § 42 AO, so dass die Generalklausel des § 42 AO verdrängt wird.2

16.157

Beim rule shopping geht es darum, durch bestimmte Sachverhaltsgestaltungen einen möglichst weitgehenden Abkommensschutz zu erreichen. Diese Fälle sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa durch die Umwandlung von Tochtergesellschaften in Betriebsstätten eine Betriebsstättenfreistellung bewirkt wird, durch Gesellschafterfremdfinanzierung anstelle von Eigenkapitalfinanzierung quellensteuerfreie Zinsen und nicht quellensteuerpflichtige Dividenden erzielt werden und durch Zuordnung von Wertpapieren, Bankguthaben und Patenten zu einer Betriebsstätte die Betriebsstättenfreistellung von Dividenden, Zinsen und Lizenzen erlangt wird. Da derartige Gestaltungen regelmäßig auch eine

16.158

1 Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (13). 2 Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 30; Gosch in FS Reiß, 597 (604, 618).

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

wirtschaftliche Tragweite haben und sich damit nicht nur mit der Absicht, Steuern zu sparen, erklären lassen, ist eine Anwendung des § 42 AO in diesen Fällen regelmäßig ausgeschlossen. Insoweit gelten für die Beurteilung dieser Gestaltungen im zwischenstaatlichen Bereich keine anderen Grundsätze als im innerstaatlichen Recht.1

16.159 Da Doppelfreistellungen (doppelte Nichtbesteuerung) darauf beruhen, dass beide Vertragsstaaten zu dem Ergebnis gelangen, nur der jeweils andere Staat habe das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte (negativer Qualifikationskonflikt), kann bei entsprechenden Sachverhaltsgestaltungen ein Abkommensmissbrauch durchweg nicht angenommen werden. Die Doppelfreistellung ist nämlich nicht die Folge davon, dass der Steuerpflichtige eine Divergenz zwischen Abkommenszweck und Abkommenswortlaut ausnutzt, sondern nur das Ergebnis einer divergierenden Auslegung von Abkommensvorschriften: Beide Staaten legen die Verteilungsnormen der Abkommen in Übereinstimmung mit der aus ihrer jeweiligen Sicht zutreffenden Verteilungswertung aus.

IV. Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG Literatur Kommentare zu § 50d Abs. 3 EStG; Altrichter, Gefährdung der Entlastung von der Kapitalertragsteuer bei Zwischenschaltung einer Auslands-Holding, GmbHR 2007, 579; Beußer, Der neue § 50d Abs. 3 EStG bei Nutzungsveräußerungen, IStR 2007, 416; Bron, Die Europarechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung von Missbrauchsvorbehalten im Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 1273; Flick, Deutsche Aktivitäten von Ausländern über ausländische Zwischengesellschaften und die Missbrauchsgesetzgebung des § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1994, 223; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Günkel/Lieber, Ausgewählte Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der verschärften Holdingregelung in § 50d Abs. 3 i.d.F. des EStG 2007, Ubg. 2008, 393; Kempf/Meyer, Der neu gefasste § 50d Abs. 3 EStG in der Praxis, DStZ 2007, 584; Kessler/Eicke, Ausschluss der Kapitalertragsteuererstattung gemäß § 50d Abs. 1a EStG 1990 für „Briefkasten“-Gesellschaften, IStR 2008, 366; Kraft, Auslegungs- und Anwendungsprobleme der speziellen Missbrauchsklausel des § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1994, 370; Lüdicke, Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG) bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, IStR 2007, 556; Micker, Anwendungsprobleme des Anti-Treaty-Shopping nach § 50d Abs. 3 EStG, FR 2009, 409; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Neyer, Die Missbrauchsklausel des § 50d Abs. 1a EStG und ihre Anwendung auf Veräußerungsgewinne, IStR 1996, 120; Piltz, Wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe in § 50d Abs. 3 EStG, IStR 2007, 793; Schönfeld, Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007, FR 2007, 506; Wagner/Fischer, Anti-Treaty-/AntiDirective-Shopping als Hintergrund von § 50d Abs. 1a EStG aF, FR 2008, 674; Wassermeyer, Die Missbrauchsvorschriften des deutschen Gesetzgebers auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts, SWI 1995, 139. 1 Hierzu im Einzelnen Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (14 f.).

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G. Steuerumgehung bei DBA

1. Einführung § 50d Abs. 3 EStG ist eine insbesondere gegen das treaty-shopping (Rz. 16.127) gerichtete Vorschrift, die als Sondervorschrift zur Bekämpfung der internationalen Steuerumgehung eine abschließende Konkretisierung des § 42 AO ist und somit diese Generalklausel verdrängt (Rz. 16.153). § 50d Abs. 3 EStG erleichtert den normativen Zugriff für bestimmte Fälle des treaty-shopping und des vergleichbaren directive-shopping:1 Durch insbesondere wirtschaftliche nicht begründete Zwischenschaltung nicht aktiv tätiger ausländischer Gesellschaften sollen die unilaterale Entlastung von Quellensteuern gem. den §§ 43b; 50a; 50g EStG sowie die bilateralen Steuerentlastungen nach den DBA nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn den an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Personen bei unmittelbarer Einkünfteerzielung diese Steuerentlastungen nicht zuständen.

16.160

§ 50d Abs. 3 EStG hat zwar eine nur begrenzte Reichweite,2 und ist im Hinblick darauf, dass die Mutter-/Tochter-Richtlinie (Rz. 3.65 ff.) und die Zinsund Lizenz-Richtlinie (Rz. 3.69 ff.) keine eigenständigen Missbrauchsregelungen enthalten, sondern zwecks Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen auf das jeweilige nationale Recht der Mitgliedstaaten verweisen, richtlinienkonform.3 Andererseits geht diese Vorschrift aber über die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gezogenen Anwendungsgrenzen des § 42 AO hinaus, wodurch ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.15 ff.) verbunden sein kann. Soweit nämlich durch Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG im Unterschied zu § 42 AO für grenzüberschreitende Gestaltungen eine pauschalierende Missbrauchsvermutung normiert ist, muss die Möglichkeit eingeräumt werden, den Gegenbeweis (Motivtest) anzutreten,4 was auf eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 10.133 ff.) hinausläuft.5 Im Ergebnis ist damit § 50d Abs. 3 EStG im EU/ EWR-Bereich nur auf rein künstliche Konstruktionen anwendbar.

16.161

Als unilaterale treaty-shopping-Klausel wird § 50d Abs. 3 EStG nicht von speziellen bilateralen treaty-shopping-Klauseln der DBA verdrängt, weil

16.162

1 Erschleichen von Vorteilen der Mutter/Tochter-Richtlinie sowie der Zins- und Lizenz-Richtlinie. 2 Sie ist keine allgemeine „Anti-treaty-shopping-Vorschrift“; vgl. Lüdicke in Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (109). 3 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 4 So z.B. der EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadburry-Schweppes, EuGHE 2006 I-7995 zur englischen CFC-legislation. 5 Im Ergebnis ebenso Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. A 37 ff.; Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 21 ff.; Nieland in Lademann, § 50d EStG Rz. 283; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 2b; Gosch in FS Reiß, 597 (615 ff.); Kessler/Eicke, IStR 2008, 366 (367); Wagner/Fischer, FR 2008, 674 (677); ferner wohl auch Loschelder in Schmidt29, § 50d EStG Rz. 48; Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 50; a.A. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 zu § 50d Abs. 1a EStG; anders wiederum zu § 20 Abs. 2 AStG BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2010, 149.

687

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

§ 50d Abs. 3 EStG hinreichend deutlich den Vorrang vor Abkommensrecht anordnet und somit treaty overriding-Wirkung erzeugt.1 2. Anwendungsvoraussetzungen

16.163 § 50d Abs. 3 EStG richtet sich gegen den Missbrauch durch eine ausländische Gesellschaft, soweit – Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung (Erstattung oder Freistellung) nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und – für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder – sie nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder – sie nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

16.164 Da die vorstehende Missbrauchsregelung insbesondere gegen die in den §§ 43b Abs. 1; 50g Abs. 1 EStG und den DBA verankerten Steuerentlastungen gerichtet ist, werden hierdurch zum einen EU-Kapitalgesellschaften2 und zum anderen abkommensberechtigte Gesellschaften3 erfasst. Die Missbrauchsregelung setzt weiterhin voraus, dass an der ausländischen Gesellschaft4 Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte nicht zustände. Bei diesen Personen kann es sich sowohl um natürliche als auch um juristische Personen handeln. Ob diese Personen im Inland oder im Ausland ansässig sind,5 spielt keine Rolle. Damit werden von der Reichweite des § 50d Abs. 3 EStG auch sog. Mäander-Strukturen erfasst, in denen etwa eine inländische Kapitalgesellschaft Anteile an anderen inländischen Kapitalgesellschaften über eine ausländische Zwischenholding hält.6 Abzustellen ist nur auf die unmittelbar an der ausländischen Gesellschaft beteiligten 1 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; a.A. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 74; Strunk in Korn, § 50d EStG Rz. 28. 2 Anlage 2 zu § 43b EStG.; Anlage 3 zu § 50g EStG. 3 Nach Art. 3 Abs. 1a und b OECD-MA in erster Linie Kapitalgesellschaften und ggf. auch Personengesellschaften; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 4 Ausländische Gesellschaften sind solche, die weder Sitz noch Ort der Geschäftsleitung im Inland haben oder im Falle der Doppelansässigkeit als im anderen DBA-Vertragsstaat ansässig gelten; BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 3. 5 Im Sinne unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. 6 Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 55; Loschelder in Schmidt29, § 50d EStG Rz. 46; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 28; Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 82; Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (107), wonach als Personen nur Steuerausländer erfasst sein sollen; für Steuerinländer käme hiernach § 42 AO in Betracht.

688

G. Steuerumgehung bei DBA

Personen.1 Hierfür trägt die ausländische Gesellschaft die objektive Beweislast (Feststellungslast),2 die in den Fällen, in denen die ausländische Gesellschaft in einer nicht kooperativen Jurisdiktion ansässig ist, durch § 2 SteuerHBekV eine Verschärfung dahingehend erfährt, dass die Steuerentlastung soweit auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, nur gewährt wird, wenn Namen und die Ansässigkeit der Gesellschafter genannt werden, die zu mehr als 10 Prozent unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind.3 Auf dieser ersten Stufe der gem. § 50d Abs. 3 EStG gebotenen Missbrauchsprüfung kommt es im Wesentlichen darauf an, ob der Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte die Steuerentlastung der §§ 43b; 50g EStG bzw. der DBA beanspruchen könnte. Dies ist für jede an der ausländischen Gesellschaft beteiligte Person gesondert zu prüfen.4 Während die Kapitalertragsteuerbefreiung gem. den §§ 43b; 50g Abs. 1 EStG nur EU-Kapitalgesellschaften5 beanspruchen können, ergibt sich für die Inanspruchnahme abkommensrechtlicher Steuerentlastungen keine Einschränkung: Im Ausgangspunkt sind anspruchsberechtigt alle abkommensberechtigten Gesellschaften. Zu den abkommensrechtlichen Steuerentlastungen zählen allerdings nur solche, die sich auf den Steuerabzug vom Kapitalertrag oder den Steuerabzug gem. § 50a EStG beziehen.6 Die Rechtsfolge des § 50d Abs. 3 EStG tritt nur dann ein, wenn neben der fehlenden Steuerentlastung bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte durch die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft für die Einschaltung derselben wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG). Hiermit wird im Wesentlichen auf die Kriterien abgestellt, die die höchstrichterliche Rechtsprechung auf der Grundlage der allgemeinen Missbrauchsregel des § 42 AO für die Be1 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 (allerdings missverständlich); Frotscher in Frotscher, § 50d EStG Rz. 11c; Mössner in Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern in Deutschland, 85 (102); Flick, IStR 1994, 223 (224); Wassermeyer, SWI 1995, 139 (144); dagegen auch für eine mittelbare Beteiligung; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 28; Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 68; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz E21a; BMF v. 10.7.2007, IStR 2007, 555; Kraft, IStR 1994, 370 (376); Lüdicke in Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (108); in diesem Sinne auch § 2 SteuerHBekV. 2 § 90 Abs. 2 AO, § 76 Abs. 1 FGO; Loschelder in Schmidt29, § 50d EStG Rz. 46; Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 28; Flick, IStR 1994, 223 (225); a.A. Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (114). 3 Diese Regelung läuft leer, solange das BMF keine Staaten auf die „schwarze Liste“ setzt; vgl. BMF v. 5.1.2010, BStBl. I 2010, 19; zu rechtstaatlichen Bedenken der SteuerHBekV Seer in T/K, § 90 AO Rz. 30 ff. 4 BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 4. 5 Anlage 2 zu § 43b EStG und Anlage 3 zu § 50g EStG. 6 Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (108 ff.); Kraft, IStR 1994, 370 (375); BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 1.

689

16.165

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

urteilung ausländischer Basisgesellschaften bei deutscher Beteiligung entwickelt hat.1 Die Steuerentlastung bleibt aber auch bei Vorliegen wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe versagt, wenn die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge (zum Begriff Rz. 10.59) des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG). Damit wird im Ergebnis eine ins Gewicht fallende aktive Wirtschaftstätigkeit verlangt, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht. Im Hinblick darauf ist die Verwaltung eigenen Vermögens, etwa die bloße Holdingtätigkeit, ebenso schädlich wie die Auslagerung (Outsourcing) von wesentlichen Geschäftstätigkeiten2 (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).3

16.166

Die vorstehende 10-Prozent-Grenze geht weit über das für die Missbrauchsbekämpfung gebotene Maß hinaus. Vom Wortlaut des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nämlich auch der Fall erfasst, dass die ausländische Gesellschaft Vermögen verwaltet, deren Bruttoerträge in keinem Zusammenhang mit einer deutschen Abzugsteuer stehen, deren Entlastung begehrt wird. Angesprochen ist damit insbesondere die Verwaltung von Vermögen für Dritte sowie ausländisches Vermögen. Im Hinblick auf diesen wertungsmässigen Überhang ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass die vorgenannten Bruttoerträge unschädlich sind.4

16.167 Die Steuerentlastung scheidet schließlich auch dann aus, wenn die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 EStG). Abgestellt wird damit auf eine erforderliche substantielle Geschäftsausstattung, etwa qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel.5 Die vorgenannten Aktivitätskriterien beziehen sich ausschließlich auf die betreffende ausländische Gesellschaft selbst (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG), so dass insbesondere Aktivitätsmerkmale konzernverbundener Unternehmen außer Betracht bleiben.6 Für die in § 50d Abs. 3 Satz 1 bis 3 EStG aufgeführten (Aktivitäts-)Kriterien trägt die die Steuerentlastung begehrende ausländische Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer Mitwirkungs-

1 Hierzu Rz. 10.23 ff., 16.155; zum Positiv- und Negativkatalog wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe Flick, IStR 1994, 223 (224); restriktiv dagegen BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 5. 2 Die Auslagerung von Hilfsfunktionen ist unschädlich; Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 184. 3 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 29; BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 61. 4 Zu Einzelheiten Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 183; a.A. Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 29; BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 6.1. 5 BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 8; einschränkend Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 29. 6 Gegen BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04 I R 88/04, BStBl. II 2006, 118.

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H. Persönlicher Geltungsbereich

pflichten (§ 90 Abs. 2 AO) letztlich die Feststellungslast.1 Diese Mitwirkungspflichten scheitern indessen insbesondere bei börsennotierten Unternehmen zumeist an anfänglicher Unmöglichkeit. Im Hinblick darauf suspendiert die in § 50d Abs. 3 Satz 4 EStG verankerte Börsenklausel § 50d Abs. 3 Satz 1 bis 3 EStG. Entsprechendes gilt für ausländische Gesellschaften, für die das InvStG zur Anwendung kommt. 3. Rechtsfolgen Soweit die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sind die Steuerentlastungen für kapitalertragsteuerpflichtige und gem. § 50a EStG quellensteuerpflichtige Einkünfte zu versagen. Dieses partiell wirkende Missbrauchsverdikt führt ggf. zu einer gesellschafterbezogenen Aufteilung.2 Diese Rechtsfolge geht indessen über den Sinn und Zweck der besonderen Missbrauchsklausel hinaus. Hiernach soll nämlich diejenige Besteuerung eingreifen, die ohne Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft bestände. Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion auf das zur Missbrauchsbekämpfung erforderliche Maß geboten. Im Ergebnis entspricht damit die Rechtsfolge derjenigen des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO. Damit sind jedenfalls stets diejenigen Steuerentlastungen zu gewähren, die bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte durch den Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft nach Maßgabe des für ihn in Betracht kommenden DBAs in Anspruch genommen werden könnten.3

H. Persönlicher Geltungsbereich Literatur Kommentare zu Art. 1 OECD-MA; von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, Berlin 1978, 108; Diehl, Qualifikationskonflikte im Außensteuerrecht, FR 1978, 517; Ebling, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmungen, CDFI LXIIIa (1988), 227; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 307; Göschl/Kovar/Wahrlich, Dreiecksverhältnisse im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Loukota, Wien 2005, 111 ff.; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuer1 Loschelder in Schmidt29, § 50d EStG Rz. 46; Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 221. 2 Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 71. 3 Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 73; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 124; Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 61; Wied in Blümich, § 50d EStG Rz. 41; Neyer, IStR 1996, 120 f.; Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (112 f.); Krabbe, IStR 1995, 382 (383) zu Frage 7; Wolff in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 205; BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446 Rz. 13.

691

16.168

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) recht, München 1995; Gündisch, Personengesellschaften im DBA-Recht, München 2004; Haas, Qualifikationskonflikte ausländischer Mitunternehmerschaften, BB 1978, 1253; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 1992; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschafterbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Baden-Baden 2009; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, Köln 2000; Hock, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1995, 135; Jann/Toifl, EuGH-Entscheidung zur Behaltefrist nach der Mutter/Tochter-Richtlinie, SWI 1999, 483; Kluge, Die Anerkennung ausländischer Gesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 1976, 365; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 130; Lang/Lüdicke/Riedweg, Steueranrechnung und Betriebsstättendiskriminierungsverbot der DBA bei Dreiecksverhältnissen, IStR 2006, 73; Le Gall, Internationale Einkommensteuerprobleme bei Personengesellschaft, CDFI LXXXa (1995), 709; Lethaus, Steuerliche Probleme der internationalen Personengesellschaft, Hamburg 1990; Lethaus, Wege zur Abkommensberechtigung der Personengesellschaft, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 427; Manke, Personengesellschaften und DBA, Abkommensberechtigung und Abkommensschutz, DStJG 8 (1985), 195; Phillip, Personengesellschaften und Arbeitsgemeinschaften im Internationalen Steuerrecht, CDFI LVIIIb (1973), I 1; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Sutter/Zehetner, Triangular Tax Cases, Wien 2004; Wassermeyer, Dreiecksverhältnisse im Abkommensrecht, SWI 1999, 520; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010; Weggenmann, Personengesellschaften im Lichte der Doppelbesteuerungsabkommen, Bonn 2005.

I. Anknüpfungsgrundsätze 16.169 Völkerrechtliche Verträge wirken grundsätzlich nur inter partes, so dass deren Rechte und Pflichten lediglich die Vertragsstaaten als Völkerrechtssubjekte treffen. Derartige völkerrechtliche Verträge können auch zugunsten Dritter, also zugunsten außenstehender Völkerrechtssubjekte, abgeschlossen werden.1 Völkerrechtliche Verträge können aber auch begünstigende oder gegebenenfalls belastende Reflexwirkungen für dritte Staaten zur Folge haben.2 In aller Regel sind völkerrechtliche Verträge aber nicht so ausgestaltet, dass dem einzelnen Bürger hieraus unmittelbar Rechte und Pflichten erwachsen. Anders ist dies nur in den Fällen, in denen die in den völkerrechtlichen Verträgen getroffenen Vereinbarungen dem einzelnen Bürger unmittelbar Rechte und Pflichten einräumen wollen, also self executing-Wirkung3 haben. Zu diesen völkerrechtlichen

1 Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 12 Rz. 23 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 114 ff.; dort auch zu völkerrechtlichen Verträgen zu Lasten Dritter. 2 Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 118 ff. 3 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 185 ff.

692

H. Persönlicher Geltungsbereich

Verträgen zählen die DBA.1 Sie enthalten nicht bloß Ermächtigungen, sondern sind auf unmittelbare Anwendung angelegt. Daher können Steuerpflichtige die gegen die innerstaatlichen Steueransprüche gerichteten Schrankenwirkungen der DBA unmittelbar für sich selbst in Anspruch nehmen. Wer zu den derart Berechtigten zählt, ergibt sich nicht aus innerstaatlichem Recht, sondern aus den DBA (Art. 1 OECD-MA). Darüber hinaus regeln die DBA aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Abkommensberechtigung tatsächlich in Anspruch genommen werden darf. Einschränkungen der Abkommensberechtigung können sich in Missbrauchsfällen allerdings auch aus dem nationalen Recht ergeben.2 Für die Abkommensberechtigung stellen die DBA (Art. 1 OECD-MA) darauf ab, ob eine Person in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Mit dieser Anknüpfung unterfallen dem Abkommensschutz lediglich solche Personen, die wenigstens zu einem der beiden Vertragsstaaten eine besondere persönliche Bindung aufweisen. Werden diese Merkmale – Person (Art. 3 Abs. 1a OECD-MA) und Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) – nicht erfüllt, versagt der Abkommensschutz mit der Folge, dass insoweit eine Doppelbesteuerung bilateral nicht vermieden werden kann.

16.170

Der Kreis derjenigen, die als Personen im Sinne des Abkommens als Abkommenssubjekte3 und damit als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht kommen, ist im Abkommen weit gezogen. Neben den natürlichen Personen fallen auch Gesellschaften, das heißt juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, sowie alle anderen Personenvereinigungen in diesen Schutzkreis (Art. 3 Abs. 1a und b OECD-MA). Dieser Schutzkreis verengt sich allerdings dadurch, dass nur solche Personen unter den Abkommensschutz fallen, die in wenigstens einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Hierzu gehören jene Personen, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten nach dortigem Recht aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Orts der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig sind.

16.171

Im Gegensatz zu Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt spielt die Staatsangehörigkeit international für die Abkommensberechtigung einer Person grundsätzlich keine Rolle.4 Die Anknüpfung der Abkommensberechtigung an Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt erfordert indessen modifizierende Regelungen für den Fall, dass ein Vertragsstaat die unbeschränkte Steuerpflicht auch an die Staatsangehörigkeit anknüpft. So haben sich etwa die USA aufgrund der sog. saving clause (Art. 1 Abs. 4, 5 DBA-USA) das Recht vorbehalten,

16.172

1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 45; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 83 f. 2 Z.B. § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG; hierzu Rz. 16.160 ff. 3 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 5. 4 Art. 4 Abs. 1 OECD-MA enthält nur ortsbezogene Anknüpfungsmerkmale.

693

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) ihre eigenen Staatsangehörigen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Schrankenwirkungen eines Abkommens zu besteuern.1 Damit diese saving clause die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zu Fall bringt, ergeben sich notwendige Erweiterungen hinsichtlich der Vermeidungsnormen mit der Folge, dass nicht nur abkommensberechtigte Personen, sondern auch amerikanische Staatsangehörige die Anwendung der Vermeidungsnormen für sich in Anspruch nehmen können.2

16.173 Wegen der vorstehenden Anknüpfung beurteilt sich letztlich die Ansässigkeit einer Person auf Abkommensebene nach dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht, und zwar nach dem Recht desjenigen Staates, der im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Besteuerung des Welteinkommens (Weltvermögens), gegen die die Schrankenwirkungen des Abkommens gerichtet sind, für sich beansprucht. Im Hinblick darauf entsprechen die Anknüpfungsmerkmale für die Ansässigkeit auf Abkommensebene denen der unbeschränkten Steuerpflicht nach innerstaatlichem Steuerrecht.

16.174 Der Begriff der Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) hat nicht nur Bedeutung für die Abkommensberechtigung einer Person, er dient auch als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Wohnsitzstaat in Abgrenzung gegen die Besteuerung im Quellenstaat. Nach der Grundkonzeption der DBA wenden sich deren Schrankenwirkungen zum einen gegen den Quellenstaat und zum anderen gegen den Wohnsitzstaat. Die den Quellenstaat betreffenden Abkommensvorschriften führen zu einer Umgrenzung der Quellenstaatsbesteuerung, wonach entweder die Besteuerung im Quellenstaat voll aufrechterhalten bleibt,3 den Besteuerungsgrundlagen4 oder der Steuerhöhe nach eingeschränkt5 oder aber gänzlich aufgehoben6 wird. Die den Wohnsitzstaat betreffenden Vorschriften regeln sodann, auf welche Weise der Wohnsitzstaat die (verbleibende) Doppelbesteuerung auszugleichen hat.7 Der Begriff der Ansässigkeit ist schließlich noch von Bedeutung für die Regelung derjenigen Fälle, in denen sich eine Doppelbesteuerung daraus ergibt, dass zwei Wohnsitze vorhanden sind.8 1 Zu dieser saving clause im Einzelnen Shannon, Die DBA der USA, 79 ff.; Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 22 ff.; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 60, 77 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 23 DBA-USA Rz. 113 ff. 3 So das für die Besteuerung unbeweglichen Vermögens geltende Belegenheitsprinzip (Art. 6 Abs. 1 OECD-MA). 4 So das für Unternehmensgewinne geltende Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). 5 Vgl. etwa die Steuersatzbegrenzung für auf Dividenden und Zinsen erhobene Quellensteuern (Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 2 OECD-MA). 6 So etwa für Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA). 7 Entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung (Art. 23A, 23B OECD-MA). 8 Art. 4 Abs. 2 OECD-MA (tie-breaker-rule).

694

H. Persönlicher Geltungsbereich

Da für die Ansässigkeit auf Abkommensebene die unbeschränkte Steuerpflicht auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts maßgeblich ist, spielt die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit einer Person im Ergebnis keine Rolle. Von Bedeutung ist allein, ob die Person wenigstens in einem der beiden Vertragsstaaten als eigenständiges Steuersubjekt unbeschränkt steuerpflichtig ist.1 Im Hinblick auf die für die Ansässigkeit maßgeblichen ortsbezogenen Merkmale der unbeschränkten Steuerpflicht, wird zwar auch die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG; hierzu Rz. 5.37 ff.), nicht aber die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG; hierzu Rz. 5.40 ff.) erfasst.2 Aus der Anknüpfung an die Steuersubjektseigenschaft3 folgt, dass etwa Betriebsstätten und Personengesellschaften, soweit diesen nach innerstaatlichem Recht keiner der beiden Vertragsstaaten Steuersubjektseigenschaft zukommt, grundsätzlich nicht abkommensberechtigt sind. Das kann insbesondere in sog. Dreiecksfällen, also dann, wenn die Betriebsstätte oder die Personengesellschaft Einkünfte aus Drittländern bezieht, zu einer nicht behebbaren Doppelbesteuerung führen (Rz. 16.182 f.). Die Steuersubjektseigenschaft kann zwar zwischenstaatlich auseinander fallen, das führt aber nicht automatisch dazu, dass ein Abkommensschutz nur aus der Sicht eines Vertragsstaates gewährt wird.4 Daher können etwa Personengesellschaften für sich oder ihre Gesellschafter Abkommensschutz auch dann beanspruchen, wenn sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als selbständiges Steuersubjekt anerkannt werden (Rz. 16.177 ff.).

16.175

Die an die Ansässigkeit in einem der beiden Vertragsstaaten anknüpfende Abkommensberechtigung findet in verschiedenen Abkommen Ausnahmen, die weitgehend dem Gesichtspunkt des treaty shopping (Rz. 16.127 f.) oder anderen steuerpolitischen Zielsetzungen Rechnung tragen. So versagt etwa das DBA-Schweiz Personen, die in der Schweiz eine Pauschalbesteuerung in Anspruch nehmen (Art. 4 Abs. 6 DBASchweiz) oder Treuhänder sind (Art. 4 Abs. 11 DBA-Schweiz), teilweise die Abkommensberechtigung ebenso wie ausländisch beherrschten Durchlaufgesellschaften und Thesaurierungsgesellschaften (Art. 23 DBASchweiz). Eine vergleichbare Einschränkung der Abkommensberechtigung enthält auch das DBA-Luxemburg, wonach bestimmte Holding-Gesellschaften, die in Luxemburg besondere Steuerprivilegien in Anspruch nehmen, von der Abkommensberechtigung ausgeschlossen sind.5

16.176

1 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 25; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 30; auf die GewSt kommt es nicht an; vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 17. 2 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 78 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 42; dort jeweils auch zu den Besonderheiten des DBA-Schweiz. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 30. 4 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 32; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECDMA Rz. 27. 5 Nr. 1 des Schlussprotokolls zum DBA-Luxemburg; die Steuervergünstigungen für sog. 29er-Holdings sind inzwischen mit einer Übergangsregelung bis zum

695

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

II. Personengesellschaften 16.177 Während für natürliche und juristische Personen die Abkommensberechtigung in aller Regel keine Besonderheiten aufweist, ergeben sich für Personengesellschaften aufgrund ihrer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung, die sie in den einzelnen Staaten erfahren1 erhebliche Schwierigkeiten bei der Abkommensanwendung.2 Diese beruhen im Wesentlichen darauf, dass Personengesellschaften abkommensrechtlich zwar Personen sein können (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA), bei fehlender eigener Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht aber nicht ansässig sind (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA).3

16.178 Werden die Personengesellschaften in beiden Vertragsstaaten hinsichtlich ihrer Steuersubjektseigenschaft einheitlich behandelt, so ist die Ansässigkeit und damit die Abkommensberechtigung für beide Vertragsstaaten von vornherein nicht zweifelhaft:4 Die Personengesellschaft ist abkommensberechtigt, sofern sie in beiden Vertragsstaaten selbständiges Steuersubjekt ist; sie ist es nicht, wenn ihr übereinstimmend die Steuersubjektseigenschaft abgesprochen wird. In diesem Fall sind die Gesellschafter abkommensberechtigt, so dass sie die betreffenden Abkommensvergünstigungen geltend machen können, wenn sie im anderen Vertragsstaat ansässig sind.5 Sind sie in Drittstaaten ansässig, richtet sich die Abkommensberechtigung nach den Abkommen mit diesen Staaten.6 In den vorgenannten Fällen gewährleistet die parallele Qualifikation7 der Personengesellschaft mithin eine auf einheitliche Rechtsfolgen gerichtete gleichförmige Anwendung des DBAs durch beide Vertragsstaaten, soweit die Gesellschafter ebenfalls in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Sind sie dagegen in Drittstaaten ansässig, die ihrerseits im Gegen-

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3 4

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31.12.2010 suspendiert worden; hierzu Steichen in D/W, Anh. Luxemburg Rz. 130. Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 19 ff.; Le Gall, CDFI LXXXa (1995), 709 ff.; Hock, RIW 1995, 135 ff. Vgl. die Lösungsversuche im OECD-Partnership-Report; OECD, The application of the OECD model tax convention to partnerships, Paris 1999 und im BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354; zu einigen Falllösungen aus diesem OECD-Partnership-Report Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27. Auf die GewSt kommt es hierbei nicht an; Wassermeyer in D/W, Art. 1 Rz. 17. Hierzu Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 28d; Wilke in G/K/G, Art. 1 OECD-MA Rz. 21 ff.; Schütte in Haase, Art. 1 OECD-MA Rz. 15; Rz. 5 OECD-MK zu Art. 1; Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 148 ff.; 221. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 28. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 29. Der Begriff „Qualifikation“ stammt zwar aus dem Internationalen Privatrecht, wo er im Zusammenhang mit Kollisionsnormen Bedeutung hat, er hat aber auch das Internationale Steuerrecht mit allerdings unterschiedlichen Deutungen (vgl. etwa Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 151 ff.) erobert. Er wird hier im Sinne von Einordnung oder Bestimmung verwendet.

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H. Persönlicher Geltungsbereich

satz zum Ansässigkeits- und Quellenstaat der Personengesellschaft dieselbe nicht als selbständiges Steuersubjekt anerkennt, so folgt hieraus im Verhältnis zum Quellenstaat eine Abkommensberechtigung sowohl der Personengesellschaft als auch ihrer Gesellschafter. In diesem Fall muss der Quellenstaat das für die Abkommensberechtigten jeweils günstigste Abkommen anwenden.1 Abweichend von den vorgenannten Grundsätzen wird in neueren deutschen DBA auf Grund von Sonderregelungen Personengesellschaften auch dann eine Abkommensberechtigung eingeräumt, wenn diese nicht Steuersubjekte sind. Damit wird ausländischen Personengesellschaften die Möglichkeit eröffnet, die Erstattung inländischer Quellensteuern zu verlangen, obwohl diese zu Lasten der Gesellschafter einbehalten werden.2 Wird die Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter im Gegensatz zum Staat der Personengesellschaft und zum Quellenstaat als selbständiges Steuersubjekt anerkannt, muss der Quellenstaat diejenigen Abkommensvergünstigungen gewähren, die den Gesellschaftern auf Grund des mit ihrem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen DBA zustehen, obwohl die betreffenden Einkünfte dort nicht den Gesellschaftern, sondern der aus der Sicht der Ansässigkeit als selbständiges Steuersubjekt zu qualifizierenden Personengesellschaft zugerechnet werden.3 Wird die Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat (Ort der Geschäftslei- 16.179 tung) selbst der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen,4 dagegen im anderen Vertragsstaat, etwa im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter, nicht als Steuersubjekt anerkannt, dann ist sie als Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b OECD-MA) im Sitzstaat ansässig (Art. 4 Abs. 1 OECDMA) und somit abkommensberechtigt.5 Da die Personengesellschaft in dem anderen Vertragsstaat nicht als Steuersubjekt anerkannt wird,6 ginge die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft an sich ins Leere. Damit könnte die Doppelbesteuerung mangels Subjektsidentität nicht vermieden werden. Da aber stets diejenige Auslegung den Vorzug verdient, die das primäre Ziel der Abkommen – Vermeidung der Doppelbesteuerung – erreicht, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b OECD-MA derart auszulegen, dass die Abkommensberechtigung auf die Gesellschafter durchschlägt. Damit unterfallen die Gesellschafter anstelle der Personen-

1 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 26. 2 Hierzu Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.12 mit Aufzählung der betreffenden DBA. 3 Hierzu Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 30; Lang, IStR 2000, 130 ff.; anders OECD-MK zu Art. 1 Rz. 6.5; so auch die Lösung von Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27b zu Beispiel Nr. 4. 4 Das trifft insbesondere für Personengesellschaften des romanischen Rechtskreises zu. 5 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 32; OECD-MK zu Art. 1 Rz. 5. 6 Hierüber entscheidet immer nur der jeweilige Anwenderstaat; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 22; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.10.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

gesellschaft dem Abkommensschutz.1 Das bedeutet, dass die mit der Abkommensberechtigung der Personengesellschaft verknüpften Schrankenwirkungen des Abkommens in dem einen Staat gegen die Besteuerung der Personengesellschaft selbst und in dem anderen Staat gegen die Besteuerung der Gesellschafter gerichtet sind.

16.180

Demgegenüber wird unter Hinweis auf die allerdings nur subsidiäre Auslegung von Abkommensbegriffen nach innerstaatlichem Recht (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) die Ansicht vertreten, dass mangels Subjektsidentität eine Doppelbesteuerung nicht vermieden werden könne.2 Dieses Auslegungsergebnis wird indessen der für die DBA maßgeblichen Regelungshomogenität nicht gerecht. Geboten ist hiernach eine auf Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgerichtete Auslegung,3 so dass die Gesellschafter als ultima ratio den Abkommensschutz als Reflexwirkung der abkommensberechtigten Personengesellschaft in Anspruch nehmen können.4

16.181

Diese Rechtsfolge ergibt sich zudem aus dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wonach ein Rechtsanspruch auf Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, dem ggf. durch entsprechende Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) entsprochen werden muss. De lege ferenda5 ist eine abkommensmässige Gleichstellung von Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften dergestalt geboten, dass Personengesellschaften stets abkommensberechtigt sind6 oder aber bei Beibehaltung des Mitunternehmerkonzeptes die Ausdehnung des Abkommensschutzes auf die Gesellschafter7 gewährleistet ist.

1 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 32 f.; Schütte in Haase, Art. 1 OECD-MA Rz. 16; BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.2, soweit die betreffenden Einkünfte im anderen Vertragsstaat steuerpflichtig sind; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27b (Beispiel Nr. 6); kritisch in Rz. 28b mit abweichender Begründung im Ergebnis aber ebenso Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.10. 2 Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, 108 ff.; Diehl, FR 1978, 517 (521); Kluge, DStR 1976, 365 (367); Haas, BB 1978, 1253 f. 3 Eine derartige an den Zielen und Zwecken der DBA orientierte Auslegung verlangt auch Art. 31 Abs. 1 WÜRV; zur Auslegung von DBA im Einzelnen Rz. 16.49 ff. 4 In einigen DBA wird das ausdrücklich bestätigt, wobei Personengesellschaften mitunter eine partielle Abkommensberechtigung zugebilligt wird, auf Grund deren sie selbst Anträge auf Steuerentlastung stellen können; hierzu Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.12; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 61 ff. 5 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 54 ff. 6 Vgl. Ebling, CDFI LXIIIa (1988), 227 (244); Manke, DStJG 8 (1985), 195 (212 f.); hierzu ausführlich Lethaus in FS Ritter, 427 (437 ff.). 7 Phillip, CDFI LVIIIb (1973), I 1 (22).

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H. Persönlicher Geltungsbereich

III. Dreiecksverhältnisse Die Versagung der Abkommensberechtigung für Betriebsstätten und Personengesellschaften, wenn sie im Sitzstaat, in dem sie den Ort ihrer Geschäftsleitung haben, keine Steuersubjektseigenschaft besitzen, kann zu einer nach Abkommensrecht nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung insbesondere dann führen, wenn der Betriebsstätte oder der Personengesellschaft in Drittländern erzielte Einkünfte zuzuordnen sind.1 Unterhält etwa eine in Deutschland ansässige natürliche Person in einem anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, die ihrerseits ihr zuzuordnende quellensteuerpflichtige Zinseinkünfte aus einem Drittstaat erzielt, so tritt eine Doppelbesteuerung dadurch ein, dass die auf die Zinsen erhobenen Quellensteuern nirgends zur Anrechnung gebracht werden können. Die in Deutschland ansässige natürliche Person mag zwar nach dem zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat geltenden DBA abkommensberechtigt sein (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 OECD-MA), eine Anrechnung der auf die Zinsen erhobenen Quellensteuer scheidet aber aus, weil in Deutschland auf den Betriebsstättengewinn, der nur der Besteuerung im Betriebsstättenstaat unterliegt, keine Steuer erhoben wird (Art. 7 und 23A OECD-MA). Eine Anrechnung nach Maßgabe des zwischen dem Betriebsstättenstaat und dem Drittstaat abgeschlossenen DBAs versagt ebenfalls, weil weder die in Deutschland ansässige Person noch deren Betriebsstätte nach diesem Abkommen abkommensberechtigt ist.2

16.182

Die fehlende Abkommensberechtigung von Betriebsstätten und Personengesellschaften führt aus der Sicht des deutschen Rechts zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet (Rz. 14.8 ff.). Deshalb gehört es zu den vordringlichen Aufgaben der Abkommenspolitik, Betriebsstätten und Personengesellschaften die Abkommensberechtigung zuzugestehen3 oder aber den Abkommensschutz auf Unternehmer bzw. Gesellschafter auszudehnen. Solange dies nicht geschehen ist, hat Deutschland im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Doppelbesteuerung ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden. Darüber hinaus ist Deutschland verpflichtet, beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern, die im Inland Betriebsstätten mit Drittlandseinkünften unter-

16.183

1 Zu diesen Dreiecksverhältnissen Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 8 ff.; Staringer, Triangular Cases, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 67 ff.; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte; Sutter/Zehetner, Triangular Tax Cases; Schnitger/Rometzki in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 17.1 ff.; Heinsen in Grotherr, Hdb der Internationalen Steuerplanung2, 1465 ff.; Göschl/Kovar/Wahrlich in FS Loukota, 111 ff.; Lang/Lüdicke/Riedweg, IStR 2006, 73 ff.; Wassermeyer, SWI 1999, 520 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Staringer in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 67 ff. 3 Hierzu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 49 ff. 54 ff.; Lethaus in FS Ritter, Köln 1997, 427 (439 ff.).

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) halten, wegen der europarechtlichen Diskriminierungsverbote diejenigen Abkommensvergünstigungen zu gewähren, die unbeschränkt Steuerpflichtige für die im Rahmen inländischer Betriebsstätten bezogenen Drittlandseinkünfte in Anspruch nehmen können.1 Damit kommt im Ergebnis Betriebsstätten partiell eine faktische Abkommensberechtigung zu.2 Für Personengesellschaften ist die Abkommensberechtigung allerdings in einigen Abkommen bereits konkret geregelt.3 Für Betriebsstätten fehlen indessen Vorschriften, die deren Abkommensberechtigung umfassend begründen könnten.4

I. Räumlicher Geltungsbereich Literatur Kübler, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DÖV 1976, 184; Kurz, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DStR 1975, 461; Rudolf, Deutsch- luxemburgisches Kondominium, AVR 24 (1986), 301; Rüster, Die Rechtsordnung des Festlandsockels, Berlin 1977; Schenk, Brauchen wir ein Bodensee-Statut?, BayVBl. 1979, 428; Schröer, Staatliche Gebietshoheit und die verfassungsrechtlichen Verhältnisse am deutschen Festlandsockel, RIW 1978, 507; Schweiger, Staatsgrenzen im Bodensee und IGH-Statut, BayVBl. 1995, 65.

16.184 DBA gelten mit ihren bilateralen Regelungen grundsätzlich nur zwischen den beiden Vertragsstaaten, die das DBA abgeschlossen haben. Demzufolge sind auch nur jene Personen dem Abkommensschutz unterstellt, die mindestens in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Die von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten mitunter eine Definition des Begriffs „Vertragsstaat“,5 wodurch zugleich der räumliche Geltungsbereich des DBAs festgelegt wird. Soweit DBA keine besonderen Regelungen enthalten, aus der Überschrift und/oder der Präambel und den Abkommen auch sonst keine Anhaltspunkte über den räumlichen Geltungsbereich zu entnehmen sind, bestimmt das jeweilige innerstaatliche Recht für sich selbst den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens.6 Der räumliche Geltungsbereich eines DBAs ist zumeist deckungsgleich mit dem jeweiligen Staatsgebiet.

16.185 Soweit die von Deutschland abgeschlossenen DBA eine eigenständige Definition des Begriffs „Vertragsstaat“ enthalten, wird dieser eingegrenzt 1 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, EuGHE 1999-I, 6161. 2 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 688 f.; Jann/Toifl, SWI 1999, 483 (492). 3 Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 57, 61. 4 Vgl. hierzu die Arbeiten der OECD (z.B. Triangular Cases Report; OECD „Triangular Cases“ in International Taxation 1992, Nr. 4), die in den OECD-Musterkommentar 1992 zu Art. 24 Ziff. 51 ff. eingegangen sind. 5 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 45. 6 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 40.

700

I. Räumlicher Geltungsbereich

durch den Geltungsbereich des Grundgesetzes und/oder der Steuergesetze oder durch das jeweilige Hoheitsgebiet.1 Zum räumlichen Geltungsbereich der DBA gehören auch das Küstenmeer2 und der darunter befindliche Meeresboden und -untergrund, da insoweit die territoriale Souveränität und Gebietshoheit im Sinne des Grundgesetzes reicht.3 Deutschland beansprucht indessen wie die meisten anderen Staaten über die Grenzen ihrer Küstengewässer hinaus auch die Souveränität für den Festlandsockel.4 Da Deutschland in diesem Zusammenhang die Erforschung und Ausbeutung der Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes sowie die dortige Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien als ihr Souveränitätsrecht in Anspruch nimmt, gelten die DBA folglich auch für die im Bereich des deutschen Festlandsockels erwirtschafteten Einkünfte aufgrund der vorgenannten Tätigkeiten.5 Im Übrigen zählen zum räumlichen Geltungsbereich der Abkommen Zollausschlussgebiete,6 ferner Handelsschiffe, die zum Führen der deutschen Flagge berechtigt sind, solange sie sich in inländischen Gewässern oder auf hoher See aufhalten.7

16.186

Das deutsch-luxemburgische Kondominium8 gehört allerdings zum Geltungsbereich beider Staaten, so dass eine Doppelbesteuerung nur über ein Verständigungsverfahren beseitigt werden kann.9 Zum räumlichen Geltungsbereich der DBA gehört auch der zwischen dem deutschen Ufer und der Seemitte gelegene Teil des Bodensees.10 Zum räumlichen Geltungs-

16.187

1 Das DBA-China umfasst nicht Hongkong, da das frühere Steuersystem auch nach dem Rückfall an China in Kraft geblieben ist; Vogel in V/L5, Zur Überschrift Rz. 15. 2 Hier gilt eine Zwölfmeilenzone; Art. 3 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 3 Zu Einzelheiten vgl. Bekanntmachung v. 11.11.1994, BGBl. I 1994, 3428; hierzu Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 52, 5 f. 4 Proklamation der Bundesrepublik Deutschland vom 20.1.1964, BGBl. II 1964, 104 und das entsprechende Gesetz vom 24.7.1964, BGBl. I 1964, 497 und BGBl. I 1974, 2149; zu weiteren Einzelheiten Rüster, Die Rechtsordnung des Festlandsockels, Berlin 1977; Gloria in Ipsen5, § 53, 29 ff. 50 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, Rz. 279 ff.; Schröer, RIW 1978, 507 ff.; vgl. hierzu auch Rz. 5.31 f. 5 Waldhoff in V/L5, Art. 29 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 41. 6 Art. 3 Abs. 1 ZK (Art. 3 MZK) z.B. die Gemeinde Büsingen (Hochrhein). 7 Vgl. hierzu etwa RFH v. 24.2.1937, RStBl. 1937, 899; BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377. 8 Über die Mosel, Sauer und Our; vgl. hierzu im Einzelnen Rudolf, AVR 24 (1986), 301 ff. 9 Waldhoff in V/L5, Art. 29 OECD-MA Rz. 13. 10 So der RFH v. 1.6.1934, RStBl. 1934, 1445 entsprechend der sog. Realteilungstheorie; hierzu Kübler, DÖV 1976, 184 ff.; Kurz, DStR 1975, 461 ff.; Schenk, BayVBl. 1979, 428 ff.; Schweiger, BayVBl. 1995, 65 ff.

701

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

bereich der DBA zählt schließlich auch der Luftraum oberhalb des Staatsgebietes.1

16.188 Einige DBA enthalten Sonderregelungen, wonach bestimmte Gebiete aus dem räumlichen Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen werden.2

J. Sachlicher Geltungsbereich 16.189 DBA bestimmen durchweg, dass unter ihren sachlichen Anwendungsbereich solche Steuern fallen, die vom Einkommen und Vermögen für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 OECD-MA). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Steuern durch Veranlagung oder durch Abzug an der Quelle erhoben werden. Ohne Bedeutung ist grundsätzlich ferner, ob die Steuern vom Zentralstaat selbst, von seinen Ländern, Provinzen, Bezirken, Gemeinden oder Gemeindeverbänden erhoben werden.3 Da die deutsche Kirchensteuer keiner derartigen Gebietskörperschaft zufließt, unterliegt sie auch nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der DBA. Dies ist im Ergebnis ohne große praktische Bedeutung, weil die als Maßstabsteuer zugrunde liegende Einkommensteuer (§ 51a EStG) von den DBA erfasst wird.4 Einige DBA enthalten bedeutsame Einschränkungen dahingehend, dass lediglich die Steuern des Zentralstaates vom Abkommen erfasst werden.5

16.190 Mit den Steuern vom Einkommen und Vermögen ist der Kreis der in die Abkommen einbezogenen Steuern sehr weit gezogen. Aus deutscher Sicht gehören hierzu nicht nur die Einkommen-, Körperschaft-6 und Vermögensteuer,7 sondern auch die Gewerbesteuer.8

16.191

Die Gewerbesteuer zählt zu den Steuern vom Einkommen im Sinne der Abkommensterminologie.9 Da es für die Gewerbesteuer keine eigenständigen 1 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; zur Völkerrechtslage Verdross, Völkerrecht5, 273; Fischer in Ipsen5, § 55 Rz. 10 ff.; zu weiteren Einzelheiten Waldhoff in V/L5, Art. 29 OECD-MA Rz. 13 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 42. 2 Vgl. die Beispiele bei Waldhoff in V/L5, Art. 29 OECD-MA Rz. 8. 3 OECD-MK, Ziff. 2 zu Art. 2 Abs. 1. 4 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 8; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 20. 5 Beispiele bei Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 15. 6 Einschließlich des als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags, vgl. §§ 1 und 5 SolZG. 7 Sie wird seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben. 8 Hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 39. 9 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 31; Kluge, FR 1976, 521 (528).

702

J. Sachlicher Geltungsbereich Verteilungsnormen gibt, richtet sich die Verteilung des Gewerbeertrags nach den für die Steuern vom Einkommen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 bis 21 und Art. 22 OECD-MA). Mit ihrer Ausrichtung auf die Steuern vom Einkommen liegt den DBA konzeptionell die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Personensteuern zugrunde. Im Hinblick darauf orientiert sich die persönliche Abkommensberechtigung auch an der Ansässigkeit, d.h. an der unbeschränkten Steuerpflicht des Steuersubjekts in mindestens einem Vertragsstaat. Die Gewerbesteuer ist zwar eine Objektsteuer, die nicht an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpft, belastet wird aber letztlich eine Person im Sinne des Abkommensrechts (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA), so dass insoweit die Einbeziehung der Gewerbesteuer in den sachlichen Anwendungsbereich der Abkommen gerechtfertigt ist.1

Als Steuer vom Vermögen unterliegt die Grundsteuer dem sachlichen 16.192 Anwendungsbereich der DBA,2 was allerdings im Hinblick darauf, dass nur inländische Grundstücke der Besteuerung unterliegen,3 keine weiteren Auswirkungen hat. Nicht erfasst werden vom sachlichen Geltungsbereich der Abkommen indessen grundsätzlich die Umsatzsteuer und (sonstige) Verbrauchsteuern sowie zumeist die Erbschaftsteuer,4 für die Deutschland allerdings einige eigenständige Abkommen abgeschlossen hat.5 Zu den Steuern vom Einkommen und Vermögen gehören nicht Sozialversicherungsbeiträge, selbst wenn diese als Steuern bezeichnet werden.6 Die von Deutschland abgeschlossenen DBA stellen durchweg klar, dass zu den Steuern vom Einkommen und Vermögen auch die Steuern vom Vermögenszuwachs gehören. Damit wird auch die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG erfasst.7 Der sachliche Anwendungsbereich der Abkommen beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (Art. 2 Abs. 4 OECD-MA), ohne dass es darauf ankommt, ob die betreffenden Steuern in dem einen oder anderen Vertragsstaat auch tatsächlich erhoben werden. Sollten zu einem späteren Zeitpunkt in dem einen oder anderen Vertragsstaat Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art eingeführt werden, so wird durch die in den DBA verankerten Ausdehnungsklauseln (Art. 2 Abs. 4 OECD-MA) gewährleistet, dass auch diese Steuern in deren sachlichen Anwendungsbereich fallen.8 Die zu-

1 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 55; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 31; Debatin, DB 1962, Beilage 12, 1 (1 f.). 2 Wassermeyer in D/W, Art. 2 Rz. 32. 3 § 1 Abs. 1 und 2 GrStG. 4 Ausnahme: DBA-Schweden; DBA-Dänemark. 5 Mit Griechenland, Schweiz, Frankreich und den USA. 6 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 21. 7 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 29; unmittelbar als Steuer vom Einkommen qualifizierend Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 45. 8 Zu den Einzelheiten Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 42 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 69 ff.

703

16.193

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ständigen Behörden beider Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich die entsprechenden Änderungen mitzuteilen (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA).

K. Steuerberechtigung Literatur Kommentare zu Art. 4 OECD-MA; Beiser, Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 307; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Großmann, Doppelt ansässige Gesellschaften, München 1995; Hausmann/Raupach u.a., Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften?, München 1988; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Kleineidam, Perspektiven der internationalen Einkunftsabgrenzung im Lichte globaler Unternehmensstrategien, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 857; Lüdicke, Doppelansässigkeit, Ansässigkeitswechsel und Progressionsvorbehalt, in FS für Fischer, Berlin 1999, 731; Mäusli, Die Ansässigkeit von Gesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1993; Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.

I. Grundregel 16.194 Die Bedeutung der DBA erschöpft sich nicht darin, zugunsten abkommensberechtigter Personen eine Doppelbesteuerung zu vermeiden; DBA sind vielmehr auch auf die gerechte Verteilung der Steuergüter unter den Vertragsstaaten gerichtet.1 Die Verteilung des Steuergutes2 erfolgt nach Maßgabe der in den DBA verankerten Verteilungsnormen, die damit über die Reichweite der allein nach innerstaatlichem Recht begründeten Steuerberechtigung der Vertragsstaaten auf Abkommensebene entscheiden. Im Grundsatz wird hierbei die Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates aufrechterhalten mit der Folge, dass dieser die vorrangige Besteuerung hat. Entsprechend dieser Grundregel setzt der Vorschriftenaufbau der DBA bei der Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates an und grenzt hiervon die Steuerberechtigung des Quellenstaates aus, so dass dieser grundsätzlich nur eine nachrangige Besteuerung verbleibt. Die Dominanz der 1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 26; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; Flick, FR 1961, 171 f.; Kleineidam in FS Flick, 857 (865 ff.). 2 Zu noch im Übrigen gebräuchlichen Formulierungen Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 68; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9 mit Kritik am Begriff „Verteilungsnorm“.

704

K. Steuerberechtigung

Wohnsitzstaatbesteuerung, die ggü. der Quellenstaatbesteuerung eine größere Reichweite ausweist, verwirklicht im Ansatz das Welteinkommensprinzip auch auf Abkommensebene. Im Hinblick darauf knüpft die Entscheidung, ob ein Vertragsstaat Wohnsitzstaat oder Quellenstaat ist, folgerichtig an die unbeschränkte Steuerpflicht der betreffenden natürlichen oder juristischen Person an (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Die unbeschränkte Steuerpflicht entscheidet damit nicht nur über die 16.195 Abkommensberechtigung einer Person, sondern zugleich auch darüber, ob und in welchem Ausmaß die Steuerberechtigung der beiden Vertragsstaaten aufrechterhalten bleibt.1 Ist die Person in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig, ist damit zwar über die Abkommensberechtigung dieser Person entschieden, nicht aber darüber, welcher der beiden Vertragsstaaten die in seinem Gebiet ansässige Person als Wohnsitzstaat oder als Quellenstaat besteuern darf. Diese Entscheidung wird vielmehr erst auf einer Stufenfolge zumeist ortsbezogener Kriterien getroffen (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA). Als Wohnsitzstaat gilt danach stets derjenige Vertragsstaat, in dem die Person aufgrund eines abgestuften Regelungssystems als ansässig gilt. Der andere Vertragsstaat ist sodann automatisch der Quellenstaat.2

16.196

Die aufgrund besonderer Kollisionsregeln (tie-breaker-rules, Art. 4 Abs. 2 16.197 OECD-MA) zu treffende Entscheidung, welcher der beiden Vertragsstaaten Wohnsitz- oder Quellenstaat ist, hat lediglich bilaterale Bedeutung und mithin keine Bindung für Drittstaaten. Hieraus folgt: Ist eine Person etwa in zwei verschiedenen Staaten ansässig und haben beide Staaten mit einem Drittstaat DBA abgeschlossen, so ist der Drittstatt Quellenstaat, die beiden anderen Staaten sind Wohnsitzstaaten. Besteht zwischen beiden Wohnsitzstaaten ein DBA, so ist zwar im Verhältnis zueinander der eine Vertragsstaat Wohnsitzstaat und der andere Quellenstaat mit der Folge, dass hiernach nur dem Wohnsitzstaat die uneingeschränkte Besteuerung der Drittstaateneinkünfte (Art. 21 OECD-MA) verbleibt, aus der Sicht des Drittstaates sind aber die beiden anderen Staaten unverändert Wohnsitzstaaten. Da die DBA hierfür keine Kollisionsregeln enthalten, verbleibt nur die Lösung über eine Verständigungsvereinbarung3 darüber, welches DBA angewendet werden soll, oder aber dem Steuerpflichtigen wird ein dahingehendes Wahlrecht eingeräumt.4 Besteht zwischen beiden Wohnsitzstaaten kein DBA, ist eine entsprechende Verständigungsvereinbarung nicht möglich. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist hier

1 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 11 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 4 Rz. 2. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 2. 3 Vgl. etwa die deutsch-österreichische Verständigungsvereinbarung v. 7.6.1991, SWI 1991, 197; zur Kritik hieran Lüdicke in FS Fischer, 731 (739). 4 So die Praxis in den USA; für eine entsprechende generelle Lösung im Sinne des für den Steuerpflichtigen günstigeren DBA Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 24.

705

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) seitens der Wohnsitzstaaten sicherzustellen.

16.198 Aus der vorrangigen Besteuerung durch den Wohnsitzstaat, für den grundsätzlich die Besteuerung des Welteinkommens/-vermögens erhalten bleibt, folgt als Kehrseite, dass es im Ausgangspunkt der Wohnsitzstaat ist, der auf seine weitreichende Steuerberechtigung ganz oder teilweise verzichtet, soweit dem Quellenstaat die Steuerberechtigung nicht genommen ist. Der Verzicht durch den Wohnsitzstaat erfolgt durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung.

16.199 Entsprechend der Grundorientierung der Abkommen verbleibt dem Quellenstaat lediglich eine nachrangige Besteuerung, die ihm im Grundsatz die uneingeschränkte Besteuerung der Einkünfte von in seinem Gebiet belegenen Betriebsstätten und unbeweglichem Vermögen sowie die reduzierte Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren belässt. Darüber hinaus ist dem Quellenstaat grundsätzlich aber die Besteuerungsbefugnis genommen, so dass insbesondere Einkünfte aus Drittstaaten (Art. 21 OECD-MA) dem Besteuerungszugriff des Quellenstaates auch dann entzogen sind, wenn die Person im Quellenstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist.

16.200 Die Aufhebung oder Einschränkung der Steuerberechtigung des Quellenstaates steht nach einigen Abkommen allerdings unter dem Vorbehalt, dass die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat tatsächlich steuerpflichtig sind.1 Darüber hinaus ist die Aufhebung oder Einschränkung der Steuerberechtigung des Quellenstaates in einigen Abkommen auf diejenigen Einkunftsbeträge begrenzt, die tatsächlich in den Wohnsitzstaat überwiesen werden2 und gegebenenfalls dort auch tatsächlich besteuert werden.3 Durch diese Einschränkungen wird im Ergebnis ausnahmsweise lediglich die effektive Doppelbesteuerung (Rz. 12.8) vermieden.

16.201 Die für die Steuerberechtigung maßgebliche Entscheidung, welcher der beiden Vertragsstaaten als Wohnsitz- oder als Quellenstaat zu gelten hat, orientiert sich in erster Linie an bestimmten, in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA aufgeführten ortsbezogenen Merkmalen, die nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Steuerrechts zu einer Steuerpflicht führen. Im Hinblick darauf, dass die ortsbezogenen Merkmale den Wohnsitz, ständigen Aufenthalt, Ort der Geschäftsleitung oder ein anderes ähnliches Merkmal betreffen, wird letztlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht abgestellt.

1 Sog. Subject-to-tax-Klauseln; Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31, 34 dort auch zur Abgrenzung sog. Rückfallklauseln. 2 Sog. Remittance-Klausel; Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 30. 3 Koppelung von subject-to-tax-Klausel und Remittance-Klausel; hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 32.

706

K. Steuerberechtigung

Soweit es um natürliche Personen geht, ist der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich. Es handelt sich hierbei zwar um abkommensrechtliche Begriffe, da aber letztlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten abgestellt wird, ist die Begriffsbildung des jeweiligen nationalen Rechts maßgeblich.1 Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist damit auf § 8 AO (Wohnsitz) und § 9 AO (gewöhnlicher Aufenthalt) abzustellen (Rz. 5.12 ff.). Erfasst wird damit stets die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG. Darüber hinaus wird wegen der Erfassung des Welteinkommens als ein dem Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt ähnliches Merkmal auch die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) einbezogen.2 Nicht erfasst wird demgegenüber die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) und die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 2 AStG).3 Soweit darüber hinaus an den Ort der Geschäftsleitung angeknüpft wird, sind nicht-natürliche Personen angesprochen, zu denen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ausschließlich die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte gehören. Maßgeblich ist die Begriffsdeutung des jeweiligen nationalen Rechts, so dass letztlich auf den Ort der Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO abzustellen ist.4 Erfasst wird somit aus der Sicht des deutschen Steuerrechts die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG), und zwar auch insoweit, als diese auf einem inländischen Sitz (§ 11 AO) beruht.5 Obwohl vom sachlichen Anwendungsbereich der DBA auch die Gewerbesteuer umfasst ist, enthält Art. 4 Abs. 1 OECD-MA keine für die Gewerbesteuer maßgebliche Anknüpfung, so dass etwa Unternehmen, die in Deutschland der Gewerbesteuer unterliegen, deshalb hier noch nicht ansässig i.S. des Art. 4 Abs. 1 OECDMA sind.6

1 Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 31, 35. 2 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 78; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 40. 3 Begründung: keine Erfassung des Welteinkommens; BFH v. 20.9.2006 – I R 13/02, BFH/NV 2007, 410; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 79; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 40. 4 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 105; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 37; zum Ort der Geschäftsleitung im Einzelnen Rz. 6.2 ff. 5 Es handelt sich hierbei um ein dem Ort der Geschäftsleitung ähnliches Merkmal; hierzu Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 110; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 40; 41a. 6 Klarstellung in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 46.

707

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

II. Kollisionsregel1 16.202 Die Kollisionsregel2 des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA entscheidet, welcher Staat als Wohnsitzstaat zu gelten hat, wenn nach der Grundregel des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA wegen der unbeschränkten Steuerpflicht in beiden Staaten die Steuerberechtigung beider Staaten als Wohnsitzstaaten miteinander kollidiert. In diesem Sinne hat der Begriff „Kollisionsregel“ Eingang in die Terminologie des Internationalen Steuerrechts gefunden.3

16.203 Während für Zwecke der persönlichen Abkommensberechtigung ausschließlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht und damit auf innerstaatliches Steuerrecht zurückzugreifen ist,4 knüpft die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat an die unbeschränkte Steuerpflicht nur dann an, wenn diese lediglich in einem Vertragsstaat gegeben ist. Besteht allerdings die unbeschränkte Steuerpflicht in beiden Vertragsstaaten, so dass nach der vorgenannten Grundregel (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA) die Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten zu bejahen ist, so entscheidet sich die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat sowohl für natürliche als auch für juristische Personen nach auf mehreren Stufen angesiedelten Kollisionsregeln (Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 OECD-MA). Auf jeder Kollisionsstufe entscheidet sich, in welchem der beiden Vertragsstaaten die natürliche oder juristische Person als ansässig gilt, so dass einer der beiden Vertragsstaaten zum Wohnsitzstaat mit grundsätzlich uneingeschränkter Steuerberechtigung erklärt wird und der andere Vertragsstaat als Quellenstaat zurücktreten muss.

16.204 Soweit die Steuerberechtigung an die Ansässigkeit natürlicher Personen anknüpft, sehen die DBA im Allgemeinen fünf Kollisionsstufen vor.5 Ist eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten aufgrund ihres Wohnsitzes oder ihres ständigen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig und damit nach der Grundregel in beiden Vertragsstaaten ansässig, so entscheidet auf der ersten Kollisionsstufe die ständige Wohnstätte über die Ansässigkeit und damit über die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat. Da der Begriff „ständige Wohnstätte“ nicht identisch ist mit „Wohnsitz“, vielmehr einen besonders qualifizierten Wohnsitz meint, den die natürliche Person nicht nur gelegentlich und auch nicht nur zu vorübergehenden Zwecken nutzt,6 bietet die ständige Wohnstätte nicht nur die Lösung 1 Dieser Begriff ist nicht im Sinne des Internationalen Privatrechts zu verstehen, wonach Kollisionsnormen bestimmen, welches der beiden innerstaatlichen Rechte zur Anwendung kommt. 2 Sog. tie-breaker-rule. 3 So etwa Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 172. 4 Art. 4 Abs. 1 OECD-MA; einige deutsche Abkommen enthalten entweder keine vergleichbare oder aber autonome Regelungen; hierzu Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 140 ff. 5 Überblick über die Rangfolge bei Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 52; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 162 ff. 6 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Lehner in V/L5,

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K. Steuerberechtigung

für die Kollisionspaare Wohnsitz/ständiger Aufenthalt, sondern auch für den Fall, dass die natürliche Person in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz unterhält. Verfügt die natürliche Person in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so orientiert sich auf einer zweiten Kollisionsstufe die Abgrenzung zwischen Wohnsitzstaat einerseits und Quellenstaat andererseits am Mittelpunkt der Lebensinteressen der abkommensberechtigten Person. Danach ist derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat, zu dem die natürliche Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält.1 Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen ist abzustellen auf die gesamte private Lebensführung, insbesondere auf das familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Umfeld.2 Demgegenüber ist im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Beziehungen darauf abzustellen, von wo aus die natürliche Person ihrer täglichen Arbeit nachgeht und wo ihr Vermögen und ihre Einkünfte verwaltet werden.3 Der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Vertragsstaat erfordert nicht, dass zu diesem persönliche und wirtschaftliche Beziehungen kumulativ vorliegen müssten. Hat die Person die engeren persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat und die wirtschaftlichen Beziehungen4 dagegen zu dem anderen Vertragsstaat, so liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Vertragsstaat, zu dem die Beziehungen für die natürliche Person bedeutungsvoller sind.5

16.205

Hat die abkommensberechtigte Person in beiden Vertragsstaaten eine ständige Wohnstätte, kann aber nicht festgestellt werden, in welchem Staat sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so ist auf einer dritten Kollisionsstufe auf den gewöhnlichen Aufenthalt der natürlichen Person abzustellen. Der Begriff gewöhnlicher Aufenthalt ist nicht im Rückgriff auf innerstaatliches Recht (§ 9 AO), sondern in Abgrenzung zu den anderen Kollisionsmerkmalen autonom auszulegen.6 Der gewöhn-

16.206

1 2 3 4 5

6

Art. 4 OECD-MA Rz. 180 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 33, 55 ff.; Kroschewski in Haase, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 66 ff.; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 192 ff. Hierzu im Einzelnen Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 192; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 68. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 194; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 69. Nur gegenwartsbezogene wirtschaftliche Beziehungen, die sich voraussichtlich in Zukunft abbauen werden, fallen nicht stark ins Gewicht, BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 195; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 70; vgl. auch BFH v. 25.9.2007 – I B 84/06, BFH/NV 2008, 226. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 203; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECDMA Rz. 74.

709

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

liche Aufenthalt einer Person wird hierbei in dem Vertragsstaat liegen, in dem sie überwiegend lebt.1

16.207 Hat die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem von beiden, so ist derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie hat. Für dieses auf der vierten Kollisionsstufe maßgebliche Abgrenzungskriterium ist auf das innerstaatliche Recht desjenigen Vertragsstaates zurückzugreifen, dessen Staatsangehörigkeit die natürliche Person besitzt.2

16.208 Hat die natürliche Person schließlich die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines dieser Staaten, so entscheidet auf einer fünften Kollisionsstufe das gegenseitige Einvernehmen der beiden Vertragsstaaten darüber, wer Wohnsitzstaat und wer Quellenstaat ist. Es handelt sich hierbei um ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA), dass hier eine Modifikation dahingehend erfährt, dass die Vertragsstaaten sowohl zur Einleitung als auch zu einer Einigung verpflichtet sind, weil andernfalls das DBA nicht anwendbar wäre.3

16.209 Sind juristische Personen und abkommensberechtigte Personengesellschaften (Rz. 16.177 ff.) in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig, etwa aufgrund des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung, so wird diese Kollision dadurch gelöst, dass derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat ist, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Dieser Begriff ist zwar ebenfalls autonom ohne Rückgriff auf innerstaatliches Recht auszulegen,4 da aber die deutsche Rechtsprechung zu § 10 AO bei der Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung auf tatsächliche Verhältnisse abstellt, können diese Rechtsprechungsgrundsätze herangezogen werden.5 Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich danach dort, wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille tatsächlich gebildet wird; das heißt, wo die geschäftsleitenden Anordnungen abgegeben, nicht aber dort, wo sie wirksam werden.6

1 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 74 ff. 2 Art. 4 Abs. 2c i.V. mit Art. 24 Abs. 2a OECD-MA; im Einzelnen Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 208; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 80 f. 3 Ein Zwang zur Einigung besteht sonst nicht; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 210; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 84; Kroschewski in Haase, Art. 4 OECD-MA Rz. 96. 4 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 263; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 95. 5 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 265; vgl. allerdings die Kritik an dieser Rspr. Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 96 f. 6 RFH v. 3.7.1936, RStBl. 1936, 804; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695, v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 3.8.1977– III R 92/74, BStBl. II 1977, 857; v. 29.4.1987 – X R 16/81, BFH/NV 1988, 64; v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353; v. 21.9.1989 – V R 32/88, BFH/NV 1990, 688; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl.

710

L. Verteilung der Steuergüter

Da bei juristischen Personen und abkommensberechtigten Personengesellschaften die Kollision der Steuerberechtigung der beiden Vertragsstaaten auf nur einer Stufe gelöst werden kann (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA), kommt für die tatsächliche Geschäftsleitung nur ein einziger Ort in Betracht. Insoweit entspricht die Rechtslage der des § 10 AO.1

16.210

L. Verteilung der Steuergüter I. Allgemeines Literatur Amann, Zur Systematik der Ermittlung ausländischer Einkünfte, DB 1997, 796; Debatin Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Scherpf, Wiesbaden 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Dürrschmidt, Die Einkunftsarten im Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland und im Recht der Doppelbesteuerung, Diss. Erlangen-Nürnberg 1975; Hey, F., Anwendung des Art 23 Abs 2 Buchst b DBA-USA bei Nichtversteuerung von in den USA steuerpflichtigen Einkünften, RIW 1997, 82; Jakob, Das deutsch-amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen von 1989, DStZ 1992, 669; Knechtle, Grundfragen des internationalen Steuerrechts, Basel/ Stuttgart 1976; Lang, M., Zeitliche Zurechnung bei der DBA-Anwendung, SWI 1999, 282; Vogel, Die Mär von den „Rückfall-Klauseln“ in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 1997, Beihefter zu Heft 24; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461.

Die Schrankenwirkungen der DBA artikulieren sich primär in ihren Verteilungsnormen,2 die darauf gerichtet sind, die Verteilung des Steuergutes3 zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat vorzunehmen. In ihrem Ausgangspunkt zielen die Verteilungsnormen darauf ab, die Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates aufrechtzuerhalten und diejenige des Quellenstaates zu umgrenzen mit der Folge, dass die Steuerberechtigung des Quellenstaates entweder aufrechterhalten, begrenzt oder gänzlich aufgehoben wird. II 1999, 437; v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83; zu weiteren Einzelheiten Rz. 6.2 ff. 1 BFH v. 1.3.1966 – I 13/65, I 14/65, I 13, 14/65, BStBl. III 1966, 207; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 226; vgl. im Übrigen zu weiteren Einzelheiten insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 269 ff.; ferner Rz. 6.2. 2 Art. 6 bis 22 OECD-MA; neben Verteilungsnormen sind auch die Begriffe Zuteilungsnormen und Kollisionsnormen gebräuchlich, vgl. zur Terminologie im Einzelnen Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 68 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2); kritisch zu dieser Begriffsbildung Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1, der diese Normen als Steuerbefreiungs- und Steuerermäßigungsnormen bezeichnet, ohne dass hierin ein Widerspruch erkennbar ist. 3 Zur Abgrenzung zwischen (wirtschaftlichem) Steuergut und (rechtlichem) Steuerobjekt Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 25.

711

16.211

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.212 Soweit die Steuerberechtigung des Quellenstaates aufgehoben wird, handelt es sich um vollständige Verteilungsnormen, also um Verteilungsnormen mit einer abschließenden Rechtsfolge.1 Diese vollständigen Verteilungsnormen sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Einkünfte und bestimmtes Vermögen nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürfen mit der Folge der Steuerfreistellung im Quellenstaat. In Sonderfällen regeln die Verteilungsnormen ihre Rechtsfolge allerdings auch dadurch abschließend, dass das Besteuerungsrecht nur dem Quellenstaat zugewiesen wird, so dass der Wohnsitzstaat freizustellen hat (vgl. etwa Art. 8 Abs. 1 und 2 OECD-MA).

16.213 Unvollständige Verteilungsnormen, also solche ohne abschließende Rechtsfolge, halten die Steuerberechtigung des Quellenstaates ganz oder teilweise aufrecht mit der Folge, dass der Wohnsitzstaat diese Steuerberechtigung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung auszugleichen hat. Die gegen die Doppelbesteuerung gerichteten Schrankenwirkungen der DBA setzen bei diesen unvollständigen Verteilungsnormen mithin erst auf einer nachgeordneten Stufe bei den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A, 23B OECD-MA) ein.2

16.214 Die Reichweite der Steuerberechtigung des Quellenstaates orientiert sich an einem in den Verteilungsnormen enthaltenen differenzierten Einkünfte- und Vermögenskatalog, der mit dem des innerstaatlichen Rechts nicht identisch ist. Die Verteilungsnormen haben eine eigenständige Begriffssprache, so dass ein Rückgriff auf die Begriffswelt etwa der sieben Einkommensarten des Einkommensteuergesetzes grundsätzlich unzulässig ist.3 Die Verteilungsnormen enthalten für die Einordnung in die einzelnen Einkünftekategorien auch eigenständige Konkurrenzregeln, die sich von denen der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes grundlegend unterscheiden. So hat etwa die Einordnung unter die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen stets Vorrang vor den übrigen Einkünftekategorien (vgl. Art. 6 Abs. 4 OECD-MA). Das Gefüge der Konkurrenzregeln statuiert eine abkommensspezifische isolierende Betrachtungsweise,4 für die andere Abgrenzungsregeln gelten als in § 49 EStG.5 Hieraus folgt, dass im Sinne der Spezialität, die spezielleren den allgemeinen Verteilungsnormen rechtsfolgemäßig im Grundsatz vorgehen. Aufgrund dieser isolierenden Betrachtungsweise sind etwa einem Unternehmen zufließende 1 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 76 ff., Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 4 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 78 f. 2 Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 6 f. 3 Hierzu im Einzelnen Rz. 16.58 ff.; zum Vergleich der Einkunftsarten des EStG einerseits und der DBA andererseits Dürrschmidt, Die Einkunftsarten im Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland und im Recht der Doppelbesteuerung. 4 Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21; Debatin in FS Scherpf, 305 (315); Wassermeyer, in Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, 21 (23 f.); Amann, DB 1997, 796 (797). 5 Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21.

712

L. Verteilung der Steuergüter

Einkünfte nicht stets als Unternehmensgewinne, sondern ggf. als Dividenden, Lizenzen oder Zinsen zu qualifizieren,1 und zwar auch dann, wenn dieses Unternehmen nach deutschem Steuerrecht als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform2 oder als gewerblich geprägte Personengesellschaft3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Schließlich enthalten die Verteilungsnormen insoweit keine Lücken, als durch eine Auffangklausel (Art. 21 OECD-MA) sichergestellt ist, dass alle Einkünfte und sämtliches Vermögen erfasst werden. Für die Einordnung der Einkünfte unter die Einkünftekategorien der Ver- 16.215 teilungsnormen sind sachliche Kriterien maßgeblich, so dass darauf abzustellen ist, auf welche Ursachen die Entstehung der Einkünfte zurückzuführen ist.4 Diese sachlichen Zuordnungskriterien sind insbesondere für Vorauseinkünfte und für nachträgliche Einkünfte von Bedeutung. So sind etwa nachträgliche Einkünfte einer bereits aufgelösten Betriebsstätte gleichwohl als Betriebsstätteneinkünfte (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) zu qualifizieren (Rz. 18.35 ff.). Darüber hinaus enthalten weitere DBA eine Freistellung von Einkünften aus Quellen, die aus dem anderen Vertragsstaat stammen, wenn diese dort in Übereinstimmung mit dem betreffenden DBA besteuert worden sind5 Hierbei handelt es sich indessen nicht um subject-to-tax-Klauseln,6 weil es nicht darauf ankommt, dass in dem anderen Vertragsstaat eine Besteuerung tatsächlich vorgenommen wird.7 Schließlich gibt es auch DBA, die in Orientierung an die Regelung des Art. 23A Abs. 4 OECD-MA 2000 eine an sich abkommensrechtlich vorgesehene Freistellung im Wohnsitzstaat in den Fällen suspendiert, in denen der Quellenstaat deshalb nicht besteuert, weil er das Abkommen anders auslegt oder die Tatsachen anders beurteilt als der Wohnsitzstaat.8 Verteilungsnormen, die zu einer Steuerfreistellung im Quellenstaat oder im Wohnsitzstaat führen, bewirken im Grundsatz die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung, weil die Steuerfreistellung grundsätzlich unabhängig davon ist, ob die freigestellten Einkünfte von dem anderen 1 2 3 4

5 6 7

8

Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21 f. Kapitalgesellschaften gem. § 8 Abs. 2 KStG. Z.B. GmbH & Co. KG gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, IStR 2010, 103; Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8 ff.; Lang, M., SWI 1999, 282 (283); a.A. Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 17; vgl. ausführlich Wassermeyer, IStR 2010, 461 ff. Hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 34. Auch als Rückfall-Klauseln bezeichnet. Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 34; Vogel, IStR 1997, Beihefter zu Heft 24; Jakob, DStZ 1992, 669 (672); Hey, RIW 1997, 82 ff.; a.A. BFH v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660 (zum DBA-Kanada 1981); v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117 (zum DBA-USA), dagegen offen gelassen BFH v. 27.8.1997 – I R 127/95, BStBl. II 1998, 58 (zum DBA-Kanada 1981); OFD Düsseldorf v. 11.12.1996, IStR 1997, 53; OFD Frankfurt v. 18.12.1998, IStR 1999, 248. Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 20, Art. 23 OECD-MA Rz. 243 ff.

713

16.216

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Staat besteuert werden1 und eine geschuldete Steuer tatsächlich erhoben wird.2 In einigen DBA steht die Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat oder im Quellenstaat allerdings unter dem Vorbehalt, dass die betreffenden Einkünfte im jeweils anderen Vertragsstaat steuerpflichtig sind.3

16.217 DBA sehen im Rahmen der vorgenannten Verteilungsnormen mitunter Besonderheiten dahingehend vor, dass die Steuerfreistellung durch den Quellenstaat nur die an den Wohnsitzstaat transferierten Beträge erfasst.4 In diesen Fällen wird die Steuerfreistellung in aller Regel durch die Steueranrechnung ersetzt.5 Durch diese Einschränkungen wird im Ergebnis lediglich die effektive Doppelbesteuerung vermieden.

16.218 Die Reichweite der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen ist begrenzt: Sie enthalten durchweg keine Regeln über die Einkünfteermittlung und -zurechnung so dass abkommensrechtlich beides dem innerstaatlichen Recht vorbehalten ist.6 Im Hinblick darauf sind die diesbezüglichen Regeln jeweils dem nationalen Recht zu entnehmen. Das bedeutet, dass aus der Sicht des deutschen Steuerrechts die unter die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen fallenden Einkünfte entweder im Rahmen eines Bestandsvergleichs nach den §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 EStG, einer Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG oder durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind. Diese an den Regeln des jeweiligen nationalen Rechts orientierte Einkünfteermittlung wird indessen durch die abkommensspezifische isolierende Betrachtungsweise, wonach etwa die für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen im Grundsatz7 unabhängig davon eingreifen, ob die vorbezeichneten Einkünfte in einem Betriebsoder Privatvermögen erzielt werden, im Sinne einer einheitlichen Einkünfteermittlung modifiziert. Hieraus folgt, dass auch Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht zu den Gewinneinkunftsarten gehören, nur mit dem Betrag angesetzt werden können, der auch bei einer im Inland ansässigen Person, die diese Einkünfte im Privatvermögen erzielt, als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) zu berücksichtigen wäre. Als Betriebsausgaben können hiernach von den entsprechenden ausländischen Erwerbsbezügen 1 RFH v. 29.2.1940, RStBl. 1940, 532; BFH v. 13.9.1972 – I R 130/70, BStBl. II 1973, 57; BFH v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61; vgl. auch Rz. 12.8. 2 BFH v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61. 3 Zu dieser subject-to-tax-Klausel Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff., 19 mit einer Übersicht über die einschlägigen DBA. 4 Zu dieser remittance-Klausel Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 30 mit einem Überblick über die einschlägigen DBA. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 72. 6 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 21; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 15; Art. 7 OECD-MA Rz. 159. 7 Ausnahme: Betriebsstättenvorbehalte gem. Art. 10 Abs. 5, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECD-MA.

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L. Verteilung der Steuergüter

nur solche Erwerbsaufwendungen abgezogen werden, die dem Grunde nach auch als Werbungskosten bei den Überschusseinkünften abgezogen werden könnten.1 Hieraus folgt, dass etwa wechselkursbedingte Wertminderungen bei Darlehen, soweit diese nicht tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA), sich erst bei Rückzahlung der Darlehen auswirken.2 Dieser im Abkommensrecht angelegte Systemansatz wird allerdings in den Fällen, in denen die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wird, durch § 34c Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 Satz 1 EStG überlagert: Für Zwecke der Höchstbetragsberechnung werden bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte auch Betriebsausgaben berücksichtigt, die bei Überschusseinkünften nicht als Werbungskosten abgesetzt werden könnten und zudem in einem bloß mittelbaren Zusammenhang mit ausländischen Einnahmen stehen, so dass hierdurch das Anrechnungsvolumen gekürzt wird (Rz. 15.70 ff.).

II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen Literatur Kommentare zu Art. 6 OECD-MA; Airs Randell, Deutsche Investitionen in britischen Immobilien, IStR 1993, 160; Böhl/Schmidt-Naschke/Böttcher, Besteuerung von Vermietungseinkünften bei Direktinvestitionen in Deutschland, IStR 2008, 651; Cloer, Die Immobilien im Abkommensrecht, PIStB 2005, 315; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285, Erichsen, Bauherrenmodelle in der Bundesrepublik Deutschland und Wegzug in ein DBA-Land, FR 1981, 504; Erichsen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Progressionsvorbehalt im Netzwerk bilateraler Doppelbesteuerungsverträge, DB 1979, 515; Hoheisel, Ertragsteuerliche Folgen bei der Investition in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Ausland, IWB 2010, 521; Parsche/Haug/ Marcelo u.a., Internationaler Vergleich der Systeme zur Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, München 2001; Schmidt/Dendorfer, Beteiligungen an US-Amerikanischen Immobilienfonds, IStR 2000, 46.

1. Allgemeines Für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen bleibt im Grundsatz die Steuerberechtigung des Quellenstaates uneingeschränkt aufrechterhalten.3 Damit hat der Ausgleich der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat zu erfolgen, was in der deutschen Vertragspraxis überwiegend durch Steuerfreistellung geschieht.4

16.219

Die deutschen DBA folgen der Konzeption des Art. 6 OECD-MA, so dass sie unvollständige Verteilungsnormen (zum Begriff Rz. 16.213) enthalten.

16.220

1 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799 mit Anmerkung von Piltz IStR 1995, 71. 2 Berücksichtigt werden also nur realisierte Wertveränderungen; hierzu BFH v. 11.6.1996 – I B 33/95, BFH/NV 1997, 23. 3 Art. 6 OECD-MA. 4 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Durch die Aufrechterhaltung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates, das heißt hier des Belegenheitsstaates, wird das Belegenheitsprinzip verwirklicht, das im Internationalen Privatrecht seine Parallele in der dort verankerten lex rei sitae findet (Art. 43 EGBGB).

16.221 Rechtfertigungsgrund für das Belegenheitsprinzip ist die enge wirtschaftliche Beziehung des Belegenheitsstaates zu dem unbeweglichen Vermögen als fundierte Einkommensquelle.1

16.222 Die entsprechenden Verteilungsnormen der deutschen DBA folgen dem Belegenheitsprinzip, das grundsätzlich unabhängig davon eingreift, ob das unbewegliche Vermögen dem land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Betriebsvermögen oder dem privaten Vermögen oder auf Abkommensebene einem unternehmerischen Vermögen zuzuordnen ist.2 Auf Abkommensebene bewirkt der Vorrang des Belegenheitsprinzips (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA) dass nicht nur die Einkünfte aus dem im anderen Vertragsstaat belegenen3 unbeweglichen Vermögen selbst, sondern auch solche aufgrund der Einräumung von Rechten an unbeweglichem Vermögen, etwa aus Ausbeutungsrechten erfasst werden.4 Hieraus folgt, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Quellenstaat (Belegenheitsstaat) auch dann besteuert werden dürfen, wenn das unbewegliche Vermögen zwar einem Unternehmen zuzuordnen ist, der Unternehmer aber im Quellenstaat (Belegenheitsstaat) keine Betriebsstätte unterhält.5

16.223 Zinseinkünfte aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen liegen dagegen grundsätzlich außerhalb der Reichweite des Belegenheitsprinzips, so dass insoweit die betreffenden Zinsartikel (Art. 11 OECD-MA) Anwendung finden.6

1 OECD-MK zu Art. 6 OECD-MA, Ziff. 1 zu Art. 6 Reimer in V/L5, Art. 6 OECDMA Rz. 3; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 1. 2 Art. 6 Abs. 4 OECD-MA; OECD-MK zu Art. 6 OECD-MA, Ziff. 4; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 11, 101 ff.; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 200. 3 Für im Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten belegenes unbewegliches Vermögen gilt Art. 21 OECD-MA; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 32 f. 4 Lizenzgebühren für die Ausbeutungsrechte (mineral royalties) fallen daher nicht unter Art. 12 OECD-MA; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 10. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 102; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 96; wegen Art. 7 Abs. 7 OECD-MA hat Art. 6 Abs. 4 OECD-MA nur deklaratorische Bedeutung; hierzu Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 201. 6 OECD-MK zu Art. 11 OECD-MA, Ziff. 18; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 9; Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 83 mit einer Übersicht über die Abkommen, nach denen Hypothekenzinsen ausnahmsweise unter Art. 11 OECD-MA fallen.

716

L. Verteilung der Steuergüter

2. Begriffsabgrenzung nach dem Recht des Belegenheitsstaates Die die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen betreffenden Verteilungsnormen verweisen wegen des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ als für die Einkünfteerzielung maßgebliche Erwerbsgrundlage1 auf das Recht des Belegenheitsstaates (Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), wodurch die dortigen Begriffsdefinitionen zum Vertragsinhalt erhoben und die diesbezüglichen Begriffe des Belegenheitsstaates zu Abkommensbegriffen werden.2 Hierzu gehört auch der Begriff „land- und forstwirtschaftlicher Betrieb“, der gem. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA dem unbeweglichen Vermögen zugeordnet ist.3 Diese Verweisung schließt eine Einkünftequalifikation nach den Regeln des Wohnsitzstaates von vornherein aus.4 Die Maßgeblichkeit des Rechts des Belegenheitsstaates hat allerdings seine Grenze im Abkommenstext selbst. So ergibt etwa dessen Auslegung, dass von Art. 6 OECD-MA lediglich grundvermögensbezogene Einkünfte, insbesondere solche aus Land- und Forstwirtschaft erfasst werden. Nicht grundvermögensbezogene Einkünfte, mögen sie auch aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren sein, werden nicht erfasst, so dass etwa Einkünfte aus Imkerei, Vogelzucht und Fischzucht nicht zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, sondern zu den Unternehmensgewinnen zählen.5 Das Rückgriffsverbot auf das Recht des Anwendungsstaates gilt nur für die Einstufung der Einkünfte, nicht dagegen für die Einkünfteermittlung.6 Hierfür gelten mangels abkommensrechtlicher Auslegungskriterien ausschließlich die Regeln des jeweiligen innerstaatlichen Rechts.7 Hieraus folgt, dass die Einkünfte aus der Sicht des deutschen Steuerrechts entsprechend dem grundlegenden Nettoprinzip als Nettoeinkünfte (Reineinkünfte) zu verstehen und im Übrigen entweder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) oder durch Überschuss der Einnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) oder Werbungskosten (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 8; 9 EStG) zu ermitteln sind.8 Wem diese Einkünfte zuzurechnen sind, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 6 OECD-MA, dem Art. 6 Abs. 3 OECD-MA lässt sich aber entnehmen, dass demjenigen die Einkünfte zuzurechnen sind, der das unbewegliche Vermögen entwe1 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 12. 2 Debatin, DB 1988, 1285 (1288). 3 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 66; Galke in Haase, Art. 6 OECD-MA Rz. 70; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 16, der insoweit über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Begriffswelt des nationalen Rechts zurückgreifen will. 4 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 66. 5 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 38 f., 66; Galke in Haase, Art. 6 OECDMA Rz. 76 f.; Hoheisel, IWB 2010, 521 (524); a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 16. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 12, 15; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 12. 7 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECDMA Rz. 12, 15. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 12.

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16.224

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

der selbst nutzt oder einer anderen Person zur Nutzung überlässt. Da es einer weitergehenden abkommensrechtlichen Konkretisierung entbehrt, darf (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) in dem vorstehend durch Art. 6 Abs. 3 OECD-MA gesteckten Rahmen auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden.1

16.225 Die Qualifikationsverweisung2 auf das Recht des Belegenheitsstaates bezieht dessen gesamte Rechtsordnung mit ein.3 Ergeben sich dabei Bedeutungsunterschiede etwa zwischen Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits, so hat im Zweifel die steuerrechtliche Bedeutung Vorrang.4 Die Qualifikationsverweisung auf das Recht des Belegenheitsstaates5 findet allerdings ihre Schranken in der deutschen Vertragspraxis dadurch, dass die betreffenden Verteilungsnormen für bestimmte Vermögenswerte einen Positiv-Katalog und einen Negativ-Katalog enthalten. Der PositivKatalog6 umfasst als unbewegliches Vermögen – das Zubehör, – das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, – die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, – Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen und – Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen.7

16.226 Zum Negativ-Katalog (Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Halbs. 2 OECD-MA) zählen demgegenüber Schiffe und Luftfahrzeuge. Die Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen unterliegen der besonderen Verteilungsnorm des Art. 8 OECD-MA. 3. Reichweite des Belegenheitsprinzips

16.227 Das Belegenheitsprinzip gilt für Einkünfte aus jeder Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA). Hierzu gehört nicht nur die unmittelbare Nutzung sowie die Vermietung oder Verpachtung, sondern auch jede andere Art der Nutzung.8

1 2 3 4 5 6 7 8

Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 19. Es handelt sich um eine dynamische Verweisung, hierzu Rz. 16.60. Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECDMA Rz. 32. Zu den einzelnen Begriffen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 33 ff. Art. 6 Abs. 2 S. 2, Halbs. 1 OECD-MA. Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 6 Rz. 53 ff. Zu diesen unklaren Begriffen Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 91.

718

L. Verteilung der Steuergüter

Der Kreis der den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen zuzuord- 16.228 nenden Einkunftsquellen wird daher sehr weit gezogen. Hierunter fallen insbesondere Einkünfte aus der Bestellung von Erbbaurechten (Erbbauzinsen),1 aus Abstandszahlungen an den Verpächter wegen vorzeitiger Entlassung des Pächters aus dem Pachtverhältnis,2 aus Mieten auf Grund von Immobilienleasing, solange die Immobilie nach Maßgabe des betreffenden nationalen Steuerrechts dem Leasinggeber zuzurechnen ist,3 aus dem Abbau und aus der Veräußerung von geologischen und biologischen Früchten des Grundstücks,4 aus der Ausbeutung von Bodenschätzen,5 aus der Nutzung von Erdwärme,6 aus der Untervermietung,7 aus geschlossenen Immobilienfonds,8 aus der entgeltlichen Überlassung auf Grund des Nießbrauchs, soweit der Nießbraucher also selbst vermietet9 sowie der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung.10 Nicht dazu gehören allerdings Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens;11 diese Einkünfte unterfallen der Regelung des Art. 13 OECD-MA.

III. Unternehmensgewinne Literatur Kommentare zu Art. 7 OECD-MA; Becker/Günkel, Betriebsaufspaltung über die Grenze, in FS für Schmidt, München 1993, 483; Bendlinger, Paradigmenwechsel bei der Auslegung des Betriebsstättenbegriffs im DBA-Recht durch die OECD, SWI 2006, 358; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Gebbers, Zur Besteuerung der internationalen Betriebsaufspaltung durch Grundstücksvermietung, RIW 1984, 711; Günkel/Kussel, Betriebsaufspaltung mit ausländischer Besitzgesellschaft, FR 1980, 553; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Krabbe, Personengesellschaften und Unternehmensgewinne nach den DBA, IStR 2002, 145; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Müller, Die atypisch ausgestaltete stille Gesellschaft im Abkommensrecht, IStR 1996, 266; Piltz, Betriebsaufspaltung über die Grenze?, DB 1981, 2044; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Muster1 Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 225; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECDMA Rz. 64. 2 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 141; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 71. 3 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 142, 184. 4 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 144. 5 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 166; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECDMA Rz. 66, 79. 6 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 169. 7 Eigentum ist also nicht erforderlich; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 183. 8 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 39. 9 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 72; anders beim sog. Ertragsnießbrauch, bei dem der Eigentümer als Vermieter auftritt (BFH v. 26.4.1983 – VIII R 205/80, BStBl. II 1983, 502); hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 19; Kempermann in F/W/K, Art. 6 DBA-Schweiz Rz. 61. 10 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 158. 11 Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 91.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) abkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, Diss. Mannheim 1980; Pyszka, Aktuelle Fragen zur atypischen stillen Gesellschaft im Internationalen Steuerrecht, IStR 1999, 577; Remberg, Betriebsstätten-Gewinnermittlung im Blickpunkt der OECD – Fallbeispiel: Großanlagenbau, StbJb 2005/06, 179; Schmidt, Die atypisch stille Gesellschaft im deutschen Internationalen Steuerrecht – wie begründet ist die herrschende Meinung?, IStR 1996, 213; Schnieder, Die atypisch stille Gesellschaft im Recht der deutschen DBA, IStR 1999, 392; Strobl/Schäfer, Berücksichtigung von Auslandsverlusten bei atypisch stiller Gesellschaft, IStR 1993, 206; Wassermeyer, Einkommen und Vermögen im Abkommensrecht, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 529; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010; Wichmann, Aktuelle Tendenzen der OECD-Arbeiten zur Betriebsstätte, insbesondere bei Vertretern und Dienstleistungen, StbJB 2004/05, 93; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.

1. Allgemeines

16.229 Für Unternehmensgewinne gilt ein duales Verteilungssystem: Vom Ausgangspunkt her steht die Steuerberechtigung ausschließlich dem Wohnsitzstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 OECD-MA), so dass sich insoweit das Wohnsitzprinzip verwirklicht. Die entsprechenden Verteilungsnormen der DBA stellen daher vollständige Verteilungsnormen dar.

16.230 Unterhält das Unternehmen in dem anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so können die Unternehmensgewinne im Betriebsstättenstaat insoweit besteuert werden, als sie der Betriebsstätte dort zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 und Abs. 2 OECD-MA). Dieses Betriebsstättenprinzip artikuliert sich mithin in einer unvollständigen Verteilungsnorm, so dass es dem Wohnsitzstaat überlassen bleibt, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. In den deutschen DBA geschieht dies überwiegend durch die Freistellungsmethode.

16.231

Es entspricht der internationalen Besteuerungspraxis, den Kreis der den Unternehmensgewinnen zuzuordnenden Einkünfte weit zu ziehen.1 Demgegenüber bleibt die Reichweite der Betriebsstätteneinkünfte aufgrund des eng gefassten Betriebsstättenbegriffs (Art. 5 OECD-MA) weit dahinter zurück. Tendenziell geht damit das Betriebsstättenprinzip zu Lasten der kapitalimportierenden Staaten, da diese ein Besteuerungsrecht nur an Investitionen der Unternehmen der kapitalexportierenden Länder knüpfen können. Solange aber diese Unternehmen Gewinne etwa aus Warenlieferungen erzielen, gehen die kapitalimportierenden Länder leer aus, obwohl diese Gewinne nicht nur auf der Produktion der Waren im Wohnsitzstaat, sondern auch darauf beruhen, dass 1 Ab 2000 zählen nach den OECD-MA hierzu auch die im früheren Art. 14 geregelten Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

720

L. Verteilung der Steuergüter diese Waren im Empfängerstaat abgesetzt werden können.1 Dieses Ungleichgewicht in der Verteilung des Steuergutes benachteiligt insbesondere Entwicklungsländer.2 Im Hinblick darauf enthalten vor allem die DBA mit Entwicklungsländern eine Erweiterung der Betriebsstättenbesteuerung, die sich insbesondere darin zeigt, dass Bauausführungen und Montagen nicht erst bei einer Dauer von mehr als 12 Monaten, sondern bereits nach sechs Monaten als Betriebsstätten gelten.3 Darüber hinaus ist seit Jahren ohnehin die Tendenz erkennbar, die Anforderungen für das Vorhandensein einer Betriebsstätte abzusenken,4 was durchweg nicht im Interesse der Industriestaaten liegt.5 Aus dem Betriebsstättenprinzip folgt als Kehrseite das Verbot des Betriebsstättenstaates, Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaates gegenüber gleichartigen eigenen Unternehmen steuerlich schlechter zu stellen.6 Dieses Diskriminierungsverbot dient der Wettbewerbsneutralität in dem Sinne, dass in- und ausländische Unternehmen für ihre Tätigkeit auf ein und demselben Markt die gleichen steuerlichen Bedingungen vorfinden sollen. In den deutschen DBA wird dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität zusätzlich noch dadurch Rechnung getragen, dass Betriebsstättengewinne im Wohnsitzstaat zumeist freigestellt werden. Im Grundsatz ist damit allein die Besteuerung im Betriebsstättenstaat maßgeblich.

Da Träger der internationalen Wirtschaftstätigkeit überwiegend Unternehmen sind, sind die Unternehmensgewinne, die weitgehend den Einkünften aus nicht grundstücksbezogener Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)7 entsprechen, die wichtigste Einkunftsart auf Abkommensebene. Die diesbezüglichen Verteilungsnormen der DBA haben daher eine zentrale Bedeutung. Diese Verteilungsnormen werden ergänzt um Gewinnberichtigungsvorschriften (Art. 9 OECD-MA) sowie Sonderverteilungsnormen, die Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen erfassen (Art. 8 OECD-MA).

16.232

Einkünfte, für die die Voraussetzungen anderer Verteilungsnormen erfüllt sind, etwa für aus dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) bezogene Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA), Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) sowie für andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA)8 sind

16.233

1 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 3. 2 Zu den Interessengegensätzen von Entwicklungs- und Industrieländern beim Abschluss von DBA Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/ Stuttgart 1976, 205; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, Diss. Mannheim 1980, 285 ff. 3 Abkommensübersicht bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 74. 4 Vgl. OECD-MK zu Art. 5 Rz. 2–11; hierzu Wichmann, StbJB 2004/05, 93 ff.; Remberg, StbJb 2005/6, 179 (186); Bendlinger, SWI 2006, 358 ff. 5 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 115 f. 6 Art. 24 Abs. 4 OECD-MA; zum Diskriminierungsverbot Rz. 4.55 ff. 7 Seit 2000; zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 f. 8 Art. 21 OECD-MA geht trotz seines Charakters als Aufgangnorm vor; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

nicht Unternehmensgewinne. Vorrangig sind insoweit die speziellen Verteilungsnormen (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) soweit nicht für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und für andere Einkünfte der sog. Betriebsstättenvorbehalt eingreift. In diesen Fällen sind aus dem Betriebsstättenstaat stammende Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte als Betriebsstättengewinne der Besteuerung des Betriebsstättenstaates zugewiesen (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Da die Zuordnung zu den Unternehmensgewinnen nachrangig ist, soweit die Einkünfte außerhalb einer Betriebsstätte im Quellenstaat anfallen, gilt im Unterschied zu den Zuordnungsregeln des EStG1 ein umgekehrtes Subsidiaritätsprinzip.2 2. Begriffsabgrenzungen

16.234 Gegenstand der dem Wohnsitzstaat überlassenen Besteuerung sind die Gewinne eines dort ansässigen Unternehmens (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 OECD-MA). Aus abkommensrechtlicher Sicht bedeutet ein Unternehmen die Ausübung einer Geschäftstätigkeit (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA), die auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit mit einschließt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECDMA). Im Hinblick auf diese unklare Begriffsabgrenzung ist der Rückgriff auf innerstaatliches Recht des Anwenderstaates, soweit der Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert, zulässig.3 Es handelt sich hierbei um einen Typusbegriff,4 dessen Merkmale im Anwendungsbereich des deutschen Steuerrechts aus § 15 Abs. 1 EStG gewonnen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wegen der vom Einkommensteuerrecht abweichenden Abgrenzung der Einkunftsarten im Abkommensrecht5 Unternehmen und Gewerbebetrieb nicht stets gleichzusetzen sind.6 Zu den (gewerblichen) Unternehmen i.S. der DBA zählen aus deutscher Sicht neben Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 KStG) auch Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).7 Auch Anteile an atypisch stillen Gesellschaften,8 bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters

1 2 3 4 5 6 7 8

MA Rz. 175; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 355; a.A. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 865. §§ 20 Abs. 3; 21 Abs. 3; 22 Nr. 1 EStG. Zu den Einzelheiten Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 167 ff. mit Hinweisen auf DBA, in denen die Subsidiaritätsklausel fehlt. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 29. Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 5 Rz. 45. Etwa wegen der umgekehrten Subsidiarität. Im Ergebnis ebenso Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 28 ff.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a; Niehaves in Haase, Art. 7 OECDMA Rz. 31 ff. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 36 f.; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 66; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 64. Zur Abgrenzung zwischen typisch und atypisch stiller Gesellschaft Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 340 ff.

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L. Verteilung der Steuergüter

derjenigen eines Kommanditisten entspricht,1 gehören zu den Unternehmen i.S. der DBA. Dies hat zur Folge, dass der atypisch stille Beteiligte abkommensrechtlich nicht etwa Dividenden (Art. 10 OECD-MA) oder Zinsen (Art. 11 OECD-MA), sondern grundsätzlich Unternehmensgewinne erzielt.2 Unternehmen sind schließlich auch Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV),3 die in allen Mitgliedstaaten nach dem Mitunternehmerkonzept (Art. 40 EWIV-VO) und dementsprechend im deutschen Recht als offene Handelsgesellschaften (§ 1 EWIV-AG) behandelt werden, soweit sie gewerbliche Einkünfte erzielen.4 Da abkommensberechtigt nur Personen (Rz. 16.170) sein können, werden in den Abkommensschutz nur solche Unternehmen einbezogen, die von Personen betrieben werden, die in dem einen und/oder anderen Vertragsstaat ansässig (Rz. 16.174 f.) sind. Mithin kommt es nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird, wo es Betriebsvermögen hat oder seine Tätigkeit entfaltet.5

16.235

Gegenstand der Regelung des Art. 7 OECD-MA sind Unternehmensgewinne, die mangels abkommensrechtlicher Definition entsprechend der Begriffsorientierung an § 15 Abs. 1 EStG aus deutscher Sicht im Kernbereich den Einkünften aus Gewerbebetrieb entsprechen, darüber hinaus aber auch Einkünfte aus nicht grundstücksbezogener Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)6 erfassen. Dem Rückgriff auf die entsprechende Begriffswelt des nationalen Steuerrechts (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) werden allerdings durch die abkommensspezifische Subsidiaritätsregel des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA sowie ganz allgemein durch die den Verteilungsnormen als Konzeption zugrunde liegende isolierende Betrachtungsweise (Rz. 16.214) Schranken gesetzt mit der Folge, dass der Abkommenszusammenhang (Art. 3 Abs. 2 OECDMA) die Anwendung von besonderen Subsidiaritätsregeln7 und Einkünf-

16.236

1 BFH v. 10.8.1978 – IV R 54/74, BStBl. II 1979, 74; v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 99; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 53; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210). 2 BFH v. 5.2.1965 – VI 338/63 U, BStBl. III 1965, 258, v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Piltz in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 99; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 65; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 53 ff.; Schnieder, IStR 1999, 392 ff.; Pyszka, IStR 1999, 577 ff.; Krabbe, IStR 1999, 591 ff.; Burmester in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, 122 ff.; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210) Müller, IStR 1996, 266 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 ff.; BMF v. 28.12.1999, BStBl. I 1999, 1121. 3 Hemmelrath, in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 39, Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 102. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 174 ff. 5 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Vogel in V/L5, Art. 3 OECDMA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 25 ff. 6 Seit 2000; zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 ff. 7 §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1 EStG.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

tequalifikationsregeln1 des nationalen Rechts verbietet.2 Unternehmensgewinne sind daher Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die nicht Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA) darstellt, soweit diese Einkünfte nicht unter die für Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) oder andere Einkünfte geltenden Verteilungsnormen fallen. Unternehmensgewinne, zu denen auch Verluste als negative Unternehmensgewinne zählen (Symmetriethese),3 sind ferner nicht ohne weiteres Einkünfte von Gewerbetrieben kraft Rechtsform,4 von gewerblich geprägten Personengesellschaften5 oder die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung6 erzielten Einkünfte des Besitz- und Betriebsunternehmens. Sie sind es nur dann, wenn die Erwerbstätigkeit einer eigengewerblichen Tätigkeit entspricht und nicht spezielle Verteilungsnormen eingreifen. Daher gehören die Einkünfte aus der Verpachtung eines Betriebes auch dann nicht unbedingt zu den Unternehmensgewinnen, wenn eine Betriebsaufgabe nicht erklärt worden ist. Eine derartige gewerbliche Betriebsverpachtung ohne Betriebsaufgabeerklärung7 führt zwar nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb; diese sind aber abkommensrechtlich insoweit keine Unternehmensgewinne, als Gegenstand der Betriebsverpachtung unbewegliches Vermögen ist. Wegen des umgekehrten 1 Z.B. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (kodifizierte Abfärbetheorie; vgl. Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 185 ff.) und § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (Fiktion der gewerblichen Einkünfte einer gewerblich geprägten Personengesellschaft; Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 212 ff.). 2 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 49, 85; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 31, a.A. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.5.1. 3 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 5.6.1986 – IV R 338/84, BStBl. II 1986, 661; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1611; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 159; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 85; zur Frage, ob Verluste im Rahmen der Freistellungsmethode zu berücksichtigen sind Rz. 16.532. 4 Kapitalgesellschaften gem. § 8 Abs. 2 KStG; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECDMA Rz. 49. 5 Z.B. GmbH & Co. KG’s gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG; BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 (zu US-Personengesellschaft); Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 85; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (416); Oenings/Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 12.59 ff.; a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1; Krabbe, IStR 2002, 145 (148); Wolff in FS Wassermeyer, 647 (653 f.). 6 Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 800 ff.; speziell zur grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 34 ff.; Gebbers, RIW 1984, 711 ff.; Günkel/Kussel, FR 1980, 553 ff.; Piltz, DB 1981, 2044 ff.; Becker/Günkel in FS Schmidt, 483 ff. 7 Zu dem entsprechenden Wahlrecht und zu weiteren Einzelheiten Wacker in Schmidt29, § 16 EStG Rz. 690 ff.

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L. Verteilung der Steuergüter

Subsidiaritätsprinzips (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) handelt es sich in diesem Falle insoweit vielmehr um Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, für die das Belegenheitsprinzip maßgeblich ist.1 Zu den Unternehmensgewinnen zählen aus deutscher Sicht bei Personengesellschaften nur originär gewerbliche Gewinne,2 allerdings nicht Zinsen, Lizenzgebühren oder ähnliche Vergütungen, die an die Gesellschaft gezahlt werden. Diese Sondervergütungen sind zwar aus der Sicht des innerstaatlichen Steuerrechts Deutschlands Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Halbs. 2 EStG), auf Abkommensebene3 sind sie, soweit nicht § 50d Abs. 10 EStG eingreift (Rz. 18.72 f.), aber regelmäßig als Zinsen (Art. 11 Abs. 3 OECD-MA) oder als Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 2 OECD-MA) zu qualifizieren,4 wobei der in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzvergütungen maßgeblichen Verteilungsnormen verankerte Betriebsstättenvorbehalt (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA) regelmäßig deshalb nicht eingreift, weil die diesen Sondervergütungen zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht tatsächlich zu der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätte gehören.5 Entsprechendes gilt für aus deutscher Sicht zu qualifizierende Sonderbetriebseinnahmen: Das zugrunde liegende Sonderbetriebsver1 Art. 6 Abs. 1 OECD-MA; vgl. auch Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. 2 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECDMA Rz. 16a; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 46; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 31 f.; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 f.; a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1; eine gewerbliche Prägung spielt abkommensrechtlich also keine Rolle; vgl. Rz. 16.236. 3 Vgl. die Subsidiaritätsklausel des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA. 4 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; BFH v. 21.7.1999 – I R 71/98, BStBl. II 2000, 336; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 36, 58; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 108 ff.; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, 346 f.; a.A. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.3; nach Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz sind dagegen Sondervergütungen als Unternehmensgewinne (gewerbliche Einkünfte) zu behandeln und somit auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, 2. Halbs, Nr. 3 EStG zugeschnitten; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 mit kritischer Anm. von Debatin, RIW 1991, 355; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/90, RIW 1992, 689. 5 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998. 296; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 109 f.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 328; a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1 unter Hinweis auf § 50d Abs. 10 EStG.

725

16.237

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

mögen1 wird nur in Ausnahmefällen2 tatsächlich zum Vermögen der Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören.3 Sind die den Sondervergütungen und Sonderbetriebseinnahmen zugrunde liegenden Vermögenswerte etwa in Drittstaaten belegen, geht der Betriebsstättenvorbehalt ohnehin ins Leere, da hiervon von vornherein nur im Betriebsstättenstaat selbst belegenes Vermögen erfasst wird.

16.238 Wie die Unternehmensgewinne zu ermitteln sind, ergibt sich nicht aus den Abkommen. Da auch aus dem Abkommenszusammenhang keine Orientierungspunkte für die Gewinnermittlung abgeleitet werden können, sind die Regeln des nationalen Rechts des jeweiligen Anwenderstaates maßgeblich.4 Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts gilt somit auch für die Ermittlung von Unternehmensgewinnen das grundlegende Nettoprinzip, so dass insoweit auch für Abkommenszwecke ein Betriebsausgabenabzug möglich ist. Das bedeutet auch, dass als Unternehmensgewinn positive und negative Einkünfte gleichermaßen erfasst werden (Symmetriethese).5 Der Unternehmensgewinn ist daher gem. §§ 4 Abs. 1, 3; 5 EStG zu ermitteln, wobei allerdings im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Besonderheiten gelten (§§ 49 ff. EStG). Die für die Ermittlung des Unternehmensgewinns maßgeblichen Gewinnermittlungsvorschriften des nationalen Steuerrechts werden im Ergebnis nicht durch die in Art. 7 OECD-MA verankerten Regeln überlagert. Das gilt insbesondere für die gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA auszugrenzenden Betriebsstättengewinne: Beide Vorschriften betreffen nicht die Gewinnermittlung, sondern die auf einer nachfolgenden Stufe erforderliche Gewinnzuordnung.6

1 Zu Sonderbetriebsvermögen I und II Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 506 ff. 2 Für Anteile an der Komplementär-GmbH einer deutschen GmbH & Co. KG: BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 3 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 120a, Piltz, IStR 1996, 457 (459). 4 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Art. 7 Rz. 21; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 159; Wassermeyer in FS Beisse, 529 (532 f.). 5 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659; v. 5.6.1986 – IV R 338/84, BStBl. II 1986, 661; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1611; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 159; ferner Rz. 16.532. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 184.

726

L. Verteilung der Steuergüter

3. Betriebsstättengewinne a) Allgemeines Das im Ausgangspunkt für Unternehmensgewinne maßgebliche Wohnsitzprinzip (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 i.V. mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA) gilt nicht, wenn die Unternehmensgewinne in dem anderen Vertragsstaat im Rahmen einer dort gelegenen Betriebsstätte erzielt werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 OECD-MA).

16.239

In den deutschen DBA wird die Doppelbesteuerung insoweit im Grundsatz dadurch vermieden, dass die ausländischen Betriebsstättengewinne in Deutschland als Wohnsitzstaat unter Progressionsvorbehalt freigestellt werden.1 Wegen des internationalen Steuergefälles wird dadurch das in allen DBA verankerte Betriebsstättenprinzip zu einem zentralen Orientierungspunkt für die internationale Geschäftstätigkeit. Zugleich bedeutet das Betriebsstättenprinzip eine wichtige Wertentscheidung für die Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Vertragsstaaten: Die unternehmerische Tätigkeit soll erst dann von einem ausländischen Staat zum Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gemacht werden, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an diesen Staat geführt hat.2 Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt der in den jeweiligen DBA eigenständig formulierte Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA) mit seinen sachlichen und personellen Anknüpfungsmerkmalen für die Besteuerung im Betriebsstättenstaat eine erhebliche Bedeutung.

16.240

b) Betriebsstättenbegriff Literatur Kommentare zu Art. 5 OECD-MA; Baehren, Die Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der DBA der Bundesrepublik Deutschland, Diss. München 1957; Becker, Die Besteuerung regionaler Konzernverwaltungsstellen, DB 1984, 1847; Brunner, Die Betriebsstätte und ihre internationale Bedeutung als Steuerort, Diss. Bern 1954; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Verbundene Unternehmen als Betriebsstätte, IStR 2010, 553; Endres, Die Vertreterbetriebsstätte im Konzern, IStR 1996, 1; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl. Herne/Berlin 1983; Flick, Der Begriff der festen Betriebsstätte und seine Entwicklung, CDFI LII (1967), 443; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 1 Für ausländische Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb wird die Steuerfreistellung ggf. durch bilaterale oder unilaterale Aktivitätsklauseln durch die Steueranrechnung ersetzt; vgl. Rz. 16.151, 16.544. 2 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 1; zu den internationalen Tendenzen, den Betriebsstättenbegriff, insbesondere im Zusammenhang mit sog. Dienstleistungsbetriebsstätten, aufzuweichen und auszuweiten Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR 2010, Beilage zu Heft 18, 1 ff.

727

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) 2009; IFA, Is there a permanent establishment?, Cahiers de Droit Fiscal International (CDFI), Vol. 94a (2009); Kaumanns, Die Erfassung von Baustellen des Auslandsbaus der deutschen Bauindustrie als ertrag- und vermögensteuerliches Problem des Internationalen deutschen Steuerrechts, Frankfurt 1992; Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Diss. Münster 1974; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Kunze, Der Begriff der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters, Diss. Mannheim 1963; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Puls, Die Betriebsstätte im Abgaben- und Abkommensrecht, Köln/Berlin/München 2005; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, Köln 1979; Schürmann/ Reinhardt, Beschränkte Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht wegen inländischer Tochtergesellschaft „mit Abschlussvollmacht“?, AWD 1974, 603; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung, Diss. München 1966; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Gelsenkirchen 1982; Spitaler, Die Einschränkung des Betriebsstättenprinzips im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1956, 69; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Deventer 1980; Strobl/Kollmann, Beschränkte Steuerpflicht durch Verbindungsbüros?, AWD 1969, 405; Wassermeyer, Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 971; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wiater/Bosch, National bestimmbare Steuerentstrickung unternehmerischer Erträge durch Nutzung des Internets?, IStR 1998, 757.

16.241 Da der Begriff der Betriebsstätte in den DBA eine eigenständige Regelung gefunden hat (Art. 5 OECD-MA), ist ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht (§ 12 AO) grundsätzlich ausgeschlossen.1 Soweit indessen die in Art. 5 OECD-MA verwendeten Begriffe mit denen des § 12 AO identisch oder vergleichbar sind, z.B. Bauausführung, Montage, können bei der Auslegung der abkommensrechtlichen Begriffe auch die Begriffsinhalte nach dem Verständnis des innerstaatlichen Rechts hilfsweise Berücksichtigung finden.2 Im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, der für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht für gewerbliche Einkünfte mit Betriebsstätte und ständigem Vertreter gesonderte Anknüpfungspunkte gewählt hat, sind auf Abkommensebene im Begriff der Betriebsstätte die sachlichen und personellen Anknüpfungspunkte für die Aufrechterhaltung der Quellenstaatbesteuerung für Unternehmensgewinne zusammengefasst.3 Da die sachlichen Anknüpfungspunkte im Vordergrund stehen, werden diese in der Praxis unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zumeist einer primären Prüfung unterzogen.4 1 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 8; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 8; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 2 Unter dieser Einschränkung kann daher auch auf die zu § 12 AO ergangene Rechtsprechung verwiesen werden. 3 Im Übrigen ist der Betriebsstättenbegriff der DBA enger als der des § 12 AO; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 9. 4 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA, Ziff. 35; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 6.

728

L. Verteilung der Steuergüter

Die DBA verstehen unter einer Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA). Zur festen Geschäftseinrichtung in diesem Sinne zählen alle dem Betrieb dienenden Sachen (körperliche Gegenstände), insbesondere Räumlichkeiten, soweit sie einen ausreichenden Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche haben. Unter diesem Gesichtspunkt stellen etwa Bohrinseln,1 die fest mit dem Meeresboden verbunden sind, sowie ständig mit dem Ufer fest verbundene Schiffe,2 eine feste Geschäftseinrichtung dar. Unkörperliche Gegenstände vermitteln keine feste Geschäftseinrichtung, so dass weder Software noch eine Website eine Betriebsstätte sein können.3

16.242

Die feste Geschäftseinrichtung muss sich in der Verfügungsgewalt des Unternehmens befinden, dessen Gewinne für Zwecke der Verteilung zwischen Wohnsitzstaat und Betriebsstättenstaat zur Disposition stehen.4 Abzustellen ist daher nicht nur auf Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften, sondern grundsätzlich auch auf Personengesellschaften.5 Soweit nach innerstaatlichem Recht des Anwenderstaates Gewinnanteile an einer Personengesellschaft den Gesellschaftern zugerechnet werden, ist Unternehmen im Sinne des Abkommens (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) der Anteil des Gesellschafters am Unternehmen der Gesellschaft selbst.6 Folglich ist jede Betriebsstätte der Gesellschaft zugleich auch eine Betriebsstätte des Unternehmens eines jeden Gesellschafters,7 und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschafter bei der Errichtung der betreffenden Betriebsstätte mitgewirkt hat oder dort tätig ist. Es reicht aus, dass entweder die Personengesellschaft selbst oder einer der Gesellschafter Verfügungsmacht hat,8 wobei in Fällen, in denen der Personengesellschaft

16.243

1 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 13, 14; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECDMA Rz. 37. 2 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 14. 3 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 29; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 30; Wiater/Bosch, IStR 1998, 757 (758). 4 Ständige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 16; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 93 ff.; Haase in Haase Art. 5 OECD-MA Rz. 65 ff.; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, B Rz. 74 ff.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 42, 42a. 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184. 6 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Hemmelrath in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184; Debatin, BB 1992, 1181 (1182 f.); BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.5.1. 7 Das gilt auch bei doppelstöckigen Personengesellschaften für die Gesellschafter der Obergesellschaft; vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 45. 8 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 4.12.1991 – I R 140/90, BStBl. II 1992, 750; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v.

729

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Sonderbetriebsvermögen zur Nutzung überlassen wird, der betreffende Mitunternehmer insoweit eine eigene Mitunternehmerbetriebsstätte unterhalten kann.1 Ob die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung rechtlicher oder tatsächlicher Art ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Verfügungsmacht nicht ohne weiteres entzogen werden kann.2 Daher kann eine Verfügungsmacht schon dann angenommen werden, wenn ein leitender Angestellter des Unternehmens entsprechende Räumlichkeiten, in denen der Betrieb des Unternehmens ausgeübt wird, unter seinem Namen angemietet hat.3 Das Erfordernis der Verfügungsgewalt des Unternehmens über die Geschäftseinrichtung schließt es aus, dass Tochtergesellschaften insoweit Betriebsstätten der Muttergesellschaft sind (Art. 5 Abs. 7 OECD-MA: Anti-Organ-Klausel). Sie können allerdings z.B. als abhängige Vertreter (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA) für die Muttergesellschaft auftreten und hierdurch eine Betriebsstätte für diese begründen.4

16.244 Eine feste Geschäftseinrichtung setzt ferner voraus, dass diese dem Unternehmen nicht nur vorübergehend, sondern auf eine gewisse Dauer5 zu dienen bestimmt ist. Aus diesem Grunde begründen umherziehende Gewerbetreibende, die sich jeweils nur für kurze Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten, in dem betreffenden Land keine Betriebsstätte.6

16.245 Schließlich muss die feste Geschäftseinrichtung dem Geschäftsgegenstand des Unternehmens in dem Sinne dienen, dass sich die Tätigkeit des Unternehmens darin selbst vollzieht. Stillgelegte Betriebe sind daher keine Betriebsstätten. Die bloße Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken führt ebenfalls nicht dazu, dass diese Grundstücke feste Geschäftseinrichtungen sind, in denen die Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird.7 Entsprechendes gilt auch für Pipelines, Gleisanlagen und Versor-

1 2 3 4 5

6 7

2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECDMA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184; Piltz, Die Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht, 152 ff.; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 188, 308. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 16. RFH v. 3.12.1936, RStBl. 1937, 67; BFH v 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; BFH v. 5.10.1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 16. OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA Ziff. 40 f. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 258; Ditz, IStR 2010, 553. Abzustellen ist hierbei auf eine Zeitgrenze von 6 Monaten und ggf. von 12 Monaten, soweit die Geschäftseinrichtung einer Montage oder Bauausführung (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) vergleichbar ist; vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 19; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 37a; vgl. auch Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 79. Beispiele bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 20. RFH v. 27.5.1941, RStBl. 1941, 393; BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84,

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L. Verteilung der Steuergüter

gungsleitungen1 und darüber hinaus auch für einen Internet-Server;2 es handelt sich hierbei zwar um technische Anlagen, die dem Produktverkauf dienen, in ihnen wird aber keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt.3 Stellen die vermieteten oder verpachteten Gegenstände in ihrer Gesamtheit eine feste Geschäftseinrichtung für den Mieter oder Pächter dar, so folgt daraus noch nicht das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung auch beim Vermieter oder Verpächter.4 So bildet etwa ein im Rahmen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung an die Betriebsgesellschaft verpachteter Geschäftsbetrieb nicht ohne weiteres auch eine feste Geschäftseinrichtung bei der Besitzgesellschaft.5 Die Betriebsgesellschaft ist zwar nicht Betriebsstätte im Sinne einer festen Geschäftseinrichtung, sie kann aber ein abhängiger Vertreter gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA sein.

16.246

Da eine feste Geschäftseinrichtung erfordert, dass in ihr eine Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird, begründen Tätigkeiten, die über bloße Vorbereitungshandlungen und Hilfstätigkeiten nicht hinausgehen, keine Betriebsstätten (Art. 5 Abs. 4 Buchst. e und f OECD-MA). Soziale Einrichtungen, wie etwa solche für die Belegschaft des Unternehmens, dienen dem Geschäftsgegenstand nur mittelbar und sind daher keine Betriebsstätten.6

16.247

Eine Betriebsstätte entsteht erst dann, wenn die unternehmerische Tätigkeit in der festen Geschäftseinrichtung aufgenommen wird. Hierzu gehören noch nicht die entsprechenden Vorbereitungs- und Nebentätigkeiten.7 Hiervon zu unterscheiden ist die Zuordnung von Betriebsstättengewinnen, die unabhängig davon erfolgt, ob zum Zeitpunkt der Gewinnentstehung eine Betriebsstätte schon oder noch vorhanden ist (Rz. 18.35 ff.).

16.248

1 2 3 4 5 6 7

BStBl. II 1988, 653; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 42a; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 23; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 50. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 10, 33; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 33; a.A. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 33a; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 5, 29; OFD Karlsruhe v. 11.11.1998, IStR 1999, 439. Im Hinblick darauf zu weitgehend und zu einer Auflösung des Betriebsstättenprinzips führend OECD-MK zum OECD-MA Ziff. 42.1–42.9. OECD-MK zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, Ziff. 8; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 52. BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 862; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. RFH v. 22.1.1941, RStBI. 1941, 90; RFH v. 17.9.1941, RStBI. 1941, 764; BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. Wassermeyer in D/W, Art. 5 Rz. 56; Haase, AStG/DBA, Art. 5 Rz. 64; Art. 5 Nr. 11 S. 2 MK; a.A. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 31; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 8; anders zT. bei Bauausführungen und Montagen; hierzu Rz. 16.254 ff.

731

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.249 In Konkretisierung der Betriebsstättendefinition enthalten die Abkommen regelmäßig einen Katalog von Regelbeispielen,1 die allerdings eine Prüfung, ob die Tatbestandsmerkmale einer Betriebsstätte gegeben sind, nicht entbehrlich machen.2

16.250 Nach dem diesbezüglichen Positivkatalog ist auch ein Ort der Leitung als ein Ort, an dem das Unternehmen ganz oder ein Teil des Unternehmens geleitet wird, Betriebsstätte. Erforderlich hierfür sind Anlagen und Einrichtungen, in denen die entsprechenden Leitungsfunktionen ausgeübt werden können.3 Die Voraussetzungen im Sinne eines Ortes der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO) müssen nicht erfüllt sein, so dass durchaus mehrere Orte der Leitung jeweils als Anknüpfungspunkt für die Betriebsstättenbesteuerung dienen können.4 Daher begründen auch Kontroll- und Koordinierungsstellen5 grenzüberschreitender Konzerne als Orte der Leitung oder als Geschäftsstellen regelmäßig Betriebsstätten, es sei denn, ihre Tätigkeit beschränkt sich auf die bloße Beschaffung von Informationen.

16.251 Zum Positivkatalog zählen ferner Zweigniederlassungen als organisatorisch verselbständigte, rechtlich aber unselbständige Untergliederungen eines Unternehmens, soweit sie nicht nur Hilfstätigkeiten ausüben. Für die Annahme der Betriebsstätteneigenschaft kommt es nicht auf die Registereintragung der Zweigniederlassung an.6 Ist indessen eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen, spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass eine Betriebsstätte unterhalten wird.7

16.252 Soweit die Untergliederungen des Unternehmens keine organisatorische Selbständigkeit haben, können sie als Geschäftsstellen, in denen büromäßige Aufgaben des Managements ausgeübt werden,8 insbesondere als

1 Art. 5 Abs. 2 OECD-MA. 2 OECD-Kommentar zum OECD-MA Ziff. 12 zu Art. 5; RFH v. 30.4.1935, RStBl. 1935, 840; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Günkel in G/K/G, DBA, Art. 5 Rz. 106, Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 257; modifizierend BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 3 Eine Wohnung reicht aus; BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECDMA Rz. 64. 4 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 39; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 41; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 70; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 120; Becker, DB 1984, 1847 ff. BMF v. 24.8.1984, BStBl. I 1984, 458. 6 BFH v. 26.2.1964 – II 289/59 U, BStBl. III 1964, 275; Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 42. 7 BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 71 f. 8 Zur Begrifflichkeit BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755.

732

L. Verteilung der Steuergüter

Verbindungsbüros,1 durchaus Betriebsstätteneigenschaft erlangen, sofern dort nicht lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt werden.2 Neben Fabrikationsstätten und Werkstätten zählen insbesondere Bergwerke, Öl- oder Gasvorkommen, Steinbrüche oder andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen zu jenen Einrichtungen, die in dem Positivkatalog als Betriebsstätten genannt sind.3

16.253

In der internationalen Vertragspraxis haben Bauausführungen und Montagen4 eine besondere Beachtung dadurch gefunden, dass über den allgemeinen Betriebsstättenbegriff (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA) hinaus ein besonderer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung gefunden wird,5 obwohl die fraglichen Tätigkeiten nicht stets alle Voraussetzungen des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs erfüllen. So ist z.B. eine mehr als zwölfmonatige Bauausführung auch dann Betriebsstätte, wenn es an einer festen Geschäftseinrichtung oder Anlage fehlt.6 Sie ist es nicht, wenn die Zwölfmonatsfrist nicht erreicht wird, und zwar selbst dann nicht, wenn sie zu einer festen Geschäftseinrichtung gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA gehört.7 Durch diese Erweiterung des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs wird insbesondere den Kapitalimportländern ein nicht unwesentlicher Besteuerungszugriff eingeräumt, der eine zusätzliche Erweiterung noch dadurch erfährt, dass in den insbesondere mit Entwicklungsländern und Schwellenländern abgeschlossenen DBA das allgemeine Zeitraumerfordernis von zwölf Monaten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) auf regelmäßig sechs Monate reduziert worden ist.8

16.254

1 2 3 4

5 6

7 8

Flick, CDFI LII (1967), 443 (452); Strobl/Kollmann, AWD 1969, 405 (409). BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 78 ff. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA; zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO: BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94; aus der umfangreichen Literatur (nur Monographien): Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 38 f., 153 f.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 50 f., 66 ff.; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 169 ff.; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung; Kaumanns, Die Erfassung von Baustellen des Auslandsbaus der deutschen Bauindustrie als ertrag- und vermögensteuerliches Problem des Internationalen deutschen Steuerrechts. Zum Prüfungsschema für Bauausführungen und Montagen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 340, 349. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA enthält insoweit eine Definitionserweiterung; vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 62, Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 95; Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 95; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 56; Rz. 16 OECD-MK zu Art. 5. Hierzu der Überblick über die deutschen DBA bei Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 74.

733

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.255 Zu den Bauausführungen1 zählen alle zur Fertigstellung oder zum Abbruch eines Bauwerks erforderlichen Arbeiten einschließlich der Bauplanung und Bauüberwachung, soweit diese von dem betreffenden Bauunternehmer selbst oder durch Subunternehmer2 ausgeführt werden. Die bloße Bauplanung bzw. Bauüberwachung bedeutet demgegenüber keine Bauausführung, so dass eine Betriebsstätte hierdurch nur dann begründet wird, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs gegeben sind.3

16.256 Zu den Montagen4 zählen insbesondere die Aufstellung von Stahlgerüsten oder Produktionseinrichtungen5 sowie das Zusammenfügen oder der Umbau vorgefertigter Einzelteile in jedem Stadium der Produktion,6 nicht jedoch bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten.7

16.257 Die maßgebliche Zwölf-Monatsfrist beginnt mit den Vorbereitungs- bzw. Nebenarbeiten vor Ort,8 etwa mit der Errichtung von Baubuden,9 und endet entsprechend mit dem Abschluss von Nebentätigkeiten, etwa dem Probelauf einer aufgestellten Maschine.10 Übliche Arbeitsunterbrechungen, z.B. arbeitsfreie Wochenenden sowie Urlaubszeiten, hemmen dabei den Fristablauf nicht, werden also mitgezählt.11

1 Zum Begriff: Erstellung von Bauwerken, Bau von Straßen, Brücken und Kanälen, Legen von Rohrleitungen, Erd- und Baggerarbeiten usw. (ABC-Aufstellung) vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 104 f. 2 Voraussetzung: Der Generalunternehmer muss vor Ort die Überwachung der Bauausführung in Händen halten; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 104, 115; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 68; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 148. 3 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA Ziff. 17; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.2; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 68, 80 mit einer Übersicht deutscher Abkommen, nach denen ausnahmsweise auch die Bau- und Montageüberwachung als Betriebsstätte behandelt wird. 4 Zum Begriff: Zusammensetzen von Einzelteilen zu einem neuen Produkt vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 5 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 6 Weitere Einzelheiten bei Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 20 ff. 7 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.1. 8 Anders bei festen Geschäftseinrichtungen, hierzu Rz. 16.248. 9 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA Ziff. 18; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 131; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. 10 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 65; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 134; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 151. 11 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 132.

734

L. Verteilung der Steuergüter

Nicht mitgezählt werden dagegen vom Bau- bzw. Montageunternehmen zu vertretende Arbeitsunterbrechungen, soweit sie nicht bloß kurzfristig sind.1

16.258

DBA enthalten durchweg auch einen Negativkatalog (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA), nach dem bestimmte Geschäftseinrichtungen und Sachgesamtheiten auch dann nicht als Betriebsstätten gelten, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierfür gegeben sein sollten. Das gilt insbesondere für Einrichtungen, in denen ausschließlich vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten ausgeübt werden. Dass diese Einrichtungen dem Besteuerungszugriff des Betriebsstättenstaates entzogen sind, hat seinen Grund insbesondere in der schwierigen Bestimmung des auf solche nicht unmittelbar der Einkünfteerzielung dienenden Hilfstätigkeiten entfallenden Anteiles am Unternehmensgewinn.2 Im Hinblick darauf zählen nicht zu den Betriebsstätten Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern und Waren des Unternehmens genutzt werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA), sowie Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. b OECD-MA). Ferner zählen hierzu nicht Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. c OECD-MA). Darüber hinaus gelten auch solche feste Geschäftseinrichtungen nicht als Betriebsstätten, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA).3 Derartige Einkaufsstellen sind allerdings dann in vollem Umfange Betriebsstätten, wenn dort auch für andere Unternehmen eingekauft wird oder für diese Informationen beschafft werden. Aus diesem Grunde sind etwa gemeinsame Einkaufsstellen konzernverbundener Unternehmen, die insoweit andere Unternehmen darstellen, stets Betriebsstätten.4 Da der Negativkatalog allgemein feste Geschäftseinrichtungen ausnimmt, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, für das Unternehmen Tätigkeiten auszu-

16.259

1 Frist: 14 Tage; vgl. BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 133. 2 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 85; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 152; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 163; in der Vergangenheit wurde als weiterer Grund die fehlende „produktive Funktion“ solcher Tätigkeiten angeführt; vgl. hierzu Brunner, Die Betriebsstätte und ihre internationale Funktion als Steuerort, 45; Baehren, Die Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der DBA der Bundesrepublik Deutschland, 112 ff., Spitaler, RIW 1956, 69 (70). 3 Vgl. auch BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417 zur Betriebsstätteneigenschaft einer Redaktionsaußenstelle einer Tageszeitung. 4 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 94; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 172.

735

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

üben, die vorbereitender Art sind oder reine Hilfstätigkeiten bedeuten (Art. 5 Abs. 4 Buchst. e OECD-MA),1 werden der internationalen Unternehmenstätigkeit betriebsstättenorientierte Spielräume zugestanden.2 Ob es sich nämlich um Haupt- oder Nebentätigkeiten handelt, hängt vom Unternehmensgegenstand des betreffenden Unternehmens und von dessen tatsächlicher Tätigkeit ab. Werden etwa in einer Geschäftsstelle gemischte Tätigkeiten ausgeübt, also solche, die nicht nur unter den Negativkatalog fallen, wird eine einheitliche Betriebsstätte begründet, so dass die Tätigkeiten insgesamt der Betriebsstättenbesteuerung unterworfen werden können (Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA).3

16.260 Eine Betriebsstätte wird auch dadurch begründet, dass abhängige Vertreter mit Abschlussvollmacht4 für das Unternehmen tätig werden (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA). Zu diesen Vertretern zählen nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personenvereinigungen, so dass etwa auch Tochtergesellschaften Vertreter für die Muttergesellschaft sein können.5

16.261

In diesem Zusammenhang stellen die DBA aufgrund einer sog. Anti-OrganKlausel fest, dass allein aufgrund eines Beherrschungsverhältnisses die Betriebsstätteneigenschaft der beherrschten Gesellschaft nicht begründet wird (Art. 5 Abs. 7 OECD-MA). Das bedeutet, dass Tochtergesellschaften nicht schon zur Geschäftseinrichtung oder zum abhängigen Vertreter der Muttergesellschaft werden, weil sie von dieser rechtlich beherrscht werden. Eine Vertreterbetriebsstätte vermögen sie allerdings dadurch zu begründen, dass sie als Vertreter der Muttergesellschaft (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA) mit deren Vollmacht Verträge abschließen, die über den Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit hinausgehen (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA).6

16.262 Da grundsätzlich lediglich die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters eine Vertreterbetriebsstätte begründet, gehören selbständige Gewerbetreibende, etwa Makler, Kommissionäre und Handelsvertreter, soweit sie sich im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit bewegen (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA),7 nicht zu diesem Personenkreis. Als abhängige Vertreter 1 Es handelt sich hierbei um eine Generalklausel im Verhältnis zu Art. 5 Abs. 4 Buchst. a bis d; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 177. 2 Hierzu Kaligin, RIW 1995, 398 ff. 3 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 4 OECD-MA; Ziff. 30; zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 182 f. 4 Prüfschema bei ausländischen Vertretern bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 275; zu den Unterschieden zwischen § 13 AO einerseits und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA andererseits Wassermeyer in FS Schaumburg, 971 (974 ff.). 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 112; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 197; Endres, IStR 1996, 1 ff. 6 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 258; Schürmann/Reinhardt, AWD 1974, 603 (603). 7 Zur ordentlichen Geschäftstätigkeit: BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. II 1984, 94; v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L5, Art. 5

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L. Verteilung der Steuergüter

kommen daher nur solche Personen in Betracht, die an die geschäftlichen Anweisungen des Unternehmens gebunden sind und auch persönlich zu diesem in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.1 Für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte reicht es indessen nicht aus, wenn von der Abschlussvollmacht nur gelegentlich Gebrauch gemacht wird; erforderlich ist vielmehr die Nachhaltigkeit der Vollmachtsausübung.2 Beschränkt sich die Tätigkeit des abhängigen Vertreters auf Tätigkeiten, die unter den Negativkatalog (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) fallen, so wird hierdurch auch keine Vertreterbetriebsstätte begründet (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA). c) Gewinnzuordnung3 Literatur Kommentare zu Art. 7 OECD-MA; Bader/Klose, Steuerliche Behandlung vergeblicher Auftragskosten für ausländische Bauprojekte, IStR 1996, 318; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, München 1971; Becker, Konzernumlagen und Konzernpreise bei Betriebsstätten, EStZ 1971, 95; Becker, Die Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Bendlinger, „Dealing at arm’s length“ bei temporären DBA-Betriebsstäten, SWI 1997, 104; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/ Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Buciek, „Unterbetriebsstätte“ und Außensteuerrecht, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 647; Burgers/Betten, The Taxation of Permanent Establishments, IBFD Publications 1993; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986; Dahnke, Betriebsstättenbesteuerung: Zuordnung von Generalunkosten des ausländischen Stammhauses gegenüber der inländischen Betriebsstätte, IStR 1996, 475; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692, 1739; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, Frankfurt 1978; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Felix, Körperschaftsteuerliche Beurteilung so genannter „Regiekosten“ international tätiger Konzerne, StuW 1964, 19; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl., Herne/Berlin 1983; Fink, Gewinnzurechnungsmethoden im Verhältnis zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte, OECD-MA Rz. 150; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 229 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 49 f.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 55. 1 BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626; v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 116, 145; kritisch zum Erfordernis der persönlichen Abhängigkeit Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 225; Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. B 156; Zehetner in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der DBA, 111 (118). 2 Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. 3 Zur Einkünftezuordnung im Einzelnen Rz. 18.1 ff.

737

16.263

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) RIW 1988, 43; Förster, Der OECD-Bericht zur Gewinnermittlung bei Versicherungsbetriebsstätten, IStR 2008, 800; Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, 617; Frotscher, Gedanken zur Zentralfunktion der GeschäftsleitungsBetriebsstätte, in Strunk/Wassermeyer/Kaminski (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht und Internationales Steuerrecht, GS Krüger, Bonn/Berlin 2006, 95; Gassner/Lang/ Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der DBA, Wien 1998; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Häuselmann, Die Besteuerung des Global Trading, RIW 1997, 857; Häuselmann, Entwurf von US-Regulations zum Global Trading, RIW 1998, 391; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Hog, Zur Besteuerung von Einkünften bei der Errichtung von Anlagen im Ausland, StBp. 1968, 97; Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, Frankfurt/M. 1995; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349; 395; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, Freiburg 1992; Kluge, Ertragsteuerliche Zurechnungsprobleme bei internationaler Unternehmenstätigkeit und ihre Beeinflussung durch DBA, Diss. Bochum 1975; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Kopp/Pross, Zinsswaps im nationalen und internationalen Steuerrecht der USA, RIW 1994, 488; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Lang, M., Die Unterbetriebsstätte im Abkommensrecht, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 709; Maisto, Verrechnungspreise bei Fehlen vergleichbarer Marktpreise, CDFI LXXVIIa (1992), 141; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Berlin/Bielefeld/München 1997; Neubauer, Erfahrungen des Bundesamtes für Finanzen bei der Prüfung von Auslandsbeziehungen, JbFSt 1976/77, 312; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, Wien 2004; Oesch, Ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, Bern/Stuttgart 1987; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Ritter, Grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, JbFSt 1976/77, 288; Roth, Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten und Personengesellschaften, in Lüdicke, Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, Köln 2000, 87; Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext, DStJG 4 (1981), 247; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, Köln 1979; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996, 110; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Deventer 1980; Telkamp, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im Ausland?, Wiesbaden 1973; Wagner, Global Trading, StBp. 1991, 154; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010; Weber, Gewinnermittlung und Besteuerung deutscher Unternehmen mit ausländischen Betriebsstätten, InstFuSt (Brief 250), Bonn 1985; Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar/Köln 2008.

16.264 Der Betriebsstättenstaat darf die Unternehmensgewinne nur insoweit besteuern, als sie der Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Welche Gewinne der Betriebsstätte zuzurech-

738

L. Verteilung der Steuergüter

nen sind, entscheidet sich nach den Zuordnungsregeln der DBA (Art. 7 Abs. 2 bis 6 OECD-MA), insbesondere aufgrund der abkommensrechtlichen Regelungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA). Diese Regelungen stellen im Wesentlichen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zum Betriebsstättenvermögen gehören. Hieraus folgt, dass gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA der Betriebsstätte von vornherein nur Gewinne aus den Vermögenswerten zugerechnet werden können, die der Betriebsstätte dienen. Mit anderen Worten: Die betreffenden Vermögenswerte müssen in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit stehen. Hiervon kann in der Regel dann ausgegangen werden, wenn die Vermögenswerte dem Betriebsstättenvermögen seitens des Unternehmers gewidmet werden. Unter diesem Gesichtpunkt kommt daher dem Buchausweis indizielle Bedeutung zu.1 Dienen Wirtschaftsgüter sowohl dem Stammhaus als auch der Betriebsstätte oder verschiedenen Betriebsstätten, etwa gleichermaßen einer Ober- und Unterbetriebsstätte,2 so erfolgt stets eine vermögensmässige Zuordnung nur zum Stammhaus oder nur zu einer Betriebsstätte.3 Eine Zuordnung ist zwingend; betriebsstättenloses Vermögen gibt es daher nicht.4 In Orientierung an dem maßgeblichen funktionalen Zuordnungszusammenhang werden in aller Regel Anteile an Tochtergesellschaften sowie immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Patente) dem Stammhaus zuzuordnen sein.5 Das schließt nicht aus, dass sich die Zuordnung der auf den unternehmerischen Einsatz der Wirtschaftsgüter beruhenden Aufwendungen und Erträge davon abweichend vollzieht. Das gilt insbe1 RFH v. 19.12.1935, RSTBl. 1936, 590; BFH v. 30.3.1988 – II R 76/87, BStBl. II 1988, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 241; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 272; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 338; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 209. 2 Zum Problemkreis sog. Unterbetriebsstätten Buciek in FS Flick, 647 ff.; Gassner/ Hofbauer in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 83 ff.; M. Lang in FS Wassermeyer, 709 ff.; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.5 ff. 3 BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 7.6.2000 – III R 9/96, BStBl. II 2000, 592 (zum InvZulG); Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 260; Wied in Blümich, § 49 Rz. 74; Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 91; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4; a.A. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.48 f.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 375. 4 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240; Wassermeyer, IStR 2004, 676 f. 5 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4(„Zentralfunktion des Stammhauses“); kritisch hierzu Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Roth in Lüdicke, Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 87 (99 ff.).

739

16.265

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

sondere in den Fällen, in denen etwa die betreffenden Wirtschaftsgüter mehreren Betriebsstätten nebeneinander oder (kurzfristig) nacheinander dienen.1

16.266 Die Zuordnungsregeln der DBA erheben im Grundsatz den Drittvergleich zum Maßstab für die Gewinnzuordnung: Der Betriebsstätte wird im Grundsatz der Gewinn zugeordnet, den sie als ein vom Stammhaus unabhängiges Unternehmen hätte erzielen können (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Die Gewinnzuordnung2 ist damit zugleich auch eine Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte,3 von deren Reichweite die Ebene der Gewinnermittlung allerdings nicht erfasst wird.4 Diese abkommensrechtliche dealing at arm’s length-Klausel5 ist nicht bloß eine Ermächtigungsnorm, die durch eine innerstaatliche Vorschrift ausgefüllt werden muss. Es handelt sich vielmehr um eine unmittelbar anwendbare Norm, die zu ihrer Durchführung – abgesehen vom Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG – keiner innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift mehr bedarf, insoweit also self executing-Wirkung hat.6 Die Gewinnzuordnung ist daher nicht den autonomen Regelungen der beteiligten Staaten überlassen. Sie hat vielmehr in den DBA eine Bindungswirkung für die Vertragsstaaten erfahren. Die self executing-Wirkung der dealing at arm’s length-Klausel richtet sich damit sowohl gegen den Betriebsstätten- als auch gegen den Wohnsitzstaat.7 Hierdurch wird die Grundlage dafür gelegt, dass trotz unterschiedlicher Gewinnzuordnungsvorschriften eine Doppelbesteuerung oder eine Besteuerungslücke vermieden werden kann.

16.267 Die dealing at arm’s length-Klausel geht von einer Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte aus, um so einen Maßstab für die Aufteilung des Gewinns des Gesamtunternehmens auf Stammhaus und Betriebsstätte zu liefern (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Hiernach sind der Betriebsstätte dieje1 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4. 2 Oder Gewinnzurechnung. 3 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 100, Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 160 ff., 188. 4 Hierzu Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 40 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 (39 ff.). 5 Dieser Ausdruck stammt aus der Fechtersprache: Die Fechter müssen sich auf Waffenlänge, also in angemessenem Abstand, gegenüberstehen, um einen fairen Wettkampf zu gewährleisten. 6 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 71; Kroppen in G/K/G Art. 7 OECDMA Rz. 107 ff.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 504; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 621 ff.; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im internationalen Steuerrecht, 237; Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, 108; Kluge, StuW 1975, 294 (302 f.); Schaumburg, DStJG 4 (1981), 247 (253); Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 23 (71); Ditz, IStR 2005, 37 (41); a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 7 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 71.

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L. Verteilung der Steuergüter

nigen Gewinne zuzurechnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. Die Gewinnzurechnung auf der Grundlage des Fremdvergleichs ist im Wesentlichen von der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion abhängig. Geht man von einer uneingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte aus, so müssen alle Beziehungen tatsächlicher Art zwischen Betriebsstätte einerseits und Stammhaus andererseits steuerlich wie Rechtsbeziehungen zwischen völlig fremden Unternehmen betrachtet werden mit der Folge, dass zwischen Betriebsstätte und Stammhaus Darlehenszinsen, Mieten, Provisionen, Dienstleistungshonorare und ähnliche Vergütungen in gleichem Maße steuerlich zu berücksichtigen sind wie im Verhältnis zwischen fremden Unternehmen.1 Geht man indessen von einer eingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte aus, weil Betriebsstätte und Stammhaus als Teile ein und desselben Unternehmens nicht auf allen Gebieten wie fremde Dritte miteinander verkehren können, kommt ein Ansatz der vorgenannten Entgelte für Leistungen des Stammhauses an die Betriebsstätte oder umgekehrt grundsätzlich nicht in Betracht.2 Zutreffend ist die Interpretation im Sinne der bloß eingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte. Die Reichweite der Selbständigkeitsfiktion geht nämlich nicht über ihre Bedeutung als Maßstab für die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte einerseits und Stammhaus andererseits hinaus: Sie gilt nicht schon für die Gewinnermittlung, sondern erst für die logisch nachfolgende Zuordnung des Gewinns (Gewinnabgrenzung).3 Gegenstand der Zuordnung des Gewinns ist daher stets der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn des Gesamtunternehmens. Der Betriebsstätte können daher nur solche Ge-

1 Diesem Entgeltsprinzip folgen z.B. Kroppen in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 108 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 620 ff.; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 84; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 119; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, EStZ 1971, 95 (100); Becker, DB 1989, 10 ff.; Kluge, StuW 1975, 294 (304); Sieker, DB 1996, 110 (112); nunmehr geregelt in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. 2 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 92; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 185, 324; Looks in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 836 ff.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, 141; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 305, Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 1; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 141 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 ff.; Ritter, JbFSt 1976/77, 288 (300 ff.); Neubauer, JbFSt 1976/77, 312 (314 ff.); Fink, RIW 1988, 43; Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395 (396); Bendlinger, SWI 1997, 104 (106 f.). 3 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 92; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im internationalen Steuerrecht, 237; Ditz; IStR 2005, 37 (42).

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16.268

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) winne zugerechnet werden, die sie erwirtschaftet1 hat, die also zugleich Gewinne des Gesamtunternehmens sind.2 Daraus folgt, dass eine Aufwands- und Ertragszuordnung zur Betriebsstätte nur dann in Betracht kommt, wenn es sich zugleich um tatsächliche Aufwendungen und Erträge des Gesamtunternehmens handelt.3 Bloße Innentransaktionen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte führen daher, soweit keine speziellen Entstrickungsnormen eingreifen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG § 12 Abs. 1 KStG; hierzu Rz. 5.350 f.), grundsätzlich4 nicht zu Gewinnrealisationen.5 Aus diesem Grunde sind zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus vereinbarte Darlehenszinsen, Lizenzgebühren, Mieten, Provisionen, Dienstleistungshonorare und ähnliche Vergütungen steuerlich nur insoweit verrechnungsfähig, als hierfür tatsächlich Aufwendungen entstanden sind. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ist somit auch keine Rechtsgrundlage für eine Steuerentstrickung bzw. Steuerverstrickung bei Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte (Rz. 18.27). Für auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 abgeschlossene oder geänderte DBA gilt indessen zukünftig das Entgeltsprinzip im Sinne der uneingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte.6

16.269 Während die dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Normen der DBA mit dem dealing at arm’s length-Prinzip die Grundregel für die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte enthalten, regeln die dem Art. 7 Abs. 3 und 4 OECD-MA entsprechenden Abkommensnormen insbesondere die Methoden der Gewinnzuordnung, und zwar die direkte Methode (Art. 7 Abs. 3 OECD-MA) und die indirekte Methode (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA). Beide Methoden verfolgen das Ziel einer Gewinnzuordnung nach Maßgabe des Erwirtschaftungsprinzips (Rz. 18.34), so dass der Teil des Gesamtergebnisses des Unternehmens als Gewinn der Betriebsstätte zu ermitteln ist, der sowohl durch ihre Tätigkeit als auch durch ihre Existenz erwirtschaftet wird. Daher ist es auch unerheblich, ob etwa Aufwendungen im Inland oder im Ausland anfallen, ob sie vom Stammhaus oder von der Betriebsstätte getragen werden (Art. 7 Abs. 3 OECD-MA).

16.270 Die DBA sprechen ausdrücklich lediglich die indirekte Methode an (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA), unterstellen aber die direkte Methode als Normalmethode.7 Die Gewinnzuordnung nach der direkten Methode macht die Ermittlung des Betriebsstättengewinns aufgrund einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung wie bei einem selbständigen Unternehmen erforderlich. Die indirekte Methode dagegen geht vom Gesamtgewinn 1 Das Erwirtschaftungsprinzip ist eine Konkretisierung des allgemein geltenden Veranlassungsprinzips, hierzu im Einzelnen unter Rz. 18.34. 2 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 91. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 4 Zu Ausnahmen bei Bankgeschäften unter Rz. 16.272. 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 28.10.2009 – I R 99/08, IStR 2010, 98 (103). 6 Vgl. OECD, Report on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings – Chapter IX of the Transfer Pricing Guidelines, Paris 2010. 7 Vgl. den Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 OECD-MA.

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L. Verteilung der Steuergüter

des Unternehmens aus und teilt diesen nach bestimmten Schlüsseln auf das Stammhaus und die Betriebsstätte auf. Entsprechend den Abkommensregelungen steht sowohl in der deutschen1 als auch in der internationalen Praxis2 die direkte Methode im Vordergrund. Sie allein ist in der Lage, das in den Abkommen verankerte dealing at arm’s length-Prinzip uneingeschränkt zu verwirklichen.3 Demgegenüber ist die indirekte Methode lediglich ausnahmsweise geboten, wenn diese Methode in dem betreffenden Vertragsstaat üblich ist und der gewählte Schlüssel darauf abzielt, einen steuerlichen Gewinn zu ermitteln, der dem Betrag möglichst nahe kommt, welcher sich aufgrund einer gesonderten Buchführung ergeben hätte (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).4 Soweit die indirekte Methode die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, ist sie auch dann zulässig, wenn sie in den betreffenden DBA nicht ausdrücklich als Methode der Gewinnzuordnung erwähnt ist.5 Die indirekte Methode wird lediglich dann in Betracht kommen, wenn für die betreffende Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat die Führung von Büchern nicht zwingend vorgeschrieben ist oder aber die Betriebsstätteneigenschaft etwa im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung erst im Nachhinein festgestellt wird. In derartigen Fällen wird, wenn keine Schätzung auf der Grundlage der direkten Methode möglich ist, ein den Anforderungen des dealing at arm’s length-Prinzips entsprechendes Ergebnis nur dann erreicht werden können, wenn für die indirekte Methode sachgerechte Schlüssel für die Gewinnzuordnung zur Verfügung stehen. Die allgemein üblichen Aufteilungsschlüssel, wie z.B. Umsatz, Lohnsumme oder Kapital,6 werden dem Ziel einer verursachungsgerechten Gewinnzuordnung nur selten entsprechen.7 Sachgerechter erscheinen hier die insbesondere für Bauausführungen und Montagen entwickelten Risikoschlüssel.8 Dem Primat der direkten Methode entspricht es, dass die DBA regelmäßig eine Methodenstetigkeit verlangen (Art. 7 Abs. 6 OECD1 Zum Vorrang der direkten Methode RFH v. 25.5.1932, RStBl. 1932, 771; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 25; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 104. 2 Hierzu der Überblick bei Maisto, CDFI LXXVIIa (1992), 141 (194 ff.). 3 Zu den Vor- und Nachteilen der direkten und indirekten Methode Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 585 ff.; 93 ff. 4 Nach dem OECD-MA 2010 ist die indirekte Mehode nicht mehr vorgesehen. 5 BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; vgl. den Überblick über die betreffenden Abkommen ohne Regelung der indirekten Methode bei Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 133. 6 Vgl. hierzu den Überblick über die in der Praxis üblichen Aufteilungsschlüssel bei Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 195 ff.; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.193 ff. 7 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 105. 8 Hierzu in einzelnen Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 100 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 87 ff.; Feuerbaum, DB 1968, 1501 ff., 1548 ff.; Schieber, EStZ 1972, 3 ff., 47 ff.; Bendlin-

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16.271

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

MA). Von einer einmal gewählten Methode dürfen daher weder die Unternehmen selbst noch die Finanzbehörden des betreffenden Vertragsstaates ohne rechtfertigenden Grund abweichen. Unter diesem Gesichtspunkt wird allenfalls ein Wechsel von der indirekten zur direkten Methode in Betracht kommen.1

16.272

Wenn auch im Grundsatz der direkten Methode der Vorzug zu geben ist, so wird diese Methode in der Praxis dennoch stets mit Elementen der indirekten Methode vermischt.2 Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die direkte Methode nicht sachgerecht ist, etwa bei zeitlich limitierten Bauausführungen und Montagen, mit der heute üblichen „turn-key-Verantwortung“3 deutscher Anlagebauunternehmen im Ausland4 sowie beim Global Trading von Banken, soweit das gehandelte Portfolio für Zwecke des weiteren Zukaufs oder Verkaufs von Zweigstelle zu Zweigstelle weitergegeben wird („trading off the book“).5

16.273 Da insbesondere die direkte Methode das Ziel einer verursachungsgerechten Gewinnzuordnung nach Maßgabe des Erwirtschaftungsprinzips verfolgt, ist darauf abzustellen, ob die Betriebsstätte zu dem Zeitpunkt bestanden hat, in dem die ausschlaggebenden Ursachen für die Entstehung des Gewinns gesetzt worden sind.6 Die Gewinnzuordnung ist daher allein sachbezogen,7 so dass vorweggenommene Aufwendungen und Erträge, etwa im Rahmen der Planungsphase einer Baustelle, ebenso als Betriebsstättengewinne in Betracht kommen wie nachträgliche Aufwendungen und Erträge.8

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ger, SWI 1997, 104 (111 f.); Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 (122 ff.). Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 162. Sog. gemischte Methode; vgl. hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 192. Schlüsselfertige Anlagen. Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 195, 199. Hierzu Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 109; de Hosson, Intertax 1990, 2 ff.; Kopp/Pross, RIW 1994, 488 (499); Wagner, StBp. 1991, 154 ff.; Portner, IStR 1995, 251 ff.; Häuselmann, RIW 1997, 857 ff.; Häuselmann, RIW 1998, 391 ff. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 45. Streitig; vgl. den Überblick zum Meinungsstand bei Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 295 ff.; sowie die Diskussion bei Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 65 (72 ff.), zu Einzelheiten Rz. 18.35 ff. Zu vorweg genommenen Aufwendungen und Erträgen: BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 45; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 210; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, 60; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 205 ff.; Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 71 ff.; Hog, StBp. 1968, 97 ff.; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.1; z.T. modifizierend Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 295 ff.; zu nachträglichen Aufwendungen und Erträgen: RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551;

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L. Verteilung der Steuergüter

Kommt es nicht zur Errichtung einer Betriebsstätte, verbleibt es bei der Zuordnung der Unternehmensgewinne zum Stammhaus, weil es an einem anderweitigen Zuordnungssubjekt fehlt.1

16.274

Eine sachbezogene Gewinnzuordnung schließt auch aus, dass bei Vorliegen einer Betriebsstätte dem Betriebsstättenstaat sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen innerhalb dieses Staates als Betriebsstättengewinne zur Besteuerung überlassen sind. Eine derartige Attraktivkraft der Betriebsstätte ist mit den Gewinnzuordnungsregeln der DBA unvereinbar.2 Im Rahmen der direkten Methode wird die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte einerseits und Stammhaus andererseits bei Außentransaktionen regelmäßig keine größeren Probleme aufwerfen. So sind etwa Außenumsätze derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, die den Umsatz ausgeführt hat.3

16.275

Ebenso sind die von der Betriebsstätte für ihre eigenen Bedürfnisse selbst 16.276 aufgenommenen Fremdmittel ihr zuzuordnende Schulden, so dass die Zinsen hierfür unmittelbar abziehbar sind.4 Demgegenüber sind Aufwendungen und Erträge im Zusammenhang mit Innentransaktionen nur dann bei der Betriebsstätte zu berücksichtigen, wenn sie auch im Gesamtunternehmen zu Aufwendungen oder Erträgen geführt haben.5 So können Zinsen, die vom Stammhaus der Betriebsstätte für zur Verfügung gestelltes Fremdkapital berechnet werden, steuerlich bei dieser grundsätzlich nicht abgezogen werden,6 so dass alle zur Verfügung gestellten

1

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v. 16.7.1969 – I R 186/66, BStBl. II 1970, 56; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 6; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 45; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-SchweizRz. 209; Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 183 ff., 251 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 218; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 86 f.; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 116 ff.; z.T. modifizierend Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 305; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.2; vgl. zu allem die Diskussion bei Piltz/ Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 65 (72 ff.); ferner Rz. 18.34 ff. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 300; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 332; Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 75 ff.; Bader/Klose, IStR 1996, 318 ff.; a.A. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.1. OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 5; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 184; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1793 (1740). Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 113. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. Anders für künftige, auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 abgeschlossene oder geänderte DBA. RFH v. 26.10.1937, RStBI. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 15.7.1986 – VII R 178/83, BStBl. II 1986, 735; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 116; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 185, 272, 281, 324; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht,

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Beträge insgesamt als Dotationskapital zu behandeln sind.1 Ein Zinsabzug kommt in diesem Zusammenhang nur dann in Betracht, wenn das Stammhaus seinerseits Fremdmittel aufgenommen und diese der Betriebsstätte zugeführt hat.2 Aus dem gleichen Grund können Mieten, Pachten und Lizenzgebühren im Rahmen einer Einkünftezuordnung nach Maßgabe des Erwirtschaftungsprinzips der Betriebsstätte nicht als selbständige Leistungen mit Gewinnaufschlag, sondern lediglich als Kostenumlagen berechnet werden.3

16.277 Entsprechendes gilt für Geschäftsführungs- und allgemeine Verwaltungskosten des Stammhauses, die zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen sind, wenn und soweit die Aufwendungen durch eine spezielle Leistung des Stammhauses für die Betriebsstätte ausgelöst worden sind oder wenn und soweit die den Kosten zugrunde liegenden Leistungen des Stammhauses im Gesamtunternehmensinteresse liegen4 und damit auch der Betriebsstätte zugute kommen.5

16.278 Werden seitens des Stammhauses für die Betriebsstätte spezielle Dienstleitungen erbracht, so sind die entsprechenden Kosten ebenso zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen wie die typischen Regie- und Kontrollkosten,6 soweit die entsprechenden Tätigkeiten im Interesse der betreffenden Betriebsstätte ausgeübt werden.7 Abweichend von dem Grundsatz, dass im Zusammenhang mit Innentransaktionen lediglich Kosten zu verrechnen sind, kann zwischen Stammhaus und Betriebsstätte dann zum Marktpreis abgerechnet werden, wenn es sich um sonstige

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323; Ritter, JbFStR 1976/77, 288 (302 ff.); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740); a.A. z.B. Becker, DB 1989, 10 (12 ff.). BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1965, 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; zum Meinungsstand der Überblick bei Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 290 ff.; ferner Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 146 ff.; Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 91; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.16 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 632 ff. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 281; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 143 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 119; vgl. nunmehr aber Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Hierzu gehören insbesondere die Kosten für allgemeine Geschäftsführungs- bzw. Verwaltungsaufgaben einschließlich der Kosten für den Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlungen; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 284; Dahnke, IStR 1996, 475 ff. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 284; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 139. Zur Terminologie Felix, StuW 1964, 19 ff. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 287; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 140 f.

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Leistungen handelt, die gewöhnlich auch Gegenstand von Außentransaktionen sind.1 Soweit es sich um einen grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer, insbesondere um Warenlieferungen, handelt, greifen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Steuerentstrickung) oder § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG (Steuerverstrickung) mit der Maßgabe ein, dass für die überführten Wirtschaftsgüter der gemeine Wert zum Ansatz kommt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5a EStG; hierzu Rz. 5.349 ff.; 5.353 ff.). Als Ausnahme von dem dealing at arm’s length-Prinzip regeln die DBA, dass aufgrund des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen einer Betriebsstätte kein Gewinn zuzurechnen ist (Art. 7 Abs. 5 OECD-MA). Diese Ausgrenzung von Einkaufsgewinnen, die mit dem dealing at arm’s length-Prinzip nicht vereinbar ist,2 hat seinen Grund in der wirtschaftspolitischen Zielsetzung der Exportförderung und entspricht der abkommensmässigen Betriebsstättendefinition, wonach Einkaufsstellen als solche nicht als Betriebsstätten gelten (Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA; hierzu Rz. 16.259). Da Einkaufsstellen nur dann keine Betriebsstätten sind, wenn diese ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen, setzt die Ausgrenzung der Einkaufsgewinne (Art. 7 Abs. 5 OECD-MA) voraus, dass eine Betriebsstätte mit gemischter Tätigkeit vorliegt. Lässt sich eine entsprechende Gewinnaufspaltung nicht aus der Betriebsstättenbuchführung ableiten, kommt gegebenenfalls eine Schätzung in Betracht.

16.279

4. Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt Literatur Kommentare zu Art. 8 OECD-MA; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunktes der geschäftlichen Oberleitung eines Schifffahrtsunternehmens, DStR 1998, 1122; Kröger, Zu dem Begriff „Betrieb von Handelsschiffen“ und „internationaler Verkehr“ i.S. des § 34c Abs. 4 EStG, DStR 1974, 658; Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Hamburg 1985; Ritter, Neugestaltung der beschränkten Steuerpflicht für ausländische Schiff- und Luftfahrtunternehmen, DStZ A 1971, 16; Söffing, Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, FR 1972, 222.

Das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne hat in allen deutschen DBA eine Sonderregelung für Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt erfahren (Art. 8 OECD-MA).

1 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 17.5; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 120; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 315. 2 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 153; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 347; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 103 f.; Storck, Ausländische Betriebsstätten, 311; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 237 ff.

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16.280

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.281 Hiernach können Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.1 Die diesbezügliche Verteilungsnorm in den DBA weist das Besteuerungsrecht dem Staat der tatsächlichen Geschäftsführung als Quellenstaat abschließend zu mit der Folge, dass die Besteuerung im Betriebsstättenstaat und im Wohnsitzstaat ausgeschlossen ist.2 Diese abweichende Verteilungsregel findet ihren Grund darin, dass das für Unternehmensgewinne sonst übliche Wohnsitz- und Betriebsstättenprinzip nicht sachgerecht ist.3 So ist nicht selten der rechtliche Sitz von Schifffahrtsunternehmen in Staaten, in denen sie keine Aktivitäten ausüben. Die Anknüpfung an das Wohnsitzprinzip würde hier den Wohnsitzstaat einseitig bevorzugen.4 Da zudem Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen aufgrund ihrer international ausgerichteten Tätigkeit zumeist in mehreren Staaten Betriebsstätten unterhalten, würde bei Anknüpfung an das Betriebsstättenprinzip eine Zuordnung des Beförderungsgewinns zu den einzelnen Betriebsstätten auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.5 Im Hinblick darauf stellt sich Art. 8 OECD-MA gegenüber Art. 7 OECD-MA als speziellere Vorschrift dar.6 Der dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung eingeräumte Vorrang ggü. dem Wohnsitzstaat und dem Betriebsstättenstaat gilt nur dann, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten befindet. Liegt der Ort der Geschäftsleitung in einem dritten Staat, so verbleibt es bei der Anwendung der für Unternehmensgewinne geltenden allgemeinen Verteilungsnorm (Art. 7 OECD-MA) mit der Folge, dass für die Verteilung des Besteuerungsrechts entweder das Wohnsitzprinzip oder das Betriebsstättenprinzip gilt.7 Die für die Gewinne aus Schifffahrts- und Luftfahrt1 Art. 8 Abs. 1 und 2 OECD-MA; in einigen deutschen DBA sowie im Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen wird hiervon abweichend zT. dem Wohnsitzprinzip gefolgt; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. 2 Kreutziger in Wassermeyer in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 11; Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 3. 3 Besteuert allerdings der Geschäftsleitungsstaat nach seinem nationalen Recht nur die auf die Geschäftsleitungsbetriebsstätte entfallenden Gewinne, kann es im Übrigen zu einer Nichtbesteuerung („weiße Einkünfte“) kommen, Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 6; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 11. 4 In einigen deutschen Abkommen wird dennoch das Wohnsitzprinzip verwirklicht; vgl. die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35, 41. 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 4; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 107. 6 BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 8; Kreutziger/Krings in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 1; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 12. 7 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 8.

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L. Verteilung der Steuergüter

unternehmen geltende besondere Verteilungsregel (Art. 8 OECD-MA) greift schließlich auch dann nicht ein, wenn zwar der Ort der Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten liegt, der Unternehmer jedoch in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. In diesem Fall fehlt es schon an der für die Anwendung des Abkommens erforderlichen Abkommensberechtigung.1 Die Steuerberechtigung für Beförderungsgewinne steht dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung nur zu, wenn die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, erzielt werden. Da die Abkommen selbst nicht definieren, was unter Seeschiffen und Luftfahrzeugen zu verstehen ist, richtet sich die Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen,2 wobei die für die besondere Verteilungsregel maßgeblichen Zweckmäßigkeitsgründe besondere Berücksichtigung finden müssen. Demnach zählen zu den Schiffen alle auf und unter dem Wasser sich bewegenden oder bewegten Transportmittel3 und zu den Luftfahrzeugen alle auf dem Wasser oder auf dem Festland startenden und landenden Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewegen.4

16.282

Der Begriff „internationaler Verkehr“ hat dagegen in den DBA eine eigenständige Definition erfahren (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA). Hiernach ist unter internationalem Verkehr jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug zu verstehen, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben. Vorausgesetzt wird daher stets eine grenzüberschreitende Beförderung.5

16.283

Neben den Gewinnen aus der eigentlichen Beförderungstätigkeit selbst werden dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung auch die Gewinne aus Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten zur Besteuerung zugewiesen.6 Zu den Gewinnen aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gehören schließlich auch die Gewinne aus der Vercharterung von vollständig

16.284

1 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 9; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECDMA Rz. 11; Kroschewski in Haase, Art. 8 OECD-MA Rz. 27. 2 Der gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA gebotene Rückgriff auf nationales Recht führt hier nicht weiter, weil auch das deutsche Steuerrecht keine Begriffsdefinition enthält. 3 Nach Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 16, 31 reicht jedes schwimmende Fahrzeug ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck aus, was im Ergebnis aber zu keinem Unterschied führt, weil die nicht zu Transportzwecken dienenden Fahrzeuge nicht im „internationalen Verkehr“ eingesetzt werden. 4 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 12, 13; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 15 ff.; Erhard in F/W/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 31 ff., 36. 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 20; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECDMA Rz. 31. 6 Zu Einzelheiten Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 21; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 102 f.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ausgerüsteten bemannten Schiffen oder Luftfahrzeugen.1 In Abgrenzung hiervon zählen dagegen Einkünfte aus sog. bare boat-charter oder dry lease zu den Unternehmensgewinnen gem. Art. 7 OECD-MA,2 es sei denn, es handelt sich insoweit nur um eine untergeordnete Tätigkeit.3 Erfasst werden von Art. 8 OECD-MA auch Einkünfte aus dem Containerverkehr und den damit zusammenhängenden Leistungen,4 zu denen aus deutscher Sicht der Landtransport zwischen Auftraggeber und Verladehafen/ Entladehafen nicht gehört.5

16.285 Art. 8 OECD-MA enthält keine Regelungen über die Gewinnermittlung, so dass im Rückgriff auf die Vorschriften des nationalen Steuerrechts (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), auch auf Abkommensebene das den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zugrunde liegende Nettoprinzip verwirklicht wird. Im Hinblick darauf ist der Gewinn6 aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nach Maßgabe der §§ 4 Abs. 1, 3; 5 EStG zu ermitteln.7 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht sind allerdings die Besonderheiten des § 49 Abs. 3 EStG zu beachten.8

16.286 Die für das Recht auf Besteuerung der Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen maßgebliche Anknüpfung an den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung9 führt insbesondere bei der Besteuerung von Personengesellschaften, die ein Schiff- oder Luftfahrtunternehmen betreiben, in der internationalen Besteuerungspraxis zu Besteuerungslücken. Nach den nationalen Rechtsordnungen ist der Ort der Geschäftsleitung nämlich lediglich für die Besteuerung juristischer Personen maßgeblich. Ist etwa eine beschränkt steuerpflichtige Person an einer deutschen Personengesellschaft beteiligt, die ein Schifffahrtsunternehmen betreibt, bleibt die Reichweite der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG) hinter der von den DBA eingeräumten Besteuerungsbefugnis (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA) zurück, da ausländische Beförderungsgewinne durch die beschränkte Steuerpflicht nicht erfasst

1 OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5. 2 Vgl. OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5; Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECDMA Rz. 17; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 19. 3 OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5. 4 Zu Einzelheiten Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 5 Vgl. den deutschen Vorbehalt zu dem anders lautenden OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 29. 6 Hierzu zählen positive und negative Einkünfte; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECDMA Rz. 37. 7 Ggf. auch gem. § 5a EStG (Tonnagebesteuerung). 8 Hierzu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 193. 9 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA, er entspricht dem Ort der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO), vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 26; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 51 ff.

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L. Verteilung der Steuergüter

werden.1 Die durch die vorgenannte Anknüpfungsdivergenz sich ergebenden Besteuerungslücken werden allerdings in einigen deutschen DBA durch Sonderregelungen geschlossen.2 Befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der See- oder Binnenschifffahrt an Bord eines Schiffes, so wird der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als im Heimathafen gelegen fingiert (Art. 8 Abs. 3 OECD-MA). Mit dieser Regelung wird an die Grundsätze des Völkerrechts angeknüpft, nach denen ein Schiff unter der Flagge eines Staates auch dessen Rechtsordnung untersteht.3 Fehlt ein Heimathafen, so wird der Ort der Geschäftsleitung als in dem Staat gelegen fingiert, in dem der Betreiber des Schiffes ansässig ist (Art. 8 Abs. 3 OECDMA).

16.287

Die besondere Verteilungsregel des Art. 8 OECD-MA gilt nicht nur für die Besteuerung von Gewinnen aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen, sondern auch für Gewinne aus der Beteiligung des Unternehmens an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Art. 8 Abs. 4 OECD-MA). Auch für diese Gewinne ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens, das an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligt ist, maßgeblich.

16.288

5. Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen Literatur Kommentare zu Art. 9 OECD-MA und § 1 AStG; Andresen, Konzernverrechnungspreise für multinationale Unternehmer, Wiesbaden 1999; Bauer, D., Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Bauer, M., Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, Frankfurt/M. 2000; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Plädoyer für einen einheitlichen Fremdvergleichsmaßstab im deutschen Außensteuerecht zur Beurteilung internationaler Verrechnungspreise, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/ Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 633; Baumhoff, Die Behandlung der Kostenaufschlagsmethode im neuen OECD-Bericht zu den Verrechnungspreisen, IStR 1996, 53; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln/Berlin/Bonn/München 1986; Baumhoff, Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen, in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 1 Zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 28; Kreutziger in D/W, Art. 8 OECD-MA Rz. 23, Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 115 ff. 2 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz; hierzu BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 38; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 111; zu anderen DBA Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 39 ff. 3 Art. 91 SRÜ; vgl. hierzu BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 54 Rz. 3 ff.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Köln 2005, C 224; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach den „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“, DStR 2005, 1549; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urteil des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; BDI, Steuerliche Prüfung internationaler Verrechnungspreise (Drucks. Nr. 159), Köln 1983; Becker, Der ordentliche Geschäftsleiter – im deutschen und ausländischen Recht, in FS für Döllerer, Düsseldorf 1988, 17; Becker, Comments on Profit Methods proposed by the OECD Discussion Report, Intertax 1995, 256; Bergsteiner, Die Problematik von Gewinnverlagerungen bei internationalen Konzernen im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss deutscher Konzernunternehmen, Diss. München 1968; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Brezing, Verrechnungsentgelte und Umlagen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern, Köln 1975; Chebounow, Zur Problematik der Gewinnberichtigung nach dem DBA-Recht, IStR 2002, 586; Debatin, Neugestaltung der deutsch-schweizerischen Steuerbeziehungen, DStZ/A 1971, 385; DIHT, Internationale Verrechnungspreise, Bonn 1981; Ebenroth, Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, Bielefeld 1979; Eigelshoven/Nientimp, Internationale Verrechnungspreise und formale Kriterien beim Institut der verdeckten Gewinnausschüttung, DB 2003, 2307; Eigelshoven/Nientimp, Die Dokumentation angemessener Verrechnungspreisen nach den VerwaltungsgrundsätzeVerfahren: Eine kritische Analyse, DB 2005, 1184; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, Berlin 2003; Engel, Konzerntransferpreise im Internationalen Steuerrecht, Köln 1986; Fischer-Zernin, Sondervergütungen und DBA, RIW 1991, 493; Flick, Deutsche Verwaltungsgrundsätze zu internationalen Verrechnungspreisen aus der Sicht der Unternehmen, JbFSt 1981/82, 133; Franke/Kügler, Steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, IFStSchrift Nr. 463, Bonn 2010; Frotscher, Verfassungsrechtliche Fragen zu den Dokumentationspflichten bei Verechnungspreisen und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 391; Gosch, Wechselbezügliches zwischen internationalen und nationalen Gewinnkorrekturvorschriften, in Carlé/Stahl/Strahl (Hrsg.), Gestaltung und Abwehr im Steuerrecht, FS für Korn, Bonn 2005, 401; Goutier, Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen mangels eindeutiger, im Voraus getroffener Absprachen im Lichte der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Felix, Köln 1989, 63; Graf, Gewinnabgrenzung im Electronic Commerce, Hamburg 2003; Haas, Funktionsverlagerung – Verhältnis zu DBAs, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 715; Hackmann, Verrechnungspreise für Sachleistungen im internationalen Konzern, Wiesbaden 1984; Hoffmann, Besteuerung bei internationaler Finanzierung und Kapitalverlagerung deutscher Unternehmen, Göttingen 1980; Höppner, Der Bericht des OECD-Steuerausschusses über „Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen“, StBp. 1981, 56; Kaminski, Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung durch die Unternehmenssteuerreform 2008, RIW 2007, 594; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001; Keerl, Internationale Verrechnungspreise in der globalisierten Wirtschaft, Göttingen 2008; Klein, Die steuerliche Verrechnungspreisgestaltung international tätiger Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1988; Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, Stuttgart 1983; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, Freiburg 1992; Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Köln; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, München 1997; Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, Frankfurt/Deventer 1976; Kurzewitz, Wahl der ge-

752

L. Verteilung der Steuergüter eigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, Wien 1988; Lang, M., Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, Wien 1996; Maguire/Theisen u.a., Verrechnungspreise bei Lizenzen und Dienstleistungen, München 1990; Maisto, Verrechnungspreise bei Fehlen vergleichbarer Marktpreise, CDFI LXXVIIa (1992), 141; Möller, Verrechnungspreis und Zollwert 2004; Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, Lohmar/Köln 2003; Nieß, Der Einfluss der internationalen Besteuerung auf die Finanzierung ausländischer Grundeinheiten deutscher multinationaler Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1989; Oesch, Ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Steuerrecht, Bern/Stuttgart 1987; Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, Herne/Berlin 2003; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000; Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, Köln 2003; Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, Bielefeld 1989; Popp, Erfassung und Besteuerung von Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001; Raupach, Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen, Herne/ Berlin 1999; Remmen, Konzernverrechnungspreise und Konzernumlagen im Aktien- und GmbH-Recht, Frankfurt/M. 2001; Ritter, Steuerliche Prüfung internationaler Verrechnungspreise, BB 1983, 1677; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994; Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000; Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010; Scheffler, Die Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG durch Schätzung, Diss. Hamburg 1980; Scheffler, Die Verrechnungsentgelte bei international tätigen Unternehmen –, dargestellt am Beispiel der Kostenumlage für verwaltungsbezogene Dienstleistungen, ZfbF 43 (1991), 471; Schein, Verrechnungspreismethoden für den datengestützten Verrechnungsverkehr zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften, München 2005, Schmelling, Verrechnungspreispolitik in internationalen Unternehmen, Münster 1985; Schnieder, Der „beherrschende Gesellschafter“ und Artikel 9 des OECD-Musterabkommens, IStR 1999, 65; Schnorberger, Das Probleme unangemessener Verrechnungspreise im internationalen Konzern, Mainz 1998; Schöne, Zum Vorteilsausgleich im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG, FR 1989, 543; Schuch/Zehetner, Verrechnungspreise im Internationalen Steuerrecht, Wien 2001; Seidel, Gewinnverschiebungen über die Grenze, Diss. Göttingen 1971; Strobel, Die Gewinnabgrenzung bei international verflochtenen Unternehmen in der europäischen Gemeinschaft, Diss. München 1975; Telkamp, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im Ausland, Wiesbaden 1975; Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004; Vögele/Crüger, Datenbanken für Transferpreisstudien in Deutschland, IStR 2000, 516; Wahl/Preisser, Möglichkeiten und Grenzen von Datenbankanalysen zur Bestimmung von Verrechnungspreisen, IStR 2008, 51; Weber, Überblick über die deutsche Rechtsprechung zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, in FS für Walter, Osnabrück 1988, 115; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, Berlin 2003; Werra, Die OECD auf dem Weg zu einem neuen internationalen Konzern über Verrechnungspreise?, IStR 1994, 483; Zitzelsberger, Die Problematik der Gewinnrealisation bei der handelsund steuerrechtlichen Bewertung konzerninterner Leistungen, Diss. München 1968.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

a) Allgemeines

16.289 Nach der in den DBA für Unternehmensgewinne maßgeblichen Grundregel steht die Besteuerung von Unternehmensgewinnen dem Wohnsitzstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Soweit allerdings ein Unternehmen im anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte tätig wird, sind die Betriebsstättengewinne der Besteuerung auch durch den Betriebstättenstaat zugewiesen mit der Folge, dass auf der Ebene der DBA eine Gewinnabgrenzung1 zwischen Stammhaus einerseits und Betriebsstätte andererseits erforderlich ist (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Diese für Zwecke der bilateralen Besteuerungszuordnung erforderliche Gewinnabgrenzung zwischen Teilen ein und desselben Unternehmens findet ihre Parallele bei (steuerlich selbständigen) verbundenen Unternehmen (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA),2 für die ebenfalls eine Gewinnabgrenzung z.B. zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft oder zwischen Schwestergesellschaften vorgesehen ist.

16.290 Soweit die Bedingungen der zwischen diesen verbundenen Unternehmen abgewickelten Geschäfte einem Fremdvergleich nicht standhalten, kann der hierdurch zu niedrig ausgewiesene Gewinn des betreffenden Unternehmens erhöht werden. Zu dieser Erstberichtigung ist der jeweilige Wohnsitzstaat befugt. In einigen deutschen DBA3 ist auch eine Gegenberichtigung bei dem verbundenen Unternehmen durch den anderen Vertragsstaat vorgesehen (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA; sog. Korrespondenzklausel). Während diese Gegenberichtigung dem Ziel dient, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung4 zu vermeiden, ist die Erstberichtigung insbesondere darauf angelegt, für eine gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen den beiden Vertragsstaaten zu sorgen.5

16.291 Die für verbundene Unternehmen maßgeblichen Korrekturnormen der DBA haben keine self executing-Wirkung,6 sie räumen dem Sitzstaat des Unternehmens, dessen Gewinn verkürzt wurde, vielmehr lediglich eine

1 Gleichbedeutend mit Einkünfteabgrenzung und Einkünfte- oder Gewinnzuordnung bzw. Gewinnzurechnung. 2 Um verbundene Unternehmen handelt es sich, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital des anderen Unternehmens beteiligt ist oder wenn dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsführung, der Kontrolle oder dem Kapital beider Unternehmen beteiligt sind. 3 Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 159; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 366. 5 Zur Verteilungsgerechtigkeit Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 24; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff. 6 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 4, 76; Becker in Haase, Art. 9 OECD-MA Rz. 8.

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L. Verteilung der Steuergüter

Ermächtigung zur Korrektur ein.1 Die Rechtsgrundlage für eine Gewinnberichtigung kann sich daher nur aus dem innerstaatlichen Recht des berechtigten Wohnsitzstaates ergeben.2 Auch wenn die abkommensrechtlichen (bilateralen) Korrekturklauseln für sich allein keine Rechtsgrundlage für eine Gewinnberichtigung darstellen, so sind sie damit dennoch nicht gänzlich ohne Bedeutung. Sie begrenzen nämlich die Reichweite der Gewinnkorrekturklauseln des nationalen Rechts insbesondere durch den beiderseits verbindlichen Maßstab des Fremdvergleichs. Im Hinblick darauf kann die jeweilige abkommensberechtigte Person aus den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln Schutz dagegen beanspruchen, dass der Wohnsitzstaat Gewinnerhöhungen vornimmt, die über das durch die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gesetzte Maß hinausgehen.3

16.292

Demgegenüber wird die Meinung vertreten, abkommensrechtliche Gewinnkorrekturklauseln hätten lediglich klarstellende Bedeutung, die nicht den Sinn haben könnten, einen Vertragsstaat in der nach seinem eigenen nationalen Recht zu treffenden Ermittlung des Gewinns für ein in seinem Gebiet ansässiges Unternehmen zu beschränken. Eine Einschränkung des Besteuerungsrechts erfolge auf der Ebene von DBA allein durch Verteilungsnormen, die allerdings nur die Besteuerungsbefugnis für die Einkünfte ein und desselben Steuersubjektes zwischen Wohnsitzstaat einerseits und Quellenstaat andererseits aufteilten. Die dem Art. 9 OECD-MA entsprechenden Normen der DBA bezögen sich dagegen auf verschiedene Steuersubjekte im Verhältnis zweier Wohnsitzstaaten zueinander. Daher entfalteten die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln keine Schrankenwirkung ggü. der nationalen Besteuerung.4

16.293

Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln lediglich einen Programmsatz darstellen, der für beide Vertragsstaaten nicht verbindlich wäre. Eine solche Norm wäre überflüssig. Die Parallele zu den Regelungen über die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus einerseits und Betriebsstätte andererseits (Art. 7 Abs. 2 OECD1 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 263 ff.; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (5). 2 Z.B. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung); § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage); § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften); zu Einzelheiten Rz. 18.80 ff. 3 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 20 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 85 ff.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 265; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 218; Popp, Erfassung und Besteuerung von Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen, 198 f.; Haas in FS Schaumburg, 715 (730 f.). 4 BMF v. 11.7.1974, BStBl. I 1974, 442, Rz. 1.14.1.; v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Rz. 1.2.1.; v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) Rz. 6.1.1.; Baranowski, Die Besteuerung von Auslandsbeziehungen, Rz. 478; Höppner, StBp. 1981, 56 ff.; Menck, DStZ/A 1972, 68 ff.; Debatin, DStZ/A 1971, 385 (388); Weber in FS Walter, 115 (133 f.).

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) MA) zwingt dazu, die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen einer vergleichbaren Verbindlichkeit zu unterwerfen. Hierfür spricht auch, dass in den alten Abkommen die Regelungen über die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus einerseits und rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften und Betriebsstätten andererseits einheitlich normiert waren.1 Im Hinblick darauf entwickeln die für verbundene Unternehmen geltenden bilateralen Gewinnkorrekturklauseln eine Schutzfunktion zugunsten verbundener Unternehmen. Die Reichweite dieser Schutzfunktion wird durch den Wortlaut der jeweiligen Gewinnkorrekturklausel bestimmt. Danach darf bei gesellschaftsrechtlich miteinander verbundenen Unternehmen die Gewinnkorrektur nur nach Maßgabe des Fremdvergleichs erfolgen.2 Über diese Schrankenwirkung hinaus haben die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln keine Bedeutung. Folglich sind Gewinnkorrekturen außerhalb des Anwendungsbereichs der DBA – etwa wegen Einkünfteverschiebungen zwischen einem Unternehmen in dem einen Vertragsstaat und dem im anderen Vertragsstaat ansässigen privaten Gesellschafter – ohne weiteres möglich. Aus der Schrankenwirkung folgt allerdings,3 dass verdeckte Gewinnausschüttungen, die innerstaatlich angenommen werden, weil es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll,4 im Ergebnis folgenlos bleiben, weil die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln auf diese (formalen) Gesichtspunkte nicht abstellen.5 Demgegenüber ist die im § 162 Abs. 3 AO verankerte „Strafbesteuerung“, wonach bei Verletzung von Mitwirkungspflichten zu Lasten des Steuerpflichtigen eine verrechnungspreisbedingte Schätzung von Einkünften zulässig ist, so lange mit Art. 9 OECDMA vereinbar, wie die der Schätzung zugrunde gelegten Verrechnungspreise sich innerhalb feststellbarer Preisbandbreiten bewegen.6

16.294 Die für Unternehmensgewinne maßgeblichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) sind ggü. den abkommensrechtlichen Einkünftekorrekturklauseln für Zinsen (Art. 11 Abs. 6 OECD-MA) und Lizenzgebüh-

1 Pöllath/Rädler, DB 1982, 517 ff., 561 (564). 2 Einschränkend Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 und Chebounow, IStR 2002, 586 ff., wonach die Schrankenwirkung nur für den Fall gelten soll, dass die Gewinnkorrektur unter Angemessenheitsgesichtspunkten erfolgt. 3 Zu weiteren Fallgruppen Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (6 f.). 4 BFH v. 23.5.1984 – I R 294/81, BStBl. II 1984, 673; v. 14.3.1990 – I R 6/89, BStBl. II 1990, 795; v. 5.10.1994 – I R 50/94, BStBl. II 1995, 549; v. 19.3.1997 – I R 75/96, BStBl. II 1997, 577; v. 23.10.1996 – I R 71/95, BStBl. II 1999, 35. 5 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 27; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 34; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 697; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (6), Ritter, BB 1983, 1677 (1683); Goutier in FS Felix, 63 (72 ff.); Schnieder, IStR 1999, 65 ff.; Gosch in FS Korn, 401; Eigelshoven/Nientimp, DB 2003, 2307 (2309); Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff.; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 128. 6 Zu verfassungsrechtlichen Problemen des § 162 Abs. 3 AO Frotscher in Schwarz, § 162 AO Rz. 19; Frotscher in FS Wassermeyer, München 2005, 391 ff.

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L. Verteilung der Steuergüter

ren (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA) lediglich subsidiär:1 Die Subsidiarität beschränkt sich allerdings auf jene Fälle, in denen überhöhte Zinsen oder Lizenzgebühren vereinbart sind. Die Berichtigung eines zu niedrigen Zinses oder einer zu niedrigen Lizenzgebühr ist dagegen nur über die für verbundene Unternehmen vorgesehene abkommensrechtliche Gegenberichtigung (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 16.316 ff.) möglich.2 Die für Unternehmensgewinne maßgeblichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) sind schließlich auch subsidiär ggü. den abkommensrechtlichen Gewinnzuordnungsregeln (Art. 7 Abs. 2, 3 OECD-MA) für Betriebsstätten, so dass die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, zwischen mehreren Betriebsstätten, zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft3 und zwischen mehreren miteinander verbundenen Personengesellschaften aus ihrem Anwendungsbereich ausgeklammert ist.4 b) Erstberichtigung Die Gewinnkorrekturklauseln der DBA räumen dem einen Vertragsstaat unter den dort genannten Bedingungen (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) die Ermächtigung ein, die Gewinne des in seinem Gebiet ansässigen Unternehmens zu erhöhen und entsprechend zu besteuern (Erstberichtigung). Da der betreffende Gewinnanteil bei dem verbundenen Unternehmen des anderen Vertragsstaates ebenfalls besteuert wird, tritt insoweit eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Rz. 12.3 f.) ein, die der andere Vertragsstaat durch eine entsprechende Gegenberichtigung auszugleichen hat (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA).5

16.295

Die Erstberichtigung wird durch den Vertragsstaat veranlasst, in dem dasjenige verbundene Unternehmen ansässig ist, dessen Gewinn gemindert wurde. Die Gewinnerhöhung selbst erfolgt in den von den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gezogenen Grenzen ausschließlich nach den Regeln des nationalen Rechts.

16.296

1 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 45. 2 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 7. 3 Soweit diese kein eigenständiges Steuersubjekt ist; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 36; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 23. 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 36; Schliephake, Steuerliche Gewinnabgrenzung internationaler Personengesellschaften, 141 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 23 und Fischer-Zernin, RIW 1991, 493 (495) wollen dagegen Art. 9 OECD-MA auch auf miteinander verbundene Personengesellschaften anwenden. 5 In deutschen DBA zumeist nicht vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145, 181 ff.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.297 Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) erlauben eine Erstberichtigung, wenn – die Unternehmen beider Vertragsstaaten verbundene Unternehmen sind, – diese Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die abweichen von denen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden (Fremdvergleich), – eines der beiden Unternehmen ohne diese Bedingungen höhere Gewinne erzielt hätte (Gewinnminderung).1

16.298 Um verbundene Unternehmen handelt es sich dann, wenn die Unternehmen der beiden Vertragsstaaten gesellschaftsrechtlich unmittelbar oder mittelbar miteinander verflochten sind, wenn also ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital des anderen Unternehmens beteiligt ist (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA). Angesprochen sind damit in erster Linie Kapitalgesellschaften – nicht Personengesellschaften ohne eigene Steuerrechtsfähigkeit (Rz. 16.177 ff.) –, die in gerader Linie miteinander gesellschaftsrechtlich verflochten sind, also Mutter- und Tochtergesellschaften (unmittelbare Beteiligung) sowie Mutter- und Enkelgesellschaften (mittelbare Beteiligung). Darüber hinaus zählen zu den verbundenen Unternehmen auch solche, die in der Seitenlinie gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind, wenn also dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital beider Unternehmen beteiligt sind (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Erfasst werden damit insbesondere Schwestergesellschaften.2

16.299 Weitere Voraussetzung für die Erstberichtigung ist, dass die verbundenen Unternehmen ihren Beziehungen Bedingungen zugrunde legen, die einem Fremdvergleich3 nicht standhalten. Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) stellen hierbei auf kaufmännische oder finanzielle Beziehungen ab. Damit werden alle Beziehungen sowohl auf obligatorischer als auch – soweit es um finanzielle Beziehungen geht – auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfasst,4 soweit diese nicht das Ver-

1 Abzustellen ist auf die Steuerbilanz; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 71. 2 Ausführlich zu den einzelnen Fallgruppen Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECDMA Rz. 33 ff. 3 Hierzu die 10 Grundregeln der OECD; OECD, Transfer Pricing Guidelines For Multinational Enterprises And Tax Administration, Rz. 1.1. ff.; ausführlich hierzu Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 135 ff.; ferner Becker in Haase, Art. 9 OECD-MA Rz. 26 ff. 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 48; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 62.

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L. Verteilung der Steuergüter

bundensein der betreffenden Unternehmen erst begründen.1 Der Begriff der Bedingungen ist ebenfalls weit auszulegen, so dass jedweder nur denkbare Vertragsbestandteil einbezogen wird.2 Es muss sich dabei um vereinbarte oder auferlegte Bedingungen handeln. Zu den auferlegten Bedingungen gehören insbesondere solche, die etwa auf Konzernrichtlinien zurückzuführen sind. Damit wird zugleich deutlich, dass die gesellschaftsrechtliche Verflechtung, also die Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital der verbundenen Unternehmen ursächlich für die vereinbarten oder auferlegten Bedingungen sein muss.3 Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs sind die vereinbarten oder 16.300 auferlegten Bedingungen mit denen zu vergleichen, die unabhängige Unternehmen gegenseitig zugrunde legen würden.4 Der hiernach geforderte Ist-Soll-Vergleich5 ist entweder konkret, sofern für die betreffende Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt und auf einem bestimmten Markt ein Marktpreis feststellbar ist, oder aber hy^pothetisch, soweit es an einer konkreten Vergleichsmöglichkeit fehlt.6 Da sich der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich an tatsächlich feststellbaren Marktdaten orientiert, geht er dem hypothetischen Fremdvergleich vor.7 Wesentliche Voraussetzung des Fremdvergleichs ist die Vergleichbarkeit der Verhältnisse der betreffenden Geschäftsbeziehung der verbundenen Unternehmen einerseits und dem konkreten (tatsächlichen) oder hypothetischen Vergleichsobjekt andererseits.8 Hierfür reicht es aus, dass die Vergleichsobjekte in ihren wesentlichen Merkmalen annähernd gleich sind. In diesem Zusammenhang wird zwischen direkter und indirekter Vergleichbarkeit unterschieden.9 Während bei direkter Vergleichbarkeit die einzelnen Elemente ohne Korrekturen und Anpassungen in einen Ver1 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 63. 2 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 50; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 66. 3 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 40, 53. 4 Nach Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 123 (135), soll hierfür eine Beweiserhebung nicht unbedingt notwendig sein. 5 Hierzu im Einzelnen Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 51 ff. 6 Normativ verankert in § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. 7 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 60; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 296; vgl. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. 8 OECD, Transfer Pricing Guidelines For Multinational Enterprises And Tax Administrations, (OECD-RL: in deutscher Übersetzung abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise); Rz. 1.15; zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 136, 185 ff. 9 So im Rahmen der sog. Preisvergleichsmethode; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.2 Satz 3; v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätzeverfahren), Rz. 3.4.12.7; im Einzelnen hierzu Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 301; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 275 ff.; vgl. § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 AStG mit der Unterscheidung zwi-

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16.301

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

gleich einbezogen werden können, bedarf es bei indirekter Vergleichbarkeit stets einer derartigen Anpassung.

16.302 Die Vergleichsobjekte können dann für Zwecke des Fremdvergleichs herangezogen werden, wenn insbesondere folgende Merkmale übereinstimmen:1 – die Art, Ausgestaltung, Qualität und der Umfang der Lieferungen und sonstigen Leistungen; – die allgemeinen Marktverhältnisse, unter denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden; – die Funktionen,2 die von den Unternehmenseinheiten tatsächlich wahrgenommen werden;3 – die Marktstufe, auf der Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden; – die vereinbarten Vertrags- und Lieferbedingungen; – die Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen; – die unternehmerischen Zielvorstellungen sowie die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Produzenten und Abnehmer bzw. von Leistungserbringer und -empfänger.

16.303 Der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich ist entweder als innerbetrieblicher oder als zwischenbetrieblicher Vergleich möglich. Der innerbetriebliche Vergleich kommt zur Anwendung, wenn das Unternehmen die gleiche Leistung unter vergleichbaren Bedingungen gleichermaßen an verbundene und fremde Unternehmen erbringt bzw. von diesen erhält. Ein zwischenbetrieblicher Vergleich erfolgt demgegenüber dann, wenn als Vergleichstatbestände Vereinbarungen herangezogen werden, die zwischen fremden dritten Unternehmen getroffen wurden.4

16.304 Liegen die Voraussetzungen für einen konkreten (tatsächlichen) Fremdvergleich nicht vor, kommt subsidiär ein hypothetischer Fremdvergleich zur Anwendung, der allerdings eines konkretisierenden Maßstabs bedarf. In Anlehnung an die zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung wird die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters5 einer unabhängigen Gesellschaft

1 2

3 4 5

schen uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Werten; hierzu Rz. 18.128 ff. Zum folgenden Kriterienkatalog ausführlich Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 302; ähnlich der Katalog bei Sieker in D/W Art. 9 OECD-MA Rz. 191 ff. Zur Funktionsanalyse ausführlich Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 309 ff.; Borstell in Vögele/Borstell/Engeler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. N 104 ff.; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 193; vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG zum Begriff Funktionsanalyse und § 1 Abs. 1 FVerlV zum Begriff Funktion. Vgl. zur sog. verlängerten Werkbank Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 582.1 ff. Hierzu im Einzelnen Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 396 ff.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 294 ff. Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG.

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L. Verteilung der Steuergüter

zum Maßstab des hypothetischen Fremdvergleichs erhoben und damit immer dann zugrunde gelegt, wenn der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich versagt.1 Die Internationalisierung der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters als Maßstab des hypothetischen Fremdvergleichs wird zwar allgemein begrüßt,2 und ist auch z.T. normativ verankert (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG), für die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln ist mit diesem Ersatzmaßstab indessen nicht viel gewonnen. Das gilt zumal dann, wenn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter im Sinne eines diligens pater familias als Denkfigur eine wirklichkeitsfremde moralische Überhöhung3 und eine Allwissenheit4 erfährt.

16.305

So versagt die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als taugliches Objektivitätskriterium für den Fremdvergleich, wenn es etwa um die Ermittlung von Fremdpreisen gesetzwidriger Geschäfte geht. In diesen Fällen gibt es kein Vergleichsgeschäft, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter in gleicher Lage abgeschlossen hätte. Darüber hinaus vermag die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, so wie sie ihre steuerrechtliche Ausformung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung5 gefunden hat, ohnehin nur Bedeutung für die Korrekturnormen des nationalen Rechts6 zu gewinnen.7 Die bilateralen Korrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) stellen als Bezugspunkt nämlich auf beide am Geschäft beteiligten Unternehmen ab. Aus diesem Grunde kann es ohnehin nicht auf die Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nur des einen Unternehmens ankommen.8 Erforderlich ist daher jedenfalls auch die Einbeziehung des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters des im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens.9

In der internationalen Praxis haben sich für Zwecke der Konkretisierung 16.306 des Fremdvergleichs als Standardmethoden die Preisvergleichs-, Wieder1 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 110; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 296 ff.; Borstell in Vögele/Brostell/Engeler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. C 21 ff. 2 Vgl. Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der Kostenaufschlagsmethode, 59 f. m.w.N. 3 So bei Becker in FS Döllerer, 17 ff. 4 Vgl. die sog. Transparenz- oder Hellseherklausel in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG; zu Einzelheiten Rz. 18.107 f. 5 Ständige Rspr. seit BFH v. 16.3.1967 – I 261/63, BStBl. III 1967, 626; vgl. Einzelheiten hierzu bei Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 300 ff. 6 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage) und § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG. 7 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 126. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 126. 9 Zur „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ Flick, JbFSt 1981/82, 133 (135); Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 308a ff.; Baumhoff in FS Flick, 633 (639 ff.); Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 114; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. C 55 ff.; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 360 f.

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verkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode herausgebildet.1 Diese Standardmethoden haben als transaktionsbezogene Methoden internationale Akzeptanz gefunden2 und werden daher auch von der deutschen Finanzverwaltung bei der Angemessenheitsprüfung zugrunde gelegt.3

16.307 Die Preisvergleichsmethode4 stellt ausschließlich auf den am Markt erzielbaren Preis ab. Es wird unterschieden zwischen dem sog. inneren und äußeren Preisvergleich.5 Beim inneren Preisvergleich wird als Maßstab für die Gewinnberichtigung der Preis herangezogen, den das Unternehmen für eine vergleichbare Ware von anderen nicht nahe stehenden Personen verlangt. Die Anwendung der vorgenannten Preisvergleichsmethode setzt entweder eine direkte Vergleichbarkeit6 oder zumindest eine indirekte Vergleichbarkeit7 der Verhältnisse voraus. Davon ist immer dann auszugehen, wenn sowohl die Art und Ausgestaltung der Vergleichsobjekte als auch die Nebenbedingungen des Vergleichsgeschäftes mit dem zu beurteilenden Geschäft in allen wesentlichen Einzelheiten übereinstimmen oder abweichende Merkmale durch Anpassungen eliminiert werden können.8 Die Preisvergleichsmethode wird nur in Ausnahmefällen, so etwa bei amtlich notierten Börsenpreisen, zu einem konkreten Vergleichspreis führen.

16.308 Meistens werden sich die Vergleichspreise nur innerhalb bestimmter Bandbreiten feststellen lassen.9 Soweit der zwischen den verbundenen Unternehmen konkret vereinbarte Preis den innerhalb dieser Bandbreite angesiedelten Vergleichspreisen entspricht, ist er als angemessen zu betrachten10 mit der Folge, dass eine Gewinnkorrektur grundsätzlich unter1 Hierzu im Überblick Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 383 ff. 2 Vgl. etwa OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen; OECD, Bericht des Steuerausschusses der OECD, 1979; OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmung, die Kosten zentralen Managements und zentraler Dienstleistungen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1984; OECD, Die Verrechnungspreise, die Gegenberichtigung und das Verständigungsverfahren, DStR 1987, 531 ff.; OECD, Transfer Pricing Guidelines For Multinational Enterprises And Tax Administrations, (OECD-RL, in deutscher Übersetzung abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise) Rz. 2.6 ff. 3 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.2. 4 Comparable uncontrolled price method (CUP). 5 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 73; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 319 ff., 312; Sieker in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 233; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 159. 6 Direkter Preisvergleich. 7 Indirekter Preisvergleich. 8 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 72; vgl. § 1 Abs. 3 Sätze 1 u. 2 AStG mit der Differenzierung zwischen uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Werten; hierzu Rz. 18.128 ff. 9 Zu den Ursachen für die Entstehung von Preisbandbreiten Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (348 ff.). 10 § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG stellt bei mehreren nur eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten auf eine eingeengte Bandbreite ab; hierzu Rz. 18.129 f.

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bleibt.1 Das gilt auch in den Fällen der Verletzung von Dokumentationspflichten.2 Soweit daher demgegenüber § 162 Abs. 3 Satz 2 AO eine Schätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen in Orientierung an der für ihn ungünstigsten Grenze der Bandbreite erlaubt, bleibt abkommensrechtlich eine Einkünftekorrektur wegen der von der bilateralen Gewinnkorrekturklausel ausgehenden Schrankenwirkung versagt (Rz. 16.292 f.). Bei der Wiederverkaufspreismethode (Absatzpreismethode)3 geht man vom Wiederverkaufspreis beim Verkauf an unabhängige Dritte aus. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe der Handelsspanne vorzunehmen, um so den arm’s length-Einkaufspreis bestimmen zu können, der dann Maßstab für eine etwaige Korrektur des tatsächlichen Einkaufspreises ist, der von einem verbundenen Unternehmen berechnet wurde. Diese Methode findet nur dann Anwendung, wenn die zwischen verbundenen Unternehmen ausgetauschten Leistungen an fremde Dritte weitergegeben werden, also insbesondere bei Vertriebsgesellschaften.4 Ausgehend von dem beim Wiederverkauf an fremde Dritte erzielten Preis wird retrograd im Wege einer Spannenrückrechnung unter Berücksichtigung einer angemessenen Bruttomarge auf den angemessenen Einkaufspreis des wiederverkaufenden Unternehmens zurückgerechnet. Die marktübliche Bruttomarge wird hierbei entweder durch äußeren Betriebsvergleich ermittelt, soweit branchenzugehörige unabhängige Vergleichsunternehmen der gleichen Handelsstufe als Vergleichsobjekte zu finden sind,5 oder aber durch inneren Betriebsvergleich, wenn das verbundene Unternehmen sowohl an Fremde als auch an Nahestehende leistet.6 Die Bestimmung der marktüblichen Bruttomarge setzt eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse voraus, wobei auf die Funktion und das Risiko des Wiederverkäufers abzustellen ist.7 1 BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; OECD, Transfer Pricing Guidelines For Multinational Enterprises And Tax Administrations, Paris 1995 (OECD-RL in deutscher Übersetzung abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise), Rz. 1.48; zu Einzelheiten Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1554); Kaminski, RIW 2007, 594 (596); zur internationalen Praxis der „safe havens“ Maisto, Verrechnungspreise bei Fehlen vergleichbarer Marktpreise, CDFI LXXVIIa (1992), 141 (164 ff.). 2 Spezifische Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen enthält § 90 Abs. 3 AO i.V. mit GAufzV. 3 Resale price method. 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 74; Sieker in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 234; zu Hinweisen auf die ausländische Praxis die Landesberichte in CDFI LXXVIIa (1992). 5 International üblich ist die Ermittlung von Vergleichsmargen mit Hilfe von Datenbanken; im Grundsatz gebilligt von BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl II 2007, 658 und von der Finanzverwaltung (BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), Rz. 3.4.12.4. 6 Sieker in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 235, 241. 7 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 74; Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBASchweiz Rz. 110 ff.; Sieker in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 235 ff.; Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, 176.

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16.309

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16.310 Bei der Kostenaufschlagsmethode1 wird der angemessene Verrechnungspreis, ausgehend von den Kosten des herstellenden oder leistenden verbundenen Unternehmens, unter Berücksichtigung eines branchenüblichen Gewinnaufschlags ermittelt. Die Ermittlung der relevanten Kosten2 erfolgt entweder konkret anhand derjenigen Kalkulationsmethoden, die das liefernde oder leistende verbundene Unternehmen bei seiner Preisbildung gegenüber Fremden tatsächlich zugrunde legt, oder abstrakt nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, wobei auf das betriebliche Kostenrechnungssystem des betreffenden verbundenen Unternehmens zurückgegriffen werden kann, soweit dieses eine Kostenarten-, Kostenstellenund Kostenträgerrechnung umfasst.3 Neben der Ermittlung der relevanten Kosten macht die Kostenaufschlagsmethode auch die Bestimmung eines branchenüblichen Gewinnaufschlags erforderlich, der entweder aus vergleichbaren Geschäften des verbundenen Unternehmens mit fremden Dritten oder aus den bei ähnlichen Geschäften zwischen fremden Dritten erzielten Bruttogewinnen abgeleitet werden kann.4 Orientierungshilfen können hierbei innere oder äußere Betriebsvergleiche über Eigenkapitalrenditen sowie Preisbildungsvorschriften für öffentliche Aufträge sein.5

16.311 Da die Preisvergleichsmethode sich ausschließlich an den am Markt erzielten oder erzielbaren Preisen orientiert, die Wiederverkaufspreismethode (Absatzpreismethode) und die Kostenaufschlagsmethode demgegenüber auf kaum bestimmbaren Kosten- und Kalkulationselementen beruhen, ist der Preisvergleichsmethode, soweit eine Vergleichbarkeit überhaupt gegeben ist, in der Regel der Vorzug zu geben.6 Die Standardmethoden sind allerdings für die Angemessenheitsprüfung im Rahmen der einzelnen Leistungsarten nicht gleichwertig. So ist etwa die Wiederverkaufspreismethode zur Bestimmung von angemessenen Dienstleistungsentgelten einerseits wenig geeignet,7 für die Entgeltsbestimmung 1 Cost plus method. 2 Hierzu Baumhoff, IStR 1996, 53 ff. 3 Zu Einzelheiten Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 122 ff.; Vögele/ Raab in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. D 167 ff.; Popp, Erfassung und Besteuerung von Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen, 234 ff.; Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, 178 ff. mit Hinweisen auf die ausländische Praxis; vgl. auch die Landesberichte in CDFI LXXVIIa (1992). 4 Etwa auf Grund von externen Datenbanken; hierzu Vögele/Crüger, IStR 2000, 516 ff.; Wahl/Preisser, IStR 2008, 51 ff. 5 Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 133; zu Anwendungsproblemen der Kostenaufschlagsmethode Scherrer in FS Scherpf, 345 ff. 6 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 96; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 233; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 385; Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, 254 f.; zur ausländischen Praxis Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, 187 ff.; Maisto, CDFI LXXIIa (1992), 141 (159). 7 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 96; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 445 ff.; Baumhoff in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (38).

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für Warenlieferungen andererseits aber durchaus sinnvoll.1 Demgegenüber steht etwa für die Entgeltsbestimmung für konzernspezifische Dienstleistungen die Kostenaufschlagsmethode im Vordergrund.2 Entscheidend ist letztlich, dass diejenige Methode heranzuziehen ist, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“.3 Im Hinblick darauf bedienen sich international verbundene Unternehmen in der Praxis bei der Ermittlung ihrer Verrechnungspreise durchaus verschiedener Verrechnungspreismethoden. Die Standardmethoden sind allerdings nicht die einzigen geeigneten Instrumente der Verrechnungspreisbestimmung.4 In der Praxis werden nicht selten die Standardmethoden miteinander kombiniert, um zusätzliche Elemente angereichert oder durch andere Methoden ersetzt. Daneben sind auch pauschale Abrechnungen, insbesondere bei verwaltungsbezogenen Dienstleistungen, durch Kostenumlagen gebräuchlich.5 In Übereinstimmung mit den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln liegt den Standardmethoden als Konzeption eine einzelfallbezogene Gewinnkorrektur zugrunde. Hiernach sind Gegenstand des Fremdvergleichs nur die einzelnen oder Gruppen gleichartiger Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen.6 Mit dieser Konzeption ist die in den USA7 entwickelte globale Gewinnvergleichsmethode,8 die davon ausgeht, dass die von vergleichbaren Unternehmen über einen mehrjährigen Zeitraum erzielten Gewinne sich tendenziell entsprechen,9 nicht vereinbar.10 Dies

1 Z.B. bei Chemie- und Pharmaunternehmen weit verbreitet; vgl. hierzu Diskussionsbeiträge von Moebus, Zitzelsberger, Gürtzgen in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 138 f. 2 Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 117; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 211; Scheffler, ZfbF 43 (1991), 471 (480). 3 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 135; Sieker in D/W, Art. 9 OECDMA Rz. 256; zur internationalen Praxis Maisto, CDFI LXXVIIa (1992), 141 (166 ff.). 5 Zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 277; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 657 ff.; Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 62 ff.; akzeptiert durch die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122 (Verwaltungsgrundsätze-Umlage). 6 Dies entspricht auch der im Rahmen der § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung) und § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage) sowie gem. § 1 AStG vorzunehmenden Angemessenheitsprüfung; vgl. etwa BFH v. 19.3.1975 – I R 137/73, BStBl. II 1975, 722; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. 7 Hierzu die Einzelheiten bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 81 ff.; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 257. 8 Comparable profits method (CPM). 9 Zur Kritik Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 260. 10 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 260 f.; die Finanzverwaltung akzeptiert die CPM grundsätzlich nicht; vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), Rz. 3.4.10.3d; kritisch hierzu Eigelshoven/Nientimp, DB 2005, 1184 (1186); vgl. auch Rz. 18.142.

765

16.312

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

gilt nicht für die übrigen gewinnorientierten Methoden,1 und zwar nicht für die von der OECD2 und von der Finanzverwaltung3 als letzter Ausweg akzeptierte transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode,4 die von einer Aufteilung des Gewinns aus einer Transaktion zwischen den beteiligten Parteien ausgeht5 und die transaktionsbezogene Nettomargenmethode,6 die auf den Vergleich von Nettorenditen aus vergleichbaren Transaktionen abstellt.7

16.313 Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gestatten eine Gewinnberichtigung nur dann, wenn die aufgrund der Einflussnahme vereinbarten oder auferlegten Bedingungen bei einem der beiden verbundenen Unternehmen eine Gewinnminderung bewirken. Die Erstberichtigung ist damit stets auf eine Gewinnerhöhung gerichtet. Von einer Gewinnminderung kann dann keine Rede sein, wenn die verbundenen Unternehmen sich gegenseitig Vorteile gewähren und diese Vor- und Nachteile sich ausgleichen. Dieser Vorteilsausgleich,8 bei dem vorteilhafte und nachteilige Geschäfte zu saldieren sind, ist nur zwischen verbundenen Unternehmen des einen und des anderen Staates zulässig.9 Die Beschränkung des Vorteilsausgleichs auf die Verhältnisse nur der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen entspricht der Wertung der bilateralen Gewinnkorrekturklauseln, die auch darauf gerichtet sind, für die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Vertragsstaat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen beiden Vertragsstaaten zu sorgen.

16.314

Der Vorteilsausgleich im Rahmen der bilateralen Gewinnkorrekturklauseln ist nicht nur unter solch engen Voraussetzungen zulässig wie der im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen.10 1 Die Kritik richtet sich hier gegen die Gefahr der Sollbesteuerung; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 260; Becker, Intertax 1995, 256 ff.; Werra, IStR 1994, 483 ff. 2 OECD, Transfer Pricing Guidelines For Multinational Enterprises And Tax Administrations, Paris 1995 (OECD-RL: in deutscher Übersetzung abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Rz. 3.1–3.57. 3 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) Rz. 3.4.10.3b, c. 4 Profit split method. 5 Zu Einzelheiten dieser Methode Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 262 ff. 6 Transactional net margin method (TNMM). 7 Zu Einzelheiten dieser Methode Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 268 ff. 8 Zu Einzelheiten Rz. 18.118 ff.; dort auch zur Abgrenzung zur sog. Palettenbetrachtung. 9 Vgl. BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; Schöne, FR 1989, 543 ff.; dagegen generell für einen Vorteilsausgleich im Konzern Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 206; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. C 97 ff.; einschränkend Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 356. 10 So aber BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3; modifizierend Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 111, 123; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECDMA Rz. 355; zu Einzelheiten Rz. 18.119.

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L. Verteilung der Steuergüter Insbesondere ist es nicht erforderlich, den Vorteilsausgleich im Vorhinein zu vereinbaren, weil Art. 9 OECD-MA auf diesen formalen Aspekt ohnehin nicht abstellt.1 Geboten ist vielmehr ein erweiterter Vorteilsausgleich, der allein dem den bilateralen Korrekturnormen zugrunde liegenden Prinzip der internationalen Verteilungsgerechtigkeit entspricht.2 Ein eingeengter Vorteilsausgleich, wie er von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage entwickelt worden ist,3 ginge entgegen dem sich aus den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln ergebenden Gebot der Vermeidung auch der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einseitig zu Lasten des betroffenen Unternehmensverbundes, zumal die meisten deutschen DBA eine Gegenberichtigung4 nicht kennen und die Gegenberichtigung zudem nicht verpflichtend ist.

Ergibt sich auch nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs eine Ge- 16.315 winnminderung, so dürfen nach den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln die nicht erzielten Gewinne den Gewinnen des betroffenen Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. Nur innerhalb des hierdurch vorgegebenen Rahmens ist eine Gewinnkorrektur auf der Grundlage des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zulässig.5 c) Gegenberichtigung Die Erstberichtigung (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) ist darauf gerichtet, die für Zwecke der bilateralen Besteuerungszuordnung erforderliche Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen sicherzustellen und damit für eine gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen beiden Vertragsstaaten zu sorgen. Diese im Interesse der beiden Vertragsstaaten mögliche Gewinnkorrektur ginge zu Lasten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen, wenn mit der Erstberichtigung in dem einen Vertragsstaat nicht eine korrespondierende Berichtigung in 1 Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Rz. C 89 f.; Becker in Haase, Art. 9 OECD-MA Rz. 34; ferner Rz. 18.119. 2 Ein derart erweiterter Vorteilsausgleich ist auch international durchaus üblich; vgl. die Hinweise bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 111 zur Rechtslage in den USA. 3 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 30.7.1997 – I R 65/96, BStBl. II 1998, 402; noch strenger die frühere Rechtsprechung, die einen Vorteilsausgleich nur dann zuließ, wenn die Beteiligten eindeutige Abmachungen getroffen hatten, die die Vor- und Nachteile als jeweilige Gegenleistungen erkennbar machten, und wenn außerdem ein zeitlicher Zusammenhang bestand, der Leistung und Gegenleistung miteinander verband; so BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – I 130/62 U, BStBl. III 1965, 598; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; ferner Rz. 18.85. 4 Nachweise bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145; Übersicht über die internationale Abkommenspraxis bei Maisto, CDFI LXXVIIa (1992), 141 (202 f.). 5 So etwa nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage) und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften); zu Einzelheiten Rz. 18.80 ff.

767

16.316

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

dem anderen Vertragsstaat erfolgte. Da die Erstberichtigung stets auf eine Gewinnerhöhung abzielt, muss die Gegenberichtigung bei dem im anderen Vertragsstaat ansässigen verbundenen Unternehmen eine entsprechende Gewinnminderung bewirken, wenn nicht eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstehen soll. Die Gegenberichtigung (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA)1 soll eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden und entfaltet damit eine Schutzwirkung zugunsten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen vor einseitigen Gewinnkorrekturen durch den einen oder anderen Vertragsstaat.2

16.317 Im Hinblick darauf ist die Reichweite dieser Gegenberichtigung begrenzt. Sie erfasst nur jene Fälle der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, in denen diese eine unmittelbare Folge der Erstberichtigung ist. Entsteht die wirtschaftliche Doppelbesteuerung jedoch etwa durch Qualifikationskonflikte oder durch unterschiedliche nationale Einkünfteermittlungsvorschriften, so ist eine Gegenberichtigung ausgeschlossen.3

16.318 Die Erstberichtigung bildet den Maßstab für den Umfang der Gegenberichtigung, wenn die Erstberichtigung bei dem verbundenen Unternehmen in dem anderen Vertragsstaat zu einer Besteuerung geführt hat und der Berichtigungsbetrag nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs ermittelt worden ist.4 Insofern ist die Gegenberichtigung nur auf die Vermeidung der effektiven (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung gerichtet.5

16.319 Während die Erstberichtigung durch den einen Vertragsstaat ohne weiteres möglich ist, ergibt sich für den anderen Staat daraus nicht automatisch eine Anpassungsverpflichtung im Zuge einer Gegenberichtigung.6 Die Gegenberichtigung setzt vielmehr voraus, dass zwischen beiden Vertragsstaaten Einigkeit sowohl über die Qualifikation des Leistungsentgelts als auch über dessen angemessene Höhe besteht.7 Erforder1 In der deutschen Abkommenspraxis die Ausnahme; Nachweise bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 2 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 159; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 366; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 214. 3 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 161; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 373; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (97). 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 163; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 357. 5 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 163; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 385; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (113). 6 Zur fehlenden Verbindlichkeit der Gegenberichtigung Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, 199 ff. 7 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 164; Becker in G/K/G, Art. 9 OECDMA Rz. 219, 224; Becker in Haase, Art. 9 OECD-MA Rz. 47; Lahodny-Karner, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (111, 115); OECD-MK zu Art. 9 Rz. 6; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 380.

768

L. Verteilung der Steuergüter

lichenfalls erfolgt die Einigung im Wege von Konsultationen (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA) oder im Rahmen eines Verständigungsverfahrens (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit Art. 25 OECD-MA). Da die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln eine Erstberichtigung, und damit eine Gewinnerhöhung, durch den einen Vertragsstaat ohne Rücksicht auf eine Gegenberichtigung (Gewinnminderung) durch den anderen Vertragsstaat zulassen, verbleibt es in der internationalen Besteuerungspraxis zumeist bei der Erstberichtigung. Die Gründe hierfür liegen einmal darin, dass in vielen DBA Gegenberichtigungen nicht vorgesehen sind,1 eine Verpflichtung zu Konsultationen und Verständigungsverfahren nicht besteht und letztlich, soweit derartige Konsultationen und Verständigungsverfahren durchgeführt werden, ein Einigungszwang der beteiligten Vertragsstaaten nicht vorgesehen ist. Damit gehen die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln durchweg zu Lasten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen mit der Folge, dass insbesondere international operierende Konzerne ohne wirksamen Schutz einer auch nicht durch Advance Pricing Agreements (APA) (Rz. 16.104 ff., 18.188 ff.) vermeidbaren wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ausgesetzt sind. Ein wirksamer Schutz kann daher nur durch in DBA verankerte Schiedsklauseln (Rz. 16.110 ff.) erreicht werden. Die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung kann sodann weiterhin vermieden werden durch die EU-Schiedsverfahrenskonvention (Rz. 3.74 ff.; 16.144 ff.), die als erste Stufe ein Verständigungsverfahren und als zweite Stufe ein Schlichtungsverfahren vorsieht.

16.320

Erzielen beide Vertragsstaaten Einigkeit darüber, dass die Erstberichtigung zu Recht erfolgt ist, besteht die Verpflichtung zur Gegenberichtigung. Kommen beide Vertragsstaaten übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Erstberichtigung nicht oder nur zum Teil gerechtfertigt war, so erfolgt eine Korrektur der Erstberichtigung und ggf. eine entsprechende Gegenberichtigung.2

16.321

Das korrespondierende Gefüge von Erstberichtigung einerseits und Gegenberichtigung andererseits kann zwar eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden, sie führt damit aber noch nicht zu einer abschließenden zutreffenden Besteuerung. Erfolgt etwa in Deutschland eine Erstberichtigung durch Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), weil eine hier ansässige Tochtergesellschaft an eine ausländische Muttergesellschaft überhöhte Verrechnungspreise bezahlt hat, so führt die Gegenberichtigung lediglich zu einer Minderung des Einkommens bei dieser Muttergesellschaft, eine steuerliche Erfassung der tatsächlich zugeflossenen Dividenden wird aber erst durch eine sog. Sekundärberichtigung sichergestellt, die in den bilateralen Gewinnkorrek-

16.322

1 So enthalten nur wenige deutsche DBA eine dem Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung, hierzu die Übersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 2 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 175; Lahodny-Karner in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (115).

769

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

turklauseln selbst nicht vorgesehen ist.1 Diese Sekundärberichtigungen sind daher allein nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts vorzunehmen.2

16.323 Erst- und Gegenberichtigungen sind nur unter den verfahrensmäßigen Voraussetzungen des jeweiligen nationalen Rechts möglich. Als Rechtsgrundlagen für die Gegenberichtigung kommen daher, soweit die betreffenden Steuerbescheide bereits bestandskräftig geworden sind, insbesondere § 175a AO3 und im Übrigen die §§ 172 ff. AO, die Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung (§§ 163, 227 AO) sowie § 34c Abs. 5 EStG in Betracht.4

IV. Dividendeneinkünfte Literatur Kommentare zu Art. 10 OECD-MA; Bay, Dividenden, Steuern und Steuerreformen, Wiesbaden 1990; Binder, Die Besteuerung der Dividenden und Zinsen nach deutschem Internationalen Steuerrecht, Diss. Göttingen 1967; Burmester, Überlegungen zur Auflösung von Schweizer Zwischengesellschaften, RIW 1987, 298; Debatin, Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen als Gegenstand verfehlter Rechnungshofsrüge, DStZ 1989, 421; Depping, Die Anrechnung fiktiver Steuern gemäß Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Türkei, DStZ 1995, 294; Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005; Hamacher, Begriff und Identifizierung des Beneficial Owners im Zusammenhang mit den US-Quellensteuerregelungen ab 1.1.2001, IStR 2002, 227, 259; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Jann, Die abkommensrechtlichen Schachtelbegünstigungen, in Gassner/Lang/ Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 99; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Krabbe; Steuerliche Behandlung von Gewinnanteilen aus atypischen stillen Beteiligungen nach den DBA, IStR 2000, 23; Krause, Die Quantifizierung der Steuerbelastung von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften beim inländischen Anteilseigner, Diss. Berlin 1976; Lang, M., Hybride Finanzierung im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Piltz, Liquidation ausländischer Kapitalgesellschaften in den Doppelbesteuerungsabkommen, DStR 1989, 133; Piltz, Hybride Finanzierungen in Doppelbesteuerungsabkommen, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 125; Schmidt, Die atypisch stille Gesellschaft im deutschen Internationalen Steuerrecht – wie begründet ist die herrschende Meinung?, IStR 1996, 213; Svoboda, Vorteile der fiktiven Anrechnung nach dem DBA Österreich-Thailand, SWI 1998, 475; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Wagner, Steuersparmodell „MADEIRA“, StBp. 1993, 108; Weber, Ist eine steuerliche Umqualifizierung der Erträge aus Fremdfinanzierung in verdeckte Gewinnausschüttungen ge1 Hierzu Becker in Haase, Art. 9 OECD-MA Rz. 61. 2 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 178 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 82; ausführlich hierzu Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 238 ff., 332 ff. 3 Für den Fall einer Verständigungsvereinbarung; vgl. hierzu Rz. 16.102. 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 173; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 397 ff.

770

L. Verteilung der Steuergüter genüber Doppelbesteuerungsabkommen wirksam?, Inst.FuSt. (Brief 204), Bonn 1989; Weidmann, Anrechnung und Abzug fiktiver Steuerbeträge, Die Bank 1989, 539; Widmann, Zurechnungsänderungen und Umqualifikationen durch das nationale Recht in ihrem Verhältnis zum DBA-Recht, DStJG 8 (1985), 235; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.

1. Allgemeines Bei Dividendeneinkünften bestehen die Schrankenwirkungen der DBA darin, dass die Besteuerung im Wohnsitzstaat aufrechterhalten und diejenige im Quellenstaat der Höhe nach begrenzt wird (Art. 10 OECD-MA). Diese Steuerteilung zwischen Quellenstaat einerseits und Wohnsitzstaat andererseits, die sich in der internationalen Abkommenspraxis allgemein durchgesetzt hat, versteht sich als ein Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen der Kapitalgläubiger- und der Kapitalschuldnerländer.1 Obwohl unter nutzentheoretischen Aspekten dem Quellenstaat ein vorrangiger Zugriff auf die Dividendeneinkünfte deshalb gebührt, weil er am Investitionsort durch die Erbringung öffentlicher Leistungen die Erzielung von Dividendeneinkünften überhaupt erst ermöglicht,2 ist die Quellensteuerbefugnis in der deutschen Abkommenspraxis auf 0 Prozent, 5 Prozent, 10 Prozent oder 15 Prozent begrenzt,3 wobei ggf. im EU-Bereich eine völlige Freistellung nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie,4 in Betracht kommt. Der Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers rechnet die Steuer des Quellenstaates an oder gewährt Steuerbefreiung. Um im Falle der Steueranrechnung zu vermeiden, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Wohnsitzstaat kompensiert werden und damit nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Wohnsitzstaat zugute kommen, hat sich in den zwischen den europäischen Staaten und den Entwicklungsländern abgeschlossenen DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern5 durchgesetzt.6 In der internationalen Abkommenspraxis finden sich durchweg Sonderregelungen für Schachteldividenden, für die die Quellensteuersätze auf höchstens 5 Prozent gegenüber 15 Prozent für alle Dividenden festgesetzt 1 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 3. 2 Zur Opfertheorie und Nutzentheorie als Maßstab der Verteilungsgerechtigkeit grundlegend Vogel, DStJG8 (1985), 3 (23 ff.). Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 107 ff. 3 Vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 4 Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990; zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006, ABl. EU Nr. L 363, 129 v. 20.12.2006; vgl. § 43b EStG; hierzu Rz. 3.65 ff. 5 Tax sparing credit/tax matching credit; hierzu im Einzelnen Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 190 ff.; ferner Tumpel in Gassner/Lang/Lechner, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 61 ff.; Weidmann, Die Bank 1989, 539 ff.; Wagner, StBp. 1993, 108 ff.; Depping, DStZ 1995, 294 ff.; Svoboda, SWI 1998, 475 ff. 6 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 4.

771

16.324

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

sind (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA).1 In der deutschen Abkommenspraxis wird die für die Besteuerung im Quellenstaat geltende Sonderregelung (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA) dadurch ergänzt, dass im Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers, jedenfalls in Deutschland, die Schachteldividenden abkommensrechtlich von der Steuer freigestellt werden. Durch dieses internationale Schachtelprivileg,2 das durch die Freistellung nach nationalem Recht3 in Deutschland nur geringe Bedeutung hat, wird eine weitgehende Annäherung der steuerlichen Belastung von Betriebsstättengewinnen (Rz. 16.230 ff.) einerseits und Schachteldividenden andererseits aus Gründen der Wettbewerbsneutralität sichergestellt.4 Die abkommensrechtliche Sonderbehandlung von Schachteldividenden dient dem Ziel, direkte Auslandsinvestitionen zu erleichtern und darüber hinaus die internationale wirtschaftliche Mehrfachbesteuerung von Dividenden zu reduzieren.5 Demgegenüber bleibt die internationale Mehrfachbesteuerung für Streubesitzdividenden aufrechterhalten, soweit sich nicht aus dem jeweiligen nationalen Recht weitergehende Steuerbefreiungen oder Steuervergünstigungen ergeben.6

16.325 Die abkommensrechtliche Behandlung der Dividenden geht konzeptionell von der Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne durch Körperschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits aus.7 Ein abkommensrechtliches Instrumentarium, das auf die Einbeziehung der Körperschaftsteuerbelastung in die Steuerteilung zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat ausgerichtet ist, gibt es allgemein nicht. Im Hinblick darauf wird die Körperschaftsteuer, obwohl sie wirtschaftlich eine Vorbelastung der Dividende darstellt, in die Quellensteuerbegrenzung für Dividenden nicht mit einbezogen.

16.326 Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen Quellenstaat und Wohnsitzstaat beurteilt sich auch dann nach den für Dividenden geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA, wenn die Dividenden etwa von einem Unternehmen oder einem Selbständigen8 bezogen werden. Die besonderen für Dividenden geltenden Verteilungsnormen greifen al1 Zur Aufhebung der Quellensteuerbefugnis für Schachteldividenden in der EU vgl. Rz. 3.65 ff. 2 Vgl. die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 3 § 8b Abs. 1, 5 KStG, §§ 7 Satz 4, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG; vgl. allerdings das in § 8b Abs. 1 Satz 2 bis 4 KStG für verdeckte Gewinnausschüttungen verankerte materielle Korrespondenzprinzip; hierzu Rz. 18.90. 4 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 11; Jann in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zu Vermeidung der Doppelbesteuerung, 99 (102). 5 Jann in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 99 (102). 6 In Deutschland: § 8b Abs. 1, 5 KStG; § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG, §§ 7 Satz 4, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG. 7 Vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. 8 Art. 14 OECD-MA ist seit dem 15.11.2006 gestrichen, die meisten deutschen DBA enthalten jedoch noch eine dem Art. 14 OECD-MA a.F. vergleichbare Verteilungsnorm.

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L. Verteilung der Steuergüter

lerdings dann nicht ein, wenn die betreffenden Beteiligungen tatsächlich zu einer Betriebsstätte des Unternehmens im Quellenstaat1 bzw. dort zu einer festen Einrichtung des Selbständigen gehören (Art. 10 Abs. 4 OECDMA).2 Dieser Betriebsstättenvorbehalt eröffnet dem Quellenstaat die Möglichkeit, von der Bruttobesteuerung der Dividenden mit festen Quellensteuerhöchstsätzen auf eine Nettobesteuerung ohne Steuersatzbegrenzung überzuwechseln.3 Da Betriebsstätten von Unternehmen jedweder Art unterhalten werden können, gilt der Betriebsstättenvorbehalt nicht nur für Unternehmen, deren Einkünfte den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen unterliegen, sondern auch für Unternehmen mit Einkünften aus internationaler Schifffahrt, Luftfahrt oder Binnenschifffahrt4 und für Personengesellschaften, in deren Rahmen eine gewerbliche Tätigkeit oder eine selbständige Arbeit ausgeübt wird.5 Der Betriebsstättenvorbehalt betrifft nur Dividenden, die aus dem Betriebsstättenstaat selbst stammen. Dividenden aus Drittstaaten dagegen unterliegen nicht dem Betriebsstättenvorbehalt.6 Sie sind andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA),7 die nur im Wohnsitzstaat versteuert werden dürfen, es sei denn, die Beteiligungen gehören tatsächlich8 zu einem Betriebsstättenvermögen.9

16.327

Der Betriebsstättenvorbehalt greift nur dann ein, wenn die Beteiligungen, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte im Quellenstaat gehören.10 Damit wird der sog. Attraktivkraft der Be-

16.328

1 Ist die ausschüttende Gesellschaft dagegen im Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat ansässig, greift der Betriebsstättenvorbehalt nicht ein. 2 Der Betriebsstättenvorbehalt gilt auch in Fällen älterer Abkommen, in denen die feste Einrichtung von selbständig Tätigen nicht ausdrücklich erwähnt ist; FinMin. Niedersachsen v. 11.7.1995, IStR 1995, 397. 3 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 139; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 162. 4 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 33. 5 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 38. 6 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 36; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 157. 7 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 8 Der in Art. 21 Abs. 2 OECD-MA verankerte Betriebsstättenvorbehalt greift ebenfalls nur ein, wenn die den Einkünften zugrunde liegenden Vermögenswerte tatsächlich dem Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind. 9 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 126 f. 10 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; v. 29.11.2000 – I R 87/99, BStBl. II 2002, 655; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 125 ff., 132; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 160.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

triebsstätte,1 aufgrund deren sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen innerhalb des Betriebsstättenstaates diesem zur Besteuerung zu überlassen sind, eine Absage erteilt.2 Das bedeutet, dass die den Dividenden zugrunde liegenden Beteiligungen der Betriebsstätte in dem Sinne dienen müssen, dass sie in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit stehen.3 Für die Zuordnung kann daher nicht ohne weiteres auf die jeweiligen steuerrechtlichen Zuordnungsregeln des nationalen Rechts zurückgegriffen werden (Rz. 16.264). 2. Dividendenbegriff

16.329 Die Reichweite der für Dividenden geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA ist unmittelbar verknüpft mit dem Dividendenbegriff, der in der internationalen Abkommenspraxis eine eigenständige Regelung erfahren hat (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA). Der dort verwendete Dividendenbegriff ist für den Quellenstaat und den Wohnsitzstaat gleichermaßen verbindlich, und zwar auch insoweit, als durch Verweisung das entsprechende innerstaatliche Recht des Quellenstaates zum Abkommensrecht erhoben wird.4

16.330 Die die Dividenden betreffenden Regelungen in den DBA enthalten durchweg keine Legaldefinition. Welche Einkünfte zu den Dividenden zählen, wird vielmehr durch eine dreigliedrige Umschreibung konkretisiert (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA).5 Zu den Dividenden gehören danach Einkünfte aus – Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen, – anderen Rechten, ausgenommen Forderungen mit Gewinnbeteiligung, und – sonstigen Gesellschaftsanteilen, soweit die Einkünfte nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.

16.331 Was unter Einkünften6 zu verstehen ist, regelt die abkommensrechtliche Dividendendefinition lediglich für die dritte Fallgruppe, wonach für die Begriffsklärung von Einkünften aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ 1 Hierzu Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 42. 2 Art. 10 Rz. 31 OECD-MK. 3 Zu Einzelheiten Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 132. 4 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 184; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 91a. 5 Zu Abweichungen in der deutschen Abkommenspraxis Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 225 ff. 6 Im Hinblick auf die in Art. 10 Abs. 2 OECD-MA vorgesehene Bruttobesteuerung im Quellenstaat sind nach der Terminologie des deutschen Steuerrechts Einnahmen gemeint; BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, DB 1996, 1549; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 93; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 44, 186.

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L. Verteilung der Steuergüter

auf das Recht des Quellenstaates verwiesen wird. Diese Verweisung auf das Recht des Quellenstaates erfasst nur die Einkünftequalifikation selbst und diese auch nur insoweit, als sie sich auf „sonstige Gesellschaftsanteile“ bezieht. Es ist indessen kein Grund erkennbar, warum für Einkünfte etwa aus Aktien (erste Fallgruppe) die Auslegung nach Abkommensrecht oder hilfsweise nach dem Recht des Wohnsitzstaates (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) und für Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ die Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates maßgeblich sein soll. Entsprechend der den DBA immanenten Regelungshomogenität ist daher im Zweifel für alle Dividendeneinkünfte die Einkünftequalifikation einheitlich nach dem Recht des Quellenstaates vorzunehmen.1 Von der Verweisung auf das Recht des Quellenstaates ist allerdings in der zweiten Fallgruppe ausdrücklich die Abgrenzungsfrage ausgenommen, ob die Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen (Dividenden) oder aus Forderungen (Zinsen) stammen. Die Reichweite der Verweisung auf das Recht des Quellenstaates ist daher begrenzt. Zu den Dividenden aller drei Fallgruppen zählen Einkünfte lediglich aus Gesellschaftsanteilen.2 In Abgrenzung zu den ausschließlich Zinsen betreffenden Verteilungsnormen der DBA3 und gegenüber Mitunternehmerschaften, deren Erträge zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECDMA) zählen, sind Dividenden damit nur solche Einkünfte, die aufgrund der Beteiligung am Vermögen und am Liquidationserlös einer juristischen Person4 dem Empfänger zufließen.5

16.332

Die Einkünfte aus einer Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter6 sind abkommensrechtlich grundsätzlich keine Dividenden, sondern Zinsen, weil diese keine Beteiligung am Liquidationserlös vermittelt.7 Abweichend hiervon sind jedoch in der deutschen Abkommenspraxis die

16.333

1 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 186; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28; im Ergebnis ebenso Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 154; Burmester, RIW 1987, 298 (301); Debatin, DStZ 1989, 421 (422); für eine „autonome“ Auslegung durch den Wohnsitzstaat dagegen Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 92; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Piltz, DStR 1989, 133 (135). 2 Dies ergibt sich aus dem dritten Teilstück der Dividenden-Definition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, wonach Einkünfte aus „sonstigen“ Gesellschaftsanteilen erfasst werden. 3 Art. 11 OECD-MA. 4 Gesellschaften im Sinne der DBA sind gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA nur juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. 5 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. 6 Zu Abgrenzungsfragen zwischen typisch und atypisch stiller Gesellschaft von Beckerath in Kirchhof9, § 20 EStG Rz. 75 ff. 7 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 f., 208; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Piltz in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im internationalen Steuerrecht, 125 (138 ff.).

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Einkünfte aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter zumeist ausdrücklich in die abkommensrechtliche Dividendendefinition mit einbezogen worden.1 Die Qualifikation als (fiktive) Dividende bedeutet aber noch nicht, dass hierfür die abkommensrechtlichen Sonderbestimmungen für Schachteldividenden eingreifen, und zwar auch dann nicht, wenn daneben eine Schachtelbeteiligung besteht.2

16.334 Einkünfte aus der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter zählen dagegen als Einkünfte aus einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich zu den Unternehmensgewinnen, und zwar selbst dann, wenn abkommensrechtlich die Einkünfte als stiller Gesellschafter ohne jede Differenzierung zu den Dividenden gezählt werden: Erfasst werden stets nur die Einkünfte als typisch stiller Gesellschafter, die zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören.3

16.335 Ebenso wenig gehören auch Einkünfte aus partiarischen Darlehen,4 Gewinnobligationen,5 Wandelschuldverschreibungen6 und Investment-Zertifikaten,7 die lediglich eine Gläubigerstellung und keine Beteiligung an einer Gesellschaft vermitteln, zu den Dividenden.8 Im Gegensatz zum OECD-MA beziehen allerdings einige deutsche DBA derartige Einkünfte in den Dividendenbegriff mit ein.9

16.336 Die für Dividenden geltenden Verteilungsnormen der DBA gehen konzeptionell davon aus, dass dem Quellenstaat neben der Besteuerung der Unternehmensgewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Art. 7 Abs. 1 1 Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 231. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1.3; zur Kritik Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75. 3 BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 231; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 153; Grützner in G/K/G Art. 10 OECD-MA Rz. 209 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 (219); Krabbe, IStR 1999, 591 f.; Krabbe; IStR 2000, 23 f.; BMF v. 28.12.1999, BStBl. I 1999, 1121; v. 16.4.2010 BStBl. I 2010, 354; Rz. 2.2.1.2; a.A. Piltz in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 125 (142). 4 Es handelt sich hierbei um eine Kreditgewährung, bei der als Zins ein Anteil am Gewinn vereinbart ist; zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECDMA Rz. 117; zu einigen Besonderheiten deutscher DBA mit Einbeziehung in die Dividendendefinition Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 234. 5 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 171, 235; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 116. 6 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 111; OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 24. 7 Es ist nicht nur auf die Ausschüttungen aus dem Investmentvermögen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 InvStG), sondern auch auf vom Investmentvermögen erzielte ausgeschüttete Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG) und ausschüttungsgleiche Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG) des Sondervermögens abzustellen, so dass insoweit Dividenden gegeben sein können; zu Einzelheiten Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 211; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 118. 8 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 116 ff. 9 Zu Einzelheiten Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 171, 234 f.

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L. Verteilung der Steuergüter

OECD-MA) auch eine der Höhe nach begrenzte Quellenbesteuerung für die den Gesellschaftern zufließenden Dividenden zustehen soll. Deshalb ist stets Voraussetzung, dass die ausschüttende Gesellschaft als juristische Person oder wie eine juristische Person selbständiges Steuersubjekt ist.1 Im Hinblick darauf können auch Einkünfte aus Personengesellschaften Dividenden nur dann sein, wenn die Personengesellschaft in dem Staat, in dem der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung (Quellenstaat) liegt, steuerlich als selbständiges Steuersubjekt behandelt wird, und zwar unabhängig davon, ob diese steuerliche Behandlung aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften oder aber aufgrund einer Option erfolgt.2 Als Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen werden im ersten Teilstück der Dividendendefinition Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen genannt. Diesen Gesellschaftsanteilen sind als Typenmerkmale die Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft gemeinsam. Darüber hinausgehende Verwaltungsrechte brauchen mit diesem Gesellschaftsanteil nicht verbunden zu sein, so dass auch Einkünfte aus stimmrechtslosen Vorzugsaktien3 sowie Dividendenscheinen, soweit die Inhaber zugleich Aktionäre sind, Dividenden im Sinne der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen sind.4 Den Aktien gleichgestellt sind schließlich auch (verbriefte) Genussrechte und Genussscheine, soweit sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln,5 sowie Kuxen und Gründeranteile.

16.337

Während das zweite Teilstück der Dividendendefinition Einkünfte aus verbrieften Gesellschaftsanteilen erfasst,6 bezieht sich das dritte Teilstück auf Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist (Quellenstaat), den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Hierunter fallen vor allem nicht verbriefte Anteilsrechte an selbständig steuerpflichtigen juristischen Personen, wie etwa GmbH-Geschäftsanteile und Anteile an Genossenschaften sowie an Personengesellschaften, die

16.338

1 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 190. 2 BFH v. 20.9.1989 – II R 96/86, BStBl. II 1990, 206; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 27. 3 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 192; hierzu zählen auch Partizipationsscheine schweizerischen Rechts, soweit sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös gewähren; vgl. BFH v. 24.3.1992 – VIII R 51/89, BStBl. II 1992, 941. 4 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 192; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 100; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 112. 5 Entsprechend § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zu Einzelheiten Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 194 f.; 205 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 102; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Piltz in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 125 (132 ff.). 6 So in Abgrenzung zum dritten Teilstück der Dividendendefinition; hierzu Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 198; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECDMA, Ziff. 24.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

wie juristische Personen besteuert werden.1 Die Abkommen enthalten insoweit eine dynamische Verweisung auf das Recht des Quellenstaates mit der Folge, dass das jeweils geltende Recht desselben zum Abkommensrecht erhoben wird.2

16.339 In der dritten Fallgruppe ist von der Verweisung auf das Recht des Quellenstaates im Gegensatz zum zweiten Teilstück der Dividendendefinition nicht die Abgrenzungsfrage ausgenommen, ob die Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen (Dividenden) oder etwa aus Forderungen (Zinsen) stammen. Deshalb schlägt die Umqualifizierung von Vergütungen für sog. verdecktes Nennkapital in den Fällen der Gesellschafterfremdfinanzierung von Zinsen in verdeckte Gewinnausschüttungen (Dividenden) nach dem jeweiligen Recht des Quellenstaates3 auf Abkommensebene grundsätzlich durch.4 Voraussetzung ist allerdings, dass die derart unqualifizierten Einkünfte als solche aus Gesellschaftsanteilen stammend angesehen werden können.

16.340 Allerdings enthalten neuere deutsche DBA5 eine Verweisung auf innerstaatliches Recht ohne die vorgenannte Einschränkung, so dass Umqualifizierungen von Einnahmen aus Gesellschafterfremdfinanzierung (Zinsen) in (verdeckte) Gewinnausschüttungen (Dividenden) ohne weiteres auch auf Abkommensebene mit der Folge wirksam werden, dass der Quellenstaat berechtigt ist, eine Quellensteuer auf Dividenden zu erheben.

16.341 Die Verweisung auf das Recht des Quellenstaates6 führt in Deutschland als Quellenstaat dazu, dass die unter § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG fallenden Bezüge, Einnahmen und Leistungen den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.7 Dies betrifft verdeckte Gewinnausschüttungen,8 Vorab- und Nachtragsausschüttungen,9 Sachdividenden,10 Ausgleichszahlungen an außenstehende Minderheitsgesellschafter (Divi-

1 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 198. 2 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 199; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 85 ff.; Widmann, DStJG 8 (1985), 235 (250). 3 In Deutschland § 8a KStG in der bis 2007 geltenden Fassung. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 114; OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 15 Buchst. d; 25; differenzierend Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 201. 5 Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 228. 6 Das gilt für alle drei Teilstücke der Dividendendefinition (streitig); zu Einzelheiten Rz. 16.331. 7 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 208. 8 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28. 9 Hierzu Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 20 EStG Rz. 43. 10 Vgl. BMF v. 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034 Rz. 34; auch Freianteile als Ersatz von Bardividende; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 49/03, BStBl. II 2006, 520.

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dendengarantie),1 Dividendenkompensationszahlungen,2 die Auskehrung von Gratis-, Bonus- oder Treueaktien3 sowie Ausschüttungen, ausschüttungsgleiche Erträge und Zwischengewinne in Zusammenhang mit unter das InvStG fallenden Investmentanteilen.4 Bezüge aus Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Einlagenrückzahlungen und Liquidationen sind aus deutscher Sicht als Quellenstaat nur dann abkommensrechtlich Dividenden, wenn sie als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren sind, andernfalls handelt es sich ggf. um Veräußerungsgewinne.5

16.342

Im Einzelnen:6 Bezüge (z.B. Bezugsrechte, Freianteile) bei Kapitalerhöhungen aus Einlagen7 gehören nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen8 und sind demgemäß abkommensrechtlich auch mit Wirkung für den ausländischen Wohnsitzstaat keine Dividenden. Gleiches gilt im Ergebnis bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, soweit offene Rücklagen handelsrechtlich wirksam in Nennkapital umgewandelt werden.9 Obwohl es sich hierbei um eine sog. Doppelmaßnahme – Ausschüttung und Wiedereinlage – handelt,10 ist sie durch § 1 KapErhStG aus dem Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen.11 Bezüge aus Kapitalherabsetzungen12 gehören nur dann zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Ausschüttung unter § 28 Abs. 2 Satz 2, 4 KStG fällt (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).13 Das bedeutet, dass lediglich die Ausschüttung von Nennkapital, das durch Umwandlung von Gewinnrücklagen entstanden ist, zu Kapitaleinkünften und insoweit auch zu Dividenden i.S. von Art. 10 Abs. 3 OECD-MA14 führt. Demgegenüber sind

16.343

1 Hierzu Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 20 EStG Rz. 57. 2 § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG; hierzu Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 110 ff. 3 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28. 4 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 213 f., 230. 5 Vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a); 17 Abs. 4 EStG. 6 Aus der Sicht von Deutschland als Quellenstaat. 7 §§ 182 ff. AktG; 55 ff. GmbHG. 8 Gosch in Kirchhof9, § 17 EStG Rz. 17, 52. 9 §§ 207 ff. AktG; §§ 57c bis 57o GmbHG. 10 BFH v. 17.9.1957 – I 165/54 S, BStBl. III 1957, 401; v. 1.1.1958 – VI 13/57 U, BStBl. III 1958, 390; v. 5.4.1978 – I R 164/75, BStBl. II 1978, 414; v. 27.3.1979 – VIII R 147/76, BStBl. II 1979, 560. 11 Entsprechendes gilt auch für eine Kapitalerhöhung aus dem Jahresergebnis, wenn diese zuvor der Rücklage zugeführt wurden; Broer in Blümich, § 1 KapERhStG Rz. 9; FinMin NRW v. 4.7.1996, DB 1996, 1445. 12 §§ 222 ff. AktG; §§ 58 ff. GmbHG. 13 Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 120, 129; von Beckerath in Kirchhof9, § 20 EStG Rz. 59; zu Kapitalherabsetzungen ausländischer Kapitalgesellschaften vgl. § 7 Abs. 2 KapErhStG; hierzu Bröer in Blümich, § 7 KapERhStG Rz. 32. 14 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 129; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 162.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

§ 20 EStG und Art. 10 Abs. 3 OECD-MA nicht erfüllt, wenn das herabgesetzte Kapital aus Einlagen stammt.1

16.344 Bezüge gehören insoweit nicht zu den Einahmen aus Kapitalvermögen, als sie aus Ausschüttungen stammen, für die das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG)2 als verwendet gilt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Ob das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt, ergibt sich grundsätzlich aus einer Differenzrechnung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG), wonach im Ergebnis eine Verwendung hieraus erst dann erfolgt, wenn die übrigen Rücklagen keinen Positivbestand mehr ausweisen. Darüber hinaus ist eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ohne die vorgenannte Verwendungsreihenfolge möglich, wenn es sich um bestimmte Einlagenrückzahlungen3 handelt, etwa bei Rückzahlung von Nennkapital im Anschluss an eine vorangegangene Kapitalerhöhung aus Rücklagen.4 Die Rückzahlung von Gesellschafterrücklagen wird damit im Ergebnis steuerlich der Rückzahlung von Nennkapital, etwa im Wege der Kapitalherabsetzung, gleichgestellt, so dass zugleich auch abkommensrechtlich keine Dividende gegeben ist. Gehören die Anteile zu einem steuerlichen Betriebsvermögen, sind die Bezüge aus dem steuerlichen Einlagekonto zunächst mit dem Buchwert der Anteile zu verrechnen, so dass der übersteigende Teil der Bezüge gewinnerhöhende Betriebseinnahmen sind, die der Art nach allerdings keine Einkünfte aus Kapitalvermögen und somit abkommensrechtlich auch keine Dividenden sind.5

16.345 Bezüge aus Liquidationen6 sind nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn Nennkapital, soweit der Sonderausweis gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zu mindern ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG i.V. mit § 28 Abs. 2 Satz 2, 4 KStG) und im Übrigen nichts aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) ausgekehrt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V. mit

1 § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 203, 218; zur Kapitalherabsetzung ausländischer Kapitalgesellschaften Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 128; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 106; vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578. 2 Das steuerliche Einlagekonto erfasst nicht auf das Nennkapital geleistete Einlagen sowie diesen gleichgestellte Beträge. 3 Bei Aktiengesellschaften vor Liquidation unzulässig (§§ 57; 58 Abs. 5 AktG); bei GmbHs dagegen zulässig, soweit das Stammkapital nicht angegriffen wird (§ 30 GmbHG). 4 Zu den Fallgruppen mit Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto Dötsch/ Pung in D/J/P/W, § 20 EStG Rz. 89. 5 BFH v. 14.10.1992 – I R 1/91, BStBl. II 1993, 189; v. 7.11.1990 – I R 68/88, BStBl. II 1991, 177; v. 20.4.1999 – VIII R 38/96, BStBl. II 1999, 647; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 130; vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578; Intemann, NWB 2010, 2295 (2298); BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Tz. 6; ferner Rz. 15.179. 6 §§ 262 ff.; 271 AktG; 60 ff.; 72 GmbHG.

780

L. Verteilung der Steuergüter

Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).1 In den vorgenannten Fällen handelt es sich abkommensrechtlich um Dividenden.2 3. Besteuerung im Quellenstaat Kernstück der die Dividenden betreffenden Verteilungsnormen der DBA ist die Umgrenzung der Besteuerungsbefugnis des Quellenstaates. Nach einheitlicher Abkommenspraxis darf der Quellenstaat, also der Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, die Dividenden einer der Höhe nach begrenzten Steuer unterwerfen. Eine weitergehende Umgrenzung enthalten die Verteilungsnormen nicht, so dass die Steuer im Quellenstaat entweder im Wege des Abzugs bei der ausschüttenden Gesellschaft oder im Rahmen einer Veranlagung des Dividendenempfängers erhoben werden kann.3 In Art. 10 Abs. 2 OECD-MA sind die Quellensteuersätze für Schachteldividenden auf 5 Prozent und für Streubesitzdividenden auf 15 Prozent der Bruttobeträge begrenzt.4

16.346

Die Begrenzung der Quellensteuersätze gilt nur für den Fall, dass der Dividendenempfänger zugleich auch der im anderen Vertragsstaat (Wohnsitzstaat) ansässige5 Nutzungsberechtigte ist.6 Hierdurch soll vermieden werden,7 dass nichtabkommensberechtigte Personen (zur Abkommensberechtigung Rz. 16.169 ff.) sich abkommensberechtigter Personen bedienen, um Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen (sog. treaty shopping; hierzu Rz. 16.127). Nach den maßgeblichen Verteilungsnormen der DBA (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) unterbleibt eine Quellensteuerreduktion in allen Fällen, in denen Nutzungsberechtigte und formale Zahlungsempfänger personenverschieden sind. Ist allerdings die Zahlung an den formalberechtigten Zahlungsempfänger zugleich als Zahlung an den Nutzungsberechtigten anzusehen, wie etwa im Falle der Zahlung an einen Treuhänder, so liegt keine Personendivergenz vor mit der Folge, dass eine entsprechende Quellensteuerreduktion eintritt, wenn der Nutzungsberechtigte in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist.8

16.347

1 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 20 EStG Rz. 172 ff.; Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 124 f.; von Beckerath in Kirchhof9, § 20 EStG Rz. 58. 2 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 161 f. 3 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 36. 4 Zur deutschen Abkommenspraxis Übersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 5 Bei Ansässigkeit im Quellenstaat oder in einem Drittstaat entfällt die Quellensteuerbegrenzung; zu einzelnen Fallgruppen Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 63. 6 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 42 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 62. 7 Die Regelung entspricht dem § 20 Abs. 5 EStG. 8 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 20.

781

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.348 Die vorstehende auf Vermeidung eines treaty shopping ausgerichtete beneficiary-Klausel1 ist lediglich in den jüngeren deutschen DBA enthalten.2

16.349 Darüber hinaus sind in einigen deutschen DBA auch subject-to-tax-Klauseln3 verankert, nach denen die Quellensteuerreduktion davon abhängig ist, dass die betreffenden Dividenden im Wohnsitzstaat tatsächlich einer Besteuerung unterliegen4 und/oder dorthin überwiesen werden.5 Im Übrigen wird die abkommensrechtliche Quellensteuerbegrenzung im Grundsatz unabhängig davon gewährt wird, ob und in welchem Maße die ausschüttende Gesellschaft und der Dividendenempfänger der Besteuerung unterliegen. Deshalb können Steuervergünstigungen eintreten, die aus der Sicht des einen oder anderen Vertragsstaates für ungerechtfertigt gehalten werden. Einige deutsche DBA enthalten daher Sonderregelungen, die diesem Umstand dadurch Rechnung tragen, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Quellensteuerbegrenzung entfällt.6

16.350 Die in den Abkommen vorgesehene spezielle Quellensteuerbegrenzung für Schachteldividenden (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA) auf grundsätzlich 5 Prozent7 ist davon abhängig, dass der nutzungsberechtigte Dividendenempfänger eine selbständig steuerpflichtige Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1b OECD-MA; Kapitalgesellschaft) ist, die über mindestens 25 Prozent8 des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft unmittelbar verfügt. Diese besondere Quellensteuerreduktion dient zusammen mit der Gewährung der Steuerbefreiung für diese Dividenden (internationales Schachtelprivileg) im Wohnsitzstaat der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Rz. 12.3), und zwar unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Mehrfachbelastung von Konzerndividenden. Die spezielle Reduktion der Quellensteuersätze für Schachteldividenden hängt nicht davon ab, dass die Schachtelbeteiligung für eine bestimmte Mindestzeit 1 Hierzu Rz. 16.139; ausführlich auch Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff.; Hamacher, IStR 2002, 227 ff., 259 ff. 2 Hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 26. 3 Auch Rückfallklauseln genannt; zu Einzelheiten Rz. 16.141. 4 Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67; Einzelheiten bei Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 31 ff.; Wassermeyer in D/W Art. 23A OECD-MA Rz. 161 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 94 ff. 5 Remittance-base-Prinzip; Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 30. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 7 In den deutschen Abkommen gelten unterschiedliche Sätze, hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67; innerhalb der EU gem. Mutter/Tochter-Richtlinie (v. 23.7.1990, 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. Nr. L 225/6 v. 20.8.1990) bzw. gem. § 43b EStG keine Quellensteuer; vgl. hierzu Rz. 3.65 ff. 8 In deutschen DBA zT. auf 15 Prozent oder 10 Prozent abgesenkt; vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67.

782

L. Verteilung der Steuergüter

bestanden hat. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung der Quellensteuerschuld nach Maßgabe des Steuerrechts des Quellenstaates.1 Die Mindestbeteiligungsquote muss allerdings grundsätzlich im unmittelbaren Verhältnis zwischen der ausschüttenden und der empfangenden Gesellschaft bestehen. Bloß mittelbare Beteiligungen reichen nicht aus.2 Das Unmittelbarkeitserfordernis ist aus deutscher Sicht auch dann nicht erfüllt, wenn die Anteile an der ausschüttenden Gesellschaft im Vermögen einer Personengesellschaft gehalten werden, an der ihrerseits die Muttergesellschaft beteiligt ist.3 Diese Restriktion hat im Hinblick auf § 8b Abs. 6 KStG, der eine Freistellung der Dividende gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG auch bei einer über eine Personengesellschaft gehaltenen Beteiligung vermittelt, in der Praxis keine nennenswerte Bedeutung.4

16.351

Für Schachteldividenden enthalten die deutschen DBA darüber hinaus sog. Suspensionsklauseln, nach denen zugunsten von Deutschland die abkommensrechtlich für Schachteldividenden vorgesehene Quellensteuerreduzierung suspendiert bleibt, solange der Satz der deutschen Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne niedriger ist als der für nicht ausgeschüttete Gewinne und der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen 20 Prozent-Punkte5 oder mehr beträgt. Da es derzeit keinen gespaltenen Körperschaftsteuertarif gibt (§ 23 Abs. 1 KStG), spielen die abkommensrechtlich verankerten Suspensionsklauseln aus deutscher Sicht keine Rolle.

16.352

1 OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 16; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECDMA Rz. 78; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 78. 2 Tischbirek in Vogel, DBA, Art. 10 Rz. 55, 73, 75; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 77; das Erfordernis der Unmittelbarkeit wird allerdings nicht in allen deutschen DBA verlangt; hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 77; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 71; zu vergleichbaren Fallgestaltungen BFH v. 4.4.1974 – III R 168/72, BStBl. II 1974, 598; v. 4.4.1974 – I R 73/72, BStBl. II 1974, 645; v. 8.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761; anders dagegen zu § 9 Nr. 7 GewStG BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; a.A. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 74, Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 104 f.; Lemaitre/ Lüdemann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 7.39 unter Hinweis auf das entsprechende Revisionsprotokoll v. 12.3.2002 zum DBA-Schweiz (Art. VI Protokoll Nr. 1b zu Art. 10 Abs. 3; Gesetz v. 8.2.2003, BStBl. I 2003, 165). 4 Zu diesem Aspekt Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 121 f.; zum Verhältnis zwischen § 8b Abs. 1, 5 KStG zu den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien vgl. Rz. 15.153. 5 In einigen Abkommen wird auf eine Satzdifferenz von 15 Prozentpunkten abgestellt; vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67, 101 f., 114. f.

783

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

4. Verbot extraterritorialer Besteuerung

16.353 In der internationalen Abkommenspraxis wird die Besteuerung ausgeschütteter oder nicht ausgeschütteter Gewinne einer nicht ansässigen Gesellschaft untersagt (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA). Dieses Verbot extraterritorialer Besteuerung nimmt dem betreffenden Vertragsstaat die Möglichkeit, über die durch andere Verteilungsnormen (z.B. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA: Besteuerung von Betriebsstättengewinnen) eingeräumte Besteuerungsbefugnis hinaus Gewinne zu besteuern, die nicht ansässige Gesellschaften auf seinem Gebiet erwirtschaftet haben.1 So darf etwa der betreffende Vertragsstaat grundsätzlich keine von der nicht ansässigen Gesellschaft an in Drittstaaten ansässige Personen gezahlte Dividenden besteuern. Vom Verbot der extraterritorialen Besteuerung wird ausdrücklich ausgenommen die Besteuerung von Dividenden, die die nicht ansässige Gesellschaft an eine in dem betreffenden Vertragsstaat ansässige Person zahlt, oder, soweit der Gesellschafter in diesem Vertragsstaat nicht ansässig ist, die Besteuerung von Dividenden aus Beteiligungen, die tatsächlich zu einer in dem betreffenden Vertragsstaat (Quellenstaat) belegenen Betriebsstätte des Gesellschafters gehören (Art. 10 Abs. 5 OECDMA). Schließlich darf der Vertragsstaat, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist, die Gewinne der Gesellschaft nicht einer Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterwerfen (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA).

16.354 Dieses Besteuerungsverbot erstreckt sich nur auf die Gesellschaft selbst, nicht aber auf deren Gesellschafter. Die Hinzurechnungsbesteuerung nach Maßgabe der §§ 7 bis 14 AStG wird durch das abkommensrechtliche Verbot der extraterritorialen Besteuerung daher nicht gehindert.2

16.355 In den deutschen DBA ist das in der internationalen Abkommenspraxis übliche Verbot der extraterritorialen Besteuerung durchweg verankert.3 Einige deutsche DBA4 enthalten allerdings Vorbehalte zugunsten einer Quellensteuer auf Betriebsstättengewinne.5

V. Zinseinkünfte Literatur Kommentare zu Art. 11 OECD-MA; Baumann, Internationale Kapitalerträge zwischen verbundenen Gesellschaften im Steuerrecht, Diss. Sankt Gallen 1979; Gaddum in Gaddum/Hofmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, München 1 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 245. 2 BFH v. 9.11.1983 – I R 120/79, BStBl. II 1984, 468; v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; ferner Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 255; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 158; Wassermeyer in F/W/B, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 103. 3 Zur Abkommensübersicht Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 267. 4 Hierzu die Übersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 270. 5 Branch profits tax.

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L. Verteilung der Steuergüter 1985, 1; Haun, Hybride Finanzierungsinstrumente im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, Frankfurt/M. 1996; Hoffmann, Besteuerung bei internationaler Finanzierung und Kapitalverlagerung deutscher Unternehmen, Göttingen 1980; Kessler/Eicker/Obser, Die Schweiz und das Europäische Steuerrecht, IStR 2005, 658; Krause, Geldanlagen im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 147; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Aigner, Kapitalanlagefonds im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2001; Nieß, Der Einfluss der internationalen Besteuerung auf die Finanzierung ausländischer Grundeinheiten deutscher multinationaler Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1989; Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, Köln 2006; Piltz/Schaumburg, Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 125; Sieker, Die Bestimmung der Quelle von Zinseinnahmen, IStR 1993, 413; Teneler, Die Finanzierung der ausländischen Tochtergesellschaften industrieller Unternehmen, Diss. Erlangen – Nürnberg 1976; Zielke, GesellschafterFremdfinanzierung und Doppelbesteuerung in der Europäischen Union, RIW 2006, 600.

1. Allgemeines Ebenso wie bei den Dividendeneinkünften führen auch bei den Zinseinkünften1 die Schrankenwirkungen der DBA zu einer Steuerteilung zwischen dem Wohnsitzstaat, dessen Besteuerungsbefugnis uneingeschränkt aufrechterhalten wird, und dem Quellenstaat, dessen Besteuerung der Höhe nach begrenzt wird (Art. 11 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Diese in der internationalen Abkommenspraxis allgemein übliche Steuerteilung versteht sich als ein Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen der Kapitalgläubiger- und der Kapitalschuldnerländer.2 Da diesem Interessengegensatz zwischen Industriestaaten nur geringe Bedeutung zukommt, ist in deren DBA durchweg eine Besteuerungsbefugnis des Quellenstaates nicht vorgesehen.3 Aus diesem Grunde sehen auch die von Deutschland mit anderen Industriestaaten geschlossenen DBA regelmäßig eine Quellensteuerbefreiung vor. Soweit die DBA eine Quellensteuerbefugnis einräumen, wird die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass der Wohnsitzstaat des Zinsempfängers die Steuer des Quellenstaates anrechnet.

1 Nach der Terminologie des deutschen Steuerrechts sind Zinseinnahmen vor Abzug der ihnen zuzuordnenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten angesprochen; BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 72. 2 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 1.; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 3; Gaddum in Gaddum/Hofmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, 1 (10). 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECDMA Rz. 22.

785

16.356

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.357 Zwischen verbundenen in der EU ansässigen Unternehmen bestimmt zudem die Zins- und Lizenz-Richtlinie1 eine Quellensteuerbefreiung auf Zinszahlungen, um grenzüberschreitende Finanzbeziehungen insbesondere zwischen Konzernunternehmen innerhalb der EU gegenüber solchen innerhalb eines Mitgliedsstaates gleichzustellen (Rz. 3.69 ff.). Die Zinsund Lizenz-Richtlinie ist durch § 50g EStG umgesetzt worden, hat aber wegen der zumeist schon abkommensrechtlich vorgegebenen Freistellung keine besondere Bedeutung.2 Schließlich enthält die Zinsrichtlinie,3 die die Zinsbesteuerung natürlicher Personen in der EU betrifft, Regelungen über einen zwischenstaatlichen Informationsaustausch. Für einen Übergangszeitraum sind in Österreich, Belgien und Luxemburg im Hinblick auf deren Bankgeheimnis anstelle des Informationsaustausches Quellensteuern auf Zinsen zeitlich gestaffelt zwischen 15 Prozent und 35 Prozent einzubehalten und hiervon 75 Prozent an die jeweiligen Wohnsitzstaaten abzuliefern.4 Soweit es um das grenzüberschreitende Informationssystem geht, ist die Zinsrichtlinie auf der Grundlage des § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in deutsches Recht umgesetzt worden.5 Schließlich ergeben sich auch aus dem zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossenen Zinsbesteuerungsabkommen6 Besonderheiten dahingehend, dass die Schweiz für Zinszahlungen an in der EU ansässige natürliche Personen zeitlich gestaffelt eine Quellensteuer zwischen 15 Prozent und 35 Prozent erhebt und 75 Prozent entsprechend an den jeweiligen Wohnsitzstaat abführt. Anstelle der Quellensteuererhebung ist optional auch eine Offenlegung der Zinserträge vorgesehen.7

16.358 Die für Zinsen geltenden Verteilungsnormen (Art. 11 OECD-MA) gehen den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen (Art. 7 OECD-MA) grundsätzlich vor (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA). Das gilt auch für Zinseinnahmen, die im Rahmen der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit8 bezogen werden.9 Die für Zinsen

1 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 2 Gemäß § 50g Abs. 6 EStG gilt die Freistellungsregelung auch im Verhältnis zur Schweiz; hierzu Gosch in Kirchhof9, § 50g EStG Rz. 21. 3 RL 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/38 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006. 4 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 8. 5 Hierzu Knaupp in Kirchhof9, § 45e EStG Rz. 1 ff.; ferner Rz. 3.72 f. 6 ABl. EG Nr. L 385/30 v. 29.12.2004. 7 Zu Einzelheiten Kessler/Eicker/Obser, IStR 2005, 658 ff. 8 Art. 14 OECD-MA a.F., der zwar nicht mehr im OECD-MA, aber in den meisten deutschen DBA noch enthalten ist. 9 Eine dem Art. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar in dem früher geltenden Art. 14 OECD-MA, wegen der engen Verwandtschaft beider Verteilungsnormen gilt der Vorrang des Art. 11 OECD-MA aber auch hier; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 31.

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L. Verteilung der Steuergüter

maßgeblichen besonderen Verteilungsnormen treten ggü. den allgemeinen Verteilungsnormen (Art. 7 und früher Art. 14 OECD-MA) allerdings dann zurück, wenn der Zinsgläubiger in dem Staat, aus dem die Zinsen stammen,1 eine Betriebsstätte bzw. eine feste Einrichtung unterhält und die Zinsen zu deren Einkünften gehören.2 Dieser Betriebsstättenvorbehalt kommt allerdings nur dann zur Entfaltung, wenn die den Zinsen zugrunde liegenden Forderungen tatsächlich3 zu dieser im Quellenstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung gehören (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Eine Attraktivkraft der Betriebsstätte gibt es nicht.4 Im Hinblick darauf sind etwa Zinsen für an eine Personengesellschaft hingegebene Gesellschafterdarlehen regelmäßig5 dem Art. 11 OECD-MA auch für den Fall zuzuordnen, dass es sich hierbei aus deutscher Sicht um Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG handeln sollte.6 Die Reichweite des Art. 11 OECD-MA ist begrenzt. Der Regelung dieser 16.359 speziellen Verteilungsnorm sind nämlich Zinsen nur insoweit unterworfen, als sie der Höhe nach angemessen sind (Art. 11 Abs. 6 OECD-MA). Für den überhöhten Teil des gezahlten Zinsbetrages gelten die Schrankenwirkungen dieser speziellen Verteilungsnorm nicht. Als Folge ergibt sich, dass die Vertragsstaaten vorbehaltlich anderer Abkommensbestimmungen in der Besteuerung des Mehrbetrages nach Maßgabe ihres nationalen Rechts frei sind.7 Dies führt dazu, dass die den angemessenen Zins übersteigenden Beträge 16.360 in aller Regel abkommensrechtlich entweder als Dividenden (Art. 10 OECD-MA) oder aber als Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) bzw.

1 Hierzu im Einzelnen Sieker, IStR 1993, 413 (415 ff.). 2 Sog. Betriebsstättenvorbehalt; Art. 11 Abs. 4 OECD-MA. 3 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 109; Wenz/Linn in Haase, Art. 11 OECD-MA Rz. 93. 4 Hierzu Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 42. 5 Abweichend in einigen deutschen Abkommen stets als Unternehmensgewinne qualifiziert; hierzu die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 61 sowie unilateral § 50d Abs. 10 EStG; hierzu Rz. 16.237, 18.72 f. 6 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECDMA Rz. 95; Wenz/Linn in Haase, Art. 11 OECD-MA Rz. 95 ff. 7 Art. 11 Abs. 6 Satz 2 OECD-MA, der insoweit eine besondere Ausprägung des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ist; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 141.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

als Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit1 zu qualifizieren sind.2 2. Zinsbegriff

16.361 Die für Zinsen geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA enthalten eine abschließende Zinsdefinition (Art. 11 Abs. 3 OECD-MA), die erst in Abgrenzung zur abkommensrechtlichen Dividendendefinition ihre eigentliche Kontur gewinnt. Während Dividenden Einkünfte aus Kapitalüberlassung sind, bei der der Überlassende ein besonderes Unternehmerrisiko trägt (Rz. 16.332), sind Zinsen nur Entgelte für die Überlassung von Kapital zur Nutzung.3 Hierzu zählen insbesondere Einkünfte aus Forderungen,4 auch wenn die Forderungen dinglich gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, sowie Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen.

16.362 Nach Maßgabe dieser Abgrenzungskriterien zählen zu den Zinsen im Wesentlichen5 Bezüge aus Spareinlagen, und zwar nicht nur fortlaufend gutgeschriebene Zinsen, sondern auch etwaige Auf- und Abzinsungsbeträge,6 öffentliche Schuldverschreibungen, Industrieobligationen und Optionsanleihen,7 wobei Erträge aus Gewinnobligationen und Wandelschuldverschreibungen in den deutschen DBA mitunter als Dividenden behandelt werden,8 ferner Bezüge aus Zerobonds,9 Optionsscheinen, insbesondere aus sog. Capped Warrants und Range Warrants10 und Investment-Zertifikaten.11 Abweichend von Art. 11 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA werden in den deutschen DBA schließlich auch Verzugszinsen und sons-

1 Art. 14 OECD-MA, der zwar nicht mehr im OECD-MA, aber noch in den meisten deutschen DBA enthalten ist. 2 Zu möglichen Qualifikationskonflikten Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 130; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 148. 3 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 73 ff. 4 Zum Begriff der Forderung im abkommensrechtlichen Sinne ausführlich Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 94 ff. 5 Vgl. hierzu auch das ABC bei Wenz/Linn in Haase, Art. 11 OECD-MA Rz. 87. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 84. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 85 ff.; zu Differenzierungen insb. Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 63 ff. 8 Abkommensübersicht zu Gewinnobligationen bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204; zu Wandelschuldverschreibungen Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 85a. 9 Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 86; Wenz/Linn in Haase, Art. 11 OECD-MA Rz. 87; Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 56; vgl. auch BFH v. 13.10.1987 – VIII R 156/84, BStBl. II 1988, 252. 10 Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 66 f. 11 Soweit im Investmentvermögen Zinsen angefallen sind; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 90, 90a.

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L. Verteilung der Steuergüter

tige Zuschläge für verspätete Zahlung zu den Zinsen gerechnet.1 Zu den Zinsen gehören grundsätzlich auch Bezüge aus einer typisch stillen Gesellschaft2 ebenso wie Zinsen und Erträge aus partiarischen Darlehen.3 Zu den als Zinsen zu qualifizierenden Einkünften aus hybriden Finanzierungen gehören ferner die Bezüge aus Genussrechten, soweit diese nicht zugleich eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.4 Zu den Zinsen zählen auch die Entgelte, die Gesellschafter für die Überlassung von Darlehen an Kapitalgesellschaften erhalten, an denen sie beteiligt sind.5 Das gilt nicht, wenn die Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach dem jeweiligen Recht des Quellenstaates als verdecktes Nennkapital gewertet wird.6

16.363

Hypothekenzinsen zählen grundsätzlich ebenfalls zu den Zinsen im abkommensrechtlichen Sinne. In der deutschen Abkommenspraxis werden die Zinsen aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen ausnahmsweise allerdings den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA) zugerechnet7 mit der Folge, dass die Besteuerungsbefugnis in aller Regel ausschließlich beim Belegenheitsstaat liegt.

16.364

3. Besteuerung im Quellenstaat In der internationalen Abkommenspraxis können Zinsen ebenso wie Dividenden sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Quellenstaat besteuert werden. Die Besteuerung im Quellenstaat ist allerdings dahingehend eingeschränkt, dass dort lediglich eine der Höhe nach begrenzte Steuer erhoben werden darf.8 In der deutschen Abkommenspraxis ist die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat überwiegend genommen.9 Für Deutsch1 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECDMA Rz. 61, 82. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 63a; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 88; in nicht wenigen deutschen DBA als Dividende eingestuft; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204; Einkünfte aus atypisch stiller Beteiligung sind demgegenüber den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zuzuordnen; BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 28.12.1999, IStR 2000, 23; v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.2; vgl. ferner Rz. 16.333. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 89; in einigen deutschen Abkommen als Dividende qualifiziert; hierzu die Übersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 234. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 87; Grützner in G/K/G, Art. 11 OECD-MA OECD-MA Rz. 79/4 ff.; Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 73. 5 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 65. 6 Zu den thin capitalisation rules Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 67c; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 155 ff.; Zielke, RIW 2006, 600 ff. 7 Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 81, 83. 8 Nach Art. 11 Abs. 2 OECD-MA darf die Steuer 10 Prozent des Bruttobetrages (Einnahmen) nicht übersteigen. 9 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48.

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16.365

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

land als Quellenstaat hat diese Einschränkung der Besteuerungsbefugnis allerdings keine sehr große Bedeutung, weil Zinsen, soweit sie nicht z.B. aus dinglich gesicherten Forderungen stammen, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht grundsätzlich ohnehin nicht der Besteuerung unterliegen.1 Soweit in der deutschen Abkommenspraxis keine Quellensteuerbefreiung vorgesehen ist, enthalten die deutschen Abkommen neben dem Regelsteuersatz von 10 Prozent auch solche von 5 Prozent, 15 Prozent sowie 20 Prozent und 25 Prozent; in einigen Abkommen fehlt jegliche Begrenzung.2

16.366 Zinsen aus partiarischen Darlehen sowie Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen unterliegen, soweit sie als Zinsen zu qualifizieren sind (Rz. 16.333), in den neueren deutschen DBA keiner Quellensteuerbegrenzung, wenn sie im Quellenstaat bei der Ermittlung des Einkommens des Schuldners steuerlich abziehbar sind.3

16.367 Die maßgeblichen Verteilungsnormen (Art. 11 OECD-MA) gelten nicht für Zinsen, die aus dem Wohnsitzstaat des Zinsgläubigers oder aus einem Drittstaat stammen. Deshalb greift die Quellensteuerumgrenzung nur dann ein, wenn die Zinsen aus dem Vertragsstaat (Quellenstaat) stammen, in dem der Zinsschuldner ansässig ist, oder wenn, unabhängig von der Ansässigkeit des Zinsschuldners, die Zinsen für Schulden von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung in dem Vertragsstaat (Quellenstaat) getragen werden (Art. 11 Abs. 5 OECD-MA). Die Befugnis auch des Betriebsstättenstaates, die zu Lasten der Betriebsstätte gezahlten Zinsen zu besteuern, bedeutet einen Ausgleich dafür, dass diese Zinsen das Betriebsstättenergebnis und damit das Steuergut in diesem Staat gemindert haben.4 Diese Quellendefinition gilt jedoch nur dann, wenn die Betriebsstätte in dem jeweils anderen Vertragsstaat belegen ist. Fallen dagegen die Zinsen in einer in einem Drittstaat belegenen Betriebsstätte an, so erfasst die Quellensteuerumgrenzung nur den Vertragsstaat, in dem der Zinsschuldner ansässig ist. In diesem Dreiecksfall kann es zu einer nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung kommen, wenn auch der Betriebsstättenstaat eine Quellensteuer erhebt.5

16.368 Die Quellensteuerreduzierung (Art. 11 Abs. 2 OECD-MA) steht abkommensrechtlich unter dem Vorbehalt, dass der Zinsgläubiger zugleich auch der Nutzungsberechtigte6 ist (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es handelt sich hierbei um eine abkommensspezifische Missbrauchsvorschrift, 1 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG; vgl. hierzu Rz. 5.220. 2 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 3 Hierzu die Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48, 51. 4 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 104. 5 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 135 ff.; Wenz/ Linn in Haase, Art. 11 OECD-MA Rz. 111 ff.; ferner Rz. 16.182 f. 6 Zum Begriff Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 57 f.

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L. Verteilung der Steuergüter

die vermeiden will, dass durch Einschaltung von Mittelspersonen die Quellensteuerreduktion erschlichen wird.1

VI. Lizenzgebühren Literatur Kommentare zu Art. 12 OECD-MA; Borstell/Wehnert, Lizenzzahlungen im Konzern, IStR 2001, 127; Busse, Internationaler Technologietransfer und Steuerrecht, Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978; DIHT, Hohe Hürden für Lizenzen, Bonn 1975; Greinert, Besonderheiten bei der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise im Fall der Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, RIW 2006, 449; Hahn, Auslegungs- und Praxisprobleme der Zins-/Lizenz-Richtlinie: Bezugnahme auf das OECD-Musterabkommen und die Autonomie des Gemeinschaftsrechts, EWS 2008, 273; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, Bielefeld 1995; May, Ertragsberechnung von Technologietransfer bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens, Baden-Baden 1994, 183; Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, Sauer, Leasing, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 177; Tumpel, Software, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 157; Uhlmann, Die Behandlung der Lizenzvergütungen im internen und im internationalen Steuerrecht der Schweiz, Diss. Zürich 1964; Voelcker, Einbringung von Lizenzen in ausländische Tochtergesellschaften bei entgegenstehendem ausländischen Recht, Diss. Hamburg 1982.

1. Allgemeines In der internationalen Abkommenspraxis wird grundsätzlich dem Wohn- 16.369 sitzstaat des Lizenzgebers die ausschließliche Besteuerungsbefugnis für Lizenzgebühren zugewiesen (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA). Dieser vollständige Steuerverzicht des Quellenstaates zugunsten einer uneingeschränkten Besteuerung in dem Staat, in dem der Lizenzgeber ansässig ist, versteht sich als Ausgleich dafür, dass die vorangegangenen Entwicklungsund Forschungskosten steuerlich zu Lasten dieses Staates gegangen sind.2 Dem entspricht im Ergebnis auch die durch § 50g EStG umgesetzte Zinsund Lizenz-Richtlinie,3 wonach zwischen verbundenen in der EU ansässigen Unternehmen gezahlte Lizenzgebühren im Quellenstaat nicht besteuert werden dürfen.4 Demgegenüber geht insbesondere das Interesse der Entwicklungsländer dahin, durch Erhebung einer Quellensteuer am Steueraufkommen zu partizipieren. In der deutschen Abkommenspraxis wird dem durchweg dadurch Rechnung getragen, dass Entwicklungs1 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10; Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 36; zum treaty shopping Rz. 16.127. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 8. 3 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 4 Zu Praxisproblemen Hahn, EWS 2008, 273 ff.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ländern eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer1 zugestanden wird.2 In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung in Deutschland durch Anrechnung der ausländischen Quellensteuer vermieden, was allerdings bei einer auf Bruttobasis erhobenen Quellensteuer und entsprechend niedriger Umsatzrendite nicht selten zu erheblichen Anrechnungsüberhängen führt (Rz. 15.121).

16.370 Die für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen (Art. 12 OECDMA) gehen den Verteilungsnormen für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) grundsätzlich vor (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA).3 Das gilt auch für Lizenzgebühren, die im Rahmen der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit4 bezogen werden.5 Aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts6 zählen die Lizenzgebühren aber dann wiederum zu den Unternehmensgewinnen, wenn der Lizenzgeber in dem Staat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, eine Betriebsstätte unterhält und die Lizenzgebühren dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (Betriebsstättenvorbehalt). Dies setzt voraus, dass das zugrunde liegende Stammrecht (Patent, Know-how, Marken usw.) tatsächlich zur Betriebsstätte gehört.7 Hierfür reicht es nicht aus, dass das zugrunde liegende Stammrecht bzw. Wirtschaftsgut, für das die Lizenzgebühren gezahlt werden, das Betriebsstättenvermögen verstärkt; erforderlich ist vielmehr ein funktionaler Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte.8 Im Hinblick darauf können die für notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen geltenden Grundsätze des deutschen Steuerrechts9 nicht ohne weiteres übernommen werden. Ebenso wenig gehört Sonderbetriebsvermögen10 abkommensrechtlich ohne weiteres zum Betriebsstättenvermögen: Zwar ist jede Betriebsstätte der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zugleich auch eine Betriebsstätte des Unternehmens eines jeden Gesell1 2 3 4 5

6 7

8

9 10

Zumeist 10 Prozent und 15 Prozent. Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 8. Vormals Art. 14 OECD-MA. Eine dem Art. 7 Abs. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar im vormaligen Art. 14 OECD-MA, wegen der engen Verwandtschaft beider Verteilungsnormen gilt der Vorrang des Art. 12 OECD-MA aber auch hier; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 31; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECDMA Rz. 10. Art. 12 Abs. 3 OECD-MA. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; modifizierend BFH v. 29.11.2000 – I R 87/99, BStBl. II 2002, 655; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 103; von Pannwitz in Haase, Art. 12 OECD-MA Rz. 133. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 103. Heinicke in Schmidt29, § 4 EStG Rz. 104 f. Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 506 ff.

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L. Verteilung der Steuergüter

schafters (Rz. 16.243), die nach den Grundsätzen des § 15 EStG gebotene Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen beruht aber auf rechtlichen Erwägungen, die für den Betriebsstättenvorbehalt in Art. 12 Abs. 3 OECDMA ohne Bedeutung sind. Damit gehört Sonderbetriebsvermögen allenfalls in Ausnahmefällen tatsächlich zum Betriebsstättenvermögen der Personengesellschaft (Rz. 16.392). Entsprechendes gilt in Orientierung an den früher geltenden Art. 14 OECD-MA für die feste Einrichtung eines Selbständigen, der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit bezieht. Der Vorrang der für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen gilt nur insoweit, als die Lizenzgebühren der Höhe nach angemessen1 sind (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA). Dieser Angemessenheitsvorbehalt gilt allerdings nur für den Fall besonderer Beziehungen zwischen dem Schuldner der Lizengebühren und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem der Beiden und einem Dritten.2 Angesprochen sind damit insbesondere Lizenzzahlungen im grenzüberschreitenden Konzernverbund. Für den überhöhten Teil der Lizenzgebühren gelten die Schrankenwirkungen des Art. 12 OECD-MA nicht. Als Folge ergibt sich, dass überhöhte Lizenzbeträge abkommensrechtlich entweder als Dividenden (Art. 10 OECDMA) oder als Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) bzw. als Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit3 zu qualifizieren sind.4

16.371

2. Lizenzbegriff Die für Lizenzgebühren geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA enthalten eine abschließende Definition des Begriffs Lizenzgebühr.5 Ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht ist daher ausgeschlossen.6 Der abkommensrechtliche Begriff der Lizenzgebühr ist sehr weit und umfasst alle Vergütungen, die als Gegenleistung gezahlt werden für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Urheberrechten, Patenten, gewerblichen Schutzrechten und Erfahrungen. Zu den Vergütungen zählen nicht nur laufende, periodisch wiederkehrende Zahlungen, sondern auch ein1 Zur Angemessenheit von Lizenzgebühren im Einzelnen Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 693 ff.; Portner in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 ff.; Kleineidam in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Greinert, RIW 2006, 449. 2 Für Zwecke der Auslegung kann hier auf § 1 Abs. 2 AStG und § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG zurückgegriffen werden; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 125; von Pannwitz in Haase, Art. 12 OECD-MA Rz. 148. 3 Früher Art. 14 OECD-MA. 4 Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 125. 5 Art. 12 Abs. 2 OECD-MA. 6 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 55; Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 46; Käbisch/Strunk in S/K/K, Art. 12 OECD-MA Rz. 42.

793

16.372

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

malige Zahlungen.1 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, auf welcher Bemessungsgrundlage die Lizenzgebühren berechnet werden. So sind neben Umsatzlizenzgebühren auch gewinnabhängige Lizenzgebühren sowie Stücklizenzgebühren durchaus üblich. Zu diesen Vergütungen gehören nicht nur vereinbarte Nutzungsentgelte, sondern auch jede Art von Schadensersatz, etwa wegen Rechtsverletzungen.2 Die im Zusammenhang mit Schutzrechten, Erfahrungen usw. bezogenen Entgelte sind nur dann Lizenzgebühren, wenn sie für deren Benutzung oder für das Recht auf deren Benutzung gezahlt werden. Entgelte für die Veräußerung dieser Lizenzgegenstände sind grundsätzlich keine Lizenzgebühren.3 Ob eine zeitlich begrenzte Nutzung oder eine Veräußerung eines Rechtes oder eines Vermögenswertes gegeben ist, beurteilt sich letztlich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Im Hinblick darauf kann auch die Überlassung von Know-how zeitlich begrenzt erfolgen, obwohl das überlassene Erfahrungswissen dem Lizenznehmer nicht mehr genommen werden kann.4 Wird aufgrund eines Vertrages ein Entgelt sowohl für die Veräußerung als auch für die Nutzung von Lizenzgegenständen gezahlt, so hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen, soweit das eine oder andere Leistungselement nicht lediglich eine untergeordnete Nebenleistung darstellt.5 Ist dagegen eine Lizenzvergütung im Kaufpreis etwa für eine Ware nur einkalkuliert, ohne dass hierfür eine gesonderte Zahlung erfolgt, so liegt ebenfalls keine Lizenzgebühr im abkommensrechtlichen Sinne vor.

16.373 Von der Überlassung insbesondere von Erfahrungswissen ist die Beratung zu unterscheiden. Das Beratungshonorar fällt nicht unter die Lizenzgebühr im abkommensrechtlichen Sinne, da der Berater seine Erfahrungen nicht mitteilt, sondern selbst verwendet.6 Daher zählen auch Entgelte für technische Dienstleistungen grundsätzlich nicht zu den Lizenzgebühren im abkommensrechtlichen Sinne.7 Bei gemischten Verträgen bedarf es stets einer Aufteilung der Entgelte, so etwa bei Franchiseverträgen, bei denen

1 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 44; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 55; zur Abgrenzung zu Veräußerungsgewinnen Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 11. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 48; Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 76, 79 f. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 87; zu den Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MARz. 82. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 87; Käbisch/Strunk in S/K/K, Art. 12 OECD-MA Rz. 48; a.A. BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 4812; von Pannwitz in Haase, Art. 12 OECD-MA Rz. 72, wonach eine zeitlich begrenzte Nutzung ausgeschlossen sei. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 90; Kempermann in F/W/K, Art. 12 DBS-Schweiz Rz. 46. 6 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 58; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 89; von Pannwitz in Haase, Art. 12 OECD-MA Rz. 78. 7 Zu Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 83.

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L. Verteilung der Steuergüter

die Entgelte für eine Markenlizenz abzugrenzen sind von den Entgelten für Beratungsleistungen und Finanzierungen.1 Im Einzelnen werden vom Lizenzbegriff folgende Lizenzgegenstände erfasst: Urheberrechte2 an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, zu denen auch die Computer-Software gehört,3 Marken, Muster und Modelle,4 zu denen das Recht gehört, den als Marke geschützten Konzernnamen zu führen, soweit diesem ein eigenständiger Wert zukommt,5 nicht aber das Recht etwa als Vertriebsgesellschaft erworbene Waren mit einer Marke zu vertreiben,6 ferner Patente, Pläne, geheime Formeln oder Verfahren7 sowie Know-how,8 zu dem nicht nur technisches, sondern auch kaufmännisches Erfahrungswissen gehört.

16.374

Vom Lizenzbegriff des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA werden Entgelte für die Überlassung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen nicht erfasst mit der Folge, dass insbesondere Leasinggebühren nicht als Lizenzgebühren zu qualifizieren sind. Diese Ausgrenzung9 beruht auf der Erwägung, dass eine Quellensteuer auf (Brutto-) Leasinggebühren im Hinblick auf die schmalen Gewinnspannen im Leasinggeschäft zu einer Überbesteuerung führt.10 Obwohl Leasinggebühren, zu denen insbesondere auch die Entgelte für die zeitlich begrenzte Überlassung von Schiffen, Flugzeugen, Containern und Krananlagen gehören, hiernach den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zuzurechnen sind, werden sie in der den OECD-MA 1963 und 1977 folgenden deutschen Abkommenspraxis durchweg (noch) als Lizenzgebühren qualifiziert.11

16.375

1 OECD-MK zu Art. 12 Abs. 2 OECD-MA, Rz. 11.6. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 61 ff.; Pöllath/ Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 61. 3 Zu Einzelheiten Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 63 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 63 ff.; von Pannwitz in Haase, Art. 12 OECD-MA Rz. 85 ff.; Tumpel in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 157 ff. 4 Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 68 ff. 5 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; Borstell/Wehnert, IStR 2001, 127 ff. 6 BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 68. 7 Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 74 ff. 8 Zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 81. 9 Durch das OECD-MA 1992; nach den OECD-MA 1963 und 1977 gehörten die Leasinggebühren noch zu den Lizenzgebühren. 10 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 54; Sauer in Gassner/Lang/ Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 177 (191 f.); das Argument der Überbesteuerung trifft allerdings für alle Fälle der Quellenbesteuerung auf Bruttobasis zu. 11 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 79.

795

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

3. Besteuerung im Wohnsitzstaat und Quellenstaat

16.376 Während in der internationalen Abkommenspraxis die Befugnis zur Besteuerung von Lizenzgebühren1 ausschließlich dem Wohnsitzstaat zusteht, wird in den deutschen DBA abweichend hiervon nicht selten dem Quellenstaat eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer auf Bruttobasis zugestanden.2 Unter die Schrankenwirkungen des DBAs fallen aber nur diejenigen Lizenzgebühren, die aus dem jeweils anderen Vertragsstaat stammen. Lizenzgebühren aus Drittstaaten unterliegen nicht den Lizenzartikeln, sondern den für andere Einkünfte geltenden Verteilungsnormen der DBA.3 Die Lizenzartikel der DBA enthalten zwar keine Regelung darüber, woher die Lizenzgebühren stammen müssen; in Analogie zu den entsprechenden Regelungen der Zinsartikel (Art. 11 Abs. 5 OECD-MA) ist hierbei jedoch grundsätzlich auf die Ansässigkeit des Schuldners der Lizenzgebühren abzustellen.4 Die Abkommensschranken entfalten sich schließlich nur dann, wenn der Empfänger der Lizenzgebühren in dem jeweils anderen Vertragsstaat ansässig ist. Hierbei ist auf den Nutzungsberechtigten (Rz. 16.139) abzustellen. Auf diese Weise soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen durch an sich nicht abkommensberechtigte Personen vermieden werden (zum treaty shopping Rz. 16.127).

16.377 Soweit in deutschen DBA Deutschland als Quellenstaat eine Quellensteuerbefugnis zusteht,5 wird die Quellensteuer gem. § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG vom Bruttobetrag ohne Berücksichtigung etwa an ausländische Lizenzgeber in bestimmter Höhe6 erstatteter Fahrt- und Übernachtungskosten erhoben.7 Soweit gem. § 13b Abs. 1, 2 UStG der inländische Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer schuldet,8 ist diese nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage.9 Soweit Deutschland als Quellenstaat abkommensrechtlich keine Quellensteuer erheben darf, wird die Freistellung entweder im Erstattungsverfahren (§ 50d Abs. 1 EStG), im Freistellungsverfahren (§ 50d Abs. 2 EStG) oder im Kontrollmeldeverfahren (§ 50d Abs. 5 EStG) umgesetzt (Rz. 5.276 ff.).

1 Im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 56. 2 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 79. 3 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 22; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 28. 4 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 20; Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 28. 5 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 6 Pauschbeträge gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG. 7 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 6/88, BStBl. II 1991, 235; Portner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 33. 8 Reverse Charge-Verfahren. 9 BMF v. 1.8.2002, BStBl. I 2002, 709.

796

L. Verteilung der Steuergüter

VII. Veräußerungsgewinne Literatur Kommentare zu Art. 13 OECD-MA; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Fischer (Hrsg.), Internationaler Unternehmenskauf und -zusammenschluss im Steuerrecht, Köln 1992; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECDMusterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Plewka/Beck, Qualifikation als Immobiliengesellschaft nach dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2007, 125.

1. Allgemeines In der internationalen Abkommenspraxis ist im Grundsatz derjenige Vertragsstaat berechtigt, Veräußerungsgewinne zu besteuern, der vor der Veräußerung die aus dem veräußerten Vermögenswert fließenden Erträge besteuern durfte.1

16.378

Was unter Veräußerungsgewinnen zu verstehen ist, regeln die DBA zumeist nicht. Aus diesem Grunde entscheidet, soweit keine Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang möglich ist, letztlich das jeweilige nationale Recht (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), was hierzu zu rechnen ist.2 Aus deutscher Sicht zählen zu den Veräußerungsgewinnen3 insbesondere Gewinne4 aus Verkaufs- und Tauschgeschäften, aus der Einbringung von Vermögenswerten in eine Gesellschaft, aus einer Betriebsaufgabe, aus der Entnahme von Betriebsvermögen sowie aus Umwandlung, ferner aus einer Liquidation oder Kapitalherabsetzung, soweit diese nicht dem Regelungsbereich der Dividendenartikel unterliegt (Rz. 16.343 ff.).

16.379

Wie das Entgelt für die Veräußerung letztlich ausgestaltet ist, spielt keine Rolle. Daher beurteilt sich die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gegen Rente nicht etwa nach den für andere Einkünfte, sondern nach den für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen.5

16.380

1 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECDMA Rz. 1; Schütte in Haase, Art. 13 OECD-MA Rz. 3. 2 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 3, 20; Gradel/Kleinhaus in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; Land in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 17; dagegen von einem eigenständigen Abkommensbegriff ausgehend Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; einschränkend ebenfalls Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 15. 3 Zu Einzelheiten Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 10 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 22 ff.; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17 ff. 4 Erfasst werden sowohl positive als auch negative Einkünfte nach Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten; Wassermeyer in D/W, Art. 13 Rz. 46, 86; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 22. 5 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECDMA Rz. 30; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 24.

797

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

2. Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens

16.381 Für Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens gilt das Belegenheitsprinzip, so dass die Besteuerungsbefugnis des Staates, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, keinen abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterliegt.1 Im Wohnsitzstaat wird die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis steht dabei die Steuerfreistellung im Vordergrund.2

16.382 Das Belegenheitsprinzip gilt grundsätzlich auch für die Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Betriebsvermögen und von Vermögen, das zu einer festen Einrichtung3 gehört,4 und zwar unabhängig davon, ob es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen handelt.5 Für die Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften gilt auf Grund der Sonderregelung in Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ebenfalls das Belegenheitsprinzip (Rz. 16.396 ff.).

16.383 Eine Abweichung vom Belegenheitsprinzip zugunsten des Betriebsstättenprinzips ist in der deutschen Abkommenspraxis die seltene Ausnahme.6 Das Belegenheitsprinzip gilt nur dann, wenn das unbewegliche Vermögen im anderen Vertragsstaat – und nicht in Drittstaaten – belegen ist. Für in Drittstaaten belegenes unbewegliches Vermögen verbleibt es bei der Besteuerungsbefugnis des Wohnsitzstaates (Art. 13 Abs. 5 OECDMA), sofern nicht ein mit dem Drittstaat bestehendes DBA diesem die Besteuerungsbefugnis zuteilt.

16.384 In der internationalen Abkommenspraxis wird der Begriff des unbeweglichen Vermögens in den für die Einkünfte und für die Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen gleichermaßen definiert. Das bedeutet, dass insoweit auf das Recht des Belegenheitsstaates abzustellen ist.7 3. Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens

16.385 Für Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens einer Betriebsstätte und beweglichen Vermögens, das zu einer festen Einrich-

Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 47. Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. Seit 2000 im OECD-MA nicht mehr enthalten. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 48; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECDMA Rz. 41; Schütte in Haase, AStG/DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 25. 5 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 41; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 37. 6 DBA-Schweden; vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 61. 7 Art. 13 Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 2 OECD-MA; Einzelheiten zum Begriff des unbeweglichen Vermögens Rz. 16.224. 1 2 3 4

798

L. Verteilung der Steuergüter

tung im Sinne des vormaligen Art. 14 OECD-MA gehört,1 gilt das Betriebsstättenprinzip, so dass der Vertragsstaat der Betriebsstätte oder der festen Einrichtung zur Besteuerung befugt ist, ohne den Schrankenwirkungen des Abkommens zu unterliegen (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Befindet sich das im anderen Staat belegene bewegliche Betriebsvermögen dagegen in einer in einem Drittstaat oder im Wohnsitzstaat belegenen Betriebsstätte, kommt nicht Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sondern Art. 13 Abs. 5 OECD-MA zur Anwendung, so dass nur der Wohnsitzstaat steuerberechtigt bleibt.2 Soweit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA eingreift, wird im Wohnsitzstaat die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis gilt durchweg die Steuerfreistellung.3 Da die DBA selbst keine Definition des beweglichen Vermögens enthalten, lässt sich dieser Begriff nur in Abgrenzung zum Begriff des unbeweglichen Vermögens erschließen.4 Danach zählen zum beweglichen Vermögen alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte, die nicht unbewegliches Vermögen darstellen,5 insbesondere also Forderungen, Lizenzrechte, Patentrechte,6 Wertpapiere, Firmenwert und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften.7 Als dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zuzuordnende Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich auch Gewinne zu qualifizieren, die aufgrund von Umwandlungen von Kapitalgesellschaften entstehen.8 Da mangels einer eigenständigen Abkommensdefinition sich letztlich nach nationalem Recht des jeweiligen Vertragsstaates beurteilt, was unter Veräußerungsgewinn zu verstehen ist,9 kommt es für die Besteuerung des Gesellschafters allein darauf an, ob die vorgenannten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates zu einer gewinnrealisierenden Veräußerung führen oder nicht. Erforderlich ist aber stets eine Vermögensübertragung, so dass etwa die bloße Fiktion des § 9 UmwStG im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft

1 In Abgrenzung zu Art. 7 Abs. 1 OECD-MA wird nur die Veräußerung von Anlagevermögen erfasst; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; wird die Betriebsstätte insgesamt veräußert, hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 91. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 83. 3 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 77. 5 Schütte in Haase, Art. 13 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 77. 6 Soweit die Veräußerung der Rechte (ausnahmsweise) nicht unter die Lizenzartikel fällt; Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 82. 7 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 60; Schütte in Haase, Art. 13 OECD-MA Rz. 42. 8 Hierzu Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 ff. 9 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.

799

16.386

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

nicht auf das Abkommensrecht durchschlägt.1 Die steuerliche Behandlung im (anderen) Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft ist ohne Bedeutung. Aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat2 entstehen bei der Umwandlung unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne, wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes oder des § 8b Abs. 2 KStG (Rz. 15.174; 17.25 ff.) gegeben sind.

16.387 Für die Umstrukturierung ausländischer Kapitalgesellschaften3 gelten dagegen aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat4 folgende Rechtsgrundsätze: Entspricht die Umstrukturierung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung deutschen Rechts,5 erfolgt eine Besteuerung stiller Reserven im Zuge eines Anteilstauschs oder wie bei einer Liquidation einer ausländischen Kapitalgesellschaft.6 Der Tauschgewinn ist ebenso wie der Liquidationsgewinn abkommensrechtlich Veräußerungsgewinn,7 es sei denn, es handelt sich nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausländischen Kapitalgesellschaft (Quellenstaat) um Dividenden (Rz. 16.331 ff.). Stellt sich die Umstrukturierung der ausländischen Kapitalgesellschaft aus deutscher Sicht als Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) dar, ist bereits mangels Vermögensübertragung abkommensrechtlich ein Veräußerungsgewinn nicht gegeben (Rz. 17.210). Soweit ein rechtsformüberschreitender Formwechsel (vgl. § 9 UmwStG) zu einer Gewinnrealisierung führt, sind andere Einkünfte (Art. 21 OECDMA) gegeben.8

16.388 Beteiligungen an Personengesellschaften sind nach deutschem Steuerrecht keine selbständigen Wirtschaftsgüter,9 so dass hiernach nicht auf die Veräußerung der Beteiligung an der Personengesellschaft selbst, sondern auf die Veräußerung der tatsächlich zum Vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter abzustellen ist. Abkommensrechtlich ist dagegen die Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften stets die Veräuße1 Wassermeyer in D/W, Art. 13 Rz. 24; a.A. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 255. 2 Entsprechendes gilt aus der Sicht als Wohnsitzstaat bei der Anwendung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 3 Zum ausländischen Umwandlungssteuerrecht Grotherr in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 152 ff. 4 Inländische Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaft im Ausland; entsprechend bei Anwendung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA: inländische Anteilseigner mit Beteiligungen an ausländischer Kapitalgesellschaft. 5 §§ 2 ff., 123 ff., 174 ff. UmwG. 6 BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 22. 7 Zum DBA-Österreich BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 28, 74. 8 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124). Vgl. Rz. 17.211. 9 BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1981, 730.

800

L. Verteilung der Steuergüter

rung einer Betriebsstätte, auf die Art. 13 Abs. 2 OECD-MA Anwendung findet,1 soweit nicht auch unbewegliches Vermögen mitveräußert wird.2 Diese abweichende Beurteilung beruht darauf, dass abkommensrechtlich die Beteiligung an einer Personengesellschaft wie eine vom Gesellschafter betriebene Betriebsstätte anzusehen3 ist. Aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat entstehen bei der Umwandlung von inländischen Personengesellschaften keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne, wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes, des steuerneutralen Betriebsvermögenstransfers4 und der Realteilung5 gegeben sind. Die Umstrukturierung ausländischer Personengesellschaften6 führt abkommensrechtlich zu Veräußerungsgewinnen,7 es sei denn, es handelt sich aus deutscher Sicht um einen Formwechsel in eine Personengesellschaft anderer Rechtsform (Rz. 17.210).

16.389

Das Betriebsstättenprinzip gilt nur für bewegliches Betriebsvermögen. Es 16.390 muss sich also um Vermögenswerte handeln, die einer Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) oder einer festen Einrichtung8 zuzurechnen sind.9 Welche Vermögensteile der Betriebsstätte zuzurechnen sind, wird zwar nicht unmittelbar in Art. 13 Abs. 2 OECD-MA geregelt, ergibt sich aber aus dem Abkommenszusammenhang, und zwar insbesondere aus den zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA geltenden Grundsätzen (Rz. 16.264) sowie aus den abkommensrechtlichen Regelungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA).

1 BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771; v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 79; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 60. 2 Insoweit greift Art. 13 Abs. 1 OECD-MA ein; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 41; BMF v. 16.4.2010 BStBl. I 2010, 354. 3 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. 4 § 6 Abs. 5 EStG; hierzu Kulosa in Schmidt29, § 6 EStG Rz. 681 ff.; Fischer in Kirchhof9, § 6 EStG § 6 Rz. 205 ff. 5 § 16 Abs. 3 Sätze 2–4 EStG; hierzu Wacker in Schmidt29, § 16 EStG Rz. 530 ff.; Reiß in Kirchhof9, § 16 EStG Rz. 235 ff. 6 Zum ausländischen Umwandlungssteuerrecht Grotherr in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 152 ff. 7 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953; Wassermeyer in Schaumburg/ Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120); vgl. Rz. 17.201 ff. 8 Vormals Art. 14 Abs. 1 OECD-MA. 9 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 77; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECDMA Rz. 81.

801

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.391 Diese Regelungen stellen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Die „tatsächliche Zugehörigkeit“ von Vermögensteilen zum Betriebsstättenvermögen kann zumeist in den Fällen bejaht werden, in denen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts unabhängig von gewerblicher Prägung1 und Fiktionen2 die Voraussetzungen für die Qualifikation als Betriebsvermögen gegeben sind.3

16.392 Zum Betriebsstättenvermögen gehören abkommensrechtlich indessen nicht ohne weiteres solche Wirtschaftsgüter, die aus der Sicht des deutschen Steuerrechts Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft sind. Diese nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gebotene Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen beruht auf rechtlichen Erwägungen und steht im untrennbaren Zusammenhang mit der Behandlung der aus den betreffenden Wirtschaftsgütern stammenden Erträge als gewerbliche Einnahmen im Rahmen der Personengesellschaft. Abkommensrechtlich kommt es auf diese Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen nicht an.4 Abzustellen ist vielmehr stets auf die tatsächliche Zugehörigkeit.5 Tatsächlich gehören diese im Eigentum des jeweiligen Gesellschafters stehenden Wirtschaftsgüter nur dann zum Vermögen der Personengesellschaft und sind damit Betriebsstättenvermögen, wenn die Vermögenswerte in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte (Personengesellschaft) ausgeübten Tätigkeit stehen und sich die Erträge dieser Vermögenswerte bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der zu den Erträgen aus der nach der Verkehrsauffassung in der Hauptsache ausgeübten Unternehmenstätigkeit darstellen.6 Im Hinblick darauf wird jedenfalls gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen7 überhaupt nicht8 und notwendiges Son-

1 Die gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) schlägt nicht auf das Abkommensrecht durch; vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1223; a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.2.1. 2 Z.B. § 5 Abs. 2, 3 UmwStG. 3 BFH v. 19.5.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1223. 4 Gegen BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 5 Vgl. BFH v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766. 6 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 81; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 77, 81; a.A. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 zum DBA-Schweiz, wonach nicht auf eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit abgestellt wird. 7 Zum Begriff Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 506 ff. 8 Piltz, IStR 1996, 457 (460).

802

L. Verteilung der Steuergüter

derbetriebsvermögen II1 nur ganz ausnahmsweise2 abkommensrechtlich Betriebsvermögen der Betriebsstätte (Personengesellschaft) sein.3 Da Art. 13 Abs. 2 OECD-MA schließlich insbesondere mit den abkommensrechtlichen Normen korrespondiert, die einen Betriebsstättenvorbehalt vorsehen,4 wird damit der erkennbaren Wertung der DBA entsprochen, wonach das Recht zur Versteuerung des Veräußerungsgewinns dem Staat zustehen soll, der berechtigt ist, sowohl den Vermögenswert als auch die Einkünfte daraus zu besteuern.5 In einigen deutschen DBA wird bewegliches Vermögen einer festen Einrichtung nicht vom Betriebsstättenprinzip erfasst. Damit erfolgt die Besteuerung nach den in den für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen verankerten Auffangklauseln (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) im Wohnsitzstaat.6

16.393

4. Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen Für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, sowie von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe und Luftfahrzeuge dient,7 ist ausschließlich der Vertragsstaat zuständig, in dem der Ort der Geschäftsleitung liegt (Art. 13 Abs. 3 OECD-MA). Da nur der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens besteuern darf, hat der Wohnsitzstaat die Veräußerungsgewinne freizustellen. Die ausschließliche Besteuerung im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung erfolgt auch dann, wenn die Luftfahrzeuge oder Seeschiffe einer im anderen Vertragsstaat vorhandenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Das Betriebsstättenprinzip wird insoweit verdrängt. Der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens ist darüber hinaus auch für die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung des den Schiffen und Luftfahrzeugen dienenden beweglichen Vermögens zuständig. Für unbewegliches Vermögen verbleibt es demgegenüber beim Belegenheitsprinzip (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA).

1 Zum Begriff Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 517. 2 Komplementär-GmbH einer deutschen GmbH & Co. KG; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 3 Piltz, IStR 1996, 457 (460). 4 Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA gelten nur für den Fall, dass die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus dem Betriebsstättenstaat selbst stammen. 5 OECD-MK zu Art. 13 OECD-MA, Ziff. 4; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 81; dieser Zusammenhang wird vom BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 für nicht relevant gehalten; zur Begründung hierfür Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. 6 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 90, 91. 7 Zu den Begriffen Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 107.

803

16.394

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.395 Während in einigen deutschen DBA die Besteuerungsbefugnis für Gewinne aus Schiffen und Luftfahrzeugen dem Staat zugewiesen ist, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet,1 fehlt in anderen Abkommen eine Sonderregelung für Schiffe und Luftfahrzeuge, so dass für die Besteuerungsbefugnis durchweg das Betriebsstättenprinzip und ggf. das Wohnsitzprinzip zur Anwendung kommt.2 Schließlich gibt es Abkommen, die in ein deutsches Register eingetragene Schiffe als unbewegliches Vermögen behandeln mit der Folge, dass für die diesbezüglichen Veräußerungsgewinne das Belegenheitsprinzip gilt.3 5. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften

16.396 Art. 13 Abs. 4 OECD-MA enthält für Gewinne aus der Veräußerung von Immobiliengesellschaften eine Sonderregelung. In Abweichung von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürfen, sind Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften auch der Besteuerung im Belegenheitsstaat zugewiesen. Damit soll im Ergebnis dem Belegenheitsstaat nicht dadurch die Besteuerung genommen werden, dass die bei ihm belegenen Grundstücke von einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft gehalten werden.4

16.397 Das vorgenannte modifizierte Belegenheitsprinzip greift nur dann ein, wenn die immobilienhaltende Gesellschaft5 nach Verkehrswerten6 mehr als 50 Prozent ihres gesamten Gesellschaftsvermögens in Grundstücken oder übrigem unbeweglichen Vermögen hält. Entsprechend der Zielsetzung der Sonderregelung ist hierbei nur auf das Aktivvermögen, also ohne Berücksichtigung von Verbindlichkeiten abzustellen.7 Unerheblich ist auch, ob das unbewegliche Vermögen von der Immobiliengesellschaft unmittelbar oder aber nur mittelbar gehalten wird. Schließlich kommt es auch nicht auf die Höhe der Beteiligung an der Immobiliengesellschaft an.8

1 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 107. 2 Nachweise bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 112, Art. 8 Rz. 46; ferner Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 254. 3 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 113. 4 Rz. 28.3 zu Art. 13 MK. 5 Es muss sich um einen selbständigen Rechtsträger (juristische Person) i.S. von § 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA handeln; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECDMA Rz. 123c; Schütte in Haase, Art. 13 OECD-MA Rz. 75. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 123d; Gradel/Kleinhaus in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 37; Schütte in Haase, Art. 13 OECD-MA Rz. 81. 7 OECD-MK zu Art. 13 Abs. 4 OECD-MA, Rz. 28.4L; zu Einzelheiten Plewka/ Beck, IStR 2007, 125 ff. 8 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 131.

804

L. Verteilung der Steuergüter

Die Sonderregelung für Immobiliengesellschaften ist bislang nur in einigen neueren deutschen DBA enthalten.1 Die Doppelbesteuerung wird in aller Regel durch Deutschland als Wohnsitzstaat durch Anrechnung vermieden.2

16.398

6. Gewinne aus der Veräußerung von übrigem Vermögen Die für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen enthalten eine Auffangklausel, nach der für die Gewinne aus der Veräußerung von im Übrigen nicht genanntem Vermögen das Wohnsitzprinzip gilt.3 Hierzu zählen im Wesentlichen Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Privatvermögens.4 Schließlich werden von dieser Auffangklausel auch Gewinne aus der Veräußerung von im Wohnsitzstaat und in Drittstaaten belegenem Vermögen erfasst.5 Bei der Besteuerung von Drittlandsvermögen im Wohnsitzstaat verbleibt es aber nur dann, wenn ein zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat bestehendes DBA die Besteuerungsbefugnis nicht dem Drittstaat zuweist.6

16.399

In der Abkommenspraxis spielt die Auffangklausel eine besondere Rolle für Gewinne aus der Veräußerung von privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften. Zu diesen Veräußerungsgewinnen zählen auch Gewinne auf Grund von Verschmelzung, Anteilstausch, Spaltung, Liquidation und Kapitalherabsetzung von Kapitalgesellschaften, soweit es sich insoweit nicht um Dividenden handelt.7

16.400

In der deutschen Abkommenspraxis gibt es Besonderheiten, die dem Besteuerungsinteresse von Deutschland Rechnung tragen. So wird in einigen Abkommen im Falle des Wegzuges für den früheren Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis für Gewinne aus der Veräußerung von Grundvermögen und wesentlichen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft aufrechterhalten, wenn der veräußernde Wegzügler während eines Zeitraums von fünf oder zehn Jahren bzw. unmittelbar vor dem Wohnsitzwechsel dort ansässig war.8 Schließlich weisen einige deutsche DBA im Falle des Wegzugs dem neuen Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis nur für den nach dem Wegzug aus Deutschland entstandenen Wertzu-

16.401

1 Hierzu die Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 149. 2 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 174. 3 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vollständige Verteilungsnorm. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 134; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 141. 5 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 220; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 132 f. 6 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 220. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 135a; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 149; ferner Rz. 16.342. 8 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 302.

805

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

wachs zu.1 Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie abkommensrechtliche Schrankenwirkungen ggü. der deutschen Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG; hierzu Rz. 5.357 ff.) beseitigen.

16.402 Einige deutsche DBA enthalten schließlich Sonderregelungen für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Danach können derartige Veräußerungsgewinne auch in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.2 In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung durchweg durch Steueranrechnung im Wohnsitzstaat vermieden.

16.403 Soweit die für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen keine Auffangklauseln (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) enthalten, werden die Veräußerungsgewinne als „andere Einkünfte“ durch Art. 21 OECD-MA erfasst, so dass die Besteuerungsbefugnis dem Wohnsitzstaat zusteht. Fehlt eine derartige abkommensrechtliche Auffangnorm, bleibt die Besteuerungsbefugnis auch des Quellenstaates aufrechterhalten.3

VIII. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu Art. 14 OECD-MA aF.; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/ Stuttgart/Wien 1992; Krabbe, Abgrenzung der Besteuerungsrechte bei international tätigen Sozietäten, FR 1995, 692; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfer, Herne/Berlin 2001; Reimer, Der Ort des Unterlassens, München 2004; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schaumburg, Freiberufliche Beratung im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 115; Schmidt/Spensberger, Anwendung des Art. 14 OECD-Musterabkommen bei ausländischen Einkünften inländischer Kapitalgesellschaften, IStR 2002, 480; Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, Köln 1973; Urtz, Die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen der Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-Musterabkommen und der festen Einrichtung nach Art. 14 OECD-Musterabkommen und die Konsequenzen für die abkommensrechtliche Behandlung grenzüberschreitend tätiger Freiberufler-Sozietäten in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998, 157.

1. Allgemeines

16.404 Die für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit maßgebliche Verteilungsnorm des Art. 14 OECD-MA ist zwar seit dem OECD-MA 2000 sus1 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 317. 2 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 3 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225 f. mit Abkommensübersicht.

806

L. Verteilung der Steuergüter

pendiert, weil sich deren Regelungskreis nicht wesentlich von dem des Art. 7 OECD-MA unterscheidet, da aber die meisten deutschen DBA eine dem Art. 14 OECD-MA vergleichbare Verteilungsnorm enthalten, hat die nachfolgende Darstellung weiterhin Bedeutung. In der internationalen Abkommenspraxis sind die Einkünfte aus freiem Beruf und aus sonstiger selbständiger Arbeit grundsätzlich allein dem Wohnsitzstaat zur Besteuerung zugewiesen.1 Der Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, darf als Quellenstaat nur dann besteuern, wenn für die Tätigkeit dort gewöhnlich bzw. regelmäßig eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat entweder durch Freistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis steht die Freistellung unter Progressionsvorbehalt im Vordergrund. Die für selbständige Arbeit geltenden Verteilungsnormen haben damit die gleiche Verteilungsstruktur wie die für Unternehmensgewinne.2

16.405

In Abweichung vom Wohnsitzprinzip legen einige deutsche DBA bei den Einkünften aus freiem Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit das Arbeitsortsprinzip zugrunde. Danach entfällt die Besteuerung im Staat der Arbeitsausübung nur dann, wenn die Tätigkeit dort eine bestimmte Zeit – zumeist 183 Tage – nicht überschreitet.3

16.406

Im Hinblick auf diese abkommensrechtlichen Anknüpfungspunkte läuft die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Abkommensfällen dann leer, wenn sie an die Verwertung der selbständigen Arbeit anknüpft (Rz. 5.200).

16.407

Für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen sowie für die Einkünfte als Künstler und Sportler sind in der internationalen Abkommenspraxis besondere Verteilungsnormen vorgesehen (Art. 16, 17 OECD-MA), die stets vorrangig sind.4 Soweit schließlich die Einkünfte aus freiem Beruf durch Verwertung von Rechten und ähnlichen Vermögenswerten erzielt und dementsprechend Lizenzgebühren bezogen werden, greifen die für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen (Art. 12 OECD-MA) ein,5 es sei denn, die Lizenzgebühren sind einer festen Einrichtung im Quellenstaat zuzuordnen (Art. 12 Abs. 3 OECD-MA). Entsprechendes gilt

16.408

1 Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. 2 OECD-MK zu Art. 14 OECD-MA a.F., Ziff. 3. 3 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 37, 40 ff., 51. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 44. 5 Eine dem Art. 7 Abs. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar in Art. 14 OECD-MA a.F., aus den Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECDMA ist aber im Hinblick auf die enge Verwandtschaft der beiden eingangs genannten Verteilungsnormen zu folgern, dass der Vorrang der Art. 10, 11 und 12 OECD-MA auch gegenüber Art. 14 OECD-MA gilt; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 7; FinMin. Niedersachsen v. 11.7.1995, DB 1995, 1588.

807

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

für Dividenden (Art. 10 Abs. 4 OECD-MA) und Zinsen (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA).

16.409 Die für Einkünfte aus selbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen entfalten im Grundsatz ihre Schutzwirkung zwar auch gegenüber juristischen Personen,1 sie haben für diese aber deshalb keine Bedeutung, weil die maßgeblichen Besteuerungsmerkmale nur von natürlichen Personen2 erfüllt werden können.3 Davon abgesehen, wird in einigen deutschen DBA der diesbezügliche Anwendungsbereich ausdrücklich auf natürliche Personen beschränkt.4 2. Einordnung der Einkünfte

16.410 Dem Art. 14 OECD-MA a.F. unterfallen sowohl Einkünfte aus freiem Beruf als auch solche aus sonstiger selbständiger Tätigkeit. Die Abkommen definieren zwar nicht den Begriff des freien Berufs, sie enthalten aber einen nicht erschöpfenden Katalog typisch freiberuflicher Tätigkeiten (Art. 14 Abs. 2 OECD-MA a.F.). Genannt werden dort die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische und unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Buchsachverständigen. Soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, kann für Zwecke der Auslegung innerstaatliches Recht herangezogen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA),5 so dass aus deutscher Sicht insbesondere die zu § 18 EStG ergangene umfangreiche Rechtsprechung Bedeutung hat.6

16.411 Für die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit enthalten die Abkommen weder eine Definition noch eine Aufzählung typischer Tätigkeiten. Deshalb kann auch hier, soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, für die Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus deutscher Sicht kommen damit vor allem die unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu subsumierenden Tä1 Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 11. 2 Auch durch den Zusammenschluss natürlicher Personen, z.B. Sozietäten. 3 BFH v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 20; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 34; Schmidt/ Spensberger, IStR 2002, 480 ff.; a.A. Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 13; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 16; Strunk/zur Heide in S/K/K, Art. 14 OECD-MA Rz. 32; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 77. 4 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 47. 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 60; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECDMA Rz. 20; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 113 (116); mit Einschränkungen im Ergebnis ebenso Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 13, 17. 6 Hierzu die ABC’s der Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei Wacker in Schmidt29, § 18 EStG Rz. 155 sowie das ABC der Freiberufler bei Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 135.

808

L. Verteilung der Steuergüter

tigkeiten in Betracht, also insbesondere die Tätigkeiten von Testamentsvollstreckern und Vermögensverwaltern,1 soweit abkommensrechtlich hierfür nicht besondere Verteilungsnormen eingreifen.2 3. Besteuerung im Quellenstaat Dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, steht als Quellenstaat ein Besteuerungsrecht grundsätzlich nur dann zu, wenn für die Ausübung der Tätigkeit dort gewöhnlich bzw. regelmäßig eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Insoweit treffen die DBA für die Verteilung der Steuergüter zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit die gleiche Wertentscheidung wie bei den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit: Die selbständige Arbeit und die unternehmerische Tätigkeit sollen erst dann von einem ausländischen Staat zum Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gemacht werden, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an diesen Staat geführt haben. Diese Wertentscheidung artikuliert sich damit bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit und unternehmerischer Tätigkeit gleichermaßen in dem international geltenden Betriebsstättenprinzip. Die feste Einrichtung ist daher die Betriebsstätte des freien Berufs.3

16.412

Soweit in der deutschen Abkommenspraxis darüber hinaus auch das Tätigkeitsortsprinzip verwirklicht wird,4 hat der Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, die Besteuerungsbefugnis nur dann, wenn die Tätigkeitsdauer dort eine Mindestzeit überschreitet. Hierbei gilt zumeist die 183-Tage-Klausel.

16.413

Voraussetzung für die Besteuerung im Quellenstaat ist, dass die selbständige Tätigkeit dort ausgeübt und hierfür eine feste Einrichtung in dem Sinne unterhalten wird, dass die ausgeübte selbständige Arbeit aufgrund Sachzusammenhangs der festen Einrichtung zuzurechnen ist.5

16.414

Für die Ausübung der Tätigkeit wird darauf abgestellt, wo gearbeitet wird, nicht aber darauf, wo die Arbeit verwertet wird.6 Die Arbeit wird

16.415

1 Hierzu im Einzelnen Wacker in Schmidt29, § 18 EStG Rz. 141; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 26. 2 Wie etwa für die Einkünfte aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied (Art. 16 OECD-MA). 3 RFH v. 31.10.1940, RStBl. 1941, 19; BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; v. 2.12.1992 – I R 77/91, HFR 1993, 295; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 66; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 76. 4 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 37. 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 92. 6 BFH v. 14.1.1982 – IV R 168/78, BStBl. II 1982, 345; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 17; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 36.

809

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

dort ausgeübt, wo sich der Betreffende1 bei Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit körperlich aufhält.2 Abzustellen ist hierbei darauf, wo die Haupttätigkeit ausgeübt wird. So ist die Haupttätigkeit bei bildenden Künstlern und Schriftstellern dort, wo die eigentliche schöpferische Leistung erbracht wird,3 bei Erfindern dort, wo die Erfinderidee planmäßig verwirklicht wird und die Rechte aus der Erfindung geltend gemacht werden,4 und bei beratenden Tätigkeiten dort, wo sich diese unmittelbar vollzieht.5 Erzielt der selbständig Tätige Einkünfte dadurch, dass er sich für eine Tätigkeit zur Verfügung hält, so wird die selbständige Tätigkeit dort ausgeübt, wo sich der Leistende tatsächlich aufhält.6 Wird für ein Unterlassen bezahlt, so ist darauf abzustellen, wo die zu unterlassende Handlung vorgenommen worden wäre.7 Wäre die Handlung an jedem beliebigen Ort, also nicht nur innerhalb des Staatsgebietes des jeweiligen Vertragsstaates, vollzogen worden, wird hilfsweise auf den Aufenthaltsort des Verpflichteten abgestellt.8

16.416 Für die Tätigkeit im Quellenstaat muss, soweit nicht ausnahmsweise nur das Arbeitsortsprinzip gilt, zudem eine feste Einrichtung zur Verfügung stehen. Dieser Begriff ist in den DBA nicht definiert. Da aber Betriebsstätte und feste Geschäftseinrichtung gleichermaßen die Funktion haben, das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates von dem des Quellenstaates abzugrenzen, kann für Zwecke der Begriffserklärung im

1 Bei freiberuflichen Sozietäten mit internationalen Büros sind die dem Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte allen Sozien nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen; so das „Zurechnungsprinzip“ im Gegensatz zum „Ausübungsprinzip“, wonach die vorbezeichneten Einkünfte nur den im Ausland tätigen Sozien zuzurechnen sind; vgl. hierzu die Kontroverse von Loukota einerseits und Portner andererseits, IStR 1996, 391 f.; für das Zurechnungsprinzip z.B. Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 50; Krabbe, FR 1995, 692 ff.; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 6.1; für das Ausübungsprinzip z.B. Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 30 ff. 2 RFH v. 29.1.1935, RStBl. 1935, 759; BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 17 ff. 3 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 15.2.1990 – IV R 13/89, BStBl. II 1990, 621; zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugverfahrens, 90 ff. 4 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/ NV 1991, 143. 5 BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463. 6 BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 17. 7 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; zu Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugverfahrens, 93 ff. 8 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867.

810

L. Verteilung der Steuergüter

Zweifel auf die abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinitionen (Art. 5 OECD-MA) zurückgegriffen werden.1 Im Unterschied zur Betriebsstätte muss die feste Einrichtung dem selbständig Tätigen für seine Tätigkeit gewöhnlich zur Verfügung stehen. „Gewöhnlich“ steht die Einrichtung zur Verfügung, wenn sie nur ausnahmsweise der Verfügung des Steuerpflichtigen entzogen ist.2 Die feste Einrichtung muss nur regelmäßig, nicht aber ständig benutzt werden.3 Erforderlich ist, dass die feste Geschäftseinrichtung unter der Verfügungsgewalt des selbständig Tätigen derart steht, dass er über diese entweder rechtlich oder tatsächlich verfügen kann.4

16.417

Sind die für eine feste Einrichtung erforderlichen Merkmale erfüllt, darf der Quellenstaat die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur insoweit besteuern, als sie dieser festen Einrichtung zuzurechnen sind. Da die feste Einrichtung die gleiche Abgrenzungsfunktion hat wie die Betriebsstätte, gelten hier die für Betriebsstätteneinkünfte maßgeblichen Zuordnungsregeln (zu den einzelnen Methoden Rz. 16.264).

16.418

IX. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu Art. 15 OECD-MA; Bellstedt, Geschäftsführer und Vorstände im Internationalen Steuerrecht, Köln 1996; von Bornhaupt, Lohnsteuerrechtliche Fragen bei Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland und vom Ausland ins Inland, BB 1985, Beilage 16, 10; Coulombe, Besteuerung von Zahlungen an Nichtansässige für selbständige Arbeit, CDFI LXVII b (1982), 63; Gassner/Lang/Lechner/Schuck/ Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Gretter, Die grenzüberschreitende Verlagerung von Humankapital zur Nutzung bilanzierter Werte im Inland, Konstanz 1993; Hellwig, 1 BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; v. 2.12.1992 – I R 77/91, HFR 1993, 295; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 22 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 66; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 45; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBASchweiz Rz. 76 mit Beispielen in Rz. 77, 78. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 75. 3 Die dort ausgeübte Tätigkeit muss in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (Bauausführung) auf mindestens 6 Monate angelegt sein, wobei je nach DBA auch 12 oder 18 Monate in Betracht kommen können; Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 70, vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100. 4 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; vgl. im Übrigen die Rspr. zur Verfügungsmacht über Betriebsstätten Rz. 16.243; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 27; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 47; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 114 (119); das Erfordernis einer Verfügungsgewalt dagegen verneinend Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 74.

811

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Die bezahlte Untätigkeit im Internationalen Steuerrecht, DStZ A 1978, 83; Jann, Die 183-Tage-Regel, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 195; Lechner, Arbeitskraftüberlassung, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 221; Niermann, Grenzüberschreitende Mitarbeiterentsendung, Herne/ Berlin 2008; Reimer, Der Ort des Unterlassens, München 2004; Roche, Neue Überlegungen und neue BFH-Rechtsprechung zur 183-Tage-Klausel, IStR 1997, 203; Schieber, Steuerfragen bei Personalentsendungen ins Ausland, Herne 1990; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt 1985; Thiel, Besteuerung von Arbeitslohn bei Auslandstätigkeit, Herne/Berlin 1971; Wassermeyer, Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, in Krause/ Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 89; Wiek, Arbeitnehmerentsendungen zwischen Deutschland und den Niederlanden, Hamburg 2008; Zimmermann, Vorübergehende Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, Herne/Berlin 1975; Zwick, Einkommensbesteuerung von Grenzgängern, Herne 1986.

1. Allgemeines

16.419 Die DBA enthalten für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit durchweg eigenständige Verteilungsnormen. Im Ausgangspunkt wird hierbei die Besteuerung allein dem Wohnsitzstaat zugewiesen. Einige deutsche DBA stellen das Wohnsitzprinzip allerdings unter den Vorbehalt, dass auch der Arbeitgeber im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ansässig ist.1 Das im Grundsatz geltende Wohnsitzprinzip wird durch das Arbeitsortsprinzip abgelöst, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit im Staat des Arbeitsortes ausübt und sich dort innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten an mehr als 183 Tagen aufgehalten hat oder wenn die Vergütungen von einem Arbeitgeber, für einen Arbeitgeber oder von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung im Staat des Arbeitsortes gezahlt worden sind. Unter diesen Voraussetzungen darf der Staat des Tätigkeitsortes als Quellenstaat die Arbeitseinkünfte ohne weiteres besteuern. Der Wohnsitzstaat hat in diesem Fall die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder Anrechnung zu vermeiden, wobei in Fällen der Freistellung nicht selten subject-to-tax-Klauseln2 oder § 50d Abs. 8 EStG eingreifen (Rz. 16.522 f.).

16.420 Neben dem Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip ist in der internationalen Abkommenspraxis für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, die an Bord von Seeschiffen und Luftfahrzeugen ausgeübt wird, das Besteuerungsrecht auch dem Staat zugewiesen, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

16.421 Die für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen haben eine begrenzte Reichweite, weil die DBA durchweg Sonderregelungen für Aufsichtsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA), Ein1 Abkommensübersicht bei Prokisch in Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 77. 2 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 89; im Übrigen Rz. 16.141.

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L. Verteilung der Steuergüter

künfte aus künstlerischer Tätigkeit (Art. 17 OECD-MA), Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA), Bezüge aus öffentlichem Dienst (Art. 19 OECD-MA) und mitunter auch für Vergütungen an Professoren und Studenten1 vorsehen. Schließlich enthalten einige deutsche DBA Sonderregelungen auch für Grenzgänger.2 Diese Sonderregelungen gehen den für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen stets vor.3 2. Einordnung der Einkünfte Den Einkünften aus unselbständiger Arbeit unterliegen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen.4 Da die DBA hierfür keine Definitionen vorsehen, ist letztlich, soweit die Auslegung im Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), das innerstaatliche Recht des Staates maßgeblich, um dessen Besteuerung es sich handelt.5 Aus deutscher Sicht führt dies zu einer Orientierung an § 19 EStG.6 Im Hinblick darauf unterliegen Organe von juristischen Personen mit ihren Einkünften im Grundsatz ebenso dem Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA wie übrige leitende Angestellte.7 Dies gilt im Ergebnis auch für geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften.8 Die Maßgeblichkeit des § 19 EStG führt dazu, dass auch Sachbezüge erfasst werden.9 Hierzu gehört auch die verbilligte Überlassung von Aktien und Aktienoptionen (stock options). Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts erfolgt ein Zufluss und somit eine Besteuerung der Aktienoptionen grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Ausübung,10 es sei denn die Aktienoptionen sind selbständig bewertbar und handelbar.11 In diesem Fall kommt es zur Versteuerung im Zeitpunkt der Einräumung der Option, so dass der (realisierte) Wertzuwachs zwischen Gewährung und Ausübung

1 So in einigen deutschen DBA; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 101 ff. 2 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 143. 3 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 51. 4 Gemeint sind die Einnahmen ohne Berücksichtigung von Werbungskosten; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 54. 5 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MARz. 16a; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 54; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 87; Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 39. 6 BFH v. 18.7.1973, BStBl. II 1973, 757; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 87. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 15 Rz. 65a, 66. 8 § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hat insoweit abkommensrechtlich keine Bedeutung (Ausnahme: Art. 7 Abs. 7 S. 2 DBA-Schweiz); Prokisch in V/L5, Art. 15 OECDMA Rz. 30; Wassermeyer in D/W, Art. 15 Rz. 65a. 9 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 16. 10 BFH v. 10.3.1972 – VI R 278/69, BStBl. II 1972, 596; v. 23.7.1999 – VI B 116/99, BStBl. II 1999, 684; v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl. II 2001, 509; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 132. 11 OFD Berlin v. 25.3.1999, FG Nds. v. 17.12.1998 – XIV 92/97, DB 1999, 1241.

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16.422

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

derselben unter Art. 13 Abs. 4 OECD-MA fällt.1 Für den in der Praxis wichtigsten Fall der nicht handelbaren Optionen ermittelt sich der maßgebliche geldwerte Vorteil aus der Differenz zwischen dem Kurswert bei tatsächlicher Ausübung und dem vom Arbeitnehmer gezahlten Ausübungspreis. Dieser als ähnliche Vergütung zu qualifizierende geldwerte Vorteil gilt bei Einräumung der Option im Zweifel für eine in der Zukunft zu erbringende Tätigkeit gewährt, so dass ggf. für Zwecke der Anwendung von Art. 15 OECD-MA in Orientierung an In- und Auslandstätigkeiten eine Aufteilung zu erfolgen hat.2 Da in anderen Ländern z.T. abweichende Besteuerungsgrundsätze gelten,3 kann es zu Doppelbesteuerungen oder doppelten Nichtbesteuerungen kommen.4

16.423 Für die Einordnung der Vergütungen als Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ist es ohne Bedeutung, wann und wo sie gezahlt werden; entscheidend ist die sachliche Zuordnung, so dass es für die Anwendung der Verteilungsnorm allein darauf ankommt, ob die Vergütung dem Arbeitnehmer für den Zeitraum seiner Auslandstätigkeit gezahlt wird.5 Ggf. hat eine Aufteilung der Vergütungen (z.B. Boni und Tantiemen)6 zu erfolgen.7 Das gilt auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) etwa einem Arbeitnehmer anlässlich seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis eine Abfindung (z.B. für entgangene Urlaubsansprüche) gezahlt wird.8 Soweit allerdings kein unmittelbarer Zusammenhang zu einem (früheren) Auslandseinsatz besteht und die Abfindung dem Übergang in eine neue Berufsposition dient, ist allein der Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung befugt.9 3. Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes

16.424 Die DBA gehen von der Regel aus, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Wohnsitzstaat zu besteuern sind. Abweichend von

1 BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 131. 2 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 20 ff.; Schmidt in Haase, Art. 15 Rz. 62 ff.; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 132 ff. 3 Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 21g ff. 4 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 21; Schmidt in Haase, Art. 15 Rz. 61. 5 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; BFH v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 23; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 77. 6 Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 43 ff.; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 128. 7 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 23. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 144; Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 57; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 122. 9 BFH v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819; v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 144; Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 50; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 121; im letzten Fall für eine Anwendung von Art. 21 OECD-MA; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 17c.

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L. Verteilung der Steuergüter

diesem Wohnsitzprinzip wird allerdings die Besteuerung vorrangig dem Staat des Tätigkeitsortes zugewiesen, wenn – die unselbständige Tätigkeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird und – sich der Arbeitnehmer im Staat des Tätigkeitsortes während eines Zeitraums von 12 Monaten, der im betreffenden Steuerjahr beginnt oder endet, insgesamt mehr als 183 Tage aufhält oder – die Vergütungen von oder für einen im Staat des Tätigkeitsortes ansässigen Arbeitgeber gezahlt werden oder – die Vergütungen von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im Staat des Tätigkeitsortes unterhält. Der Arbeitnehmer übt dort seine Tätigkeit aus, wo er sich tatsächlich persönlich aufhält, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der persönliche Aufenthalt für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist oder nicht.1 Da es nicht darauf ankommt, wo die Tätigkeit des Arbeitnehmers verwertet wird,2 spielt die beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG, soweit sie an die Verwertung nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) im Inland anknüpft, in Abkommensfällen keine Rolle.

16.425

Für geistig tätige Arbeitnehmer gelten zwar die gleichen Grundsätze, die Lokalisierung bereitet in der Praxis aber erhebliche Schwierigkeiten, weil sich geistige Tätigkeiten nach außen hin nicht immer erkennbar artikulieren.3

16.426

Obwohl die geschäftsführende Tätigkeit der Organe von Kapitalgesellschaften sich nicht darin erschöpft, Entscheidungen zu treffen und bekannt zu geben, sondern vor allem in der Durchsetzung der erteilten Weisungen am Ort des Unternehmens besteht, gelten keine Besonderheiten: Organe von Kapitalgesellschaften üben ihre Tätigkeit grundsätzlich an dem Ort aus, an dem sie sich persönlich aufhalten.4 Wird die Tätigkeit in

16.427

1 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 31; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 72; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 106; von Bornhaupt, BB 1985, Beilage 16, 10 (10); anders dagegen BFH v. 26.5.1971 – I R 27/70, BStBl. II 1971, 804; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402, wonach darauf abgestellt wird, ob die Ausübung der Arbeit in dem anderen Staate erforderlich ist. 2 BFH v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402. 3 Zu Einzelheiten Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 31; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 114 f. 4 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; v. 2.5.1997 – I B 117/96, BFH/NV 1998, 18; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 119; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 32; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 65a; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 111, 113.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

beiden Vertragsstaaten ausgeübt, ist die Vergütung nach Maßgabe der Zeitanteile der Arbeitsausübung aufzuteilen.1

16.428 Erschöpft sich die Ausübung der Arbeit in einem Sich-zur-Verfügung-halten, so liegt der Ort der Ausübung der Tätigkeit in dem Staat, in dem sich der Arbeitnehmer tatsächlich aufhält.2 Besteht die Ausübung der Arbeit in der Einhaltung eines Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsverbots, so ist darauf abzustellen, wo die zu unterlassende Handlung vorgenommen worden wäre.3 Wäre dies an jedem beliebigen Ort der Fall gewesen, kommt es darauf an, wo sich der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbots tatsächlich aufhält.4 Unerheblich ist dagegen grundsätzlich der frühere Arbeitsort.5

16.429 Die Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes ist weiterhin davon abhängig, dass sich der Arbeitnehmer dort insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält.6 Auf die Dauer der Tätigkeit selbst kommt es hierbei nicht an, es reicht vielmehr aus, dass während der vorgenannten Aufenthaltsdauer im Staat des Tätigkeitsortes überhaupt eine Tätigkeit ausgeübt wird.7 Beginn oder Ende des Zwölfmonatszeitraums müssen im Steuerjahr oder im Kalenderjahr liegen. Weichen die Steuerjahre im Wohnsitzstaat einerseits und im Tätigkeitsstaat ande-

1 Dementsprechend geeignete Aufzeichnungen sind zu führen (Stundenprotokolle, Terminkalender, Reisekostenabrechnungen); ggf. kommt eine Schätzung der Zeitanteile in Betracht. 2 BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 35; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 117;BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 120. 3 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 64; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 253 ff.; 410 ff.; a.A. Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 35 f. und BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 126 f., wonach es stets auf den tatsächlichen Aufenthaltsort ankommen soll. 4 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECDMA Rz. 36; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 118. 5 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 36; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 119; Hellwig, DStZ A 1978, 83 (83); von Bornhaupt, BB 1985, Beilage 16, 10 (11); anders dagegen BFH v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195 für den Fall, dass sich das Konkurrenz- und Wettbewerbsverbot als Nebenpflicht einer früheren Arbeitsleistung darstellt; ebenso Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 33. 6 Diese Regelung ist nur in den jüngeren deutschen DBA enthalten; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 82; in den älteren Abkommen wird hinsichtlich der 183 Tage auf das Steuerjahr abgestellt. 7 BFH v. 12.4.1978 – I R 100/75, BStBl. II 1978, 425; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MARz. 22; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 37.

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L. Verteilung der Steuergüter

rerseits voneinander ab,1 so ist auf das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates abzustellen.2 Da die DBA im Einzelnen nicht bestimmen, was unter einem Aufenthalt zu verstehen ist, kann auf das jeweilige nationale Recht zurückgegriffen werden, soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergibt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus deutscher Sicht können daher die für § 9 AO geltenden Auslegungskriterien nicht ohne weiteres herangezogen werden.3

16.430

So kommt es für die Berechnung der 183-Tage-Frist nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat regelmäßig übernachtet,4 so dass auch kurzfristige Tagesaufenthalte mit erfasst werden.5 Im Hinblick darauf sind bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer übliche Arbeitsunterbrechungen wie Heimfahrten an Wochenenden und Feiertagen sowie Urlaub, krankheitsbedingte Ausfalltage und ferner An- und Abreisetage zur ausländischen Arbeitsstätte mit einzubeziehen, soweit die entsprechenden Zeitaufenthalte auf den Tätigkeitsstaat entfallen.6

16.431

Soweit sich die 183-Tage-Klausel in der älteren deutschen Abkommenspraxis7 auf das jeweilige Steuerjahr bezieht, entfällt eine Besteuerungsbefugnis im Tätigkeitsstaat selbst dann, wenn sich der Arbeitnehmer dort zwar insgesamt an mehr als 183 Tagen, aber etwa verteilt auf zwei Steuerjahre, aufgehalten hat. Das führt dazu, dass eine in verschiedene Jahre hineinreichende Tätigkeit nicht im Staat des Arbeitsortes besteuert werden kann, wenn in jedem einzelnen Steuerjahr, isoliert betrachtet, der Aufenthalt des Arbeitnehmers 183 Tage nicht überschreitet.8

16.432

1 Hierzu die Übersichten bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 84 und Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 98. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 97; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 51. 3 BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; v. 18.7.1990 – I R 109/88, DB 1990, 2570); Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECDMA Rz. 129. 4 Anders die Auslegung zu § 9 Satz 2 AO; hierzu Rz. 5.23. 5 BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 129; Kamphaus/Büscher in S/K/K, Art. 15 OECD-MA Rz. 134 f.; Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 115; Roche, IStR 1997, 203 ff. 6 Zu Einzelheiten BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 38; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 99 ff.; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 130 ff. 7 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 69. 8 Nicht zuletzt wegen der vorstehenden Probleme rechtfertigte sich die Neufassung des OECD-MA 1992, wonach auf einen im Steuerjahr beginnenden oder endenden 12-Monats-Zeitraum abgestellt wird; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 95.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.433 Die Abkommensregelungen verlangen nicht, dass der Aufenthalt im Tätigkeitsstaat zusammenhängend sein muss, so dass mehrere kürzere Aufenthalte, soweit sie in einen Zwölfmonatszeitraum fallen, für Zwecke der 183-Tage-Klausel zusammenzurechnen sind.1 Hierbei sind alle denkbaren Zwölfmonatszeiträume in Betracht zu ziehen, auch wenn sie sich zum Teil überschneiden.2 Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat für mehrere Arbeitgeber gearbeitet hat.3

16.434 Unabhängig von der 183-Tage-Klausel fällt dem Tätigkeitsstaat die Besteuerungsbefugnis stets dann zu, wenn die Vergütung von einem oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber gezahlt wird. Da der Arbeitgeberbegriff in den Abkommen nicht definiert ist, kann für die Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), soweit eine Auslegung aus dem Sinn- und Vorschriftenzusammenhang heraus nicht möglich ist.4

16.435 Den für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen kann entnommen werden,5 dass Betriebsstätten und feste Einrichtungen nicht Arbeitgeber sein können.6 Den für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass Arbeitgeber stets auch Personen im abkommensrechtlichen Sinne7 sein müssten, so dass auch Personengesellschaften Arbeitgeber sein können.8

16.436 Arbeitgeber ist nach allgemeinen Grundsätzen, die international weitgehend übereinstimmen,9 derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird und dessen Weisungen er zu folgen hat.10 Arbeitgeber kann darüber hinaus aber auch jede 1 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 45, 47; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 150; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 42. 2 BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 56. 3 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 47. 4 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 49a; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 114; Wassermeyer in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 89 (94 f.). 5 Konkret aus Art. 15 Abs. 2 Buchst. a bis c OECD-MA. 6 BFH v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 29.1.1986 – I R 109/85, BStBl. II 1986, 442, 513; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 53; Wassermeyer in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 89 (95). 7 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, also grundsätzlich nur natürliche Personen und Kapitalgesellschaften. 8 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 52; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 114; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 48; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 60. 9 Hierzu Coulombe, CDFI LXVII b (1982), 63 ff.; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECDMA Rz. 27 ff. 10 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 49; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 114.

818

L. Verteilung der Steuergüter

natürliche oder juristische Person sein, die die Vergütung für die ihr gegenüber geleistete nichtselbständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt (wirtschaftlicher Arbeitgeber).1 Dies ist bei Leiharbeitsverhältnissen in aller Regel der Leihnehmer, wenn der Arbeitnehmer in dessen Betrieb eingegliedert ist.2 Entsprechendes gilt in Fällen der Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen3 mit der Maßgabe, dass dasjenige Unternehmen als Arbeitgeber gilt, das die Lohnaufwendungen getragen hat oder nach Fremdvergleichsgrundsätzen4 hätte tragen müssen.5 Ob ein derartiger Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist, beurteilt sich allein nach Abkommensrecht, so dass entscheidend ist, ob der betreffende Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Soweit Personengesellschaften als solche nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, sind sie dort als ansässig anzusehen, an dem sie den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben.6 Da der Tätigkeitsstaat die Besteuerungsbefugnis erhalten soll, wenn der Arbeitslohn zu Lasten seines Steueraufkommens gezahlt wird, ist das Erfordernis der Zahlung von einem oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber im Sinne eines wirtschaftlichen Arbeitgebers (Rz. 16.436) dann erfüllt, wenn der Arbeitslohn wirtschaftlich von ihm getragen wird,7 insbesondere die Vergütungen unmittelbar von ihm gezahlt oder ihm etwa als gesonderte Umlage weiterberechnet werden.8

16.437

Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für jene Fälle, in denen der Arbeitslohn von einer im Tätigkeitsstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung eines im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ansässigen Arbeitgebers getragen wurde (Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA). Auch hier wird dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen,

16.438

1 BFH v. 21.10.1999 – I R 36/95, BStBl. II 2000, 238; v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 64. 2 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA Rz. 8; zu Einzelheiten Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 54, 92 ff. 3 BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 64 ff., 70. 4 Vgl. BMF v. 9.11.2001, BStBl. I 2001, 796 (Verwaltungsgrundsätze-Arbeitnehmerentsendung). 5 Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 152; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 64. 6 So die ausdrücklichen Regelungen in einigen deutschen Abkommen (Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 69, 87 f.), im Übrigen aufgrund sinngemäßer Anwendung der für Kapitalgesellschaften geltenden Ansässigkeitsregeln; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 114; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 48; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 60, 64. 7 BFH v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 29.1.1986 – I R 109/85, BStBl. II 1986, 442; v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 58; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 116. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 116.

819

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

weil die Arbeitslöhne zu Lasten seines Steueraufkommens gehen.1 Demzufolge kommt es darauf an, ob die Löhne des der Betriebsstätte oder festen Einrichtung funktional zuzuordnenden Personals2 bei der Ermittlung des Gewinns der Betriebsstätte oder der festen Einrichtung als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.3 4. Besteuerung im Staat des Ortes der Geschäftsleitung

16.439 Abweichend vom Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip sind Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges, das im internationalen Verkehr betrieben wird, oder an Bord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, vorrangig dem Staat als Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens4 befindet (Art. 15 Abs. 3 OECD-MA). Die Besteuerungsbefugnis für den Wohnsitzstaat bleibt zwar aufrechterhalten, dieser hat aber die Doppelbesteuerung entweder durch Anrechnung oder durch Freistellung zu vermeiden.5 Diese Anknüpfung an den Ort der Geschäftsleitung findet ihre Parallele bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen aus Seeschiffen, Luftfahrzeugen und Binnenschifffahrt (Art. 8 OECD-MA). Hier wie dort wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Lokalisierung im Sinne eines Tätigkeitsortes nur sehr schwer möglich ist. Im Hinblick darauf tritt bei den Unternehmensgewinnen das Betriebsstättenprinzip und bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit das Arbeitsortsprinzip zurück.6 Im Übrigen wird durch die Zuweisung der Besteuerungsbefugnis für den auf Seeschiffen, Luftfahrzeugen und Binnenschiffen verdienten Arbeitslohn an den Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung der betreffenden Unternehmen befindet, berücksichtigt, dass zu Lasten des Steueraufkommens dieses Staates die vorbezeichneten Löhne als Betriebsausgaben abgesetzt werden können.7

16.440 Vereinzelt fehlt in deutschen DBA eine entsprechende spezielle Verteilungsnorm,8 so dass es insoweit beim Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip 1 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 63. 2 BFH v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819. 3 BFH v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 130 ff.; Kamphaus/Bücher in S/K/K, Art. 15 OECD-MA Rz. 198; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 220; BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 95. 4 Arbeitnehmerverleiher sind nicht Unternehmen in diesem Sinne; BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. 5 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 102. 6 Zum lex-specialis-Charakter des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 181. 7 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 196; BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, HFR 1995, 451. 8 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 115.

820

L. Verteilung der Steuergüter

verbleibt. In diesen Fällen führt die Bestimmung des Tätigkeitsortes von Besatzungen, etwa von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, zu erheblichen Schwierigkeiten,1 so dass sich die deutsche Finanzverwaltung mit Vereinfachungsregelungen behilft.2 In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat durchweg durch Steuerfreistellung vermieden. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn im Staat des Ortes der Geschäftsleitung des Unternehmens keine Steuer erhoben wird.3 In einigen deutschen DBA sind allerdings subject-to-tax-Klauseln (Rz. 16.141) vorgesehen, so dass dem jeweiligen Wohnsitzstaat die Besteuerung trotz grundsätzlicher Freistellung hilfsweise zufällt.4 Entsprechendes gilt nach Maßgabe des § 50d Abs. 8 EStG (Rz. 16.523 f.).

16.441

Die Besteuerungsbefugnis für den Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Schiff- und Luftfahrtunternehmens befindet, gilt nur für Vergütungen für eine im Dienste dieses Unternehmens5 ausgeübte unselbständige Arbeit an Bord eines Seeschiffes, Binnenschiffes oder Luftfahrzeugs, so dass von der Reichweite dieser Verteilungsnorm lediglich Löhne für Besatzungsmitglieder6 erfasst werden.7

16.442

5. Besteuerung im Wohnsitzstaat Soweit die Besteuerung der Arbeitslöhne dem Staat des Arbeitsortes oder dem Staat des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung zugewiesen ist, bleibt die Besteuerungsbefugnis im Wohnsitzstaat aufrechterhalten.8 In diesen Fällen hat der Wohnsitzstaat allerdings die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung – dies ist in der deutschen Abkommenspraxis die Regel – oder durch Anrechnung zu vermeiden. 1 Hierzu beispielhaft BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50. 2 BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532 Rz. 154. 3 Insoweit erfolgt eine Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung; hierzu im Einzelnen Rz. 12.8. 4 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 117 f. 5 Teleologische Reduktion im Hinblick darauf, dass die Besteuerung im Staat der Geschäftsleitung als Äquivalent des zu Lasten seines Steueraufkommens gehenden Betriebsausgabenabzugs zu sehen ist; vgl. BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 196; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 264; zT. abweichend Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 110. 6 Pilot, Kapitän, Steward, Matrose, Küchenpersonal und Küchenberater (BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405); Lotsen gehören nicht dazu, weil diese nicht Arbeitnehmer des Schifffahrtunternehmens sind; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 196. 7 Zu Einzelheiten Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 107.; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 188. 8 Es sei denn, die Besteuerungsbefugnis ist ausnahmsweise dem Staat des Arbeitsortes oder der tatsächlichen Geschäftsleitung ausschließlich zugewiesen; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 74.

821

16.443

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.444 Die ausschließliche Besteuerungsbefugnis steht dem Wohnsitzstaat nur dann zu, wenn eine Besteuerung im Staat des Arbeitsortes oder der tatsächlichen Geschäftsleitung ausgeschlossen ist.

16.445 In der deutschen Abkommenspraxis sind für Grenzgänger1 Sonderregelungen vorgesehen, die die Besteuerung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit dieses Personenkreises ausschließlich dem Wohnsitzstaat zuweisen.2 Diese Sonderregelung wirkt konstitutiv, weil die Anwesenheit auch von täglich in den Wohnsitzstaat zurückkehrenden Grenzgängern3 im Tätigkeitsstaat zu einem Aufenthalt im Sinne der 183-Tage-Klausel führt (Rz. 16.431).

16.446

Die Grenzgängerregelungen der DBA verfolgen das Ziel, die Grenzgänger vor den Nachteilen der beschränkten Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat einerseits und der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat andererseits zu schützen. So wird zwar die individuelle Leistungsfähigkeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat berücksichtigt, sie käme dort aber nicht zur Geltung, wenn Grenzgänger neben ihren allein im Tätigkeitsstaat zu versteuernden Einkünften aus unselbständiger Arbeit keine weiteren Einkünfte erzielten. Die im Tätigkeitsstaat erzielten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unterlägen dort dagegen der beschränkten Steuerpflicht, ohne dass hierbei die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden könnte, wenn es hierfür nicht besondere Vorschriften gäbe.4 Die ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat aufgrund der besonderen Grenzgängerregelungen dient daher in besonderem Maße dem steuerlichen Interesse der Grenzgänger.

16.447 Eine ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat ist in einigen deutschen DBA auch für Gastprofessoren und Studentenpraktikanten vorgesehen.5 Die die Gastprofessoren betreffenden Sonderregelungen stellen die Vergütungen für eine Lehrtätigkeit, die während eines vorübergehenden Zeitraums von höchstens zwei Jahren gezahlt werden, im Gastland, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, von der Besteuerung frei.6

16.448 Die Besteuerungsbefugnis behält ausschließlich der Wohnsitzstaat, aus dem der Gastprofessor stammt. Das setzt voraus, dass der Gastprofessor in seinem bisherigen Wohnsitzstaat im abkommensrechtlichen Sinne ansässig bleibt. Gibt er den Wohnsitz in seinem ursprünglichen Wohnsitz-

1 Hierzu ausführlich Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 128 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 15 OECD-MA Rz. 160 ff.; Zwick, Einkommensbesteuerung von Grenzgängern. 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 143. 3 Zum Merkmal der „regelmäßigen Rückkehr“ nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBASchweiz BFH v. 27.8.2008 – I R 10/07, BStBl. II 2009, 1; v. 27.8.2008 – I R 64/07, BStBl. II 2009, 97. 4 So in Deutschland: §§ 1 Abs. 3; 1a EStG; zu Einzelheiten Rz. 5.40 ff. 5 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in Vogel, DBA, Art. 15 Rz. 162. 6 Ausführlich Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 161 ff.

822

L. Verteilung der Steuergüter

staat auf, so entfällt die Sonderregelung grundsätzlich.1 Einige deutsche DBA gewähren allerdings die Steuerbefreiung im Gastland ohne Rücksicht darauf, ob der Gastprofessor seine Ansässigkeit im ursprünglichen Wohnsitzstaat beibehält.2 Im Hinblick darauf kann es zu einer doppelten Nichtbesteuerung in beiden Staaten kommen. Die Steuerfreistellung im Gastland erfolgt im Allgemeinen nur dann, wenn die Lehrtätigkeit an Universitäten, Colleges, Schulen und anderen Lehranstalten3 nur als vorübergehende Tätigkeit angelegt ist und die Aufenthaltsdauer einen Zeitraum von zwei Jahren4 nicht übersteigt. Ist die Verweildauer für eine längere Zeit geplant, so erfolgt von vornherein eine Besteuerung nach den allgemeinen Grundsätzen, so dass das Gastland die Besteuerungsbefugnis entweder aufgrund des Arbeitsorts- oder des Wohnsitzprinzips erhält.5 Erstreckt sich die Lehrtätigkeit entgegen der ursprünglichen Absicht über mehr als zwei Jahre, so entfällt die Steuerbefreiung im Gastland rückwirkend.6

16.449

X. Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen Literatur Kommentare zu Art. 16 OECD-MA; Beiser, Verwaltungsratsvergütungen i.S. des Art. 16 DBA Österreich-Schweiz, SWI 2000, 199; Toifl, Die Besteuerung von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten in: Gassner/Lang, Besteuerung und Bilanzierung international tätiger Unternehmen, Wien 1998, 381.

In der internationalen Abkommenspraxis sind besondere Verteilungsnormen für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen üblich (Art. 16 OECD-MA). Diese Verteilungsnormen weisen die Besteuerungsbefugnis vorrangig dem Sitzstaat als Quellenstaat zu. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung wird im Wohnsitzstaat entweder durch Freistellung oder Anrechnung bewirkt.7 Die Besteuerungsbefugnis im Sitzstaat unterliegt grundsätzlich keinen Schrankenwirkungen.

1 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 170. 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in Vogel, DBA, Art. 15 Rz. 173, 182. 3 In einigen deutschen DBA ist auch die Forschungstätigkeit einbezogen; hierzu die Übersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 162. 4 Es kommt auf die Dauer der Lehrtätigkeit nicht an; BFH v. 13.3.1985, BFH v. 22.1.1985 – VIII R 37/84, BStBl. II 1985, 501; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 175; Kolb in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 328; vgl. im Übrigen die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 162. 5 Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 175. 6 BFH v. 22.7.1987 – I R 224/83, BStBl. II 1987, 842; BMF v. 10.1.1994, BStBl. I 1994, 14, Nr. 2; Prokisch in V/L5, Art. 15 OECD-MA Rz. 176. 7 Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in D/W, Art. 16 OECDMA Rz. 1.

823

16.450

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.451 Die für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen geltenden Verteilungsnormen gehen den für die Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen vor.1

16.452 Nur solche Vergütungen unterliegen der Besteuerung im Sitzstaat, die für die Überwachung der Geschäftsführung einer Gesellschaft2 gezahlt werden.3 Werden die Vergütungen – abgrenzbar4 – auch für andere als für überwachende Tätigkeiten gezahlt, ist eine entsprechende Aufteilung des Entgelts vorzunehmen.5 Da insbesondere im ausländischen Recht eine Abgrenzung zwischen Geschäftsführung einerseits und Überwachung derselben andererseits nicht immer vorgenommen wird (Boardsystem), erstrecken einige deutsche DBA die für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen geltenden Verteilungsnormen auch auf Vergütungen, die für Geschäftsführungstätigkeiten gezahlt werden.6 Gibt es derartige Sonderregelungen nicht, ist es zwecks Vermeidung von Qualifikationskonflikten sachgerecht, auf das Gesellschaftsrecht des jeweiligen Sitzstaates der Gesellschaft abzustellen.7

XI. Einkünfte von Künstlern und Sportlern Literatur Kommentare zu Art. 17 OECD-MA; Ebling in Ebling/Schulze, Kunstrecht, München 2007; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, Baden-Baden 1999; Loydolt, Der Künstlerdurchgriff im DBA-Recht, SWI 1996, 545; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter 1 Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 4; Wassermeyer in D/W, Art. 16 OECDMA Rz. 2; Schmidt in Haase, Art. 16 OECD-MA Rz. 3 ff. 2 Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA lediglich Kapitalgesellschaften und andere Gesellschaften, die unmittelbar selbst der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen; Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) werden also nicht erfasst; Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 16; Wilke in G/K/G, Art. 16 OECD-MA Rz. 26; unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG auch auf Personengesellschaften ausdehnend Wassermeyer in D/W, Art. 16 OECD-MA Rz. 25. 3 Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 12. 4 BFH v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; v. 27.4.2000 – I B 114/99, BFH/ NV 2001, 6. 5 Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 14 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 16 OECD-MA Rz. 12; Kempermann in F/W/K, Art. 16 DBA-Schweiz Rz. 18; vgl. BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; v. 5.3.2008 – I R 54, 55/07, I R 54/07, I R 55/07, BFH/NV 2008, 1487 zu allerdings unterschiedlichen Abkommensfassungen; hierzu Schmidt in Haase, Art. 16 OECD-MA Rz. 19 f. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 19. 7 Prokisch in V/L5, Art. 16 OECD-MA Rz. 11; Wilke in G/K/G, Art. 16 OECD-MA Rz. 20; Kempermann in F/W/K, Art. 16 DBA-Schweiz Rz. 24 f.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 16 OECD-MA Rz. 15.

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L. Verteilung der Steuergüter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Mody, Problembereiche der Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, in FS für Fischer, Berlin 1999, 769; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Pöllath, Künstler und Sportler in der beschränkten Steuerpflicht, in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, Köln 1993, 54; Rief, Künstler und Sportler, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 237; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Steiner, Steuerrecht im Sport, Stuttgart 2009.

Die DBA enthalten für die Einkünfte1 von Künstlern und Sportlern eigenständige Verteilungsnormen, die unabhängig davon eingreifen, ob die Künstler oder Sportler selbständig oder unselbständig tätig sind (Art. 17 OECD-MA). Aufgrund dieser Verteilungsnormen wird die Besteuerungsbefugnis vorrangig dem Tätigkeitsstaat als Quellenstaat zugewiesen. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Freistellung obliegt dem Wohnsitzstaat. Soweit eine Freistellung vorgesehen ist, erfolgt diese grundsätzlich ohne Rücksicht auf die tatsächliche Besteuerung.

16.453

In einigen deutschen DBA sind Sonderregeln für den Kulturaustausch vorgesehen, wonach die Besteuerung der Einkünfte der Künstler und Sportler beim Wohnsitzstaat verbleibt, wenn diese im Rahmen eines von den Vertragsstaaten gebilligten offiziellen Kulturaustausches auftreten2 oder der Auftritt der ausländischen Künstler oder Sportler aus öffentlichen Mitteln subventioniert wird.3

16.454

Die für Einkünfte von Künstlern und Sportlern geltenden Verteilungs- 16.455 normen (Art. 17 OECD-MA) gehen den für die Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen vor (Art. 17 Abs. 1 OECD-MA). In einigen deutschen DBA beschränkt sich dieses Spezialitätsverhältnis allerdings auf Einkünfte selbständig tätiger Künstler und Berufssportler.4 Darüber hinaus treten auch die für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen zurück (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA), so dass die Einkünfte etwa von Berufssportlern ebenfalls den für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen unterliegen. Die Anwendung dieser Spezialregelung führt dazu, dass die vorbezeichneten Einkünfte der vorrangigen Besteuerung im Tätigkeitsstaat auch dann unterliegen, wenn keine Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) oder ständige Einrichtung (Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F.) vorliegt oder die 183-Tage-Klausel (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) nicht eingreift. Die Besteuerung wird dem Tätigkeitsstaat zugewiesen, wenn dort Künstler oder Sportler ihre Tätigkeit persönlich ausüben. Da die betreffenden Verteilungsnormen auf die persönlich 1 Einkünfte im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 35. 2 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 92 ff. 3 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 94. 4 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 74; FinMin. Niedersachsen v. 16.5.1995, DStR 1995, 937.

825

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

ausgeübte Tätigkeit abstellen, kommen nur natürliche Personen als Künstler und Sportler in Betracht, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie einzeln oder gesellschaftsrechtlich verbunden als Mitglieder von Orchestern, Chören, Theater oder Sportmannschaften1 auftreten.2

16.456 Die Begriffe Künstler3 und Sportler4 sind zwar in den DBA nicht unmittelbar definiert, die betreffenden Verteilungsnormen enthalten aber durchweg eine beispielhafte Aufzählung verschiedener Arten von Künstlern, aus denen insgesamt geschlossen werden kann, dass nur Künstler gemeint sind, die im Tätigkeitsstaat ein Werk vortragen oder aufführen oder aber bei dem Vortrag oder der Aufführung eines Werkes künstlerisch mitwirken.5 Zum Kreis dieser vortragenden oder aufführenden Künstler gehören entsprechend der Aufzählung in den DBA Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker6 und darüber hinaus auch Artisten und sonstige Unterhaltungskünstler.7 Die Einkünfte von schaffenden Künstlern, insbesondere von Malern, Bildhauern, Schriftstellern und Komponisten fallen daher nicht unter die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen der DBA. Die vorgenannten Abgrenzungskriterien gelten auch für Sportler, die Wettkämpfe vor einem Publikum veranstalten.8

16.457 Die meisten deutschen DBA beziehen in die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen allerdings nur berufsmäßige9 Künstler und Sportler ein,10 so dass Einkünfte aus einer bloß gelegentlichen künstlerischen oder sportlichen Tätigkeit in der deutschen Abkommenspraxis zumeist unter die allgemeinen Verteilungsnormen fallen (Art. 7, 14 a.F., 15 OECD-MA). Die Verwertung künstlerischer oder sportlicher Tätigkeit scheidet als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung abkommensrecht-

1 Nicht aber Sportvereine; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 71; BMF v. 23.1.1996, BStBl. I 1996, 89. 2 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECDMA Rz. 55 ff.; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 126. 3 Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 21 ff.; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 13 ff. 4 Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 26 ff.; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 20 ff. 5 BFH v. 8.4.1997 – I R 51/96, BStBl. II 1997, 679; Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 13, 22, 41; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 36; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBA-Schweiz Rz. 10; Bode in Haase, Art. 17 OECD-MA Rz. 26, 28, 31. 6 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 23, 24; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBA-Schweiz Rz. 10. 7 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 22. 8 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 31; Bode in Haase, Art. 17 OECDMA Rz. 33. 9 Im Sinne der Ausübung einer nachhaltigen Tätigkeit; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 32. 10 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 64, 72.

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L. Verteilung der Steuergüter

lich grundsätzlich aus.1 Soweit demgegenüber nach nationalem Recht, etwa gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG, die beschränkte Steuerpflicht auch an die Verwertung künstlerischer oder sportlicher Tätigkeit anknüpft, unterliegt diese den Schrankenwirkungen der DBA. Einkünfte, insbesondere aus der Verwertung künstlerischer Tätigkeit, werden als Unternehmensgewinne oder Lizenzgebühren regelmäßig den dafür vorgesehenen speziellen Verteilungsnormen der DBA (Art. 7, 12 OECD-MA) unterliegen, so dass insoweit uneingeschränkt das Wohnsitzprinzip eingreift.2 Wird sowohl für die künstlerische Tätigkeit selbst als auch für deren Verwertung gezahlt,3 kommt eine entsprechende Aufteilung des Entgelts in Betracht.4 Vergütungen, die Künstler oder Sportler von Sponsoren erhalten, unterliegen den für Künstler und Sportler geltenden speziellen Verteilungsnormen nur dann, wenn diese für bestimmte Tätigkeiten, z.B. eine Veranstaltung, gezahlt werden.5 Zu diesen unter Art. 17 Abs. 1 OECDMA fallenden auftrittsbezogenen Entgelten zählen insbesondere Werbevergütungen, die für bestimmte Auftritte gezahlt werden,6 sowie Vergütungen, die für das Tragen eines Logos auf der Bekleidung eines Sportlers oder für die Benutzung bestimmter Sportgeräte während eines Wettkampfes gezahlt werden.7 Gegebenenfalls hat auch hier eine Aufteilung der Entgelte zu erfolgen.8 Im Übrigen handelt es sich bei den Werbevergütungen um Einkünfte, die unter den Anwendungsbereich der allgemeinen Verteilungsnormen (Art. 7, 14 a.F., 15 OECD-MA) fallen. Um eine Steuerumgehung zu verhindern, enthalten die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen durchweg Sondervorschriften für Künstler- und Sportlerverleihgesellschaften.9 Hiernach hat der Tätigkeitsstaat auch dann die Besteuerungsbefugnis, wenn die Einkünfte aus einer von einem Künstler oder Sportler persönlich ausgeübten Tätigkeit nicht dem Künstler oder Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu1 BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171; Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 36a; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 110. 2 In einigen neuen deutschen DBA wird allerdings auch die Verwertung von Art. 17 OECD-MA erfasst; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 80 ff. 3 Z.B. für Schallplattenaufnahmen bei Live-Konzerten. 4 Hierzu im Einzelnen Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 36c; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 138; BMF v. 23.1.1996, BStBl. I 1996, 89. 5 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 53 f. 6 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 9; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 41; BMF v. 23.1.1996, BStBl. I 1996, 89 Rz. 5.3. 7 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 9; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 41; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 84 ff.; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 25; Mody in FS Fischer, 769 (780); a.A. Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 151. 8 Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 41. 9 Art. 17 Abs. 2 OECD-MA; zur deutschen Abkommenspraxis im Einzelnen Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 135; vgl. Rz. 16.142.

827

16.458

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

fließen, soweit diese Person in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist.1 Ohne diese Sonderregelung verbliebe es insbesondere für die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Künstlerverleihgesellschaften bei der Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates dieser Gesellschaft (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA), weil im Tätigkeitsstaat in aller Regel keine Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 1 i.V. mit Art. 5 OECD-MA) begründet wird. Von Art. 17 Abs. 2 OECD-MA werden auch Managementgesellschaften2 sowie ausländische Dachverbände und Sportorganisationen3 erfasst, die Einkommen für den Auftritt eines Künstlers, Sportlers oder einer entsprechenden Gruppe von Künstlern oder Sportlern beziehen.4 Entsprechendes gilt auch für Ensembles, Gruppen und Orchester, soweit diese als juristische Personen organisiert sind,5 womit im Ergebnis die Gewinne der Gesellschaft besteuert werden.6 Die vorstehenden für Künstler- und Sportlerverleihgesellschaften geltenden besonderen Verteilungsregeln finden ihre Parallele in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG (Rz. 5.169).

XII. Ruhegehälter Literatur Kommentare zu Art. 18 OECD-MA; Beckers, Internationale Probleme bei der Besteuerung von deffered Compensation, Baden-Baden 2007; Bieri, Die Besteuerung der Renten- und Kapitalabfindungen, Diss. Sankt Gallen 1970; Burgstaller, Mitarbeiter-Stock-Options im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2006; Deutschmann, Vergütungshalber gewährte Aktienoptionen im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, Baden-Baden 2000; Ebel, Lohnsteuerliche Gestaltungen durch Deferred Compensation (Arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung), FR 2000, 241; Firlinger, Arbeitnehmerbeiträge und Pensionseinrichtungen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 263; Fischer, Betriebspensionen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2001; Gassner/Konezny, Leistungen von Pensionskassen im DBARecht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, Wien 2003; Mössner, International-steuerrechtliche Fragen bei Gehaltsumwandlungen, CDFI, LXXXVb (2000); Reimer, Ort des Unterlassens, München 2004; Steinhäuser, Internationale Aspekte der Besteuerung von Arbeitnehmerabfindungen, Baden-Baden 2003; Toifl, Pensionen im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/ Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, Wien 2003.

1 Stockmann in V/L5, Art. 17 OECD-MA Rz. 115; Wassermeyer in D/W, Art. 17 OECD-MA Rz. 63; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 242 f.; a.A. Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, 170 ff. 2 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 11a. 3 BMF v. 23.1.1996, BStBl. I 1996, 88. 4 Die von den Managementgesellschaften an die Künstler und Sportler gezahlten Vergütungen unterliegen bereits gem. Art. 17 Abs. 1 OECD-MA der Besteuerung im Tätigkeitsstaat. 5 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 11b. 6 Loydolt, SWI 1996, 545 (547).

828

L. Verteilung der Steuergüter

Für Ruhegehälter1 wird in der internationalen Abkommenspraxis aufgrund besonderer Verteilungsnormen (Art. 18 OECD-MA) allgemein das Wohnsitzprinzip statuiert, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Staat die frühere unselbständige Tätigkeit ausgeübt wurde.2 Abweichend hiervon sehen einige deutsche DBA eine Steuerbefreiung im Wohnsitzstaat vor3 oder räumen dem früheren Tätigkeitsstaat als Quellenstaat eine uneingeschränkte Besteuerungsbefugnis oder eine Quellensteuerbefugnis ein.4

16.459

Die für Ruhegehälter geltenden Verteilungsnormen erfassen ausdrücklich nur private Ruhegehälter, nicht aber Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst.5 Der Rechtsgrund für die privaten Ruhegehälter muss unmittelbar in einem beendeten Arbeitsverhältnis liegen, und diese müssen in erster Linie der Versorgung des Empfängers dienen.6 Im Hinblick darauf zählen zu den Ruhegehältern und ähnlichen Vergütungen Witwen- und Waisenpensionen7 und Zahlungen aus Pensionskassen,8 ebenso ab 20059 Sozialversicherungsrenten,10 Überbrückungsgelder11 sowie Veräußerungsrenten.12

16.460

Zu den Ruhegehältern zählen grundsätzlich nicht Zahlungen aus einem früheren Arbeitsverhältnis, insbesondere keine Abfindungen, die einem Arbeitnehmer für sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots gewährt werden.13 Derartige Zahlungen unterliegen den für unselbständige Arbeit geltenden Verteilungsnormen.

16.461

1 Im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in D/W, Art. 18 OECD-MA Rz. 16. 2 Das Wohnsitzprinzip ist im Hinblick auf die sog. nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften in Deutschland problematisch; hierzu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 153 ff. 3 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 80, 85. 4 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 80, 86, 93. 5 Diese werden von Art. 19 Abs. 2 OECD-MA erfasst. 6 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer in D/W, Art. 18 OECD-MA Rz. 17; Rupp in G/K/G, Art. 18 OECD-MA Rz. 25; a.A. Ebel, FR 2000, 241 ff. 7 Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 17. 8 Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 18; modifizierend Wassermeyer in D/W, Art. 18 OECD-MA Rz. 16a, 23; Gassner/Konezny in Gassner/Lang/Lechner/ Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, 320 ff. 9 OECD-MK 2005 zu Art. 18 Rz. 24. 10 Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 29 b. 11 Haase in Haase, Art. 18 OECD-MA Rz. 16; Wassermeyer in D/W, Art. 18 OECD-MA Rz. 25: Anwendung von Art. 15 OECD-MA. 12 Ismer in V/L5, Art. 18 OECD-MA Rz. 33: Anwendung von Art. 13 OECD-MA. 13 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; Haase in Haase, Art. 18 OECD-MA Rz. 16.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

XIII. Einkünfte aus dem öffentlichen Dienst Literatur Kommentare zu Art. 19 OECD-MA; Lang, M., Gehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECDMA, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 879; Müller, Regelungen nach dem Kassenstaatsprinzip in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 1993, 318; Raschauer, Vergütungen für Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen, SWI 1993, 79; Rodi, Das Kassenstaatsprinzip im nationalen und internationalen Steuerrecht, RIW 1992, 484.

16.462 Vergütungen1 für im öffentlichen Dienst geleistete Arbeit unterliegen in der internationalen Abkommenspraxis allgemein dem Kassenstaatsprinzip, so dass allein der Staat zur Besteuerung befugt ist, der die Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen zahlt.2 Die Kehrseite dieses ausschließlichen Kassenstaatsprinzips ist die grundsätzliche Freistellung der Bezüge aus dem öffentlichen Dienst im Wohnsitzstaat, sofern dieser nicht mit dem Kassenstaat identisch ist. In Abweichung von diesem Kassenstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA) gilt das ausschließliche Wohnsitzprinzip, wenn die Dienste im Wohnsitzstaat geleistet werden, die betreffende Person dort ansässig ist und sie die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt oder sie aus anderen Gründen als zur Arbeitsausübung in diesem Staat ansässig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA).

16.463 Die für die Bezüge aus dem öffentlichen Dienst geltenden Verteilungsnormen erfassen auch Ruhegehälter (Art. 19 Abs. 2 OECD-MA) und gehen den für private Ruhegehälter geltenden Verteilungsnormen als spezielleres Recht vor (Art. 18 OECD-MA). Die Reichweite der erfassten Einkünfte ist allerdings begrenzt. Erfasst werden nämlich nicht die Einkünfte der Diplomaten und Konsulatsbeamten, für die die Art. 37 WÜD bzw. Art. 49 und 71 WÜK3 fiskalische Immunität, also eine Freistellung der Einkünfte im Empfangsstaat, vorsehen.4 Erfasst werden schließlich auch nicht Vergütungen und Ruhegehälter, die im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit eines Vertragsstaates oder einer seiner Gebietskörperschaften gezahlt werden (Art. 19 Abs. 3 OECD-MA). Angesprochen sind damit Betriebe gewerblicher Art der öffentlichen Hand, insbesondere staatliche und kommunale Eigenbetriebe, und zwar unabhängig davon, ob sie mit Gewinn oder nur kostendeckend arbeiten.5 In diesen Fällen finden die für 1 Im Sinne von Einnahmen. 2 Art. 19 OECD-MA; zur Rechtfertigung für den Vorrang des Quellenstaates Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 6; Haase in Haase, Art. 19 OECD-MA Rz. 2; Rodi, RIW 1992, 484 (487); kritisch dagegen Wassermeyer in D/W, Art. 19 OECD-MA Rz. 1; Wessel in S/K/K, Art. 19 OECD-MA Rz. 4. 3 WÜD und WÜK gehen den DBA vor; Art. 27 OECD-MA; zum WÜD und WÜK im Einzelnen Rz. 5.39. 4 Kritisch hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 19 OECD-MA Rz. 1. 5 Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 84; Wassermeyer in D/W, Art. 19 OECD-MA Rz. 168; Kempermann in F/W/K, Art. 19 DBA-Schweiz Rz. 59.

830

L. Verteilung der Steuergüter

Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15 OECD-MA), Aufsichtsratsund Verwaltungsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA), Einkünfte von Künstlern und Sportlern (Art. 17 OECD-MA) sowie Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA) geltenden Verteilungsnormen Anwendung. Abweichend hiervon beschränken die meisten deutschen DBA die vorgenannte Ausnahme vom Kassenstaatsprinzip nur auf Eigenbetriebe der öffentlichen Hand, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.1

16.464

Die Besteuerungsbefugnis des Kassenstaates setzt voraus, dass die Vergütungen gezahlt werden für Dienste, die ggü. dem Kassenstaat selbst oder seinen Gebietskörperschaften erbracht werden. Diese müssen Schuldner des Lohns oder des Gehalts sein. Es reicht daher grundsätzlich nicht aus, wenn der Kassenstaat nur die Zahlung für einen anderen Auftraggeber ausführt.2 Abweichend hiervon enthält § 50d Abs. 7 EStG eine verbindliche Auslegung dahingehend, dass das Besteuerungsrecht des Kassenstaates auch dann erhalten bleibt, wenn die Zahlungen aus öffentlichen Mitteln stammen, unabhängig davon, ob das betreffende Dienstverhältnis zum Kassenträger oder zu einer anderen Person3 besteht.4 In einigen deutschen DBA wird das Kassenstaatsprinzip über die Gebietskörperschaften hinaus allgemein auf juristische Personen des öffentlichen Rechts5 erstreckt.6

16.465

XIV. Einkünfte von Studenten Literatur Kommentare zu Art. 20 OECD-MA; Bauer, Studenten, Gastlehrer und Gastprofessoren im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, 225; Flick/Flick-Pistorius, Zur Frage des steuerlichen (Studenten-)Wohnsitzes, DStR 1989, 623; Hauser, Students, Researchers and Lectures in Trial Cases in Lang, Triangular Cases, Wien 2004, 395; Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, Köln 2006; Strasser, Die Vertei1 Abkommensübersicht bei Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 90, 91; zu weiteren Besonderheiten Rodi, RIW 1992, 484 (487 f.). 2 BFH v. 2.3.1988 – I R 96/84, BStBl. II 1988, 768; v. 31.7.1991 – I R 47/90, HFR 1992, 168; v. 4.12.1991 – I R 38/91, BStBl. II 1992, 548; v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21; v. 23.9.1998 – I B 53/98, BFH/NV 1999, 458; zu Einzelheiten Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 28; Wassermeyer in D/W, Art. 19 OECD-MA Rz. 41; Rodi, RIW 1992, 484 (488 ff.). 3 Z.B. Auslandsschulen, Goethe-Institut. 4 Treaty overriding; hierzu Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 34. 5 Abkommensübersicht bei Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 36, 37; das Kassenstaatsprinzip gilt grundsätzlich nicht für bei der Deutsche Post AG und der Deutsche Bahn AG beschäftigte Bundesbeamte, vgl. BFH v. 17.12.1997 – I R 60-61/97, BStBl. II 1999, 13; Vfg. OFD Frankfurt v. 23.8.1999, RIW 1999, 808; anders dagegen die Regelungen in einigen deutschen DBA; hierzu die Abkommensübersicht bei Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 36, 40. 6 Zu weiteren Besonderheiten deutscher DBA Waldhoff in V/L5, Art. 19 OECDMA Rz. 37 ff.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) lung der Besteuerungsrechte nach den Doppelbesteuerungsabkommen bei Einkünften von Studenten (Art. 20 OECD-MA) in Gassner/Lang/Schuch, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2005, 407; Zehetner, Gastprofessoren, Gastlehrer, Studenten und Auszubildende nach dem neuen DBA ÖsterreichDeutschland in Gassner/Lang/Lechner, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Deutschland, Wien 1999, 185.

16.466 Die internationale Abkommenspraxis enthält für Zahlungen, die Studenten, Praktikanten oder Lehrlinge für ihren Unterhalt, ihr Studium oder ihre Ausbildung erhalten, Sonderregelungen (Art. 20 OECD-MA). Diese sehen vor, dass die Zahlungen im Aufenthaltsstaat (Gastland) freigestellt werden, wenn die Zahlungen aus Quellen außerhalb des Gastlandes stammen. Diese Sonderregelungen unterscheiden sich von den übrigen abkommensrechtlichen Verteilungsnormen insbesondere dadurch, dass durch sie das Besteuerungsrecht nicht zwischen Quellenstaat und Wohnsitzstaat aufgeteilt oder einem von ihnen zugewiesen wird.1 Sie beschränkt sich vielmehr darauf, die Freistellung im Gastland anzuordnen, ohne Rücksicht darauf, ob der Student in diesem Staat seinen Wohnsitz begründet2 oder nicht.

16.467 Um überhaupt die Schrankenwirkungen der DBA für sich in Anspruch nehmen zu können, müssen die betreffenden Studenten usw. grundsätzlich in einem der beiden Vertragsstaaten, deren Abkommen zur Anwendung kommen soll, ansässig sein (Art. 1 OECD-MA). Dieser Grundsatz, wonach die Ansässigkeit entweder im Herkunftsland oder im Gastland gegeben sein muss, erfährt durch Art. 20 OECD-MA allerdings eine Ausnahme: Ein in keinem der beiden Staaten ansässiger Student usw. kann die Steuerbefreiung im Gastland beanspruchen, wenn er unmittelbar vor Aufnahme seines dortigen Studiums im Herkunftsland ansässig war.3

16.468 Der Sinn und Zweck der für Ausbildungsvergütungen geltenden Verteilungsnormen geht dahin, den Ausbildungsaustausch zwischen den Staaten zu fördern.4 Es soll verhindert werden, dass Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen durch eine Besteuerung im Gastland geschmälert werden. Aus deutscher Sicht unterliegen nämlich derartige Zahlungen aus dem Ausland als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG) grundsätzlich der Einkommensteuer, soweit der Empfänger unbeschränkt steuerpflichtig ist.

1 Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in D/W, Art. 20 OECDMA Rz. 43. 2 Zum steuerlichen Wohnsitz von Studenten Flick/Flick-Pistorius, DStR 1989, 623 ff. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 20 OECD-MA Rz. 39; Kolb in G/K/G, Art. 20 OECDMA Rz. 28. 4 Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 3; Stoffersen in S/K/K, Art. 20 OECD-MA Rz. 3.

832

L. Verteilung der Steuergüter

Der Begriff des Studenten, Praktikanten oder Lehrlings ist in den Abkommen zwar nicht definiert, eine am Sinn und Zweck des Art. 20 OECDMA orientierte Auslegung aus dem Sinnzusammenhang (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) gebietet es aber, den begünstigten Personenkreis weit zu fassen und auf Schüler und Volontäre auszudehnen.1 Die deutschen Abkommen sind allerdings mitunter enger gefasst und betreffen zum Teil nur Studenten.2

16.469

Voraussetzung für die Freistellung im Gastland ist in allen Fällen grundsätzlich, dass sich die begünstigten Personen im Gastland für Zwecke des Studiums aufhalten. Es reicht aus, dass die Ausbildung der Hauptzweck des Aufenthaltes ist.3 Im Hinblick darauf entfällt die abkommensrechtliche Steuerbefreiung auch nicht dadurch rückwirkend, dass sich der Student nach Abschluss seiner Ausbildung noch einige Zeit im Gastland aufhält, um etwa Geld für seine Rückreise in das Herkunftsland zu verdienen.4

16.470

Da der Aufenthalt im Gastland für Zwecke der Ausbildung nur auf vorübergehende Dauer angelegt ist, gilt die abkommensrechtliche Steuerbefreiung auch nur für diejenigen Ausbildungs- und Unterhaltsbeihilfen, die für die Zeit der Ausbildung geleistet werden.5 Deshalb sehen einige deutsche DBA von vornherein eine zeitliche Begrenzung der Steuerbefreiung vor.6 Darüber hinaus begrenzen einige deutsche DBA die Steuerbefreiung mitunter auch der Höhe nach.7

16.471

Die Steuerbefreiung wird im Gastland nur für diejenigen Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen gewährt, die aus Quellen außerhalb des Gastlandes stammen. Viele deutsche DBA enthalten hier allerdings großzügigere Regelungen insofern, als für einen begrenzten Zeitraum – zumeist für drei Jahre – auch Vergütungen für eine im Gastland ausgeübte unselbständige Arbeit freigestellt werden, soweit sie dazu dienen, Ausbildungs- und Unterhaltsbeihilfen zu ergänzen.8

16.472

1 Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 6; Stoffersen in S/K/K, Art. 20 OECD-MA Rz. 9; Kolb in G/K/G, Art. 20 Rz. 12; Bauer in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/ Staringer, Arbeitslohn im Recht der DBA, 225 (231). 2 Abkommensübersicht bei Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 23. 3 Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in D/W, Art. 20 OECDMA Rz. 36; Zehetner in Gassner/Lang/Lechner, Das neue DBA ÖsterreichDeutschland, 185 (204). 4 FinMin. NW v. 8.2.1965, WPg. 1965, 189; FinMin. NW v. 17.11.1966, AWD 1966, 486. 5 Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in D/W, Art. 20 OECDMA Rz. 20. 6 Abkommensübersicht bei Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 28. 7 In Fällen der staatlichen und privaten Entwicklungshilfe; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 22, 31. 8 Abkommensübersicht bei Meurer in V/L5, Art. 20 OECD-MA Rz. 28, 33.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

XV. Andere Einkünfte Literatur Kommentare zu Art. 21 OECD-MA; Zeitlhofer, Other Income – Art. 21 OECD-MC in Aigner/Loukota, Source vs. Residence in International Tax Law, Wien 2005, 281.

16.473 Die DBA enthalten zumeist Auffangklauseln (Art. 21 OECD-MA) zugunsten des Wohnsitzstaates für diejenigen Einkünfte,1 die von den speziellen Verteilungsnormen (Art. 6 bis 20 OECD-MA) nicht erfasst werden.2 Hierunter fallen im Wesentlichen Einkünfte aus dem Quellenstaat, soweit sie ihrer Art nach nicht den speziellen Verteilungsnormen zuzuordnen sind,3 Einkünfte aus Drittstaaten sowie Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat.4 Die Reichweite der Auffangklauseln ist begrenzt, da von ihnen nur jene Einkünfte erfasst werden, die auch nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten nicht unter die speziellen Verteilungsnormen subsumiert werden können.5

16.474 Zu den Einkünften, die von den speziellen Verteilungsnormen nicht erfasst werden, gehören etwa Schadensersatzleistungen, soweit sie dem nichtbetrieblichen Bereich zuzuordnen sind,6 Abgeordnetenbezüge,7 der zu einer Gewinnrealisierung führende rechtsformüberschreitende Formwechsel8 sowie private wiederkehrende Bezüge.9 Die eigentliche Bedeutung der abkommensrechtlichen Auffangklauseln liegt in der Erfassung von Drittstaateneinkünften.10 Zu diesen Einkünften gehören auch jene, die ihrer Art nach zwar unter die speziellen Verteilungsnormen fallen, 1 Da nur der Wohnsitzstaat besteuern darf, bleibt es letztlich seinem nationalen Recht überlassen, die Besteuerung an die Einnahmen oder aber an die Einkünfte nach Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuknüpfen; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 16. 2 Einige deutsche DBA enthalten keine Auffangklauseln; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 26, 27. 3 Hierzu die Übersicht bei Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 22 ff.; Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 18 ff.; Joos in S/K/K, Art. 21 OECDMA Rz. 16 ff. 4 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 4; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECDMA Rz. 1; Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 16; Kempermann in F/W/K, Art. 21 DBA-Schweiz Rz. 11. 5 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 17. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 22; Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 18, 23, 28; Fischer-Zernin in G/K/G, Art. 21 OECD-MA Rz. 17. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 23; Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 19. 8 Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124); vgl. hierzu Rz. 16.387. 9 Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 33. 10 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 15 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 51; Joos in S/K/K, Art. 21 OECD-MA Rz. 47.

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L. Verteilung der Steuergüter

dort aber deshalb nicht erfasst werden, weil sich diese Verteilungsnormen entweder nur auf Einkünfte aus dem Quellenstaat oder aus dem Wohnsitzstaat beziehen.1 Die Zuweisung der Drittstaateneinkünfte zum Wohnsitzstaat gilt nur für das jeweilige bilaterale Verhältnis, so dass die Besteuerungsbefugnis des Wohnsitzstaates jeweils unter dem Vorbehalt eines etwaigen mit dem Drittstaat abgeschlossenen DBAs steht.2 In derartigen Dreieckskonstellationen kann es zwar zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen, wenn der Drittstaat tatsächlich nicht besteuert, eine Doppelbesteuerung ist aber ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige insbesondere in Fällen der Doppelansässigkeit sich stets auf das für ihn günstigste Abkommen berufen kann.3 Werden schließlich aus dem Wohnsitzstaat stammende Einkünfte von den speziellen Verteilungsnormen deshalb nicht erfasst, weil diese nur die Besteuerung im Quellenstaat regeln, greift Art. 21 Abs. 1 OECD-MA ebenfalls ein.4 Angesprochen sind hierbei insbesondere Fälle der Doppelansässigkeit.5

16.475

Die subsidiäre Zuweisung der Besteuerungsbefugnis nur zum Wohnsitzstaat aufgrund der abkommensrechtlichen Auffangklausel6 erfolgt grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die gezahlten Einkünfte angemessen sind7 und im Wohnsitzstaat tatsächlich versteuert werden. In der deutschen Abkommenspraxis sind subject-to-tax-Klauseln die Ausnahme.8

16.476

In der internationalen Abkommenspraxis wird häufig geregelt, dass das 16.477 in den abkommensrechtlichen Auffangklauseln verankerte Wohnsitzprinzip nicht für Einkünfte gilt, die einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzuordnen sind (Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Erfasst werden hierdurch nur solche Einkünfte, die für Rechte und Vermögenswerte gezahlt werden, die tatsächlich zu der Betriebsstätte oder festen Einrichtung gehören. Das setzt voraus, dass die Rechte und Vermögenswerte in einem funktionalen Zusammenhang zu 1 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECDMA Rz. 51; Kempermann in F/W/K, Art. 21 DBA-Schweiz Rz. 14. 2 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 19; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECDMA Rz. 54. 3 Wassermeyer in D/W Art. 21 OECD-MA Rz. 54; Lehner in V/L5, Art. 21 OECDMA Rz. 19; Joos in S/K/K, Art. 21 OECD-MA Rz. 49; Schütte in Haase, Art. 21 OECD-MA Rz. 40. 4 Das sind mit Ausnahme von Art. 20 OECD-MA alle Verteilungsnormen; zu weiteren Einzelheiten Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 16. 5 Hierzu das Beispiel bei Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 55. 6 Es handelt sich um eine vollständige Verteilungsnorm, hierzu Rz. 16.212. 7 Anders allerdings der durch die Teilrevision des OECD-MA in 1995 eingeführte Vorschlag eines Art. 21 Abs. 3, wonach die Einkünfte im anderen Vertragsstaat nicht freigestellt werden, soweit sie unangemessen sind; diese Angemessenheitsklausel hat in der deutschen Abkommenspraxis allerdings keine Bedeutung; vgl. hierzu OECD-MK zu Art. 21 OECD-MA Rz. 7 ff. 8 Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 26, 28.

835

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

der in der Betriebsstätte oder festen Einrichtung ausgeübten Tätigkeit in dem Sinne stehen, dass die für sie geleisteten Zahlungen jedenfalls als Nebenerträge der im Übrigen aufgrund der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erwirtschafteten Erträge erscheinen.1 Diese Grundsätze gelten auch für Personengesellschaften, soweit sie den Gesellschaftern über deren Beteiligung eine Betriebsstätte vermitteln (Rz. 16.388), mit der Folge, dass insbesondere Sonderbetriebsvermögen2 nur ausnahmsweise der Betriebsstätte zuzuordnen ist.3 Dieser Betriebsstättenvorbehalt führt zur Anwendung der für die Einkünfte aus Unternehmen und selbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen (Art. 7 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 a.F. OECD-MA). In den Fällen, in denen die abkommensrechtlichen Auffangklauseln keinen Betriebsstättenvorbehalt enthalten,4 ergeben sich für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren keine Änderungen, soweit diese tatsächlich zu einem Unternehmen gehören.5 Bei den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ergeben sich ebenfalls keine Änderungen, weil sich der in Art. 21 Abs. 2 OECD-MA verankerte Betriebsstättenvorbehalt ohnehin nicht auf diese Einkünfte erstreckt.

XVI. Vermögen Literatur Kommentare zu Art. 22 OECD-MA; Herzig, Bewertung von Auslandsbeteiligungen, Köln 1992; Jacobs, Die vermögensteuerliche Behandlung der Anlagenerrichtung im Ausland, StBp. 1981, 168; Neuheuser, Die Bewertung von Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften für Zwecke der Besteuerung, Baden-Baden 1995.

1. Allgemeines

16.478 Soweit die DBA sich auch auf die Vermögensteuer- und Gewerbekapitalsteuer sowie auf die Grundsteuer beziehen,6 enthalten sie durchweg eigenständige nur die Besteuerung des Vermögens betreffende Verteilungsnormen (Art. 22 OECD-MA). 1 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 82; weitere Einzelheiten Rz. 16.391 ff. 2 Zu Sonderbetriebsvermögen I und II; vgl. Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 506 ff. 3 Das gilt in besonderem Maße für gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen und Sonderbetriebsvermögen II; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 82. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 55. 5 Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECDMA Rz. 67. 6 Bei einigen deutschen DBA ist das nicht der Fall; hierzu die Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 17; ferner bei Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 39.

836

L. Verteilung der Steuergüter

Die Steuern vom Vermögen bedeuten in der internationalen Besteuerungspraxis überwiegend eine Ergänzung der Besteuerung der Einkünfte. Dies gilt auch für die bis einschließlich 1996 erhobene deutsche Vermögensteuer, die als eine Sollertragsteuer die im Vermögen liegende potentielle Ertragskraft und somit die darin liegende potentielle Leistungsfähigkeit erfassen wollte.1 Deshalb wird in der internationalen Abkommenspraxis die Befugnis für die Besteuerung bestimmter Vermögensteile grundsätzlich nur dem Staat zugewiesen, der auch das Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte aus diesen Vermögensteilen hat.2

16.479

Wegen der weitgehenden Parallelität der Verteilungsnormen für Ertragsteuern einerseits und Vermögensteuer andererseits, verzichten einige deutsche DBA auf eigene nur für die Vermögensteuer geltende Verteilungsnormen.3

16.480

Da zahlreiche Staaten eine Vermögensteuer/Gewerbekapitalsteuer nicht kennen und auch Deutschland eine Vermögensteuer und zudem eine Gewerbekapitalsteuer4 derzeit nicht erhebt, wirken die betreffenden Verteilungsnormen der deutschen DBA sich derzeit kaum aus.5 Art. 22 OECDMA erlangt aber dann wieder Bedeutung, sobald einer der Vertragsstaaten in Zukunft eine Vermögenssteuer/Gewerbekapitalsteuer erhebt. Einer Änderung der DBA bedürfte es hierfür nicht.6

16.481

2. Belegenheitsprinzip Entsprechend den für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 OECD-MA) gilt auch für die Vermögenund Gewerbekapitalsteuer sowie die Grundsteuer das Belegenheitsprinzip (Art. 22 Abs. 1 OECD-MA). Danach besteuert der Belegenheitsstaat als Quellenstaat das unbewegliche Vermögen,7 ohne den abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterworfen zu sein. Der Wohnsitzstaat hat die Doppelbesteuerung entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung zu vermeiden.

1 Zu den verschiedenen Begründungsversuchen zur Vermögensteuer Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 916 ff. 2 OECD-MK zu Art. 22 OECD-MA, Ziff. 2. 3 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 17, 19. 4 Abgeschafft durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform mit Wirkung ab 1.1.1998. 5 Für die Grundsteuer stellt sich das Doppelbesteuerungsproblem ohnehin nur dann, wenn diese nicht nur im Belegenheitsstaat erhoben wird; hierzu Mai in Haase, Art. 2 OECD-MA Rz. 23. 6 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 18. 7 Gemeint ist das unbewegliche Vermögen nach Berücksichtigung zuzuordnender Schulden; Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 21.

837

16.482

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.483 Die für die Besteuerung des im anderen Vertragsstaat belegenen unbeweglichen Vermögens geltenden Verteilungsnormen (Art. 22 Abs. 1 OECDMA) enthalten keine Regelungen darüber, was unter unbeweglichem Vermögen zu verstehen ist. Stattdessen verweisen sie auf die für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 OECD-MA), die zumeist eine entsprechende Definition enthalten.1 Da die Verteilungsnormen auch keine Regelungen über die Wertberechnung und über den Schuldenabzug enthalten und den Abkommen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Auslegung zu entnehmen sind, kommt das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates2 insoweit zur Anwendung.3 Aus deutscher Sicht greifen daher – für frühere Jahre – die Bewertungsregeln des Bewertungsgesetzes ein. Durch die Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts kann es zu nicht vermeidbaren steuerlichen Mehr- oder Minderbelastungen kommen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Feststellungszeitpunkte für die Bewertung des Vermögens.4 3. Betriebsstättenprinzip

16.484 Bewegliches Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat ist oder das zu einer festen Einrichtung gehört, unterliegt vorrangig der Besteuerungsbefugnis des Betriebsstättenstaates als Quellenstaat. Es ist Aufgabe des Wohnsitzstaates, die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung5 oder durch Steueranrechnung zu vermeiden. Dieses Betriebsstättenprinzip (Art. 22 Abs. 2 OECD-MA) entspricht den für Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) und Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F.) geltenden Verteilungsnormen. In einigen deutschen DBA gilt dieses Betriebsstättenprinzip allerdings nicht auch für feste Einrichtungen eines Selbständigen.6 In diesen Fällen kommt daher das Wohnsitzprinzip, das in den Auffangklauseln der für das Vermögen geltenden Verteilungsnormen verankert ist, zur Anwendung (Art. 22 Abs. 4 OECD-MA).

16.485 Unter das Betriebsstättenprinzip fällt nur das bewegliche Vermögen, so dass unbewegliches Vermögen ohne Rücksicht darauf, ob es einer Betriebsstätte zuzuordnen ist oder nicht, stets vom Belegenheitsprinzip (Art. 22 Abs. 1 OECD-MA) erfasst wird.ß Das Betriebsstättenprinzip

1 Art. 6 Abs. 2 OECD-MA; hierzu der Überblick bei Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 30 ff.; Art. 22 OECD-MA Rz. 23. 2 Nach den deutschen DBA ist das im Hinblick auf die zumeist verwirklichte Freistellungsmethode in der Regel der Belegenheitsstaat. 3 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 32. 4 Hierzu weitere Einzelheiten bei Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 33; Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 11; von Pannwitz in Haase, Art. 22 OECD-MA Rz. 16; Kempermann in F/W/K, Art. 22 DBA-Schweiz Rz. 28. 5 Das ist in der deutschen Abkommenspraxis die Regel. 6 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 50.

838

L. Verteilung der Steuergüter

greift nur dann ein, wenn das bewegliche Vermögen Betriebsvermögen einer Betriebsstätte, einer festen Einrichtung oder einer Personengesellschaft1 ist. Es muss sich also um Vermögenswerte handeln, die einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung zuzuordnen sind. Welche Vermögensteile der Betriebsstätte zuzurechnen sind, wird zwar nicht unmittelbar in Art. 22 OECD-MA geregelt, ergibt sich aber aus dem Abkommenszusammenhang, und zwar insbesondere aus den abkommensrechtlichen Regelungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA). Diese Regelungen stellen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Die „tatsächliche Zugehörigkeit“ von Vermögensteilen zum Betriebsstättenvermögen kann hiernach in den Fällen bejaht werden, in denen das bewegliche Vermögen in einem funktionalen Zusammenhang mit dem für die Ausübung der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erforderlichen Vermögen steht.2 Dieser Grundsatz gilt auch für Personengesellschaften, soweit sie den Gesellschaftern über deren Beteiligung eine Betriebsstätte vermitteln (Rz. 16.388). Von Bedeutung ist die Abgrenzung des Vermögens zwischen Betriebsstätte und Stammhaus. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der entsprechenden Einkünftezuordnung,3 so dass der Betriebsstätte bzw. der festen Einrichtung stets das Vermögen zuzuordnen ist, das sie als selbständiges Unternehmen hätte.4

16.486

Hiernach sind etwa körperliche Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte dann zuzuordnen, wenn sie der wirtschaftlichen Tätigkeit der Betriebsstätte dienen, das heißt, wenn ein selbständiger Gewerbebetrieb am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen diese Wirtschaftsgüter benötigen würde.5

16.487

Dienen körperliche Wirtschaftsgüter mehreren Betriebsteilen, etwa der Betriebsstätte und dem Stammhaus, so kommt gegebenenfalls, entspre-

16.488

1 Sofern der Anteil an der Personengesellschaft dem Gesellschafter auch eine Beteiligung an einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung vermittelt; hierzu im Einzelnen Rz. 16.388. 2 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 44; von Pannwitz in Haase, Art. 22 OECD-MA Rz. 22; vgl. ferner Rz. 16.292. 3 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff.; Einzelheiten unter Rz. 16.264 ff. 4 Auch hier gilt das dealing at arm’s length-Prinzip; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff.; Wessel in S/K/K, Art. 22 OECD-MA Rz. 24; von Pannwitz in Haase, Art. 22 OECD-MA Rz. 23. 5 BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47.

839

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

chend den Grundsätzen der Gewinnaufteilung,1 eine Aufteilung der Vermögenswerte in Betracht.2 Für die Zurechnung von immateriellen Wirtschaftsgütern, insbesondere von Rechten,3 ist ebenfalls darauf abzustellen, ob das Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung tatsächlich dient.4 Dienen sie mehreren Betriebsteilen, kommt für die Zuordnung die direkte oder indirekte Methode zur Anwendung, wobei auch hier die direkte Methode im Vordergrund steht.5 Da aus deutscher Sicht stets auf das Nettovermögen (Reinvermögen) abzustellen ist (§§ 95; 103 BewG), sind Verbindlichkeiten und Rückstellungen ebenfalls zuzuordnen. Soweit eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, orientiert sich bei Anwendung der indirekten Methode der Aufteilungsschlüssel an dem Verhältnis der Aktiva der Betriebsstätte zu den Gesamtaktiva des Unternehmens6 sowie an dem für alle Betriebsteile einheitlichen Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital.7 4. Besteuerung am Ort der Geschäftsleitung

16.489 Seeschiffe und Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie das dem Betrieb dieser Schiffe und Luftfahrzeuge dienende bewegliche Vermögen darf ausschließlich im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des betreffenden Unternehmens besteuert werden (Art. 22 Abs. 3 OECD-MA). Damit ist für die Vermögensbesteuerung der gleiche Staat zuständig wie für die Ertragsbesteuerung (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA). Abweichend von der vorstehenden Grundregel weisen einige deutsche DBA die Besteuerung von Schiffen und Luftfahrzeugen sowie des ihnen dienenden beweglichen Vermögens dem Wohnsitzstaat zu.8

1 Aufgrund der direkten oder indirekten Methode oder aufgrund einer Mischung beider Methoden; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47; hierzu im Einzelnen Rz. 16.270 ff. 2 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 41, 43; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 f. 3 Sie zählen zum beweglichen Vermögen Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 34. 4 RFH v. 19.2.1935, RStBl. 1936, 590; Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 41; Kempermann in F/W/K, Art. 22 DBA-Schweiz Rz. 46. 5 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 41; zur direkten und indirekten Methode Rz. 16.270 ff. 6 Jacobs, StBp. 1981, 168 (169). 7 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff.; Wessel in S/K/K, Art. 22 OECD-MA Rz. 25; von Pannwitz in Haase, Art. 22 OECD-MA Rz. 43. 8 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 74; zu weiteren Besonderheiten deutscher Abkommen Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 75 ff.

840

L. Verteilung der Steuergüter

5. Wohnsitzprinzip Die für Vermögen geltenden Verteilungsnormen enthalten eine Auffangklausel, wonach nicht anderweitig zugewiesenes Vermögen ausschließlich im Wohnsitzstaat besteuert werden darf (Art. 22 Abs. 4 OECD-MA). Dem Wohnsitzprinzip unterliegen damit im Wesentlichen das Drittstaatenvermögen, soweit ein mit dem Drittstaat bestehendes DBA nicht eine anderweitige Zuordnung vornimmt,1 sowie Privatvermögen.2 Hierzu gehören insbesondere Kapitalforderungen, Anteile an Kapitalgesellschaften, Patente, Urheberrechte sowie Kunstgegenstände.3

16.490

Da sich die Auffangklauseln in der Regelung über die Zuordnung der Besteuerung erschöpfen, ist im Übrigen auf das nationale Recht des Wohnsitzstaates zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Das gilt insbesondere für die Vermögensermittlung.4

16.491

Verlegt eine in einem Vertragsstaat ansässige Person ihren Wohnsitz in den anderen Vertragsstaat, kann es zu steuerlichen Mehr- oder Minderbelastungen kommen, wenn in dem einen Vertragsstaat das Stichtagsprinzip und in dem anderen Vertragsstaat das pro-rata-temporis-Prinzip5 eingreift. Aus deutscher Sicht sind die vorstehenden Probleme einstweilen ohne Bedeutung.

16.492

XVII. Nachlässe und Erbschaften Literatur Kommentare zum ErbSt-MA und zum ErbStG; Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Crezelius, Erbschaftsteuerrechtliche Konsequenzen der Wohnsitzverlegung in das Ausland, in Crezelius/Seewald/Spiegelberger/Wassermeyer, Unternehmenssicherung, Bonn 1996, 99; Dautzenberg/ Brüggemann, EG-Vertrag und deutsche Erbschaftsteuer, BB 1997, 123; Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2007; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge; Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht – Kollissionsbegründende und -auflösende Normen der ErbStG, Frankfurt/M. 2003; Hueck, Internationale Erbschaftsteuerprobleme bei der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften, München 1993; Lang, M., Erbschaftsteuern und Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2002; Lausbrock, Nachlass und Erbschaft in den USA, München 1986; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenzen, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 83; Stein, Die Behandlung deutsch-irischer Erbfälle, Köln 1998; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäi1 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 90; Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 98. 2 Aus deutscher Sicht wegen der Nichterhebung der Vermögensteuer ohne Bedeutung. 3 Hierzu die Aufstellung bei Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 97. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 22 OECD-MA Rz. 104, 32 f. 5 Stockmann in V/L5, Art. 22 OECD-MA Rz. 95.

841

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) schen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Wassermeyer, W., Das US-amerikanische Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Köln 1996; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997; Wilde, Das kanadische Erbschaftsteuerrecht, Köln 1997; Zschau, Erbschaftsteuersysteme in Großbritannien, Frankreich und Deutschland, Lohmar/Köln 2000; Zuppinger in Höhn (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl. Bern/Stuttgart/Wien 1993, 403.

1. Allgemeines

16.493 DBA erstrecken sich im Allgemeinen lediglich auf die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Rz. 16.189 f.). Dementsprechend gelten die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen dieser Abkommen auch nur für Einkünfte und Vermögen. Für Erbschaftsteuern werden zumeist eigenständige Abkommen geschlossen.1 Derzeit gibt es nur wenige deutsche Erbschaftsteuerabkommen.2 Es handelt sich hierbei zum Teil um ältere Abkommen, die stark voneinander abweichen. Damit hat Deutschland dem im früheren Art. 293 EG verankerten Gebot, DBA auch auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern abzuschließen,3 bislang nur teilweise entsprochen.

16.494

Auch wenn der inzwischen nicht mehr geltende Art. 293 EG keine unmittelbare Wirkung erzeugt hat,4 erwächst dennoch die Verpflichtung, in allen Fällen, in denen DBA auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern nicht bestehen und § 21 ErbStG die Doppelbesteuerung nur sehr unvollkommen vermeidet (Rz. 15.244 f.), die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) sicherzustellen.5

16.495 Die OECD-MA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe und Erbschaften von 1966 und 1982 haben weder in der deutschen noch in der internationalen Abkommenspraxis größere Bedeutung erlangt. Diese Musterabkommen entsprechen in ihrem Aufbau dem OECD-MA 1977. Es enthält daher neben den Grundregelungen über den persönlichen, räumlichen und sachlichen Geltungsbereich Verteilungsnormen und Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.

16.496 Im Rahmen des persönlichen Geltungsbereichs der Erbschaftsteuerabkommen wird allein auf den Erblasser/Schenker abgestellt (Art. 1 ErbSt-MA). Abkommensberechtigt ist hiernach der Erblasser/Schenker 1 Anders dagegen die „großen“ Abkommen mit Schweden und Dänemark, die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie für die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer gleichermaßen gelten. 2 Mit Griechenland (1910), Schweden (1994), Schweiz (1978), den USA (2000), Dänemark (1995) und Frankreich (2009). 3 Zu dieser Verpflichtung Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 ff.; ausführlich Dautzenberg/Brüggemann, BB 1997, 123 ff. 4 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793 ff.; v. 12.2.2009, Rs. C-67/08 – Block; BFH/NV 2009, 433. 5 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 141; vgl. Rz. 15.244 f.

842

L. Verteilung der Steuergüter

dann, wenn er im Zeitpunkt seines Todes bzw. zum Zeitpunkt der Schenkung seinen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten hatte. Die Erbschaftsteuerabkommen finden daher keine Anwendung, wenn der Erblasser/Schenker seinen letzten Wohnsitz nur in einem dritten Staat hatte.1 Für die Anwendung der Erbschaftsteuerabkommen ist es ferner ohne Bedeutung, wo die Erben oder Beschenkten ihren Wohnsitz haben.2 Schließlich orientiert sich die Abkommensberechtigung grundsätzlich nicht an der Staatsangehörigkeit des Erblassers.3 Während sich zum räumlichen Geltungsbereich der Erbschaftsteuerabkommen im Vergleich zu den für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden Abkommen keine Besonderheiten ergeben (Rz. 16.184), gilt für den sachlichen Geltungsbereich Folgendes:

16.497

Die Erbschaftsteuerabkommen bestimmen, dass unter den sachlichen Anwendungsbereich alle Nachlass- und Erbschaftsteuern sowie Schenkungsteuern fallen, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 ErbStMA). Erfasst werden damit Erbnachlasssteuern, die das Nachlassvermögen als solches besteuern, Erbanfallsteuern, die den Vermögenserwerb des Erwerbers belasten, Abgaben die auf den Vermögensübergang erhoben werden4 sowie Schenkungsteuern. Aus deutscher Sicht fallen darunter die Erbschaft- und Schenkungsteuer.5

16.498

Ebenso wie die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA gehen auch die Erbschaftsteuerabkommen grundsätzlich vom Nettoprinzip aus, so dass nur der Nettonnachlass der Besteuerung unterworfen werden darf. Die Erbschaftsteuerabkommen enthalten insoweit eine klarstellende Regelung (Art. 8 ErbSt-MA), aufgrund deren der Schuldenabzug als Individualabzug (Art. 8 Abs. 1, 2 ErbSt-MA) zugelassen wird.6 Soweit nach nationalem Recht über die abkommensrechtlichen Vorschriften hinaus ein weitergehender Schuldenabzug zugelassen wird, erfährt dieser durch Abkommensrecht keine Einschränkung.7 Insoweit unterscheiden sich die Erbschaftsteuerabkommen ebenfalls nicht von den für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA; sie ziehen lediglich die äußeren Grenzen der Besteuerung durch beide Vertragsstaaten. Daher wirken die Abkommensschranken auch dann, wenn die

16.499

1 Jülicher in D/W, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 45. 2 Demgegenüber wird nach dem jeweiligen nationalen Recht die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch an die Ansässigkeit des Erwerbers angeknüpft; hierzu Jülicher in D/W, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 13. 3 Anders dagegen im Rahmen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ErbStG); hierzu Rz. 7.22 ff. 4 So in die DBA mit den USA, Schweden und Dänemark. 5 Hierzu gehört auch die Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) sowie Ersatzbesteuerungstatbestände (z.B. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG); zu Einzelheiten Jülicher in D/W, Art. 2 ErbSt-MA Rz. 5; Art. 4 ErbSt-MA Rz. 10. 6 Zu Einzelheiten Jülicher in D/W, Art. 8 ErbSt-MA Rz. 1, 21 ff. 7 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 173.

843

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

Erbschaftsteuerabkommen einen höheren Schuldenabzug als nach nationalem Recht zulassen. Im Hinblick auf das auch für die Erbschaftsteuer/ Schenkungsteuer geltende Nettoprinzip bedeutet eine ggü. dem innerstaatlichen Recht bestehende abkommensrechtliche Erweiterung des Schuldenabzugs in Wahrheit eine Einschränkung der nationalen Besteuerungskompetenz.1

16.500 Die deutschen Erbschaftsteuerabkommen erfassen nur ausnahmsweise die Schenkungsteuer mit den in § 7 ErbStG genannten Tatbeständen. Damit wird insoweit die Doppelbesteuerung bei Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) nur partiell vermieden.2 2. Besteuerung im Belegenheitsstaat

16.501 Ebenso wie bei den für Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA verwirklichen auch die Erbschaftsteuerabkommen das Belegenheitsprinzip dadurch, dass in den Nachlass fallendes oder geschenktes unbewegliches Vermögen vorrangig dem Belegenheitsstaat zur Besteuerung zugewiesen ist (Art. 5 ErbSt-MA).

16.502 Im Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers wird die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder durch Anrechnung vermieden.3 Die Zuweisung der Besteuerungskompetenz zum Belegenheitsstaat erfolgt unabhängig davon, ob dort überhaupt eine Nachlass- oder Erbschaftsteuer/ Schenkungsteuer erhoben wird. Damit wird im Grundsatz die virtuelle Doppelbesteuerung vermieden,4 sofern der Wohnsitzstaat des Erblassers/ Schenkers Steuerfreistellung gewährt.5

16.503 Da die Erbschaftsteuerabkommen keine eigenständigen Regelungen über die Bewertung des Nachlassvermögens bzw. des zugewendeten Vermögens enthalten, greift insoweit innerstaatliches Recht ein, so dass aus deutscher Sicht z.B. im Ausland belegenes unbewegliches Nachlassvermögen gem. § 12 Abs. 7 ErbStG i.V. mit §§ 31, 9 BewG mit dem gemeinen Wert, zu bewerten ist, wobei die für inländisches unbewegliches Nachlassvermögen (Grundvermögen) geltenden Bewertungsmethoden (§ 182 BewG) entsprechend zur Anwendung kommen können.6 1 Die Einzelheiten sind umstritten; hierzu die Übersicht bei Jülicher in D/W, Art. 8 ErbSt-MA Rz. 28 f. 2 DBA mit den USA, Schweden, Frankreich und Dänemark; zu Besonderheiten bei Schenkungen von Geschäftsbetrieben nach dem Erbschaftsteuerabkommen Schweiz vgl. die Verständigungsregelung mit der Schweiz, BMF v. 7.4.1988 und v. 7.2.1990, abgedruckt im Textteil Erb. 5.4.5.5 bei Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz. 3 Das Erbschaftsteuerabkommen-Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung teils durch Steueranrechnung, teils durch Freistellung (Art. 10 DBA-Schweiz [Erb]). 4 Jülicher in D/W, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 12. 5 Der Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG gilt uneingeschränkt; hierzu Meincke, § 19 ErbStG Rz. 4 f. 6 Gebel in T/G/J, § 12 ErbStG Rz. 939.

844

L. Verteilung der Steuergüter

Die für unbewegliches Vermögen geltenden Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen enthalten auch keine eigenständige Definition des Begriffs „unbewegliches Vermögen“. Sie verweisen vielmehr insoweit auf das Recht des Belegenheitsstaates, wodurch die dortigen Begriffsdefinitionen zum Vertragsinhalt erhoben werden.

16.504

3. Besteuerung im Betriebsstättenstaat Bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte wird in den Erbschaftsteuerabkommen grundsätzlich der Besteuerung durch den (anderen) Betriebsstättenstaat zugewiesen (Art. 6 Abs. 1 ErbSt-MA). Entsprechendes gilt für bewegliches Vermögen, das zu einer der Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit dienenden festen Einrichtung gehört (Art. 6 Abs. 1 ErbSt-MA). Während die Besteuerung im Betriebsstättenstaat keinen Schrankenwirkungen unterworfen ist, erfolgt die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat entweder durch Steuerfreistellung1 oder durch Steueranrechnung.2

16.505

Das Betriebsstättenprinzip gilt nicht nur für das zum Nachlass gehörende Vermögen einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung, sondern auch für das einer Personengesellschaft zuzuordnende bewegliche Nachlassvermögen, sofern die Beteiligung an dieser Personengesellschaft dem Erblasser die Beteiligung an einer Betriebsstätte oder an einer festen Einrichtung vermittelt hat.3

16.506

Die für bewegliches Betriebsstättenvermögen geltenden Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen entsprechen in ihrer Struktur zwar den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen der Ertragsteuer- und Vermögensteuerabkommen (Art. 7 ErbSt-MA), ihre Reichweite geht aber über diese hinaus, weil die Erbschaftsteuerabkommen keine besonderen Verteilungsnormen für Anteile an Kapitalgesellschaften, Forderungen und Lizenzrechte kennen.

16.507

Da es keine das Betriebsvermögen betreffende abkommensrechtliche Begriffsdefinition und keine Bewertungsvorschriften gibt, findet insoweit grundsätzlich nationales Recht Anwendung.4

16.508

Seeschiffe und Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr und der Binnenschifffahrt dienende Schiffe sowie entsprechendes zugehöriges beweg-

16.509

1 Art. 23A OECD-MA; ggf. greift der Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG ein. 2 Art. 23B OECD-MA, gem. Art. 10 DBA-Schweiz (Erb) kommen beide Methoden zur Anwendung. 3 Die Geltung dieses Betriebsstättenprinzips auch für Personengesellschaften wird in Art. 6 Abs. 9 DBA-Schweiz (Erb) ausdrücklich festgestellt; zu Einzelheiten Gersch in F/W/K, Art. 6 DBA-Schweiz (Erb) Rz. 33 ff. 4 In Deutschland § 12 Abs. 7 ErbStG i.V. mit § 31 Abs. 1 BewG, wobei das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) zur Anwendung kommen kann; Gebel in T/G/J, § 12 ErbStG Rz. 940.

845

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

liches Vermögen werden mangels einer mit Art. 8 ErbSt-MA vergleichbaren Regelung ebenfalls dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zugewiesen, ohne dort abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterworfen zu sein. Die Zuordnung zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte würde allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn von dort der Einsatz der Schiffe oder Luftfahrzeuge erfolgt.1 Anderenfalls greift über Art. 7 OEDC-MA das Wohnsitzprinzip ein. 4. Besteuerung im Wohnsitzstaat

16.510 Ebenso wie die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA enthalten auch die Erbschaftsteuerabkommen Auffangklauseln, die darauf gerichtet sind, Lücken in der Vermeidung der Doppelbesteuerung auszuschließen. Für das nicht unter die besonderen Verteilungsnormen fallende Vermögen gilt danach das Wohnsitzprinzip, das sich darin artikuliert, dass der Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers die ausschließliche Besteuerungskompetenz erhält (Art. 7 ErbSt-MA).2 Unter die Auffangklausel fallen im Wesentlichen im Wohnsitzstaat und im Drittstaat belegenes Vermögen sowie Vermögen, das der Art nach nicht unter die übrigen Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen fällt. Mit der letzten Fallgruppe wird insbesondere bewegliches Privatvermögen des Erblassers erfasst.3

16.511 Ob der Erblasser/Schenker zum Zeitpunkt seines Todes einen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten hatte, bestimmt sich auch abkommensrechtlich nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten (Art. 4 Abs. 1 ErbSt-MA). Entsprechend den für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geltenden DBA enthalten auch die Erbschaftsteuerabkommen eine Kollisionsregelung für den Fall, dass nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Erblasser/Schenker in beiden Vertragsstaaten seinen Wohnsitz hatte (Art. 4 Abs. 2 ErbSt-MA). Daher ist abgestuft auf die ständige Wohnstätte, den Mittelpunkt der Lebensinteressen, den gewöhnlichen Aufenthalt sowie auf die Staatsangehörigkeit abzustellen.

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung Literatur Kommentare zu Art. 23 A/B OECD-MA; von Brocke, Lidl Belgium und die praktischen Folgen, DStR 2008, 2201; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 193; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrech1 Jülicher in D/W, Art. 6 ErbSt-MA Rz. 11. 2 Art. 7 OECD-MA. 3 Zu Einzelheiten Jülicher in D/W, Art. 7 ErbsSt-MA Rz. 8 ff.

846

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung nungsmethode, StuW 2006, 50; de Weerth, Berücksichtigung von Währungsverlusten auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte im Inland, IStR 2008, 226; Depping, Die Anrechnung fiktiver Steuern gemäß Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Türkei, DStZ 1995, 294; Ditz/Plansky, Aktuelle Entwicklungen bei der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste, DB 2009, 1669; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 1458; Englisch, Berücksichtigung eines Verlustes einer im Ausland belegenen Betriebsstätte, IStR 2008, 404; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974, 81; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 678; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung, Bayreuth 2009; Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Grotherr, Zum Anwendungsbereich der unilateralen Rückfallklausel gemäß § 50d Abs. 9 EStG, IStR 2007, 265; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Hellwig, Die wundersame Verlustvermehrung im Internationalen Steuerrecht, DB 1989, 1364; Heurung/Seidel, Anrechnung ausländischer Steuern auf Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag?, IWB 2009, F.3, Gr. 5, 75; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts, 2. Aufl. Bern/Stuttgart/ Wien 1993, 112; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973, 93 ff.; Holthaus, Die Änderung der Freistellungspraxis im StÄndG 2003 beim ausländischen Arbeitslohn in § 50d EStG – Auswirkungen einer globalen Rückfallklausel in allen Anwendungsfällen der DBA, IStR 2004, 16; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXVIb (1981), 81; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, Frankfurt/M. 2007; Kaminski, Aktivitätsvorbehalte und ihre Bedeutung für die DBA-Anwendung, StuW 2007, 275; Kleineidam, Die abkommensrechtliche Behandlung von Erträgen aus Beteiligungen im ausländischen Betriebsstättenvermögen oder: Ist der Betriebsstättenvorbehalt gerechtfertigt?, IStR 2004, 2; Kluge, Betriebsstättenvorbehalt und Methodenartikel – ein Beitrag zur autonomen Abkommensauslegung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 663; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Knipping, Das BMF-Schreiben zum BFH-Folgeurteil in der Rechtssache Lidl Belgium, IStR 2010, 49; Korn, Steuerliche (Nicht-)Berücksichtigung von Währungsergebnissen bei grenzüberschreitenden Veräußerungsgeschäften, IStR 2007, 890; Krabbe, Betriebsausgaben im Zusammenhang mit ausländischen Schachtelbeteiligungen, DB 1994, 242; Krabbe, Verlustberücksichtigung bei Auslandseinkünften, DStJG (1985), 79; Lamprecht, Betriebsstättenverluste, Verlustvortragsrecht und Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach dem Urteil des EuGH in der Rs. KR Wannsee, IStR 2008, 766; Lang, M., Ist der Betriebsstättenvorbehalt bloß im Quellenstaat anwendbar?, SWI 2003, 319; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, Bern 1996, 465; Lorenz, Die Suspendierung von § 8b Abs. 5 KStG durch EG- und DBA-Günstigerprüfung, IStR 2009, 437; Lüdicke, Doppelansässigkeit, Ansässigkeitswechsel und Progressionsvorbehalt, in FS für Fischer, Berlin 1999, 731; Lüdicke, Ungleichbehandlung durch den Progressionsvorbehalt bei zeitweiliger unbeschränkter Steuerpflicht, IStR 1999, 470; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992; Moebus, Schachtelbeteiligung bei der Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer in nationaler und internationaler Sicht, Herne/Berlin 1979; Mössner, Die Neuregelung der temporären Steuerpflicht durch die Jahressteuergesetze 1996 und 1997, IStR 1997, 225; Philipp, Befreiungssystem mit Progressions-

847

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) vorbehalt und Anrechnungsverfahren, Probleme des zwischenstaatlichen Steuerrechts, Wien 1997; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der Internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), Bonn 1988, 30; Ritter, Steuerfreiheit ausländischer Schachteldividenden, BB 1994, 509; Rosenthal, Die steuerliche Beurteilung von Auslandssachveralten im Spannungsfeld zwischen Abkommensrecht und Europarecht, IStR 2007, 610; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, 289; Schulz-Trieglaff, Neues zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung: Nachversteuerung verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit, StuB 2009, 260; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG, IStR 1997, 481, 520; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 328; Sträuli, Progressive Steuern im Doppelbesteuerungsrecht, Zürich 1973; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Vogel, Besteuerung fiktiver Einkünfte, in FS für Friauf, Heidelberg 1996, 825; Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht – rechtlich und rechtspolitisch, München 1995; Wagner, Steuersparmodell „MADEIRA“, StBp. 1993, 108; Wagner, Steueroptimierung durch Steueranrechnung, StBp. 1996, 298; Wassermeyer in Lüdicke (Hrsg.) Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 207; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, Köln 2004, 81; Wassermeyer, Der Wirrwarr mit den Aktivitätsklauseln im deutschen Abkommensrecht, IStR 2000, 65; Weidmann, Anrechnung und Abzug fiktiver Steuerbeträge, Die Bank 1989, 539; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, Düsseldorf 1989; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647; Zieher, Zurechnung von Währungserfolgen aus der Umrechnung einer ausländischen Betriebsstättenrechnungslegung, IStR 2009, 261.

I. Allgemeines 16.512 Neben den Verteilungsnormen gehören die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zum Regelungskern der DBA. Die Wirkungen dieser Vermeidungsnormen (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA) sind ausschließlich gegen den Wohnsitzstaat gerichtet. Nur er wird durch Vermeidungsnormen verpflichtet, die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung oder durch Steueranrechnung zu vermeiden.1 Insoweit haben die Vermeidungsnormen den Charakter von Steuerbefreiungs- oder Steuerermäßigungsnormen, die allerdings dann ohne Wirkung bleiben, wenn die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat ohnehin nicht steuerbar oder steuerfrei sind.2 Gegen den Quellenstaat gerichtete Wirkungen kön1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 3, 34; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 4; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 19; Wagner in Haase, Art. 23A OECD-MA Rz. 2; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 80. 2 BFH v. 22.2.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659; v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/ NV 2009, 854; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 1a; Gosch in Herzig, 63 (86).

848

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

nen sich demgegenüber nur aus den Verteilungsnormen ergeben, und zwar durch Steuerfreistellung1 oder durch eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer.2 Soweit aufgrund der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen eine Freistellung im Quellenstaat3 oder im Wohnsitzstaat4 angeordnet wird, ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung bereits auf der Stufe der Verteilungsnormen sichergestellt. Insoweit haben die Vermeidungsnormen (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA) lediglich deklaratorischen Charakter.5 Dem vorstehenden Zweistufensystem entsprechen durchweg auch die deutschen DBA: Für bestimmte Einkünfte wird auf der ersten Stufe die Doppelbesteuerung im Rahmen der Verteilungsnormen durch den Quellenstaat oder den Wohnsitzstaat vermieden; im Übrigen erfolgt die Vermeidung der Doppelbesteuerung erst auf der zweiten Stufe im Rahmen der Vermeidungsnormen durch den Wohnsitzstaat. Während auf unilateraler Ebene die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Methodenpluralität beherrscht werden und neben dem Steuerabzug, der Steuerermäßigung und der Steuerpauschalierung die Steueranrechnung und die Steuerfreistellung in Betracht kommen (Rz. 14.16 ff.), gibt es auf bilateraler Ebene lediglich die Steuerfreistellung und die Steueranrechnung (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA).

16.513

Die deutsche Abkommenspraxis ist von der Tendenz geprägt, den Kreis der Einkunfts- und Vermögensarten, für die die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung erfolgt, auszuweiten.6 Dies hat sowohl fiskalische als auch systematische Gründe. Die Steueranrechnung entspricht nämlich dem im deutschen Steuerrecht verankerten Welteinkommensprinzip und zugleich dem Grundsatz der Kapitalexportneutralität dadurch, dass die ausländischen Einkünfte auf das zumeist höhere deutsche Steuerniveau hochgeschleust werden. Die Steueranrechnung verwirklicht damit den Grundsatz der ungeteilten steuerlichen Leistungsfähigkeit (Rz. 14.17 ff.).

16.514

1 Etwa für Lizenzgebühren gem. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA. 2 Etwa bei Dividenden und Zinsen gem. Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 OECDMA. 3 Etwa bei Lizenzgebühren gem. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA. 4 Etwa für Gewinne aus Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt gem. Art. 8 Abs. 1 OECD-MA (Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung befindet); ferner: gem. Art. 13 Abs. 3; 22 Abs. 3 und 19 OECD-MA. 5 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 4, 34; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 4; Wagner in Haase, Art. 23A OECD-MA Rz. 5; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts2, 109; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 78 f. 6 Hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 20, 74; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 14; zu den Vor- und Nachteilen beider Methoden Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 83 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 116 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 65 ff.

849

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.515 Soweit in der deutschen Abkommenspraxis die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung vorgesehen ist, wird sie häufig nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Hierzu gehören bi- und unilaterale Aktivitätsvorbehalte sowie bi- und unilaterale subject-to-taxKlauseln, die eine doppelte Nichtbesteuerung oder Minderbesteuerung vermeiden wollen (Rz. 16.141). Ein Aktivitätsvorbehalt gilt durchweg für die Freistellung von Betriebsstätteneinkünften und Schachteldividenden. Stammen die Einnahmen der Betriebsstätte oder der Tochtergesellschaft nicht aus aktiven Tätigkeiten, so wird die Steuerfreistellung versagt, so dass nur eine Steueranrechnung verbleibt.1 Die in der deutschen Abkommenspraxis verbreiteten und mitunter recht unterschiedlich ausgestalteten2 Aktivitätsklauseln3 sind darauf gerichtet, die Steuerfreistellung nur für im anderen Staat tatsächlich im Wettbewerb stehende Unternehmen zu gewähren. Sie dienen damit auch dem Ziel, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen zu verhindern.4

16.516 Die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln sind teils enger, teils weiter als die Regelung des § 8 Abs. 1 AStG.5 Da die in beiden Aktivitätskatalogen aufgeführten Tätigkeiten gewisse Parallelen aufweisen, können die zu § 8 Abs. 1 AStG entwickelten Auslegungsgrundsätze, insbesondere die sog. funktionale Betrachtungsweise (Rz. 10.75), auch für Abkommenszwecke angewendet werden.6 Die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln setzen voraus, dass die Einnahmen der Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus den dort näher bezeichneten Tätigkeiten stammen. Auch hier kann insoweit auf die zu § 8 AStG entwickelte 90 Prozent-Grenze (Rz. 10.110) zurückgegriffen werden.7

16.517 In den DBA werden Steuerfreistellung und Steueranrechnung nicht stets in bilateraler Gegenseitigkeit verankert. So haben sich etwa die kontinentaleuropäischen Abkommenspartner in den Abkommen mit Deutschland überwiegend für die Freistellungsmethode und die angelsächsischen Abkommenspartner überwiegend für die Anrechnungsmethode entschieden, 1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 74; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 156 ff. 2 Zu den Unterschieden: Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 74 ff.; Schmidt/ Blöchle in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 122 ff.; Köhler in Grotherr, Hdb. der internationalen Steuerplanung2, 1435 ff.; Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Kaminski, StuW 2007, 275 ff. 3 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 75; Wassermeyer in D/W, Anlage hinter Art. 23B OECD-MA. 4 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 77. 5 Zu Einzelheiten Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 76 f.; Wassermeyer in D/W Art. 23A OECD-MA Rz. 156 f., Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECDMA Rz. 66 ff.; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 OECD-MA Rz. 119. 6 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 77; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 54, 156; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 OECD-MA Rz. 124. 7 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; Vogel in V/L5, Art. 23 OECDMA Rz. 80; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 156.

850

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Deutschland seinerseits die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode gewählt hat.1 Darüber hinaus weichen die Vertragsstaaten nicht selten auch einseitig von der auf Abkommensebene festgelegten Steuerfreistellung ab (treaty overriding (Rz. 3.25 f.). So gewährt etwa der in § 20 Abs. 2 AStG enthaltene unilaterale Aktivitätsvorbehalt für Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb an Stelle der durch Abkommen vorgesehenen Steuerfreistellung „nur“ die Steueranrechnung, ohne hierzu abkommensrechtlich legitimiert zu sein.2

16.518

Sonderregelungen enthalten auch § 50d Abs. 8, 9 EStG, wonach speziell bei den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit3 und generell bei (negativen) Qualifikations- und Zurechnungskonflikten und ausländischen Besteuerungslücken die Freistellungsmethode auf die Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung reduziert bzw. durch die Anrechnungsmethode ersetzt wird (Rz. 16.522 ff.).

16.519

Da die Vermeidungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen in ihrer Grundstruktur denjenigen der Einkommen- und Vermögensteuerabkommen entsprechen, gelten für diese die gleichen Grundsätze.

16.520

II. Steuerfreistellung 1. Grundsätze Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen (Art. 23A OECD-MA) setzen für eine Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat voraus, dass aufgrund der Verteilungsnormen Einkünfte und Vermögen im Quellenstaat besteuert werden können (Art. 23A Abs. 1 OECD-MA). Ist dem Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis bereits auf der ersten Stufe aufgrund der Verteilungsnormen genommen, so wirkt die Steuerfreistellung durch die Vermeidungsnormen auf der zweiten Stufe lediglich deklaratorisch.4

16.521

Die Steuerfreistellung nach Maßgabe der Vermeidungsnormen erfolgt grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die betreffenden Einkünfte und

16.522

1 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 2 Der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar im Grundsatz europarechtlich unbedenklich (EuGH v. 6.12.2007; Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451), aber dennoch unzulässig, wenn in der ausländischen Betriebsstätte eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird (Schlussurteil BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BFH/NV 2010, 279); ferner Rz. 16.544. 3 Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG; hierzu Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung, 220 ff.; Holthaus, IStR 2004, 16 ff. a.A. Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 28. 4 Hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 4, 34; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 4; Wagner in Haase, Art. 23A OECD-MA Rz. 5.

851

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

das betreffende Vermögen im Quellenstaat tatsächlich besteuert und dort Steuern gezahlt werden.1 Damit ist die Freistellungsmethode prinzipiell auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung ausgerichtet. Nur in wenigen Fällen wird auf Abkommensebene die Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat davon abhängig gemacht, dass im Quellenstaat tatsächlich besteuert wird.2 Angesprochen hierdurch sind subject-to-tax-Klauseln,3 Rückfallklauseln4 sowie die in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA enthaltene Klausel, aufgrund derer der Wohnsitzstaat trotz genereller Freistellung besteuern darf, wenn der Quellenstaat wegen abweichender Abkommensauslegung oder Sachverhaltsinterpretation nicht besteuert.5

16.523 Neben diesen bilateralen Klauseln ist schließlich die für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit geltende unilaterale subject-to-tax-Klausel des § 50d Abs. 8 EStG von Bedeutung. Eine Steuerfreistellung wird hiernach für unbeschränkt Steuerpflichtige6 nur gewährt, wenn nachgewiesen wird, dass der Staat, dem abkommensrechtlich die Besteuerung zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Der Besteuerungsverzicht des Quellenstaates kann entweder abstrakt in der Nichterhebung mangels Steuerbarkeit oder konkret durch Erlass von Steuern bestehen.7 Dementsprechend hat der Nachweis durch Vorlage von einschlägigen Gesetzes- oder Verwaltungsregelungen oder von Verwaltungsakten zu erfolgen.8 Im Übrigen muss die Festsetzung und Entrichtung der Steuern nachgewiesen werden, was in aller Regel die Vorlage des betreffenden Steuerbescheides und des Zahlungsbeleges erfordert.9 Aus Vereinfachungsgründen wird auf entsprechende Nachweise verzichtet, wenn der hierdurch betroffene Arbeitslohn insgesamt 10.000,– Euro im Veranlagungszeitraum nicht überschreitet.10 Die Steuerfreistellung hat entsprechend der abkommensrechtlichen Terminologie (Art. 23A Abs. 1 OECD-MA) im Wohnsitzstaat dadurch zu erfolgen, dass die betreffenden Einkünfte bzw. Vermögensteile von der Besteuerung auszunehmen sind. Aus deutscher Sicht bedeutet das, dass die in Betracht kommenden Ein-

1 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 69; vgl. auch Rz. 12.8. 2 Hierzu die Übersicht über die mit Vermeidungsnormen verknüpften subject-totax-Klauseln bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 71 f.; Vor Art. 6–22 Rz. 33 ff. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 46. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 161 ff. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 146 ff., zum Begriff vorstehender und vergleichbarer Klauseln Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 34. 6 Nur gem. § 1 Abs. 1, 2 EStG, nicht aber gem. § 1 Abs. 3 EStG; hierzu Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35. 7 BMF v. 21.7.2005, BStBl. I 2005, 821 Rz. 2.2. 8 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – I R 54, 55/07, I R 54/07, I R 55/07, BFH/NV 2008, 1487. 9 BMF v. 21.7.2005, BStBl. I 2005, 821 Rz. 2.1.2. 10 BMF v. 2.7.2005, BStBl. I 2005, 821 Rz. 4.2.

852

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

künfte freizustellen sind. Dieses Freistellungsgebot hat im Ergebnis den Charakter einer sachlichen Steuerbefreiung.1 Die Sonderregelung des § 50d Abs. 8 EStG als ein gegen DBA wirkendes treaty overriding (Rz. 3.25 f.) führt zu einer Abkehr von der abkommensrechtlich auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichteten Freistellungsmethode (Rz. 12.8). Die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 16.132) mag zwar einen derartigen Systembruch rechtfertigen, er stört aber die den DBA zugrunde liegende Verteilungsgerechtigkeit,2 mit der allein eine bilaterale subject-to-tax-Klausel vereinbar wäre. Davon abgesehen vermag sich § 50d Abs. 8 EStG wegen seiner einseitig belastenden Wirkung nur für Arbeitnehmer auch nicht ggü. dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu legitimieren.3 Es mag zwar darum gegangen sein, Piloten, Berufskraftfahrern und Seeleuten eine bei entsprechender Gestaltung mögliche „Nullbesteuerung“ zu versagen,4 es ist aber nicht gerechtfertigt, in vergleichbaren anderen Fällen, eine auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichtete Steuerfreistellung aufrecht zu erhalten.

16.524

Die nicht nur für bestimmte Einkünfte geltende switch over-Klausel5 des § 50d Abs. 9 EStG ist gegen eine Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Vertragsstaat gerichtet,6 und zwar für Fälle (negativ) von Qualifikations- und Zurechnungskonflikten (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) und von Besteuerungslücken im Rahmen beschränkter Steuerpflicht im anderen Vertragsstaat (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG).

16.525

Soweit es um die durch Qualifikations- und Zurechnungskonflikte (Rz. 16.82) ausgelöste Nicht- oder Minderbesteuerung geht, muss diese ihre Ursache in der Abkommensanwendung haben, so dass etwa innerstaatliche Vollzugsdefizite unbeachtlich sind.7 Insoweit handelt es sich aber nur um eine beschränkt wirkende subject-to-tax-Klausel, die zudem nur die Fälle erfasst, in denen die abkommensrechtliche Freistellung auf Art. 23A OECD-MA beruht.8

16.526

Ergibt sich die Nichtbesteuerung also auf Grund vollständiger Verteilungsnormen (Rz. 16.212), greift, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ein, weil der durch diese Vorschrift angeordnete Wechsel von der Freistellung zur Anrechnung ausschließlich im Regelungsbereich der Vermeidens-

16.527

1 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, IStR 1992, 103; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 51. 2 Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 23 ff. 3 Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung, 220 ff.; Holthaus, IStR 2004, 16 ff.; a.A. Schmidt in Haase, Art. 15 OECD-MA Rz. 28; FG Rh.-Pf. v. 30.6.2009 – 6 K 1415/09, EFG 2009, 1649. 4 Vgl. die Hinweise bei Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 35. 5 Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode. 6 Treaty overriding; vgl. Rz. 3.25 f. 7 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 41; Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 71. 8 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 41; Rosenthal, IStR 2007, 610 (612).

853

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

norm des Art. 23A OECD-MA angesiedelt ist.1 Neben dem Hauptanwendungsfall der aus deutscher Sicht unberechtigten Nichtbesteuerung im anderen Vertragsstaat, wird auch die dortige (unberechtigte) Minderbesteuerung erfasst, womit im Wesentlichen die reduzierte Quellenbesteuerung auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (Art. 10 bis 12 OECDMA) angesprochen ist.2

16.528 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG betrifft schließlich Besteuerungslücken im anderen Vertragsstaat im Rahmen der dortigen beschränkten Steuerpflicht. Angesprochen sind damit jene Fälle, in denen dort eigentlich der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegende Einkünfte bei beschränkter Steuerpflicht nicht erfasst werden.

16.529

Der Wechsel von der abkommensrechtlich vorgesehenen Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist nicht nur ein verfassungsrechtlich zweifelhaftes treaty-overriding,3 sondern bedeutet auch einen Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und Wertungskonsequenz (Rz. 4.7), weil gerade dem deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht die divergierende Erfassungsbreite der Einkünfte als – freilich verfehlte – gesetzgeberische Konzeption zugrunde liegt. So enthält § 49 Abs. 1 EStG einen nicht vollständigen numerus clausus inländischer Einkünfte (Rz. 5.128 f.) und damit Besteuerungslücken, die in vergleichbaren ausländischen Fällen als nicht gerechtfertigt durch eine inländische kompensatorische Besteuerung geschlossen werden soll. Damit widerspricht die Regelung in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG den eigenen gesetzgeberischen Wertungen, so dass im Ergebnis auch die autonomen Belastungsentscheidungen anderer Staaten konterkariert werden.4

16.530 Diese ausländische Besteuerungslücken ausfüllende switch over-Klausel gilt allerdings nicht für Dividenden, soweit diese auf Ebene der ausschüttenden ausländischen Gesellschaft bereits mit Körperschaftsteuer belastet ist (§ 50d Abs. 9 Satz 2 EStG).5 2. Einkünfte und Vermögen

16.531 Soweit die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen anordnen, Einkünfte und Vermögen von der Besteuerung im Wohnsitzstaat auszunehmen, ohne im Einzelnen zu definieren, was unter Einkünften und Vermögen zu verstehen ist, gilt innerstaatliches Recht, sofern sich aus dem Abkommenszusammenhang der Begriff der Einkünfte und des Vermögens 1 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 41; Rosenthal, IStR 2007, 610 (612); a.A. Schönfeld in F/W/B, § 50d EStG Rz. 55; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. K 8; Grotherr, IStR 2007, 265 (265). 2 Schönfeld in F/W/B, § 50d EStG, Rz. 91. 3 BFH v. 29.5.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 (1223); hierzu allgemein Gosch, IStR 2008, 413 ff.; ferner Rz. 3.25 f. 4 Kritisch ebenso Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 41. 5 Diese Regelung zielt insbesondere auf typisch stille Beteiligungen ab; hierzu Schönfeld in F/W/B, § 50d Abs. 9 Rz. 131 ff.

854

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

nicht erschließen lässt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus dem Abkommenszusammenhang ergibt sich, dass der in den Vermeidungsnormen verwendete Einkünftebegriff im Ausgangspunkt mit den in den Verteilungsnormen verwendeten Einkünftebegriffen deckungsgleich ist.1 Andernfalls verfehlten die Vermeidungsnormen ihr eigentliches teleologisches Ziel, auf einer zweiten Stufe durch dem Wohnsitzstaat obliegende Maßnahmen die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dieser Gleichklang in der Auslegung gilt auch in den Fällen, in denen etwa für Dividenden, Zinsen und/oder Lizenzgebühren aufgrund der abkommensrechtlichen Rückverweisungsklauseln (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 i.V. mit Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) nicht die entsprechenden speziellen, sondern die für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) maßgeblichen Verteilungsnomen Geltung haben. Gehören also abkommensrechtlich Dividenden, Zinsen und/oder Lizenzgebühren zu den ausländischen Betriebsstätteneinkünften (Rz. 16.326 ff., 16.358, 16.370), schlägt diese für die Verteilungsnormen maßgebliche Zuordnung auch auf die Vermeidungsnormen durch,2 so dass vorbehaltlich etwaiger Aktivitätsklauseln (Rz. 16.138) der Wohnsitzstaat grundsätzlich die Betriebsstättenfreistellung (Rz. 16.543 f.) zu gewähren hat. Im Übrigen gilt: Die Vermeidungsnormen enthalten einen dualen Einkünftebegriff. Er ist im Sinne eines Nettobetrages zu verstehen, soweit die Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA angesprochen sind, und er ist ein Bruttobetrag für die Anwendung bezüglich der Art. 10 bis 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA.3 Hierdurch wird zugleich die Reichweite des § 3c Abs. 1 EStG geprägt, so dass im Ergebnis Ausgaben im Zusammenhang mit gem. Art. 23A OECD-MA steuerfreigestellten Nettoeinkünften unter keinen Umständen und Ausgaben im Zusammenhang mit von der Besteuerung auszunehmenden Bruttoeinnahmen nur dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesen stehen.4 Im Übrigen bestimmt sich die Höhe der von der Besteuerung auszunehmenden Brutto- oder Nettobeträge nach dem Recht des Wohnsitzstaates, weil die DBA hierzu

1 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, HFR 1982, 301; Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECDMA Rz. 32; Art. 23 OECD-MA Rz. 180 f.; Wagner in Haase, Art. 23A OECD-MA Rz. 8. 2 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 181; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 203; Wolff in FS Wassermeyer, München 2005, 647 ff.; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 ff.; M. Lang, SWI 2003, 319; Kleineidam, IStR 2004, 2 ff.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 160; Wassermeyer in Lüdicke (Hrsg.) Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 207 (210 f.); Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 81 ff.; Kluge in FS Wassermeyer, 663 ff.; offen gelassen von BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 3 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 4 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21 ff.

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Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

keine teleologische Orientierung bieten.1 Die vorstehenden Grundsätze gelten für die Freistellung von Vermögen entsprechend.2

16.532 Aus deutscher Sicht zählen zu den Einkünften nicht nur positive Einkünfte, sondern, soweit abkommensrechtlich Nettobeträge erfasst werden, auch Verluste.3 Soweit die Vermeidungsnormen anordnen, Einkünfte seien von der Besteuerung auszunehmen, folgt hieraus abkommensrechtlich aber nicht ohne weiteres eine Nichtberücksichtigung von Verlusten.4 Ob diese berücksichtigt werden, ist vielmehr Sache des jeweiligen nationalen Rechts.5 Das deutsche Steuerrecht enthält zwar diesbezüglich kein ausdrückliches Verlustberücksichtigungsverbot, den früheren Regelungen in § 2 AIG und § 2a Abs. 3 EStG lässt sich aber entnehmen, dass der Gesetzgeber von der Konzeption ausgeht, dass der Freistellung von positiven Einkünften die Nichtberücksichtigung von Verlusten entspricht (sog. Symmetriethese).6 Im Hinblick darauf bleiben ausländische negative Einkünfte, abgesehen von einem etwaigen negativen Progressionsvorbehalt, im Inland grundsätzlich unberücksichtigt.7 Das gilt allerdings für ausländische Betriebsstättenverluste dann nicht, wenn diese in dem anderen Staat unter keinen Umständen berücksichtigt

1 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 2 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 66 ff., 72 f. 3 BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 8.3.1989 – X R 181/87, BStBl. II 1989, 541; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008. 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1733; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 22. 4 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 49; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 57; vgl. auch ÖVwGH v. 25.9.2001, IStR 2001, 754. 5 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 52; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 57; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 323. 6 So zuletzt noch BFH v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; vgl. auch Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 57. 7 Ständige Rechtsprechung: RFH v. 26.5.1935, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 18.1.2001 – I R 70/00, DB 2001, 2696; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. 2008, 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1733.

856

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

werden können, also endgültig sind (sog. finale Verluste).1 Die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gebieten in diesem Fall eine Berücksichtigung der Verluste trotz Freistellung,2 und zwar phasenverschoben3 zu dem Zeitpunkt, in dem die Verluste tatsächlich final geworden sind.4 Die vorstehenden Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Berücksichtigung von Fremdwährungsverlusten. Diese sind der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen, so dass sie bei Anwendung der Freistellungsmethode im Inland grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.5 Das gilt allerdings nicht für umrechnungsbedingte Währungsverluste aus der grenzüberschreitenden Rückführung des Dotationskapitals einer EU/EWR-Betriebsstätte auf das inländische Stammhaus, weil anderenfalls ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben wäre.6 Entsprechendes hat für Teilrückführungen von Dotationskapital und laufende (realisierte) Währungsverluste zu gelten, weil diese naturgemäß im Betriebsstättenstaat nicht entstehen können.7 Während die Nichtberücksichtigung von Verlusten etwa aus ausländischen Betriebsstätten im Bereich der Gewerbesteuer8 mit dem dort geltenden Territorialitätsprinzip (Rz. 8.1) vereinbar ist,9 führt die Nichtberücksichtigung von Verlusten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und gegebenenfalls zu einer Verletzung des Leis1 Nach BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918 ist auf die abstrakte Möglichkeit der Verlustnutzung im anderen Vertragsstaat abzustellen; ebenso Lamprecht, IStR 2008, 766 ff.; Gosch, BFH-PR 2009, 17; Schulz-Trieglaff, StuB 2009, 260 (263). 2 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008 I-3617; vgl. auch EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769 zu § 2a Abs. 3, 4 EStG aF. 3 Rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. 4 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1611: bei Aufgabe der ausländischen Betriebsstätte; Gosch, BFH-PR 2008, 491; de Weerth, IStR 2008, 405; Englisch, IStR 2008, 404; für phasengleiche Berücksichtigung von Brocke, DStR 2008, 2201 (2203); Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1672). 5 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/ NV 1997, 408; BFH v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.9; Looks in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 827 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 647 f.; a.A. Schröder/Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 125 ff.; Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1458 (1460 f.). 6 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. 7 De Weerth, IStR 2008, 226 f.; Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1670) (für Teilrückführungen); Zieher, IStR 2009, 261 ff.; a.A. Hruschka, IStR 2008, 499 ff. (für lfd. Betriebsstättenverluste); zu weiteren Einzelheiten Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (182 ff.). 8 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743; v. 10.7.1974 – I R 248/71, BStBl. II 1974, 752. 9 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 47; für eine Verlustberücksichtigung auch bei der Gewerbesteuer Schön, IStR 2004, 289 (294).

857

16.533

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) tungsfähigkeitsprinzips. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn infolge dieses Verlustausgleichsverbots im Inland Einkünfte zu versteuern sind, die in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht angefallen sind. In diesen Fällen führt die Nichtberücksichtigung von ausländischen Verlusten zu einer Besteuerung fiktiver Einkünfte.1 Die Nichtberücksichtigung ausländischer Verluste, die letztlich auf der Auslegung des in den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen verwendeten Einkünftebegriffs nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts2 und zudem auf der Befürchtung einer doppelten Verlustberücksichtigung in beiden Vertragsstaaten3 beruht, führt zu einer Übermaßbesteuerung, wenn die Gesamtsteuerbelastung hierdurch höher ist als bei Anwendung der Anrechnungsmethode.4 Das Höchstmaß der an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung wird nämlich durch das Welteinkommensprinzip (Rz. 5.53 ff.) unter Einbeziehung der Steueranrechnung gesetzt. Von dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung darf zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nicht abgewichen werden mit der Folge, dass ausländische Verluste in gleicher Weise wie inländische Verluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Hiervon darf nur abgewichen werden, um eine doppelte Berücksichtigung von Verlusten zu vermeiden. Diese Gleichstellung mit inländischen Verlusten gebieten auch die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Im Hinblick darauf ist de lege ferenda eine Erweiterung des § 2a Abs. 3 EStG auf alle Fälle der abkommensrechtlichen Freistellung5 oder aber eine Option zur Steueranrechnung6 geboten. Im Übrigen kommt in Ausrichtung an das auch bei Anwendung von DBA maßgebliche Leistungsfähigkeitsprinzip ein Erlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) in Betracht.

3. Progressionsvorbehalt

16.534 Die abkommensrechtliche Steuerbefreiung der Einkünfte hat auch Auswirkungen auf den Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt führt dazu, dass die nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzeinkommens als steuerpflichtig zu behandeln sind.7 Das gilt unabhängig davon, ob die Steuerbefreiung bereits unmittelbar durch eine Verteilungsnorm oder erst durch Art. 23A OECD-MA als Vermeidungsnorm angeordnet wird.8

1 Vogel in FS Friauf, 825 (830). 2 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 49; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECDMA Rz. 57; Krabbe, DStJG (1985), 79 (82). 3 So der Hinweis von Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 57. 4 Schaumburg in FS Tipke, 125 (151). 5 Vgl. auch Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (180). 6 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 59. 7 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.11.1991 – I R 3/91, BStBl. II 1992, 345; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 121. 8 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 209; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; OECD-MK zu Art. 23A OECD-MA Rz. 55.

858

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

Soweit abkommensrechtliche Vermeidungsnormen die Steuerfreistellung nicht unter Progressionsvorbehalt stellen, dürfen die entsprechenden ausländischen Einkünfte gleichwohl zwecks Anwendung eines höheren Steuersatzes in das im Inland zu versteuernde Einkommen einbezogen werden, weil die Steuerbefreiung sich nur auf die Einkünfte oder das Einkommen, nicht aber auf das Steuersatzeinkommen bezieht, aufgrund dessen ausschließlich die nicht steuerbefreiten Einkünfte höher belastet werden.1 Im Hinblick darauf ist ein nach nationalem Recht vorgesehener Progressionsvorbehalt2 auch dann wirksam, wenn dieser abkommensrechtlich nicht vorgesehen ist.3

16.535

Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt hat nur eine begrenzte Reichweite: Er gilt nur für die Einkommensteuer und somit zugleich auch für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.4 Im Falle einer Organschaft kommt er ebenfalls zur Anwendung, soweit die abkommenrechtlich freigestellten Einkünfte der Organgesellschaft aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages letztlich bei einer natürlichen Person steuerlich zu erfassen sind.5 Ihm unterliegen dagegen nicht solche freigestellten Einkommensteile und Vermögenswerte, die im Wohnsitzstaat ohnehin nicht steuerbar sind.6 Er gilt ferner nicht in den Fällen, in denen Einkünfte nicht nur abkommensrechtlich, sondern zugleich auch nach nationalem Recht steuerbefreit sind.7 Schließlich wird der Progressionsvorbehalt für bestimmte abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte aus EU-/ EWR-Staaten suspendiert (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). Dagegen kommt der Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG auch dann in Betracht, wenn Deutschland Quellenstaat ist. Dass insoweit abkommens-

16.536

1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 213, 40; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; anders noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402. 2 § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG; unionsrechtlich unbedenklich; vgl. BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660. 3 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; anders noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402; dieser Streit hat wenig praktische Bedeutung, weil alle deutschen DBA einen Progressionsvorbehalt vorsehen; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 227. 4 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 237; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 124; zur Erbschaftsteuer vgl. den Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG. 5 § 32b Abs. 1a EStG; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 124; Probst in H/H/R, § 32b EStG Rz. 105 ff. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122. 7 Z.B. im Falle der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 6 EStG; BFH v. 22.1.1997 – I R 152/94, BStBl. II 1997, 358; v. 15.12.1999 – I R 80/98, BFH/NV 2000, 832; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122.

859

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

rechtlich der Progressionsvorbehalt nur bei Freistellung durch den Ansässigkeitsstaat vorgesehen ist, spielt keine Rolle.1

16.537 Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt sieht die Einbeziehung der Einkünfte und Vermögenswerte in die Bemessungsgrundlage für Zwecke der Steuerfestsetzung vor. Aus deutscher Sicht2 gehören zu den Einkünften auch negative Einkünfte (Verluste), soweit abkommensrechtlich Nettobeträge erfasst werden (Rz. 16.531). Hieraus folgt, dass die Einbeziehung ausländischer Verluste, die sich im Rahmen freigestellter Einkunftsarten ergeben, für die übrigen inländischen positiven Einkünfte zu einem ermäßigten Steuersatz führt. Dieser negative Progressionsvorbehalt kann zu einer Absenkung des Steuersatzes bis auf Null führen.3 Darüber hinaus ist eine Berücksichtigung im Rahmen eines Verlustrückoder -vortrags nicht möglich.4 Soweit lediglich Einnahmen im Sinne von Bruttobeträgen von der Reichweite der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode erfasst werden (Rz. 16.531), ist ein negativer Progressionsvorbehalt denklogisch von vorneherein ausgeschlossen.5

16.538 Da der negative Progressionsvorbehalt weder abkommensrechtlich noch gem. § 32b EStG davon abhängig ist, ob die entsprechenden Verluste im Quellenstaat steuerliche Berücksichtigung finden oder nicht, kann es im Ergebnis zu einer doppelten Verlustverrechnung dadurch kommen, dass die ausländischen Verluste im Quellenstaat im Rahmen eines Verlustrück- oder -vortrages und im Wohnsitzstaat im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.6

16.539 Auf dem Gebiet der Einkommensteuer, für die der Progressionsvorbehalt besondere Bedeutung hat,7 wird die Reichweite des negativen Progressionsvorbehaltes allerdings durch § 2a Abs. 1 und 2 EStG eingeschränkt. § 2a Abs. 1 und 2 EStG begründet für bestimmte ausländische Verluste ein partielles Verlustausgleichsverbot mit positiven inländischen Ein1 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; Wagner in Haase, Art. 23A OECD-MA Rz. 36; OECD-MK zu Art. 23A Rz. 56; a.A. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 41, 234; BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 2 Die Auslegung nach nationalem Recht ist mangels Abkommensdefinition und mangels Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA geboten; vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 3 BFH v. 25.5.1970 – I R 109/68, BStBl. II 1970, 660; Vogel in V/L5, Art. 23 OECDMA Rz. 223; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 123a. 4 Begründung: Vereinfachende Hinzurechnungsmethode gem. § 32b Abs. 2 EStG; vgl. hierzu R 32b EStR 2008. 5 Es gibt keine negativen Einnahmen. 6 Kritisch hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 223; Hellwig, DB 1989, 1364 f. 7 Körperschaft- und Gewerbesteuer haben demgegenüber keine progressiv ausgestalteten Steuersätze; der für die Erbschaftsteuer gem. § 19 Abs. 2 ErbStG vorgesehene Progressionsvorbehalt wird durch DBA nicht eingeschränkt; hierzu Jülicher in T/G/J, § 19 ErbStG Rz. 18.

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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

künften. Soweit die Verluste danach nicht ausgeglichen werden dürfen, mindern sie die positiven ausländischen Einkünfte jeweils derselben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Gesetzestechnisch führt die Anwendung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG dazu, dass die dort näher bezeichneten ausländischen Verluste bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 EStG) unberücksichtigt bleiben. Da das zu versteuernde Einkommen aber nicht nur Steuerbemessungsgrundlage, sondern auch Bemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes (Steuersatz-Einkommen) ist, wirkt sich § 2a Abs. 1 und 2 EStG auch auf § 32b EStG aus, der ebenfalls auf das Steuersatzeinkommen abstellt. Dies hat zur Folge, dass § 2a Abs. 1 und 2 EStG für die dort näher bezeichneten ausländischen Verluste den negativen Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausschließt.1 Diese Einschränkung gilt auch für den abkommensrechtlichen Progressionsvorbehalt,2 da dieser im Kern lediglich darauf abzielt, für die nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte partiell die deutsche Steuerpflicht dahingehend aufrechtzuerhalten, dass diese Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzeinkommens als steuerpflichtig zu behandeln sind.3 Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatzeinkommens beruht somit auf deutschem Einkommensteuerrecht, das der Gesetzgeber insoweit, ohne abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen zu unterliegen, jederzeit ändern kann.4 Die vorstehenden Grundsätze gelten im Kern nur für negative Einkünfte aus Drittstaaten, da sich hierauf im Wesentlichen der Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG beschränkt (Rz. 5.69 ff.). Um jedoch auch für negative Einkünfte aus dem EU-/EWR-Bereich den (negativen) Progressionsvorbehalt auszuschließen, enthält § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG einen entsprechenden Ausnahmekatalog.5 Neben § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sieht auch § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht und § 2 Abs. 5 AStG bei erweitert beschränkter Steuerpflicht einen Progressionsvorbehalt vor. Dieser Progressionsvorbehalt betrifft Deutschland als Quellenstaat, für den abkommensrechtlich ein Progressionsvorbehalt zwar nicht vorgesehen, aber 1 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 176/87, BFH/NV 1991, 820; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 13.11.2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; v. 31.3.2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004. 742. 2 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 239; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122. 3 BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 4 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; Gosch in Kirchhof9, § 2a EStG Rz. 48. 5 Die Suspendierung des (negativen) Progressionsvorbehaltes dient der Eingrenzung der fiskalischen Auswirkungen der durch den EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647 veranlassten Änderung des § 2a EStG; hierzu Rz. 5.77.

861

16.540

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

auch nicht untersagt ist. Im Hinblick darauf ist der in § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG1 und § 2 Abs. 5 AStG vorgesehene Progressionsvorbehalt wirksam.2 4. Aufwandsabzug

16.541 Soweit aufgrund der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung Einkünfte als Nettobeträge3 von der inländischen Besteuerung ausgenommen sind, folgt hieraus ohne weiteres ein Abzugsverbot weitergehender Aufwendungen im Inland. Welche Aufwendungen von der Reichweite der abkommensrechtlichen Freistellung der (Netto-)Einkünfte erfasst werden, ergibt sich indessen nicht stets unmittelbar aus den DBA, so dass insoweit in Anlehnung an § 3c Abs. 1 EStG nur solche Aufwendungen in das Abzugsverbot einzubeziehen sind, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den entsprechenden Einnahmen stehen.4 Werden dagegen Einkünfte als Bruttobeträge5 von der inländischen Besteuerung ausgenommen, unterliegen in direkter Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG nur die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den (steuerfreien) Einnahmen angefallenen Betriebsausgaben und Werbungskosten einem inländischen Abzugsverbot.6 Hieraus folgt: Fallen keine steuerfreien Einnahmen an, können, soweit die Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind, Betriebsausgaben und Werbungskosten abgezogen werden.7 Indessen gelten für den wichtigsten Fall des Abzugs von Zinsen für Schulden, die zum Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft aufgenommen worden sind, im Zusammenhang mit dem Teileinkünfteverfahren § 3c Abs. 2 EStG und im Übrigen im Rahmen der Abgeltungsteuer § 32d EStG sowie für den Bereich der Körper1 Zu den verfassungsrechtlichen Problemen dieser Vorschrift Lüdicke in FS Fischer, 731 (745 ff.); Lüdicke IStR 1999, 470 (471); Mössner, IStR 1997, 225 (228); die Verfassungsmäßigkeit wurde aber bejaht vom BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; Wassermeyer in F/W/B, § 2 AStG Rz. 117f–i; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, SonderNr. 1/2004, Rz. 2.0.2.1. 3 So bei den Einkünften i.S. der Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; ferner Rz. 16.531. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; Krabbe, DB 1994, 242 ff.; Krabbe, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 12 ff.; Ritter, BB 1994, 509 ff.; BMF v. 20.1.1997, DStR 1997, 115. 5 So bei den Einkünften i.S. der Art. 10, 11, 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; ferner Rz. 16.531. 6 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 694; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); v. 7.11.2001 – I R 3/01, BStBl. II 2002, 865; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 7 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 694; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); v. 26.3.2002 – VI R 26/00, BStBl. II 2002, 823; v. 26.3.2002 – VI R 45/00, BStBl. II 2002, 827; v. 4.11.2003 – VI R 28/03, BFH/NV 2004, 928; v. 13.10.2003 – VI R 71/02, BStBl. II 2004, 890; v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BFH/NV 2009, 1696; v. 14.7.2009 – IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399.

862

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

schaftsteuer die Sonderregelung des § 8b Abs. 5 KStG, wonach 5 Prozent der Bruttodividende als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden (Rz. 15.166 ff.). Eine vergleichbare Sonderregelung enthält § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG für steuerfreie Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen. Darüber hinaus enthält § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ein erweitertes Abzugsverbot für Teilwertabschreibungen,1 obwohl die Anwendung der Freistellungsmethode auf Veräußerungsgewinne eine steuerwirksame Teilwertabschreibung beim laufenden Gewinn im Grundsatz nicht ausschließt.2 Unberücksichtigt bleiben grundsätzlich auch Währungsverluste, und zwar auch dann, wenn sie, was die Regel ist, auch im anderen Vertragsstaat steuerlich ohne Wirkung bleiben.3

16.542

5. Betriebsstättenfreistellung In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung von Betriebsstättengewinnen grundsätzlich durch Steuerfreistellung vermieden.4 Die Steuerfreistellung steht dabei unter Progressionsvorbehalt, der sich allerdings nur für die Einkommensteuer auswirkt (Rz. 16.536). In die Reichweite der Betriebsstättenfreistellung fallen auch Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, soweit die zugrunde liegenden Stammrechte tatsächlich der Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat zuzuordnen sind (Rz. 16.326 ff., 16.358, 16.370). Insoweit besteht ein Gleichlauf zwischen den Verteilungsnormen einerseits und Art. 23A OECD-MA als Vermeidungsnorm andererseits (Rz. 16.531).

16.543

Die Betriebsstättenfreistellung steht allerdings nicht selten unter Aktivitätsvorbehalt. Das bedeutet, dass die Steuerfreistellung nur dann gewährt wird, wenn die Einkünfte aus aktiven Tätigkeiten der Betriebsstätte stammen. Ist das nicht der Fall, wird anstelle der Steuerfreistellung abkommensrechtlich lediglich die Steueranrechnung gewährt. Die im Abkommensrecht verankerten diesbezüglichen Aktivitätsklauseln enthalten entweder einen eigenständigen Aktivitätskatalog oder verweisen auf den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG.5 Neben diesen bilateralen Aktivitäts-

16.544

1 Ferner Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Darlehensforderungen und aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten gem. § 8b Abs. 3 Satz 4–7 KStG. 2 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 28. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 29; dort auch zur fehlenden Berücksichtigung von Währungsgewinnen; vgl. allerdings zu Währungsverlusten bei Rückführung von Dotationskapital im EU-/EWR-Bereich EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129; zur entsprechenden Anwendung dieser Entscheidung auf Währungsverluste bei Veräußerungsgewinnen Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (182); Korn, IStR 2007, 890 (893). 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 5 Vgl. hierzu den Überblick über die verschiedenen Aktivitätsklauseln (sieben Grundtypen) bei Wassermeyer in D/W, Anl. zu Art. 23A/B OECD-MA.

863

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

klauseln hat auch die unilaterale Aktivitätsklausel des § 20 Abs. 2 AStG besondere Bedeutung: Werden in einer ausländischen Betriebsstätte niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb1 erzielt, so wird die Doppelbesteuerung nicht durch die abkommensrechtlich eigentlich vorgesehene Steuerfreistellung, sondern durch Steueranrechnung vermieden.2 Dieser Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar europarechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden,3 wegen der Bezugnahme auf die §§ 7 ff. AStG ist es aber im Hinblick auf die Grundfreiheiten (Rz. 4.23 ff.) geboten, auch § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 10.133 ff.) anzuwenden.4 § 20 Abs. 2 AStG wid somit suspendiert, wenn in der ausländischen Betriebsstätte eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.5 Weitere Einschränkungen der Betriebsstättenfreistellung ergeben sich durch bilaterale und unilaterale subject-to-tax-Klauseln (Rz. 16.141). 6. Internationales Schachtelprivileg

16.545 Neben der Freistellung von Betriebsstätteneinkünften (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) und Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 Abs. 1 OECD-MA) ist in der Abkommenspraxis das für Dividenden geltende internationale Schachtelprivileg ein weiterer Anwendungsfall der Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat.6 Fast alle deutschen DBA gewähren ein derartiges internationales Schachtelprivileg.7 Das internationale Schachtelprivileg, das für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer gilt, dient der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung bei einem internationalen mehrstufigen Konzernaufbau. Eine körperschaftsteuerliche Mehrfachbelastung entsteht dadurch, dass der Gewinn grenzüberschreitend sowohl auf der Stufe der Muttergesellschaft und nach Ausschüttung sodann auf der Stufe der Tochtergesellschaft der Körperschaftsteuer unterworfen wird.

16.546 Diese Mehrfachbelastung wird allerdings bereits nach nationalem Recht gem. § 8b Abs. 1 KStG verhindert. Im Hinblick darauf hat das abkommensrechtlich verankerte internationale Schachtelprivileg nur insoweit Bedeutung, als dieses weiter reicht als die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG (Rz. 15.153). Das ist etwa in den Fällen gegeben, in denen von der Reichweite des Dividendenbegriffs auch Einnahmen aus stiller Beteiligung erfasst werden (Rz. 16.333). Da sich die abkommensrecht1 § 8 Abs. 1 und 3 AStG; hierzu Rz. 10.72 ff., 10.142 ff. 2 Zu diesem erlaubten treaty-overriding vgl. Rz. 16.518. 3 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 4 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2010, 149; vgl. auch Rz. 16.153. 5 Durch das JStG 2010 soll § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG dahingehend geändert werden, dass der switch-over nicht gilt, wenn in der ausländischen Betriebsstätte passive Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG erzielt werden. 6 Hierzu Schäfer in Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, 29 ff. 7 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90.

864

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

liche Freistellung auf die Einnahmen bezieht, spielt die 5 Prozent-Klausel des § 8b Abs. 5 KStG (sog. Schachtelstrafe) für die Frage, ob das internationale Schachtelprivileg über § 8b Abs. 1 KStG hinausreicht, keine Rolle. Soweit also das internationale Schachtelprivileg mit der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 StG deckungsgleich ist, kommt im Ergebnis nicht § 3c Abs. 1 EStG, sondern § 8b Abs. 5 KStG zur Anwendung.1 Darüber hinaus gewährt auch § 9 Nr. 7 GewStG ein als Kürzung ausgestaltetes Schachtelprivileg, das im Gegensatz zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg auch für natürliche Personen und Personengesellschaften zur Anwendung kommt (Rz. 15.221). Das in den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen verankerte internationale Schachtelprivileg korrespondiert regelmäßig mit einer Reduktion der Quellensteuer auf Schachteldividenden.2 In diesen Fällen verbleibt somit eine Mehrfachbelastung allenfalls in Höhe des ermäßigten Quellensteuersatzes. Das internationale Schachtelprivileg setzt abkommensrechtlich zumeist eine Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft i.H. von 10, 15, 20 oder 25 Prozent voraus.3

16.547

Für die Berechnung der Mindestbeteiligung wird entweder auf Anteile am Kapital oder auf stimmberechtigte Anteile,4 die eine unmittelbare Beteiligung5 an der Kapitalgesellschaft vermitteln, abgestellt. Eine Mindestbesitzdauer wird nicht verlangt. Das bedeutet, dass die Mindestbeteiligungsquote zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nach dem Recht des jeweiligen Quellenstaates erfüllt sein muss.6

16.548

Obwohl das internationale Schachtelprivileg nach dem Wortlaut der einschlägigen abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen nur für Ausschüttungen an Kapitalgesellschaften in Betracht kommt, wird es seitens der Finanzverwaltung allen unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes gewährt.7

16.549

1 Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 85a; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 226; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 125; Gosch in FS Herzig, 63 (86 f.); a.A. Hageböke, IStR 2009, 473 ff.; Lorenz, IStR 2009, 437 (444). 2 Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA (5 Prozent statt 15 Prozent); keine Quellensteuer bei Ausschüttungen an EU-Muttergesellschaften gem. § 43 EStG. 3 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 4 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 97. 5 Auch eine Beteiligung über eine zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaft ist schädlich; vgl. Rz. 16.350 f.; anders gem. § 8b Abs. 6 KStG. 6 BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 55. 7 Hierzu Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 85; Ausnahme: Stiftungen, deren Zuwendungen bei den Destinatären nicht der Besteuerung unterliegen; vgl. BMF v. 12.5.1989, RIW 1989, 501; Vfg. OFD Frankfurt v. 1.11.1994, DB 1994, 2591.

865

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

16.550 In der deutschen Vertragspraxis greift das internationale Schachtelprivileg grundsätzlich ohne Rücksicht darauf ein, ob die Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft oder die diesbezüglichen Ausschüttungen im Quellenstaat einer Besteuerung unterliegen.1 Einschränkungen ergeben sich aufgrund von Aktivitätsvorbehalten, die die meisten neueren deutschen DBA enthalten.2 Werden die Voraussetzungen des jeweiligen Aktivitätsvorbehaltes nicht erfüllt, unterliegen die Dividenden uneingeschränkt der deutschen Körperschaftsteuer, soweit nicht die nicht unter Aktivitätsvorbehalt gestellte Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG eingreift. Ist ausnahmsweise die Körperschaftsteuerpflicht der Dividende gegeben, kann die im anderen Vertragsstaat erhobene Quellensteuer angerechnet (Art. 23A Abs. 2 OECD-MA) oder aber vom Gesamtbetrag der Einkünfte der deutschen Muttergesellschaft abgezogen werden (§ 34c Abs. 2 EStG, § 26 Abs. 6 KStG).

16.551 Werden die aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs freigestellten Schachteldividenden im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) von der Organgesellschaft dem vorgeschalteten Organträger zugerechnet, so kann dieser gem. § 15 Satz 2 KStG im Rahmen der anzuwendenden sog. Bruttomethode diese Steuerbefreiung im Ergebnis nur in Anspruch nehmen, wenn ihm bei unmittelbarer Beteiligung an der ausschüttenden ausländischen Kapitalgesellschaft diese selbst zustände.3 Ist Organträgerin eine Personengesellschaft, kann daher das internationale Schachtelprivileg nur insoweit beansprucht werden, als Körperschaften beteiligt sind.

III. Steueranrechnung 1. Grundsätze

16.552 Neben der Steuerfreistellung sehen die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen als weitere Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Steueranrechnung vor (Art. 23A Abs. 2 und Art. 23B Abs. 1 OECD-MA). Ebenso wie die Steuerfreistellung ist auch die Steueranrechnung nur vom Wohnsitzstaat vorzunehmen. In der internationalen Abkommenspraxis ist die Steueranrechnung originär vorgesehen insbesondere für Dividenden, Zinsen und Lizenzen.4 Darüber hinaus ist die Steueranrechnung die subsidiäre Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der an sich vorgesehenen Freistellungsmethode nicht erfüllt sind. Ein derartiger Methodenwechsel ist vorgesehen bei Nichterfüllung von Aktivitätsklauseln5 für Betriebsstätteneinkünfte (Rz. 16.544) und Schachteldividenden 1 2 3 4 5

Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung. Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. Zu Einzelheiten Neumann in Gosch2, § 15 KStG Rz. 30 ff. Hierzu die Übersicht bei Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 217. Hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 74 ff.; ferner Rz. 16.138.

866

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

(Rz. 16.550), bei Rückfallklauseln (subject-to-tax-Klauseln),1 in denen die Steuerfreistellung in dem einen Staat unter den Vorbehalt der tatsächlichen Besteuerung in dem anderen Staat gestellt werden, bei bilateralen und unilateralen switch-over-Klauseln,2 insbesondere in Fällen der Minder- oder Nichtbesteuerung durch Qualifikations- oder Zurechnungskonflikte und durch Abkommensmissbrauch (Rz. 16.140) und nach Maßgabe des Art. 23A Abs. 4 OECD-MA zwecks Vermeidung einer doppelten Nichtversteuerung bei Meinungsverschiedenheiten der Vertragsstaaten über die Anwendung des Abkommens.3 Die bilaterale Steueranrechnung geht zwar der in § 34c EStG und § 26 KStG verankerten unilateralen Steueranrechnung vor (§ 34c Abs. 6 Satz 1 EStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG), die Anrechnungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts bleiben aber anwendbar, soweit abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung nicht beseitigt wird4 oder aber nicht alle Steuern des anderen Staates einbezogen sind.5 In diesen Fällen eröffnet sich die Möglichkeit der Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG oder aber alternativ des Steuerabzuges gem. § 34c Abs. 2 EStG.6 Anstelle der bilateralen Steueranrechnung kann zudem stets die unilaterale Abzugsmethode (§ 34c Abs. 2 EStG) angewendet werden.7 Da schließlich die DBA die technischen Einzelheiten der Steueranrechnung nicht selbst regeln, gelten diesbezüglich ebenfalls die Regeln des nationalen Rechts.8 2. Anrechenbare Steuern Anrechenbar sind nur jene Steuern, die als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unter die DBA fallen. Aus deutscher Sicht gehören hierzu die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.9

16.553

Obwohl abkommensrechtlich das Anrechnungsgebot auch die Gewerbesteuer erfasst,10 werden in der Anrechnungspraxis tatsächlich ausländische Steuern

16.554

1 Hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 156 ff.; ferner Rz. 16.141. 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 136; unilateral: § 20 Abs. 2 AStG; § 50d Abs. 9 EStG. 3 Die Steueranrechnung als Rechtsfolge ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 23A Abs. 4 OECD-MA, aber aus einer analogen Anwendung des Art. 23A Abs. 2 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 143. 4 Das gilt nicht, wenn im anderen Staat lediglich bestimmte Fristen für eine Steuerermäßigung nicht eingehalten wurden; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580. 5 So etwa die von den Gliedstaaten erhobenen Einkommensteuern. 6 § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG; § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG. 7 § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG; das gilt nicht bei Anrechnung fiktiver Steuern. 8 Vgl. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG; umfassend zum Verhältnis zu § 34c EStG Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 206 ff. 9 Hierzu die Übersicht bei Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 217. 10 Ausnahme: Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz.

867

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht auf die Gewerbesteuer angerechnet. Für diese Anrechnung enthält das Gewerbesteuergesetz auch keine entsprechenden Regelungen. Angesichts der Höhe der Einkommen- und Körperschaftsteuer mag die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer in der Vergangenheit keine große Bedeutung erlangt haben, angesichts der insbesondere derzeit bestehenden Körperschaftsteuerbelastung sind Anrechnungsüberhänge nicht selten. In diesen Fällen ist eine Anrechnung auch auf die deutsche Gewerbesteuer geboten, weil nur so dem teleologischen Ziel der DBA – Vermeidung der Doppelbesteuerung – entsprochen werden kann. Da das Gewerbesteuergesetz keine spezifischen Anrechnungsregeln enthält, ist § 34c EStG, § 26 KStG analog anzuwenden.1

16.555 Anrechenbar sind diese Steuern allerdings nur, soweit sie auf Einkünfte erhoben werden, die nach den abkommensrechtlichen Verteilungsnormen im Quellenstaat besteuert werden können, wobei die Anrechnungsverpflichtung des Wohnsitzstaates nicht über die Steuerbefugnis des Quellenstaates hinausgeht.2

16.556 Da die Begriffe Einkünfte und Vermögen abkommensrechtlich nicht definiert sind, gilt insoweit das jeweilige nationale Recht des Wohnsitzstaates, soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergibt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Das ist hier der Fall: Die für die Steueranrechnung maßgeblichen Vermeidungsnormen der DBA knüpfen hinsichtlich der Begriffe Einkünfte und Vermögen an die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen an,3 so dass diese teils Nettobeträge (Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA) und teils Bruttobeträge (Art. 10 bis 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA) sind.4 Dieser duale Einkünfte- und Vermögensbegriff hat allerdings eine begrenzte Reichweite, weil der Wohnsitzstaat nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts entweder die Einkünfte im Sinne von Netto- oder Bruttoerträgen versteuern darf.5 Da in Deutschland grundsätzlich das Nettoprinzip (Rz. 5.69) gilt, kann aufgrund der auch für die bilaterale Steueranrechnung geltenden Höchst1 Für eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer im Falle von Anrechnungsüberhängen Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 129; Lechner, SWI 1991, 68 (71 ff.); Heurung/Seidel, IWB 2009, Gr. 5, F. 3, 687 ff.; zweifelnd Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 104. 2 Anrechnung also nur bis zur Höhe etwa der gem. Art. 10 Abs. 2 Satz 1; 11 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA vorgesehenen Quellensteuern; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 42; in Konfliktfällen ist ein Verständigungsverfahren geboten; für besondere abkommensrechtliche Quellenregeln, um sicherzustellen, dass die Anrechnung nicht daran scheitert, dass die Einkünfte nach den ergänzend heranzuziehenden innerstaatlichen Anrechungsvorschriften des Ansässigkeitsstaates als nicht aus dem anderen Vertragsstaat stammend angesehen werden, Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 102 ff. 3 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 17; zu den Gründen hierzu Rz. 16.531. 4 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); zu Einzelheiten Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 17. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 17.

868

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

betragsberechnung eine Doppelbesteuerung dann nicht vermieden werden, wenn die auf Bruttobasis erhobene ausländische Steuer die inländische Steuer übersteigt (Rz. 15.121). Anrechnungsberechtigt ist zwar grundsätzlich der Schuldner der ausländischen Steuer, wegen der unterschiedlichen Steuersysteme wird indessen auf eine strenge Subjektsidentität in der internationalen Abkommenspraxis verzichtet (zur Subjektsidentität Rz. 12.4).

16.557

Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen sehen lediglich eine beschränkte Anrechnung vor, so dass die anrechenbare ausländische Steuer auf die Höhe der entsprechenden anteiligen Inlandssteuer begrenzt ist (Art. 23A Abs. 2 Satz 2 und Art. 23B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Hiernach berechnet sich der für die Steuern vom Einkommen maßgebliche Höchstbetrag nach der folgenden Formel:1

16.558

Hochstbetrag ¼ ¨

Steuer des Wohnsitzstaates vor Anrechnung  Einkunfte im Quellenstaat ¨ Einkommen nach dem Recht des Wohnsitzstaates

Da diese Höchstbetragsformel die Spezifikation des deutschen Steuerrechts unberücksichtigt lässt, ist ergänzend § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG heranzuziehen, so dass im Ergebnis auf die dort verankerte Höchstbetragsformel (Rz. 15.111) abzustellen ist.2 Die Steuer des Wohnsitzstaates vor Anrechnung ist ausschließlich nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Wohnsitzstaates zu berechnen, wobei ausländische Einkünfte einzubeziehen sind, soweit das inländische Recht dies vorsieht. Im Hinblick darauf bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte aus dem Quellenstaat in Anwendung des § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG die nach dortigem Recht nicht besteuerten Einkünfte außer Betracht (Rz. 15.111). Die Einkünfte im Quellenstaat sind ihrer Höhe nach ebenfalls nach Maßgabe des innerstaatlichen Steuerrechts des Wohnsitzstaates zu ermitteln3 und sodann dem Welteinkommen (Summe der Einkünfte) gegenüberzustellen. In Übereinstimmung mit dem Abkommensrecht gilt hierbei aus deutscher Sicht das Nettoeinkommen bzw. Nettovermögen,4 wobei für Zwecke der Höchstbetragsberechnung bei den ausländischen Einkünften in Anlehnung an § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG diejenigen Kosten berücksichtigungsfähig sind, die mit den Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Rz. 15.70 ff.).

16.559

Der Ansatz des Nettoeinkommens (Summe der Einkünfte) für Zwecke der Höchstbetragsberechnung ist nur dann plausibel, wenn im Quellenstaat die Steuer ebenfalls auf Nettobasis erhoben wird. Indessen ist das Nettoprinzip

16.560

1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 125. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 107. 3 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 17, 18. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 23B OECD-MA Rz. 17.

869

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) insbesondere bei der Besteuerung von Steuerausländern nicht durchgängig verwirklicht. So werden in der internationalen Besteuerungspraxis Quellensteuern insbesondere von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren auf Bruttobasis erhoben.1 Dieser Systembruch ergibt sich nicht nur aus dem jeweiligen nationalen Recht, sondern auch aus den DBA selbst, weil diese dem Quellenstaat einerseits eine Besteuerung auf Bruttobasis zugestehen (Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 OECD-MA), für die Anrechnung im Wohnsitzstaat andererseits dagegen einen auf Nettobasis errechneten Höchstbetrag vorsehen. In diesen Fällen kann die Doppelbesteuerung nicht in vollem Umfange vermieden werden.

16.561 Im Rahmen der Höchstbetragsberechnung wird, soweit die Wohnsitzstaaten einen progressiven Steuertarif anwenden, der Durchschnittssteuersatz zugrunde gelegt. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die in- und ausländischen Teile des Welteinkommens bzw. Weltvermögens gleichermaßen mit Steuer belastet sind.2 In einigen deutschen DBA ist daher die Anwendung des Durchschnittssteuersatzes bei der Höchstbetragsberechnung ausdrücklich vorgesehen.3

16.562 Für die Berechnung des Höchstbetrages nach Abkommensrecht wird im Wohnsitzstaat insgesamt4 auf die Höhe der Einkünfte im jeweiligen Quellenstaat abgestellt.5 Diese per country limitation ist zwar für die bilaterale Vermeidung der Doppelbesteuerung konsequent, hierdurch ist aber dem Wohnsitzstaat nicht die Möglichkeit genommen, bei der Höchstbetragsberechnung nach nationalem Recht die overall limitation anzuwenden (Rz. 15.115).

16.563 Die Höchstbetragsberechnung bezieht sich zwar auf alle in den Verteilungsnormen genannten Einkunftsarten, für die das Anrechnungsverfahren vorgesehen ist,6 sie ist aber für jede unter das betreffende Abkommen fallende Steuer gesondert zu berechnen.7

16.564 Der Höchstbetrag stellt die Obergrenze dar, bis zu der die ausländische Steuer angerechnet werden kann. Die ausländische Steuer ist hierbei in die Währung des Wohnsitzstaates umzurechnen, wobei der Wechselkurs

1 In Deutschland ergibt sich dies aus der in § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG verankerten Abgeltungswirkung; zur Verfassungsmäßigkeit der Bruttobesteuerung im Einzelnen Rz. 5.108 ff. 2 BFH v. 7.12.1962 – VI 83/61 S, BStBl. III 1963, 123. 3 Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 4 Nicht getrennt nach Einkunftsarten im Sinne einer limitation per item of income. 5 Die anrechnungsfähigen Steuern der jeweils gleichen Art werden zusammengefasst; BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 153; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 103; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 245. 6 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 153. 7 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 153.

870

M. Vermeidung der Doppelbesteuerung

am Tag der Steuerzahlung zugrunde zu legen ist.1 Es ist nicht erforderlich, dass die anrechenbare Steuer des Quellenstaates für den gleichen Zeitraum festgesetzt und gezahlt worden ist wie die entsprechende Steuer im Wohnsitzstaat. Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen schreiben eine Zeitraumidentität in diesem Sinne nicht vor. Weichen etwa Steuerperiode, also der Zeitraum, für den die Steuer erhoben wird, und Bemessungsperiode, also der Zeitraum, der für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage maßgebend ist, im Quellenstaat voneinander ab, so ist diejenige Steuer des Quellenstaates anzurechnen, die für das Jahr erhoben wird, das dem Veranlagungszeitraum im Wohnsitzstaat entspricht.2 Ein Abstellen auf die mehr oder weniger zufällig identische Steuerperiode würde dagegen bei abweichender Bemessungsperiode eine Doppelbesteuerung schon im Ansatz nicht vermeiden können. Die Anrechnung liefe ins Leere, wenn der Steuer im Quellenstaat im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht entsprechende Einkünfte im Wohnsitzstaat gegenüberständen. Übersteigt die Steuer im Quellenstaat die entsprechende Steuer des Wohnsitzstaates, so entstehen Anrechnungsüberhänge, für die nach den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen keine weitere Berücksichtigung vorgesehen ist. Dies schließt indessen nicht aus, dass derartige Anrechnungsüberhänge im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder -rücktrags (carry forward, carry back) steuerlich zur Geltung gebracht werden können.3 Nach deutschem Steuerrecht können derartige Anrechnungsüberhänge unmittelbar steuerlich allerdings nicht berücksichtigt werden.4 Gemäß § 34c Abs. 2 EStG besteht lediglich die Möglichkeit, auf die Steueranrechnung insgesamt zu verzichten und stattdessen die ausländische Steuer von der Bemessungsgrundlage abzuziehen (Rz. 15.116 ff.).

16.565

3. Anrechnung fiktiver Steuern Die Anrechnungsmethode hat den wesentlichen Nachteil, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Rahmen der Anrechnung im Wohnsitzstaat kompensiert werden. Damit kommen derartige Steuervergünstigungen des Quellenstaates 1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 131; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 98; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der Internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), 30 ff.; hierzu kritisch Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, 399 f.; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, 121 ff. 2 BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 113; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 252. 3 So in wichtigen ausländischen Staaten, hierzu im Einzelnen Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (101). 4 Aus europarechtlichen Gründen ist eine Berücksichtigung indessen geboten; vgl. Schönfeld in F/W/B, Vor § 34c EStG Rz. 34; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 108; Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (74 ff.).

871

16.566

Kapitel 16 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

prinzipiell nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Fiskus des Wohnsitzstaates zugute. Um die Steueranreize des Quellenstaates aufrechtzuerhalten, wird in der internationalen Abkommenspraxis die Anrechnung fiktiver Steuern gewährt.1 Die Anrechnung fiktiver Steuern ist insbesondere in Abkommen mit Entwicklungsländern vorgesehen. Dies gilt auch für die deutsche Abkommenspraxis.2 Die Anrechnung erfolgt hierbei entweder in Höhe derjenigen Steuer, die sich nach dem Recht des Quellenstaates ohne Sonderermäßigung ergeben hätte (tax sparing credit)3 oder aber unabhängig von der Sonderermäßigung in Höhe eines bestimmten Betrages (matching credit).4 Nicht selten wird der matching credit in Höhe der Steuer des Wohnsitzstaates gewährt, so dass die Steueranrechnung insoweit letztlich die Wirkung einer Steuerfreistellung erlangt.5

16.567 In den Fällen, in denen keine inländischen Steuern gezahlt werden, geht die Anrechnung fiktiver Steuern ins Leere. Der hierfür auch in Abkommensfällen an sich vorgesehene alternative Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bleibt allerdings versagt (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG), so dass im Ergebnis nur die tatsächlich gezahlte Auslandssteuer abgezogen werden darf.6

Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 192. Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 194. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 195; zu Einzelheiten Tumpel in Gassner/ Lang/Lechner, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 61 ff.; Weidmann, Die Bank 1989, 539 ff.; Wagner, StBp. 1993, 108 ff.; Wagner, StBp. 1996, 298 (299 ff.); Depping, DStZ 1995, 294 ff. 5 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 196. 6 Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 263. 1 2 3 4

872

4. Teil Übergreifende Themen Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht A. Grundlagen Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Blumers, Die Europarechtswidrigkeit der Betriebsstättenzurechnung im Betriebsstättenerlass, DB 2006, 856; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Körner, Anmerkungen zum SEStEG-Entwurf vom 21.4.2006, IStR 2006, 469; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach den neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Pezzer, Bilanzierungsprinzipen als sachgerechte Maßstäbe der Besteuerung, DStJG 14 (1991), 3; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Grundsätze grenzüberschreitender Gewinnermittlung, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, 1; Schaumburg, Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung, StBJb 2008/2009, 193; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Schön/Schindler, Zur Besteuerung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft, IStR 2004, 571; Schönherr/Lemaitre, Der Entwurf des SEStEG: Geplante Änderungen im Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuergesetz, GmbHR 2006, 561; Schwenke, Europarechtliche Vorgaben und deren Umsetzung durch das SEStEG, DStZ 2007, 235; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil Hughes des Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613.

I. Begriffsbildung Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht zählen alle Normen des Umwandlungssteuerrechts, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen.1 Diese auslandsbezogenen Sachverhalte betreffen.2 1 Zum parallelen Begriff des Internationalen Steuerrechts Rz. 1.1 ff. 2 Hierzu der Überblick bei Schaumburg/Schumacher in Lutter, UmwG, Einl. II; Schaumburg in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1 ff.

873

17.1

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

– inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, also Umwandlungen inländischer Gesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern und/ oder mit Auslandsvermögen, – grenzüberschreitende Umwandlungen, hier insbesondere Hinaus- und Hereinverschmelzungen sowie Hinaus- und Hereinspaltungen, – ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug, also Umwandlungen ausländischer Gesellschaften mit inländischen Gesellschaftern und/ oder mit Inlandsvermögen.

17.2 Die Normen, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen, sind solche, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Entsprechend ihrer Zielsetzung sind sie, soweit sie der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, dem Doppelbesteuerungsrecht und im Übrigen dem Außensteuerrecht zuzuordnen (Rz. 1.4). Soweit die betreffenden Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts zum Doppelbesteuerungsrecht gehören, sind hier insbesondere die unilateralen und bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung angesprochen, wobei auf unilateraler Ebene die auf eine Steuerbefreiung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften gerichtete Vorschrift des § 8b Abs. 2 KStG und im Übrigen die für eine Anrechnung ausländischer Steuern maßgeblichen Normen des § 34c EStG und § 26 KStG im Vordergrund stehen. Auf bilateraler Ebene geht es insbesondere um die für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECDMA), Dividenden (Art. 10 OECD-MA) und Veräußerungsgewinne (Art. 13 OECD-MA) maßgeblichen Verteilungsnormen der DBA, die im Einzugsbereich des Internationalen Umwandlungssteuerrechts in besonderem Maße durch Qualifikationsprobleme (Rz. 16.79 ff.) geprägt sind.1 Zu den dem Außensteuerrecht zuzuordnenden Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts gehören vor allem die umwandlungsspezifischen Entstrickungsklauseln des § 12 Abs. 2 KStG und des UmwStG,2 die durchweg darauf gerichtet sind, eine inländische Besteuerung sicherzustellen.

II. Normengefüge 17.3 Die dem Außensteuerrecht zuzuordnenden Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts werden überwiegend von der Reichweite des UmwStG erfasst.3 Diese Normen beruhen weitgehend auf der Fusions-

1 Hierzu Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 ff. 2 Vgl. hierzu den Überblick bei Schaumburg in FS Herzig, 711 ff. 3 Daneben z.B. noch in § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG geregelt; hierzu Rz. 10.128 ff.

874

A. Grundlagen

richtlinie.1 Die (steuerliche) Fusionsrichtlinie ist durch das SEStEG2 mit Wirkung ab 2007 in nationales Recht umgesetzt worden: Erfasst werden die grenzüberschreitende und ausländische Verschmelzung, die Aufspaltung von Körperschaften, Personenhandelsgesellschaften oder Partnerschaftsgesellschaften, der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und umgekehrt, die Ausgliederung von Vermögensteilen, die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft, eine Genossenschaft oder Personengesellschaft sowie der Anteilstausch (§ 1 Abs. 1 und 3 UmwStG). Die vorgenannten Umwandlungen sind allerdings auf in EU- und EWR-Staaten ansässige Rechtsträger beschränkt (§ 1 Abs. 2 und 4 UmwStG). Drittstaatenumwandlungen werden abgesehen von den in § 13 UmwStG statuierten Rechtsfolgen vom UmwStG nicht erfasst. Eine partielle Regelung findet sich allerdings insoweit in § 12 Abs. 2 KStG. Dass der Gesetzgeber mit dem SEStEG nicht über die bloße Umsetzung der Fusionsrichtlinie hinausgegangen ist und damit den Schritt von der Europäisierung zur Internationalisierung des Umwandlungssteuerrechts nicht vollzogen hat,3 beruht letztlich darauf, dass derzeit für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen durchgehende handelsrechtliche Voraussetzungen fehlen.4 Die hiermit verbundenen Mobilitätsschranken sind insbesondere für international operierende Konzerne nachteilig, weil deren Strukturaufbau sich weitgehend an den Vorgaben des deutschen Gesellschafts- und Steuerrechts orientieren muss, ohne hierbei der Globalisierung der Geschäftstätigkeit Rechnung tragen zu können. Im Hinblick darauf bleibt das europäisierte deutsche Umwandlungssteuerrecht weit hinter den Erfordernissen der Praxis zurück, zumal steuerneutrale Umwandlungen nur ermöglicht werden, soweit umwandlungsbedingt kein Ausschluss oder keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfolgt.

17.4

Die Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG ist letztlich aber auch eine Reaktion auf verschiedene Entscheidungen des EuGH,5 auf

17.5

1 Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltung, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990); geändert durch Richtlinie 2005/19/EG zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG v. 17.2.2005, ABl. EG Nr. L 58, 19 ff. v. 4.3.2005; hierzu Rz. 3.61 ff. 2 SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782, berichtigt BGBl. I 2007, 68. 3 Dem ursprünglichen Referentenentwurf lag noch das Konzept der Internationalisierung bzw. Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts zugrunde. 4 Regelungen enthalten lediglich die Art. 2, 17 SE-VO, SCE-VO und die §§ 122a-122l UmwG. 5 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155; v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409; v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829; v. 7.9.2006 – Rs. C-479/04, – „N“, EuGHE 2006, I-7409; vgl. auch EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Sevic Systems, EuGHE 2005, I-10805.

875

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht Grund deren die bisherige Binnenorientierung des Umwandlungssteuerrechts nicht mehr aufrechterhalten bleiben konnte. Das gilt für die einseitige Ausrichtung an die inzwischen für den EU-/EWR-Bereich aufgegebene Sitztheorie (Rz. 6.47 f.) ebenso wie für die mittlerweile geänderte Entstrickungskonzeption (Rz. 5.345 ff.).

17.6 Bedeutsam ist im außensteuerrechtlichen Kontext schließlich auch § 12 Abs. 2 KStG, der im Falle einer ausländischen Verschmelzung, in deren Rahmen einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnende Wirtschaftsgüter auf einen anderen beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträger übergehen, Steuerneutralität gewährt, soweit das deutsche Besteuerungsrecht nicht beschränkt wird. Darüber hinaus ist in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG geregelt, dass ausländische Umwandlungsgewinne zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit zählen (Rz. 10.128 ff.).

17.7 Zu den dem Doppelbesteuerungsrecht zuzuordnenden Normen des internationalen Umwandlungssteuerrechts zählt insbesondere § 8b Abs. 2 KStG (Rz. 15.174 ff.), wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften unter den dort näher genannten Voraussetzungen (partiell) steuerfrei sind. Da von der Reichweite des § 8b Abs. 2 KStG auch der Tausch von Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften erfasst wird, entfaltet § 8b Abs. 2 KStG im Internationalen Umwandlungssteuerrecht ebenso wie § 12 Abs. 2 KStG seine eigentliche Bedeutung im Zusammenhang mit Drittstaatenumwandlungen, für die das UmwStG grundsätzlich nicht gilt.1

III. Dogmatische Grundlagen 1. Steuerliche Gewinnrealisierung

17.8 Natürliche Personen, Personengesellschaften2 sowie Kapitalgesellschaften3 haben ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sobald sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (Gewinn) zu ermitteln. Hierbei haben sie gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu beachten, zu denen in materieller Hinsicht das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB) zählt.

17.9 Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips4 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion 1 Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 56 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 4. 2 Als eigenständige Gewinnerzielungssubjekte. 3 In den folgenden Ausführungen stellvertretend für Körperschaften. 4 Ableitung aus § 252 Abs. 1 und 4 HGB.

876

A. Grundlagen

erfolgt, wenn also der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Der vorstehende Grundsatz gilt nicht nur für Einzeltransaktionen, also etwa für die Veräußerung einzelner zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter, sondern auch für Gesamttransaktionen, etwa für die Veräußerung von Unternehmen, Betrieben oder Teilbetrieben. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnahmen. Hierzu gehören insbesondere jene Normen, die auf die vollständige steuerliche Erfassung stiller Reserven gerichtet sind. Sie ermöglichen auch ohne Transaktion eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt, zu dem Wirtschaftsgüter, Betriebe oder Teilbetriebe aus der steuerlich relevanten Erwerbssphäre ausscheiden. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung1 verwirklichen insbesondere – Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 2; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG), – fiktive Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 KStG), – Betriebsaufgabe (§§ 14; 14a Abs. 3; 16 Abs. 3; 18 Abs. 3 EStG), – fiktive Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG), – Verlegung der Geschäftsleitung/Sitz ins Ausland (§ 12 Abs. 3 KStG), – Wechsel zur Steuerbefreiung (§ 13 Abs. 6 KStG), – Wegzug (§ 21 Abs. 2 UmwG a.F.;2 § 6 AStG; § 17 Abs. 5 EStG). Steuerspezifische Modifikationen des Realisierungsprinzips enthalten je- 17.10 ne Vorschriften, die, obwohl ein Gewinnrealisierungstatbestand gegeben ist, auf eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven verzichten. Es geht hierbei um Transaktionen, bei denen die Besteuerung der stillen Reserven durch eine Buchwertverknüpfung sichergestellt ist. Die dem Prinzip der Buchwertverknüpfung3 folgenden Normen betreffen – unentgeltliche Übertragungen (§ 6 Abs. 3 EStG), – Betriebsvermögenstransfers (§ 6 Abs. 5 EStG) und – Umwandlungen (UmwStG). Die (steuerneutrale) Umwandlung ohne Gewinnrealisierung steht durchweg unter Entstrickungsvorbehalt, so dass die Buchwertverknüpfung nur dann möglich ist, wenn die Besteuerung der transferierten stillen Reserven weiterhin uneingeschränkt gewährleistet bleibt. Diese Entstrickungsklauseln bewirken im Ergebnis eine Rückführung auf das grund-

1 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, 1 (2 ff.); Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (198 ff.). 2 Gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 UmwStG ist diese für einbringungsgeborene Anteile gültige Regelung auch nach Inkrafttreten des SEStEG weiterhin anzuwenden. 3 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 405.

877

17.11

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

legende Prinzip der steuerlichen Gewinnrealisierung.1 Zu diesen Normen zählen insbesondere die §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG.

17.12 Auf der Grundlage der im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz normierten Entstrickungskonzeption (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; § 12 Abs. 1 KStG; Rz. 5.345 ff., 6.28 ff.), wonach der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts betr. den Gewinn aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts als Entnahme bzw. Veräußerung desselben fingiert wird, steht im Umwandlungssteuergesetz die Buchwertverknüpfung für das im Rahmen der Umwandlung übertragene Vermögen ebenfalls unter Entstrickungsvorbehalt.2 Angesprochen sind insbesondere die Fälle grenzüberschreitender Umwandlungen. Eine umwandlungsbedingte Gewinnrealisierung setzt hierbei regelmäßig voraus, dass die auf den übernehmenden Rechtsträger im Zuge der Umwandlung übergehenden Wirtschaftsgüter einer zurückbleibenden deutschen Betriebsstätte derart zuzuordnen sind, dass etwaige Gewinne aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter uneingeschränkt der deutschen Besteuerung unterworfen bleiben.3 Sind die vorstehenden Voraussetzungen nicht erfüllt, erfolgt eine Gewinnrealisierung nach dem Grundsatz der Sofortbesteuerung. Das gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn eine Besteuerung nach Art. 8 oder 10d Fusionsrichtlinie unzulässig wäre. Angesprochen sind hierbei insbesondere die Hinausverschmelzung sowie die grenzüberschreitende Anteilseinbringung innerhalb der EU, die steuerneutral zu erfolgen hat, obwohl deutsches Besteuerungsrecht verloren geht bzw. eingeschränkt wird. In diesen Fällen wird eine spätere Gewinnrealisierung so besteuert, als ob die Verschmelzung oder die Einbringung nicht erfolgt wäre.4

17.13 Im Falle der Hereinverschmelzung oder vergleichbarer Vorgänge enthält das Umwandlungssteuergesetz keine der Entstrickung entsprechenden Verstrickungsregelungen. Insbesondere gibt es keine Vorschrift, die dem § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG entsprechen würde, wonach bei Begründung des deutschen Besteuerungsrechts die betreffenden Wirtschaftsgüter mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen sind. Damit gelten die für Inlandsumwandlungen maßgeblichen Regeln mit der Folge einer Bindung an die Wertansätze in der steuerlichen Übertragungsbilanz im Ausland.5 1 Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (199 f.); Schaumburg in FS Herzig, 711 (715 f.). 2 §§ 3 Abs. 2 Nr. 2; 11 Abs. 2 Nr. 2; 20 Abs. 2 Nr. 3; 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. 3 Eine „Zentralfunktion des Stammhauses“ stets annehmend die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4; kritisch hierzu Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746); Blumers, DB 2006, 856 (857 ff.). 4 § 13 Abs. 2 Nr. 2; 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG. 5 Vgl. Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 174; Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 106; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 43; Dötsch/ Pung, DB 2006, 2704 (2705); bei einer das deutsche Besteuerungsrecht begrün-

878

A. Grundlagen

2. Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips Das über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für das Steuerrecht rezipierte Realisa- 17.14 tionsprinzip beruht zwar auf dem handelsrechtlichen Normensystem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, es erfährt aber auch eine spezifisch steuerrechtliche Legitimation durch das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie durch das Übermaßverbot. Hiernach ist eine Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse grundsätzlich nicht gerechtfertigt: Steuerliche Leistungsfähigkeit setzt stets Liquidität für die Steuerzahlung voraus,1 und das Übermaßverbot2 gebietet eine vorsichtige Besteuerung, d.h. eine Besteuerung nur des liquiden Einkommens.3 Für den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich ergibt sich hieraus, dass nur fundiertes Vermögen, also nur im Bestand gefestigtes Vermögen, einbezogen wird. Die Gefahr falscher Bewertung nicht realisierten Vermögenszuwachses wird hierdurch vermieden.4 Das Realisationsprinzip harmoniert ebenso wie das Imparitätsprinzip im Übrigen auch mit dem Markteinkommenskonzept, wonach grundsätzlich nur das erwirtschaftete, am Markt realisierte Einkommen der Besteuerung zugeführt wird.5 Im Ergebnis wird damit eine Besteuerung frei von Substanzsteuereffekten gewährleistet. 3. Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips Eine Besteuerung trotz Gewinnrealisierung unterbleibt dann, wenn ausnahmsweise kein am Markt erwirtschaftetes Einkommen erzielt wird. In diesen Fällen wird das Realisationsprinzip in Ausrichtung an dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Übermaßverbot zurückgenommen. Steuertechnisch geschieht dies dadurch, dass entweder eine Gewinnrealisierung durch das Gebot der Buchwertfortführung vermieden wird (Steueraufschub) oder aber an eine erfolgte Gewinnrealisierung keine Steuerfolgen geknüpft werden (Steuerverzicht). Im Hinblick darauf sind etwa der steuerneutrale Betriebsvermögenstransfer sowie der steuerneutrale Transfer anderer Wirtschaftsgüter nach dem UmwStG, § 6b EStG (Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter) sowie nach R 6.6 EStR 2008 (Rücklage für Ersatzbeschaffung) gerechtfertigt: Diese Vermögensübergänge sind nicht auf Gewinnerzielung gerichtet,

1 2 3 4 5

denden Einbringung ist diese allerdings wie eine Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG; § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG) zu behandeln (§ 4 Abs. 1 Satz 7 EStG) und mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG); Menner in Haritz/Menner, § 20 UmwStG Rz. 270; Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 278. Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 103. Das Übermaßverbot ergibt sich als übergreifende Leitregel aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1; Art. 14 Abs. 1 GG; hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 209 ff. Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 404. Zu Einzelheiten Pezzer, DStJG 14 (1991), 3 ff., 22 ff. Zu Einzelheiten Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 109; § 9 Rz. 52; Pezzer, DStJG 14 (1991), 3 ff., 22 ff.

879

17.15

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

sondern dienen der Erhaltung der Erwerbsgrundlagen, so dass kein Markteinkommen erzielt wird.

17.16 Die gleiche Teleologie liegt auch den Regelungen in den §§ 6 Abs. 5; 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zugrunde, wonach insbesondere der Betriebsvermögenstransfer zwischen Personengesellschaft und Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen zu Buchwerten, also ohne Gewinnrealisation, zu erfolgen hat.

17.17 Soweit schließlich § 6 Abs. 3 EStG für den unentgeltlichen Betriebsvermögenstransfer eine Gewinnrealisierung ausschließt, obwohl hierdurch eine intersubjektive Übertragung stiller Reserven erfolgt, geht es darum, Zuwendungsvorgänge aus dem durch Außentransaktionen geprägten Markteinkommen auszugrenzen. Diese in § 6 Abs. 3 EStG verankerte Buchwertfortführung ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt.

17.18

Gerechtfertigt ist auch die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2 KStG, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften grundsätzlich von deutscher Körperschaftsteuer freigestellt werden.1 § 8b Abs. 2 KStG dient nämlich der Vermeidung der Doppel- und Mehrfachbesteuerung, womit zugleich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprochen wird.

17.19 Dem am Leistungsfähigkeitsprinzip und am Übermaßverbot ausgerichteten Realisationsprinzip, wonach nicht realisierte Wertzuwächse nicht erfasst werden, sind allerdings in den Fällen Grenzen gesetzt, in denen eine Besteuerung später nicht mehr möglich ist. Hier ist vorbehaltlich europarechtlicher Restriktionen ein steuerlicher Zugriff auf stille Reserven auch ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung gerechtfertigt. Eine Nichtbesteuerung wäre jedenfalls mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung erfolgt demgemäß insbesondere bei den unter Rz. 17.9 aufgeführten Fällen. Hierbei ist normativ sichergestellt, dass die stillen Reserven im letzten noch möglichen Zeitpunkt für steuerliche Zwecke abgerechnet werden (Steuerentstrickung). Zu den Normen, die eine Besteuerung stiller Reserven ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung aus Gründen des Wechsels des Besteuerungsregimes vorsehen, gehört auch § 4 Abs. 4 UmwStG, wonach der Übernahmegewinn bei Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften ausdrücklich der Besteuerung unterworfen wird: Hier erfolgt ein Wechsel von der Zwei-Ebenen- zur Ein-Ebenen-Besteuerung.2 Demgegenüber geht es im außensteuerlichen Kontext um den Wechsel in der Steuerhoheit. Die auf die Abrechnung der stillen Reserven im Sinne ei1 Gemäß § 8b Abs. 3 KStG gelten allerdings 5 Prozent des Gewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben; weitere Einschränkungen gem. § 8b Abs. 7 und 8 KStG. 2 Van Lishaut in R/H/vL, § 4 UmwStG Rz. 74.

880

A. Grundlagen

ner ultima ratio-Besteuerung gerichteten Normen erfassen den Wechsel des Steuersubjekts und von Wirtschaftsgütern in eine andere Steuerhoheit. 4. Europarechtliche Restriktionen Eine auf Absicherung des inländischen Steueraufkommens ausgerichtete ultima ratio-Besteuerung ist europarechtlichen Schranken ausgesetzt. Auf Grund der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.15 ff.) bleibt nämlich eine durch inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, grenzüberschreitende oder ausländische Umwandlungen (internationale Umwandlungen) ausgelöste Besteuerung grundsätzlich versagt, so lange entsprechende Vorgänge im Inland ohne steuerliche Folgen bleiben. Diese europarechtlichen Schranken sind insbesondere durch die Entscheidung des EuGH in der Sache Hughes de Lasteyrie du Saillant1 deutlich geworden.2 Nach Maßgabe der tragenden Gründe dieser Entscheidung ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit gegeben, wenn an einen Wegzug innerhalb der EU steuerliche Nachteile geknüpft werden. Zwar billigt der EuGH in der vorgenannten Entscheidung jedem Staat Maßnahmen zu, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen, einer Sofortversteuerung bei Wegzug hat er aber eine Absage erteilt.3 Was für natürliche Personen gilt, hat im Grundsatz auch für Kapitalgesellschaften zu gelten;4 und was für den Wegzug gilt, hat auch für internationale Umwandlungen zu gelten. Für Umwandlungen folgt hieraus: Eine umwandlungsbedingte Sofortversteuerung der stillen Reserven auf Gesellschaftsebene im Rahmen etwa einer (unterstellten) Liquidation oder Veräußerung ist unzulässig.5 Zulässig ist es allerdings, zwecks Sicherstellung der stillen Reserven von einer umwandlungsbedingten Gewinnrealisierung auszugehen, soweit die hierauf entfallende Steuer bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Gewinnrealisierung etwa durch Veräußerung gestundet wird.6 Hinsichtlich der steuerlichen Rechtsfolgen einer internationalen Umwandlung ist daher der Rahmen gesteckt: Sicherstellung: ja – Sofortbesteuerung: nein.7

1 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409. 2 Vgl. ferner EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409; differenzierend zwischen europarechtlich nicht geschützem formwahrenden und geschütztem formwechselnden Wegzug EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff. 4 Schön, JbFSt 2004/2005, 31 (80 f.); Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 (615); Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (423 f.); zum Wegzug von Kapitalgesellschaften Rz. 6.29 ff. 5 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Einl. II, Rz. 8; vgl. auch Rz. 5.351 f. 6 Hierzu Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 239 ff., 150 ff.; vgl auch Rz. 5.351 mit Hinweis auf die Stundungsreglung in § 6 Abs. 5 AStG. 7 So die verkürzte Formel von Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 (619).

881

17.20

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

17.21 Damit ist in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten eine Sofortversteuerung stiller Reserven bei der internationalen Umwandlung unzulässig, wenn eine entsprechende inländische Umwandlung unbesteuert bleibt.1 Das gilt, da die Grundfreiheiten als Primärrecht Vorrang haben, auch für den Fall, dass nach der Fusionsrichtlinie eine Sofortversteuerung zulässig ist.2

17.22 Das UmwStG ist im Rahmen seiner Europäisierung indessen nicht der europarechtlich gebotenen Stundungslösung, sondern dem Konzept der Sofortbesteuerung gefolgt, soweit umwandlungsbedingt deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Im Hinblick darauf ist die Gesamtkonzeption der europarechtlichen Verwerfung durch den EuGH ausgesetzt.

17.23

Diese umwandlungsbedingte ultima ratio-Sofortversteuerung ist auch nicht etwa unter Missbrauchs- oder Kohärenzgesichtspunkten oder aus Gründen der Administrierbarkeit gerechtfertigt. Die Verhinderung von Missbrauch als Rechtfertigungsgrund scheitert schon an der teleologischen Struktur der ultima ratio-Besteuerung. Sie ist nämlich darauf gerichtet, die im Inland gebildeten stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung zu sichern. Um Missbräuche geht es aber schon deshalb nicht, weil unterschiedslos alle internationalen Umwandlungen unter Entstrickungsvorbehalt stehen. Unter Kohärenzgesichtspunkten entbehrt die umwandlungsbedingte Sofortversteuerung daher schon der Rechtfertigung, weil in Orientierung an dem europarechtlich geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzip mit der Stundungslösung4 das mildere Mittel zur Verfügung steht, um dem drohenden Verlust deutschen Besteuerungsrechts entgegenzuwirken.5 Schließlich rechtfertigen auch etwaige Probleme der Administrierbarkeit die Sofortversteuerung schon deshalb nicht, weil aus der Sicht des EuGH6 mit der Amtshilfe-RL und der Beitreibungs-RL ausreichende Instrumente zur Verfügung stehen und darüber hinaus entspre-

1 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 239, 150; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Einl. II Rz. 8; Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (202 f.); Schön/Schindler, IStR 2004, 571 ff.; a.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, Vor §§ 11–13 UmwStG Rz. 9 ff.; Benecke/Schnitger, IStR 2006, (765) 778 f. 2 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 240 m.w.N. 3 Vgl. hierzu die entsprechenden. Entstrickungsklauseln in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften), §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Verschmelzung von Kapitalgesellschaften). § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf andere Kapitalgesellschaften), § 16 Satz 1 i.V. mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Aufund Abspaltung von Kapital- auf Personengesellschaften), § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG (Verschmelzung von Personen- auf Kapitalgesellschaften, Betriebseinbringung), § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Anteilseinbringung), § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Verschmelzung von Personengesellschaften, Betriebseinbringung); vgl. hierzu Schaumburg in FS Herzig, 719 ff. 4 Vgl. etwa § 6 Abs. 5 AStG. 5 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 239, 154 f. 6 EuGH v. 7.9.2006 – Rs, C – 470/04 – „N“, EuGHE 2006, I-7409.

882

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug chend § 6 Abs. 7 AStG oder § 22 Abs. 3 UmwStG Mitteilungspflichten auferlegt werden können.1

Eine umwandlungsbedingte ultima ratio-Besteuerung im Sinne einer Sofortversteuerung ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht gerechtfertigt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt letztlich nur, dass die stillen Reserven überhaupt, nämlich im Falle einer späteren Transaktion (Veräußerung), der Besteuerung unterworfen werden. Eine derartige transaktionsbedingte Besteuerung ist unter europarechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich, soweit im Ergebnis die internationalen Umwandlungen steuerlich nicht schlechter gestellt werden als entsprechende inländische Umwandlungen. Geboten ist daher lediglich die Erfassung der stillen Reserven für Zwecke einer späteren transaktionsbedingten Besteuerung.2

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Bodden, Verschmelzung und Formwechsel von Kapitalgesellschaften auf gewerbliche Personengesellschaften nach dem SEStEG (§§ 3–10 UmwStG), FR 2007, 66; Bogenschütz, Ausländische Anteilseigner bei Umwandlungsvorgängen, in Herzig (Hrsg.), Steuerorientierte Umstrukturierung von Unternehmen, Stuttgart 1997, 209; Bredow, Besteuerung von Umwandlungsgewinnen bei Beteiligung ausländischer Anteilseigner, WIB 1996, 329; Damas, Einführung in das neue Umwandlungssteuerrecht, DStZ 2007, 129; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Fischer, L., Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften nach dem neuen UmwStG unter Beteiligung beschränkt Steuerpflichtiger, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/ Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 697; Förster, Ausländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 629; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Förster/ Wendland, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften, BB 2007, 631; Günkel/Wassermeyer, Ausländische Anteilseigner im Umwandlungssteuergesetz, in Herzig (Hrsg.), Neues Umwandlungssteuerrecht – Praxisfälle und Gestaltungen im Querschnitt, Köln 1996, 79; Herfort/Strunk, Step-up-Modell auch 1 Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 239, 156 f. 2 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Einl. II Rz. 8; Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Rz. 239; Schnitger, IStR 2006, 778 f.; Schön/Schindler, IStR 2004, 571 ff.; Körner, IStR 2006, 469 f.; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1495), 1525 (1528), Schönherr/Lemaitre, GmbHR 2006, 561 (563); Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (202 f.); a.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Vor §§ 11–13 UmwStG Rz. 9 ff.; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 37; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.73; Schwenke, DStZ 2007, 235 (246).

883

17.24

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht für Erwerbe von Nichtanrechnungsberechtigten?, IStR 1995, 415; Jacobs/Plewka, Formwechselnde Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft aus Sicht beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter, DB 1995, 1630; Klingebiel, SEStEG-Umwandlung einer Körperschaft in eine Personengesellschaft, DK 2006, 600; Klingberg/van Lishaut, Die Internationalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DK 2005, 698; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Ley, Einbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG in der Fassung des SEStEG, FR 2007, 109; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, GmbHR 1996, 414; Schaumburg, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995, 211; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Stümpel, Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, GmbH-StB 2008, 74; Thiel, Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften mit beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern, GmbHR 1995, 708; Trossen, Aufgabe der Maßgeblichkeit bei Umwandlungsvorgängen, FR 2006, 617; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Widmann, Auslandsbeziehungen bei Unternehmensstrukturierungen, dargestellt am Beispiel einer formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern, DStZ 1996, 449; Widmann, Umwandlungen mit Auslandsbeziehungen, in FS für Haas, Herne/Berlin 1996, 421; Widmann, Auswirkungen der beschränkten Steuerpflicht und der Doppelbesteuerungsabkommen bei Umwandlungen, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 579.

I. Überblick 17.25 Das UmwStG erfasst Umwandlungen von Körperschaften und Personengesellschaften, die nach Maßgabe insbesondere des UmwG aufgrund Gesamtrechtsnachfolge, partieller Gesamtrechtsnachfolge oder durch Formwechsel erfolgen. Darüber hinaus regelt das UmwStG aber auch Umstrukturierungen, in deren Rahmen Vermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge übergeht. § 1 Abs. 1 und 2 UmwStG bestimmt in diesem Zusammenhang, dass der 2. bis 5. Teil des UmwStG (§§ 3 bis 19) nur auf Umwandlungen im Sinne des UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge Anwendung findet.1 Soweit Personengesellschaften als übertragende bzw. formwechselnde Rechtsträger in Betracht kommen, gelten für sie ausschließlich der 6. und 7. Teil des UmwStG (§ 1 Abs. 3 UmwStG), 1 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwStG gelten diese Teile allerdings nicht für die Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG), die als Einbringung gem. §§ 20 ff. UmwStG zu behandeln ist.

884

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

die in Abweichung von der Terminologie des UmwG diese Vorgänge als Einbringungen bezeichnen. Unter die vorstehenden Regelungsbereiche des UmwStG fallen auch inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, wobei eine normative Differenzierung zwischen in- und ausländischem Betriebsstättenvermögen der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger sowie zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern und Gesellschaftern von an Umwandlungen beteiligten Kapital- und Personengesellschaften durchweg versagt bleibt. Das gilt für die im UmwStG geregelte Verschmelzung, Spaltung und den Formwechsel1 gleichermaßen.

II. Verschmelzung2 1. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften Werden unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften3 mit inländischem Betriebsstättenvermögen4 auf Personengesellschaften5 verschmolzen, ergeben sich auf Gesellschafterebene und Gesellschaftsebene folgende steuerliche Rechtswirkungen: Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter6 beteiligt sind, gelten auf Gesellschaftsebene und Gesellschafterebene uneingeschränkt die steuerlichen Folgen nach Maßgabe der §§ 3 bis 10 UmwStG. Übt die übertragende Kapitalgesellschaft gem. § 3 Abs. 2 UmwStG ihr Wahlrecht dahingehend aus, die im Rahmen der Verschmelzung auf die übernehmende Personengesellschaft übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert anzusetzen, entsteht kein Übertragungsgewinn. Das in § 3 Abs. 2 UmwStG eingeräumte Bewertungswahlrecht kann allerdings nur ausgeübt werden, soweit – die übergehenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft werden und sichergestellt ist, dass sie später

1 Die ebenfalls geregelte Vermögensübertragung wird unter Rz. 17.67 erörtert. 2 Im Folgenden wird nur die Verschmelzung von Kapital- und Personengesellschaften behandelt. 3 Grundsatz: Sitz im Inland (§ 1 Abs. 1 UmwStG i.V. mit § 1 Abs. 1 UmwG); vgl. Förster in FS Schaumburg, 629 (630); wegen der Erweiterung auf vergleichbare ausländische Vorgänge und in Orientierung an die EuGH-Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97, EuGHE 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – C – 208/00, EuGHE 2002, I-9919), Inspire Art (EuGHE v. 30.9.2003 – C – 167/01, EuGHE 2003, I-10155) und Sevic Systems(EuGH v. 13.12.2005 – C – 411/03, EuGHE 2005, I-10805) werden aber auch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften erfasst; hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, Einf. Rz. 36 ff.; § 1 UmwStG Rz. 73; Rödder in R/H/vL, Einf. Rz. 31 ff. 4 Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die zum inländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind. 5 Grundsatz: Sitz im Inland (§ 1 Abs. 1 UmwStG i.V. mit § 1 Abs. 1 UmwG). 6 Natürliche oder juristische Personen.

885

17.26

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

der Besteuerung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer unterliegen, und – das deutsche Besteuerungsrecht an den übertragenen Wirtschaftsgütern bei der übernehmenden Personengesellschaft nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder nur in Gesellschaftsrechten besteht. Da die vorstehenden Voraussetzungen bei inländischem Betriebsstättenvermögen ohne weiteres erfüllt werden können, wird ein Übertragungsgewinn in aller Regel vermieden werden können.1

17.27 In den Fällen, in denen im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen2 der übertragenden Kapitalgesellschaft auf die übernehmende Personengesellschaft übergeht, kann von dem gem. § 3 Abs. 2 UmwStG eingeräumten Bewertungswahlrecht unter den dort näher geregelten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden,3 wobei das Wahlrecht für in- und ausländisches Betriebs(stätten)vermögen stets einheitlich auszuüben ist.4 Da § 3 Abs. 2 UmwStG neben einem Betriebsvermögensvorbehalt5 auch eine doppelte Entstrickungsklausel enthält (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2, Nr. 2 UmwStG), ist eine Buchwertfortführung oder ein Ansatz unter dem gemeinen Wert damit für ausländisches Betriebsstättenvermögen nur möglich, wenn sichergestellt ist, dass die in den übergehenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven der inoder ausländischen Einkommen- oder Körperschaftsteuer ausgesetzt sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Halbs. 2 UmwStG)6 und zudem das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).7 1 Hierzu Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 103; Schnitter in Frotscher/ Maas, § 3 UmwStG Rz. 76. 2 Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind. 3 Das gilt auch dann, wenn nach dem maßgeblichen ausländischen Privatrecht eine Übertragung durch Einzelrechtsnachfolge erforderlich ist; hierzu Dötsch/ Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 42; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 3 UmwStG Rz. 93; Schnitter in Frotscher/Maas, § 3 UmwStG Rz. 80. 4 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 43; Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 132; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. 465 f.; Rz. 63.14. 5 Dieser Betriebsvermögensvorbehalt unterscheidet nicht zwischen in- und ausländischem Betriebsvermögen und stellt auch nicht darauf ab, ob ein DBA eingreift. 6 Hierzu Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 35; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 3 UmwStG Rz. 79; Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 96; Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 116; a.A. Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 63.25. 7 Ein Wegfall der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) ist unschädlich; vgl. Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 38; Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 119; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175).

886

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind,1 tritt hinsichtlich des ausländischen Betriebsstättenvermögens im Grundsatz keine steuerliche Änderung ein. Die in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven sind nämlich im Ausland bei beschränkter Steuerpflicht im Rahmen des dortigen Inlandseinkommens und im Inland bei unbeschränkter Steuerpflicht unverändert im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens dem Steuerzugriff ausgesetzt.2 Der Buchwertansatz und damit verbunden die Vermeidung eines Übertragungsgewinns auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft ist daher ohne weiteres möglich.

17.28

Das gilt auch in Abkommensfällen: Die in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven unterliegen im Ausland der Besteuerung und sind aufgrund des in den deutschen DBA regelmäßig verankerten Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 16.543) durchweg von deutscher Steuer freigestellt (Freistellungsbetriebsstätte).3 Dass insoweit deutsches Besteuerungsrecht von vorneherein gar nicht gegeben war und daher verschmelzungsbedingt auch nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, spielt keine Rolle.4 Wird abkommensrechtlich oder etwa nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 AStG (Rz. 16.544) oder des § 50d Abs. 9 EStG (Rz. 16.525 ff.) die Doppelbesteuerung durch Anrechnung ausländischer Steuern vermieden (§ 34c Abs. 1 EStG; § 26 Abs. 1 KStG) (Anrechnungsbetriebsstätte), tritt ebenfalls keine Änderung ein. Handelt es sich allerdings um einen EU-Fall, greift, soweit überhaupt ein Übertragungsgewinn entsteht,5 die Sonderregelung des § 3 Abs. 3 UmwStG ein. Danach hat im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 FRL gem. § 26 KStG eine Anrechnung der fiktiven Steuer, die im anderen Mitgliedstaat bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre, zu erfolgen.6

17.29

Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich wesentliche Änderungen, weil sowohl die laufenden Gewinne als auch die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen nach der Verschmelzung auf die Personengesellschaft als ausländische Betriebsstättengewinne nicht mehr der beschränkten Steuerpflicht unter-

17.30

1 Gesellschafterbezogene Prüfung, wobei auf die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft auch dann abzustellen ist, wenn sie nicht an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt waren; Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 117. 2 Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 104; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 25. 3 Zur Freistellungsmethode im Einzelnen Rz. 16.521 ff. 4 Später anfallende Veräußerungsgewinne sind steuerfrei; hierzu Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 104. 5 Etwa bei Ansatz über den Buchwert hinaus. 6 Hierzu Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 159; Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 150 ff.

887

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

liegen.1 Das gilt allerdings nur in den Fällen, in denen keine DBA eingreifen, und in Abkommensfällen, soweit die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird.2 Hieraus folgt, dass insoweit das Bewertungswahlrecht entfällt und somit anteilig der gemeine Wert einheitlich für alle übergehenden Wirtschaftsgüter anzusetzen ist. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings in EU-Fällen, soweit die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird:3 In Einklang mit Art. 10 Abs. 2 FRL erfolgt gem. § 3 Abs. 3 UmwStG eine Anrechnung der fiktiven Steuer, die im anderen Mitgliedstaat bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre.4 Greifen dagegen DBA ein, auf Grund deren die Doppelbesteuerung durch Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte vermieden wird, ändert sich verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht nicht, so dass das Bewertungswahlrecht (§ 3 Abs. 1 UmwStG) ausgeübt werden kann.5

17.31 Soweit bei der übertragenden Kapitalgesellschaft ein Übertragungsgewinn entsteht, unterfällt er in Abkommensfällen grundsätzlich6 den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen der DBA.7 Die Bildung eines Ausgleichspostens gem. § 4g EStG ist hierbei insoweit nicht möglich, als beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind.8

17.32 Auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft sind für Zwecke der Ermittlung des bei den einzelnen Gesellschaftern zu versteuernden Übernahmegewinns gem. § 4 Abs. 1 UmwStG die von der übertragenden Kapitalgesellschaft in der steuerlichen Umwandlungsbilanz (Übertragungsbilanz) angesetzten Werte zu übernehmen.9 Der Übernahmegewinn bzw. Übernahmeverlust ist hierbei der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter und dem Wert der (unterge1 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (123 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (416). 2 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 38 f.; Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStGRz. 104; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 63.27; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 3 UmwStG Rz. 92; Schnitter in Frotscher/Maas, § 3 UmwStG Rz. 83. 3 Vgl. etwa Protokoll Nr. 8 zu Art. 24 DBA-Portugal. 4 Hierzu Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 159; Brinkhaus in Haritz/Menner, § 3 UmwStG Rz. 150 ff.; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 63.27. 5 Der verschmelzungsbedingte Wegfall des Progressionsvorbehaltes ist keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 3 UmwStG Rz. 86; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 25. 6 Soweit unbewegliches Vermögen betroffen ist, greift Art. 6 OECD-MA ein. 7 Art. 7 OECD-MA; die bloße Buchwertaufstockung gem. § 3 Abs. 1 UmwStG ist keine Veräußerung, so dass Art. 13 OECD-MA nicht einschlägig ist; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122). 8 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15. 9 Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt hier nicht; vgl. Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 10 Bohnhardt in Haritz/Menner, § 4 UmwStG Rz. 52.

888

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

henden) Anteile an der übertragenden Körperschaft abzgl. der Umwandlungskosten (§ 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG). Hiervon abweichend sind die übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen, soweit an ihnen kein deutsches Besteuerungsrecht für die Gewinne aus deren Veräußerung bestand (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Angesprochen sind damit vor allem ausländische Grundstücke und Wirtschaftsgüter, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, für deren Veräußerungsgewinne abkommensrechtlich die Freistellungsmethode eingreift.1 Durch den Ansatz mit dem gemeinen Wert erhöht sich der Übernahmegewinn bzw. mindert sich der Übernahmeverlust. Hierdurch wird bewirkt, dass die betreffenden stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung sichergestellt werden. Ohne diese Höherbewertung auf der Stufe der übernehmenden Personengesellschaft wurde, da von der Zweiebenen- zur Einebenenbesteuerung gewechselt wird, der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven entfallen, die bei einer Veräußerung der Anteile an der einbringenden Kapitalgesellschaft, also vor der Verschmelzung, auf Gesellschafterebene, steuerlich erfasst werden.2 Um die Berechnung des Übernahmegewinns auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft zu ermöglichen, enthält § 5 UmwStG zwei Einlagefiktionen: Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 EStG gelten, soweit sie nicht bereits zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören, gem. § 5 Abs. 2 UmwStG zum Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft als eingelegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind3 oder ob für diese Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht oder nicht.4 Besteht es nicht, wenn etwa der als Veräußerungsgewinn zu qualifizierende Übernahmegewinn5 abkommensrechtlich steuerfrei zu stellen ist,6 gilt die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG somit gleichwohl. Die in § 5 Abs. 3 UmwStG geregelte 1 Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA; zu Einzelheiten van Lishaut in R/H/vL, § 4 UmwStG Rz. 93; Bohnhardt in Haritz/Menner, § 4 UmwStG Rz. 241; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 UmwStG Rz. 111 ff. 2 Zur Schließung dieser in der Vergangenheit bestehenden Besteuerungslücke van Lishaut in R/H/vL, § 4 UmwStG Rz. 93; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, § 4 UmwStG Rz. 113; zu europarechtlichen Zweifeln wegen der mit der Höherbewertung verbundenen Sofortbesteuerung der stillen Reserven vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077 f.); Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1459); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2711). 3 Für einbringungsgeborene Anteile i.S. des § 21 UmwStG a.F. gilt die Einlagefiktion des § 5 Abs. 4 UmwStG fort (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG). 4 Pung in D/J/P/W, § 5 UmwStG Rz. 26; Widmann in W/M, § 5 UmwStG Rz. 126; Haritz in Haritz/Menner, § 5 UmwStG Rz. 45; a.A. van Lishaut in R/H/vL, § 5 UmwStG Rz. 21. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 136. 6 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; die Einlagefiktion gem. § 5 Abs. 2 UmwStG ist auf Abkommensebene ohne Bedeutung; vgl. hierzu Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (418).

889

17.33

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Einlagefiktion hat für zu einem inländischen und ausländischen Betriebsvermögen gehörende Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft sowie für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gleichermaßen Bedeutung.1

17.34 Während die Einlage von Anteilen i.S. des § 17 EStG zu Anschaffungskosten erfolgt, orientiert sich der Wertansatz von zu einem Betriebsvermögen gehörenden Kapitalanteilen am Buchwert, erhöht um frühere steuerwirksame Teilwertabschreibungen, soweit diese zwischenzeitlich nicht rückgängig gemacht wurden, und um steuerwirksame Übertragungen nach § 6b EStG. Anteile, die von unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern im Privatvermögen gehalten werden und nicht unter § 17 EStG fallen, werden von § 5 UmwStG nicht erfasst und gelten somit auch nicht als in die übernehmende Personengesellschaft eingelegt.2

17.35 Der in Höhe der Differenz zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und den Umwandlungskosten sowie dem Wert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft sich ergebende Übernahmegewinn der ersten Stufe (§ 4 Abs. 4 UmwStG) ist um die Bezüge gem. § 7 UmwStG (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG) zu kürzen. Der so ermittelte Übernahmegewinn der zweiten Stufe bildet die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung auf der Gesellschafterebene.3

17.36 Mit dieser zweistufigen Ermittlung des Übernahmeergebnisses wird der gesetzgeberischen Konzeption der Aufspaltung des Übernahmeergebnisses in einen Dividendenteil und einen Veräußerungsteil entsprochen. Der Dividendenteil wird durch die Gewinnrücklage der übertragenden Kapitalgesellschaft abgebildet (§ 7 UmwStG). Hiernach werden den Anteilseignern die offenen Rücklagen der Gesellschaft als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet. Der Veräußerungsteil umfasst den verbleibenden Teil des Übernahmeergebnisses der zweiten Stufe. Er umfasst im Wesentlichen das Nennkapital, die Kapitalrücklagen und in dem hier interessierenden Zusammenhang die außerbilanziellen Hinzurechnungen gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG. Die Besteuerung dieses Veräußerungsteils richtet sich nach § 4 Abs. 7 UmwStG, wonach dieser Teil des Übernahmeergebnisses als Veräußerungsgewinn qualifiziert wird, so dass entweder § 8b Abs. 2 KStG für juristische Personen oder aber § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG für natürliche Personen eingreift.

17.37 Die verschmelzungsbedingte Besteuerung der offenen Rücklagen auf Gesellschafterebene dient auch dem Ziel, die Quellensteuerberechtigung ge1 Pung in D/J/P/W, § 5 UmwStG Rz. 40; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (772); Bodden, FR 2007, 66 (73). 2 Pung in D/J/P/W, § 5 UmwStGRz. 27; Widmann in W/M, § 5 UmwStG Rz. 132; van Lishaut in R/H/vL, § 5 UmwStG Rz. 34. 3 Zu Einzelheiten Bohnhardt in Haritz/Menner, § 4 UmwStG Rz. 235.

890

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

genüber beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern in den Fällen aufrechtzuerhalten, in denen DBA eingreifen. In Abkommensfällen liegt nämlich die Steuerberechtigung im Grundsatz nur beim Ansässigkeitsstaat (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), während für Dividenden dem Quellenstaat jedenfalls eine Quellensteuerberechtigung zukommt (Art. 10 OECDMA). Im Hinblick auf die Sicherung des Quellensteuerrechts erfasst daher § 7 UmwStG nicht nur Anteilseigner, für die ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist, sondern auch Anteilseigner, die ihre nicht unter § 17 EStG fallenden Anteile im Privatvermögen halten.1 Die Besteuerung der offenen Rücklagen als Kapitalerträge betrifft sowohl unbeschränkt als auch beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner.2 Soweit beschränkte Steuerpflicht gegeben ist, werden die Bezüge gem. § 7 UmwStG von der Reichweite des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfasst. Das gilt gleichermaßen für die Fälle, in denen die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft vor der Verschmelzung einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen waren, und in den Fällen, in denen die Kapitalanteile gem. § 5 Abs. 2 UmwStG als in die übernehmende Personengesellschaft eingelegt gelten.3 Die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG unterliegen der Kapitalertragsteuerpflicht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).4 Im Hinblick auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG hat der Kapitalertragsteuerabzug keinen abgeltenden Charakter (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).5 Hieraus folgt, dass neben der Anrechnung der Kapitalertragsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG; § 31 Abs. 1 KStG) auch die Verrechnung eines nach § 4 Abs. 6 UmwStG abziehbaren Übernahmeverlustes mit den Bezügen i.S. des § 7 UmwStG möglich ist (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG).6 Auf Abkommensebene sind die Bezüge gem. § 7 UmwStG als Dividenden i.S.

1 Pung in D/J/P/W, § 7 UmwStG Rz. 3, 29; Börst in Haritz/Menner, § 7 UmwStGRz. 3d; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372). 2 Pung in D/J/P/W, § 7 UmwStG Rz. 6; Birkemeier in R/H/vL, § 7 UmwStG Rz. 9; Börst in Haritz/Menner, § 7 UmwStG Rz. 31. 3 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 7 UmwStG Rz. 17; Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 5, § 7 UmwStG Rz. 20; Schnitter in Frotscher/Maas, § 7 UmwStG Rz. 29; a.A.; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1531); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Damas, DStZ 2007, 129 (132); Bodden, FR 2007, 66 (73), die in den Fällen des § 17 EStG davon ausgehen, dass die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG stets nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG steuerpflichtig sind; a.A. ebenfalls Widmann in FS Wassermeyer, 579 (582), der eine Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG bejaht. 4 Vgl. BMF v. 16.12.2003, BStBl. I 2003, 786, Rz. 10; Birkemeier in R/H/vL, § 7 UmwStG Rz. 25; Börst in Haritz/Menner, § 7 UmwStG Rz. 66; zu Zweifeln wegen fehlender aber gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG unterstellter Gläubigereigenschaft Pung in D/J/P/W, § 7 UmwStG Rz. 18. 5 Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 5; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 7 UmwStG Rz. 17. 6 Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 5; Börst in Haritz/Menner, § 7 UmwStG Rz. 80; Förster in FS Schaumburg, 629 (638); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Damas, DStZ 2007, 129 (132).

891

17.38

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

von Art. 10 OECD-MA zu qualifizieren,1 so dass die abkommensrechtlich vorgesehenen Quellensteuerreduktionen uneingeschränkt eingreifen.2

17.39 Für den Veräußerungsteil des Übernahmegewinns gelten gem. § 4 Abs. 7 UmwStG die für Veräußerungsgewinne allgemein geltenden Besteuerungsgrundsätze. Damit ist der Übernahmegewinn bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich gem. § 8b Abs. 2 KStG unter Berücksichtigung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG im Ergebnis i.H. von 95 Prozent steuerfrei (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG). Für natürliche Personen als Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft unterliegt der Übernahmegewinn dem Regelungsbereich des § 3 Nr. 40 EStG und des § 3c Abs. 2 EStG, so dass im Ergebnis der Übernahmegewinn i.H. von 40 Prozent steuerfrei gestellt ist. Für unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner ergeben sich hierbei Besonderheiten nur dann, wenn die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft funktional einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, so dass abkommensrechtlich wegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA die Gewinne aus der Veräußerung abkommensrechtlich in Deutschland freigestellt sind. Dass die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft gem. § 5 Abs. 3 UmwStG in die übernehmende Personengesellschaft als überführt gelten, spielt abkommensrechtlich keine Rolle, weil die vorgenannte Fiktion auf Abkommensebene ohne Wirkung bleibt.3

17.40 Für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gelten die folgenden Besteuerungsgrundsätze: Da die zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteile und Anteile i.S. des § 17 EStG gleichermaßen als in das Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft eingelegt gelten (§ 5 Abs. 2 und 3 UmwStG), ist der Veräußerungsteil des Übernahmegewinns als inländische Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu qualifizieren.4 Auf Abkommensebene bleibt die beschränkte Steuerpflicht erhalten, soweit die Anteile funktional einem inländischen Betriebsstättenvermögen, also hier insbesondere der übernehmenden Personengesellschaft, zuzuordnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Sind die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Anteilseigners nicht funktional zuzuordnen, steht das Besteuerungsrecht in aller Regel dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zu (Art. 13 Abs. 5 OECD1 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 136; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (773). 2 Pung in D/J/P/W, § 7 UmwStG Rz. 18; Börst in Haritz/Menner, § 7 UmwStG Rz. 73, vgl. auch die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 3 Widmann in W/M, § 4 UmwStG Rz. 565; Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 5; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 34; Schnitter in Frotscher/Maas, § 4 UmwStG Rz. 132. 4 Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 5, § 5 Rz. 33; Widmann in W/M, § 4 UmwStG Rz. 564; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 UmwStG Rz. 127; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (418); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (181).

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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

MA). Eine Ausnahme hiervon gilt nur in jenen Fällen, in denen das Besteuerungsrecht nicht dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners, sondern dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft zugewiesen wird.1 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften Ebenso wie der für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften maßgebliche § 3 Abs. 2 UmwStG enthält auch § 11 Abs. 2 UmwStG auf Gesellschaftsebene eine Entstrickungsklausel. Danach darf die übertragende Kapitalgesellschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz (Übertragungsbilanz) die übergehenden Wirtschaftsgüter mit einem Wert unterhalb des gemeinen Wertes insoweit ansetzen, als sichergestellt ist, dass die in dem übergehenden Vermögen enthaltenen stillen Reserven bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft später der Körperschaftsteuer unterliegen und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Von diesem Vorbehalt werden vor allem Fälle erfasst, in denen im Rahmen des verschmelzungsbedingten Vermögensübergangs Wirtschaftsgüter aus dem deutschen Besteuerungszugriff ausscheiden.2 Dieser für die Besteuerung des Übertragungsgewinns auf Gesellschaftsebene bedeutsame Vorbehalt bleibt bei Inlandsverschmelzungen im außensteuerlichen Kontext weitgehend ohne Bedeutung.3 Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn verschmelzungsbedingt ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern etwa von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte4 oder von einer ausländischen Freistellungs- auf eine inländische Anrechnungsbetriebsstätte erfolgt.5

17.41

Im Einzelnen: Geht verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 8 Abs. 1 KStG) bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft ohne abkommensrechtliche Einschränkungen auch zukünftig gewährleistet, soweit es auch bei der übernehmenden

17.42

1 Z.B. DBA-Tschechien, DBA-Zypern. 2 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 115 ff.; Bärwaldt in Haritz/Menner, § 11 UmwStG Rz. 47 ff.; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.8 ff.; Schaumburg in FS Herzig, 711 (721 ff.). 3 Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 24 ff.; Frotscher in Frotscher/Maas, § 11 UmwStG Rz. 70. 4 Entgegen der gesetzgeberischen, auf § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG beruhenden, Konzeption wird in diesen Fällen ein Wegfall bzw. eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts verneint von Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; durch das JStG 2010 soll eine entsprechende Klarstellung erfolgen; vgl. auch Rz. 5.346. 5 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 126; Bärwaldt in Haritz/Menner, § 11 UmwStG Rz. 48; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.5; Trossen, FR 2006, 617 (620).

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen bleibt.1 Ob unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, spielt hierbei keine Rolle.

17.43 Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über,2 das in Ländern belegen ist, mit denen keine DBA bestehen, bleiben die in dem übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens der übernehmenden Kapitalgesellschaft zukünftig ebenfalls der deutschen Körperschaftsteuer ausgesetzt.3 Dass nach der Verschmelzung die übernehmende Kapitalgesellschaft ggf. höhere ausländische Betriebsstättensteuern zur Anrechnung bringen kann, spielt keine Rolle. Handelt es sich um ausländisches Betriebsstättenvermögen, dessen Gewinne der Besteuerung nach Maßgabe des in Betracht kommenden DBAs ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zustehen (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 16.385 ff.), greift die Entstrickungsklausel ebenfalls nicht ein,4 weil in diesem Fall das übergehende Vermögen bereits bei der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Besteuerung unterlag. Denn sichergestellt werden kann nur, was nicht bereits dem deutschen Steuerzugriff entzogen ist.5 Trotz abkommensrechtlicher Freistellung kann allerdings eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts dadurch erfolgen, dass verschmelzungsbedingt die Anwendung der bilateralen switch over-Klauseln des § 20 Abs. 2 AStG (Rz. 16.544) oder des § 50d Abs. 9 EStG (Rz. 16.525 ff.) entfällt.6 Ist abkommensrechtlich zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode vorgesehen, wird verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht nicht verändert und somit auch nicht beschränkt.7 Auch hier ist ohne Bedeutung, ob unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind.

17.44 Soweit bei der an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligten übernehmenden Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn der Besteuerung insoweit zuzuführen ist, als die tatsächlichen Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft den Buchwert derselben bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft übersteigen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG), ergeben sich keine Besonderheiten: Der Übernahmegewinn abzgl. der Umwandlungskosten bleibt steuerlich außer An1 Rödder in R/H/vL, § 19 UmwStG Rz. 125; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.7; Frotscher in Frotscher/Maas, § 11 UmwStG Rz. 70. 2 Ohne Rücksicht darauf, wo die einzelnen Wirtschaftsgüter belegen sind. 3 Zum Problem künftiger Abkommen Wassermeyer, in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (125). 4 Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 25; Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 126; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.7; Schaumburg, FR 1995, 211 (219). 5 Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 119; Frotscher in Frotscher/Maas, § 11 UmwStG Rz. 63; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486). 6 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.7. 7 Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 26; Schaumburg, GmbHR 1996, 414.

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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

satz, wobei § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG),1 so dass wegen § 8b Abs. 5 KStG im Ergebnis nur 95 Prozent des Übernahmegewinns nach Abzug der Umwandlungskosten steuerfrei gestellt sind.2 Der für die Besteuerung auf Gesellschafterebene maßgebliche § 13 UmwStG fingiert, dass die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Abweichend hiervon kann auf Antrag aber auch der Buchwert angesetzt werden, wenn in dem hier interessierenden Zusammenhang (Inlandsverschmelzung) das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).

17.45

Die vorgenannte Entstrickungsklausel entspricht zwar derjenigen auf Gesellschaftsebene gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, sie wirkt aber völlig unabhängig von dieser, so dass das hieraus folgende Bewertungswahlrecht auf Gesellschafterebene nicht davon abhängt, ob die Wirtschaftsgüter verschmelzungsbedingt zum Buchwert, Zwischenwert oder zum gemeinen Wert von der übertragenden auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergegangen sind. Da bei Inlandsverschmelzungen das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig uneingeschränkt erhalten bleibt, ist die Steuerneutralität auf Gesellschaftsebene durchweg gewährleistet. Das gilt für Anteile im in- und ausländischen Betriebsvermögen3 und für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen.4

17.46

Im Einzelnen: Gehören die Anteile (unverändert) zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, ist die Besteuerung der entsprechenden Veräußerungsgewinne sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) als auch bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewährleistet, ohne dass abkommensrechtlich für Deutschland verschmelzungsbedingt die Besteuerung entfiele oder eingeschränkt würde.5 Gehören die Anteile (unverändert) zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen,

17.47

1 Die Anwendung von § 8b Abs. 2 KStG setzt natürlich eine Beteiligung der übernehmenden an der übertragenden Kapitalgesellschaft voraus; hierzu Rödder in R/H/vL, § 12 UmwStG Rz. 85. 2 Vgl. zum Verhältnis von § 12 Abs. 2 Satz 1 zu § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG Dötsch in D/J/P/W, § 12 UmwStG Rz. 32 ff. und Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1533), wobei letztere auf einen Verstoß gegen Art. 7 FRL hinweisen; ebenso Wisniewski in Haritz/Menner, § 12 UmwStG Rz. 58. 3 Im Sinne von Betriebsstättenvermögen. 4 Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.50 ff.; Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 36; Frotscher in Frotscher/Maas, § 13 UmwStG Rz. 23; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (421). 5 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 16.385 ff.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

bleibt die deutsche Besteuerung ungeschmälert erhalten, wenn die Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig sind und ein DBA nicht eingreift. Ist das Betriebsstättenvermögen dagegen in einem Staat belegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, dürfen die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode1 nur vom Betriebsstättenstaat besteuert werden. Durch den verschmelzungsbedingten Vermögensübergang ergibt sich insoweit aber keine Änderung.2 Das gilt auch für den Fall, dass abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode eingreift; denn auch hier ist die Rechtslage vor und nach der Verschmelzung unverändert. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn verschmelzungsbedingt die Zuordnung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem inoder ausländischen Betriebsstättenvermögen gelöst wird und ein Zuordnungswechsel zum Privatvermögen oder von einem inländischen Betriebsstätten- zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen oder von dort zu einem anderen ausländischen Betriebsstättenvermögen erfolgt, soweit letzterenfalls hiermit etwa ein Wechsel von der Anrechnungs- zur Freistellungsmethode verbunden ist. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, bleiben die Besteuerungsfolgen für etwaige Gewinne aus der Veräußerung der zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft unverändert.3 Damit geht auch insoweit durch die Verschmelzung der deutschen Besteuerung kein Besteuerungsgut verloren.

17.48 Gehören die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und sind hierfür die Voraussetzungen i.S. von § 17 EStG oder § 20 Abs. 2 EStG erfüllt, oder handelt es sich um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 UmwStG a.F.,4 gelten bei entsprechendem Antrag nach § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3 UmwStG diese Anteile im Privatvermögen als zu den Anschaffungskosten veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als zu diesem Wert erworben. Die künftige Besteuerung bleibt dadurch erhalten, dass die Qualifikation dieser Anteile auf die erworbenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft (verschmelzungsgeborene Anteile) ohne Rücksicht auf die Beteiligungshöhe übergeht (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Diese Qualifikationsverkettung5 gilt ohne weiteres für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter. Sind beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, gilt Folgendes: Greift kein DBA ein, unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen i.S. von § 17 EStG der beschränk1 Vgl. die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 2 Wegen der fehlenden steuerlichen Bedeutung in Deutschland ist trotz Wertansatzwahlrechts der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten; vgl. hierzu Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.51; Trossen: R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 32. 3 Das gilt in Fällen mit und ohne DBA gleichermaßen. 4 Vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG. 5 Zur Infizierungs- oder Fußstapfentheorie Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 27.

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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

ten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG, und zwar ohne Rücksicht auf eine etwaige verschmelzungstypische Absenkung der Beteiligungsquote an der übernehmenden Kapitalgesellschaft (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).1 Handelt es sich nach Maßgabe des alten Rechts (§ 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG) um einbringungsgeborene Anteile im Privatvermögen, ergibt sich die beschränkte Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG. Soweit DBA zur Anwendung kommen, sind ihre Schrankenwirkungen gegen die beschränkte Steuerpflicht gerichtet, so dass der abkommensrechtlich im Grundsatz der als Veräußerung (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vgl. Rz. 16.400) zu qualifizierende verschmelzungsbedingte Anteilsaustausch auf Gesellschafterebene der deutschen Gewinnbesteuerung entzogen ist.2 Aber auch hierdurch geht dem deutschen Steuerzugriff kein Besteuerungsgut verloren, weil die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen bereits gegen die Veräußerungsgewinnbesteuerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft gerichtet waren.

17.49

3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften Für die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften enthält das UmwStG keine eigenständige Regelung. Erfasst wird diese Verschmelzung vielmehr von den §§ 20 bis 23 UmwStG. Dieser sechste Teil des UmwStG entbehrt einer strengen Anknüpfung an das UmwG, so dass von der Reichweite der §§ 20 bis 23 UmwStG Umstrukturierungen durch Gesamtrechtsnachfolge und Einzelrechtsnachfolge gleichermaßen erfasst werden (§ 1 Abs. 3 UmwStG). Der persönliche Anwendungsbereich wird allerdings durch § 1 Abs. 4 UmwStG eingeschränkt.

17.50

§ 20 UmwStG ist die grundlegende Vorschrift für die Einbringung in Kapitalgesellschaften. Die nach den Regeln dieser Vorschrift mögliche steuerneutrale Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften3 hängt u.a. davon ab, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des übergehenden Betriebsvermögens bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft

17.51

1 Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 28. 2 Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 64, 78; Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 136; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (125); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (422). 3 Zu den Anwendungsproblemen, die dadurch entstehen, dass nach der Konzeption der §§ 39 ff. UmwG die Personenhandelsgesellschaft, gem. § 20 Abs. 1 UmwStG nach h.L. aber deren Gesellschafter als Einbringende gelten, Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 34; Menner in Haritz/Menner, § 20 UmwStG Rz. 40, 46; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG Rz. 180 ff.; bei verschmelzungsbedingtem Untergang der Personengesellschaft sind allerdings stets die Mitunternehmer als Einbringende anzusehen; so BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Ob die einbringende Personengesellschaft ihren Sitz im Inland oder im Ausland hat, ob deren Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind, spielt für das der übernehmenden Kapitalgesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eingeräumte Bewertungswahlrecht keine Rolle. Schließlich hängt das Bewertungswahlrecht auch nicht davon ab, ob für die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht.1 Für diesen Fall kann allerdings von vornherein die Anwendbarkeit des § 20 UmwStG durch § 1 Abs. 4 UmwStG ausgeschlossen sein. Durch die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs gem. § 1 Abs. 4 UmwStG und durch die in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG verankerte Entstrickungsklausel sind insbesondere beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter betroffen. Die auf den Zeitpunkt der Sacheinlage2 bezogene Entstrickungsklausel wird unter außensteuerrechtlichen Aspekten für Zwecke der rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG) durch die in § 22 Abs. 1 Satz 5 u. Satz 6 Nr. 6 UmwStG geregelten Entstrickungsklauseln ergänzt. Zu der hier allein bedeutsamen Inlandsverschmelzung die folgenden Einzelheiten:

17.52 Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich im Regelfall keine Besonderheiten, weil unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht, sich der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG für diesen Personenkreis ohne weiteres eröffnet (§ 1 Abs. 4 UmwStG) und durch die Verschmelzung der Personengesellschaft auf die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht Deutschlands für die Gewinne aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das gilt für in- und ausländisches Betriebsstättenvermögen gleichermaßen,3 so dass insoweit der Buchwertansatz gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und damit eine Steuerneutralität möglich ist. Die Verschmelzung bewirkt im übrigen grundsätzlich eine Verdoppelung der stillen Reserven, weil nunmehr diese sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Gesellschafterebene zukünftig der Besteuerung ausgesetzt sind.4 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenver-

1 Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 229. 2 Im Falle der Rückbeziehung ist auf den steuerlichen Übertragungsstichtag (Einbringungszeitpunkt) abzustellen, so dass die Sicherstellung der deutschen Besteuerung nur für stille Reserven zu beachten ist, die zu diesem Zeitpunkt der inländischen Besteuerung unterliegen; vgl. Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 311; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG Rz. 334, 337. 3 Hierzu Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 168; Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 474 f. 4 Patt in D/J/P/W, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 24.

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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

mögen gehören und hierdurch die Gewinne aus der Veräußerung dieser Anteile abkommensrechtlich1 der deutschen Besteuerung entzogen sind. Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), gelten für den hierdurch ausgelösten Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn) keine steuerlichen Besonderheiten:2 Für die einer ausländischen Betriebsstätte funktional zuzuordnenden Wirtschaftsgüter ist der Übertragungsgewinn in Abkommensfällen steuerfrei, sofern das zur Anwendung kommende DBA die Freistellungsmethode vorsieht3 und soweit diese nicht durch nationales Recht suspendiert wird.4 Im Übrigen ist Steuerpflicht gegeben, wobei ggf. eine ausländische Steuer zur Anrechnung kommt (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG).

17.53

Sind dagegen beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, so ist wie folgt zu differenzieren: Greift kein DBA ein, unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG der beschränkten Steuerpflicht, so dass § 20 UmwStG anwendbar ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Da schließlich das deutsche Besteuerungsrecht auch hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des im Zuge der Verschmelzung übergehenden Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, kann hierfür auf Antrag der Buchwert angesetzt werden, so dass insoweit eine Steuerneutralität gewährleistet ist (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Das gilt für den Übergang von Wirtschaftsgütern des in- und ausländischen Betriebsstättenvermögens gleichermaßen: In beiden Fällen wird das deutsche Besteuerungsrecht nicht nachteilig verändert. Verschmelzungsbedingt kommt es indessen zu einer erstmaligen Begründung des deutschen Besteuerungsrechts, soweit einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnende Wirtschaftsgüter übergehen. Für diesen Fall der verschmelzungsbedingten Steuerverstrickung enthält § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG keine Regelung, so dass insoweit auf der Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft über § 8 Abs. 1 KStG die allgemeine Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG zur Anwendung kommt. Damit wird der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) für den Ansatz dieser übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend.5 Hieran ändert auch der Umstand, dass das

17.54

1 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 2 Vgl. § 20 Abs. 3, 4 UmwStG. 3 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 38; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16; vgl. Rz. 16.387. 4 Z.B. durch § 20 Abs. 2 AStG, § 50d Abs. 9 EStG. 5 Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 228; Menner in Haritz/Menner, § 20 UmwStG Rz. 270; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 48; Mutscher in Frotscher/Maas, § 20 UmwStG Rz. 280 ff.; Förster/ Wendland, BB 2007, 631 (634); Damas, DStZ 2007, 129 (137); Ley, FR 2007, 109 (112); a.A. Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 167.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

in § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG verankerte Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann, nichts, da der Wertansatz insoweit zwingend und somit dem Bewertungswahlrecht von vornherein nicht zugänglich ist.1 Ein etwa durch den Ansatz mit dem gemeinen Wert ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn) wird außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht erzielt, so dass insoweit eine deutsche Besteuerung ausscheidet.2 Wird dagegen in den übrigen Fällen der beschränkten Steuerpflicht das Wahlrecht im Sinne des Buchwertansatzes nicht ausgeübt, unterliegt ein hierdurch ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn; § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung.

17.55 Greift ein DBA ein, sind die Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft in aller Regel (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) dem deutschen Besteuerungsrecht entzogen, so dass § 20 UmwStG nicht anzuwenden ist, soweit an der übertragenden Personengesellschaft beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, die nicht in einem EU-/EWR-Staat ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die vorgenannten Anteile einem inländischen Betriebsstättenvermögen funktional zuzuordnen sind. In diesem Fall bleibt abkommensrechtlich das deutsche Besteuerungsrecht ohne Einschränkung aufrechterhalten,3 so dass auch § 20 UmwStG anwendbar ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).

17.56 Soweit sich für die vorgenannten in Drittstaaten sowie in EU-/EWR-Staaten ansässigen Gesellschafter der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG eröffnet, ist für übergehende Wirtschaftsgüter, die einer inländischen Betriebsstätte funktional zuzuordnen sind, der Buchwertansatz und damit die Steuerneutralität möglich (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), weil insoweit kein deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Gehen allerdings einer ausländischen Betriebsstätte funktional zuzuordnende Wirtschaftsgüter über, wird verschmelzungsbedingt ein deutsches Besteuerungsrecht begründet, so dass insoweit zwingend wegen der hiermit verbundenen Steuerverstrickung der gemeine Wert zum Ansatz kommt.4 Ein hierdurch ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn) unterliegt nicht der beschränkten Steuerpflicht.5 Kommt in den übrigen Fällen der beschränkten Steuer1 Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 228; Mutscher in Frotscher/Maas, § 20 UmwStG Rz. 280, 288; a.A. Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 167. 2 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 3 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 38. 4 Hierzu Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 228; Menner in Haritz/Menner, § 20 UmwStG Rz. 270; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 48; Mutscher in Frotscher/Maas, § 20 UmwStG Rz. 280; a.A. Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 167. 5 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663.

900

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

pflicht mangels Wahlrechtsausübung der gemeine Wert zum Ansatz (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), unterliegt ein etwaiger Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn; § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung, ohne dass diese durch ein DBA (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA) eingeschränkt wird. Die im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile unterliegen auf Gesellschafterebene in Zukunft nach allgemeinen Grundsätzen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Die für die Berechnung eines etwaigen Veräußerungsgewinns maßgeblichen Anschaffungskosten dieser Anteile ergeben sich aus § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG; danach bildet der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das im Zuge der Verschmelzung übergehende Vermögen ansetzt, die Anschaffungskosten der als Gegenleistung gewährten Anteile ab. Dadurch wird sichergestellt, dass die im Zuge der Verschmelzung erworbenen Anteile der Höhe nach dieselben stillen Reserven enthalten wie sie in dem übergehenden Vermögen der einbringenden Personengesellschaft enthalten waren.1 Diese Verdoppelung der stillen Reserven ist allerdings dann nicht gerechtfertigt, wenn das übergehende Vermögen vor und nach der Verschmelzung dem deutschen Besteuerungsrecht nicht ausgesetzt ist. In diesem Fall sind die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile um den gemeinen Wert dieser dem deutschen Besteuerungsrecht nicht unterworfenen Wirtschaftsgüter zu erhöhen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Angesprochen hierdurch sind insbesondere Wirtschaftsgüter, die einem ausländischen Betriebsstättenvermögen funktional zuzuordnen sind, so dass abkommensrechtlich Deutschland bei Anwendung der Freistellungsmethode die Gewinne aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter steuerfrei zu stellen hat. Diese Sonderregelung hat Auswirkung für die Veräußerung der verschmelzungsbedingt erhaltenen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt.

17.57

Werden die im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der über- 17.58 nehmenden Kapitalgesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt veräußert, kommt es unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 UmwStG zu einer rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I). Diese rückwirkende Besteuerung, die nur eingreift, wenn die Einbringung (Sacheinlage) unter dem gemeinen Wert erfolgt ist, gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gleichermaßen.2 Ohne Bedeutung ist im Grundsatz auch, ob der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft überhaupt der Besteuerung unterliegt.3 Etwas anderes gilt in den Fällen, in 1 Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 293. 2 Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 20; Stangl in R/H/vL, UmwSt, § 22 UmwStG Rz. 73. 3 Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 20; Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 26; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 22 UmwStG Rz. 22.

901

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

denen im Zuge der Verschmelzung bisher in Deutschland steuerverhaftete Kapitalanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen und die hierfür erhaltenen Anteile an derselben nicht mehr in Deutschland steuerverstrickt sind (§ 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG). Für diesen Fall des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den erhaltenen Anteilen kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I.1 Betroffen ist hierdurch insbesondere der Fall, dass ein beschränkt steuerpflichtiger EU-Bürger mit entsprechendem Abkommensschutz an der einbringenden Personengesellschaft beteiligt ist und im Zuge der Verschmelzung Kapitalanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen, deren Anteile abkommensrechtlich (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) der deutschen Veräußerungsgewinnbesteuerung entzogen sind. Ohne die vorgenannte Regelung2 könnten die erhaltenen Anteile, soweit sie auf die mit eingebrachten Anteile entfallen, unmittelbar nach der Verschmelzung ohne deutsche Besteuerung veräußert werden.

17.59 In allen Fällen ist eine rückwirkende Besteuerung nur innerhalb der in § 22 Abs. 1 UmwStG geregelten siebenjährigen Sperrfrist möglich. Nach Ablauf dieser Sperrfrist entfällt jedwede rückwirkende Besteuerung. In dem hier interessierenden Zusammenhang erfolgt innerhalb der vorbezeichneten siebenjährigen Sperrfrist eine rückwirkende Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I) auch, wenn die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG entweder für die Gesellschafter der einbringenden Personengesellschaft oder für die übernehmende Kapitalgesellschaft zum Fortfall kommen (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG). Dieser Ersatzrealisationstatbestand hat insbesondere dann Bedeutung, wenn die Gesellschafter der einbringenden Personengesellschaft ihre Ansässigkeit von einem EU-/EWR-Staat in einen Drittstaat durch Wegzug verlegen und hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Neben der rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I) erfolgt im Falle des Wegzugs hinsichtlich der erhaltenen Anteile zusätzlich auch eine Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG.4

17.60 Gehen verschmelzungsbedingt Kapitalanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft unter dem gemeinen Wert über, ist (auch) § 22 Abs. 2 1 Zu weiteren Einzelheiten Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 100; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 22 UmwStG Rz. 69 ff. 2 Insoweit handelt es sich um eine Missbrauchsklausel; so Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 53. 3 Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 128; Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 139; anders in den Fällen der fortbestehenden Personengesellschaft (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG); Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 50; Bilitewski in Haritz/Menner, § 22 UmwStG Rz. 170. 4 Bilitewski in Haritz/Menner, § 22 UmwStG Rz. 169; zur Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG vgl. Rz. 253 ff.

902

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

UmwStG anzuwenden. Das bedeutet, dass bei einer Veräußerung der übergehenden Kapitalanteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist die rückwirkende Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) ausgelöst wird. Eine Ersatzrealisation erfolgt auch dann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die EU-/EWR-Ansässigkeitsvoraussetzung z.B. durch Verlegen des Orts der Geschäftsleitung in einen Drittstaat verliert (§ 22 Abs. 2 Satz 6 Alt. 2 UmwStG).1 Zu einer rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) kommt es allerdings nicht, wenn vor der Veräußerung der übergehenden Kapitalanteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft die Gesellschafter der übertragenen Personengesellschaft der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) unterlegen sind und soweit die hieraus resultierende Steuer nicht gestundet ist (§ 22 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 UmwStG). Greift auf Gesellschafterebene die Wegzugsbesteuerung nach der Veräußerung der im Zuge der Verschmelzung übergehenden Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft ein, so sind im Rahmen der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) in Höhe des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile zu berücksichtigen (§ 22 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften Die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften, die handelsrechtlich in den §§ 39 ff. UmwG eine eigenständige Regelung erfahren hat, fällt unter den Regelungsbereich des § 24 UmwStG, so dass unter den dort genannten Voraussetzungen im Wege der Einbringung ein steuerneutraler Betriebsvermögenstransfer zulässig ist.2 Die nach § 24 UmwStG mögliche steuerneutrale Einbringung qualifizierten Vermögens3 steht allerdings unter Entstrickungsvorbehalt: Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG kann das übernommene Vermögen nur dann unter dem gemeinen Wert angesetzt werden, wenn das deutsche Besteue1 Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 305; der Wegzug in einen EU-/EWR-Staat ist dagegen unschädlich; § 12 Abs. 1 KStG greift insoweit nicht ein; vgl. Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 41; Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 35; Biliterski in Haritz/Menner, § 22 UmwStG Rz. 168. 2 Zur Regelungsdivergenz zwischen §§ 39 ff. UmwG, wonach die übertragende Personengesellschaft als Einbringende gilt, und § 24 UmwStG, nach dem die Gesellschafter der übertragenden Personengesellschaft als Einbringende gelten, Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 55. 3 Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, Bruchteil eines Mitunternehmeranteils und 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft; vgl. hierzu Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 87; eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht als steuerneutralen Einbringungsgegenstand qualifizierend BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; ferner Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 42; dagegen BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 95.

903

17.61

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

rungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des übergehenden Vermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.1 Diese Entstrickungsklausel hat bei Inlandsverschmelzungen grundsätzlich keine Bedeutung. Im Übrigen differenziert § 24 UmwStG weder zwischen inländischem und ausländischem Betriebsvermögen noch zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter. Einschränkungen ergeben sich auch nicht in persönlicher Hinsicht (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG), so dass an der Verschmelzung auch Rechtsträger teilnehmen können, die nicht in EU-/EWR-Staaten ansässig sind.2

17.62 Geht im Rahmen der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen über, so ergeben sich keine Besonderheiten, weil ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA eingreift oder nicht, sowohl für unbeschränkt als auch für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter die Besteuerung der in dem übergehenden Vermögen gebundenen stillen Reserven uneingeschränkt erhalten bleibt. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern ist die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) und bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen3 gewährleistet.4 Eine Ausnahme ergibt sich allenfalls bei einem verschmelzungsbedingten Zuordnungswechsel übergehender Wirtschaftsgüter von einem inländischen auf ein ausländisches Betriebsstättenvermögen, das der deutschen Besteuerung entzogen ist oder aber zu einer Anrechnung ausländischer Steuern zwingt.

17.63 Wird im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen überführt, wird das deutsche Besteuerungsrecht verschmelzungsbedingt ebenfalls weder ausgeschlossen noch beschränkt: Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind und keine DBA eingreifen, bleibt die Besteuerung im Rahmen des Welteinkommens auch nach verschmelzungsbedingtem Vermögensübergang uneingeschränkt erhalten. Greift ein DBA ein, ist das deutsche Besteuerungsrecht durch das abkommensrechtlich verankerte Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff.) im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode sowohl vor als auch nach Verschmelzung ausgeschlossen.5 Soweit abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Steueranrech1 Abzustellen ist auf die beteiligten Mitunternehmer; auf die Gewerbesteuer der übernehmenden Personengesellschaft selbst kommt es nicht an; hierzu Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 83. 2 Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 158; Mutscher in Frotscher/Maas, § 24 UmwStG Rz. 11, 14. 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; bei der Einbringung unbeweglichen Vermögens gelten vorrangig Art. 6; 13 Abs. 1 OECD-MA; vgl. Rz. 16.383. 4 Hierzu Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 83. 5 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120).

904

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

nung vermieden wird, tritt durch die Verschmelzung ebenfalls keine Veränderung ein. Im Ergebnis gilt dies auch, soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind: Die Besteuerung der im ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven liegt außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht.1 Im Hinblick darauf wird es in der Praxis in aller Regel beim Ansatz mit dem gemeinen Wert verbleiben (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).

III. Spaltung Das UmwStG erfasst die Spaltung von Körperschaften und Personengesellschaften, die nach Maßgabe des UmwG aufgrund partieller Gesamtrechtsnachfolge möglich ist. Ausdrücklich geregelt sind indessen lediglich die Auf- und Abspaltung von Körperschaften2 auf andere Körperschaften (§ 15 UmwStG) und Personengesellschaften (§ 16 UmwStG). Alle anderen im UmwG normierten Fälle der Spaltung haben im UmwStG keine besondere Regelung erfahren. Daher sind etwa die Auf- und Abspaltung von Personengesellschaften sowie die Ausgliederung aus Körperschaften auf Personengesellschaften im UmwStG als Einbringungsvorgänge konzipiert, so dass insoweit entweder §§ 20; 21 UmwStG oder § 24 UmwStG zur Anwendung kommen.3 Zwar ist die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften in den §§ 15; 16 UmwStG gesondert geregelt, beide Vorschriften beschränken sich aber im Wesentlichen darauf, die für die Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften für entsprechend anwendbar zu erklären und darüber hinaus spaltungsspezifische Besonderheiten zu regeln.

17.64

Steuerrechtlich ist etwa die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften als bloße Umkehrung der Verschmelzung zu verstehen.4 Wie bei einer Verschmelzung treten daher die spaltungsbedingten Steuerfolgen beim übertragenden und übernehmenden Rechtsträger sowie auf Gesellschafterebene ein. Im Hinblick auf diese parallelen Rechtsstrukturen ergeben sich im außensteuerlichen Kontext zwischen Verschmelzung einerseits und Spaltung andererseits keine Unterschiede: Für die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften und auf Personengesellschaften gelten die für die Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften und damit auch die dort genannten Entstrickungsklauseln, also insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i.V. mit §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG sowie § 16 Satz 1 UmwStG i.V. mit

17.65

1 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (424). 2 Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf Kapitalgesellschaften. 3 Schumacher in R/H/vL, § 15 UmwStG Rz. 1, § 16 UmwStG Rz. 1. 4 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 15 UmwStG Rz. 25; Schumacher in R/H/vL, § 15 UmwStG Rz. 4; Asmus in Haritz/Menner, § 15 UmwStG Rz. 3.

905

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

§§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 4 Abs. 4 Satz 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Für die Ausgliederung aus Kapitalgesellschaften und für die Spaltung von Personengesellschaften sind die Einbringungsvorschriften des UmwStG (§§ 20; 21; 24 UmwStG) verbindlich, die zugleich auch für die Verschmelzung anwendbar sind. Damit greifen auch hier die gleichen Entstrickungsklauseln ein1 wie bei den entsprechenden Verschmelzungen. Das bedeutet im Ergebnis, dass bei Inlandsspaltungen die Steuerneutralität gewährleistet ist, soweit das deutsche Besteuerungsrecht an den im Zuge der Spaltung übergehenden Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.2 Soweit keine Entstrickungsklauseln normiert sind, kommen im Übrigen auch hier die für die Verschmelzung maßgeblichen Grundsätze entsprechend zur Anwendung. Für die vorgenannten Fälle der Spaltung ergeben sich allerdings Beschränkungen im persönlichen Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 4 UmwStG). Hieraus folgt, dass nicht in der EU/EWR ansässige Rechtsträger nur dann von der Reichweite der §§ 15; 16 UmwStG erfasst werden, wenn spaltungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Diese Einschränkung gilt nicht für die Auf- und Abspaltung von Personengesellschaften und für die Ausgliederung auf Personengesellschaften (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).

17.66 Greifen DBA ein, gelten die für die Verschmelzung maßgeblichen Qualifikationsregeln ebenfalls entsprechend: Etwaige Übertragungsgewinne3 unterliegen z.B. bei Kapitalgesellschaften dem Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, soweit unbewegliches Vermögen betroffen ist, und dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, soweit sie bewegliches Betriebsstättenvermögen betreffen.4 Dementsprechend liegt das Besteuerungsrecht beim Belegenheits- oder Betriebsstättenstaat (Rz. 16.381 ff., 16.385 ff.). Bei Personengesellschaften sind die gleichen Regeln anzuwenden (Art. 13 Abs. 1, 2 OECD-MA). Soweit ein Übernahmegewinn entsteht,5 handelt es sich regelmäßig um Veräußerungsgewinne6 gem. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, für die dem jeweiligen Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Entsprechendes gilt für den spaltungsbedingten Anteilstausch auf Gesellschafterebene,

1 §§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3; 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG. 2 Bei § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG wird allerdings darauf abgestellt, dass das deutsche Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. 3 §§ 16 Satz 1 UmwStG; §§ 15 Abs. 1 Satz 1; 3 UmwStG; §§ 20 Abs. 4; 21 Abs. 3 UmwStG. 4 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (125 f.); Rz. 16.387. 5 Bei der Auf- und Abspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. 6 Hierzu Dötsch in D/J/P/W, § 12 UmwStG Rz. 43; Rödder in R/H/vL, § 12 UmwStG Rz. 86.

906

B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug

für den entweder Art. 13 Abs. 5 OECD-MA (Privatvermögen) oder Art. 13 Abs. 2 OECD-MA (Betriebsvermögen) in Betracht kommt.1

IV. Vermögensübertragung Das UmwStG erfasst die Vermögensübertragung von Körperschaften an- 17.67 derer Rechtsformen, die nach Maßgabe des UmwG aufgrund von Gesamtrechtsnachfolge bei Vollübertragung und aufgrund partieller Gesamtrechtsnachfolge bei Teilübertragung möglich ist. Für die Vollübertragung (§ 174 Abs. 1 UmwG) kommen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwStG die für die Verschmelzung von Körperschaften auf Körperschaften geltenden Vorschriften (§§ 11–13; 19 UmwStG) zur Anwendung, wobei ein steuerneutraler Vermögensübergang nur dann möglich ist, wenn das Vermögen auf den alleinigen Anteilseigner übertragen wird. In allen anderen Fällen wird eine (schädliche) andere Gegenleistung gewährt.2 Für die Teilübertragung durch Auf- und Abspaltung (§ 174 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UmwG) werden die für die Auf- und Abspaltung von Körperschaften maßgeblichen § 15 i.V. mit §§ 11–13, 19 UmwStG für anwendbar erklärt. Hieraus folgt: Soweit die Vermögensübertragung im außensteuerlichen Kontext überhaupt Bedeutung erlangt, gelten im Ergebnis die für die Verschmelzung maßgeblichen Grundsätze entsprechend. Im Hinblick darauf wird wie bei der Vollübertragung ein steuerneutraler Vermögensübergang nur auf einen alleinigen Anteilseigner möglich sein.3 Der Teilübertragung durch Ausgliederung (§ 174 Abs. 2 Nr. 3 UmwG) ist eine Regelung im UmwStG allerdings versagt geblieben. Da insbesondere auch die §§ 20 ff. UmwStG nicht zur Anwendung kommen, weil im Zuge der Teilübertragung durch Ausgliederung seitens der übernehmenden Körperschaft keine Gesellschaftsrechte gewährt werden, führt die Teilübertragung durch Ausgliederung stets zu einer Realisation stiller Reserven, so dass insoweit die allgemein steuerlichen Grundsätze zur Anwendung kommen.4 Dies gilt uneingeschränkt auch im außensteuerlichen Kontext. Hieraus folgt, dass abkommensrechtlich auf Gesellschaftsebene und auf Gesellschafterebene Veräußerungsgewinne (Art. 13 Abs. 2, 5 OECD-MA) gegeben sind.5

V. Formwechsel Der den §§ 190 ff. UmwG zugrunde liegenden Konzeption des identitätswahrenden Formwechsels wird durch das UmwStG eine Absage insoweit 1 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (126); Rz. 16.387. 2 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 3 nach § 189 UmwG Rz. 4. 3 Asmus in Haritz/Menner, § 15 UmwStG Rz. 23; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 3 nach § 189 UmwG Rz. 12. 4 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 4 nach § 189 UmwG Rz. 2. 5 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (126).

907

17.68

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

erteilt, als für sog. heterogene Formwechsel, also für Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften und von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften ein Vermögensübergang unterstellt wird.1 Im Hinblick darauf verweisen die §§ 9; 25 UmwStG in den vorgenannten Fällen des Formwechsels auf die für die Verschmelzung geltenden Vorschriften des UmwStG. Im außensteuerlichen Kontext gibt es daher im Grundsatz keine Unterschiede zwischen Verschmelzung einerseits und Formwechsel andererseits. Das gilt allerdings abkommensrechtlich in den Fällen nicht, in denen aufgrund der in § 9 UmwStG verankerten Verweisung auf die Verschmelzungsvorschriften auf Gesellschaftsebene ein Übernahmegewinn2 und auf Gesellschafterebene ein verschmelzungsbedingter Anteilstausch (§ 13 UmwStG) anzunehmen ist: Nach den Regeln des UmwStG wird zwar bei rechtsformübergreifendem (heterogenem) Formwechsel ein Vermögensübergang (§ 9 UmwStG) fingiert, diese Fiktion schlägt aber nicht auf Abkommensebene durch, so dass insoweit nicht der an eine Veräußerung anknüpfende Art. 13 OECDMA, sondern Art. 21 Abs. 1 OECD-MA (andere Einkünfte) und ausnahmsweise Art. 7 OECD-MA3 eingreifen.4 Hieraus folgt, dass in aller Regel das ausschließliche Besteuerungsrecht beim Wohnsitzstaat liegt.

17.69 Da mit dem Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Kapitalgesellschaften anderer Rechtsform und von Personengesellschaften in Personengesellschaften anderer Rechtsform ein Vermögensübergang auch nach Maßgabe des UmwStG nicht verbunden ist, bleibt dieser Formwechsel steuerlich ohne Bedeutung, so dass insoweit eine Gewinnrealisierung der in dem Vermögen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen ist.5 Das gilt aus der Sicht des deutschen Steuerrechts auch im außensteuerlichen Kontext.

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Benecke/Schnitger, Letzte Änderungen der Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, 1 Hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 17; Dötsch in D/J/P/W, § 9 UmwStG Rz. 3; Birkemeier in R/H/vL, § 9 UmwStG Rz. 2; Greve in Haritz/Menner, § 9 UmwStG Rz. 7. 2 § 4 UmwStG (Personengesellschaften); § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Kapitalgesellschaften). 3 Wenn die Anteile etwa an der untergehenden Kapitalgesellschaft schon vor dem Formwechsel tatsächlich zu einem Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters gehört haben. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer in Schaumburg/ Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124); hierzu auch Rz. 16.474. 5 Dötsch in D/P/J/W, § 9 UmwStG Rz. 3.

908

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen IStR 2007, 22; Blumenberg, Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 559; Bollacher, Referentenentwurf zur Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts, RIW 2008, 200; Brähler/ Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Bruckmeier/Zwirner/Künkele, Die Behandlung eigener Anteile – Das BilMoG kürzt das Steuersubstrat und fördert Investitionen in eigene Aktien, DStR 2010, 1640; von Busekist, Umwandlung einer GmbH in eine im Inland ansässige EU-Kapitalgesellschaft am Beispiel der englischen Ltd., GmbHR 2004, 650; Buyer, Die „Repatriierung“ ausländischer beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften durch Sitzverlegung ins Inland, DB 1990, 1682; Carlé, Entstrickung im Ertragsteuerrecht, KÖSDI 2007, 15401; Dörfler/Adrian, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Steuerbilanzrechtliche Auswirkungen, DB 2009, Beilage 5, 58; Förster, Steuerneutrale Umstrukturierung von grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaftskonzernen, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 801; Förster, Umstrukturierung deutscher Tochtergesellschaften im Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 1991; Förster/ Dautzenberg, Verdoppelung stiller Reserven bei grenzüberschreitenden Einbringungen, DB 1993, 645; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Frotscher, Gedanken zur Zentralfunktion der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte, in Strunk/Wassermeyer/Kaminski (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht und Internationales Steuerrecht, GS für Krüger, Bonn/Berlin 2006, 95; Herzig/Briesemeister, Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz nach BilMoG – Unvermeidbare Abweichungen und Gestaltungsspielräume, WPg 2010, 63; Herzig/Förster, Grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften, BB 1992, 1251; Herzig/Förster, Grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, DB 1994, 1; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach den neuen BetriebsstättenVerwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Kessler/Huck, Der (zwangsweise) Weg in den Betriebsstättenkonzern am Beispiel der Hinausverschmelzung von Holdinggesellschaften, IStR 2006, 433; Kessler/Winterhalter/Huck, Überführung und Rückführung von Wirtschaftsgütern: Die Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG, DStR 2007, 133; Klingebiel, SEStEG-Umwandlung einer Körperschaft in eine Personengesellschaft, DK 2006, 600; Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991, 298; Köhler, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in der EU, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; Kowallik/Merklein/Scheipers, Ertragsteuerliche Beurteilung der Anwachsung nach den Änderungen des UmwStG aufgrund des SEStEG, DStR 2008, 173; Kußmaul/Richter/Heyd, Ausgewählte Problemfelder der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften aus Deutschland, IStR 2010, 73; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Leuering, Von Scheinauslandsgesellschaften hin zu Gesellschaften mit Migrationshintergrund, ZRP 2008, 73; Lieder/Kliebisch, Nichts Neues im Internationalen Gesellschaftsrecht: Anwendbarkeit der Sitztheorie auf Gesellschaften aus Drittstaaten?, BB 2009, 338; Lutter/ Drygala, Internationale Verschmelzungen in Europa, JZ 2006, 770; Meyer, Die Besteuerung grenzüberschreitender Verschmelzungen, Berlin 1995; Momen, Steuerneutralität grenzüberschreitender Spaltungen von Kapitalgesellschaften im deut-

909

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht schen Ertragsteuerrecht, Köln 1997; Müller-Gatermann, Das SEStEG im Überblick – Entwicklung und Verstrickung sowie neues Umwandlungssteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 939; Prinz, Deutschland, ein Auswanderungsland?, JbFSt 2007/2008, 416; Pupeter/Schnittker, Sidestep-merger ohne Anteilsgewährung, FR 2008, 160; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen, in Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Zuzug von Unternehmen, DK 2005, 347; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996, 501, 585; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Spahlinger/Wegen, Deutsche Gesellschaften in grenzüberschreitenden Umwandlungen nach „Sevic“ und der Verschmelzungsrichtlinie in der Praxis, NZG 2006, 721; Suchanek/Herbst, Zweifelsfragen und jüngste Entwicklungen im Zusammenhang mit der Anwachsung, Ubg 2008, 669; Täske, Grenzüberschreitende Einbringungen von Betriebsstätten in Kapitalgesellschaften, in Herzig (Hrsg.), Steuerorientierte Umstrukturierung von Unternehmen, Stuttgart 1997, 233; Thiel, Die grenzüberschreitende Umstrukturierung im Ertragsteuerrecht, GmbHR 1994, 277; Veil, Kollisionsrechtliche und sachrechtliche Lösungen für eine Verschmelzung und eine Spaltung über die Grenze, DK, 2007, 98; Weller, Die Rechtsquellendogmatik des Gesellschaftskollisionsrechts, IPrax 2009, 202; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455.

I. Umwandlungsrechtliche Möglichkeiten 17.70 Nach § 1 Abs. 1 UmwG ist nur die Umwandlung von Rechtsträgern mit Sitz1 im Inland geregelt, so dass hiernach im Grundsatz sowohl übertragende als auch übernehmende Rechtsträger im Inland ihren Sitz haben müssen. Das bedeutet, dass an einer Umwandlung grundsätzlich nur nach inländischem Recht errichtete Rechtsträger beteiligt sein können.2 Mit dieser Beschränkung der Umwandlungsmöglichkeiten auf nach inländischem Recht errichtete Rechtsträger hat der Gesetzgeber zwar den rechtstechnischen Problemen entsprochen, die mit einer Ausdehnung der Umwandlung auf grenzüberschreitende Vorgänge verbunden sind,3 diese Binnenorientierung des UmwG entspricht aber nicht den sich insbesondere aus der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49

1 Gemeint ist der statutarische Sitz; Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 15; Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 10; Drinhausen in Semler/Stengel2, Einleitung C UmwG Rz. 20; Dauner-Lieb in KK-UmwG § 1 UmwG Rz. 24. 2 Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 11, Drinhausen in Semler/Stengel2, Einleitung C UmwG Rz. 26. 3 Vgl. hierzu Lutter/Drygala in Lutter4 § 1 UmwG Rz. 7 ff.; Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 10 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 1 UmwG Rz. 23 ff.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

AEUV) abzuleitenden Vorgaben, wie sie auch der EuGH1 konkretisiert hat. Im Hinblick darauf eröffnet das UmwG nunmehr2 in Abweichung von § 1 Abs. 1 UmwG die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, bei der mindestens eine der beteiligten Kapitalgesellschaften dem Recht eines anderen EU-/EWR-Staates unterliegt.3 Schließlich sieht auch die SE-VO4 die Gründung einer SE durch grenzüberschreitende Verschmelzung vor, wobei insoweit lediglich eine Verschmelzung durch Aufnahme oder durch Neugründung in Betracht kommt. Andere grenzüberschreitende Umwandlungen sind nach den Regelungen des UmwG im rechtstechnischen Sinne (noch) nicht vorgesehen.5 Soweit grenzüberschreitenden Umwandlungen eine ausdrückliche Regelung im Umwandlungsgesetz versagt bleibt, wird in der Praxis nicht selten auf Ersatzkonstruktionen zurückgegriffen, die im Wesentlichen darauf gerichtet sind, ein der grenzüberschreitenden Umwandlung vergleichbares Ziel zu erreichen. Hierbei geht es insbesondere darum, die grenzüberschreitenden Strukturen entweder durch Sitzverlegung oder durch grenzüberschreitende Betriebseinbringung herbeizuführen. Auf dieser Grundlage kann etwa das Ziel einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Sitzverlegung mit nachfolgender Verschmelzung im Ausland oder durch grenzüberschreitende Betriebseinbringung mit nachfolgender Liquidation der einbringenden Kapitalgesellschaft im Inland erreicht werden.6 Derartige Ersatzkonstruktionen außerhalb des UmwG sind ohne weiteres möglich.7

17.71

Im Unterschied zum Umwandlungsgesetz ist das Umwandlungssteuergesetz in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreihei-

17.72

1 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Sevic, EuGHE 2005, I-10805. 2 §§ 122a ff. UmwG; eingeführt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. 3 Übertragende, übernehmende oder neue Gesellschaften dürfen nur Kapitalgesellschaften i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2005/56/EG v. 26.10.2005 (Verschmelzungsrichtlinie), ABl. EU Nr. L 310, 1 v. 25.11.2005, sein, die nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet worden sind und die ihren Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung in einem der vorgenannten Staaten haben. 4 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über das Status der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001. 5 Weitergehend Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 7 ff.; die aus europarechtlichen Gründen z.B. auch eine grenzüberschreitende Spaltung für zulässig erachten; ebenso Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 13; Dauner-Lieb in KK-UmwG § 1 UmwG Rz. 28; vgl. auch Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 1 UmwG Rz. 22. 6 Hierzu Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 15; von Busekist, GmbHR 2004, 650 (653 ff.); Rödder in R/H/vL, Einführung UmwStG Rz. 39; dort auch zu weiteren Ersatzkonstruktionen. 7 Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 25; Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 15; Stengel in Haritz/Menner3, Einf. A UmwStG Rz. 9.

911

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

ten1 durch eine weitreichende Europäisierung geprägt, womit im Ergebnis eine an sich europarechtlich gebotene weitere Öffnung des Umwandlungsrechts durch das Steuerrecht antizipiert wird.2 Das Umwandlungssteuerrecht regelt somit die steuerlichen Rechtsfolgen von grenzüberschreitenden Umwandlungen, die im Umwandlungsgesetz derzeit noch nicht konkret geregelt sind. Das Umwandlungssteuergesetz erfasst also auch grenzüberschreitende Umwandlungen, soweit die an der Umwandlung beteiligten übertragenden und übernehmenden Rechtsträger Gesellschaften oder natürliche Personen sind, die in einem EU-/EWRStaat ansässig sind. Die an dem Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften müssen nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet sein und zugleich in den vorgenannten Staaten ihren Sitz sowie ihre Geschäftsleitung haben (§ 1 Abs. 2 UmwStG).3 Insbesondere bei Hereinverschmelzungen steht die Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes unter dem Vorbehalt, dass die ausländischen Vorgänge ihrem Wesen nach einer im deutschen Umwandlungsgesetz geregelten Umwandlungsart entsprechen oder aber auf Grund vergleichbarer Vorschriften in Verordnungen der EU erfolgen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Soweit nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften betroffen sind, bedarf es für die Anwendung der in Betracht kommenden Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes stets der Differenzierung zwischen Personenund Kapitalgesellschaften. Insoweit ist eine Vergleichbarkeitsprüfung im Sinne eines Typenvergleichs vorzunehmen.4 Sind an der grenzüberschreitenden Umwandlung Rechtsträger in Drittstaaten beteiligt, findet das Umwandlungssteuergesetz grundsätzlich keine Anwendung.5 Hieraus folgt in wertungsmäßiger Kongruenz mit dem Umwandlungsgesetz: Eine steuerneutrale grenzüberschreitende Umwandlung in oder aus Drittstaaten ist bei Gesamtrechtsnachfolge ausgeschlossen.6

17.73 Vom Regelungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG werden allerdings grenzüberschreitende umwandlungsähnliche Vorgänge erfasst, die über den EU-/EWR-Bereich hinausgehen. So gilt § 20 UmwStG (Betriebseinbrin-

1 Vgl. hierzu die EuGH. v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Sevic, EuGHE 2005, I-10805; v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155; v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – De Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409; v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829; vgl. auch EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, GmbHR 2009, 86. 2 Hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 73. 3 Für die SE und die SCE wird die Gründung in einem EU-Staat fingiert (§ 1 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). 4 Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 35; Haritz in Haritz/Menner3, § 1 UmwStG Rz. 35; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 1 UmwStG Rz. 17, 23. 5 Kritisch hierzu Werra/Teiche, DB 2006, 1455. 6 Zum UmwG vgl. Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 13; Leuering, ZRP 2008, 73 (77 f.).

912

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

gung) auch dann, wenn der Einbringende in einem Drittstaat ansässig ist, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).1 In den Fällen des § 21 UmwStG (Anteilseinbringung) können auch Kapitalanteile an Drittstaatengesellschaften eingebracht werden und im Rahmen von § 24 UmwStG (Einbringung in Personengesellschaften) gibt es hinsichtlich des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers keinerlei Einschränkungen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).2 Folgende auf Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge beruhende Umwandlungen und umwandlungsähnliche Vorgänge bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften sind zu unterscheiden:3

17.74

– Hinaus- und Hereinverschmelzung, – Hinaus- und Hereinspaltung, – Formwechsel durch Weg- und Zuzug.

II. Verschmelzung 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften a) Hinausverschmelzung Da eine Hinausverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften mangels ausdrücklicher Regelung im UmwG im rechtstechnischen Sinne versagt bleibt4 und daher auch die §§ 3 ff. UmwStG keine Anwendung finden (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG), wird in der Praxis durchweg folgende Ersatzkonstruktion gewählt: Es werden entweder der Betrieb der inländischen5 Kapitalgesellschaft oder die Anteile an derselben in eine ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, und anschließend wird die inländische Kapitalgesellschaft z.B. liquidiert.6 Dabei erhalten im Falle der Betriebseinbrin-

1 Insoweit ist die alte Rechtslage durch das SEStEG fortgeführt worden; hierzu Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (370); Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22 (25). 2 Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 287; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 1 UmwStG Rz. 122. 3 Vgl. auch die Übersicht bei Simon in KK-UmwG, § 2 UmwG Rz. 231. 4 Nach Lutter/Drygala in Lutter4,§ 1 UmwG Rz. 10, 18 soll die Hinausverschmelzung auf Personengesellschaften unmittelbar auf die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit gestützt und entgegen § 1 Abs. 2 UmwG durch analoge Anwendung der §§ 122a ff. UmwG umgesetzt werden können; ebenso Lutter/ Drygala, JZ 2006, 770 (776); Veil, DK, 2007, 98 (105); ähnlich Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 1 UmwG Rz. 59 f. und Simon/Rubner in KKUmwG, Vor §§ 122a ff. UmwG Rz. 34 ff. 5 Im Sinne unbeschränkter Steuerpflicht. 6 Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 Rz. 15; von Busekist, GmbHR 2004, 650 (653 ff.).

913

17.75

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

gung die bisherigen Gesellschafter der inländischen Kapitalgesellschaft Anteile an der ausländischen Personengesellschaft.1

17.76 Für die Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung gilt Folgendes: Die Einbringung eines Betriebes, Teilbetriebes oder einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft2 seitens der inländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten fällt unter die Reichweite des § 24 UmwStG: Als übernehmende Personengesellschaften3 kommen sowohl inländische als auch ausländische Rechtsträger in Betracht.4 Voraussetzung ist nur, dass die nach ausländischem Recht errichtete Personengesellschaft aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist.5 Hinsichtlich der steuerlichen Folgen ist insbesondere von Bedeutung, ob inländisches oder ausländisches Betriebsstättenvermögen eingebracht wird, unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind und ob ggf. DBA Anwendung finden.

17.77 Wird seitens der inländischen Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen6 in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, unterbleibt eine Realisation der in dem übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven, wenn die übernehmende ausländische Personengesellschaft die Buchwerte des eingebrachten Betriebsstättenvermögens fortführt. Dies setzt allerdings voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).7 Hiernach gilt: Soweit es sich um inländisches Betriebsstättenvermögen handelt, geht durch die 1 Hierzu Rödder in R/H/vL, Einf. UmwStG UmwG Rz. 39; Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 66 ff.; Herzig/Förster, DB 1994, 1 (1 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (503), 585 ff. 2 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gilt als Teilbetrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UmwStG; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 71; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 95; Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 36; BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671; a.A. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 42. 3 Im Sinne von Mitunternehmerschaften. 4 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 110; Widmann in W/M, § 24 UmwStG. Rz. 87; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 17; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 50; Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 60; Mutscher in Frotscher/Maas, § 24 UmwStG Rz. 13 f.; Nitzschke in Blümich, § 24 UmwStG Rz. 11. 5 Vgl. BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 17; Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 60. 6 Soweit es sich um einen Betrieb oder Teilbetrieb gem. § 24 Abs. 1 UmwStG handelt; zum Betriebs- und Teilbetriebsbegriff im Einzelnen Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 30 ff. 7 Hinsichtlich des deutschen Besteuerungsrechts wird nur auf die Einkommenund Körperschaftsteuer (nicht Gewerbesteuer) abgestellt, hierzu Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 128; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 205; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 84.

914

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Betriebseinbringung in die ausländische Personengesellschaft der deutsche Besteuerungszugriff grundsätzlich weder verloren noch wird er beschränkt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA Anwendung findet oder nicht. Greift kein DBA ein, bleiben die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven der inländischen Besteuerung verhaftet, wobei es keine Rolle spielt, ob neben der inländischen Kapitalgesellschaft etwa weitere unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen an der ausländischen Personengesellschaft beteiligt sind:1 Denn die Besteuerung der im inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven ist entweder im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens bei unbeschränkter Steuerpflicht oder aber gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei beschränkter Steuerpflicht gesichert. Kommt ein DBA zur Anwendung, bleibt die deutsche Besteuerung sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft2 als auch bei beschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter3 durch das abkommensrechtlich verankerte Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) erhalten.4 Soweit unbewegliches Vermögen eingebracht wird, gilt vorrangig Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, so dass (unverändert) der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht hat. Soweit es im Zuge (nach) der Einbringung (ausnahmsweise)5 zu einer geänderten Zuordnung von Einzelwirtschaftsgütern etwa von der inländischen Betriebsstätte zu der als Stammhaus6 zu qualifizierenden ausländischen Personengesellschaft kommt, werden die Voraussetzungen einer fiktiven Entnahme zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) erfüllt, weil hierdurch regelmäßig das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.7 Angesprochen sind hier insbesondere Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften sowie immaterielle Wirtschaftsgüter, die dem Betriebsvermögen des Stammhauses zuzuordnen sind, soweit sie nicht einer in der

1 Insoweit können stille Reserven des eingebrachten Betriebsvermögens auf diese Gesellschafter überspringen. 2 Die Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft vermittelt dem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter eine zurechenbare Beteiligung an dem inländischen Betriebsstättenvermögen; hierzu Rz. 18.66. 3 Grundsätzlich sind nur die Gesellschafter, nicht aber die Personengesellschaft abkommensberechtigt; hierzu Rz. 16.177 ff. 4 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwStG Rz. 68; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (503), 585 ff.; vgl. auch Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 60, wonach es ausreicht, dass einbringungsbedingt eine inländische Betriebsstätte begründet wird. 5 Vgl. Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599 ff.); Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746). 6 Soweit dort die Geschäftsleitung ist; vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.15, 7.3. 7 So jedenfalls die gesetzgeberische Konzeption; hierzu Rz. 5.346.

915

17.78

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen.1 Soweit in den vorgenannten Fällen die ausländische Personengesellschaft den Ort der Geschäftsleitung in einem anderen EU-Staat hat, kommt für in Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens realisierte stille Reserven eine gestreckte Besteuerung durch Bildung eines Ausgleichsposten in Betracht (§ 4g EStG).2

17.79 Im Hinblick darauf, dass die Betriebsstätteneinbringung in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an die inländische Kapitalgesellschaft keine Veränderungen auf der Ebene der Gesellschafter der inländischen Kapitalgesellschaft herbeiführt, ist es auch ohne Bedeutung, ob an dieser Gesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind.

17.80 Die anschließende Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung der Anteile an der ausländischen Personengesellschaft an die Gesellschafter führt indessen sowohl auf Gesellschaftsebene (§ 11 KStG) als auch auf Gesellschafterebene (§§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; 17 Abs. 4 EStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG) zu einer Realisation stiller Reserven und ist damit steuerneutral nicht möglich.3 Abkommensrechtlich unterliegen die Liquidationsgewinne bei der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Unternehmensgewinne4 oder als Veräußerungsgewinne5 der deutschen Besteuerung.6 Auf Gesellschafterebene ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern der Liquidationsgewinn als Veräußerungsgewinn (§ 17 Abs. 4 EStG7) und ggf. als Dividende (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu qualifizieren, wobei ggf. das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. a, c und e EStG) in Betracht kommt.8 Soweit zu den Gesellschaftern Kapitalgesellschaften zählen, greift die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1, 2 KStG ein.9

17.81 Die vorstehenden für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter der inländischen Kapitalgesellschaft maßgeblichen Grundsätze gelten im 1 BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; eine „Zentralfunktion des Stammhauses“ lehnen dagegen ab z.B. Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746). 2 Zu den europarechtlichen Problemen dieser Vorschrift vgl. Kessler/Winterhalter/ Huck, DStR 2007, 133 ff.; Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22. ff.; vgl. auch Rz. 5.351. 3 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 71; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (504 f.), 585 ff. 4 Art. 7 OECD-MA, soweit es Umlaufvermögen betrifft. 5 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, soweit es bewegliches Anlagevermögen betrifft, und Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, soweit es unbewegliches Vermögen betrifft. 6 Bei unbeweglichem Vermögen nur bei Belegenheit im Inland. 7 Gehören die Anteile zu einem inländischen Betriebsvermögen, sind regelmäßig Einkünfte aus Gewerbebetrieb gegeben. 8 Von Beckerath in Kirchhof9, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 101, 106, 110. 9 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 Rz. 17.7; vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, FR 2010, 578.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Ausgangspunkt auch für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, allerdings mit der Besonderheit, dass, soweit der Liquidationsgewinn auf Gesellschafterebene als privater Veräußerungsgewinn1 zu qualifizieren ist, eine inländische Besteuerung ausgeschlossen ist.2 Geht im Zuge der Betriebseinbringung von der inländischen Kapitalgesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen über,3 greift die Entstrickungsklausel des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ein, weil insoweit die Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht von der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) erfasst wird.4 Hieraus folgt, dass die Einbringung ausländischen Betriebsstättenvermögens durch die inländische Kapitalgesellschaft in die ausländische Personengesellschaft zu einer steuerpflichtigen Gewinnrealisierung der in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven führt, sofern nicht aufgrund eines DBAs Deutschland bereits zuvor die Berechtigung zur Besteuerung genommen war.5

17.82

Da im Zuge der für die Hinausverschmelzung erforderlichen Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft auf Gesellschaftsebene eine Besteuerung gem. § 11 KStG und auf Gesellschafterebene eine Besteuerung in Anwendung insbesondere des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG6 unvermeidbar ist, ist somit insoweit eine steuerneutrale Hinausverschmelzung auch bei ausländischem Betriebsstättenvermögen im Ergebnis ausgeschlossen, es sei denn die Liqudiationsgewinne sind auf Gesellschafterebene abkommensrechtlich dem deutschen Steuerzugriff entzogen.

17.83

Für die Hinausverschmelzung durch Anteilseinbringung gelten die für die Hinausverschmelzung durch Betriebseinbringung maßgeblichen steuerlichen Rechtsfolgen vorbehaltlich einiger strukturbedingter Besonderheiten entsprechend. So ist die Einbringung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft in die ausländische Personengesellschaft gem. § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG nur dann steuerneutral möglich, wenn es sich um eine 100 %ige Beteiligung7 handelt, wobei es weder auf eine Stücke-

17.84

1 Abkommensrechtlich gilt Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 2 Abkommensrechtlich gilt das Wohnsitzprinzip; vgl. Rz. 16.399. 3 Nach h.M. wird § 24 UmwStG auf Personengesellschaften ohne inländisches Betriebsstättenvermögen für unanwendbar gehalten; so von Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 99; Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 60; a.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 60. 4 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 5 Betriebsstättenfreistellung: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 Soweit nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb gegeben sind. 7 Gilt als Teilbetrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UmwStG, Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 71; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 95; Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 36; BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671; a.A. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 42.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

lung noch auf eine Mindestbesitzzeit ankommt. Voraussetzung ist indessen, dass die 100 %ige Beteiligung zu einem in- oder ausländischen Betriebsstättenvermögen der Gesellschafter gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG).1 Handelt es sich nicht um eine 100 %ige Beteiligung im Betriebsvermögen, ist eine Steuerneutralität nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich und gänzlich ausgeschlossen, wenn die Anteile zum Privatvermögen der einbringenden Gesellschafter gehören.2

17.85 Die sich an die Einbringung der Anteile in die ausländische Personengesellschaft anschließende Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung ihres Vermögens an die ausländische Personengesellschaft führt zu einer Schlussbesteuerung der in dem übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven gem. § 11 KStG (Rz. 17.80).

17.86 Neben der Einbringung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten mit anschließender Liquidation der Kapitalgesellschaft lässt sich die Hinausverschmelzung auch durch Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft mit anschließender Verschmelzung auf die ausländische Personengesellschaft erreichen.3 Der Wegzug einer inländischen Kapitalgesellschaft ist derzeit allerdings rechtlich nur möglich bei einer SE/SCE für den Fall, dass sowohl Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung in einen anderen EU-Staat verlegt wird (§ 8 SE-VO, Art. 7 SCE-VO).4 Ein identitätswahrender Wegzug durch Verlegung auch des Satzungssitzes in das Ausland ist darüber hinaus zivilrechtlich nicht möglich.5 Denkbar ist allerdings ein Wegzug von nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaften durch Verlegung des Orts der Geschäftsleitung in das Ausland. Es eröffnet sich sodann nach dem Wegzug die Möglichkeit einer Verschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft nach Maßgabe des betreffenden ausländischen nationalen Rechts.

17.87 Beim Wegzug in einen anderen EU-/EWR-Staat unterbleibt auf Gesellschaftsebene eine Gewinnrealisierung, soweit hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung der Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 KStG). Das bedeutet, dass eine 1 Vgl. auch die Überschrift zu § 24 UmwStG; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 76; Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 88, 97; Schlößer in Haritz/Menner³, § 24 UmwStG Rz. 38. 2 Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 26; Schlößer in Haritz/Menner³, § 24 UmwStG Rz. 38. 3 Zu dieser Ersatzkonstruktion Rödder in R/H/vL, Einführung UmwStG Rz. 39; Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 77. 4 Hierzu Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 100 ff.; Ritzer in R/H/vL, Anhang 5 UmwStG Rz. 111, 204. 5 OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, GmbHR 2007, 1273; vgl. Rz. 6.29.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Steuerneutralität gewährleistet ist, soweit die Wirtschaftsgüter einer im Inland zurückbleibenden Betriebsstätte zuzuordnen sind, so dass insoweit das deutsche Besteuerungsrecht nicht tangiert wird. Wegzugsbedingt erfolgt indessen ein Wegfall oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, soweit Wirtschaftsgüter der wegziehenden und sodann ausländischen Kapitalgesellschaft als Stammhaus zuzuordnen sind. Hierdurch betroffen sind insbesondere Anteile an Tochtergesellschaften sowie immaterielle Wirtschaftsgüter, soweit sie auf Grund der Zentralfunktion des ausländischen Stammhauses diesem zuzuordnen sind.1 Schließlich entfällt das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wechsel in die beschränkte Steuerpflicht der wegziehenden Kapitalgesellschaft auch in den Fällen, in denen Wirtschaftsgüter ausländischen Betriebsstätten zuzuordnen sind, für die bislang eine deutsche Besteuerung ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen2 gegeben war. In den vorgenannten Fällen ist somit eine Gewinnrealisierung nicht vermeidbar. Eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung3 unterbleibt jedoch, soweit Anteile an einer SE/SCE nunmehr dem ausländischen Betriebsstättenvermögen der weggezogenen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind: Das gilt allerdings mit der Maßgabe, dass im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile durch die ausländische Kapitalgesellschaft eine Versteuerung so zu erfolgen hat, als wäre das deutsche Besteuerungsrecht uneingeschränkt erhalten geblieben (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG i.V. mit §§ 4 Abs. 1 Satz 4; 15 Abs. 1a EStG). Zieht die Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat, hat das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht eine Liquidationsbesteuerung zur Folge (§§ 12 Abs. 3; 11 KStG). Erfasst werden hierbei auch Wirtschaftsgüter die trotz Wegzugs wegen Zuordnung zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen unverändert der deutschen Besteuerung unterliegen.4 Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zum inländischen Betriebsvermögen, so erfolgt auf Gesellschafterebene eine Gewinnrealisierung, soweit wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht wegfällt oder beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 KStG; § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG). Das ist bei unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter nur ausnahmsweise der Fall, weil die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft im Grundsatz unverändert der deutschen Besteuerung unterliegen, ohne dass dem abkommensrechtliche Schranken gegenüberstehen.5 Eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung auf Gesellschafterebene unterbleibt auch dann, wenn eine SE/ 1 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; zu Einzelheiten Ritzer in R/H/vL, Anhang 5 UmwStG Rz. 122; kritisch hierzu Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff. 2 Also in Fällen ohne DBA oder wegen § 20 Abs. 2 AStG bzw. § 50d Abs. 9 EStG. 3 Fiktive Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG. 4 Hierzu kritisch Carlé, KÖSDI 2007, 15401 (15406); Prinz, JbFSt 2007/2008, 416. 5 Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern, wonach auch der Sitzstaat versteuern darf mit der Folge, dass Deutschland anzu-

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17.88

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

SCE wegzieht (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG; § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG). Im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile darf der Veräußerungsgewinn ungeachtet der Bestimmungen eines DBAs in der gleichen Art und Weise besteuert werden, wie die Veräußerung der Anteile an der SE oder SCE zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG; § 15 Abs. 1a EStG). Gehören die Anteile zum Privatvermögen des Gesellschafters, erfolgt eine Versteuerung fiktiver Veräußerungsgewinne, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Das gilt wiederum nicht in den Fällen der Sitzverlegung einer SE/SCE, allerdings mit der Maßgabe, dass im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile die deutsche Besteuerung ungeachtet abkommensrechtlicher Regelungen gewährleistet ist (§ 17 Abs. 5 Satz 3, 4 EStG).

17.89 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch im Falle der beschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters. Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, so unterbleibt eine Gewinnrealisierung in Abkommensfällen nur dann, wenn die betreffenden Kapitalanteile tatsächlich einem inländischen Betriebsstättenvermögen im Sinne eines funktionalen Zusammenhangs zuzuordnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 16.390 ff.). Gehören die Anteile zum Privatvermögen, lässt sich eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung nicht vermeiden. In allen Fällen greift allerdings die für die SE/SCE geltende Sonderregelung der § 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG; §§ 4 Abs. 1 Satz 4; 15 Abs. 1a EStG ein.

17.90 Die sich an den Wegzug der Kapitalgesellschaft anschließende Verschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft beurteilt sich zwar im Grundsatz nach den Rechtsregeln des jeweiligen ausländischen Staates; geht aber verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen über, greifen die Regeln des Umwandlungssteuergesetzes ein. Hiernach gilt: Erfolgt die Verschmelzung in einem anderen EU-/EWRStaat, kommen die §§ 3 ff. UmwStG zur Anwendung (§ 1 Abs. 2 UmwStG),1 so dass eine Gewinnrealisierung beim inländischen Betriebsstättenvermögen und somit ein Übertragungsgewinn (§ 3 UmwStG) vermieden werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der ausländische Umwandlungsvorgang seinem Wesen nach einer im deutschen Umwandlungsgesetz geregelten Umwandlungsart entspricht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG).2 Darüber hinaus ist es ferner erforderlich, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Verrechnen hat (z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b i.V. mit Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien). 1 Hiernach müssen übertragende und übernehmende Rechtsträger Sitz und Ort der Geschäftsleitung in der EU/EWR haben. 2 Zu Einzelheiten Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 74 ff.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

äußerung der Wirtschaftsgüter des inländischen Betriebsstättenvermögens bei den Gesellschaftern der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG). Das ist stets gewährleistet, so dass insoweit ein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn vermieden werden kann.1 Entsprechendes gilt auch für ausländisches Betriebsstättenvermögen, weil auch insoweit verschmelzungsbedingt kein deutsches Besteuerungsrecht verloren geht oder beschränkt wird.2 Für diesen Fall ist allerdings bei der Ermittlung des Übernahmegewinns der gemeine Wert anzusetzen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).3 Insoweit tritt eine Besteuerung des Übernahmegewinns4 ein. Erfolgt die Verschmelzung in einem Drittstaat, ist die Anwendung der § 3 ff. UmwStG ausgeschlossen.5 Da auch § 12 Abs. 2 KStG nicht eingreift, führt die Verschmelzung der weggezogenen Kapitalgesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft nach allgemeinen Tauschgrundsätzen zu einer Gewinnrealisierung, obwohl die im inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung nicht verloren gehen.6 b) Hereinverschmelzung Die Hereinverschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Personengesellschaft wird ebenso wie die Hinausverschmelzung nicht von der Reichweite des UmwG erfasst. Dass die §§ 3 ff. UmwStG demgegenüber auch die Hereinverschmelzung einer EU-/EWRKapitalgesellschaft auf eine inländische Personengesellschaft regeln, hilft nicht weiter, weil derzeit hierfür noch die zivilrechtlichen Grundlagen fehlen. In Betracht kommt allenfalls eine grenzüberschreitende Verschmelzung unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), was in der Umwandlungspraxis freilich keine Bedeutung hat. In der Praxis werden daher Ersatzkonstruktionen gewählt,7 die im Ergebnis einer Hereinverschmelzung gleichkommen.8 Im Hinblick darauf ist eine Hereinverschmelzung rechtstechnisch im Wesentlichen entweder dadurch möglich, dass die ausländische Kapitalgesellschaft ihren Betrieb in

1 Hierzu Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 45 ff. 2 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 45b; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Schmitt5, § 3 UmwStG Rz. 101; Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 80; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1080); Lemaitre/ Schönherr, GmbHR 2007, 173 (183). 3 Zu europarechtlichen Problemen dieser Vorschrift Förster/Felchner, DB 2006, 1072 ff.; Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1457); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173; Klingebiel, DK 2006, 600. 4 Zu Einzelheiten Pung in D/J/P/W, § 4 UmwStG Rz. 8; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 4 UmwStG Rz. 111. 5 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 3 UmwStG Rz. 5, 6. 6 Hierzu Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 80. 7 Vgl. Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwG Rz. 15. 8 Hierzu von Busekist, GmbHR 2004, 650 (653 ff.).

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17.91

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt, anschließend die ausländische Kapitalgesellschaft liquidiert wird und im Zuge der Auskehrung des Vermögens die Gesellschafter der ausländischen Kapitalgesellschaft Anteile an der inländischen Personengesellschaft erhalten (Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung) oder dadurch, dass die Gesellschafter der ausländischen Kapitalgesellschaft ihre Anteile in die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringen und danach das Vermögen der ausländischen Kapitalgesellschaft im Zuge der Liquidation an die inländische Personengesellschaft ausgekehrt wird (Hereinverschmelzung durch Anteilsübertragung).1 Für Zwecke der Besteuerung ist auch hier danach zu unterscheiden, ob inländisches oder ausländisches Betriebsstättenvermögen eingebracht wird, an der Gesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind und schließlich, ob ein DBA Anwendung findet oder nicht.

17.92 Für die Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung gilt Folgendes: Geht im Zuge der Betriebseinbringung von der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die inländische Personengesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen über, ist eine Steuerneutralität gewährleistet, sofern die übernehmende Personengesellschaft für das übergehende Betriebsstättenvermögen die Buchwerte fortführt (§ 24 Abs. 2 UmwStG). Die Anwendung des § 24 UmwStG wird insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass die ausländische Kapitalgesellschaft lediglich beschränkt steuerpflichtig ist.2 Voraussetzung für die Steuerneutralität ist, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das ist bei der Einbringung inländischen Betriebsstättenvermögens regelmäßig nicht der Fall.

17.93 Soweit im Zuge der anschließenden Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft die Anteile an der inländischen Personengesellschaft an die Gesellschafter ausgekehrt werden, führt diese Vermögensübertragung auf Gesellschaftsebene nach Maßgabe des jeweiligen ausländischen Rechts zwar ggf. zu einer Schlussbesteuerung. Eine inländische Schlussbesteuerung unterbleibt aber, weil § 11 KStG nur bei unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht Geltung entfaltet. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird die liquidationsbedingte Vermögensübertragung allerdings als veräußerungsgleicher Vorgang erfasst, so dass insoweit auf der Grundlage des gemeinen Wertes der ausgekehrten Anteile an der inländi-

1 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 81; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (505), 585 ff. 2 § 24 UmwStG enthält insoweit keine Einschränkung; vgl. hierzu Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 111; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 54; Schlößer in Haritz/Menner³, § 24 UmwStG Rz. 50; Mutscher in Frotscher/Maas, § 24 UmwStG Rz. 11; Nitzschke in Blümich, § 24 UmwStG Rz. 11.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

schen Personengesellschaft eine Gewinnrealisierung erfolgt.1 Im Ergebnis wird damit liquidationsbedingt die Steuerneutralität des vorangegangenen Einbringungsvorgangs zunichte gemacht, obwohl die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven dem deutschen Besteuerungszugriff erhalten bleiben: Die Besteuerung ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern im Rahmen der Erfassung des Welteinkommens und bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gesichert, ohne dass abkommensrechtliche Schrankenwirkungen hiergegen gerichtet sind.2 Auf Gesellschafterebene führt die Auskehrung der Anteile an der inländischen Personengesellschaft im Zuge der Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft zu steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb, sofern die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören oder aber zu unter § 17 Abs. 4 EStG fallenden Einkünften3 führen, soweit es sich um zum Privatvermögen gehörende Beteiligungen handelt.4 Diese für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter maßgeblichen Besteuerungsfolgen gelten auch für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, soweit die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft (tatsächlich) zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören.5 Ist das nicht der Fall, scheidet eine beschränkte Steuerpflicht aus.6 Greifen DBA ein, entfällt das deutsche Besteuerungsrecht, wenn die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft tatsächlich zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters gehören.7 In den übrigen Fällen bleiben die Liquidationsgewinne als private Veräußerungsgewinne (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) und ggf. als Dividenden (Art. 10 OECD-MA) oder aber als inländische Unternehmensgewinne (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) bei unbeschränkter Steuerpflicht des Gesellschafters der deutschen Besteuerung ausgesetzt.

17.94

Bringt die ausländische Kapitalgesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein, kommt § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG ebenso zur Anwendung wie bei der Einbringung inländischen Betriebsstättenver-

17.95

1 Zur Anwendung der allgemeinen Veräußerungsvorschriften im Fall der Liquidation beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften Lambrecht in Gosch², § 11 KStG Rz. 7. 2 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; für unbewegliches Vermögen gilt Art. 13 Abs. 1 OECD-MA (Belegenheitsprinzip); Rz. 16.383. 3 Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG kommen auch Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG in Betracht. 4 Vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 216. 5 Das gilt auch in Abkommensfällen: Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG erfasst nur die Liquidation von inländischen Kapitalgesellschaften. 7 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA: der Betriebsstättenstaat hat das Besteuerungsrecht.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

mögens. Die Steuerneutralität ist daher bei Buchwertfortführung durch die übernehmende Personengesellschaft gewährleistet. Auch hier kommt es darauf an, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das ist bei nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern stets der Fall, weil das ausländische Betriebsstättenvermögen der einbringenden ausländischen Kapitalgesellschaft außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht liegt.1 Die liquidationsbedingte Auskehrung von Anteilen an der inländischen Personengesellschaft mit ausländischem Betriebsstättenvermögen führt schließlich im Grundsatz insoweit zu keiner Besteuerung auf Gesellschaftsebene, als stille Reserven enthaltende Wirtschaftsgüter dem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind. Soweit Wirtschaftsgüter einbringungsbedingt dem inländischen Betriebsstättenvermögen der inländischen Personengesellschaft zuzuordnen sind, erfolgt indessen eine Besteuerung nach allgemeinen Veräußerungsgrundsätzen, es sei denn bei der vorangegangenen Einbringung wurde der Ansatz zum gemeinen Wert gewählt (§ 24 Abs. 2 UmwStG).2 Auf Gesellschafterebene gelten die für die Einbringung inländischen Betriebsvermögens maßgeblichen Besteuerungsfolgen entsprechend.

17.96 Für die Hereinverschmelzung durch Anteilsübertragung finden die für die Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung geltenden steuerlichen Rechtsfolgen mit folgenden Besonderheiten entsprechend Anwendung: Die steuerneutrale Einbringung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft in die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist gem. § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG zulässig, wenn es sich um eine 100 %ige Beteiligung3 handelt, die zu einem inoder ausländischen Betriebsstättenvermögen4 des Gesellschafters gehört.5 Voraussetzung ist indessen, dass die Anteile in ein inländisches Betriebsstättenvermögen der inländischen Personengesellschaft eingebracht werden (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). 1 In der Regel wird es daher aus der Sicht des deutschen Steuerrechts geboten sein, zum gemeinen Wert einzubringen; nach Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 167 ist der Ansatz mit dem gemeinen Wert zwingend (fiktive Einlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 7 i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG), soweit einbringungsbedingt deutsches Besteuerungsrecht begründet wird; a.A. Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 13, wonach § 24 Abs. 2 UmwStG lex specialis ist. 2 Nach Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 167 ist dieser Wertansatz zwingend. 3 Teilbetrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UmwStG; hierzu Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 95; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 75; Schlößer in Haritz/Menner³, § 24 UmwStG Rz. 36; BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671; a.A. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 42. 4 In Abkommensfällen liegt es nahe, nicht die Buchwerte fortzuführen, weil andernfalls bisher nicht der deutschen Besteuerung unterliegende stille Reserven steuerverhaftet würden. 5 Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 95.

924

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Eine Hereinverschmelzung lässt sich im Ergebnis auch dadurch gestalten, dass die ausländische Kapitalgesellschaft zunächst in das Inland zuzieht und sodann nach Maßgabe des deutschen Umwandlungssteuerrechts auf eine inländische Personengesellschaft verschmolzen wird. Der Zuzug durch Verlegung nur des Satzungssitzes in das Inland ist derzeit rechtstechnisch nicht möglich, eine Eintragung in das deutsche Handelsregister würde versagt bleiben (Rz. 6.47). Möglich ist indessen der identitätswahrende Zuzug einer SE durch Verlegung des Satzungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung (Art. 8 SE-VO).1 In diesem Fall wird die zuziehende SE unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Der Zuzug ist schließlich aber auch dadurch möglich, dass nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften ihre Geschäftsleitung in das Inland verlegen und hierdurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig werden.2 Auf der Ebene der zuziehenden Kapitalgesellschaft erfolgt eine Verstrickung, soweit zuzugsbedingt Wirtschaftsgüter erstmals von der Reichweite der deutschen Steuerpflicht erfasst werden (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG; Rz. 6.49 ff.). In diesem Fall erfolgt der Ansatz der verstrickten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Eine derartige Verstrickung unterbleibt in den Fällen, in denen die Wirtschaftsgüter bereits vor dem Zuzug einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen waren. Entsprechendes gilt auch für Wirtschaftsgüter des ausländischen Betriebsstättenvermögens, das abkommensrechtlich auch nach dem Zuzug dem deutschen Steuerzugriff entzogen bleibt. Soweit zuzugsbedingt auch auf Gesellschafterebene deutsches Besteuerungsrecht für die Veräußerung der Beteiligung begründet wird, erfolgt eine Verstrickung zum gemeinen Wert, soweit die Anteile Betriebsvermögen sind (§§ 4 Abs. 1 Satz 7; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; § 8 Abs. 1 KStG). Für den Fall, dass die Beteiligung an der zuziehenden Kapitalgesellschaft im Privatvermögen gehalten wird, unterbleibt eine Verstrickung und damit der Ansatz zum gemeinen Wert der Anteile, weil eine entsprechende normative Regelung hierfür nicht vorgesehen ist. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG, der eine vergleichbare Verstrickungsregelung enthält, erfasst nur den Fall eines zuziehenden Gesellschafters.

17.97

Die anschließende Verschmelzung der zugezogenen Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft erfolgt sodann nach den hierfür maßgeblichen Regelungen der §§ 3 ff. UmwStG, so dass insoweit eine Steuerneutralität möglich ist (Rz. 17.26 ff.).

17.98

1 Hierzu Schön in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Steuerrecht, Rz. 173 ff. 2 Ein Zuzug aus Drittstaaten führt zum Verlust der Rechtsfähigkeit; vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn); anders beim Zuzug aus dem EU-/EWR-Bereich; hierzu Schaumburg, DK 2005, 347 ff.; vgl. auch Rz. 6.47 f.

925

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Allgemeines

17.99 Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften ist in den §§ 122a ff. UmwG geregelt, so dass insoweit nach Maßgabe der §§ 11 ff. UmwStG eine Steuerneutralität möglich ist. Eine grenzüberschreitende Verschmelzung eröffnet sich indessen nur für übertragende und übernehmende Kapitalgesellschaften i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Verschmelzungsrichtlinie,1 die nach dem Recht eines EU-/ EWR-Staates gegründet worden sind und ihren Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem EU-/EWR-Staat haben.2 b) Hinausverschmelzung

17.100 Soweit die Hinausverschmelzung vom Regelungsbereich der §§ 122a ff. UmwG erfasst wird, greifen hierfür im Grundsatz auch die für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften maßgeblichen Vorschriften der §§ 11 ff. UmwStG ein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Da bei der Hinausverschmelzung in aller Regel die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG genannten Kapitalgesellschaften deutschen Rechts übertragende Rechtsträger sind, finden die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes, soweit sich aus den §§ 122a ff. UmwG nichts anderes ergibt, insgesamt Anwendung (§ 122a Abs. 2 UmwG). Einer Vergleichbarkeitsprüfung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) bedarf es daher insoweit nicht mehr.3 Von der Reichweite der §§ 11 ff. UmwStG werden darüber hinaus auch die Gründungen von SE und SCE durch grenzüberschreitende Verschmelzung gem. Art. 17 SE-VO und Art. 19 SCE-VO erfasst.4 Auch hier ist eine Vergleichbarkeitsprüfung entbehrlich. Obwohl die vorgenannten Hinausverschmelzungen normativ geregelt und somit rechtstechnisch ohne weiteres möglich sind, werden sie von den §§ 11 ff. UmwStG nur dann erfasst, wenn sowohl übertragender als auch übernehmender Rechtsträger nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates gegründete Gesellschaften i.S. des Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWR-Abkommens sind und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich in einem EU-/EWR-Staat befinden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Dies bedeutet im Vergleich zu § 122a Abs. 1 UmwG eine Einschränkung, weil das Umwandlungsgesetz insoweit nur auf den Satzungssitz und nicht auch auf den Ort der Geschäftsleitung abstellt.5 Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz in einem EU-/EWR-Staat und Ort der Geschäftsleitung in einem Drittstaat werden somit zwar von 1 Richtlinie 2005/56/EG v. 26.10.2005, ABl. EU Nr. L 310, 1 v. 25.11.2005. 2 Vgl. Simon/Rubner in KK-UmwG, § 122a UmwG Rz. 6 ff. 3 Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 29; Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 81. 4 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 25. 5 Vgl. Bayer in Lutter4, § 122a UmwG Rz. 23; Marsch-Barner in Kallmeyer4, § 122a UmwG Rz. 2; Simon/Rubner in KK-UmwG, § 122a UmwG Rz. 10.

926

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

den §§ 122a ff. UmwG, nicht aber von den §§ 11 ff. UmwStG erfasst.1 Da schließlich unter den Anwendungsbereich der §§ 11 ff. UmwStG nur Körperschaften, im Wesentlichen also Kapitalgesellschaften, fallen, bedarf es noch eines Typenvergleichs, in dessen Rahmen darauf abgestellt wird, ob im Falle der Hinausverschmelzung die übernehmende ausländische Gesellschaft nach dem Gesamtbild mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.2 Der für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften maßgebliche § 11 Abs. 2 UmwStG enthält auf Gesellschaftsebene eine Entstricklungsklausel. Danach darf die übertragende Kapitalgesellschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz (Übertragungsbilanz) die übergehenden Wirtschaftsgüter mit einem Wert unterhalb des gemeinen Werts insoweit ansetzen, als sichergestellt ist, dass bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft das übergehende Vermögen grundsätzlich der (ausländischen) Körperschaftsteuer unterliegt und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das Erfordernis der Besteuerung des übergehenden Vermögens mit Körperschaftsteuer bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist lediglich auf eine abstrakte Erfassung der stillen Reserven für Zwecke der Körperschaftsteuer gerichtet. Ob tatsächlich eine Besteuerung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven erfolgt, ist letztlich ohne Bedeutung. Im Hinblick darauf reicht es überhaupt aus, dass die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft körperschaftsteuerpflichtig ist.3 Auf eine Gewerbesteuerbelastung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.4 Das antragsgebundene Bewertungswahlrecht setzt schließlich voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).

17.101

Hierzu sind die folgenden Fallgruppen zur Gesellschaftsebene zu unterscheiden:

17.102

Geht verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft ohne abkommensrechtliche Einschränkungen zukünftig gewährleistet (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Soweit indessen 1 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 44. 2 Zum Typenvergleich Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 33; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 11 UmwStG Rz. 10; ferner Rz. 6.7. 3 Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 105; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 11 UmwStG Rz. 84; Bärwaldt in Haritz/Menner4, § 11 UmwStG Rz. 39; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 32. 4 Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 19; Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 108, 118; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 11 UmwStG Rz. 85.

927

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

bislang dem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnende Wirtschaftsgüter nunmehr dem ausländischen Betriebsstättenvermögen der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind, weil etwa der funktionale Zusammenhang mit dem inländischen Betriebsstättenvermögen gelöst wird, erfolgt eine Entstrickung, so dass insoweit ein bei der übertragenden inländischen Kapitalgesellschaft anzusetzender Übertragungsgewinn unvermeidbar ist. Angesprochen sind insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter und der Firmenwert, wenn sie nicht der im Inland verbleibenden Betriebsstätte, sondern dem ausländischen Stammhaus zuzuordnen sind.1 Dieser einen Übertragungsgewinn auslösende Zuordnungswechsel betrifft auch Beteiligungen an nachgeschalteten Tochtergesellschaften in den Fällen, in denen die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft die Funktion einer Holdinggesellschaft ausübt,2 es sei denn, sie unterhält eine inländische Holdingbetriebsstätte, der die Kapitalbeteiligungen zugeordnet werden können.3

17.103 Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über, das in Ländern belegen ist, mit denen keine DBA bestehen, werden die in den übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven der deutschen Besteuerung entzogen, so dass insoweit die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind und demzufolge ein Übertragungsgewinn ausgelöst wird.4 Handelt es sich um ausländisches Betriebsstättenvermögen, dessen Gewinne der Besteuerung nach Maßgabe des in Betracht kommenden DBAs ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zustehen (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA), greift die Entstrickungsklausel grundsätzlich nicht ein, so dass insoweit Steuerneutralität gewährleistet werden kann, da in diesem Fall das übergehende Vermögen bereits bei der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Besteuerung unterlag. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die abkommensrechtliche Freistellung durch die treaty-overriding-Klauseln des § 20 Abs. 2 AStG bzw. des § 50d Abs. 9 EStG bislang verdrängt wurde.5 Durch die Verschmelzung geht in diesem Fall das deutsche Besteuerungsrecht verloren. Soweit abkommensrechtlich vor der Hinausverschmelzung für die ausländischen Betriebsstättengewinne auf Abkommensebene die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wurde, entfällt verschmelzungsbedingt ebenfalls das deutsche Besteuerungs-

1 Zur Zentralfunktion des Stammhauses BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; kritisch hierzu Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599 ff.), Frotscher in GS Krüger, 95 ff. 2 Hierzu Kessler/Huck, IStR 2006, 433 ff. 3 So Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599 ff.); Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746); a.A. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4. 4 Zu Einzelheiten Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.54. 5 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.7; Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 93.

928

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

recht, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind.1 Im Zuge der Hinausverschmelzung hat die übernehmende Kapitalgesell- 17.104 schaft die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft enthaltenen Werte zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Durch diese steuerliche Wertverknüpfung wird die spätere Besteuerung der in den übergegangenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft sichergestellt. Diese Wertverknüpfung hat allerdings nur innerhalb der Reichweite der steuerlichen Bilanzierungsvorschriften Bedeutung, so dass hierdurch lediglich die Bilanzansätze des inländischen Betriebsstättenvermögens der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft betroffen sind. Im Hinblick darauf ist ein Übernahmegewinn bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft überhaupt nur dann zu ermitteln, wenn die Anteile an der übertragenden inländischen Kapitalgesellschaft (ausnahmsweise) auch nach der Verschmelzung dem inländischen Betriebsstättenvermögen der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind. Dieser Übernahmegewinn ist bei Anwendung des § 8b KStG im Ergebnis i.H. von 95 Prozent steuerfrei (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG.2 Die steuerlichen Rechtsfolgen der Hinausverschmelzung auf Gesellschafterebene werden in § 13 UmwStG geregelt, wonach die Anteile an die übertragende Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Damit wird aus der Sicht der Gesellschafter die Verschmelzung als Tausch qualifiziert.3 Dies gilt jedoch nur in den Fällen einer Abwärts- und einer Seitwärtsverschmelzung, weil nur in diesen Fällen verschmelzungsbedingt auf Gesellschafterebene Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft gewährt werden.4 Anstelle des gemeinen Werts sind auf Antrag die Anteile an der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft mit dem Buchwert bzw. mit den Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft anzusetzen, wenn entweder das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen an der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird

1 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 127; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.55. 2 Dötsch in D/J/P/W, § 12 UmwStG Rz. 43. 3 Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 14; Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 2, 3; Frotscher in Frotscher/Maas, § 13 UmwStG Rz. 1. 4 Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 9; Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 13; für den Fall der Seitwärtsverschmelzung ist das aber nicht zwingend; hierzu im Einzelnen Klingberg in Blümich, § 13 UmwStG Rz. 17; Pupeter/ Schnittker, FR 2008, 160 ff.

929

17.105

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

oder Deutschland durch Art. 8 FRL1 gehindert ist, den Gewinn aus dem Anteilstausch zu versteuern (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Die vorgenannte Entstrickungsklausel entspricht in ihrer ersten Alternative (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) zwar derjenigen auf Gesellschaftsebene gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, sie wirkt aber völlig unabhängig von dieser, so dass das hieraus folgende Bewertungswahlrecht auf Gesellschafterebene nicht davon abhängt, ob die Wirtschaftsgüter zum Buchwert, Zwischenwert oder zum gemeinen Wert von der übertragenden auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergegangen sind.2 Das gilt für Anteile im in- und ausländischen Betriebsvermögen3 und für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen.

17.106 Im Einzelnen: Gehören die Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, ist die Besteuerung der entsprechenden Veräußerungsgewinne sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) als auch bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewährleistet, ohne dass abkommensrechtlich das deutsche Besteuerungsrecht entfiele oder eingeschränkt würde.4 Voraussetzung ist indessen, dass die Anteile dem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind und im Falle der Anwendung von DBA diese in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der inländischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit stehen (Rz. 16.390 ff.). Wird verschmelzungsbedingt dieser Funktionszusammenhang aufgelöst, entfällt das Wertansatzwahlrecht, es sei denn, Art. 8 FRL wäre anzuwenden.5 Gehören die Anteile zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen, bleibt die deutsche Besteuerung erhalten, wenn die Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig sind und ein DBA nicht eingreift. Ist das Betriebsstättenvermögen dagegen in einem Staat belegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, dürfen die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode6 nur vom Betriebsstättenstaat besteuert werden. Durch den Vermögensübergang ergibt sich insoweit keine Änderung. Hieraus eröffnet sich zwar das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, es wird aber in aller Regel der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten sein,7 da in Deutschland insoweit die steuerliche Relevanz fehlt. Im Zuge der Verschmelzung ergibt sich auch keine Änderung für den Fall, dass abkommensrechtlich die Anrechnungsme1 Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990, geändert durch Richtlinie 2005/19/EG zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG v. 17.2.2005, ABl. EG Nr. L 58, 19 ff. v. 4.3.2005. 2 Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 6. 3 I.S. von Betriebsstättenvermögen. 4 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 16.385 ff. 5 Hierzu Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.64 ff. 6 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 7 Vgl. hierzu Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 23; Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 32.

930

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

thode eingreift; denn auch hier ist die Rechtslage vor und nach der Verschmelzung unverändert. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, unterliegen etwaige Gewinne aus der Veräußerung der zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht der beschränkten Steuerpflicht.1 In Abkommensfällen geht insoweit durch die Verschmelzung der deutschen Besteuerung kein Steuergut verloren.2 Gehören die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Privat- 17.107 vermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und sind hierfür die Voraussetzungen i.S. von § 17 EStG erfüllt, oder handelt es sich um einbringungsgeborene Anteile i.S. von 21 UmwStG a.F., kann von dem Wertansatzwahlrecht Gebrauch gemacht werden (§ 13 Abs. 2 UmwStG). Das gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht, da abkommensrechtlich in aller Regel das alleinige Besteuerungsrecht bei Deutschland als Wohnsitzstaat liegt.3 Soweit ausnahmsweise verschmelzungsbedingt das alleinige Besteuerungsrecht Deutschlands entfällt, etwa bei der Hinausverschmelzung auf eine in Tschechien oder in Zypern ansässige Kapitalgesellschaft4 mit der Folge der Anrechnung der im Ansässigkeitsstaat erhobenen Steuern, bleibt das Wertansatzwahlrecht in Anwendung des Art. 8 FRL gleichwohl erhalten (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). In diesem Fall ist indessen der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erworbenen Anteile ungeachtet der abkommensrechtlichen Bestimmungen in gleicher Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zu besteuern wären.5 Sind dagegen beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, gilt Folgendes: Greift kein DBA ein,6 geht verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht auf Grund der Sondervorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG nicht verloren, so dass insoweit das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 Abs. 2 UmwStG erhalten bleibt.7 Greift ein DBA ein, wird verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile weder entzogen noch beschränkt, weil abkommensrechtlich bereits

1 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Wegen der fehlenden steuerlichen Bedeutung in Deutschland ist trotz Wertansatzwahlrechts der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten; vgl. hierzu Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 32. 3 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vgl. zur Abkommensübersicht Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 74. 4 Hierzu Dötsch in D/J/P/W, § 13 UmwStG Rz. 25; Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 39 ff.; Schroer in Haritz/Menner³, § 13 UmwStG Rz. 46. 5 Zu dieser treaty-overriding-Klausel Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 39 ff.; Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.64 ff. 6 Etwa im Verhältnis zu Liechtenstein. 7 Hierzu Trossen in R/H/vL, § 13 UmwStG Rz. 36.

931

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

vor der Hinausverschmelzung nicht Deutschland, sondern allein der ausländische Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht hatte.1

17.108 Soweit eine Hinausverschmelzung nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG rechtstechnisch nicht möglich ist, etwa bei der Hinausverschmelzung auf in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften, können vergleichbare Ergebnisse nur durch auf Einzelrechtsnachfolge beruhenden Ersatzkonstruktionen erreicht werden.2

17.109 Die Hinausverschmelzung wird im Wesentlichen dadurch ermöglicht, dass die inländische Kapitalgesellschaft ihren Betrieb in die ausländische Kapitalgesellschaft3 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt, die inländische Kapitalgesellschaft anschließend liquidiert wird und im Zuge dieser Liquidation an die Gesellschafter die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft ausgekehrt werden (Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung).4 Denkbar ist aber auch eine Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung, in deren Rahmen in einem ersten Schritt die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft in die ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und in einem zweiten Schritt die Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft mit Auskehrung ihres Vermögens an die ausländische Kapitalgesellschaft erfolgt.5 Schließlich ist auch der Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft und die anschließende Verschmelzung derselben auf die ausländische Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des jeweiligen ausländischen Rechts denkbar.6

17.110 Zunächst zur Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung: Soweit die inländische Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten überträgt, ist eine Realisation der in dem übergehenden Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven nicht vermeidbar, weil die nach § 20 UmwStG mögliche Steuerneutralität bei Buchwertfortführung eine übernehmende Kapitalgesellschaft voraussetzt, die in der EU/EWR ansässig ist (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG).7

17.111 Die anschließende Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter führt im Grundsatz sowohl auf Gesellschaftsebene 1 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; zur Abkommensübersicht vgl. Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 74. 2 Hierzu auch Simon/Rubner in KK-UmwG, Vor §§ 122a ff. UmwG Rz. 101 ff. 3 Ansässigkeit in einem Drittstaat. 4 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 4; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (507), 585 ff. 5 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 4; Herzig/ Förster, DB 1994, 1 (3 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (507), 585 ff. 6 Rödder in R/H/vL, Einführung UmwStG Rz. 39. 7 Vgl. Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 155; Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 118.

932

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

(§ 11 KStG) als auch auf Gesellschafterebene (§§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; 17 Abs. 4 EStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG) ebenfalls zu einer Realisation stiller Reserven, so dass auch insoweit eine Steuerneutralität ausgeschlossen ist. Hier gelten die für die Hinausverschmelzung von inländischen Kapitalgesellschaften auf ausländische Personengesellschaften maßgeblichen Grundsätze auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene entsprechend.1 Wird ausländisches Betriebsstättenvermögen in eine ausländische Kapitalgesellschaft2 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, bleibt die Anwendung des § 20 UmwStG ebenfalls von vorneherein ausgeschlossen (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG), so dass auch insoweit eine Gewinnrealisation unvermeidbar ist. Damit sind die in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung der inländischen Kapitalgesellschaft aufzudecken, wobei allerdings eine Steuerfreistellung eingreift, wenn das ausländische Betriebsstättenvermögen in einem Staat belegen ist, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat.3

17.112

Die mit dem Ziel der Verschmelzung der inländischen auf die ausländische Kapitalgesellschaft erforderliche Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter führt auch hier im Grundsatz sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene zu einer Realisation stiller Reserven (Rz. 17.80 f.).

17.113

Die Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung erfolgt auf einer ersten Stufe durch Einbringung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dieser grenzüberschreitende Anteilstausch ist, soweit eine Besteuerung nicht schon gem. § 8b Abs. 2 und 3 KStG (partiell) freigestellt oder bei beschränkter Steuerpflicht abkommensrechtlich der deutschen Besteuerung entzogen ist (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), steuerneutral nicht möglich. Die sich anschließende verschmelzungsbedingte Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft bewirkt auf Gesellschaftsebene ebenfalls eine Realisation stiller Reserven, die gem. § 11 KStG zu einer Schlussbesteuerung führt.

17.114

Die Auskehrung des Vermögens an die aufnehmende ausländische Kapitalgesellschaft im Zuge der Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft löst auf der zweiten Stufe der Hinausverschmelzung im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht einen Veräußerungsgewinn aus (§ 8b Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 KStG), der allerdings im Abkommensfall nicht der deutschen Besteuerung unterliegt (Art. 13 Abs. 2, 5 OECD-MA).

17.115

1 Das gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen. 2 Ansässigkeit in einem Drittstaat. 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 16.385.

933

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

17.116 Damit ergibt sich, dass die Hinausverschmelzung inländischer Kapitalgesellschaften auf in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften steuerneutral nicht möglich ist. Das gilt auch für den Fall, dass als Ersatzkonstruktion der Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft in den Drittstaat und sodann anschließend hieran eine Verschmelzung der weggezogenen Kapitalgesellschaft auf die aufnehmende ausländische Kapitalgesellschaft gewählt wird. Dies deshalb, weil bereits der Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat eine Schlussbesteuerung gem. §§ 12 Abs. 3; 11 KStG auslöst (Rz. 6.41 ff.). c) Hereinverschmelzung

17.117 Hierzu einige Einzelheiten: Rechtstechnisch ist die Hereinverschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften auf inländische Kapitalgesellschaften nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG möglich, so dass die hierfür maßgeblichen Vorschriften der §§ 11 ff. UmwStG zur Anwendung kommen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Von der Reichweite der §§ 11 ff. UmwStG werden darüber hinaus auch die Gründungen von SE und SCE durch Hereinverschmelzung gem. Art. 17 SE-VO und Art. 19 SCE-VO erfasst.1 Im Unterschied zu § 122b Abs. 1 UmwG, wonach es bspw. ausreicht, dass eine nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates gegründete Gesellschaft den Satzungssitz in einem EU-/EWR-Staat hat, verlangt § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG, dass sich Sitz und Ort der Geschäftsleitung der vorgenannten Gesellschaften2 in einem EU-/EWR-Staat befinden (Rz. 17.100).

17.118 Soweit die Hereinverschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften auf inländische Kapitalgesellschaften nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG rechtstechnisch nicht umgesetzt werden kann, ist als Ersatzkonstruktion3 nur eine mehraktige auf Einzelrechtsnachfolge beruhende Vermögensübertragung möglich. Im Vordergrund steht hierbei die Betriebseinbringung seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, sodann die Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft, in deren Rahmen die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter ausgekehrt werden (Hereinverschmelzung durch Betriebsübergang). Das Ziel der Hereinverschmelzung ist aber auch dadurch zu erreichen, dass die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen und anschließend die Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft herbeigeführt und hierbei das Vermögen an die inländische Kapitalgesellschaft ausgekehrt wird (Hereinverschmelzung durch Anteilsübertra-

1 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 25. 2 I.S. von Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWR-Abkommen. 3 Vgl. Kallmeyer in Kallmeyer4, § 1 UmwStG Rz. 15.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

gung).1 Schließlich ist als Ersatzkonstruktion auch der Zuzug der ausländischen Kapitalgesellschaft und deren anschließende Verschmelzung auf die inländische Kapitalgesellschaft denkbar. In den vorgenannten Fällen, in denen die Hereinverschmelzung nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG rechtstechnisch möglich und zugleich in den Anwendungsbereich des UmwStG fällt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG), werden bei der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht folgende Rechtsfolgen ausgelöst: Geht inländisches Betriebsstättenvermögen über, wird hierdurch deutsches Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG), so dass in der steuerlichen Übertragungsbilanz der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft für Zwecke der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ein Buchwert oder ein Zwischenwert angesetzt werden kann.2 Erfolgt indessen verschmelzungsbedingt (ausnahmsweise) ein Wechsel in der Zuordnung der bislang einem inländischen Betriebsstättenvermögen der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnenden Wirtschaftsgüter, etwa zu einer ausländischen Betriebsstätte, wird hierdurch deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt.3 In diesem Fall ist der Ansatz mit dem gemeinen Wert zwingend (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG), so dass insoweit ein Übertragungsgewinn entsteht. Geht verschmelzungsbedingt ausländisches Betriebsstättenvermögen der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft auf die übernehmende inländische Kapitalgesellschaft über, wird hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht erstmals begründet. Hierdurch eröffnet sich für die übertragende ausländische Kapitalgesellschaft zwar ein Wertansatzwahlrecht (§ 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG),4 im Hinblick auf die verschmelzungsbedingte Steuerverstrickung von Wirtschaftsgütern, die einem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind, ohne dass hierfür abkommensrechtlich die Freistellungsmethode eingreift, ist aber der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten.5

17.119

Soweit bei der an der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligten übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn darauf zurückzuführen ist, dass die tatsächlichen Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft den

17.120

1 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 108; Herzig/ Förster, DB 1994, 1 (4 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (509); Schaumburg in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1 (7 f.). 2 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.40. 3 Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 128; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.40. 4 Zur Notwendigkeit der Vorlage einer steuerlichen Schlussbilanz wegen der in § 12 UmwStG angeordneten Wertverknüpfung Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, § 11 UmwStG Rz. 16, 88. 5 Hierzu Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 128; dort auch zur Problematik der Einheitlichkeit der Antragstellung in Rz. 159.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Buchwert derselben bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft übersteigen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG), ergeben sich keine Besonderheiten: Der Übernahmegewinn abzgl. der Umwandlungskosten bleibt steuerlich außer Ansatz, wobei § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt, so dass im Ergebnis nur 95 Prozent des Übernahmegewinns steuerfrei gestellt sind.1

17.121 Der für die Besteuerung auf Gesellschafterebene maßgebliche § 13 UmwStG fingiert, dass die Anteile an der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft als zu diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Abweichend hiervon kann auf Antrag aber auch der Buchwert angesetzt werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Da bei der Hereinverschmelzung das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig uneingeschränkt erhalten bleibt, wird der Ansatz mit den Buchwerten geboten sein, so dass die Steuerneutralität auf Gesellschafterebene gewährleistet ist.2

17.122 Im Hinblick darauf, dass die Hereinverschmelzung aus Drittstaaten gem. §§ 122a ff. UmwG rechtstechnisch nicht möglich ist, gilt Folgendes: Soweit bei Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung die ausländische in (einem Drittstaat ansässige) Kapitalgesellschaft3 inländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt, ist bei Buchwertfortführung eine Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 UmwStG möglich, weil hierdurch regelmäßig das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn einbringungsbedingt Wirtschaftsgüter etwa einem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind.4

17.123 Die auf die Verschmelzung der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die inländische Kapitalgesellschaft gerichtete Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung der Anteile an der inländischen 1 Vgl. zum Verhältnis von § 12 Abs. 2 Satz 1 zu § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG Dötsch in D/J/P/W, § 12 UmwStG Rz. 32 ff. und Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1533), wobei letztere auf einen Verstoß gegen Art. 7 FRL hinweisen. 2 Hierzu Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.57 f. 3 Zum persönlichen Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG) vgl. Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 12 f. 4 Zu den (abkommensrechtlichen) Zuordnungskriterien vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter führt auf Gesellschaftsebene in folgenden Fällen zu einer inländischen Besteuerung: Greift kein DBA ein, unterliegt die liquidationsbedingte Übertragung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder e EStG), wobei § 8b Abs. 2, 3 KStG eine (partielle) Steuerbefreiung bewirkt. Kommt dagegen ein DBA zur Anwendung, verbleibt eine deutsche Besteuerung nur dann, wenn die Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören1 oder ausnahmsweise das abkommensrechtliche Wohnsitzprinzip für die Übertragung der Anteile suspendiert ist.2 Ist für die Einbringung des inländischen Betriebsstättenvermögens in die inländische Kapitalgesellschaft gem. § 20 Abs. 2 UmwStG der Buchwert oder ein Zwischenwert in Anspruch genommen worden, steht die hiermit verbundene Steuerneutralität unter dem Vorbehalt, dass die hierfür erhaltenen Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren anderweitig veräußert werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 6 UmwStG). Hieraus folgt, dass eine liquidationsbedingte Auskehrung der mit einer Sperrfrist behafteten Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter der ausländischen Kapitalgesellschaft eine zuvor in Anspruch genommene Steuerneutralität (§ 20 Abs. 2 UmwStG) ganz oder teilweise3 zunichte macht und zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I führt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).4 Auf Gesellschafterebene führt die liquidationsbedingte Auskehrung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft durch die ausländische Kapitalgesellschaft bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zu Einkünften gem. § 17 Abs. 4 EStG5 oder zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, soweit die untergehenden Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören.6 Da die liquidationsbedingte Vermögensmehrung abkommensrechtlich entweder als Veräußerungsgewinn (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) oder aber nach Maßgabe des Rechts des Ansässigkeitsstaates der ausländischen Kapitalgesellschaft als Dividende (Art. 10 OECD-MA) zu qualifizieren ist (Rz. 16.400), wird die deutsche Besteuerung der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesell-

1 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 16.385. 2 Z.B. nach den DBA mit Argentinien, Bulgarien, Indien, Sri Lanka, Uruguay; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 74. 3 Vgl. die 1/7-Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG. 4 In Anlehnung an § 17 Abs. 4 EStG gilt die liquidationsbedingte Auskehrung der Anteile als entgeltliche Veräußerung derselben; für einen engen Veräußerungsbegriff dagegen Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 24 ff., 60. 5 § 17 Abs. 4 EStG erfasst auch die Liquidation ausländischer Kapitalgesellschaften; BFH v. 30.3.1993 – VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597; Wacker in Schmidt 29, § 17 EStG Rz. 216. 6 Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG.

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17.124

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

schafter abkommensrechtlich nicht eingeschränkt.1 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die im Zuge der Liquidation untergehenden Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen gehören, für das ein DBA eingreift: In diesem Fall unterliegt die liquidationsbedingte Vermögensmehrung allein der Besteuerung im Betriebsstättenstaat.2

17.125 Hält eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft als Gesellschafterin der ausländischen Kapitalgesellschaft im Zuge der liquidationsbedingten Auskehrung Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft, so greift unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 KStG auf Gesellschafterebene eine (partielle) Steuerbefreiung ein.

17.126 Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter im Zuge der Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft erhalten, ist die hiermit verbundene Vermögensmehrung bei ihnen nur dann der inländischen Besteuerung unterworfen, wenn die Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Im Hinblick auf das allgemein geltende abkommensrechtliche Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECDMA) ist diese Besteuerung den Schrankenwirkungen von DBA nicht unterworfen.3 In den übrigen Fällen ist eine inländische Besteuerung von vornherein nicht gegeben.

17.127 Bringt die ausländische Kapitalgesellschaft im Zuge der Hereinverschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein, so ermöglicht zwar § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bei Buchwertfortführung eine Steuerneutralität, diese Rechtsfolge geht aber ins Leere, weil die in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven ohnehin der deutschen Besteuerung entzogen sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA eingreift oder nicht.4 Im Hinblick darauf hat das Wertansatzwahlrecht gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG5 keine Bedeutung, weil aus der Sicht des deutschen Steuerrechts in diesen Fällen ohnehin der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten ist. Die liquidationsbedingte Auskehrung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft unterliegt auf der Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft sowie auf Gesellschafterebene den bereits vorstehend dargestellten Besteuerungsregeln. 1 Es gilt stets das Wohnsitzprinzip oder das Betriebsstättenprinzip, soweit die Anteile tatsächlich zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören. 2 Betriebsstättenprinzip: Art. 7; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 3 Besteuerung im Inland und Steuerfreistellung im Ausland. 4 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 117; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (510). 5 Der Antrag auf einen vom gemeinen Wert abweichenden Bewertungsansatz ist vom übernehmenden Rechtsträger zu stellen; Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 209; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 20 UmwStG Rz. 302.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Für die Hereinverschmelzung durch Anteilsübertragung gelten folgende Besonderheiten: Die Einbringung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG bei Buchwertfortführung steuerneutral möglich.1

17.128

Die Auskehrung des Vermögens an die aufnehmende inländische Kapitalgesellschaft im Zuge der Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft führt bei der ausländischen Kapitalgesellschaft nur dann zu einer der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Gewinnrealisierung, wenn inländisches Beriebsstättenvermögen übergeht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Darüber hinaus kommt auch eine Liquidationsbesteuerung im Ansässigkeitsstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft in Betracht. Die liquidationsbedingte Vermögensmehrung bewirkt auf der Ebene der inländischen Kapitalgesellschaft eine Gewinnrealisierung, für die allerdings die (partielle) Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 KStG eingreift. Wurde für die vorangegangene Einbringung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft die Steuerneutralität gem. § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG beansprucht, wird diese als Folge der Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft durch eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II wieder aufgehoben (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG),2 es sei denn, Einbringender war wiederum eine Kapitalgesellschaft.

17.129

Der Zuzug einer ausländischen, in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft in das Inland und die anschließende Verschmelzung auf eine inländische Kapitalgesellschaft ist im Ergebnis ebenfalls eine Hineinverschmelzung. Der Zuzug der ausländischen Kapitalgesellschaft führt zur Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts für Wirtschaftsgüter, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und für die abkommensrechtlich keine Freistellungsmethode zur Anwendung kommt. Entsprechendes gilt, wenn zuzugsbedingt Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Angesprochen sind hier insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter und Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften. Entsprechend der Zentralfunktion des Stammhauses sind diese Wirtschaftsgüter funktional nach dem Zuzug dem inländischen Betriebsvermögen zuzuordnen.3 Diese von der Steuerverstrickung erfassten Wirtschaftsgüter sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2; 6 Abs. 1

17.130

1 Anteile an Drittstaatengesellschaften können Einbringungsgegenstand sein; hierzu Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 24; Rabback in R/H/vL, § 21 UmwStG Rz. 31; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 21 UmwStG Rz. 21. 2 Bei Anwendung eines an § 17 Abs. 4 EStG angelehnten, weitgefassten Veräußerungsbegriffs; für einen engen Veräußerungsbegriff Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 143, 48 ff. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; Ritzer in R/H/vL, Anhang 5 UmwStG Rz. 111, 204; kritisch hierzu Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Nr. 5a EStG). Auf Gesellschafterebene greifen die vorgenannten Verstrickungsgrundsätze nicht ein, weil entsprechende normative Regelungen fehlen.1 Damit ergeben sich infolge des Zuzugs nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts keine unmittelbaren steuerlichen Nachteile. Indessen wird der Wegzug aus dem Drittstaat dort nach allgemein gültigen internationalen Grundsätzen zu einer Steuerentstrickung und somit zu einer Wegzugsbesteuerung führen. Die anschließende Verschmelzung der zugezogenen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft unterfällt den §§ 11 ff. UmwStG. Insoweit kann auf die hierfür maßgeblichen Regelungen verwiesen werden (Rz. 17.41 ff.). 3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Allgemeines

17.131 Der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften ist im UmwG eine Regelung versagt geblieben (Rz. 17.70 ff.). Das Ziel einer derartigen Verschmelzung kann daher auch hier nur durch Umwegkonstruktionen erreicht werden, für die ggf. die Steuerneutralität gem. § 20 UmwStG partiell eingreift. b) Hinausverschmelzung

17.132 Die Hinausverschmelzung ist durch mehrstufige Übertragungsakte insbesondere dadurch möglich, dass die inländische Personengesellschaft ihren Betrieb auf eine ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten überträgt und sodann im Zuge der Liquidation der inländischen Personengesellschaft die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter übertragen werden (Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung). Eine Hinausverschmelzung kann auch dadurch erreicht werden, dass alle Gesellschafter ihre Anteile an der inländischen Personengesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen mit der Folge, dass sodann im Wege der Anwachsung das Vermögen der inländischen Personengesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft übergeht (Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung).

17.133 Geht im Rahmen der Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung von der inländischen Personengesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten über, so ist eine Steuerneutralität möglich, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine EU-/EWR-Gesellschaft ist, die innerhalb der EU/EWR ansässig ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG)2 und die Einbringenden entweder in der EU/EWR ansässig sind oder das

1 § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft nur Fälle, in denen der Gesellschafter zuzieht. 2 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 9.

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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UmwStG).1 Die Steuerneutralität wird in diesem Fall durch ein entsprechendes Wertansatzwahlrecht gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG gewährleistet. Voraussetzung für das Wertansatzwahlrecht ist wiederum, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das ist bei inländischem Betriebsstättenvermögen in aller Regel der Fall, ohne dass es darauf ankommt, ob ein DBA besteht oder nicht.2 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn einbringungsbedingt ein Zuordnungswechsel von bisher dem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnenden Wirtschaftsgütern erfolgt. Betroffen hierdurch sind insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter sowie Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit sie dem jeweiligen Stammhaus, also nach der Einbringung der ausländischen Kapitalgesellschaft, zuzuordnen sind.3 In diesem Fall sind die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen.4 In den übrigen Fällen der Einbringung ist eine Steuerneutralität ausgeschlossen. Die Realisation der stillen Reserven unterliegt insoweit bei den Gesellschaftern der übertragenden Personengesellschaft der Besteuerung (§§ 16, 34 EStG). Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob an der inländischen Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder ein DBA eingreift: Bei unbeschränkter Steuerpflicht unterliegen die Gewinne im Rahmen des Welteinkommens der deutschen Besteuerung und bei beschränkter Steuerpflicht erfolgt die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, ohne dass hiergegen abkommensrechtliche Schrankenwirkungen gerichtet sind.5 Bringt die inländische Personengesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen in die ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein, ist im Ausgangspunkt eine Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bei entsprechendem Wertansatzwahlrecht ebenfalls möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten ausländischen Betriebsstättenvermögens bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das ist stets der Fall, soweit das deutsche Besteuerungsrecht nicht ohnehin schon vor der Einbringung ausgeschlossen war, weil etwa beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter

1 2 3 4 5

Zu Einzelheiten Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 11 ff. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA. Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 ff. Hierzu Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 165 ff. Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff.

941

17.134

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

beteiligt waren1 und es sich im Übrigen um ausländisches Betriebsstättenvermögen handelte, für das abkommensrechtlich zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Freistellung in Anspruch genommen werden konnte.

17.135 Als Rechtsfolge der Liquidation der inländischen Personengesellschaft im Anschluss an die Einbringung in- und ausländischen Betriebsstättenvermögens ergibt sich: Die liquidationsbedingte Auskehrung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter löst aufgrund des hiermit verbundenen Rechtsträgerwechsels die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I aus,2 wodurch die vorangegangene Steuerneutralität der Einbringung zunichte gemacht wird.3

17.136 Werden die Anteile an der inländischen Personengesellschaft im Zuge der Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung in die ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, kommt eine Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG auch hier nur in Betracht, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine EU-/ EWR-Gesellschaft und innerhalb der EU/EWR ansässig ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Im Übrigen ist eine Gewinnrealisierung unvermeidbar. Die im Zuge der Einbringung erfolgende Anwachsung löst im Inland keine weitergehenden ertragsteuerlichen Folgen aus.4 c) Hereinverschmelzung

17.137 Die Hereinverschmelzung ausländischer Personengesellschaften auf inländische Kapitalgesellschaften wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die ausländische Personengesellschaft ihren Betrieb in eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt und im Anschluss daran im Zuge einer Liquidation die erhaltenen Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter auskehrt (Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung). Darüber hinaus ist die Hereinverschmelzung auch durch Übertragung aller Anteile an der ausländischen Personengesellschaft auf die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten möglich mit der 1 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 28; Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 43. 3 Anders dagegen, wenn man bei Betriebseinbringung nicht die Mitunternehmerschaft als solche, sondern die Mitunternehmer mit ihren Mitunternehmeranteilen als Einbringende ansieht; vgl. hierzu Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 34 und Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG Rz. 183 jeweils m.w.N. 4 Die sog. erweiterte Anwachsung wird von § 20 UmwStG erfasst; Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 6, 39; Menner in Haritz/Menner3, § 20 UmwStG Rz. 81; Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 103, R 107; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz5, § 20 UmwStG Rz. 195; Suchanek/Herbst, Ubg 2008, 669 (670); Kowallik/Merklein/Scheipers, DStR 2008, 173; a.A. Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 6.

942

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Folge, dass das Vermögen der ausländischen Personengesellschaft im Wege der Anwachsung auf die inländische Kapitalgesellschaft übergeht (Hereinverschmelzung durch Anteilsübertragung).1 Soweit im Zuge der Hereinverschmelzung durch Betriebsübertragung die ausländische Personengesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Kapitalgesellschaft einbringt, ist bei Buchwertfortführung eine Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG insbesondere dann gewährleistet, wenn die einbringende ausländische Personengesellschaft Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich hat und an der ausländischen Personengesellschaft Personen beteiligt sind, die im EU-/EWR-Bereich ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a UmwStG) und zudem das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Die letztgenannte Voraussetzung wird ohne weiteres erfüllt werden können, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA eingreift oder nicht.2 Hat dagegen die einbringende Personengesellschaft Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in einem Drittstaat oder sind an der im EU-/ EWR-Bereich ansässigen ausländischen Personengesellschaft in Drittstaaten ansässige Personen beteiligt, ist eine Steuerneutralität der Einbringung nur dann zu erreichen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile der inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Diese Voraussetzung wird nur dann erfüllt werden können, wenn die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft keinem ausländischen Betriebsstättenvermögen der Gesellschafter zuzuordnen sind.3 Wird im Anschluss an die Einbringung des Betriebs in die inländische Kapitalgesellschaft die ausländische Personengesellschaft liquidiert und werden die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter ausgekehrt, so löst der hiermit verbundene Rechtsträgerwechsel die Rechtsfolgen des § 22 Abs. 1 UmwStG aus.4 Damit wird im Ergebnis durch die nachfolgen1 Voraussetzung ist allerdings, dass das maßgebliche ausländische Recht eine dem § 738 Abs. 1 BGB entsprechende Rechtsfolge kennt; andernfalls ist die Liquidation der ausländischen Personengesellschaft erforderlich, um den Vermögenstransfer zu bewirken. 2 §§ 1 Abs. 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 3 Zu den abkommensrechtlichen Zuordnungskriterien Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 ff. 4 Zum Rechtsträgerwechsel zwischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) und Gesellschafter (Mitunternehmer) als Veräußerung i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, Patt in D/J/P/W, § 22 UmwStG Rz. 28; Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 43; anders dagegen, wenn man annimmt, nicht die Mitunternehmerschaft, sonder die Mitunternehmer mit ihren Mitunternehmeranteilen seien Einbringende; vgl. hierzu Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 34 und Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG Rz. 183 jeweils m.w.N.

943

17.138

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

de Liquidation der Personengesellschaft die vorangegangene Steuerneutralität der Einbringung durch die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I zunichte gemacht.

17.139 Bringt die ausländische Personengesellschaft im Zuge der Hereinverschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein, so eröffnet sich das Wertansatzwahlrecht des § 20 Abs. 2 UmwStG unter den gleichen Voraussetzungen wie im Falle der Einbringung inländischen Betriebsstättenvermögens (Rz. 17.138). In den Fällen, in denen DBA eingreifen, auf Grund deren ausländische Betriebsstättengewinne von deutscher Steuer freizustellen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), wird jedenfalls aus deutscher Sicht ein Antrag auf Ansatz des Buchwertes oder eines Zwischenwertes nicht geboten sein.

17.140 Werden im Zuge der für die Hereinverschmelzung erforderlichen Liquidation der ausländischen Personengesellschaft Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter ausgekehrt, so gelten für die Besteuerung auf Gesellschafterebene die vorstehend dargestellten Grundsätze entsprechend (Rz. 17.138).

17.141 Für die Hereinverschmelzung durch Anteilsübertragung ergeben sich keine Besonderheiten: Die Einbringung der Mitunternehmeranteile an der ausländischen Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bei Buchwertfortführung unter den gleichen Voraussetzungen möglich wie bei der Betriebseinbringung (Rz. 17.138 ff.). 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften a) Hinausverschmelzung

17.142 Da die grenzüberschreitende Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften im UmwG ungeregelt geblieben ist (Rz. 17.70 ff.), ist eine Hinausverschmelzung nur durch mehrstufige Rechtsakte möglich. So kann das Ziel der Hinausverschmelzung dadurch erreicht werden, dass der Betrieb der inländischen Personengesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen wird und im Zuge der anschließenden Liquidation der inländischen Personengesellschaft die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft an die Gesellschafter ausgekehrt werden (Hinausverschmelzung durch Betriebsübergang). Möglich ist aber auch die Einbringung der Gesellschaftsanteile an der inländischen Personengesellschaft in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an derselben mit der Folge, dass hierdurch automatisch eine Anwachsung des Vermögens der inländischen Personengesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft als Alleingesellschafterin erfolgt (Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung). 944

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

Wird im Rahmen der Hinausverschmelzung durch Betriebsübertragung seitens der inländischen Personengesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen in die ausländische Personengesellschaft1 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, ist auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eine Steuerneutralität bei Buchwertfortführung gewährleistet,2 da einbringungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des eingebrachten Betriebsvermögens in aller Regel nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Denn die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven unterliegen uneingeschränkt der deutschen Besteuerung, und zwar unabhängig davon, ob unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind und ein DBA eingreift oder nicht.3 Etwas anderes gilt allerdings in den Fällen, in denen im Zuge der Einbringung etwa immaterielle Wirtschaftsgüter und Anteile an Kapitalgesellschaften in das ausländische Betriebsvermögen der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft überwechseln.4 Soweit im Zuge der Auflösung der inländischen Personengesellschaft die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft auf die Gesellschafter übertragen werden, wird ein Einkünftetatbestand nicht erfüllt mit der Folge, dass eine Besteuerung insoweit unterbleibt.5 Sind im Rahmen der Einbringung allerdings Anteile an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft übertragen worden, entsteht liquidationsbedingt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 5 UmwStG ein nachträglich zu versteuernder Einbringungsgewinn II.6

17.143

Wird im Zuge der Hinausverschmelzung seitens der inländischen Personengesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische Personengesellschaft übertragen,7 ist eine Buchwertfortführung gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und damit eine Steuerneutralität ebenfalls möglich,8 soweit einbringungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das ist insbesondere in den Fällen gegeben, in denen bereits bei der Einbringung abkommensrechtlich kein deutsches Besteuerungsrecht bestand.9 Ein Ausschluss oder ei-

17.144

1 Im Sinne von Mitunternehmerschaft. 2 Wo die ausländische Personengesellschaft ansässig ist, spielt keine Rolle (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). 3 Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 133. 4 Zu den entsprechenden abkommensrechtlichen Zuordnungskriterien Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 ff. 5 Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (513). 6 Zu Einzelheiten Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 208 ff.; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 128 ff. 7 Zur Frage, wer Einbringender ist, vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 102 und Schlößer in Haritz/Menner3, § 24 UmwStG Rz. 51 ff. 8 Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 50; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (513). 9 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 205.

945

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

ne Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts wird aber dann z.B. eintreten, wenn einbringungsbedingt ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft erfolgt.1 Für die sich an die Betriebseinbringung anschließende Auflösung der inländischen Personengesellschaft gelten die vorgenannten Grundsätze (Rz. 17.143) entsprechend.

17.145 Für die Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung ergeben sich keine Besonderheiten: Die Einbringung aller Gesellschaftsanteile (Mitunternehmeranteile) an der inländischen Personengesellschaft in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist bei der Buchwertfortführung gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG unter den dort genannten Voraussetzungen steuerneutral möglich. Die Anwachsung als Folge der Einbringung aller Mitunternehmeranteile bewirkt einen Betriebsübergang auf die ausländische Personengesellschaft. Auch dieser Betriebsübergang ist unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG steuerneutral möglich. § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG erstreckt zwar vom Wortlaut her die Anwendung des § 24 UmwStG nur auf die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge,2 in Orientierung am Sinn und Zweck des § 24 UmwStG ist indessen eine teleologische Extension auch auf den Fall der Gesamtrechtsnachfolge geboten:3 Gilt § 24 UmwStG für den Fall der Einzelrechtsnachfolge, so muss der Geltungsbereich erst Recht für die Gesamtrechtsnachfolge gelten. Der mit der Anwachsung verbundene Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des Betriebsvermögens kann allerdings eine nachträgliche Besteuerung des Einbringungsgewinns II gem. § 24 Abs. 5 UmwStG auslösen.4 b) Hereinverschmelzung

17.146 Da die Steuerfolgen der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften nicht auf die Ansässigkeit der Personengesellschaften oder ihrer Gesellschafter abstellen, sondern sich allein danach beurteilen, ob einbringungsbedingt deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 1 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 205. 2 Die Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) entspricht dagegen der Gesamtrechtsnachfolge, weil das Vermögen ohne besonderen Übertragungsakt übergeht; aus Sicht der ertragsteuerlichen Mitunternehmerkonzeption Orth, DStR 1999, 1011 (1012 f.) mit Hinweisen auf die Meinungsvielfalt; die Dogmatik ist bislang ungeklärt; vgl. K. Schmidt in FS Huber, 969 ff. 3 Die sog. erweiterte Anwachsung fällt damit unter § 24 UmwStG; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz5, § 24 UmwStG Rz. 56; Schlößer in Haritz/Menner5, § 24 UmwStG Rz. 90; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 59; Mutscher in Frotscher/Maas, § 24 UmwStG Rz. 58; Widmann in W/M, § 24 UmwStG Rz. 120.2; a.A. Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 15. 4 Hierzu Einzelheiten bei Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 208; Rasche in R/H/vL, § 24 UmwStG Rz. 128 ff.

946

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

UmwStG), gelten für die Hereinverschmelzung die gleichen Grundsätze wie für die Hinausverschmelzung (Rz. 17.142 ff.).

III. Spaltung 1. Allgemeines Der grenzüberschreitenden Spaltung ist im UmwG eine Regelung ebenfalls versagt geblieben. Da eine solche Spaltung auch unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV)1 oder auf die insoweit nicht umgesetzte Fusionsrichtlinie2 in der Praxis nicht gangbar ist, können die entsprechenden Umstrukturierungsziele nur durch mehraktige, auf Einzelrechtsnachfolge beruhenden Vermögensübertragungen erreicht werden.3 Die in Betracht kommenden Umstrukturierungsvorgänge orientieren sich hierbei an den durch Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung vorgegebenen unterschiedlichen Zielen. Das bedeutet, dass bei einer auf Aufspaltung ausgerichteten grenzüberschreitenden Umstrukturierung durch Einzelrechtsnachfolge stets eine Liquidation des übertragenden Rechtsträgers erfolgt. Insoweit ist diese horizontale Umstrukturierung4 mit einer auf Verschmelzung von Rechtsträgern abzielenden vertikalen Umstrukturierung vergleichbar. Eine Steuerneutralität kann damit bei Buchwertfortführung nach den Einbringungsvorschriften der §§ 20 ff. UmwStG partiell ermöglicht werden. Das gilt für die Hinausspaltung ebenso wie für die Hereinspaltung. Soweit die auf Einzelrechtsnachfolge beruhende Umstrukturierung auf eine Abspaltung abzielt, bleibt der übertragende Rechtsträger ebenso wie bei einer auf Ausgliederung ausgerichteten Umstrukturierung erhalten. Der Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG ist nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 UmwStG beschränkt. Ist übernehmender Rechtsträger eine ausländische Kapitalgesellschaft, eröffnet sich der Anwendungsbereich der §§ 20, 21 UmwStG nur, wenn diese in einem EU-/EWR-Staat ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung hat (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 2 UmwStG), es sei denn, die Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile unterlägen uneingeschränkt der deutschen Besteuerung (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Die vorstehenden Beschränkungen gelten allerdings nicht für die grenzüberschreitende Einbringung in Personengesellschaften (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Eine auf Auf- und Abspaltung sowie auf Ausgliederung gerichtete grenzüberschreitende Umstrukturierung sind aber auch durch Weg- oder Zuzug der übertragenden Kapitalgesellschaft und anschließender Auf- und Abspaltung und Ausgliederung nach Maßgabe des jeweils geltenden nationalen Rechts möglich. 1 Hierzu Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 7 ff. 2 Hierzu Frotscher in Frotscher/Maas, § 15 UmwStG Rz. 3 m.w.N. 3 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 151 UmwG Rz. 6; Herzig in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 127 (141). 4 Hierzu Förster, Umstrukturierungen deutscher Tochtergesellschaften im Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 1991, 36, 39.

947

17.147

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

2. Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften a) Aufspaltung

17.148 Soll im Wege einer mit der Aufspaltung vergleichbaren Umstrukturierung eine Hinausspaltung auf zwei oder mehrere ausländische Personengesellschaften ohne Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft herbeigeführt werden, sind hierfür Teilbetriebsübertragungen1 seitens der inländischen Kapitalgesellschaft auf die ausländischen Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und sodann eine Auskehrung der Anteile an den ausländischen Personengesellschaften im Zuge der Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter erforderlich.2 Die Hereinspaltung wird demgegenüber vollzogen durch Teilbetriebsübertragungen der ausländischen Kapitalgesellschaft auf zwei oder mehrere inländische Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und sodann durch Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft und die Auskehrung der Anteile an den inländischen Personengesellschaften an die Gesellschafter.

17.149 Diese auf Aufspaltung gerichtete mehrstufige Umstrukturierung entspricht derjenigen, die auch für die Hinaus- und Hereinverschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften erforderlich ist (Rz. 17.75 ff.). Das bedeutet, dass stets mehrere Gewinnrealisierungstatbestände erfüllt werden, für die allerdings partiell eine Steuerneutralität gem. § 24 UmwStG in Anspruch genommen werden kann: Die Einbringung der Teilbetriebe in ausländische Personengesellschaften (Hinausspaltung) oder in inländische Personengesellschaften (Hereinspaltung) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist, soweit eine Buchwertfortführung zulässig ist, gem. § 24 UmwStG steuerneutral möglich. Da diese Einbringungsvorgänge mit denen übereinstimmen, die für die entsprechende Hinaus- und Hereinverschmelzung erforderlich sind, wird wegen der steuerlichen Folgen auf Rz. 17.75 ff. und Rz. 17.91 ff. verwiesen. Das gilt auch für die weiteren Gewinnrealisierungstatbestände aufgrund der liquidationsbedingten Auskehrung der Anteile an den Personengesellschaften und den hierdurch bewirkten Anteilstausch auf Gesellschafterebene (Rz. 17.80 f.).

17.150 Soweit die auf Aufspaltung gerichtete Umstrukturierung durch Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft und anschließende Aufspaltung im Ausland nach Maßgabe des dortigen Rechts vollzogen wird, gelten die für die Hinausverschmelzung insoweit geltenden Rechtsfolgen ebenfalls entsprechend (Rz. 17.86 f.). Im Falle des Zuzugs mit anschließender Aufspaltung gem. §§ 123 ff. UmwG kommt § 16 UmwStG zur Anwendung, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen eine Steuerneutralität 1 Zum Begriff des Teilbetriebs im Einzelnen Rasche in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 58 ff.; Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 74 ff.; vgl. auch BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, DB 2010, 1567. 2 Zur Hinausspaltung durch Wegzug Rz. 17.150.

948

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

gewährleistet ist. Insoweit gelten die für die Aufspaltung inländischer Kapitalgesellschaften maßgeblichen Rechtsgrundsätze entsprechend (Rz. 17.64 f.). b) Abspaltung Für die grenzüberschreitende Abspaltung durch Hinausspaltung sind, soweit kein Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft erfolgt, Teilbetriebsübertragungen1 seitens der inländischen Kapitalgesellschaft auf eine oder mehrere ausländische Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erforderlich. In einem zweiten Schritt erfolgt sodann entweder ein Anteilstausch dahingehend, dass die Gesellschafter auf die inländische Kapitalgesellschaft Anteile an derselben übertragen und hierfür im Gegenzug Anteile an der oder den ausländischen Personengesellschaften erhalten mit der Folge, dass im Zuge dieses Anteilstauschs die inländische Kapitalgesellschaft die erworbenen eigenen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt einzieht.2 Anstelle dieses Anteilstauschs3 ist auch eine Kapitalherabsetzung oder eine Sachausschüttung bei der inländischen Kapitalgesellschaft möglich, in deren Zuge die Anteile an der oder den ausländischen Personengesellschaft(en) an die inländischen Gesellschafter ausgekehrt werden.4

17.151

Soweit im Rahmen der Hinausspaltung von der inländischen Kapitalgesellschaft auf eine oder mehrere ausländische Personengesellschaften inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, ist bei zulässiger Buchwertfortführung eine Steuerneutralität gem. § 24 UmwStG sichergestellt. Hierbei spielt es im Grundsatz keine Rolle, ob ein DBA eingreift oder nicht, ob die Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind: Das deutsche Besteuerungsrecht für die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven bleibt in allen Fällen uneingeschränkt erhalten,5 soweit nicht einbringungsbedingt ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern des inländischen Betriebsstättenvermögens auf die ausländische Personengesellschaft auf Grund ihrer Zentralfunktion6 als Stammhaus erfolgt. Auch hier gelten die für die Hinausverschmelzung maßgeblichen Rechtsfolgen entsprechend (Rz. 17.65).

17.152

1 Zum Begriff des Teilbetriebs Rasche in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 58 ff.; Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 74 ff.; vgl. BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, DB 2010, 1567. 2 Zu den steuerlichen Folgen nach Inkrafttreten des BilMoG Herzig/Briesemeister, WPg 2010, 63 (74); Dörfler/Adrian, DB 2009, Beilage 5, 58 (62); Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, 1640 (1642 f.). 3 Dem Erwerb eigener Anteile sind gem. §§ 71 ff. AktG; §§ 33 f. GmbHG Grenzen gesetzt. 4 Herzig/Förster, BB 1992, 1251 (1252); Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (586). 5 Soweit DBA eingreifen, gilt das Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA). 6 Hierzu kritisch Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff.

949

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Der sich an die Einbringung anschließende Anteilstausch führt indessen sowohl auf Gesellschaftsebene1 als auch auf Gesellschafterebene zu einer in aller Regel steuerwirksamen Gewinnrealisierung. Soweit für die Einbringung Steuerneutralität in Anspruch genommen werden kann, wird diese somit grundsätzlich durch den anschließenden Anteilstausch (teilweise) zunichte gemacht. Eine Besonderheit gilt indessen für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, wenn sie in einem Staat ansässig sind, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat: In diesem Fall unterliegt die durch den Anteilstausch herbeigeführte Gewinnrealisierung in den weggetauschten Anteilen an der inländischen Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Besteuerung.2 Die spätere Einziehung der eigenen Anteile durch die inländische Kapitalgesellschaft führt bei der Kapitalgesellschaft zu keinen steuerpflichtigen Einkünften.3

17.153 Geht im Zuge der Hinausspaltung ausländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische Personengesellschaft über, ist die Steuerneutralität bei zulässiger Buchwertfortführung gem. § 24 UmwStG gewährleistet und in Abkommensfällen auch bei gewinnrealisierender Buchwertaufstockung durch die Steuerfreistellung für Betriebsstättengewinne (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) sichergestellt. Der der Einziehung der eigenen Anteile vorgelagerte Anteilstausch führt zwar auf der Ebene der Gesellschafter unter den vorgenannten Voraussetzungen zu einer steuerwirksamen Gewinnrealisierung, auf der Ebene der inländischen Kapitalgesellschaft aber zu keiner Besteuerung, soweit für die Übertragung der Anteile an der oder den ausländischen Personengesellschaft(en) abkommensrechtliche Schrankenwirkungen4 eingreifen. Wird die Hinausspaltung durch Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft und anschließende Abspaltung nach Maßgabe des hierfür in Betracht kommenden ausländischen Rechts herbeigeführt, gelten die für die Hinausverschmelzung maßgeblichen Rechtsfolgen entsprechend (Rz. 17.86 f.).

17.154 Zielt die grenzüberschreitende Abspaltung auf eine Hereinspaltung ab, ist seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft eine Teilbetriebsübertragung auf eine oder mehrere inländische Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erforderlich.5 Im Anschluss daran erfolgt sodann bei der ausländischen Kapitalgesellschaft entweder ein Tausch der Anteile an der oder den inländischen Personengesellschaft(en) gegen eigene Anteile oder aber eine Kapitalherabsetzung oder Sachaus1 Auf Gesellschaftsebene ist der Erwerb eigener Anteile seit Inkrafttreten des BilMoG im Ergebnis wie eine Kapitalherabsetzung zu bilanzieren; vgl. Herzig/Briesemeister, WPg 2010, 63 (74 f.). 2 Wohnsitzprinzip: Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vgl. Rz. 16.399 ff. 3 So zur Rechtslage nach Inkrafttreten des BilMoG Herzig/Briesemeister, WPg 2010, 63 (64 f.); Dörfler/Adrian, DB 2009, Beilage 5, 58 (62 f.); Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, 1640 (1642 f.); a.A. Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 72. 4 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 5 Schaumburg/Schumacher in Lutter7, Anh. 2 nach § 151 UmwG Rz. 14.

950

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

schüttung, in deren Zuge Anteile an der oder den inländischen Personengesellschaften hergegeben werden. Denkbar ist aber auch der Zuzug der ausländischen Kapitalgesellschaft und sodann eine Abspaltung gem. §§ 123 ff. UmwG auf eine oder mehrere inländische Personengesellschaften. Die Abspaltung ist hierbei unter den Voraussetzungen des § 16 UmwStG steuerneutral möglich. Insoweit gelten die für die Abspaltung inländischer Kapitalgesellschaften maßgeblichen Rechtsgrundsätze entsprechend (Rz. 17.65). Bringt die ausländische Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen in die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein, ist bei zulässiger Buchwertfortführung Steuerneutralität gem. § 24 UmwStG gewährleistet. Das gilt unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht oder unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind. Erfolgt einbringungsbedingt ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern von der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die inländische Personengesellschaft, etwa wegen der ihr nunmehr zukommenden Zentralfunktion als Stammhaus,1 sind die vorgenannten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§§ 4 Abs. 1 Satz 7; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Der Tausch der Mitunternehmeranteile gegen eigene Anteile seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegt auf Gesellschaftsebene der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), ohne dass das deutsche Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt würde.2 Auf Gesellschafterebene führt dieser Anteilstausch zu einer in aller Regel steuerwirksamen Gewinnrealisierung,3 die bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen der deutschen Besteuerung ausgesetzt sind.4 Bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern unterliegt die Gewinnrealisierung der deutschen Besteuerung nur dann, wenn die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören.5

17.155

Geht im Zuge der Hereinspaltung von der ausländischen Kapitalgesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen auf inländische Personengesellschaften über, so ist bei zulässiger Buchwertfortführung eine Steuerneutralität gem. § 24 UmwStG möglich.6 Aus deutscher Sicht wird indessen in aller Regel der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten sein,

17.156

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4; zur Kritik Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5 f.; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff. 2 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1; 17 Abs. 1 und 4 EStG) oder aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) bzw. sonstige Einkünfte bei sog. Altanteilen (§§ 22 Nr. 2; 23 Abs. 1 Nr. 2; 52a Abs. 11 Satz 4 EStG); bei Kapitalgesellschaften: § 8b Abs. 2 und 3 KStG. 4 Wohnsitzprinzip: Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vgl. Rz. 16.399. 5 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 Hierzu Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (587).

951

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

weil insoweit etwaige Gewinnrealisierungen dem deutschen Steuerzugriff entzogen sind.1 Der Tausch der Anteile an der oder den inländischen Personengesellschaften gegen eigene Anteile unterliegt auf Gesellschaftsebene ebenfalls nicht der beschränkten Steuerpflicht.2 Für die Besteuerung auf Gesellschafterebene gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend (Rz. 17.155). c) Ausgliederung

17.157 Die grenzüberschreitende Ausgliederung aus Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften ist auf den Übergang von Vermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gerichtet. Es handelt sich hierbei jeweils um Einbringungsvorgänge, die bei Buchwertfortführung gem. § 24 UmwStG steuerneutral gestaltet werden können, sofern qualifiziertes Betriebsvermögen,3 etwa inländisches oder ausländisches Betriebsstättenvermögen, übergeht.4 Hier finden die für die im Rahmen der Auf- und Abspaltung erforderlichen Einbringungsvorgänge geltenden Grundsätze entsprechende Anwendung (Rz. 17.148 ff.). 3. Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Allgemeines

17.158 Die grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften ist im UmwG ebenfalls nicht geregelt.5 Dementsprechend fehlt es auch im UmwStG an einer an die handelsrechtlichen Vorgaben des UmwG anknüpfenden steuerlichen Regelung. Erfasst werden daher die auf eine grenzüberschreitende Spaltung gerichteten zivilrechtlichen Umwegmodelle allenfalls von den §§ 20 ff. UmwStG. b) Aufspaltung

17.159 Soweit die grenzüberschreitende Aufspaltung auf eine Hinausspaltung gerichtet ist, sind hierfür entweder Teilbetriebsübertragungen seitens der inländischen Kapitalgesellschaft auf zwei oder mehrere ausländische Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und sodann die Auskehrung dieser Anteile an die Gesellschafter im Zuge der Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft oder aber deren Wegzug 1 Es entsteht allerdings ggf. eine Besteuerung auf der Ebene der einbringenden ausländischen Kapitalgesellschaft. 2 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 3 Z.B. Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil. 4 Zu Einzelheiten Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 173 UmwG Rz. 4 f. 5 Zur Berufung auf die Niederlassungsfreit Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwStG Rz. 7 ff. und auf die insoweit nicht umgesetzte Fusionsrichtlinie Frotscher in Frotscher/Maas, § 15 UmwStG Rz. 3 m.w.N.

952

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

mit anschließender Aufspaltung nach Maßgabe des ausländischen Rechts erforderlich. Dieser mehraktige Vermögenstransfer entspricht in seiner Grundstruktur denjenigen Rechtsakten, die für eine Hinausverschmelzung außerhalb der EU-/EWR-Bereichs maßgeblich sind. Im Hinblick auf diese parallelen Rechtsstrukturen sind auch die steuerlichen Folgen vergleichbar: Ebenso wie bei der Hinausverschmelzung in Drittstaaten ist auch bei der Hinausspaltung in den EU-/EWR-Bereich oder in Drittstaaten eine Steuerneutralität im Grundsatz ausgeschlossen (Rz. 17.108 ff.). Die Hereinspaltung entspricht ebenfalls in ihrer rechtlichen Grundstruktur der Hereinverschmelzung aus Drittstaaten: Erforderlich sind Teilbetriebsübertragungen der ausländischen Kapitalgesellschaft auf inländische Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und die Auskehrung der Anteile an den inländischen Kapitalgesellschaften an die Gesellschafter im Zuge der Liquidation der ausländischen Kapitalgesellschaft oder aber deren Zuzug und die anschließende Aufspaltung gem. §§ 123 ff. UmwG. Ebenso wie bei der Hereinverschmelzung aus Drittstaaten ist auch hier eine Steuerneutralität nur in engen Grenzen möglich (Rz. 17.122 ff.).

17.160

c) Abspaltung Soll im Zuge der grenzüberschreitenden Abspaltung eine Hinausspaltung verwirklicht werden, so ist hierfür eine Teilbetriebsübertragung der inländischen Kapitalgesellschaft auf eine oder mehrere ausländische Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten sowie ein anschließender Anteilstausch eigener Anteile gegen Anteile an der oder den ausländischen Kapitalgesellschaften erforderlich, wobei dieser Anteilstausch mit den Gesellschaftern auch im Rahmen einer Kapitalherabsetzung oder Sachausschüttung möglich ist, wenn der Erwerb eigener Anteile zivilrechtlichen Schranken unterworfen ist. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit des Wegzuges der inländischen Kapitalgesellschaft und der anschließenden Abspaltung nach Maßgabe des ausländischen Rechts.

17.161

Geht im Rahmen des spaltungsbedingten Vermögenstransfers inländisches Betriebsstättenvermögen auf eine oder mehrere ausländische Kapitalgesellschaften durch Einbringung über, ist eine Steuerneutralität schon im Ausgangspunkt nur dann möglich, wenn die übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaften EU-/EWR-Kapitalgesellschaften sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).1 Die Steuerneutralität für den Vermögenstransfer auf in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften ist ausgeschlossen. Soweit die Einbringung in eine ausländische EU-/EWR-Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt, ist bei zulässiger Buchwertfortführung gem. § 20

17.162

1 Zu den Ansässigkeitsvoraussetzungen im Einzelnen Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 9.

953

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Abs. 2 UmwStG eine Steuerneutralität ohne weiteres möglich. Für den Anteilstausch gelten sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Gesellschafterebene die für die Hinausspaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften geltenden Grundsätze (Rz. 17.151 ff.), so dass auch dieser Anteilstausch zu einer steuerpflichtigen Gewinnrealisierung führt.

17.163 Geht im Zuge der Hinausspaltung ausländisches Beriebsstättenvermögen über, ist bei Buchwertfortführung gem. § 20 Abs. 2 UmwStG eine Steuerneutralität möglich, wenn die übernehmenden Kapitalgesellschaften EU-/EWR-Kapitalgesellschaften sind. In allen anderen Fällen ist zwar eine Gewinnrealisierung zwingend, eine Besteuerung unterbleibt jedoch in Abkommensfällen, soweit die ausländischen Betriebsstättengewinne von deutscher Besteuerung freizustellen sind (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECDMA). In allen anderen Fällen ist eine Besteuerung auf Gesellschaftsebene unvermeidbar. Für die Besteuerung auf Gesellschafterebene ergeben sich im Vergleich zur Übertragung inländischen Betriebsstättenvermögens keine Besonderheiten. Der Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft und die Abspaltung nach Maßgabe des ausländischen Rechts lösen schließlich wiederum die Rechtsfolgen aus, die für die Hinausverschmelzung Geltung haben (Rz. 17.116).

17.164 Sollte die grenzüberschreitende Aufspaltung durch Hereinspaltung vollzogen werden, ist hier ebenfalls eine mit der Hinausspaltung vergleichbare mehraktige Vermögensübertragung erforderlich. Im Einzelnen:1

17.165 Geht im Zuge der Hereinspaltung inländisches Betriebsstättenvermögen von der ausländischen Kapitalgesellschaft auf inländische Kapitalgesellschaften über, so kann bei zulässiger Buchwertfortführung gem. § 20 Abs. 2 UmwStG Steuerneutralität in Anspruch genommen werden, soweit die übertragende ausländische Kapitalgesellschaft eine EU-/EWRKapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) ist oder andernfalls das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Ist die ausländische Kapitalgesellschaft keine EU-/EWR-Kapitalgesellschaft, eröffnet sich somit das Wertansatzwahlrecht des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht in Abkommensfällen, in denen das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft nur dem Ansässigkeitsstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft zugewiesen ist (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Gehören die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen der ausländischen Kapitalgesellschaft, ist die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an inländischen Kapi1 Hierzu auch Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 151 UmwG Rz. 23 ff.; Herzig in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 127 (144 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (588 f.).

954

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

talgesellschaften abkommensrechtlich indessen nicht ausgeschlossen.1 Der im Zuge des Erwerbs der eigenen Anteile gegen Übertragung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft auf der Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft bewirkte Anteilstausch löst allerdings rückwirkend einen Einbringungsgewinn I (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) aus, der die Steuerneutralität der vorangegangenen Einbringung wieder zunichte macht. Gehören die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen der ausländischen Kapitalgesellschaft, führt der Anteilstausch ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen zu einer der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegenden Besteuerung, wobei allerdings der Einbringungsgewinn I als nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile zu berücksichtigen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG). Dieser Anteilstausch bewirkt auf der Ebene der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter ebenfalls eine Gewinnrealisierung und damit eine Besteuerung.2 Das gilt allerding dann nicht, wenn die Anteile einem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind und hierfür ein DBA Anwendung findet.3 Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind, führt der Anteilstausch nur dann zu einer deutschen Besteuerung, wenn die erworbenen eigenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind.

17.166

Wird im Zuge der Hereinspaltung seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen auf die inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen, so kann bei Buchwertfortführung die Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG in Anspruch genommen werden, wobei aus der Sicht des deutschen Steuerrechts in aller Regel der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten ist. Soweit die Hereinspaltung durch Zuzug der ausländischen Kapitalgesellschaft mit anschließender Abspaltung (§§ 123 ff. UmwG) auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft vollzogen wird, kann der Spaltungsvorgang unter den Voraussetzungen des § 15 UmwStG steuerneutral gestaltet werden. Während der vorausgehende Zuzug, soweit dieser rechtstechnisch überhaupt zulässig ist, in aller Regel keine deutschen Steuern auslöst, bewirkt er im Wegzugsstaat durchweg eine steuerwirksame Gewinnrealisierung. Für die Besteuerung des Anteilstauschs gelten sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene im Zusammenhang mit der Übertragung ausländischen Betriebsstättenvermögens keine steuerlichen Besonderheiten (Rz. 17.165).

17.167

1 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 2 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1; 17 Abs. 1 und 4 EStG) oder aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) bzw. sonstige Einkünfte bei sog. Altanteilen (§§ 22 Nr. 2; 23 Abs. 1 Nr. 2; 52a Abs. 11 Satz 4 EStG), bei Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 2 und 3 KStG). 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff.

955

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

d) Ausgliederung

17.168 Die Ausgliederung inländischen und ausländischen Betriebsstättenvermögens ist im Rahmen der Hinaus- und Hereinspaltung vor allem darauf gerichtet, einen Teilbetrieb von einer inländischen auf eine ausländische Kapitalgesellschaft oder von einer ausländischen auf eine inländische Kapitalgesellschaft zu übertragen. Insoweit ist die Parallele zu dem für eine grenzüberschreitende Auf- und Abspaltung erforderlichen Vermögenstransfer gegeben. Damit gelten die hierfür maßgeblichen Steuerfolgen für die grenzüberschreitende Ausgliederung entsprechend (Rz. 17.159 ff.). 4. Spaltung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Aufspaltung

17.169 Soll durch die Aufspaltung von Personengesellschaften1 auf Kapitalgesellschaften eine Hinausspaltung verwirklicht werden, sind hierfür Teilbetriebsübertragungen seitens der inländischen Personengesellschaft auf ausländische Kapitalgesellschaften sowie die Auskehrung der Anteile an den ausländischen Kapitalgesellschaften an die Gesellschafter der inländischen Personengesellschaft im Zuge von deren Liquidation erforderlich. Insoweit unterscheidet sich die grenzüberschreitende Hinausspaltung nicht von der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung. Hieraus folgt zugleich, dass sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene die steuerlichen Folgen gleich sind. Wegen der Einzelheiten wird daher auf Rz. 17.132 ff. verwiesen. Entsprechendes gilt auch für die Hereinspaltung (Rz. 17.137 ff.). b) Abspaltung

17.170 Die Hinausspaltung im Zuge der Abspaltung aus einer inländischen Personengesellschaft auf eine oder mehrere ausländische Kapitalgesellschaften wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die inländische Personengesellschaft auf die ausländische(n) Kapitalgesellschaft(en) einen oder mehrere Teilbetriebe gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten überträgt und im Anschluss daran die gewährten Anteile auf die Gesellschafter der Personengesellschaft übertragen werden mit der Folge, dass diese Anteile steuerlich entweder Privatvermögen oder aber Sonderbetriebsvermögen werden.2

17.171 Geht inländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische(n) Kapitalgesellschaft(en) über, ist eine Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG möglich (Rz. 17.133), wenn die ausländische Kapitalgesellschaft eine EU-/EWR-Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 1 Die sich aus Realteilung (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ff. EStG) ergebenden Möglichkeiten der Steuerneutralität bleiben hier unerörtert. 2 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 151 UmwG Rz. 28; Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (589).

956

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

UmwStG) oder das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Unter den vorgenannten Voraussetzungen ist der Buchwertansatz gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG insbesondere deshalb antragsgemäß zulässig, weil das deutsche Besteuerungsrecht einbringungsbedingt in aller Regel nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob DBA eingreifen oder nicht. Etwas anderes gilt dann, wenn einbringungsbedingt Wirtschaftsgüter des inländischen Betriebsstättenvermögens auf Grund der Zentralfunktion der ausländischen Kapitalgesellschaft nunmehr dieser zuzuordnen sind.1 Insoweit ist der Ansatz mit dem gemeinen Wert und somit eine Gewinnrealisierung zwingend. Werden anschließend die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter der Personengesellschaft übertragen, wird ein Einbringungsgewinn I ausgelöst (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), soweit die Übertragung auf die Gesellschafter etwa gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt.2 Durch die Übertragung selbst tritt im Übrigen auf Ebene der Personengesellschaft nur dann eine Gewinnrealisierung ein, wenn die Anteile in das Privatvermögen des Gesellschafters überführt werden. In diesem Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Einbringungsgewinn I die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft erhöht und damit einen Entnahmegewinn mindert (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG). Bleiben sie Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, so unterbleibt eine weitergehende Gewinnrealisierung, wenn die Überführung dieser Anteile gegen Minderung von Gesellschaftsrechten an der übertragenden inländischen Personengesellschaft oder unentgeltlich erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG). Wird im Zuge der Hinausspaltung ausländisches Betriebsstättenvermögen übertragen, ist die Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG unter den vorgenannten Voraussetzungen ebenfalls möglich. Greift indessen ein DBA ein, aufgrund dessen Deutschland die Besteuerung der in den übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven versagt bleibt,3 ist aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ein Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten, weil die hierdurch ausgelöste Gewinnrealisierung nicht der deutschen Steuer ausgesetzt ist.4 Im Übrigen gelten hier keine steuerlichen Besonderheiten. Soll die Abspaltung durch Hereinspaltung verwirklicht werden, ist hier- 17.172 für eine Teilbetriebsübertragung der ausländischen Personengesellschaft auf die inländische Kapitalgesellschaft und sodann die Übertragung dieser 1 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4; zur Kritik Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff. 2 Hierzu Stangl in R/H/vL, § 22 UmwStG Rz. 38. 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 4 Zum Problem der Einheitlichkeit des Antrags Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 153.

957

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Anteile auf die Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft erforderlich.

17.173 Wird inländisches Betriebsstättenvermögen übertragen, so kann bei Buchwertfortführung die Steuerneutralität gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG in Anspruch genommen werden, wenn entweder die einbringende ausländische Personengesellschaft Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich hat und (soweit) die Gesellschafter dort ansässig sind1 oder das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.2 Letztere Voraussetzung ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern stets gegeben, wenn kein DBA eingreift. Kommt dagegen ein DBA zur Anwendung, ist die deutsche Besteuerung für die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft ausgeschlossen,3 soweit die Anteile dem ausländischen Betriebsstättenvermögen der ausländischen Personengesellschaft zuzuordnen sind.4 Etwas anderes gilt, wenn die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft einem inländischen Betriebsstättenvermögen der ausländischen Personengesellschaft zuzurechnen sind: In diesem Fall sind die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft uneingeschränkt der deutschen Besteuerung ausgesetzt. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der ausländischen Personengesellschaft beteiligt sind, verhindert die in § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG verankerte Entstrickungsklausel5 eine Buchwertfortführung insbesondere in den Fällen, in denen die Anteile der inländischen Kapitalgesellschaft einem ausländischen Betriebsstättenvermögen der ausländischen Personengesellschaft zuzurechnen sind.6 Wird ausländisches Betriebsstättenvermögen übertragen, wird aus der Sicht des deutschen Steuerrechts in aller Regel der Ansatz mit dem gemeinen Wert (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) geboten sein, so dass insoweit keine steuerlichen Besonderheiten bestehen.

17.174 Die anschließende Überführung der Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft löst rückwirkend einen Einbringungsgewinn I aus (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), wenn diese etwa gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt (Rz. 17.171). Im Übrigen gelten die für die Hinausspaltung maßgeblichen Grundsätze entsprechend (Rz. 17.170 f.). 1 § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG; vgl. hierzu Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 12. 2 § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG; hierzu Patt in D/J/P/W, § 20 UmwStG Rz. 13. 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 4 Zu den abkommensrechtlichen Zuordnungskriterien Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 ff. 5 Hierzu Schaumburg in FS Herzig, 711 (723 ff.). 6 In Abkommensfällen gilt das Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA).

958

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

c) Ausgliederung Die grenzüberschreitende Ausgliederung aus einer inländischen Personengesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft (Hinausspaltung) und die Ausgliederung einer ausländischen Personengesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft (Hereinspaltung) führt bei der Einbringung inländischen oder ausländischen Betriebsstättenvermögens zu den gleichen steuerlichen Folgen, die auch für die grenzüberschreitende Auf- und Abspaltung maßgeblich sind. Im Hinblick darauf wird verwiesen auf Rz. 17.169 und Rz. 17.170 ff.

17.175

5. Spaltung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften a) Aufspaltung Die Hinausspaltung wird dadurch vollzogen, dass durch die inländische Personengesellschaft Teilbetriebe auf ausländische Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen und im Zuge einer anschließenden Liquidation der inländischen Personengesellschaft die Anteile an den ausländischen Personengesellschaften an die Gesellschafter ausgekehrt werden.1

17.176

Soweit inländisches Betriebsstättenvermögen übertragen wird, ist bei Buchwertverknüpfung eine Steuerneutralität gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG2 möglich, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob an der inländischen Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind.3 Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob ein DBA eingreift oder nicht: Das Besteuerungsrecht Deutschlands bleibt im Grundsatz stets uneingeschränkt erhalten.4 Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn einbringungsbedingt Wirtschaftsgüter des inländischen Betriebsstättenvermögens auf Grund der Zentralfunktion der jeweiligen ausländischen Personengesellschaft als Stammhaus auf deren ausländisches Betriebsvermögen überwechseln.5 In diesem Fall ist der Ansatz mit dem gemeinen Wert und somit eine Gewinnrealisierung nicht zu vermeiden.

17.177

§ 24 UmwStG findet auch auf die Übertragung ausländischen Betriebsstättenvermögens Anwendung. Auch hier spielt es keine Rolle, ob an der übertragenden inländischen Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder ein DBA ein-

17.178

1 Die sich auf Grund der Realteilung (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ff. EStG) ergebenden Möglichkeiten der Steuerneutralität bleiben hier unerörtert. 2 Vgl. zu dieser Entstrickungsklausel Schaumburg in FS Herzig, 711 (727 f.). 3 Vgl. § 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG. 4 In Abkommensfällen gelten Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; zur Kritik Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff.

959

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

greift oder nicht. Sind unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt und greift ein DBA nicht ein, wird das Besteuerungsrecht Deutschlands durch den Vermögenstransfer nicht eingeschränkt, da die in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven im Rahmen der Erfassung des Welteinkommens bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern unverändert der Besteuerung unterliegen. Greifen DBA ein, sind die in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven aufgrund des abkommensrechtlich verankerten Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) von vornherein der deutschen Besteuerung entzogen, woran sich auch im Zuge der Aufspaltung nichts ändert. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der inländischen Personengesellschaft beteiligt sind, wird das ausländische Betriebsstättenvermögen von der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht ohnehin nicht erfasst.1

17.179 Die vorgenannten steuerlichen Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Hereinspaltung.2 b) Abspaltung

17.180 Die grenzüberschreitende Abspaltung wird dadurch verwirklicht, dass aus einer in- oder ausländischen Personengesellschaft ein Teilbetrieb auf eine ausländische oder inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen wird und anschließend die erhaltenen Anteile an die Gesellschafter übereignet werden. Im Hinblick darauf bestehen zwischen der Auf- und Abspaltung keine für die Besteuerung wesentlichen Unterschiede, so dass die Ausführungen zur Aufspaltung hier entsprechend gelten.3 c) Ausgliederung

17.181 Die Ausgliederung aus in- oder ausländischen Personengesellschaften auf ausländische oder inländische Personengesellschaften erfolgt durch Teilbetriebsübertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Auch hier ist eine Steuerneutralität unter den Voraussetzungen des § 24 UmwStG gewährleistet. Die vorstehenden zur Aufspaltung gemachten Ausführungen gelten entsprechend.

1 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Vgl. im Übrigen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personengesellschaften Rz. 17.142 ff. 3 Vgl. ferner zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personengesellschaften Rz. 17.142 ff.

960

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

IV. Formwechsel 1. Einführung Im Gegensatz zur Verschmelzung und Spaltung erfolgt im Zuge des Formwechsels keine Vermögensübertragung,1 sondern lediglich ein Wechsel der Rechtsform, bei dem der Vermögensträger identisch bleibt. Ein derart identitätswahrender Formwechsel ist nach den Vorgaben des UmwG auf Rechtsträger beschränkt, die nach deutschem Recht errichtet sind.2 Das gilt gleichermaßen für die formwechselnden Rechtsträger und die Rechtsträger neuer Rechtsform (§ 191 UmwG). Auf der Grundlage der für den Formwechsel geltenden Regelungen des UmwG ist mithin ein grenzüberschreitender Formwechsel ausgeschlossen.3 Das gilt auch für den Formwechsel einer SE (Art. 2 Abs. 4 SE-VO), die umwandlungsbedingt ihren Sitz nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegen darf (Art. 37 Abs. 3 SE-VO).4 Dem grenzüberschreitenden Formwechsel entspricht indessen die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapital- und Personengesellschaften.5 Diese grenzüberschreitende Sitzverlegung, die entweder durch Wegzug oder durch Zuzug des betreffenden Rechtsträgers erfolgen kann, ist ebenso wie der Formwechsel im rechtstechnischen Sinne nicht auf Vermögensübertragung, sondern lediglich auf den Wechsel der Rechtsform gerichtet. Eine grenzüberschreitende Sitzverlegung im Sinne der Verlegung des Satzungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung ist nach derzeit geltendem Recht als identitätswahrender Wegzug oder Zuzug nur bei der SE (Art. 8 Abs. 1 SE-VO) und der SCE (Art. 7 Abs. 1 SCE-VO) mit der Maßgabe möglich, dass sowohl Sitz und Hauptverwaltung6 in ein und demselben Mitgliedstaat liegen müssen (Art. 7 SE-VO, Art. 7 Abs. 1 SCE-VO). In allen anderen Fällen ist der Wegzug und Zuzug durch Verlegung des Satzungssitzes zwar rechtstechnisch ausgeschlossen,7 auf Grund europarechtlicher Vorgaben für den Fall des 1 Hierzu Decker in Lutter4, Vor § 190 UmwG Rz. 2. 2 Decker in Lutter4, Vor § 190 UmwG Rz. 33; unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit wird ein Formwechsel in das Inland z.B. von Spahlinger/Wegen, NZG 2006, 721 (727) für zulässig gehalten; ein Formwechsel in das Ausland wird dagegen durchweg für unzulässig gehalten; vgl. BayObLG v. 11.2.2004 – 3Z BR 175/03, ZIP 2004, 806; OLG Brandenburg v. 30.11.2004 – 6 Wx 4/04, ZIP 2005, 489. 3 Rabback in R/H/vL, § 25 UmwStG Rz. 10; Birkenmeier in R/H/vL, § 9 UmwStG Rz. 15; Patt in D/J/P/W § 25 UmwStG Rz. 3; Mutscher in Frotscher/Maas, § 25 UmwStG Rz. 12. 4 Zu diesem Sitzverlegungsverbot Seibt in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Art. 37 SE-VO Rz. 4. 5 Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 12; Schaumburg in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1 (9). 6 Entspricht in etwa Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung (§§ 10; 11 AO). 7 OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915; vgl. allerdings den Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, nach dem künftig ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel zulässig werden soll (abrufbar unter http://www.bmi.

961

17.182

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Form wechselnden Wegzugs aber geboten.1 Demgegenüber ist die Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung) unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes in das Ausland2 rechtlich möglich (5 AktG; § 4a GmbHG), was allerdings europarechtlich nicht zwingend ist.3 In Orientierung an den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten4 und der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung5 ist die Verlegung des Verwaltungssitzes aus einem anderen Mitgliedstaat der EU nach Deutschland möglich, so dass die sog. Sitztheorie, wonach die Sitzverlegung vom Ausland in das Inland mangels Einhaltung deutscher Gründungsvorschriften zur Qualifizierung als GbR bzw. als OHG führt,6 insoweit keine Geltung mehr hat.7 Das gilt allerdings nicht für den Zuzug aus Drittstaaten.8 Dieses Problemfeld des internationalen Privatrechts hat im Ausgangspunkt für das Steuerrecht keine Bedeutung: So sind etwa nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht auch dann unterworfen, wenn sie ihren Verwaltungssitz im Inland haben (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Die steuerlichen Folgen einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Rechtsträgern ergeben sich mithin losgelöst davon, durch welche Doktrin das internationale Privatrecht des einen oder anderen Staates beherrscht wird. 2. Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften

17.183 Wegen der steuerlichen Folgen der Sitzverlegung, also des Weg- und Zuzugs von Kapitalgesellschaften wird auf die Ausführungen zu Rz. 6.28 ff. verwiesen.

1 2 3 4 5 6 7 8

bund.de/Media/archive/2751.pdf); hierzu Leuering, ZRP 2008, 73 ff.; Bollacher, RIW 2008, 200 ff. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569 (obiter dictum). EU-/EWR-Bereich und Drittstaaten. EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, 5483; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569. Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV). EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155. Hierzu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2006, § 3 Rz. 13; BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, ZIP 2008, 2411; OLG Hamburg v. 30.3.1007 – 11 U 231/04, DB 2007, 1245. Die Einzelheiten sind umstritten; hierzu Zimmer in Schmidt/Lutter, AktG, Int. GesR Rz. 54 ff. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, ZIP 2008, 2411; kritisch zu dieser gespaltenen Lösung Bayer in Lutter/Hommelhoff17, § 4a GmbHG Rz. 11; Weller, IPrax 2009, 202 (207); Lieder/Kliebisch, BB 2009, 338 (339 ff.).

962

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen

3. Sitzverlegung von Personengesellschaften Die auf einen Formwechsel gerichtete grenzüberschreitende Sitzverlegung von Personengesellschaften1 führt im Grundsatz zu keinen unmittelbaren steuerrechtlichen Folgen, wenn sich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts keine Änderung der Subjektsqualifikation ergibt. Personengesellschaften sind in den einzelnen Staaten zumeist einer dualen Subjektsqualifikation unterworfen: Sie werden entweder als eigenständige Steuersubjekte qualifiziert oder aber, wie etwa in Deutschland, für Zwecke der Ertragsteuern nach Maßgabe der Mitunternehmerkonzeption (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) behandelt.2 Hiernach sind Personengesellschaften nicht mit uneingeschränkter Steuerrechtssubjektivität ausgestattet: Nicht die Personengesellschaft, sondern die an ihr beteiligten Gesellschafter unterliegen der Einkommen-/Körperschaftsteuer. Personengesellschaften sind indessen insoweit beschränkt steuerrechtsfähig, als sie selbst mit den von ihnen geführten Gewerbebetrieben Gewinn erzielen mit der Folge, dass sie insoweit selbständige Gewinnerzielungsund Gewinnermittlungssubjekte sind.3 Im Hinblick auf diese nur beschränkt gegebene Steuerrechtssubjektivität von Personengesellschaften fehlt es an einer dem § 12 Abs. 1 und 3 KStG vergleichbaren Entstrickungsvorschrift für den Wegzug von Personengesellschaften. Da die Personengesellschaft als solche nicht der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegt, ist eine Schlussbesteuerung bei Wegzug auch entbehrlich.4 Entsprechendes gilt für den Zuzug ausländischer Personengesellschaften. In allen Fällen bleiben die Gesellschafter als die für die Einkommen- und Körperschaftsteuer maßgeblichen Steuersubjekte identisch: Ihre unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht ändert sich durch die grenzüberschreitende Sitzverlegung der Personengesellschaft nicht.

17.184

An der identitätswahrenden Sitzverlegung ändert sich auch nichts dadurch, dass in dem jeweils anderen Staat eine vom deutschen Steuerrecht abweichende Subjektsqualifikation erfolgt. Wird etwa bei Wegzug einer deutschen Personengesellschaft diese in dem anderen Staat als eigenständiges Steuersubjekt behandelt, so verbleibt es dennoch für Zwecke der deutschen Besteuerung allein bei der Qualifikation als Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG),5 wenn hiernach die nach Wegzug dem ausländischen Recht unterworfene Personengesellschaft in ihren

17.185

1 Zu Einzelheiten Rehm/Schnittker in W/R/S, Rz. 1.107 ff.; Benecke/Schnittker in W/R/S, Rz. 15.172 ff.; Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (426 ff.); Schaumburg, DK 2005, 347 (353 ff.). 2 Vgl. hierzu den Überblick im Anhang zum BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354; ferner den Länderteil (Kapitel 27 ff.) in W/R/S, S. 1149 ff. 3 Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 164. 4 Eine gewerbesteuerliche Entstrickungsregelung gibt es nicht. 5 Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 169; vgl. ferner Rz. 18.66.

963

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

grundlegenden Strukturmerkmalen einer deutschen Personengesellschaft1 entspricht. Wird dagegen nach Wegzug die Gesellschaft aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Körperschaft qualifiziert, erfolgt ein Wechsel im Steuersubjekt und damit zugleich auf Gesellschafterebene ein „Tausch“ von Mitunternehmeranteilen gegen Anteile z.B. an einer ausländischen Kapitalgesellschaft,2 was eine Ent- oder Verstrickung (Rz. 5.337 ff.) auslösen kann. Die Besteuerung erfolgt hier für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter nach den allgemeinen Grundsätzen. Entsprechendes gilt für den Zuzug ausländischer Gesellschaften.

17.186 Durch die Verlegung der Geschäftsleitung einer Personengesellschaft in das Ausland ergibt sich insoweit eine mittelbare steuerliche Folge, als durch eine inländische Geschäftsleitung in aller Regel auch eine Betriebsstätte begründet wird, so dass sich nunmehr wegzugsbedingt auch ein ausländischer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ergibt.3 Soweit hierdurch etwa auf Grund der Zentralfunktion der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft4 ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern von dem inländischen zum ausländischen Betriebsstättenvermögen erfolgt, ergibt sich eine Gewinnrealisierung, soweit hierdurch deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 KStG). Wird die Geschäftsleitung einer Personengesellschaft in das Inland verlegt, ergibt sich eine entsprechende steuerliche Folge dadurch, dass Wirtschaftsgüter des ausländischen Betriebsstättenvermögens nunmehr dem Vermögen der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sind.5 Dieser Zuordnungswechsel führt zu einer Verstrickung, so dass die betreffenden Wirtschaftsgüter nunmehr mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§§ 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; § 12 Abs. 1 KStG).

1 Zu diesem Typenvergleich BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; zu Einzelheiten Schnittker in W/R/S, Rz. 4.5 ff. 2 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 304 UmwG Rz. 22; Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (594). 3 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 69. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4.; zur Kritik Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff. 5 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 69; Sieker in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 85 (89 ff.).

964

D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Benecke/Schnittker, Steuerrechtliche Behandlung grenzüberschreitender Umwandlungen, in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010, Kapitel 15; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug, GmbHR 1996, 668; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996.

I. Überblick Rechtstechnisch vollzieht sich die Umwandlung ausländischer Rechtsträger allein nach Maßgabe des für den Sitz des ausländischen Rechtsträgers maßgeblichen Rechts. Die steuerlichen Folgen beurteilen sich nach den Regeln des Staates, in dem der ausländische Rechtsträger unbeschränkt steuerpflichtig ist. Da viele ausländische Steuerrechtsordnungen durchweg mit dem deutschen UmwStG vergleichbare Regeln enthalten, sind auch dort zumeist steuerneutrale Umwandlungen möglich.1 Derartige ausländische Umwandlungen wirken indessen auch auf das inländische Steuerrecht ein. Hiermit sind insbesondere diejenigen Fälle angesprochen, in denen entweder im Zuge der ausländischen Umwandlung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht oder an den ausländischen Rechtsträgern unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Das UmwStG enthält hierfür in § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG einen spezifischen, allerdings auf die EU-/EWR-Staaten begrenzten Regelungsbereich, wonach unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen die mit den Umwandlungen des Umwandlungsgesetzes vergleichbaren ausländischen Vorgänge in den Anwendungsbereich des UmwStG einbezogen werden, so dass eine Steuerneutralität im Inland gewährleistet werden kann. Darüber hinaus gelten die §§ 20 ff. UmwStG ohne weiteres für den EU-/EWR-Bereich (§ 1 Abs. 4 Satz 1 UmwStG) und § 24 UmwStG auch für Drittstaaten (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG), ohne dass es in den vorgenannten Fällen auf eine Vergleichbarkeit mit einem Umwandlungsvorgang des Umwandlungsgesetzes ankommt (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UmwStG). Schließlich kommt für die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften in Drittstaaten auch die Anwendung von § 12 Abs. 2

1 Vgl. die Länderübersicht bei W/M Anhang 3.

965

17.187

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

KStG und ggf. auch für den EU-/EWR-Bereich von den §§ 7 ff. AStG1 in Betracht. Zu einigen Einzelheiten:

17.188 Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes erfasst nicht nur Umwandlungen, die unter das Umwandlungsgesetz fallen, sondern auch vergleichbare Umwandlungsvorgänge in EU-/EWR-Staaten (§ 1 UmwStG).2 Die in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG angesprochene Vergleichbarkeit der ausländischen Umwandlungsvorgänge wird nur in den Fällen gefordert, in denen die vom Umwandlungssteuergesetz erfassten nationalen Vorgänge eine Akzessorietät zum Umwandlungsgesetz aufweisen. Hieraus folgt, dass etwa die Betriebseinbringung in eine Kapitalgesellschaft und in eine Personengesellschaft sowie die Anteilseinbringung (Anteilstausch,§ 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UmwStG) in den Vergleichbarkeitstest nicht einzubeziehen sind.3 Soweit vom Gesetz die Vergleichbarkeit gefordert wird, bedeutet dies zunächst, dass der ausländische Umwandlungsvorgang zivilrechtlich wirksam vollzogen wird, die beteiligten Rechtsträger den entsprechenden Rechtsträgern deutschen Rechts entsprechen und schließlich, dass der Umwandlungsvorgang als solcher die wesentlichen Strukturmerkmale einer inländischen Umwandlungsart erfüllt.4 Die zivilrechtliche Wirksamkeit des ausländischen Umwandlungsvorgangs beurteilt sich ausschließlich nach Maßgabe des ausländischen Rechts, wobei die Eintragung der Umwandlung in ein ausländisches Registergericht eine gesonderte Prüfung obsolet macht.5 Soweit das Umwandlungssteuergesetz die Umwandlung von Kapital- und Personengesellschaften regelt, ist erforderlich, dass die an den ausländischen Umwandlungsvorgängen beteiligten Rechtsträger einer Kapitaloder Personengesellschaft deutschen Rechts entsprechen. Hierfür ist ein Typenvergleich erforderlich, in dessen Rahmen es auf den nach ausländischem Recht geregelten Aufbau und die wirtschaftliche Stellung des betreffenden Rechtsträgers ankommt.6 Im Hinblick auf die weitgehend parallelen Strukturmerkmale von Kapitalgesellschaften innerhalb des EU-/EWR-Bereichs ergeben sich keine Qualifikationsprobleme.7 Bei Personengesellschaften kommt es bei dem Typenvergleich im Wesentlichen darauf an, ob der entsprechende ausländische Rechtsträger körperschaftlich strukturiert ist oder nicht.8 1 Soweit es sich nicht um aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG) handelt; vgl. Rz. 10.128 ff. 2 Europäisierung des Umwandlungsteuerrechts. 3 Hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 75; Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 133. 4 Hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 76. 5 Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 123; vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 – UmwStG-Erlass, Rz. 01.07. 6 BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411. 7 So per se bei Gesellschaften i.S. der Richtlinie 90/4365/EWG; vgl. Anlage 2 zu § 43b EStG. 8 Zu Einzelheiten Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 87 ff.; zum Sonderfall einer LLC BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411.

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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

Die Vergleichbarkeit (übertragender) Umwandlungen ist bereits dann gegeben, wenn der Vermögensübergang entsprechend den Regelungen des Umwandlungsgesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.1 Soweit indessen EU-/EWR-Staaten eine Umwandlung rechtstechnisch auch durch Einzelrechtsnachfolge ermöglichen, ist entsprechend dem dem Umwandlungssteuergesetz zugrunde liegenden Europäisierungskonzept eine Vergleichbarkeit zu bejahen, wenn im Übrigen alle durch das Umwandlungsgesetz vorgegebenen Merkmale erfüllt sind.2 Für die Vergleichbarkeit ausländischer Formwechsel reicht es ebenfalls aus, das entsprechend dem deutschen Recht ein Rechtsträger seine Rechtsform ändert, ohne dass es dadurch zu dessen Auflösung oder zur Gründung eines neuen Rechtsträgers kommt. Soweit im Zuge eines Formwechsels nach Maßgabe des ausländischen Rechts neue Gesellschafter beitreten, ist das für die Vergleichbarkeit unschädlich.3 Handelt es sich um Umwandlungsvorgänge, die dem 2. bis 5. Teil des Umwandlungssteuergesetzes unterfallen, ist eine umwandlungsbedingte Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden neuen Rechtsträger im Hinblick auf die §§ 54, 68 UmwG für die Vergleichbarkeit ebenso wenig Voraussetzung,4 wie die Einhaltung der vom UmwG vorgegebenen verfahrensrechtlichen Erfordernisse.5 Ein Vergleichbarkeitstest ist schließlich nicht bei Verschmelzungen im Zusammenhang mit einer SE oder SCE erforderlich (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 5. und 6. Alternative UmwStG).6 Während die unter den 2. bis 5. Teil des Umwandlungssteuergesetzes fallenden ausländischen Umwandlungsvorgänge auf EU-/EWR-Rechtsträger beschränkt sind (§ 1 Abs. 2 UmwStG), können für die unter den 6. bis 8. Teil des Umwandlungssteuergesetzes fallenden ausländischen Umwandlungsvorgänge auch in Drittstaaten ansässige übertragende Rechtsträger beteiligt sein, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Darüber hinaus gibt es für die Einbringung in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) keine besonderen Qualifikationsanforderungen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG), so dass insoweit der persönliche Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes global ist.

1 Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 83. 2 So Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 18 ff.; Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 90; Haritz in Haritz/Menner3, § 1 Rz. 18; Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 144; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1526); a.A. Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 84; Hörtnagl in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 35; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 ff.; Benecke/ Schnitger, IStR 2006, 765 (769). 3 Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 102; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 50; a.A. Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 91. 4 Anders im Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils des UmwStG. 5 Enger Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 90. 6 Hierzu im Einzelnen Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 93 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 43.

967

17.189

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

17.190 Außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes werden in § 12 Abs. 2 KStG ausländische Verschmelzungsvorgänge auch in Drittstaaten erfasst, soweit diese denjenigen i.S. des § 2 UmwG entsprechen. § 12 Abs. 2 KStG kommt allerdings nur zur Anwendung, wenn der Vorgang nicht schon vom Umwandlungssteuergesetz erfasst wird (§ 1 Abs. 2 UmwStG). Die Rechtsfolgen für die Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft ergeben sich hierbei aus § 13 UmwStG (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG). Für Spaltungen von in Drittstaaten ansässigen Rechtsträgern gibt es indessen keine Sonderregelungen, so dass hier aus steuerrechtlicher Sicht die allgemeinen Entstrickungsgrundsätze zur Anwendung kommen.1

II. Verschmelzung 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften

17.191 Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften innerhalb von EU-/EWR-Staaten beurteilt sich nach den §§ 3 ff. UmwStG, so dass hierfür die für entsprechende inländische Verschmelzungen maßgeblichen Grundsätze uneingeschränkt Geltung beanspruchen (Rz. 17.26 ff.). Das bedeutet, dass die Steuerneutralität der Verschmelzung im Inland erreicht werden kann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG).2 Das ist unabhängig davon, ob DBA eingreifen oder nicht, in aller Regel der Fall, so dass insoweit die Steuerneutralität in Deutschland gewährleistet ist.

17.192 Die Verschmelzung von ausländischen Kapitalgesellschaften in Drittstaaten auf ausländische Personengesellschaften erfolgt außerhalb der Reichweite des deutschen Umwandlungsrechts. Aus deutscher Sicht treten hierbei die Rechtsfolgen im Wesentlichen unabhängig davon ein, ob die durch das ausländische Umwandlungsrecht geprägte Struktur der Verschmelzung den Vorgaben des deutschen Umwandlungsgesetzes entsprechen oder nicht: Es gelten im Ausgangspunkt stets die allgemeinen Entstrickungs- und Tauschgrundsätze. Soweit hierfür spezialgesetzliche Regelungen keine Steuerneutralität vorsehen, ist eine steuerwirksame Gewinnrealisierung unvermeidbar. Im Einzelnen:

17.193 Geht im Zuge der ausländischen Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische Personengesellschaft über, so sind die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reser1 Hierzu Möhlenbrock in D/J/P/W, § 1 UmwStG Rz. 188. 2 Zu dieser Entstrickungsklausel Schaumburg in FS Herzig, 711 (719 ff.); ferner Rz. 17.26 ff.

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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

ven gem. § 12 Abs. 1 KStG einer Besteuerung zuzuführen, soweit deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung der übergehenden Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Vermögensübergang durch Einzelrechtsnachfolge oder aber durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes vollzieht. § 12 Abs. 1 KStG kommt somit auch bei einem Übergang der Wirtschaftsgüter auf einen anderen Rechtsträger zur Anwendung.1 Die Besteuerung gem. § 12 Abs. 1 KStG, die hier durch keine spezialgesetzliche Norm des UmwStG verdrängt wird,2 greift aber in der Regel nicht ein, weil im Zuge der ausländischen Verschmelzung deutsches Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt wird. Das gilt unabhängig davon, ob DBA zur Anwendung kommen oder nicht; denn die beschränkte Steuerpflicht hinsichtlich der Gewinne insbesondere aus der Veräußerung der verschmelzungsbedingt übergehenden Wirtschaftsgüter (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, § 8 Abs. 1 KStG) bleibt uneingeschränkt erhalten.3 Sind an der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, führt der Wechsel von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht zur unbeschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschafter ebenfalls nicht zum Ausschluss oder zur Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts. Die Verschmelzung der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft führt auf Gesellschafterebene zu einem Anteilstausch, der bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zu einer Besteuerung führt, wenn die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft z.B. zu einem Betriebsvermögen gehören oder aber Beteiligungen i.S. von §§ 17; 20 Abs. 2 EStG sind. Werden die Anteile an der untergehenden ausländischen Kapitalgesellschaft von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehalten, so kann für die durch den Anteilstausch bewirkte Gewinnrealisierung die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG unter den dort näher genannten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden.4 Sind beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, unterliegen deren Veräußerungsgewinne grundsätzlich nicht der deutschen Besteuerung.5 1 Lambrecht in Gosch, § 12 KStG Rz. 33 ff.; Benecke in D/J/P/W, § 12 KStG Rz. 101 ff.; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2650). 2 § 24 UmwStG greift nicht ein, weil nicht die ausländische Kapitalgesellschaft, sondern letztlich deren Gesellschafter die Anteile an der übernehmenden Personengesellschaft halten. 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 4 Unter § 8b Abs. 2 KStG fällt nicht nur die Veräußerung, sondern auch der Tausch von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften; vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 183. 5 Keine beschränkte Steuerpflicht (§ 49 EStG), es sei denn, die Anteile werden in einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehalten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).

969

17.194

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

17.195 Soweit im Zuge der Verschmelzung der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, greift auf Gesellschaftsebene keine deutsche Besteuerung ein.1 Auf Gesellschafterebene hat die Qualifikation des übergehenden Vermögens indessen keinen Einfluss mit der Folge, dass der verschmelzungsbedingte Anteilstausch nach den vorstehend dargestellten Regeln der Besteuerung unterliegt. 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften

17.196 Rechtstechnisch vollzieht sich die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften allein nach ausländischem Recht. Soweit indessen unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder aber verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, werden steuerrechtliche Folgen im Inland ausgelöst. Hierbei ist zwischen EU-/EWR-Verschmelzungen und Drittstaatenverschmelzungen zu differenzieren.

17.197 Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften innerhalb von EU-/EWR-Staaten beurteilt sich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts nach den §§ 11 ff. UmwStG, so dass hierfür die für entsprechende inländische Verschmelzungen maßgeblichen Besteuerungsgrundsätze uneingeschränkt Geltung haben (Rz. 17.41 ff.).2 Das bedeutet, dass die Steuerneutralität der ausländischen Verschmelzung im Inland erreicht werden kann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).3 Da dies in aller Regel der Fall ist, kann die Steuerneutralität im Inland sichergestellt werden, wobei bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn hinsichtlich des inländischen Betriebsstättenvermögens außer Ansatz bleibt (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).4

17.198 Für Verschmelzungen in Drittstaaten gelten folgende Besteuerungsgrundsätze: Geht inländisches Betriebsstättenvermögen über, unterbleibt gem. § 12 Abs. 2 KStG unter den dort näher genannten Voraussetzungen eine verschmelzungsbedingte Gewinnrealisierung, so dass insoweit eine Steuerneutralität gewährleistet ist. Zu den in dem hier interessierenden Zusammenhang bedeutsamen Voraussetzungen gehört, dass die Verschmelzung in ein und demselben Drittstaat erfolgen muss (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KStG). Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist eine Steuerneutralität 1 2 3 4

Keine beschränkte Steuerpflicht; vgl. § 49 EStG. Zu Einzelheiten Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.34 ff. Zu dieser Entstrickungsklausel Schaumburg in FS Herzig, 711 (721 ff.). Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.35; Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 61a.

970

D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

nur gem. § 12 Abs. 1 KStG unter der Voraussetzung möglich, dass verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 17.193). Voraussetzung ist ferner, dass die ausländische Verschmelzung einer Verschmelzung i.S. des § 2 UmwG vergleichbar ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Hier gelten die für § 1 Abs. 1 UmwStG maßgeblichen Grundsätze entsprechend (Rz. 17.187 ff.).1 Von Bedeutung ist schließlich auch, dass § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KStG verlangt, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht beschränkt wird. Eine solche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist bei einem verschmelzungsbedingten Übergang von inländischem Betriebsstättenvermögen stets zu verneinen, weil auch nach der Verschmelzung die Reichweite der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) unverändert bleibt und darüber hinaus im Falle der Anwendung von DBA auch abkommensrechtlich2 keine Änderungen eintreten.3 Auf Gesellschaftsebene ergibt sich als Rechtsfolge, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert anzusetzen sind, ohne dass hierfür ein Wahlrecht eingeräumt wird. Betroffen sind nur diejenigen Wirtschaftsgüter, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum inländischen Betriebsstättenvermögen unverändert steuerverhaftet bleiben.4 § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG regelt nur die Rechtsfolgen auf der Ebene der übertragenden in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft. Im Hinblick darauf gelten für die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze. Sind etwa die Anteile der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft dem inländischen Betriebsstättenvermögen der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnen, führt die aus deutscher Sicht als Tausch der zum Buchwert übergehenden Wirtschaftsgüter der übertragenden Kapitalgesellschaft gegen die untergehenden Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zu qualifizierende Verschmelzung zur Anwendung des § 8b Abs. 2, 3 KStG.5

17.199

Auf Gesellschafterebene führt die Verschmelzung zur Anwendung des § 13 UmwStG (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG).6 Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft anzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass das deutsche Be-

17.200

1 Zu weiteren Einzelheiten Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 21 f. 2 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 3 § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG setzt die Verschmelzung in ein und demselben ausländischen Drittstaat voraus. 4 Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 46. 5 Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 46. 6 § 13 UmwStG gilt für EU-/EWR-Staaten und Drittstaaten gleichermaßen.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

steuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das ist in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG1 stets gewährleistet, weil hierdurch weder die Reichweite der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter verändert wird und zudem in Fällen, in denen DBA eingreifen, auch abkommensrechtlich (Art. 7 Abs. 1; Art. 13 Abs. 2 und 5 OECD-MA) keine Änderungen eingreifen. Die vorgenannten Grundsätze gelten auch, wenn die übertragende Kapitalgesellschaft in einem anderen Drittstaat ansässig ist als die übernehmende Kapitalgesellschaft.2 3. Verschmelzung von ausländischen Personengesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften

17.201 Die Verschmelzung ausländischer Personengesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften vollzieht sich ausschließlich nach dem maßgeblichen ausländischen Recht. Steuerliche Folgen werden hierdurch im Inland nur dann ausgelöst, wenn entweder unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an den ausländischen Rechtsträgern beteiligt sind3 oder aber im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht.

17.202 Bei der Verschmelzung von ausländischen Personengesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften ist wie folgt zu differenzieren: Der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG wird nur dann eröffnet, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine EU-/EWR-Gesellschaft ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Für die Anwendung des § 20 UmwStG ist darüber hinaus aber auch erforderlich, dass die einbringende ausländische Personengesellschaft Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/ EWR-Bereich hat und die an der ausländischen Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter dort ebenfalls ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) oder aber das deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Sind die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, sind insbesondere die übertragende ausländische Personengesellschaft und die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft in Drittstaaten ansässig, bleibt die Anwendung des § 20 UmwStG versagt. Soweit § 20 UmwStG wegen der EU-/EWR-Verknüpfung zur Anwendung kommt, gelten hierfür uneingeschränkt die für entsprechende inländische und grenzüber1 Verschmelzung in ein und demselben Drittstaat. 2 § 13 UmwStG gilt auch hierfür. 3 Entsprechendes gilt für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, deren Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).

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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

schreitende Verschmelzungen maßgeblichen Besteuerungsgrundsätze (Rz. 17.50 ff.). Das bedeutet, dass die Steuerneutralität der ausländischen Verschmelzung im Inland im Ausgangspunkt erreicht werden kann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens (Mitunternehmeranteile) bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Ist die einbringende ausländische Personengesellschaft z.B. in einem Drittstaat ansässig, so ist zusätzlich erforderlich, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Wenn der für die Anwendung des § 20 UmwStG maßgebliche EU-/EWRBezug fehlt, löst die Verschmelzung die nachstehenden Steuerfolgen aus: Der verschmelzungsbedingte Übergang inländischen Betriebsstättenvermögens der ausländischen Personengesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft führt zu einer Gewinnrealisierung der in dem übergehenden inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven, die bei den Gesellschaftern der unbeschränkten1 oder beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen2 unterliegt. Entsprechend der nach deutschem Steuerrecht maßgeblichen Qualifikation der ausländischen Verschmelzung als Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten handelt es sich nämlich um einen Tausch, der nach allgemeinen Grundsätzen einer Veräußerung gleichsteht3 und somit als Betriebsveräußerung dem Regelungsbereich des § 16 EStG unterliegt.

17.203

Geht ausländisches Betriebsstättenvermögen im Zuge der Verschmel- 17.204 zung auf die ausländische Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat über, so führt die hierdurch bewirkte Realisation der in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zu einem Veräußerungsgewinn, der nach den Regeln des § 16 EStG zu besteuern ist, sofern ein DBA nicht eingreift. Ist dagegen das ausländische Betriebsstättenvermögen in einem Staat belegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, ist der Veräußerungsgewinn aufgrund des abkommensrechtlichen Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1; Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) der deutschen Besteuerung grundsätzlich4 entzogen. Soweit nicht in Deutschland ansässige Gesellschafter beteiligt sind, ist die Verschmelzung insgesamt nicht der deutschen Besteuerung unterworfen, und zwar selbst für den 1 Besteuerung im Rahmen des Welteinkommens. 2 Es gilt stets das Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 16.385 ff. 3 Hierzu Patt in D/J/P/W, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 45 ff. 4 Ausnahmen: DBA-Aktivitätsklauseln, § 20 Abs. 2 AStG; § 50d Abs. 9 EStG; vgl. Rz. 16.544; 16.525 ff.

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Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

Fall nicht, dass die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters gehören.1 4. Verschmelzung von ausländischen Personengesellschaften auf ausländische Personengesellschaften

17.205 Die Verschmelzung richtet sich auch hier ausschließlich nach den Regeln des maßgeblichen ausländischen Umwandlungsrechts. Auswirkungen auf die deutsche Besteuerung hat der verschmelzungsbedingte Vermögensübergang nur dann, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht. Auf einen EU-/EWR-Bezug kommt es hierbei nicht an (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).2

17.206 Der verschmelzungsbedingte Transfer inländischen Betriebsstättenvermögens zwischen zwei ausländischen Personengesellschaften führt bei Buchwertfortführung gem. § 24 UmwStG antragsgemäß zu keiner steuerwirksamen Gewinnrealisierung, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des übergehenden Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das gilt unabhängig davon, ob an der übertragenden ausländischen Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder ein DBA eingreift oder nicht.

17.207 Da bei der Verschmelzung ausländischer Personengesellschaften mit inländischem Betriebsstättenvermögen der deutsche Besteuerungszugriff stets unverändert erhalten bleibt,3 kann die Steuerneutralität nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts in Anspruch genommen werden (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über, so wird das deutsche Besteuerungsrecht in aller Regel ebenfalls nicht ausgeschlossen oder beschränkt: Sind unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der übertragenden ausländischen Personengesellschaft beteiligt und greift ein DBA nicht ein, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht uneingeschränkt erhalten. In allen anderen Fällen werden die in dem übergehenden Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven von deutscher Besteuerung im Grundsatz nicht erfasst: Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern in Abkommensfällen deshalb nicht, weil nach dem abkommensrechtlichen Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) die Besteuerung ausschließlich dem ausländischen Betriebsstättenstaat zugewiesen ist, und bei beschränkter Steuerpflicht nicht, weil die entsprechenden

1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Hierzu Patt in D/J/P/W, § 24 UmwStG Rz. 17. 3 In Abkommensfällen greift das Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) ein.

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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

Betriebsstättengewinne keine inländischen Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG1 sind.

III. Spaltung Die Spaltung ausländischer Rechtsträger erfolgt ausschließlich nach Maßgabe des ausländischen Rechts. Soweit an der Spaltung unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich auch steuerliche Auswirkungen in Deutschland, soweit letztere die Anteile an den ausländischen Rechtsträgern in einem inländischen Betriebsstättenvermögen halten und soweit spaltungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht. Im Grundsatz führt die Spaltung ausländischer Rechtsträger nach allgemeinen Tauschgrundsätzen bei Gewinnrealisierung zur Besteuerung. Soweit sich indessen die sich nach ausländischem Recht gestaltenden Spaltungsvorgänge aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Einbringungen qualifizieren lassen, sind die §§ 20 ff. UmwStG, soweit diese nicht ausdrücklich auf inländische Rechtsträger abstellen, anwendbar.2 Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Verschmelzung ausländischer Rechtsträger (Rz. 17.191 ff.), allerdings mit der Besonderheit, dass die Regelung des § 12 Abs. 2 KStG nicht eingreift.

17.208

IV. Formwechsel Der Formwechsel ausländischer Rechtsträger ist allein dem ausländischen Recht unterworfen. Nach deutschem Steuerrecht zu besteuernde Einkünfte entstehen allenfalls dann, wenn an den beteiligten ausländischen Rechtsträgern unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, soweit letztere ihre Gesellschaftsanteile in einem inländischen Betriebsstättenvermögen halten. Darüber hinaus entstehen der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte, soweit die formwechselnden ausländischen Rechtsträger inländisches Betriebsstättenvermögen haben.

17.209

Ist der Formwechsel ausländischer Rechtsträger nach den durch das ausländische Recht vorgegebenen Rechtsstrukturen identitätswahrend in dem Sinne, dass kein Vermögen übergeht (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), so unterbleibt auf Gesellschaftsebene eine Gewinnrealisierung und auf Gesellschafterebene ein Anteilstausch, sofern der Formwechsel nicht rechtsformüberschreitend erfolgt.3 Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist

17.210

1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Schaumburg/Schumacher in Lutter4, Anh. 2 nach § 151 UmwG Rz. 38; Herzig in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 127 (145 f.). 3 Hierzu Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 104.

975

Kapitel 17 Internationales Umwandlungssteuerrecht

daher der Formwechsel innerhalb von Kapitalgesellschaften und innerhalb von Personengesellschaften ertragsteuerlich ohne Bedeutung.1

17.211 Ist dagegen der Formwechsel rechtsformüberschreitend ausgestaltet, etwa beim Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften und umgekehrt, ist von der insoweit maßgeblichen Übertragungsfiktion des UmwStG auszugehen: Die für den rechtsformüberschreitenden Formwechsel anwendbaren Vorschriften der §§ 9; 25 UmwStG gelten nur, wenn der umzuwandelnde Rechtsträger eine nach den Rechtsvorschriften eines EU-/EWR-Staates gegründete Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG)2 und zudem der ausländische mit dem deutschen Formwechsel vergleichbar ist (vgl. § 25 Satz 1 UmwStG).3 Für Zwecke der Besteuerung wird hiernach in Abweichung von der nach ausländischem Handelsrecht etwa als identitätswahrend konzipierten Regelung ein Vermögensübergang fingiert. Diese Fiktion ist systembedingt: Während das von Kapitalgesellschaften erwirtschaftete Einkommen auf Gesellschaftsebene der Körperschaftsteuer und nach Ausschüttung auf Gesellschafterebene der Einkommensteuer unterliegt, ist der von Personengesellschaften erzielte Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nur der Besteuerung auf Gesellschafterebene ausgesetzt. Indessen führt nicht nur ein Formwechsel nach Maßgabe des UmwG zu einem steuerlichen Systemwechsel, Gleiches gilt auch bei einem Formwechsel ausländischer Rechtsträger nach Maßgabe des ausländischen Umwandlungsrechts. Hieraus folgt, dass der Formwechsel ausländischer Kapitalgesellschaften in ausländische Personengesellschaften und von ausländischen Personengesellschaften in ausländische Kapitalgesellschaften aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Umwandlung mit Vermögensübertragung zu qualifizieren ist.4 Im Hinblick darauf gelten insoweit die für die Verschmelzung der entsprechenden ausländischen Rechtsträger geltenden Vorschriften entsprechend (Rz. 17.191 ff.), so dass für den Formwechsel einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft im EU-/EWR-Bereich über § 9 UmwStG im Wesentlichen für den Übertragungsgewinn § 3 UmwStG und für den Übernahmegewinn § 4 UmwStG und für den Formwechsel einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft 1 Widmann in W/M, Vor § 1 UmwStG Rz. 23 ff.; § 1 UmwStG Rz. 243 ff.; Haritz in Haritz/Menner³, § 1 UmwStG Rz. 26; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 46. 2 Dötsch in D/J/P/W, § 9 UmwStG Rz. 12; Patt in D/J/P/W, § 25 UmwStG Rz. 11 f.; Greve in Haritz/Menner³, § 9 UmwStG Rz. 1; Bilitewski in Haritz/ Menner³, § 25 UmwStG Rz. 14. 3 Zu § 9 UmwStG: Dötsch in D/J/P/W, § 9 UmwStG Rz. 12; zu § 25 UmwStG Patt in D/J/P/W, § 25 UmwStG Rz. 9. 4 Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 96, 103; Dötsch in D/J/P/W, § 9 UmwStG Rz. 17; Birkemeier in R/H/vL, § 9 UmwStG Rz. 16; Greif in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, 214 (223); Schaumburg, GmbHR 1996, 668 (671).

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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug

über § 25 UmwStG die §§ 20 bis 23 UmwStG anwendbar sind.1 Handelt es sich demgegenüber um einen Formwechsel in Drittstaaten, greifen die allgemeinen steuerlichen Grundsätze ein, so dass insoweit sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene von einer gewinnrealisierenden Übertragung auszugehen ist.2 Ist ein Formwechsel nach Maßgabe des ausländischen Rechts nicht möglich, kann dieser in der Praxis dennoch im Ergebnis dadurch herbeigeführt werden, dass der ausländische Rechtsträger, insbesondere eine Kapitalgesellschaft, den Satzungssitz und/oder die Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt. Erfolgt die Sitzverlegung zwischen verschiedenen EU-/EWR-Staaten, löst der Wegzug eine Gewinnrealisierung nur dann aus, wenn deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung von Wirtschaftsgütern ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 KStG). Das ist in Abkommensfällen nur ausnahmsweise der Fall, etwa dann, wenn wegzugsbedingt Wirtschaftsgüter aus dem deutschen Steuerzugriff ausscheiden. Bei einer entsprechenden Sitzverletzung in Drittstaaten gelten die vorgenannten Grundsätze entsprechend.3

1 Vgl. hierzu die Beispielfälle bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 15.86 ff. und 15.109 ff. 2 Möhlenbrock in D/J/P/W, Einf. UmwStG Rz. 152; im Ergebnis ebenso Benecke/ Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 15.102. 3 § 12 Abs. 3 KStG kommt nicht zur Anwendung; Ritzer in R/H/vL, Anh. 5 UmwStG Rz. 231; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2650).

977

17.212

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung A. Grundlagen Literatur Amann, Zur Systematik der Ermittlung ausländischer Einkünfte, DB 1997, 796; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht, Berlin 1982; Raupach, Die Frage der Zurechnung im Steuerrecht als Problem der Tatbestandsverwirklichung, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 403; Ruppe, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen als Problem der Zurechnung, DStJG 1 (1979), 7 ff.; Schaumburg, Das Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Tipke/Seer/ Hey/Englisch (Hrsg.), Gestaltung der Steuerrechtsordnung, FS für Lang, Köln 2010, 1099; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Tipke, Die dualistische Einkünfteermittlung nach dem EStG, FS für Paulick, Köln 1973, 391; Tipke, Übertragung von Einkunftsquellen, StuW 1977, 293 ff.; Zimmermann, Das Problem der Gerechtigkeit in der Einkommensbesteuerung, dargestellt und untersucht an den Beispielen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit, Frankfurt/M. 1978.

18.1 Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG), das als disponibles Einkommen Maßstab objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit ist.1 Die objektive Leistungsfähigkeit artikuliert sich in der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 1 bis 3 EStG), die im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht die weltweiten Einkünfte (Welteinkommen) erfasst. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird dagegen das Territorialitätsprinzip und damit die objektive Leistungsfähigkeit lediglich partiell verwirklicht (Rz. 5.55 ff.). Obwohl auch für beschränkt Steuerpflichtige das zu versteuernde Einkommen Bemessungsgrundlage ist, handelt es sich hierbei tatsächlich aber nicht um disponibles Einkommen, weil die die subjektive Leistungsfähigkeit berücksichtigenden privaten Abzüge aufgrund der für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Sondervorschrift des § 50 Abs. 1 EStG weitgehend unberücksichtigt bleiben. Mit diesem dualistischen Konzept korrespondiert das objektive2 und subjektive (private)3 Nettoprinzip, wonach Er1 Zusammenfassend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 95 ff., § 9 Rz. 42 f. sowie Ruppe in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 540 ff. m.w.N.; zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Tipke, 125 ff. 2 Zum objektiven Nettoprinzip im Überblick: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 763 ff.; Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 127. 3 Zum subjektiven Nettoprinzip im Überblick: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 784 ff.; Söhn in K/S/M, § 10 EStG Rz. A 17; Zugmaier in H/H/R, § 2 EStG Rz. 13, 503; Ruppe in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 540 ff.

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A. Grundlagen

werbsaufwendungen1 und Verluste ebenso Berücksichtigung finden wie unvermeidbare Privatausgaben.2 Dieses Nettoprinzip gilt im Grundsatz für die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht gleichermaßen.3 Indessen enthält das Einkommensteuergesetz zahlreiche Durchbrechungen,4 die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eine ungleich größere Reichweite haben (Rz. 5.109 ff.). Da das Einkommensteuergesetz das Einkommensteuerobjekt auf sieben Einkunftsarten begrenzt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG), die in Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) und Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) dualistisch gespalten sind, bedarf es stets einer Abgrenzung der Einkunftsarten gegeneinander. Das Erfordernis der Zuordnung von Einkünften zu einer bestimmten Einkunftsart gilt sowohl für die unbeschränkte als auch für die beschränkte Steuerpflicht. So ist die Einkunftsartenzuordnung bedeutsam für die Qualifikation als ausländische (§ 34d EStG) und inländische (§ 49 Abs. 1 EStG) Einkünfte. Das Internationale Steuerrecht erfordert damit ebenfalls eine Einkunftsartenabgrenzung.

18.2

Die Einkünfteermittlung folgt dem Konzept der dualistisch gespaltenen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EStG),5 so dass die Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) entweder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG) oder durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) und die Überschusseinkünfte durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8; 9 und 9a EStG) zu ermitteln sind. Der Dualismus der Einkünfteermittlung gilt unterschiedslos bei unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, wobei allerdings die sich aus § 50 Abs. 1 EStG ergebenden Modifikationen zu berücksichtigen sind. Die Einkünfteermittlungsvorschriften gelten ferner ohne Rücksicht darauf, wo die betreffenden Einkünfte erzielt werden. Hieraus folgt, dass sowohl ausländische Einkünfte für die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht als auch inländische Einkünfte für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht nach Maßgabe der deutschen Einkünfteer-

18.3

1 Betriebsausgaben/Werbungskosten (§§ 4 Abs. 4; 9 EStG). 2 Zusammenfassend Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 42 f. sowie Ruppe in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 540 ff. 3 Speziell zum subjektiven und objektiven Nettoprinzips im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Lang, 1099 ff. 4 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Rechtssystematische Grundlagen steuerlicher Leistungsfähigkeit, 71 ff.; eine Aufzählung der Durchbrechungen findet sich bei Zugmaier in H/H/R, § 2 EStG Rz. 503. 5 Zu Einzelheiten der dualistischen Einkünfteermittlung Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 765 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 181 ff.; zu verfassungsrechtlichen Aspekten insbesondere Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht; Zimmermann, Das Problem der Gerechtigkeit in der Einkommensbesteuerung, dargestellt und untersucht an den Beispielen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit; Tipke in FS Paulick, 391 ff.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

mittlungsvorschriften zu ermitteln sind.1 Soweit es um Gewinneinkünfte geht, gilt hierfür im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs unterschiedslos eine zweistufige Gewinnermittlung, wonach der auf der ersten Stufe ermittelte Unterschiedsbetrag um Hinzurechnungen und Kürzungen auf der zweiten Stufe korrigiert wird. Hierzu das folgende Ermittlungsschema:2 Verkürztes Schema der zweistufigen Gewinnermittlung

– =

1. Stufe Betriebsvermögen (= Eigenkapital) am Schluss des Wirtschaftsjahres Betriebsvermögen (= Eigenkapital) am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres Unterschiedsbetrag (Gewinn/Verlust 1. Stufe)

2. Stufe Unterschiedsbetrag (= Gewinn/Verlust 1. Stufe) + Entnahmen – Einlagen + verdeckte Gewinnausschüttungen – verdeckte Einlagen + Korrekturbetrag nach § 1 AStG + nicht abziehbare Betriebsausgaben +/– weitere Hinzurechnungen und Kürzungen i.S. der R 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 13 KStR 2004 +/– Gegenberichtigungen =

Gewinn i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (Gewinn/Verlust 2. Stufe)

Von besonderer Bedeutung sind im internationalen Kontext die auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe angesiedelten Einkünftekorrekturen, die insoweit zugleich auch der Einkünftezuordnung dienen.

18.4 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens macht auch eine persönliche Zurechnung der Einkünfte erforderlich. Die allgemeinen Regeln für diese subjektive Einkünftezuordnung ergeben sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 EStG, wonach die Einkünfte regelmäßig dem Steuerpflichtigen persönlich zuzurechnen sind, der sie erzielt. Den konkreten Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt, wer etwa die Einkünfte aufgrund seiner Betätigung oder seines Vermögenseinsatzes unter Beteiligung am wirt-

1 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, I B 42/92, I B 43/92, BFH/NV 1993, 156; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.6; Amann, DB 1997, 796 (796); zu europarechtlichen Problemen Schönfeld in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 11.8. 2 Vgl. R 2 Abs. 1 EStR 2008 und R 29 Abs. 1 KStR 2004.

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A. Grundlagen

schaftlichen Verkehr erwirtschaftet.1 Auch diese subjektive Einkünftezuordnung gilt im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht gleichermaßen, also ohne Rücksicht darauf, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden. Das Internationale Steuerrecht verlangt schließlich innerhalb einer jeden Einkunftsart eine Abgrenzung zwischen ausländischen/inländischen Einkünften von den übrigen Einkünften. Die Zuordnung zu ausländischen Einkünften ist für unbeschränkt steuerpflichtige Personen im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (z.B. §§ 34c und 34d EStG) erforderlich. Demgegenüber knüpft die beschränkte Steuerpflicht nur an inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) an. Diese internationale Einkünftezuordnung (Einkünfteabgrenzung) erfolgt entweder bei ein und demselben Steuerpflichtigen – etwa bei der Ausgrenzung von Betriebsstättengewinnen aus dem Gesamtgewinn des Stammhauses für Zwecke des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sowie für Zwecke der Steuerentstrickung und Steuerverstrickung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 7 EStG – oder aber bei verschiedenen Steuerpflichtigen, so z.B. bei verbundenen Unternehmen wegen Anwendung des § 1 AStG.

18.5

Die Einkünfteabgrenzung zwischen verschiedenen Steuersubjekten bedingt nicht selten eine Einkünftekorrektur nach den Regeln der verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG), der verdeckten Einlage (§ 8 Abs. 1 Satz 3 KStG) oder gem. § 1 AStG.2

18.6

Einkunftsartenzuordnung, Einkünfteermittlung und subjektive Einkünftezuordnung des Einkommensteuerrechts finden ihre Parallele auch in DBA. Dort geht es vor allem um die Zuordnung der Einkünfte zu den einzelnen Verteilungsnormen. Während hierfür die DBA weitgehend eigenständige Regelungen vorsehen, wird für Zwecke der subjektiven Einkünftezuordnung und der Einkünfteermittlung durchweg auf das jeweilige innerstaatliche Recht verwiesen.3

18.7

Im Blickpunkt der folgenden Ausführungen stehen steuerliche Aspekte der Einkunftsartenzuordnung und der subjektiven Einkünftezuordnung. Beide Aspekte werden übergreifend als Einkünftezuordnung bezeichnet.

18.8

1 Hierzu Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 77 ff.; Raupach/Schencking in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 150 ff.; Tipke, StuW 1977, 293 ff.; Ruppe, DStJG 1 (1979), 7 ff.; Raupach in FS Beisse, 403 (408 ff.). 2 Da § 1 AStG in erster Linie Kapitalgesellschaften betrifft, wird er unter Rz. 18.104 ff. in entsprechendem Zusammenhang erläutert. 3 Hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 49; Vor 6–22 OECD-MA Rz. 55 ff.; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 104; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (4 f.).

981

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten Literatur Kommentare zu Art. 7 OECD-MA; Arndt, Die Besteuerung internationaler Geschäftstätigkeit deutscher Banken, Baden-Baden 1986; Bader/Klose, Steuerliche Behandlung vergeblicher Auftragskosten für ausländische Bauprojekte, IStR 1996, 318; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, München 1971; Becker, Die Besteuerung regionaler Konzernverwaltungsstellen, DB 1984, 1847; Becker, Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Becker, Funktionsnutzen oder Erwirtschaftungsgrundsatz, DB 1990, 392; Beiser, Die grenzüberschreitende Finanzierung von Betriebsstätten aus der Sicht des Arm’s-length-Prinzips, IStR 1992, 7; Bendlinger, Die ertragsteuerliche Ergebnisaufteilung zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte – Besonderheiten bei internationalen Anlagenerrichtungen, in Lang/Jirousek (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS für Loukota, Wien 2005, 69; Bendlinger, „Dealing at arm’s length“ bei temporären DBA-Betriebsstätten, SWI 1997, 104; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, Betriebsstättenbesteuerung im Großanlagenbau, IStR 2002, 40; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Borstell, Verrechnungspreisprobleme bei Funktionsverlagerungen, StbJb 2001/02, 201; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Burgers/Betten, The Taxation of Permanent Establishments, IBFD Publications 1993; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986; Dahnke, Betriebsstättenbesteuerung: Zuordnung von Generalunkosten des ausländischen Stammhauses gegenüber der inländischen Betriebsstätte, IStR 1996, 475; de Weerth, Berücksichtigung von Währungsverlusten auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte im Inland, IStR 2008, 226; Debatin, Die sog. Steuerentstrickung und ihre Folgen, BB 1990, 826; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692, 1739; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung DStZ 1987, 211; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 458; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Endres, Die Vertreterbetriebsstätte im Konzern, IStR 1996, 1; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl., Herne/Berlin 1983; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, 617; Frotscher, Zur Vereinbarkeit der „Betriebsstättenbedingung“ bei Sitzverlegung und grenzüberschreitender Umwandlung mit den Grundfreiheiten, IStR 2006, 65; Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998; Görl, Die Vertreterbetriebsstätte der Doppelbesteuerungsabkommen – ein Geburtsfehler des Art. 5 OECDMusterabkommen, in Strunk/Wassermeyer/Kaminski (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht und Internationales Steuerrecht, GS für Krüger, Bonn/Berlin 2006, 113; Göttsche/Stangl, Der Betriebsstättenerlass des BMF vom 24.12.1999 – Anmerkungen und Zweifelsfragen, DStR 2000, 498; Gretler, Die grenzüberschreitende Verlagerung von Humankapital zur Nutzung bilanzierter Werte im Inland, Konstanz 1993; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Hangarter, Erweiterte Mitwirkungspflicht bei Aus-

982

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten landsbeziehungen und schweizerischer Geheimnisschutz, RIW/AWD 1982, 176; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Hey, F., Tochtergesellschaft mit Vertriebsfunktion als ständiger Vertreter, RIW 1994, 889; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; IDW, Stellungnahme zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, DB 1988, 309; IdW, Stellungnahme zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, WPg. 1987, 648; IDW, Einzelfragen zur Gewinn- und Vermögensabgrenzung bei Betriebsstätten, WPg. 1996, 365; Joos, Technische Dienstleistungen im Internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 1995; Kaminski, Steuerliche Konsequenzen und deren Beurteilung bei der Verlagerung eines inländischen unternehmerischen Engagements in das Ausland, Bielefeld 1996; Kemka, Gewinnreduzierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, Frankfurt 1995; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349; 395; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, Freiburg 1992; Kluge, Ertragsteuerliche Zurechnungsprobleme bei internationaler Unternehmenstätigkeit und ihre Beeinflussung durch Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Bochum 1975; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Kramer, Gewinnabgrenzung und Gewinnermittlung bei Verbringung von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, StuW 1991, 151; Kroppen, Der „Authorized OECD Approach“ zur Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 1071; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kuckhoff/Schreiber; Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Kumpf, Ergebnis- und Vermögenszuordnung bei Betriebsstätten, StbJb. 1988/89, 399; Kumpf/Roth, Einzelfragen der Ergebniszuordnung nach den neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 787; Loukota, Ständige Vertretungen als DBA-Betriebsstätten, SWI 1996, 101; Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, München 2003; Lüdicke, Aktuelle Besteuerungsfragen bei inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen – unter besonderer Berücksichtigung von Banken und Versicherungen, DStJG 8 (1995), 35; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992; May, Ertragsbesteuerung von Technologietransfer bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens, Baden-Baden 1994; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Münch, Vergebliche Akquisitionskosten im Inland in Bezug auf erhoffte Aufträge im Ausland, StBp. 1995, 54; Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Berlin/Bielefeld/München 1997; Neubauer, Grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, JbFSt. 1976/77, 312; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, Wien 2004; Oesch, Ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, Bern/Stuttgart 1987; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftsgütern in die deutsche Steuerhoheit, Baden-Baden 1991; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), Bonn 1988, 13; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Raupach, Globalisierung – unternehmensrechtliche und unternehmenssteuerrechtliche Probleme bei Aktivitäten auf übergreifenden Märkten, JbFSt 1994/1995, 307; Remberg, Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Anlagenbaus, in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, Stuttgart 1999, 431; Ritter, Grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, JbFSt. 1976/77, 288; Rödder, Aktuelle Problemfälle verdeckter Gewinnausschüttung im Konzern: Produktionsverlagerung, Markterschließung, Verlagerung von Vertriebsfunktionen, StbJb 1997/98, 115; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG, Teil I: die geplanten Änderungen des EStG,

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung KStG und AStG, Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1481; Salditt, Verlagerung von Wirtschaftsgütern in die auslandsbelegene Betriebsstätte eines einheitlichen Unternehmens: Grundsätzliches zur Realisierung stiller Reserven, Diss. Köln 1969; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im nationalen und im Abkommensrecht, in Lüdicke (Hrsg.), Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, Köln, 2000, 53; Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext, DStJG 4 (1985), 247; Schaumburg, Gewerbliche Tätigkeiten im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 27; Schaumburg/Schlossmacher, Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Fragen polyzentrischer und virtueller Unternehmen, in Lutter/Scholz/Sigle (Hrsg.), FS für Peltzer, 2001, 389; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, Köln 1979; Schmidt, P.-J., Besteuerung ausländischer Betriebsstätten und Maßgeblichkeitsprinzip, in Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 461; Schröder, Die Betriebsstätte im deutschen Außensteuerrecht, StBp. 1978, 169; Schröder, Ertragsteuerliche Behandlung von Aufwendungen für gescheiterte Auslandsinvestitionen, StBp. 1988, 218; Seeger, Die optimale Rechtsstruktur internationaler Unternehmen, Wiesbaden 1995; Serg, Die Behandlung von Geschäftschancen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, DStR 2005, 1916; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996, 110; Sieker, Ist einer Vertreterbetriebsstätte ein Gewinn zuzurechnen?, BB 1996, 981; Statzkowski, Das Prinzip der Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung im deutschen Steuerrecht – de lege lata und de lege ferenda, Diss. Berlin 1986; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Deventer 1980; Streck, Bilanzierungs- und Buchführungspflichten bei ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften zum Zwecke der deutschen Besteuerung, BB 1972, 1363; Streck, Die maßgebliche Bilanz bei ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften zum Zwecke der deutschen Besteuerung, BB 1973, 32; Telkamp, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im Ausland?, Wiesbaden 1973; Uhrmann, Die Rechtsnatur der Währungsergebnisse und ihre Zuordnung, DB 1990, 2037; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Die neuere BFH-Rechtsprechung zu Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, DStR 1997, 681; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Weber, Gewinnermittlung und Besteuerung deutscher Unternehmen mit ausländischen Betriebsstätten, InstFuSt (Brief 250), Bonn 1985; Weber/Werra, „Auf den Spuren eines unbekannten Wesens“, Zum Stand der Diskussion über die Betriebsstättenbesteuerung, in FS für Ritter, Köln 1997, 285; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, Düsseldorf 1989; Zehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar/Köln 2008; Ziehr, Zurechnung von Währungserfolgen aus der Umrechnung einer ausländischen Betriebsstättenrechnungslegung, IStR 2009, 261.

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

I. Allgemeine Hinweise Das Erfordernis internationaler Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten besteht – allerdings mit unterschiedlichem Funktionsgehalt – sowohl auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts als auch auf der des Abkommensrechts. Entsprechendes gilt für die internationale Vermögenszuordnung, die nach gleichen Kriterien erfolgt.1

18.9

Im innerstaatlichen Recht sind Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer Anknüpfungsmerkmale einerseits für die beschränkte Steuerpflicht2 und andererseits für unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung3 sowie für die Verlustausgleichsbeschränkungen gem. § 2a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG und für die Entstrickung und Verstrickung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 7 EStG.

18.10

Darüber hinaus verlangt auch das Gewerbesteuergesetz die Ermittlung von Betriebsstätteneinkünften: Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird. Der auf eine Auslandsbetriebsstätte entfallende Gewinn ist damit nicht der Gewerbesteuer ausgesetzt (Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG).

18.11

Im Abkommensrecht dagegen sind Betriebsstätteneinkünfte Kriterium für das Besteuerungsrecht des einen oder anderen Vertragsstaates (Art. 7 OECD-MA; zum Betriebsstättenprinzip Rz. 16.240). Trotz dieser Funktionsunterschiede der Betriebsstätteneinkünfte sind die Regeln über die Einkünftezuordnung im Grundsatz identisch: Auf beiden Ebenen geht es gleichermaßen darum, der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zuzuordnen, die sie im Rahmen des Gesamtunternehmens erwirtschaftet hat.4 Die Einkünftezuordnung bezieht sich insoweit also stets nur auf verschiedene Unternehmensteile ein und desselben Steuerpflichtigen.

18.12

Im Abkommensrecht erfährt die Einkünftezuordnung eine unmittelbare 18.13 Regelung: In Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ist das Veranlassungsprinzip verankert. Danach können im Betriebsstättenstaat die Gewinne besteuert werden „nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden 1 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.36 ff. 2 §§ 1 Abs. 4; 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; §§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte). 3 §§ 34c; 34d Nr. 2 Buchst. a EStG; § 26 Abs. 1 und 6 KStG (Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte). 4 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 104; Neubauer, JbFSt. 1976/77, 312 (314); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740), der insoweit von einem Erwirtschaftungsprinzip spricht, das hier im Sinne des Veranlassungsprinzips zu verstehen ist; ähnlich Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.15, 3.19, mit einem Überblick über den Meinungsstand in Rz. 3.10; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise2, M 34; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 626 ff.; Kramer, StuW 1991, 151 (151 f.).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

können“. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA enthält sodann in Ausformung des vorgenannten Grundsatzes die sog. dealing at arm’s length-Klausel (Drittvergleich). Hiernach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzuordnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.1 Demgegenüber enthält das innerstaatliche Recht eine derartige konkrete Zuordnungsregel zwar nicht, sie wird dort aber vorausgesetzt.2

18.14

Der Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wonach inländische Einkünfte vorliegen, wenn für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, bietet Orientierungsmaßstäbe für die Auslegung im Sinne einer Einkünftezuordnung nur im Zusammenwirken mit der in § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG getroffenen Regelung, aufgrund deren Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 EStG) nur insoweit abgezogen werden können, als sie mit inländischen Einkünften im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Da ein unmittelbarer Zusammenhang nicht verlangt wird,3 gilt insoweit das allgemein für Betriebsausgaben und Werbungskosten gültige Veranlassungsprinzip.4 Dieses Veranlassungsprinzip artikuliert sich konkret in § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG: Danach sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche, die durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte erzielt werden. Dieses Veranlassungsprinzip wird in Bezug auf die internationale Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten objektiviert durch das dealing at arm’s length-Prinzip, das somit auch im innerstaatlichen Steuerrecht Anwendung findet.5

1 Art. 7 Abs. 2 OECD in der Neufassung 2010 hat sich zwar geändert (vgl. OECD, Report on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings – Chapter IX of the Tansfer Pricing Guidelines, Paris 2010), ist aber bislang der deutschen Abkommenspraxis noch nicht zugrunde gelegt worden. Im Folgenden wird das OECD-MA 2010 daher nicht weiter berücksichtigt. 2 Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 153 ff.; Kramer, StuW 1991, 151 (153); Ditz, IStR 2005, 37; zu Überlegungen de lege ferenda Förster/Naumann/Rosenberg, IStR 2005, 617 (619 ff.; 623 f.). 3 Ein ausschließlicher Zusammenhang (Ausland) wird ebenfalls nicht verlangt, so dass ggf. eine anteilige Zurechnung zu in- und ausländischen Einnahmen in Betracht kommt, hierzu Herkenroth/Striegel in H/H/R § 50 EStG Rz. 38; Entsprechendes gilt für sog. gemischte Aufwendungen (BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285). 4 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; vgl. auch BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 40; Loschelder in Schmidt29, § 50 EStG Rz. 7; Gosch in Kirchhof9, § 50 EStG Rz. 4; zum Veranlassungsprinzip allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 227. 5 BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.23; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 77; Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 241; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 106; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 245; Kleineidam, IStR 1993, 349 (349); Ditz, IStR 2005, 37.

986

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

Diese Zuordnungsregel gilt nicht nur für die Einkünftezuordnung, sondern auch für die Vermögenszuordnung.1

18.15

Die Reichweite dieser Zuordnungsregeln ist im Abkommensrecht allerdings nicht identisch mit derjenigen des innerstaatlichen Rechts. Aufgrund der auf Regelungshomogenität ausgerichteten DBA ergibt sich das Gebot übereinstimmender Einkünftezuordnung im Betriebsstättenstaat einerseits und im Wohnsitzstaat andererseits,2 so dass bei einer Zuordnungsdivergenz ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA; vgl. Rz. 16.88 ff.) in Betracht kommt. Die Reichweite der Einkünftezuordnung wird daher durch abkommensrechtliche Schrankenwirkungen eingegrenzt. Demgegenüber verlangt das innerstaatliche Recht keine gleichgerichtete Einkünftezuordnung mit der Folge, dass bei Zuordnungsdivergenz eine Doppelbesteuerung/Doppelfreistellung entstehen kann.

18.16

Von der Einkünftezuordnung ist die Einkünfteermittlung zu unterscheiden. Sie ist der für unilaterale und bilaterale Zwecke erforderlichen Einkünftezuordnung zur in- oder ausländischen Betriebsstätte vorgelagert,3 soweit überhaupt Einkünfte der Betriebsstätte dem Grunde nach zuzuordnen sind.4 Da abkommensrechtlich die Einkünfteermittlung selbst grundsätzlich dem innerstaatlichen Recht vorbehalten ist,5 sind die diesbezüglichen Regeln dem jeweils nationalen Recht zu entnehmen. Nach deutschem Recht gilt: Inländische Unternehmen, gleich ob Einzelkaufleute, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften, haben ihre Einkünfte (Gewinn) gem. §§ 238 bis 245, 264 ff., 290 ff. HGB, §§ 120 Abs. 1 und 161 Abs. 2 HGB, §§ 91, 270, 286 AktG, § 41 GmbHG, § 33 GenG, § 141 AO zu ermitteln, und zwar auch für ihre ausländischen Unternehmensteile, also auch für ausländische Betriebsstätten.6 Diese Buchführungsvorschriften sind auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen verbindlich.7 Die Buchführungspflicht aufgrund außersteuerlicher Vorschriften8 ist gem. § 140 AO auch für Zwecke der

18.17

1 Zur Parallelität der Zuordnungsregeln Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 242; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 106; Schaumburg in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 53 ff. 2 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1695); ferner Rz. 16.52 f. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 43 (53); Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, 9 ff. 4 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1695). 5 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 28; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 21; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 159. 6 Darüber hinaus können sich gegebenenfalls Buchführungsvorschriften auch aus ausländischen Rechtnormen ergeben. 7 Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 11, Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 12.2. 8 Zu ihnen gehören auch ausländische Rechtsnormen; Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 7; Mathiak in K/S/M, § 5 EStG Rz. A 219; Streck, BB 1972, 1363 (1366); zweifelnd BFH v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; offen gelassen von BFH v.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Besteuerung zu erfüllen. Soweit beschränkt steuerpflichtige Personen in Deutschland Betriebsstätten (§ 12 AO) unterhalten, die nicht zugleich Zweigniederlassungen (§§ 13d–13g HGB) sind, ergibt sich die Buchführungspflicht aus § 141 AO1 mit der Maßgabe, dass sich diese nur auf die im Inland (be-)steuerbaren Einkünfte bezieht.2

18.18 Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht verlangt § 146 Abs. 2 Satz 1 AO, dass Bücher und Aufzeichnungen im Ausland befindlicher Betriebsstätten im Inland geführt werden.3 Das gilt nur insoweit, als ausländisches Recht nicht die Führung von Büchern und Aufzeichnungen im Ausland vorschreibt (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). Im Ausland geführte und aufbewahrte Bücher und Aufzeichnungen müssen auf Verlangen der inländischen Finanzbehörde zur Einsicht und Prüfung vorgelegt werden. Diese Vorlagepflicht besteht allerdings nicht, wenn ausländisches Recht die Vorlage der Bücher in Deutschland verbietet.4 Soweit Bücher und Aufzeichnungen im Ausland geführt werden, müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des inländischen Stammhauses übernommen werden. Das bedeutet, dass die Salden der einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unter Eliminierung innerbetrieblicher Gewinne nach Anpassung an die Gewinnermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts Bestandteil der Buchführung des Stammhauses selbst werden.5

18.19 Werden die Bücher der ausländischen Betriebsstätte in Fremdwährung geführt, sind die ausländischen Betriebsstättenergebnisse in Euro umzurechnen.6 Dieses Umrechnungsgebot ergibt sich aus § 244 HGB, § 5 Abs. 1 EStG, wonach der Bilanzausweis stets in Euro zu erfolgen hat.7 Da die Währungsumrechnung letztlich dem Ziel dient, eine Übereinstim-

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5

6 7

14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; a.A. Görke in H/H/Sp, § 140 AO Rz. 11; Dumke in Schwarz, § 140 AO Rz. 2. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260. Ausnahme gem. § 146 Abs. 2a AO für den EU-Bereich; zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 40 ff. Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 34; Streck, BB 1973, 32 (38); aus Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuches und Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes leitet die Rechtsprechung ein Vorlageverweigerungsrecht nicht ab (BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 16.4.1986 – I R 32/84, BStBl. II 1986, 736; hierzu kritisch Hangarter, RIW/AWD 1982, 176 ff.); zu Erleichterungen gem. § 148 AO Vfg. der OFD Düsseldorf v. 2.9.1997, DB 1997, 1896; vgl. ferner die Übersicht bei Drüen in T/K, § 148 AO Rz. 22. Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 209; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 139; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 36; Schröder, StBp. 1978, 169 ff.; IDW, DB 1988, 309 (311). BFH v. 19.1.1978 – IV R 61/73, BStBl. II 1978, 295; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Malinski/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 218. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; Malinski/Wassermeyer in

988

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

mung mit den maßgeblichen deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen zu gewährleisten, ist im Grundsatz die Umrechnung eines jeden einzelnen Geschäftsvorfalls erforderlich.1 Andernfalls käme es zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Einzelbewertung sowie gegen das Anschaffungskosten- und das Imparitätsprinzip.2 Hieraus folgt, dass etwa in fremder Währung beglichene Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum Kurs des Anschaffungstages3 und zum Teilwert zu bewertende Vermögensgegenstände mit dem Kurs zum Bilanzstichtag4 umzurechnen sind. Hierbei bevorzugt die Rechtsprechung5 das Zeitbezugsverfahren, wonach Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die aus ihnen abzuleitenden Abschreibungen zu den historischen Kursen des Anschaffungsoder Herstellungstages und die Teilwerte sowie liquide Mittel zu Kursen am Bilanzstichtag umzurechnen sind.6 Im Grundsatz wird aber eine derartige (modifizierte) Einzelumrechnung nicht selten an praktischen Problemen scheitern. Deshalb ist auch eine saldierende Erfolgsumrechnung zulässig, so dass auf das Stichtagskursverfahren zurückgegriffen werden kann, wenn keine erheblichen Schwankungen zwischen den Währungen gegeben sind, die sich kurzfristig nicht ausgleichen.7 Ergeben sich nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze Währungsgewinne oder -verluste, so stehen diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Betriebsstätteneinkünften, so dass sie im Falle der abkommensrechtlich verankerten Freistellungsmethode (Rz. 16.543 f.) beim inländischen Stammhaus im Grundsatz keine Berücksichtigung finden können.8 Das gilt

1 2 3 4 5 6 7

8

D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 220; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), 13. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Malinski/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 232. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; Malinski/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 225. BFH v. 25.8.1983 – IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33; Malinski/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 226. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 640; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, 384 f. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Malinski/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 233; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.7; zur Währungsumrechnung ferner Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 374 ff.; Piltz, Währungsschwankung und die Methoden zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992; Malinski in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 88 ff.; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen. BFH v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; v. 16.12.2008 – I B

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

auch für monetäre Wertveränderungen, die sich etwa bei der Umrechnung von zurückgeführtem Dotationskapital realisieren.1 Das gilt allerdings nicht für den EU-/EWR-Bereich, weil anderenfalls ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben wäre. Hieraus folgt, dass etwa umrechnungsbedingte Währungsverluste aus der grenzüberschreitenden Rückführung des Dotationskapitals einer EU-/ EWR-Betriebsstätte im Inland zu berücksichtigen sind.2 Entsprechendes hat für Teilrückführungen von Dotationskapital und laufenden (realisierten) Währungsverlusten zu gelten, weil diese naturgemäß im Betriebsstättenstaat nicht entstehen können.3

18.20

Soweit die den Betriebsstätteneinkünften zuzuordnenden Währungsverluste nicht im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden, weil sie dort nicht in Erscheinung treten,4 ergibt sich aus der der Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte folgenden Nichtberücksichtigung von Währungsverlusten im Ergebnis eine Doppelbesteuerung, falls nicht aus europarechtlichen Gründen diese Währungsverluste im Ansässigkeitsstaat steuerlich erfasst werden.5 Diese Doppelbesteuerung ist eine Folge der auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichteten Freistellungsmethode (Rz. 14.22 ff.). Eine an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung gebietet indessen die Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 14.8 ff.) mit der Folge, dass die Finanzverwaltung in derartigen Fällen zwecks Vermeidung einer Überbesteuerung Währungsverluste aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) steuerlich zu berücksichtigen hat.6

18.21 Soweit für inländische Betriebsstätten ausländischer Steuerpflichtiger handelsrechtlich die Verpflichtung besteht, Bücher zu führen, erstreckt sich diese Pflicht nicht automatisch auch auf die Führung und Aufbewah-

1 2 3

4

5 6

44/08, BFH/NV 2009, 940; Wassermeyer/Malinski in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 236; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.9; Looks in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 827 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 647 f.; a.A. Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 125 ff.; Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1548 (1460 f.). BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. EuGH v. 28.2.2008 – RS. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. De Weerth, IStR 2008, 226 f. (für Teilrückführungen); Ziehr, IStR 2009, 261 ff.; a.A. Hruschka, IStR 2008, 499 ff. (für lfd. Betriebsstättenverluste); zu weiteren Einzelheiten Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (182 ff.). Hieraus wird eine Berücksichtigung beim inländischen Stammhaus abgeleitet; so Haiß, Gewinnabrechnung bei Betriebsstätten, 351; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 125; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 249. Sie fallen in ein steuerliches „Niemandsland“; hierzu Uhrmann, DB 1990, 2037 (2040); entsprechendes gilt für Währungsgewinne, die in keinem der beiden Vertragsstaaten besteuert werden. Von einer unvermeidbaren Doppelbesteuerung dagegen ausgehend BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128.

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

rung der Bücher im Inland. Diese Verpflichtung ergibt sich allerdings steuerrechtlich aus § 146 Abs. 2 Satz 1 AO, wobei allerdings die Aufbewahrung der elektronischen Buchführung im EU-/EWR-Ausland bewilligt werden kann (§ 146 Abs. 2a AO).1 Von dieser inländischen Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht können im Übrigen Erleichterungen gewährt werden (§ 148 AO),2 so dass die Buchführung auch unter Einsatz von Datenverarbeitung im Ausland erledigt werden kann.3 Besteht nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze für unbeschränkt und/oder beschränkt steuerpflichtige Personen Buchführungspflicht oder werden Bücher freiwillig geführt, so sind die Einkünfte aus- und inländischer Betriebsstätten durch Betriebsvermögensvergleich,4 also durch Vergleich des der jeweiligen Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögens,5 sonst durch Einnahme-Überschussrechnung zu ermitteln. Soweit der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, gilt die zweistufige Gewinnermittlung (Rz. 18.3).

18.22

II. Einkünftezuordnung 1. Methoden Für die Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten bedient sich die internationale Praxis der direkten und indirekten Methode. Bei der direkten Methode werden die Einkünfte der Betriebsstätte regelmäßig aufgrund einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung oder, soweit eine derartige Buchführung nicht vorliegt, im Schätzungswege so zugeordnet, wie sie sich aufgrund einer eigenen Buchführung ergeben hätten.6 Die direkte Methode orientiert sich an der insbesondere durch das bislang geltende Abkommensrecht vorgegebenen (eingeschränkten) Selbständigkeitsfiktion (Rz. 16.267 f.)7 der Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) und baut auf der fiktiven Trennung zwischen Betriebsstätte einerseits und Stamm1 Falls der vom Finanzamt verlangten Rückverlagerung nicht (rechtzeitig) nachgekommen wird, kann ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden (§ 146 Abs. 2b AO). 2 Hierzu im Überblick Drüen in T/K, § 148 AO Rz. 22; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 12.10; IdW, DB 1988, 309 (311); vgl. auch Vfg. der OFD Düsseldorf v. 2.9.1997, DB 1997, 1896. 3 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 31; zu Einzelheiten Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 12.10. 4 Im Falle beschränkter Steuerpflicht: §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 5 Abs. 1 EStG; § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 5 Abs. 1 EStG; zu Einzelheiten Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 240 ff.; Schmidt, P.-J. in FS Beisse, 461 ff. 5 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; IdW, WPg. 1987, 648. 6 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 101 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 189; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 133. 7 Gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA in der Neufassung 2010 gilt zukünftig die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion; vgl. OECD, Report on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings – Chapter IX of the Transfer Pricing Guidelines, Paris 2010.

991

18.23

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

haus andererseits auf.1 Demgegenüber geht die indirekte Methode von den gesamten Einkünften des ganzen Unternehmens aus, um diese dann nach Maßgabe bestimmter Schlüssel – etwa nach Umsatz, Lohnsumme, Materialaufwendungen oder Prämieneinnahmen –2 auf Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA). Die indirekte Methode ist zwar abkommensrechtlich zulässig, sie geht allerdings insoweit ins Leere, als für den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte nach nationalem Recht für Zwecke der ultima-ratio-Besteuerung stiller Reserven eine Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; vgl. Rz. 5.349 ff.) eingreift.

18.24 Obwohl bei der direkten Methode das Trennungsprinzip und bei der indirekten Methode das Einheitsprinzip im Vordergrund steht, stellen beide Methoden keine Gegensätze dar: Beide Methoden zielen auf die Ausklammerung der auf die Betriebsstätte entfallenden Einkünfte aus den Gesamteinkünften des Unternehmens ab und sind gleichermaßen mit dem dealing at arm’s length-Prinzip vereinbar (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).3 Dass dennoch in der internationalen Praxis die direkte Methode im Vordergrund steht,4 hat seinen Grund zum einen in den nationalen, mit der indirekten Methode nicht zu vereinbarenden Entstrickungsklauseln (z.B. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) sowie in der leichteren Überprüfbarkeit der direkten Einkünftezuordnung5 und zum anderen in den Schwierigkeiten, einen angemessenen Schlüssel für Zwecke der indirekten Einkünftezuordnung zu finden.6 In der Praxis werden allerdings nicht selten Elemente beider Methoden miteinander kombiniert.7 1 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 250; Debatin, DB 1989, 1692 (1696), 1739 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 104 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 116 ff.; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 100 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 87 ff. 3 Nach dem OECD-MA 2010 ist die indirekte Methode nicht mehr vorgesehen. 4 Zum Vorrang der direkten Methode OECD-MK 2008 zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 24; aus der deutschen Rechtsprechung RFH v. 25.5.1932, RStBl. 1932, 771; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; aus der Literatur: Roth in H/H/R § 49 EStG Rz. 252; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 101 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 190; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 133; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 363 ff. 5 Hiergegen Kramer, StuW 1991, 151 (154). 6 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; zu den Vor- und Nachteilen beider Methoden Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 111 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 32 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 (1696 f.), 1739 ff. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 190, 192; Heinsen in Löwenstein/ Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 598; Kumpf, Besteuerung inländischer

992

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

Die für die direkte Methode maßgebliche abkommensrechtliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte hat nur Bedeutung für die Einkünftezuordnung, nicht aber für die Einkünfteermittlung.1 Das Trennungsprinzip führt insoweit also nicht dazu, dass Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu einer Gewinnrealisierung führen. Da zwischen Betriebsstätte und Stammhaus keine schuldrechtlichen Beziehungen bestehen können, sind dennoch abgeschlossene „Verträge“ Insich-Geschäfte und deshalb steuerrechtlich unbeachtlich,2 soweit das jeweilige nationale Recht nicht ausdrücklich eine Gewinnrealisierung auch bei bloßen Innentransaktionen vorschreibt.

18.25

Die uneingeschränkte Geltung der Selbständigkeitsfiktion ist nunmehr in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 auch für die Ebene der Einkünfteermittlung mit der Folge einer Gewinnrealisierung auch für Innentransaktionen verankert.3 Hiernach wird eine Betriebsstätte in jeder Beziehung, also auch für die Ebene der Einkünfteermittlung, als absolut unabhängig behandelt. Dieser „functionally separate entity approach“ führt dazu, dass Innentransaktionen grundsätzlich mit dem Marktpreis anzusetzen sind (Entgeltsprinzip). Das gilt für die Überführung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern ebenso wie für zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ausgetauschte Dienstleistungen. Dieses von der OECD verfolgte Konzept ist mit dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) abgesicherten Leistungsfähigkeitsprinzip und den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten unvereinbar. Der „functionally separate entity approach“ führt nämlich bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern etwa vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte zu einer Sofortversteuerung, obwohl in einem vergleichbaren Inlandsfall eine Steuer nicht ausgelöst wird. Eine derartige überführungsbedingte Sofortversteuerung würde nach dem Konzept der OECD auch dann eingreifen, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu gar keiner Außentransaktion und somit zu keiner transaktionsbedingten

18.26

Betriebsstätten von Steuerausländern, 113, 116 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 87. 1 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); zu Einzelheiten Rz. 16.267 f. 2 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 12.1; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 89 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 174, 185; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.2.3; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.163; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C.13; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 ff.; Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395 (396); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); für eine uneingeschränkte Selbständigkeit dagegen z.B. Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 621 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Beiser, IStR 1992, 7 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112); nunmehr geregelt in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. 3 Vgl. OECD, Report on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings – Chapter IX of the Transfer Pricing Guidelines, Paris 2010.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Gewinnrealisierung kommt.1 Die abkommensrechtliche Selbständigkeitsfiktion (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) hat zwar einstweilen nur Bedeutung für die Einkünftezuordnung, mit der in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG verankerten Entstrickungsentnahme gibt es allerdings eine partielle Selbständigkeitsfiktion nationalen Rechts auch für Zwecke der Einkünfteermittlung. Hiernach führt der grenzüberschreitende Betriebsvermögenstransfer zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu einer Gewinnrealisierung.

18.27 § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG enthält damit eine Ausnahme von dem nach aktuellem deutschen Abkommensrecht noch geltenden Grundsatz, dass bloße Innentransaktionen keine Gewinnrealisierung auslösen.2 Die Entstrickungsentnahme ist darauf gerichtet, unter dem Gesichtspunkt einer ultima ratio-Besteuerung stille Reserven für Zwecke der Besteuerung in den Fällen abzurechnen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 5.350). Angesprochen sind hierdurch insbesondere die subjektbezogene und die objektbezogene Steuerentstrickung (Rz. 5.340 ff.). Darüber hinaus werden aber auch Fälle erfasst, in denen etwa durch Abschluss von DBA das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG), die mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) anzusetzen ist, gilt für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige gleichermaßen. Soweit Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wegen des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts – Überführung auf eine ausländische „Freistellungs- oder Anrechnungs“-Betriebsstätte –3 zum gemeinen Wert als entnommen gelten, können unbeschränkt Steuerpflichtige gem. § 4g EStG in Höhe der Gewinnrealisierung einen steuerlichen Ausgleichsposten bilden, der im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel Gewinn erhöhend aufzulösen ist. Diese gestreckte Besteuerung gilt nicht für beschränkt steuerpflichtige Personen und auch nicht für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.

18.28

Die Konzeption einer auf Sofortversteuerung ausgerichteten ultima ratio-Besteuerung ist mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) unvereinbar. Das gilt insbesondere in den Fällen der überführungsbedingten Sofortversteuerung. In derartigen Fällen wird die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern in ein ausländisches Betriebsvermögen im Vergleich zu entsprechenden Inlandsfäl1 Vgl. hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.163; Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.). 2 Für Kapitalgesellschaften gilt § 12 Abs. 1 KStG. 3 Nach Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme/Betriebsaufgabe des BFH (BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/ NV 2010, 432) ist allerdings in den vorgenannten Fällen nicht von einem Ausschluss oder einer Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts auszugehen; durch das JStG 2010 (§§ 4 Abs. 1 Satz 4; 16 Abs. 3a EStGE) soll eine rechtsprechungsbrechende Klarstellung erfolgen.

994

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten len steuerlich benachteiligt, ohne dass hierfür Rechtfertigungsgründe erkennbar wären. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben der Hughes des Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH1 und im Übrigen auch des systemtragenden Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit2 verbietet sich eine derartige Sofortversteuerung.3 Zulässig ist indessen eine aufgeschobene Besteuerung, in deren Rahmen die stillen Reserven in Merkposten abgebildet werden können, um im Falle einer späteren tatsächlichen Veräußerung die Veräußerungsgewinne steuerlich zu erfassen. Europarechtlich ist damit lediglich die Besteuerung des tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinns legitimiert, so dass eine Nachversteuerung der im Inland gelegten stillen Reserven zu unterbleiben hat, wenn im Falle der Veräußerung kein entsprechender Gewinn erzielt worden ist. Diesen Vorgaben entspricht die in § 4g EStG verankerte gestreckte Besteuerung nicht, weil sie nicht transaktionsbezogen eingreift und darüber hinaus nur für unbeschränkt Steuerpflichtige und nur für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens Geltung hat.

Eine Ausnahme von der überführungsbedingten Sofortversteuerung enthält § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG für den Wegzug einer europäischen Gesellschaft (SE) oder einer europäischen Genossenschaft (SCE), wenn die SE oder SCE wegzugsbedingt aus einer inländischen Betriebsstätte ausscheidet. Eine Besteuerung greift in diesen Fällen erst dann ein, wenn es nachfolgend zu einer tatsächlichen Veräußerung kommt oder ein veräußerungsgleicher Vorgang ausgelöst wird (§ 15 Abs. 1a EStG). Diese Regelung gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen gleichermaßen.

18.29

§ 15 Abs. 1a EStG enthält ein treaty overriding,4 das darauf angelegt ist, eine deutsche ultima ratio-Besteuerung sicherzustellen. Dieses treaty overriding ist zwar im Grundsatz rechtlich zulässig (Rz. 3.25 f.), führt aber zu einer Doppelbesteuerung, weil der nachträglichen deutschen Besteuerung auch jene stille Reserven unterworfen werden, die nach dem Wegzug der SE oder SCE im Ausland entstanden sind.5 Dies widerspricht darüber hinaus auch der im Übrigen im EStG angelegten Konzeption, wonach beim Zuzug einer SE oder SCE eine Einlage zum gemeinen Wert anzunehmen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).

18.30

Grenzüberschreitende Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte führen daher nur dann zu Einkünften beim Stammhaus oder der Betriebsstätte, wenn sich hierfür eine auf die Einkünfteermittlung bezogene Rechtsgrundlage aus dem nationalen Recht ergibt (vgl. § 4 Abs. 1

18.31

1 EuGH vom 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – De Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409. 2 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 ff. 3 Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (432 f.); weitere Nachweise in Rz. 5.351. 4 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 237; Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 979; Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 109. 5 Zur Kritik an dieser überschießenden Regelung Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 972; Reiß in Kirchhof9, § 15 EStG Rz. 160; Frotscher, IStR 2006, 65 (68); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Satz 3 EStG; § 12 Abs. 1 KStG). Soweit keine Rechtsgrundlage gegeben ist, bieten Innentransaktionen lediglich Anknüpfungsmerkmale für die Aufteilung der Einkünfte zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, in den Fällen, in denen etwa durch (spätere) Veräußerung übertragener Wirtschaftsgüter seitens der Betriebsstätte ein Gewinn entstanden ist.1

18.32 Da § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) darauf abstellt, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ausgeschlossen oder beschränkt wird, bleibt der grenzüberschreitende (Dienst-) Leistungsverkehr außerhalb der Reichweite der Entstrickungsentnahme, so dass etwa das Stammhaus der Betriebsstätte mit steuerlicher Wirkung keine Zinsen, Lizenzen und Provisionen in Rechnung stellen kann.2 Der Betriebsstätte kann hierfür lediglich ein beim Stammhaus tatsächlich entstandener Außenaufwand zugeordnet werden. Bloße Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind insoweit also nicht entgeltfähig.3

18.33 Die in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG verankerte Entstrickungsentnahme erfasst allerdings auch den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsgutes. Angesprochen sind damit insbesondere diejenigen Fälle, in denen etwa das inländische Stammhaus der ausländischen Betriebsstätte materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, ohne dass dadurch eine Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter zum ausländischen Betriebsstättenvermögen und damit ein grenzüberschreitender Betriebsvermögenstransfer erfolgt. Soweit hierfür der gemeine Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG), bezieht sich dieser auf den Nutzungswert und nicht etwa auf das betreffende Wirtschaftsgut selbst.4 1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432. 2 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.18; anders für zukünftige Abkommen nach dem Vorbild von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. 3 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA 2008, Ziff. 12.1; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 89 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECDMA Rz. 185; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 13; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1739 f.); Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395 (396); Bendlinger, SWI 1997, 104 (106 f.); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; demgegenüber folgen dem Entgeltprinzip Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 95 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Becker, DB 1990, 392 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112); Kroppen, IStR 2005, 74 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 (1085 ff.); nunmehr auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. 4 Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 108; Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 217; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1485); anders Werra/Teiche, DB 2006, 1456 (1457 f.); Förster, DB 2007, 72 (75 f.).

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

Im Rahmen der direkten Methode verwirklicht sich die Einkünftezuordnung – getrennte Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen – durch das Veranlassungsprinzip,1 das sich mit Blick auf die Ertragszuordnung im Erwirtschaftungsprinzip konkretisiert.2 Das Veranlassungsprinzip gilt nicht nur im nationalen Recht, etwa für die Zuordnung von Betriebsausgaben zu einer inländischen Betriebsstätte,3 sondern auch im Abkommensrecht,4 so dass dort dem sog. Attraktionsprinzip, nach dem alle Gewinne eines Unternehmens aus Quellen des Betriebsstättenstaates als Betriebsstättengewinne behandelt werden, folgerichtig eine Absage erteilt wird.5

18.34

Aus dem für die Einkünftezuordnung in- und ausländischer Betriebsstätten maßgeblichen Veranlassungsprinzip folgt, dass Aufwendungen vor Errichtung der Betriebsstätte stets der später tatsächlich errichteten Betriebsstätte zuzuordnen sind.6 Diese Zuordnung, für die zeitliche Aspekte grundsätzlich keine Rolle spielen,7 gilt gleichermaßen für in- und ausländische Betriebsstätten, sowohl für vorbereitende Aufwendungen als auch

18.35

1 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.25; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740); zum Veranlassungsprinzip allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 227 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 626 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740); kritisch hierzu Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.15; zum Erwirtschaftungsprinzip als Kriterium der Einkünftezuordnung allgemein Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 150 ff. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 242; Gosch in Kirchhof9, § 49 EStG Rz. 15. 4 Vgl. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA für die Aufwandszuordnung; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 16; Hemmelrath V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 117; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 48; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.26; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740). 5 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 5; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 42 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 184; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 72; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 48; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 118; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 106. 6 BFH v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566;vgl. auch BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 340; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4117; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 360; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 73; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 74; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, 60; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 205 f.; Göttsche/Stangl, DStR 2000, 498 (507); BMF v. 24.12.1999, BStBl. II 1999, 1076, Rz. 2.9.1; a.A. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3, 5.8; vgl. auch Wassermeyer, IStR 2010, 461 ff. 7 Anders dagegen nach BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571 für Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG), für die uneingeschränkt das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) gelten soll.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

für Vorauseinnahmen.1 In diesen Fällen werden die vorbereitenden Aufwendungen bzw. die Vorauseinnahmen zunächst dem Stammhaus und sodann bei Errichtung der Betriebsstätte dieser zugeordnet.2 Handelt es sich um aktivierungspflichtige Aufwendungen, die in ein oft später auf die ausländische Betriebsstätte übergehendes Wirtschaftsgut eingehen, ergeben sich beim Stammhaus zunächst keine Erfolgsauswirkungen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das betreffende Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt der Überführung stille Reserven enthält und durch entsprechende Außentransaktionen ein Betriebsstättengewinn entsteht: Dieser Gewinn ist anteilig zum Zeitpunkt der Außentransaktion dem Stammhaus zuzuordnen, sobald er auf die Realisierung der stillen Reserven entfällt. Betreffen die aktivierungspflichtigen Aufwendungen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach Überführung bei der ausländischen Betriebsstätte eingesetzt werden, ist dem Stammhaus in Höhe der auf die stillen Reserven entfallenen AfA ein anteiliger Gewinn zuzurechnen.3

18.36 Kommt es allerdings nicht zur Errichtung einer Betriebsstätte, verbleibt es bei der Zuordnung zum Stammhaus, weil es an einem anderweitigen Zuordnungssubjekt fehlt.4 Aus diesem Grunde sind vergebliche Aufwendungen beim inländischen Stammhaus selbst dann abzugsfähig, wenn die Betriebsstättengewinne aufgrund eines DBAs nach dem Betriebsstättenprinzip (Rz. 16.543 f.) steuerfrei gewesen wären.5 Da es an einer ausländischen Betriebsstätte als Zuordnungssubjekt fehlt, unterliegen vergebliche Aufwendungen auch nicht den Verlustabzugsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2; Abs. 2 EStG.6

18.37 Die für vorbereitende Aufwendungen und Vorauseinnahmen maßgeblichen Zuordnungskriterien gelten auch für nachträgliche Aufwendungen

1 Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 340; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 205 ff.; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, 60; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 113 f.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 210. 2 Ggf. durch Änderung bereits ergangener Steuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; a.A. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.7. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.5. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 300; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 216; Schröder, StBp. 1988, 218 ff.; Bader/Klose, IStR 1996, 318; a.A. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I, 1076, Rz. 2.9.1; weitere Einzelheiten bei Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, C 75 ff. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 300; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 74; Schröder, StBp. 1988, 218 ff.; Münch, StBp. 1995, 54 (55 f.), Bader/Klose, IStR 1996, 318 ff.; anders dagegen unter Berufung auf § 3c EStG BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; ferner BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.1. 6 A.A. Schröder, StBp. 1988, 218 ff.

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

und Einnahmen,1 so dass diese ebenfalls der Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn sie durch diese veranlasst sind. Dies gilt für das nationale Recht ebenso wie für das Abkommensrecht.2 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gilt für nachträgliche Aufwendungen und Einnahmen inländischer Betriebsstätten allerdings die Besonderheit, dass bei Aufgabe einer inländischen Betriebsstätte ggf. die Entstrickungsbesteuerung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eingreift (Rz. 18.27). 2. Aufwandszuordnung a) Überlassung von Finanzmitteln Als unselbständiger Unternehmensteil partizipiert auch die Betriebsstätte an der Kapitalausstattung des Gesamtunternehmens. Unter dem Gesichtspunkt der direkten Einkünfte- und Vermögenszuordnung ist der Betriebsstätte ein entsprechender Teil des Eigenkapitals des Gesamtunternehmens zuzuordnen. In diesem Dotationskapital artikuliert sich die für die direkte Einkünfte- und Vermögenszuordnung maßgebliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Die Zurverfügungstellung von Dotationskapital ist nichts anderes als die Zuordnung von Eigenkapital zur Betriebsstätte mit der Folge, dass für diese Innentransaktion keine Zinsen zu Lasten der Betriebsstätte verrechnet werden können.3

1 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Vogel in V/L5, Vor Art. 6 bis 22 OECD-MA Rz. 8.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 209; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 341; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4147 f.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 268; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, C 183 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 218; Kumpf/Roth, DB 2000, 787; a.A. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.18, wonach stets eine Zuordnung zum Stammhaus erfolgt; nach BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.2 soll zum Ende des Wirtschaftsjahres, in dem die Betriebsstätte aufgelöst wird, eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden; alle nach diesem Stichtag anfallenden Betriebseinnahmen und -ausgaben sollen sodann dem Stammhaus zugeordnet werden. 2 Vogel in V/L5, Vor Art. 6 bis 22 OECD-MA Rz. 8; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 341. 3 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 281; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.16; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 116; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 91 ff.; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 323; Ritter, JbFSt. 1976/77, 288 (302 ff.); Debatin, DStZ 1987, 211 (213); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740); a.A. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 186; Becker, DB 1989, 10 (12 ff.); Becker, DB 1990, 392 (393).

999

18.38

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.39 Vom Verbot der Zinsverrechnung wird lediglich für den Bereich des Geldund Kreditgewerbes eine Ausnahme gemacht,1 da das Kreditgeschäft zum gewöhnlichen Geschäftsgegenstand gehört und daher die Verzinsung regelmäßig einem Außenaufwand des Stammhauses entspricht.

18.40 Die Zuordnung von Kapital zur Betriebsstätte schließt auch die Zuordnung von Fremdkapital ein, soweit die Fremdkapitalaufnahme durch die Tätigkeit der Betriebsstätte veranlasst ist. Die für diese Fremdkapitalausstattung seitens des Unternehmens gezahlten Zinsen sind als Außenaufwand der Betriebsstätte zuzuordnen.2

18.41

Das für die Aufwandszuordnung maßgebliche Veranlassungsprinzip3 ist unscharf und vermag keinen unmittelbaren Aufschluss darüber zu geben, in welchem Maße eine Betriebsstätte mit Dotationskapital auszustatten ist. Deshalb hat es in der Besteuerungspraxis nicht an Versuchen gefehlt, konkretisierende Regelungen über die Eigenkapitalausstattung von Betriebsstätten zu entwickeln.4 So wird die Ansicht vertreten, das der Betriebsstätte gewidmete Dotationskapital müsse der Eigenkapitalquote des Gesamtunternehmens entsprechen.5 Diese Kapitalspiegeltheorie stellt damit auf die Kapitalstruktur des Gesamtunternehmens ab, womit sie im Wesentlichen der indirekten Methode entspricht.6 Diese Kapitalspiegeltheorie ist zwar in der Praxis leicht umzusetzen, ihre Schwäche liegt aber darin, dass die Bedingungen für die Kapitalausstattungen einzelner Unternehmensteile bei international operierenden Unterneh-

1 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 19; BFH v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/ NV 2000, 688; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 121 f.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 147; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741); BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.1.4. 2 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 117; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 274 ff.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch Rz. 2.106; 2.108 ff. mit Differenzierung nach Fallgruppen; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 141; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 143 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 3 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1992, 63; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BFH/NV 2000, 1283; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; zu Einzelheiten Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.37 ff. 4 Vgl. hierzu den Überblick bei Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 280 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 291; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.114 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 143 ff.; ferner IDW, WPg. 1996, 365 ff. 5 FG Freiburg v. 30.5.1962, EFG 1963, 28; vgl. auch BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.5.1. 6 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741).

1000

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten men in Wirklichkeit nicht gleich sind. Deshalb stößt die Kapitalspiegeltheorie durchweg auf Ablehnung.1 Das in der Besteuerungspraxis für Betriebsstätten international tätiger Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute verbreitete Konzept des festen Dotationskapitals2 orientiert sich dagegen an den konkreten Kapitalausstattungsbedürfnissen der Betriebsstätte und entspricht damit der direkten Methode. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Festlegung des Eigenkapitalbedarfs. Dieses soll bei Bankbetriebsstätten, entweder den von der Betriebsstätte übernommenen Funktionen und Risiken3 oder der Branchenüblichkeit4 entsprechend, angemessen sein, wobei eine bestimmte Mindestkapitalausstattung verlangt wird.5 Dem Veranlassungsprinzip entspricht es indessen eher, das Zuordnungsproblem von der Fremdkapitalseite her zu lösen und darauf abzustellen, ob die Tätigkeit der Betriebsstätte eine Kreditaufnahme erforderlich macht.6 Hierbei steht in Orientierung an dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit7 die unternehmerische Entscheidung im Vordergrund,8 die allerdings nicht willkürlich sein darf.9 Soweit gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Regeln über Mindest-

1 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 292; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 Rz. 116; Schröder/Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 96; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.122. 2 Zu Versicherungsunternehmen: BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.2.2 (Orientierung an aufsichtsrechtliche Mindestkapitalausstattung); zu Kreditinstituten: BMF v. 29.9.2004, BStBl. I 2004, 917; hierzu der Überblick bei Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.70 ff., 10.149 ff. 3 BMF v. 29.9.2004, BStBl. I 2004, 917, Rz. 2.1.2 (funktions- und risikobezogene Kapitalaufteilungsmethode). 4 BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; BMF v. 29.9.2004, BStBl. I 2004, 917, Rz. 2.1.1 (äußerer Fremdvergleich unter Berücksichtigung vergleichbarer Marktchancen und -risiken). 5 BMF v. 29.9.2004, BStBl. I 2004, 917, Rz. 2.1.3 (Mindestkapitalausstattungsmethode). 6 Im Sinne einer funktionsbezogenen Festlegung des Dotationskapitals auch Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 281; Maier in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 707; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 276; gegen das Merkmal der Erforderlichkeit BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 7 BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, GrS 1/95, GrS 2/95, BStBl. II 1998, 193; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 8 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.116; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 196 ff.; Kumpf, StbJb. 1988/89, 399 (421); IdW, WPg. 1987, 652; Becker, DB 1989, 10 (10); Beiser, IStR 1992, 7 (10 f.); einschränkend Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 9 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 291.

1001

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung eigenkapitalausstattungen bestehen, sind diese für die Festlegung des Dotationskapitals maßgeblich.1

b) Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung

18.42 Das Ausstattungsbedürfnis von Betriebsstätten verlangt insbesondere bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen2 in aller Regel auch die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern durch das Stammhaus. Im Vordergrund stehen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Werden sie der Betriebsstätte auf Dauer zur Nutzung überlassen, so stellen sie auch Dotationskapital dar, so dass der Nutzungsvorteil der Betriebsstätte ohne weiteres zusteht. Diese Wirtschaftsgüter gehören somit zum Betriebsstättenvermögen und sind dem Stammhaus nicht mehr zuzuordnen.3 Hierbei kann grundsätzlich auf die unternehmerische Entscheidung abgestellt werden, so dass der Bilanzierung der Vermögenswerte in der Betriebsstättenbilanz eine Indizwirkung zukommt.4 Die Zuordnung der auf Dauer zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter zu einer ausländischen Betriebsstätte oder zu einem ausländischen Stammhaus löst eine Entstrickungsentnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zum gemeinen Wert des Wirtschaftsgutes selbst aus (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Im Falle der dauerhaften Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern – also bei deren Überführung – von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte erfolgt eine Steuerverstrickung (Einlage) zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 7; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Bei einer nur vorübergehenden5 oder nur teilweisen6 Nutzungsüberlassung verbleibt es demgegenüber bei der Zuordnung zum Stammhaus.7 Hierbei kommt es in den vorgenannten Fällen allerdings ebenfalls zu einer Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert der Nutzung (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Werden Wirtschaftsgüter seitens einer ausländischen Betriebsstätte dem inländischen Stammhaus oder vom ausländischen Stammhaus einer inländischen Betriebsstätte vorübergehend

1 Hierzu der Überblick bei Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1070 ff. und 10.116 ff. zu Bankbetriebsstätten und Betriebsstätten von Versicherungsunternehmen. 2 Zum Begriff Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.3. 3 Zur Übertragung von Wirtschaftsgütern Rz. 18.48 ff. 4 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.29; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 156. 5 Zeitgrenze 1 Jahr; vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.47. 6 Bei überwiegender Nutzung durch die Betriebsstätte erfolgt eine Zuordnung zu dieser Betriebsstätte. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.31; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 270.

1002

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

zur Nutzung überlassen, unterbleibt eine Steuerverstrickung, da § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG hierfür keine Regelung vorsieht.1 Da die Nutzungsüberlassung eine bloße Innentransaktion ist, kann ein hierfür seitens des Stammhauses verlangtes Entgelt steuerlich nicht berücksichtigt werden. In Betracht kommt daher allein eine Aufwandszuordnung,2 in deren Rahmen nur der Außenaufwand des Unternehmens ausgeglichen werden kann. Dies gilt für die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter gleichermaßen. Aus diesem Grunde finden auch Lizenzzahlungen der Betriebsstätte an das Stammhaus für überlassene Patente, Know-how und Warenzeichen steuerlich grundsätzlich keine Berücksichtigung.3

18.43

Eine Zuordnung von Außenaufwand,4 also insbesondere von Fremdlizenzaufwand nach Maßgabe der Inanspruchnahme seitens der Betriebsstätte,5 kommt auch dann in Betracht, wenn die vorübergehende oder auf Dauer angelegte Nutzungsüberlassung eine Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) ausgelöst hat. In die Aufwandszuordnung einbezogen werden auch die beim Stammhaus selbst entstandenen Forschungs- und Entwicklungskosten, soweit die diesbezüglichen immateriellen Wirtschaftsgüter, etwa Patente, Know-how und Marken, der Betriebsstätte ganz oder teilweise zur Nutzung überlassen werden.6 Diese Aufwandszuordnung hat insbesondere Bedeutung für den Aufwand zentraler Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen international operierender Unternehmen. Die entsprechenden

18.44

1 Zu dieser gesetzgeberischen Unausgewogenheit Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 322. 2 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.32; Debatin, DB 1989, 1692 ff.; 1739 (1741); anders zukünftig in Abkommensfällen entspr. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010; vgl. Rz. 18.26. 3 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 17.4; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.32, Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 126; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 317 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 137; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742); dagegen für eine marktgerechte Berechnung von Nutzungsentgelten nach Maßgabe des Funktionsnutzens (Entgeltsprinzip) Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 167 ff.; Becker, DB 1989, 10 (14); Becker, DB 1990, 392, (394); Sieker, DB 1996, 110 (113); ferner zukünftig auch entspr. Art. 7 Abs. 2 OECDMA 2010; vgl. Rz. 18.26. 4 Ohne Gewinnaufschlag. 5 Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 317; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 138. 6 Zu weiteren Einzelheiten Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.44 ff.

1003

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Forschungs- und Entwicklungskosten werden beim Stammhaus in aller Regel aber zeitlich weit vor der diesbezüglichen Nutzung durch die Betriebsstätte entstanden sein. Da für die Aufwandszuordnung zeitliche Aspekte grundsätzlich keine Rolle spielen (Rz. 18.35, 18.37), sind die Forschungs- und Entwicklungskosten der Betriebsstätte anteilig dem Jahr zuzuordnen, in dem die Betriebsstätte die Patente und das Know-how nutzt.1 c) Erbringung von Dienstleistungen

18.45 Stammhaus und Betriebsstätten können zwar gegenseitig Leistungen erbringen, diese sind aber nicht mit steuerlicher Wirkung Gegenstand schuldrechtlicher Beziehungen. Es handelt sich auch insoweit nur um Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, für die das Entgeltsprinzip nicht gilt.2 Für erbrachte Dienstleistungen können daher grundsätzlich mit steuerlicher Wirkung keine Marktentgelte berechnet werden. In Betracht kommt lediglich eine Aufwandszuordnung ohne Gewinnaufschlag.3 Etwas anderes gilt in jenen Fällen, in denen die Erbringung von Dienstleistungen Gegenstand der eigentlichen Unternehmenstätigkeit ist,4 weil insoweit der Betriebsstätte ein am Markt erbrachter Außenumsatz zugerechnet werden kann.5 Hier ist jedem Betriebsteil nach Maßgabe der Veranlassung ein Teil des Erlöses zuzuordnen, wobei aus Vereinfachungsgründen bei der Aufwandszuordnung ein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus wird ebenfalls aus Vereinfachungsgründen die Verrechnung von speziellen Dienstleistungen, etwa von sog. Kontroll- und Koordinierungsstellen,6 die gegenüber anderen Unternehmensteilen des Gesamtunternehmens erbracht werden, unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages steuerlich berücksich1 Zu diesem Problemkreis im Einzelnen Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 138 f.; Ritter, JbFSt 1976/77, 288 (309); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742). 2 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 287; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.7; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1739 f.); demgegenüber folgen dem Entgeltsprinzip Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 172 ff.; Becker, DB 1989, 10 ff.; Becker, DB 1990, 392 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (113); zukünftig auch entspr. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010; vgl. Rz. 18.26. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.7; anders zukünftig entspr. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010; vgl. Rz. 18.26. 4 RFH v. 29.10.1935, RStBl. 1935, 1516; für Finanzgeschäfte von Banken: OECD-MK zum OECD-MA, Art. 7 Ziff. 17.6, 19; Hemmelrath V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 91, 102; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 287; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.6 Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 139 f.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 91; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 287. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 288; Becker, DB 1984, 1847 ff.

1004

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

tigt.1 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dieser speziellen Dienstleistung ein abgrenzbarer Teil des Außenumsatzes zugerechnet werden kann.2 Erbringt daher das Stammhaus ggü. der Betriebsstätte Leistungen auf dem Gebiet der Steuerberatung, der Rechtsberatung sowie des Revisions- und Prüfungswesens, so hat eine entsprechende Aufwandszuordnung ohne Gewinnaufschlag zu erfolgen.3 Dies gilt auch für Regie- und Kontrollkosten.4 Im Rahmen der Aufwandszuordnung können auch die Gemeinkosten berücksichtigt werden.5 d) Kosten der Geschäftsführung Aufgrund des für die Aufwandszuordnung maßgeblichen Veranlassungsprinzips sind der Betriebsstätte seitens des Stammhauses stets jene Aufwendungen zuzuordnen, denen entweder spezielle oder allgemeine Leistungen des Stammhauses oder anderer Betriebsstätten zugrunde liegen, die der Betriebsstätte zugute kommen.6

18.46

Von der betriebsstättenbezogenen Aufwandszuordnung werden auch Auf- 18.47 wendungen für die allgemeine Geschäftsführung, den Aufsichtsrat und für die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen erfasst.7 Voraussetzung ist indessen stets ein Veranlassungszusammenhang,8 der bei den vorgenannten Aufwendungen regelmäßig gegeben sein wird. Da eine direkte Zuordnung der Kosten nur selten möglich ist, ist die Aufwandszuordnung nach Maßgabe eines Aufteilungsschlüssels vorzunehmen, wobei je nach Sachbereich eine Orientierung an den hierfür maßgeblichen statistischen Größen9 in Betracht kommt.10 Ein Gewinnaufschlag ist ausgeschlossen.11 1 Es handelt sich hier um eine auf Vereinfachung ausgerichtete Saldierung von zuzuordnendem Aufwand und Ertrag; vgl. OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 17.6.; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in D/W, Art. 7 Rz. 287; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 174. 2 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 287. 3 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 288. 4 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 129. 5 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 284. 7 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 284; Dahnke, IStR 1996, 475 ff. 8 Art. 7 Abs. 3 OECD-MA; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 21. 9 Produktionseinheiten im Produktionsbereich; Außenumsätze im Vertriebsbereich; Personalkosten im allgemeinen Verwaltungsbereich. 10 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 284. 11 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; OECD-MK zu Art. 7 OECDMA, Ziff. 21; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 29; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 284; a.A. im Sinne des Entgeltsprinzips z.B. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 222 ff.; ferner zukünftig entspr. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010; vgl. Rz. 18.26.

1005

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

3. Ertragszuordnung a) Überführung von Anlagevermögen

18.48 Da im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte etwa im Rahmen einer Funktionsverlagerung1 schuldrechtliche Beziehungen nicht möglich sind (Rz. 18.25), kann das Stammhaus auch für die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auf die Betriebsstätte mit steuerlicher Wirkung keinen Preis berechnen. Dies gebietet auch nicht das dealing at arm’s length-Prinzip.2 Da schließlich die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vom Stammhaus auf eine Betriebsstätte keinen Gewinnrealisierungstatbestand darstellt, scheidet auch eine sog. Steuerentstrickung aus, soweit diese nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist.3

18.49

In der Vergangenheit wurde insbesondere von der Rechtsprechung4 und der Finanzverwaltung5 auf der Grundlage der sog. finalen Entnahmelehre bei Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte bei Geltung eines DBAs stets eine Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung angenommen. Entsprechendes gilt für eine grenzüberschreitende Betriebsverlegung auf der Grundlage der Theorie der finalen Betriebsaufgabe.6 Diese Entstrickungs-These der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung hat in der Literatur überwiegend Kritik erfahren.7 Im Hinblick darauf sind die Entstrickungs- und weit gehend spiegelbildlich die Verstrickungsgrundsätze durch das SEStEG8 normativ verankert worden (Rz. 5.345 ff.). Demgegenüber hat der BFH zwischenzeitlich seine bisherige Rechtsprechung zur finalen Entnahme und Betriebsaufgabe aufgegeben.9 Die gesetzliche Neuregelung ist hierdurch aber nicht obsolet geworden.10

1 Ausführlich hierzu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4 ff. 2 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742 f.); Debatin, BB 1990, 826 (828); anders zukünftig entspr. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010; vgl. Rz. 18.26. 3 Normiert in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG. 4 RFH v. 21.10.1936, RStBl. 1937, 424; BFH v. 16.7.1969 – I R 186/66, BStBl. II 1970, 56; v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187. 5 Zuletzt Abschn. 13a Abs. 1 Satz 3 EStR 1984. 6 BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664. 7 Vgl. hierzu die Übersicht (bis 1980) bei Schaumburg, DStJG 4 (1981), 247 (249 f.); und die Übersicht ab 1981: Wassermeyer in D/W Art. 7 OECD-MA Rz. 243, 246. 8 Gesetz über steuerliche Begleitungsmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 9 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/ NV 2010, 432; Nichtanwendungserlass BMF v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671. 10 Vgl. die geplante gesetzliche Neuregelung im JStG 2010 (§§ 4 Abs. 1 Satz 4; 16 Abs. 3a EStGE).

1006

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

Für den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer enthalten § 4 Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eine Steuerentstrickung mit der Maßgabe, dass in den Fällen, in denen überführungsbedingt das deutsche Besteuerungrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) oder eine Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) fingiert wird. In beiden Fällen erfolgt also eine Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Abs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 KStG). Diese konzeptionell angelegte, überführungsbedingte Sofortversteuerung wird allerdings dadurch abgemildert, dass bei Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens in einen anderen EU-Migliedstaat auf Antrag ein steuerlicher Ausgleichsposten gebildet werden kann (§ 4g EStG). Dieser steuerliche Ausgleichsposten ist im Jahr der Bildung sowie in den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen (§ 4g Abs. 2 Satz 1 EStG).1 Der steuerliche Ausgleichsposten ist allerdings in bestimmten Fällen vorzeitig gewinnerhöhend aufzulösen (§ 4g Abs. 2 Satz 2 EStG).2 Diese gestreckte Besteuerung (§ 4g EStG) gilt allerdings nicht für beschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen.3

18.50

Die durch § 4g EStG verankerte gestreckte Besteuerung ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber konzeptionell von einer überführungsbedingten Sofortversteuerung ausgeht. Eine derartige Sofortversteuerung verstößt gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 5.351). Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen das betreffende überführte Wirtschaftsgut in der ausländischen Betriebsstätte über den in § 4g Abs. 2 EStG geregelten Fünf-Jahreszeitraum hinaus zur Erzielung von Einnahmen eingesetzt wird. Insoweit kann nämlich auch aus Vereinfachungsgründen nicht unterstellt werden, dass die dem Stammhaus anteilig zuzuordnenden Einnahmen, die durch den Einsatz des überführten Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte erzielt werden, der Höhe nach den auf die Dauer der Nutzung des Wirtschaftsguts verteilten stillen Reserven entsprechen.4 Darüber hinaus ist auch die gestreckte Besteuerung nicht sachgerecht, wenn das auf die ausländische Betriebsstätte überführte Wirtschaftsgut dort etwa aufgrund höherer Gewalt untergeht: In diesem Fall wird im Ergebnis ein Gewinn versteuert, der tatsächlich nicht entstanden ist.5

18.51

1 Gemäß § 12 Abs. 1 KStG kommt § 4g EStG auch für Kapitalgesellschaften zur Anwendung. 2 Zu Einzelheiten Crezelius in Kirchhof9, § 4g EStG Rz. 12 ff. 3 Zu den insoweit bestehenden europarechtlichen Zweifeln Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 6; Crezelius in Kirchhof9, § 4g EStG Rz. 9. 4 Hierzu Wassermeyer in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (37). 5 Hierzu Wassermeyer in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (38); Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (433); Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.

1007

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.52 Die Steuerentstrickung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; § 12 Abs. 1 KStG) gilt nicht nur für die Überführung vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, sondern für jeden grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens1 zwischen einzelnen Unternehmensteilen. Im Hinblick darauf ist auch die Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens etwa von einer inländischen Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus oder auf eine andere ausländische Betriebsstätte oder von einer ausländischen Betriebsstätte auf eine andere ausländische Betriebsstätte ein gewinnrealisierender Vorgang, wenn überführungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 5.350).

18.53 Werden Wirtschaftsgüter von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte überführt (Steuerverstrickung), fingiert § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 eine Einlage zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG), wenn hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der überführten Wirtschaftsgüter begründet wird. Entsprechendes gilt für Zwecke der Körperschaftsteuer.2 Diese Steuerverstrickung zum gemeinen Wert erfolgt unabhängig davon, ob und gegebenenfalls zu welchem Wert im anderen Staat eine Steuerentstrickung angenommen wurde.3 b) Warenlieferungen

18.54 Grenzüberschreitende Warenlieferungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind lediglich Innentransaktionen, die nur dann zu einer Gewinnrealisierung führen können, wenn dies besonders normiert ist. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG enthält eine derartige Regelung. Hiernach ist eine Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) gegeben, wenn Wirtschaftsgüter überführungsbedingt hinsichtlich der Gewinne aus deren Veräußerung oder Nutzung den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bewirken.4 Angesprochen sind damit insbesondere die Fälle, in denen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, von einer inländischen Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus oder von einer inländischen Betriebsstätte auf eine ausländische Betriebsstätte ein und desselben Stammhauses überführt werden. Entsprechendes gilt für Zwecke der Körperschaftsteuer (§ 12 Abs. 1 KStG). Eine gestreckte Besteuerung (§ 4g EStG) ist für 1 Hierzu gehören auch immaterielle Wirtschaftsgüter. 2 § 12 Abs. 1 KStG enthält zwar keine ausdrückliche Regelung, §§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG kommen aber über § 8 Abs. 1 KStG zur Anwendung; vgl. Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 110. 3 Crezelius in Kirchhof9, § 4 EStG Rz. 111; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2651). 4 Zum Ausschluss und zur Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts im Einzelnen Rz. 5.349 ff.

1008

B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) nicht vorgesehen, so dass stets eine überführungsbedingte Sofortversteuerung eingreift.1 Werden Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus, von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte oder von einer ausländischen Betriebsstätte auf eine inländische Betriebsstätte ein und desselben Stammhauses überführt, handelt es sich um eine Steuerverstrickung, die als Einlage zum gemeinen Wert zu berücksichtigen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 7; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).

18.55

4. Überlassung von Geschäftschancen Im Rahmen von Funktionsverlagerungen,2 insbesondere bei der Verlagerung von Produktions- und Vertriebsfunktionen, kommt es zu einer veränderten Zuordnung im Rahmen der übertragenen Funktionen der eingesetzten Wirtschaftsgüter.3 Zu diesen Wirtschaftsgütern gehören auch Geschäftschancen, die steuerlich nicht nur Bedeutung im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen haben, so die vom BFH entschiedenen Fälle,4 sondern auch für Zwecke der Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.5 Damit können Geschäftschancen auch Gegenstand eines grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfers und der Entstrickungsentnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Geschäftschance zu einem (immateriellen) Wirtschaftsgut verdichtet hat.6 Das ist bei Geschäftschancen bei entsprechender Objektivierung und Konkretisierung in aller Regel dann der Fall, wenn hierfür am Markt zwischen fremden Dritten bei deren Übertragung ein Entgelt entrichtet würde.7 Soweit sich die Geschäftschance (noch) nicht zu einem Wirtschaftsgut verdichtet hat, schei1 Zu europarechtlichen Zweifeln Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 6; Crezelius in Kirchhof9, § 4g EStG Rz. 9. 2 Zur Begriffsklärung Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.3. 3 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.37. 4 BFH v. 30.8.1995 – I R 155/94, DStR 1995, 1873; v. 24.3.1998 – I R 93/96, FR 1998, 900; v. 13.11.1996 – I R 149/94, FR 1997, 269; v. 12.10.1995 – I R 127/94, BFH/NV 1996, 81; v. 9.7.2003, BFH/NV 2003, 1349; BFH v. 9.7.2003 – I B 194/02, BFH/NV 2003, 1666; v. 7.8.2002 – I R 64/01, BFH/NV 2003, 205. 5 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.53; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 227; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (330). 6 Vgl. BFH v. 26.10.2004 – IX R 53/02, BStBl. II 2005, 167; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch Rz. 4.55. 7 Ausführlich hierzu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.55; die Eigenschaft als Wirtschaftsgut wird durchweg auch bejaht von Borstell, StbJb 2001/02, 201 (208); Wassermeyer, DStR 1997, 681 (685); Serg, DStR 2005, 1916 (1917); verneint wird die Eigenschaft als Wirtschaftsgut von Rödder, StbJb 1997/98, 115 (124); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 595.1; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerung ins Ausland, 307; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 302.

1009

18.56

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

det eine überführungsbedingte Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG aus. In diesem Fall ist allerdings im Rahmen der Einkünfteabgrenzung das inländische Stammhaus an den durch die ausländische Betriebsstätte mittels der Geschäftschance erwirtschafteten Erträgen zu beteiligen.1 Bei der Bewertung der Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) mit dem gemeinen Wert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG ist auf die zukünftigen, kapitalisierten Gewinnauswirkungen der Geschäftschance abzustellen, was im Ergebnis auf die Bewertung nach der Ertragswertmethode hinausläuft.2 Da Geschäftschancen in den vorgenannten Fällen seitens der ausländischen Betriebsstätte längerfristig und zumeist ausschließlich genutzt werden, bezieht sich die gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gebotene Gewinnrealisierung nicht nur auf den Nutzungswert, sondern auf die Geschäftschance als immaterielles Wirtschaftsgut insgesamt, so dass sich der für die Bewertung nach der Ertragswertmethode maßgebliche Diskontierungszeitraum an der voraussichtlichen Nutzungsdauer der Geschäftschance orientiert. 5. Sonderfälle a) Vertreterbetriebsstätte

18.57 Die für Betriebsstätten maßgeblichen Grundsätze der Einkünftezuordnung gelten im Ausgangspunkt für ständige Vertreter (Art. 13 AO) und abhängige Vertreter (Art. 5 Abs. 5, 6 OECD-MA) gleichermaßen. Denn auch hier geht es auf unilateraler und bilateraler Ebene darum, dem Vertreter als personalem Anknüpfungspunkt diejenigen Einkünfte zuzuordnen, die gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als inländische Einkünfte für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht oder gem. §§ 34c; 34d EStG (§ 26 Abs. 1, 6 KStG) und Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA als ausländische bzw. als Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung zu qualifizieren sind (zur Betriebsstätte Rz. 5.141 ff., 16.241 ff.). Aus dieser parallelen Anknüpfung folgt, dass ebenso wie für Betriebsstätten auch für Vertreter sowohl auf unilateraler als auch auf bilateraler Ebene das dealing at arm’s length-Prinzip (Drittvergleich) uneingeschränkt zur Anwendung kommt (Rz. 18.13). Damit sind dem Vertreter (Betriebsstätte) diejenigen Einkünfte zuzurechnen, die er hätte erzielen können, wenn er eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Vertreter er ist, völlig unabhängig gewesen wäre.3

18.58 Wird daher ein Vertreter tätig, der hierfür ein Entgelt erhält, wie es zwischen fremden Dritten üblich und angemessen ist, verbleiben keine darüber hinausgehenden Einkünfte, die dem Unternehmen (Geschäftsherrn) 1 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 453, 459. 2 Zu Einzelheiten Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.58 f. 3 So die Regelung in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, die auch für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gilt; vgl. hierzu Rz. 5.157 f.

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

als in- oder ausländische (Betriebsstätten-)Einkünfte zugerechnet werden könnten.1 Im Hinblick darauf ist wie folgt zu differenzieren:2 – Wird ein unabhängiger Vertreter, etwa ein selbständiger Handelsvertreter, Makler oder Kommissionär, tätig, der mit dem auftraggebenden Unternehmen (Geschäftsherrn) weder unmittelbar noch mittelbar verbunden und daher fremder Dritter ist, so sind dem Geschäftsherrn im Ergebnis insoweit keine Einkünfte zuzuordnen: Die Provision, die der Vertreter für den Absatz von Produkten und Dienstleistungen vom Vertretenen erhält, entspricht den aufgrund dieser Funktion zuzuordnenden Einnahmen; einem darüber hinausgehenden etwa noch verbleibenden Liefergewinn bleibt eine Zuordnung zur Vertreterbetriebsstätte versagt.3 Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Staaten (Rz. 16.33) ist eine weitergehende Einkünftezuordnung auch nicht gerechtfertigt, denn durch die Vertreterprovision fällt ohnedies bereits die auf die Vertretertätigkeit zurückzuführende Wertschöpfung regelmäßig in die Besteuerungshoheit des Staates, in dem der Vertreter tätig ist.4 Dementsprechend werden derart tätige unabhängige Vertreter im Wege typisierender Vereinfachung sowohl auf unilateraler5 als auch auf bilateraler6 Ebene aus dem Kreis der für die Besteuerung maßgeblichen personalen Anknüpfungen ausgegrenzt. – Wird dagegen ein Vertreter tätig, der etwa als verbundenes Unternehmen (Tochtergesellschaft) für das vertretene Unternehmen auftritt,7 entsteht ebenfalls kein Gewinn bei der Vertreterbetriebsstätte und zwar auch dann nicht, wenn die gezahlte Vergütung nicht angemessen 1 So ausdrücklich Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233; Görl in GS Krüger, 113 (121); Sieker, BB 1996, 981 (984 ff.); Loukota, SWI 1996, 101 (104 f.); Hey, RIW 1994, 889 (891); wohl auch Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 199; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 309; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 115 ff.; Endres, IStR 1996, 1 (4); OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 26. 2 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233 f.; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 99. 3 Es handelt sich also um ein „Nullsummenspiel“; so Hey, RIW 1994, 889 (891); ausführlich hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233. 4 So der Hinweis von Loukota, SWI 1996, 101 (104 f.); zur beschränkten Steuerpflicht von im Inland tätigen Vertretern Rz. 5.154 ff. 5 R 49.1 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 EStR 2008; Einkünfte eines ausländischen Unternehmens werden insoweit nicht der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, als es im Inland durch Kommissionäre oder Makler vertreten ist, die Geschäftsbeziehungen für das ausländische Unternehmen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit unterhalten. Das Gleiche gilt bei der Vertretung durch Handelsvertreter, die weder eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und -abschlüssen besitzen, noch über ein Warenlager des ausländischen Unternehmens verfügen; zu dieser auf § 50 Abs. 7 EStG a.F. (ab 2009: § 50 Abs. 4 EStG) beruhenden Verwaltungsanweisung Rz. 5.157 f. 6 Art. 5 Abs. 6 OECD-MA: Eine Vertreterbetriebsstätte ist nicht gegeben, wenn die Tätigkeit des Unternehmens in dem anderen Vertragsstaat durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausgeübt wird. 7 Zur Funktion von Tochtergesellschaften als Vertreter Rz. 16.260 f.

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18.59

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

ist.1 Ist dagegen der Vertreter ein Angestellter des vertretenen Unternehmens (Geschäftsherrn), sind der Vertreterbetriebsstätte Einkünfte zuzuordnen, soweit die an den angestellten Vertreter gezahlte Provision hinter der an fremde dritte (unabhängige) Vertreter zu zahlenden Provision zurückbleibt.2

18.60 Da Vertreter lediglich Verträge abschließen oder vermitteln oder Aufträge einholen, ist eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern des Stammhauses zu einer derartigen Vertreterbetriebsstätte in aller Regel ausgeschlossen.3 Dies gilt auch für Warenbestände, die nach allgemeinen Grundsätzen bilanziell nicht beim Handelsvertreter, sondern beim Prinzipal bzw. Kommittenten zu erfassen sind.4 Aus diesem Grunde unterbleibt bei Vertreterbetriebsstätten regelmäßig eine überführungsbedingte Gewinnrealisation von Umlaufvermögen, so dass eine Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) nicht gegeben ist. Entsprechendes gilt für inländische Vertreterbetriebsstätten eines ausländischen Stammhauses. Hier scheidet eine überführungsbedingte Steuerverstrickung (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 EStG) vom Umlaufvermögen ebenfalls aus. b) Geschäftsleitungsbetriebsstätte

18.61 Neben dem eigentlichen Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) eines Unternehmens, insbesondere einer Kapitalgesellschaft (Rz. 6.2 ff.), werden nicht selten Geschäftsleitungsfunktionen in anderen Ländern ausgeübt. Es handelt sich hierbei durchweg um Geschäftsleitungsbetriebsstätten, also Stätten der Geschäftsleitung (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) oder Orte der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA). Derartige Geschäftsleitungsbetriebsstätten haben insbesondere weltweit operierende, polyzentrische Unternehmen.5 In den vorgenannten Fällen werden in Geschäftsleitungsbetriebsstätten Geschäftsleitungsfunktionen, Managementaufgaben sowie Zentralfunktionen angesiedelt, die ggü. den übrigen Unternehmensteilen als Dienstleistungen erbracht werden. Da es sich hierbei um bloße Innentransaktionen handelt, erfolgt die Aufwands- und Ertragszuordnung nach allgemeinen Grundsätzen.6 In aller Regel wird seitens der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ggü. den anderen Unternehmensteilen ein Bündel verschiedener Leistungen erbracht, die keinen konkreten Außen-

1 Eine etwa nach oben korrigierte Vergütung ist zugleich berücksichtigungsfähiger Aufwand bei der Vertreterbetriebsstätte; hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.234; Sieker, BB 1996, 951 (985). 2 Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 99; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.235; Sieker, BB 1996, 981 (985 f.). 3 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.220. 4 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.220; a.A. Looks in Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 937. 5 Hierzu Raupach, JbFSt 1994/1995, 419 ff.; Schaumburg/Schlossmacher in FS Peltzer, 389 ff. 6 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2.

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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten

umsätzen der anderen Unternehmensteile zugeordnet werden können.1 Zu diesem Leistungsbündel gehören zumeist Innenrevision, Controlling, Steuer- und Rechtsberatung, Marketing, Markenpflege, Verwaltung von Patent- und Urheberrechten sowie die Beteiligungsverwaltung. Die Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen erfolgt hier in der Praxis durchweg nach der indirekten Methode.2 Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei Anwendung der indirekten Methode wird in der Praxis nur eine Schätzung möglich sein, die bei Geschäftsleitungsbetriebsstätten, soweit es sich um Kontroll- und Koordinierungsstellen handelt, darauf hinausläuft, dass eine saldierende Gewinnzuordnung i.H. von 5 bis 10 Prozent der Kosten akzeptiert wird.3 Soweit insbesondere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte überführt werden, erfolgt eine Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entstrickungsentnahme), soweit überführungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht wegfällt oder beschränkt wird (Rz. 5.349). Zu einer Überführung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern etwa vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte wird es allerdings nur dann kommen, wenn es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die einer von der Betriebsstätte ausgeübten Funktion dienen.4 Das wird aber nur ausnahmsweise der Fall sein, weil im Grundsatz alle Zentralfunktionen unverändert dem Stammhaus zuzuordnen sind.5 So sind etwa Marken nicht schon deshalb einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen, nur weil sie dort verwaltet werden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Nutzung der Marken im Rahmen der Produktion und des Vertriebs, deren Steuerung im Zweifel beim Stammhaus liegt. Entsprechendes gilt auch für die Beteiligungen an in- und ausländischen Tochtergesellschaften: Auch wenn die Beteiligungsverwaltung in einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübt wird, bleibt die Zuordnung zum Stammhaus erhalten, solange dort die Konzernsteuerung angesiedelt ist. Etwas anderes gilt dann, wenn die ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte die Funktion einer geschäftsleitenden Holding wahrnimmt.6 Sollten nach den vorstehenden Grundsätzen entsprechende materielle und immate1 Hierzu Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 313. 2 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2, 10.5; zur direkten und indirekten Methode Rz. 16.269 ff., 18.23. 3 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.4.4; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA, Rz. 225; vgl. auch Sieker in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 85 (100); kritisch hierzu Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2, 10.8. 4 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4. 5 Kritisch zur „Zentralfunktion des Stammhauses“ z.B. Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff. 6 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.4.1; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.12.

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18.62

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

rielle Wirtschaftsgüter einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sein, kann für die hierdurch ausgelöste Gewinnrealisierung (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4, Satz 1 Halbs. 2 EStG) die Milderungsregelung des § 4g EStG (gestreckte Besteuerung; vgl. Rz. 18.50 f.) in Anspruch genommen werden.

18.63 In den Fällen, in denen im Inland eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte eines ausländischen Stammhauses angesiedelt ist, kommt überführungsbedingt eine Steuerverstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) in Betracht. c) Bau- und Montagebetriebsstätten

18.64 Sowohl im nationalen Recht als auch im Abkommensrecht haben Bauund Montagebetriebsstätten eine Sonderregelung (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO; Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) dahingehend erfahren, dass sie Anknüpfungspunkte für die Besteuerung sind, obwohl in ihnen keine dauerhafte gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird.1 Erfasst werden insbesondere Hochund Tiefbautätigkeiten sowie der Anlagenbau.2 Zu den bauausführenden Montagen gehören indessen nicht nur die eigentlichen Kerntätigkeiten, sondern auch hiermit in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Leistungen, zu denen auch die gesamte kaufmännische und technische Projektplanung sowie die Bau- und Montageüberwachung3 gehören. Im Hinblick darauf sind Bauausführungen und Montagen nicht selten durch eine enge Leistungsverflechtung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gekennzeichnet,4 so dass die Einkünftezuordnung besondere Schwierigkeiten bereitet. Das gilt insbesondere für die in der Praxis bedeutsamen sog. Turnkey-Projekte, in denen ein Generalunternehmer als Auftragnehmer ein ganzes Leistungsbündel zu erbringen hat.5 Die im Bereich der Bauausführungen und Montagen zu erbringenden Leistungen werden gewöhnlich vom Stammhaus und von der (ausländischen) Bau- oder Montagebetriebsstätte erbracht.

18.65 Angesichts der für Bau- und Montagebetriebsstätten geltenden spezifischen Probleme erfolgt in der Praxis die Einkünftezuordnung zumeist auf der Grundlage der indirekten Methode (Rz. 16.271). Soweit die direkte Methode, die eine eigene Betriebsstättenbuchführung voraussetzt, zur Anwendung kommt, wird zwar nicht selten eine veranlassungsgerechte

1 Sog. temporäre Betriebsstätten; vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 370. 2 Hierzu im Einzelnen Remberg in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 431 ff.; Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 ff. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 114 ff. 4 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.182. 5 Zum internationalen Anlagenbau vgl. Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 (114 f.).

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

und damit funktionsbezogene Aufwandszuordnung gelingen,1 eine direkte Zuordnung von Erträgen wird aber in aller Regel kaum möglich sein. Das gilt auch in den Fällen, in denen für bestimmte vom Stammhaus und der Bau- und Montagebetriebsstätte zu erbringende Leistungen gesonderte Preise vereinbart worden sind, weil nicht selten bei der Preisfindung ein kalkulatorischer Ausgleich zwischen einzelnen Preiselementen gegeben sein wird.2 Bei Anwendung der direkten Methode wird daher mitunter eine Mischlösung dahingehend angestrebt, dass für die der Bauund Montagebetriebsstätte direkt zugeordneten Aufwendungen zwecks Ermittlung der Einkünfte die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung gebracht wird,3 wobei ein Gewinnaufschlag i.H. von 5 Prozent bis 10 Prozent üblich ist.4 Der so ermittelte auf die (ausländische) Bau- und Montagebetriebsstätte entfallende Standardgewinn führt dazu, dass der Restgewinn beim (inländischen) Stammhaus der Besteuerung unterliegt. Hierbei kann es sich indessen auch um einen Verlust handeln. Eine derart inkongruente Einkünftezuordnung wird durch Anwendung der in der Praxis durchaus üblichen indirekten Methode vermieden.5 Hierfür bedarf es der Ermittlung des Gesamtprojektgewinns (Auftragsergebnis), was in aller Regel über die vorhandene Kostenrechnung ermöglicht wird. Auf einer weiteren Stufe ist sodann ein am Veranlassungsprinzip orientierter Aufteilungsschlüssel festzulegen, wobei in der internationalen Praxis ein kostenorientierter Aufteilungsschlüssel vorherrscht und allgemein anerkannt ist.6 Darüber hinaus kommen auch Risiko- und Umsatzschlüssel7 oder eine Mischung verschiedener Aufteilungsschlüssel in Betracht.

C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften Literatur Vgl. Literaturübersicht zu B.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl. Herne/Berlin 1996, Rz. 339 ff.; Boller/Eilighoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Bordewin, Die Einheit der Personengesellschaft im Härtetest des § 6b EStG, in FS für Schmidt, München 1993, 421; Debatin, Inländische Beteiligungen an Mitunternehmerschaften im Ausland, BB 1978, 669; Debatin, Subjektiver Schutz unter Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2, 1; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Das Jahressteuergesetz 2009 – Ausgewählte Aspekte der Unternehmensbesteuerung, BB 1 2 3 4 5 6

Hierzu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.187. Im Einzelnen Bendlinger, SWI 1997, 104 (110 f.); Bendlinger in FS Loukota, 69. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.7 Abs. 3. Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.190. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.193. Remberg in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 454 ff.; Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 (124); Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.196; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, IStR 2002, 40 (44). 7 Vgl. Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 96 f.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung 2009, 580; Flick/Heinsen, Steuerliche Behandlung von Einkünften deutscher Gesellschafter aus der Beteiligung an einer US-Limited Liability Company – Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 20.August 2008, I R 34/08, IStR 2008, 781; Friedrichs, Die Beendigung des Engagements in einer ausländischen Personengesellschaft, Bielefeld 1996; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; Frotscher, Abkommensrechtliche Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen nach Inkrafttreten des § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 866; Gröhs, Die Gewinnbesteuerung der Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Österreichs, Wien 1986; Günkel/Lieber, Auslegungsfragen im Zusammenhang mit § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009, Ubg. 2009, 301; Haas, Mitunternehmerschaften mit beschränkter Haftung – national und international –, Bielefeld 1978, 81 ff.; Hils, Neuregelung internationaler Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, 888; Hock, Personengesellschaften mit internationalem Gesellschafterkreis, Wiesbaden 1994; Knobbe-Keuk, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Korn, Grenzen des Einflusses innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2009, 641; Krabbe, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Eine Replik, FR 2001, 129; Lang, M., Ist der Betriebsstättenvorbehalt bloß im Quellenstaat anwendbar?, SWI 2003, 319; Lethaus, Steuerliche Probleme der internationalen Personengesellschaft, Hamburg 1990; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Lüdicke, „Liebhaberei“ einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft – Nachweis bei Gewinnerzielungsabsicht – außerbetriebliche Sphäre einer ausländischen Kapitalgesellschaft, DStR 2002, 672; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/1998, 449; Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Bern 2007; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Müller, Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, 751; Ostendorf, Behandlung von Sondervergütungen der Mitunternehmer im Internationalen Steuerrecht, Berlin 1994; Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1981; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, Berlin 2000; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Pyszka/Bauer, Ausländische Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht, Herne 2004; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Schaumburg, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht, Stbg. 1999, 97, 156; Schliephake, Steuerliche Gewinnabgrenzung internationaler Personengesellschaften, Bielefeld 1990; Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht – Erlassentwurf und neue Rechtsprechung, Stbb 2008/2009, 169; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Gelsenkirchen 1982; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Urtz/Züger, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Wien 2001; Wassermeyer, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, in Achatz/

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften Ehrke-Rabel/Heinrich/Leitner/Taucher, Steuerrecht, Verfassungsrecht, Europarecht, FS für Ruppe, Wien 2007, 681; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010; Weggenmann, Einordnungskonflikte bei Personengesellschaften im Recht der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des OECD-Partnership-Reports 1999, Nürnberg 2002; Weggenmann/Rödl, Sonderregelungen für Personengesellschaften in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 697.

I. Grundlagen Das Erfordernis internationaler Einkünfteabgrenzung besteht ebenfalls 18.66 bei Beteiligungen an Personengesellschaften, und zwar sowohl auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts als auch auf der Ebene des Abkommensrechts. Personengesellschaften sind für Zwecke der Steuern vom Einkommen nach den Grundsätzen des deutschen Rechts keine Steuersubjekte, so dass insoweit stets auf die Gesellschafter abzustellen ist. Personengesellschaften sind indessen insoweit beschränkt steuerrechtsfähig, als sie selbst mit den von ihnen geführten Gewerbebetrieben Gewinn erzielen mit der Folge, dass für steuerliche Zwecke die Personengesellschaft einerseits und ihre Gesellschafter andererseits wie Fremde zueinander in Rechtsbeziehungen treten und dementsprechend mit Gewinnrealisierung Leistungen austauschen können.1 Damit sind sie selbständige Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekte.2 Dieses im deutschen Steuerrecht verwirklichte Mitunternehmerkonzept3 gilt sowohl für nach deutschem als auch für nach ausländischem Recht errichtete Personengesellschaften.4 Gewinne von Personengesellschaften werden indessen den Mitunternehmern anteilig originär als eigene Einkünfte zugerechnet (Transparenzprinzip5). Hieraus folgt, dass Personengesellschaften mit gewerblichen Betriebsstätten jedem einzelnen Gesellschafter über dessen Beteiligung an der Gesellschaft eine Betriebsstätte vermitteln.6 1 Vgl. etwa BFH v. 31.7.1991 – VIII R 23/89, BStBl. II 1992, 375; zu Einzelheiten Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 160 ff. 2 BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10; v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679; v. 23.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420; zur Dogmatik im Einzelnen Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 9 ff.; Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 62 ff.; 81 ff.; 130 ff. 3 §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; 15a; 13 Abs. 5; 18 Abs. 4 EStG; hierzu im Einzelnen Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 9 ff. 4 Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 173. 5 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.1. 6 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 4.12.1991 – I R 140/90, BStBl. II 1992, 750; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.67 Im Ausland ansässige Gesellschafter einer inländischen gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft haben daher stets inländische gewerbliche Betriebsstätteneinkünfte, die gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG (§ 12 Nr. 1 AO) der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dieses innerstaatliche Betriebsstättenprinzip gilt auch für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter inländischer oder ausländischer Personengesellschaften, soweit diese im Ausland Betriebsstätten unterhalten; die Gesellschafter erzielen ausländische gewerbliche Betriebsstätteneinkünfte gem. § 34d Nr. 2a EStG. Im Hinblick darauf gelten nach innerstaatlichem Recht für Zwecke der Einkünftezuordnung im Ausgangspunkt die gleichen Grundsätze wie bei Betriebsstätten (Rz. 18.9 ff.), die allerdings einer Modifikation insoweit bedürfen, als Personengesellschaften selbständige Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekte sind.

18.68 Bei Personengesellschaften wird das Problemfeld der internationalen Einkünfteabgrenzung im innerstaatlichen Recht und im Abkommensrecht daher dadurch erweitert, dass es bei ihnen auch um die Einkünfteabgrenzung zwischen Gesellschafter einerseits und Personengesellschaft andererseits geht. In diesem Zusammenhang ergeben sich auch Besonderheiten bei der Einkunftsartenzuordnung.

II. Einkunftsartenzuordnung 18.69 Soweit die Gesellschafter einer in- oder ausländischen Personengesellschaft als Mitunternehmer nicht Land- und Forstwirte oder Freiberufler sind,1 erzielen sie nach innerstaatlichem (deutschem) Steuerrecht Einkünfte aus Gewerbebetrieb.2 Ist eine Personengesellschaft nur u.a. gewerblich tätig, so gilt sie in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).3 Soweit keine land- und forstwirtschaftliche (§ 13 Abs. 5 EStG), freiberufliche (§ 18 Abs. 4 EStG) oder gewerbliche (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) Mitunternehmerschaft gegeben ist, handelt es sich um eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft, so dass die Gesellschafter entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) oder Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder aber sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG) erzielen. Sind allerdings an solchen tatsächlich land- und forstwirtschaftlich, freiberuflich oder vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaften ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und sind nur diese oder Nicht2003, 964; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68, 105; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 14; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.8. 1 §§ 13 Abs. 5; 18 Abs. 4 EStG verweisen auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. 2 Gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 EStG). 3 Ausnahme bei äußerst geringem Anteil; so BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229; zur sog. Abfärberegelung Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 185 ff.; Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 32 f.

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

gesellschafter zur Geschäftsführung befugt, so gilt die Tätigkeit der inoder ausländischen Personengesellschaft als gewerblich.1 Das gilt in den vorgenannten Fällen unabhängig davon, ob etwa die ausländische Kapitalgesellschaft ihrerseits gewerbliche Einkünfte erzielt.2 Zu den gewerblichen Mitunternehmereinkünften zählen die Anteile am Gewinn der Personengesellschaft und die Sondervergütungen, die die Gesellschaft an ihre Gesellschafter für Tätigkeiten, Darlehen und sonstige Überlassungen von Wirtschaftsgütern leistet.3 Diese Einkunftsartenzuordnung gilt nach innerstaatlichem Recht sowohl für inländische Gesellschafter ausländischer Personengesellschaften als auch für ausländische Gesellschafter inländischer Personengesellschaften.4 Auf Abkommensebene folgt die für die Anwendung der Verteilungsnormen (Rz. 16.211 ff.) maßgebliche Einkunftsartenzuordnung (Rz. 16.214 f.) grundsätzlich anderen Regeln als die Einkunftsartenzuordnung nach innerstaatlichem Steuerrecht.5 Dies gilt insbesondere für Personengesellschaften und ihre Gesellschafter, die abkommensrechtlich neben Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) auch z.B. Einkünfte aus Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Lizenzen (Art. 12 OECD-MA) erzielen können, ohne dass eine etwa dem § 15 Abs. 3 EStG vergleichbare Abkommensvorschrift ohne weiteres zu einer Umqualifizierung in Unternehmensgewinne führt.6 Daher erzielen auch Personengesellschaften, die nach innerstaatlichem (deutschem) Steuerrecht als gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) eingestuft werden, nicht immer Unternehmensgewinne.7 Im Übrigen ist die Einkunftsartenzuordnung unmittelbar mit der Subjektsqualifikation der Personengesellschaft verknüpft (Rz. 6.15). 1 Gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG); hierzu im Einzelnen Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 36. 2 BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BStBl. II 2007, 924; Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 215; a.A. Lüdicke, DStR 2002, 672. 3 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; hierzu ausführlich Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 560 ff.; Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 50 ff. 4 RFH v. 30.11.1938, RStBl. 1939, 544; BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 7.2.1968 – I 103/65, BStBl. II 1968, 454; v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990 57; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 4.12.1991 – I R 140/90, BStBl. II 1992, 750; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.2.5. 5 Für Sondervergütungen greift allerdings § 50d Abs. 10 EStG ein; hierzu Rz. 18.72 f. 6 Zum sog. Betriebsstättenvorbehalt Rz. 16.233. 7 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 85; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 36, 87; Oenings/Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 12.59; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (416); a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1; vgl. auch Rz. 16.236.

1019

18.70

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.71 Für die in der Praxis wichtigste Einkunftsart der Unternehmensgewinne1 gilt auf Abkommensebene hiernach:2 – Bei übereinstimmender Qualifikation als selbständiges Steuersubjekt erzielt die Personengesellschaft Unternehmensgewinne, und deren Gesellschafter erhalten im Falle der Ausschüttung Dividendeneinkünfte (Art. 10 OECD-MA),3 die in deren Ansässigkeitsstaat steuerfrei zu stellen sind oder aber zur Anrechnung einbehaltener Quellensteuern führen. Wird dagegen die Personengesellschaft übereinstimmend als nichtselbständiges Steuersubjekt behandelt, so erzielt nicht die Personengesellschaft selbst Unternehmensgewinne, sondern ausschließlich deren Gesellschafter,4 so dass im Grundsatz zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Freistellungsmethode eingreift. – Bei divergierender Qualifikation als selbständiges Steuersubjekt nur im Sitzstaat der Personengesellschaft bezieht die Personengesellschaft Unternehmensgewinne, und im Falle der Ausschüttung haben die Gesellschafter abkommensrechtlich Divideneneinkünfte,5 die allerdings in dem anderen Vertragsstaat, in dem die Gesellschafter ansässig sind, etwa in Deutschland, nach innerstaatlichem Steuerrecht nicht steuerbare Entnahmen darstellen, ohne dass die Möglichkeit besteht, etwa einbehaltene Quellensteuern anrechnen zu können.6 Wird dagegen die Personengesellschaft nur im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter als selbständiges Steuersubjekt anerkannt, wird die Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat nach Betriebsstättengesichtspunkten (Art. 7 OECDMA) besteuert, und die Gesellschafter erzielen abkommensrechtlich andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA),7 die etwa in Deutschland als 1 Zu Sondervergütungen sogleich Rz. 18.72 f. 2 Vgl. hierzu auch den OECD-Partnership-Report in OECD, der allerdings einer durchgehenden Systematik entbehrt; vgl. zur Kritik Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 ff. 3 Hierzu Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 83. 4 In diesem Fall ist der Anteil eines jeden Gesellschafters an der Personengesellschaft Unternehmen i.S. von Art. 7 OECD-MA; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 83; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 68; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 346. 5 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 3; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 48; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.41; Debatin, BB 1989, Beilage 2, 1 (8). 6 BFH v. 20.9.1989 – II R 96/86, BStBl. II 1990, 206; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 93; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.42; Piltz, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 174; Debatin, BB 1978, 669 (671); BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1. 7 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 94, Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.49; BMF

1020

C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

Dividenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu behandeln sind, für die die §§ 3 Nr. 40; 32d EStG oder § 8b Abs. 1 KStG zur Anwendung kommen.1 Für Sondervergütungen2 enthält § 50d Abs. 10 EStG eine als treaty override3 wirkende Sonderregelung,4 wonach für Abkommenszwecke Unternehmensgewinne fingiert werden, soweit nicht schon abkommensrechtlich eine entsprechende Qualifikation ausdrücklich vorgesehen ist.5 Im Ergebnis soll hierdurch für grenzüberschreitende Sondervergütungen deutsches Besteuerungsrecht wie folgt sichergestellt werden: Sondervergütungen seitens einer inländischen Mitunternehmerschaft an einen im Ausland ansässigen Mitunternehmer sind als (fiktive) Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) stets Deutschland als Quellenstaat der Besteuerung zugewiesen (sog. Inbound-Fall).6 Erhält dagegen ein in Deutschland ansässiger Mitunternehmer Sondervergütungen von einer ausländischen Mitunternehmerschaft, so können diese, falls sie nicht im anderen Staat als freizustellende Betriebsstätteneinkünfte erfasst werden, zwecks Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 13.8 f., 16.159) gem. § 50d Abs. 10 Satz 2, Abs. 9 Nr. 1 EStG in Deutschland der Besteuerung zugeführt werden (sog. Outbound-Fall).7

18.72

§ 50d Abs. 10 EStG, der auch für die Gewerbesteuer (§ 7 Satz 6 GewStG) gilt, hat allerdings nur eine begrenzte Reichweite. Erfasst werden nämlich nur Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 und 3 EStG, nicht aber etwa nachträgliche Sondervergütungen

18.73

1 2 3

4 5 6 7

v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.2; für die Annahme von Betriebsstätteneinkünften dagegen Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34e; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 414; Mensching, IStR 2008, 687 (689); Flick/ Heinsen, IStR 2008, 781 (785); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (465). BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.2. Nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht greift stets § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein; zu Einzelheiten Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 568 ff. Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 44; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (584); Frotscher, IStR 2009, 593 (597), 866 (867); Günkel/Lieber, Ubg. 2009, 301 (306); Hils, DStR 2009, 888 (892) alle mit Hinweis auf verfassungsrechtliche Zweifel insbesondere wegen fehlender formaler Kenntlichmachung (vgl. hierzu Rz. 3.25 f., 16.39); a.A. im Sinne einer bloßen Auslegungshilfe, die gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zulässig sei Boller/Eilighoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111 f.); Mitschke, DB 2010, 303 (305); Korn, IStR 2009, 641 (643 ff.); Bericht Finanzausschuss zum JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, 29; FG München v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, DStR 2009, 2363; offen gelassen von FG BaWü v. 9.10.2009 – 10 K 3312/08, EFG 2010, 238. Gegen BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 gerichtetes Nichtanwendungsgesetz. Vgl. die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 61. Zu Einzelheiten Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.50. Hierzu Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.58.

1021

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG1 und Sondervergütungen an bloß mittelbar beteiligte Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.2

18.74 Hieraus folgt zugleich, dass § 50d Abs. 10 EStG von vorneherein keine Anwendung auf Sondervergütungen im freiberuflichen Bereich und bei land- und fortwirtschaftlichen Mitunternehmerschaften findet.3 Schließlich greift auch die Fiktion der Unternehmensgewinne zu kurz, weil hierdurch nicht zugleich auch eine Betriebsstätte fingiert wird, so dass insbesondere in Inbound-Fällen § 50d Abs. 10 EStG leer läuft, falls die den Sondervergütungen zugrunde liegenden Stammrechte nicht tatsächlich einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.4 Eine derartige Zuordnung erfolgt indessen nicht stets zu der durch die Beteiligung an der (inländischen) Mitunternehmerschaft dem Mitunternehmer selbst vermittelten Betriebsstätte,5 sondern ggf. auch zu einer gesondert vom Mitunternehmer unterhaltenen eigenen (ausländischen) Betriebsstätte.6 Soweit § 50d Abs. 10 EStG nicht eingreift und abkommensrechtlich Sondervergütungen nicht schon anderweitig als Unternehmensgewinne qualifiziert werden,7 gilt auf Abkommensebene:8 – Bei übereinstimmender Qualifikation als selbständiges Steuersubjekt sind Sondervergütungen bei der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig und beim empfangenden Gesellschafter etwa Einkünfte aus Zinsen (Art. 11 OECD-MA) bei der Überlassung von Kapital, Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) bei der Nutzungsüberlassung von 1 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 45. 2 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 46; Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.65: Prinz, DB 2009, 807 (812). 3 Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht, Rz. 13.33. 4 Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 45; Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.51 ff.; Prinz, DB 2009, 807 (812); Meretzki, IStR 2009, 217 (223); Boller/Eilighoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (113 f.); Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (584); Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423 (425); Günkel/Lieber, Ubg. 2009, 301 (304 f.); a.A. BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.5.1. 5 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; ferner Rz. 18.66. 6 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.11; Wassermeyer in FS Ruppe, Wien 2007, 681; Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301 (309) gehen davon aus, dass eine derartige Mitunternehmerbetriebsstätte der Regelfall ist. 7 Überblick über die entsprechenden Abkommen bei Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 61; vgl. hierzu auch Weggenmann/Rödl in FS Reiß, 697 (709 ff.). 8 Überblick bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 37 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 28e; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.10 ff.; Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.34 ff.; Ostendorf, Behandlung von Sondervergütungen der Mitunternehmer im Internationalen Steuerrecht, 141 ff.

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

Rechten, Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 OECD-MA a.F.) oder etwa Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15 OECD-MA). – Wird dagegen eine Personengesellschaft übereinstimmend als nichtselbständiges Steuersubjekt behandelt, sind Sondervergütungen nur dann Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA), wenn etwa das Stammrecht, für das Zinsen oder Lizenzgebühren gezahlt werden, nach Maßgabe der abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalte (Art. 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA) tatsächlich zum Vermögen der Personengesellschaft gehört.1 Die Zuordnung zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) ist insoweit also nur subsidiär.2 Eine etwa gegebene doppelte Minderbesteuerung wird gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vermieden. Ob das Stammrecht, für das etwa Zinsen oder Lizenzgebühren zu zahlen sind, tatsächlich zum Vermögen der Personengesellschaft gehört, beurteilt sich nicht nach den Grundsätzen des § 15 EStG, sondern allein nach Abkommensrecht. Daher kommt es auf die Eigenschaft des betreffenden Stammrechts (z.B. Darlehen) als Sonderbetriebsvermögen3 nicht an.4 Diese rechtliche Einordnung beruht nämlich auf § 15 Abs. 1 Nr. 2, Halbs. 2 EStG, wonach die Behandlung als (notwendiges) Sonderbetriebsvermögen in untrennbarem Zusammenhang mit der Behandlung der entsprechenden Sondervergütungen als gewerbliche Einnahmen im Rahmen der Personengesellschaft steht. Diese Einheit von Gewinnanteil und Sondervergütungen gilt in den DBA (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) dagegen grundsätzlich nicht. Sie wird nur ausnahmsweise durch die abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalte hergestellt (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA).

1 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 109 ff.; a.A. Krabbe, FR 2001, 129 (130); BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 5.1. 2 BFH v. 10.8.2006– II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.11; Pyszka/Bauer, Ausländische Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht, Rz. 102. 3 Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 506 ff. 4 So die höchstrichterliche Rechtsprechung seit BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; zuletzt BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; demgegenüber hat die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung die aus der Sicht des deutschen Steuerrechts zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden Stammrechte auch abkommensrechtlich den (deutschen) Personengesellschaften zugeordnet; z.B. RFH v. 30.11.1938, RStBl. 1939, 544 (Darlehen); BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (Lizenzrechte); v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (Darlehen).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

– Die tatsächliche Zugehörigkeit des Stammrechts zur Personengesellschaft – etwa im Sinne von „tatsächliches Betriebsvermögen“ – ist dann anzunehmen, wenn der betreffende Vermögenswert in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Personengesellschaft bzw. deren Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit steht und die Erträge hieraus als Nebenerträge der im Übrigen ausgeübten Unternehmenstätigkeit anzusehen sind.1 Sind nach diesen Grundsätzen die Sondervergütungen abkommensrechtlich ausnahmsweise Unternehmensgewinne, so ändert sich an dieser Qualifikation auch dann nichts, wenn die Sondervergütungen bei der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. In diesem Fall ergibt sich für den Wohnsitzstaat des Gesellschafters nicht das Recht, diese Sondervergütungen der Besteuerung zu unterwerfen. Sie sind vielmehr aufgrund des Betriebsstättenprinzips2 im Wohnsitzstaat freizustellen.3 – Wird bei divergierender Qualifikation die Personengesellschaft im Sitzstaat als selbständiges Steuersubjekt behandelt, so sind die Sondervergütungen im Rahmen der Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) der Personengesellschaft als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.4 Die Gesellschafter haben dementsprechend Einnahmen, die ggf. unter die besonderen Verteilungsnormen5 fallen.6 Sind die Gesellschafter in Deutschland ansässig, so erzielen sie zwar nach deutschem Steuerrecht insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), das ändert aber nichts daran, dass abkommensrechtlich Zinsen, Lizenzgebühren oder andere Einkunftsarten vorliegen.7 Soweit das betreffende DBA eine Qualifikationsverkettung8 dahingehend vorsieht, dass bei Anwendung der Normen über die Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A, 23B OECD-MA) die gleiche Einkünftequalifikation wie bei den Verteilungsnormen vorzunehmen ist, sind die vorgenannten Sondervergütungen durchweg unter Anrechnung der im Ausland einbehaltenen Quellensteuern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) der deutschen Besteuerung

1 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 109 ff.; Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.40; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 541; Piltz, IStR 1996, 457 (460); Müller, BB 2009, 751 (756). 2 Hierzu im Einzelnen oben Rz. 16.543 f. 3 Vgl. allerdings § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG: hierzu Rz. 16.524 ff. 4 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39. 5 Z.B. Art. 11 OECD-MA (Zinsen), Art. 12 OECD-MA (Lizenzgebühren), Art. 14 OECD-MA aF (selbständige Arbeit), Art. 15 OECD-MA (unselbständige Arbeit). 6 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 130. 7 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 537 ff. 8 Hierzu Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39; Art. 23 Rz. 185.

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

zugänglich.1 Entsprechendes gilt aber auch dann, wenn eine derartige Qualifikationsverkettung nicht ausdrücklich vorgesehen ist.2 Andernfalls würde der Hauptzweck der DBA – Vermeidung der Doppelbesteuerung – verfehlt. – Wird dagegen die Personengesellschaft nur im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter als selbständiges Steuersubjekt anerkannt, so sind deren Einkünfte aufgrund ihrer fehlenden Abkommensberechtigung (Rz. 16.175) Unternehmensgewinne der Gesellschafter.3 Aus der Sicht des innerstaatlichen Rechts des Ansässigkeitsstaates der Gesellschafter handelt es sich dagegen um gewerbliche Einkünfte der Personengesellschaft selbst. Abkommensrechtlich sind Sondervergütungen, sofern die zugrunde liegenden Stammrechte tatsächlich nicht zur Personengesellschaft gehören, z.B. Zinsen, Lizenzgebühren, Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Einkünfte aus unselbständiger Arbeit; andernfalls handelt es sich um Unternehmensgewinne, für die das Betriebsstättenprinzip auch für die zufließenden Beträge gilt.4

III. Einkünftezuordnung Aus deutscher Sicht hat bei Personengesellschaften die Einkünftezuordnung zum einen für Zwecke der Abgrenzung zwischen in- und ausländischen Einkünften5 und zum anderen für Zwecke der Abgrenzung der Einkünfte der Personengesellschaft einerseits und des Gesellschafters andererseits zu erfolgen. Entsprechend der Mitunternehmerkonzeption des deutschen Steuerrechts sind die im Rahmen der Mitunternehmerschaft erwirtschafteten Einkünfte stets Einkünfte der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Diese Mitunternehmerkonzeption,6 die darauf beruht, dass Personengesellschaften im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht keine Steuersubjekte sind, gilt für inländische und ausländische Personengesellschaften gleichermaßen. Soweit daher eine ausländische Personengesellschaft eine Betriebsstätte im Inland und eine inländische Personengesellschaft eine Betriebsstätte im Ausland unterhält, wird der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gewinn dieser Betriebsstätten so behandelt, als ob er seinerseits in dem jeweiligen Land selbst eine Be-

1 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39; Debatin, DB 1985, Beil. 23, 1 (5 f.); Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (307). 2 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 39; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 ff.; Lang, M., SWI 2003, 319 ff.; a.A. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.11. 3 Zum Beispiel einer griechischen GmbH (EPE) BFH v. 31.7.1991 – I R 60/90, HFR 1992, 109 (Rechtslage bis 1993). 4 Debatin, BB 1989, Beil. 2, 1 (9). 5 Z.B. wegen §§ 49 Abs. 1 und 34c EStG. 6 Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 160 ff.

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18.75

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

triebsstätte unterhielte.1 Die Gesellschafter haben daher jeweils inländische oder ausländische Betriebsstätteneinkünfte (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Diese Grundsätze gelten auch für das Abkommensrecht, sofern die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt (Rz. 16.177 ff.) ist. In diesem Fall ist der Anteil des Gesellschafters am Unternehmen der Personengesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne ein Unternehmen2 mit der Folge, dass nicht die Personengesellschaft selbst, sondern jeder einzelne Gesellschafter Unternehmensgewinne erzielt. Diese Unternehmensgewinne schließen folgerichtig auch die Anteile am Gewinn ausländischer Betriebsstätten mit ein, und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschafter selbst an der Errichtung und Tätigkeit dieser Betriebsstätten beteiligt war oder ist.3 Im Hinblick darauf sind im Ausgangspunkt die für die Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten geltenden Regeln (Rz. 18.23 ff.) maßgeblich.

18.76 Für die Zuordnung der Einkünfte zur Personengesellschaft einerseits und zum Gesellschafter andererseits gelten für die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG uneingeschränkt die Zuordnungsregeln des deutschen Steuerrechts, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Beteiligung an einer inländischen oder an einer ausländischen Personengesellschaft handelt.4 Hieraus folgt: Allein die Gesellschafter sind Adressaten der Einkünftezuordnung. Gegenstand dieser Einkünftezuordnung sind auf der Grundlage einer zweistufigen Gewinnermittlung5 Gewinnanteile und Sondervergütungen der Gesellschafter. Der dem Gewinnanteil zugrunde liegende Gewinn der Personengesellschaft ist hierbei auf Gesellschaftsebene,6 Sondervergütungen sind auf Gesellschafterebene7 aufgrund von Sonderbilanzen zu ermitteln.8 Diese für Personengesellschaften geltenden Besonderheiten gestatten nur eine modifizierte An1 BFH v. 29.1.1964– I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68, 105; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.4. 2 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 66. 3 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 148. 4 Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 173; Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 92 ff. 5 Hierzu Hey in Tipke/Lang20, § 18 Rz. 13 ff. 6 Insoweit ist die Personengesellschaft Gewinnerzielungssubjekt und damit begrenzt steuerrechtsfähig; BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10; v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. 7 Die theoretische Fundierung im Einzelnen ist umstritten; zu Einzelheiten Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 23 ff., 98 f. 8 Hierzu Hey in Tipke/Lang20, § 15 Rz. 55 ff.; 66 ff.

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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften

wendung des im Einkommensteuerrecht im Übrigen verankerten Realisationsprinzips (Rz. 5.349) auf den vertikalen und horizontalen Betriebsvermögenstransfer. Soweit hiernach zum Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter von der Gesellschaft auf den Gesellschafter oder von diesem auf die Gesellschaft oder auf einen anderen Gesellschafter entgeltlich übertragen werden, erfolgt eine Gewinnrealisierung1 ohne Rücksicht darauf, ob die beteiligten Rechtsträger beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sind oder aber die Personengesellschaft im Inland oder Ausland ansässig ist. Übersteigt in diesen Fällen das vereinbarte Entgelt den Preis, den die Personengesellschaft einem fremden Dritten zahlen würde, liegt hinsichtlich des Mehrbetrags eine Entnahme vor mit der Folge, dass insoweit im Ergebnis eine Einkünftekorrektur erfolgt.2 Die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG, die zwar grundsätzlich auch für Personengesellschaften anwendbar ist,3 kommt in diesen Fällen lediglich subsidiär zur Anwendung (Rz. 18.81).

18.77

Bei der unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern und bei deren Übertragung gegen Minderung von Gesellschaftsrechten in das Privatvermögen des Gesellschafters ist eine Entnahme und damit stets eine Gewinnrealisierung gegeben (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Wird dagegen unentgeltlich oder gegen Minderung von Gesellschafterrechten in das Betriebsvermögen des Gesellschafters oder umgekehrt unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus dessen Betriebsvermögen übertragen, unterbleibt gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine Gewinnrealisierung.4 Diese Grundsätze gelten auch für den grenzüberschreitenden Vermögenstransfer, der aber stets dann eine Gewinnrealisierung auslöst, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung der übertragenen bzw. überführten Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wurde.5 Handelt es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, ist eine gestreckte Besteuerung möglich.6 Die für die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte geltenden Regeln sind entsprechend anzuwenden (Rz. 5.349 ff.).

18.78

Werden Wirtschaftsgüter von der inländischen Personengesellschaft auf deren ausländischen Betriebsstätte und vice versa übertragen, gelten

18.79

1 Hierzu Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 661 m.w.N. 2 BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420; Wacker in Schmidt29, § 15 EStG Rz. 661; Bordewin in FS Schmidt, 421 (427). 3 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.3.2.1.; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 223.3. 4 Zu weiteren Fallgruppen Kulosa in Schmidt29, § 6 EStG Rz. 691 ff. 5 §§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG (fiktive Entnahme zum gemeinen Wert); § 12 Abs. 1 KStG (fiktive Veräußerung zum gemeinen Wert). 6 Vgl. § 4g EStG, allerdings begrenzt auf unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter und Gesellschaften im EU-/EWR-Bereich.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

ebenfalls die für den Vermögenstransfer zwischen Stammhaus und Betriebsstätte maßgeblichen Regeln (Rz. 5.349 ff.).

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften Literatur Kommentare zu § 8 KStG, § 1 AStG und Art. 9 OECD-MA; Amelung, (Erneute) Verrechnungspreisaspekte bei Sicherheitengestellung gegenüber ausländischen Finanzierungsgesellschaften?, IStR 2003, 250; Andresen, Konzernverrechnungspreise für multinationale Unternehmen, Hamburg 2000; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl. Herne/Berlin 1996; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Bauer, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens: Die steuerliche Verrechnungspreisproblematik bei der Entwicklung und Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in multinationalen verbundenen Unternehmen, Frankfurt a.M. 2000; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln 1986; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, C 224; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG durch das EU-Umsetzungsgesetz, DStR 2010, 1309; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urteil des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/Sieker, Ausgewählte Verrechnungspreisprobleme im Lichte des neuen OECD-Berichts, IStR 1995, 517; Becker, Die Besteuerung regionaler Konzernverwaltungsstellen, DB 1984, 1847; Bernhardt/van der Ham/Kluge, Die gesetzliche Preisanpassungsklausel im § 1 AStG – Bestimmung der Anpassungen der Höhe nach und weitere praktische Anwendungsprobleme, IStR 2008, 844; Beusch, Die Besteuerung der Konzerne als wirtschaftliche Einheit in internationaler Sicht – Ein Überblick –, in FS für Flume, Bd. II, Köln 1978, 21; Blumers, Funktionsverlagerung per Transferpaket, BB 2007, 1757; Böcker, Steuerliche Prüfung und Behandlung von Lizenzzahlungen an verbundene ausländische Unternehmen, StBp. 1991, 73; Boos, International Transfer Pricing, The Hague 2003; Borstell/ Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, 275; Brezing, Verrechnungsentgelte und Umlagen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern im Steuerrecht, Köln 1975; Bruschke, Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, DStZ 2007, 267; BStBK, Stellungnahme zum Entwurf der Verwaltungsgrundsätze zur Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen, DStR 1981, Beihefter zu Heft 24; Cordes, Steuerliche Aufzeichungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Debatin, Außensteuerreformgesetz, DStZ A 1972, 265; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. Heidelberg 1990; Dörfler/Adrian, Anwendungsfragen und Wirkungen des Korrespondenzprinzips bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, Ubg 2008, 373; Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, DStR 2007, 515; Dötsch/Pung, JStG 2007: Die Ände-

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 2. Aufl. Köln 1972; Korff, Verrechnungspreise für konzerninterne Dienstleistungen aus Sicht Deutschlands und der USA, Lohmar 2008; Krabbe, Auskünfte mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben, DB 1987, 2067; Kreile, Zum Außensteuergesetz, BB 1972, 929; Kreuter, Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, München 1997; Kroppen, Hdb. Internationale Verrechnungspreise, Köln; Krüger, Steuerökonomische Analyse der Verrechnungspreise internationaler Unternehmungen, Berlin 1978; Kuckhoff/Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht der Betriebsprüfung, IStR 1999, 327; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, München 1997; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft: Grundlagen der Ermittlung steuerlich angemessener Lizenzgebühren bei Verträgen zwischen international verbundenen Unternehmen und Entwicklung eines ganzheitlichen Preisermittlungsmodells, Bielefeld 1995; Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen: Möglichkeiten zur Präzisierung des „dealing at arms length’-Prinzips, Frankfurt a.M. 1976; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der Kostenaufschlagsmethode: Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Wien 1988; Lang, Besteuerung verdeckter Gewinnausschüttungen bei verbundenen Unternehmen, FR 1984, 629; Lenz/Rautenstrauch, Die neue Öffnungsklausel bei der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG, DB 2010, 696; Lohschmidt, Ziele und Zielkonflikte bei der Festlegung von Verrechnungspreisen, Aachen 2005; Maenner, Soll- oder Habenzins bei Geldhingabe zwischen verbundenen Unternehmen?, StBp. 1987, 38; Maguire/Theisen, Verrechnungspreise bei Lizenzen und Dienstleistungen, München 1990; Neumann, Neuregelung für vGA und verdeckte Einlagen, GmbH-StB 2007, 112; Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, Berlin 2003; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung: Gewinnabgrenzung, Gewinnermittlung, Gewinnaufteilung, München 2000; Peter/Spohn/Hogg, Preisanpassungsklauseln bei Funktionsverlagerungen nach deutschem sowie US-amerikanischem Steuerrecht, IStR 2008, 864; Piltz, Unternehmensteuerreform 2008, JbFSt 2007/2008, 99; Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, Köln 2003; Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise: Auswirkungen des OECD-Berichts in den einzelnen Ländern, Bielefeld 1989; Popp, Erfassung und Besteuerung von Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen Frankfurt a.M. 1987; Popp/Theisen, Verrechnungspreisermittlung bei internationalen Konzernen, DB 1987, 1949; Portner, Zwischenstaatliche Gewinnabgrenzung – Profit Split in Sonderbereichen, IStR 1995, 356; Rädler, Stellungnahme zu dem Entwurf des OECD-Berichts über Verrechnungspreise, DB 1995, 110; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001; Raupach, Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen in betriebswirtschaftlicher, gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, Herne/Berlin 1999; Remmen, Konzernverrechnungspreise und Konzernumlagen im Aktien- und GmbH-Recht, Frankfurt a.M. 2002; Ritter, Steuerliche Prüfung internationaler Verrechnungspreise, BB 1983, 1677; Rödder, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), 380; Roeder, Ökonomische Aspekte des hypothetischen Fremdvergleichs, Ubg 2008, 202; Runge, Quo vadis, internationaler Verrechnungspreis, cui bono, neuer OECD-Verrechnungspreisbericht?, IStR 1995, 505; Rupp, Die Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, Frankfurt/Bern/New York 1983, 212; Salditt, Das fingierte Entgelt – creation of income?, StuW 1971, 107; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

I. Allgemeine Hinweise 18.80 Während zwischen den Unternehmensteilen ein- und desselben Steuersubjekts eine Einkünftezuordnung lediglich bei grenzüberschreitenden Leistungstransfers erforderlich ist,1 ist die Einkünftezuordnung zwischen verschiedenen Steuersubjekten, insbesondere zwischen Kapitalgesellschaften, prinzipieller Natur: Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung2 sowie die gesetzliche Ausprägung des Steuerobjekts (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 2 Abs. 2 EStG) gebieten, dass Einkünfte demjenigen zuzuordnen sind, der den konkreten Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt.3 Aus dieser allgemeinen Zuordnungsregel folgt, dass jedes Steuersubjekt auch Bezugspunkt der Einkünfteermittlung ist (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 EStG). Hieraus folgt weiter, dass insbesondere bei Kapitalgesellschaften zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene zu trennen ist. Dieses Trennungsprinzip4 gilt auch für international operierende Konzerne,5 so dass für jede einzelne Konzerngesellschaft die Einkünfte gesondert zu ermitteln sind.6 Dass internationale Konzerne aus selbständigen Steuersubjekten bestehen, ändert nichts an dem Umstand, dass sie wirtschaftlich eine Einheit darstellen können.7 Aus diesem Grunde sind Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen durchweg nicht von zwischen fremden Dritten üblichen Interessengegensätzen geprägt. Im Hinblick darauf hat die allgemeine Zuordnungsregel (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 2 Abs. 1 EStG) für miteinander verbundene Kapitalgesellschaften durch Sondervorschriften nicht nur eine Konkretisierung, sondern auch eine Erweiterung i.S. einer Einkünftekorrektur erfahren. Die für die Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften geltenden besonderen Normen sind zugleich stets auch Einkünftekorrekturnormen. Zu diesen insbesondere für Kapitalgesellschaften bedeutsamen besonderen Einkünftekorrekturnormen gehören vor allem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Sätze 3–6 KStG (verdeckte Einlage) und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften).8 Diese vorgenann1 Nach innerstaatlichem Recht z.B. für Zwecke der Anwendung der §§ 49 Abs. 1 und 34c, 34d EStG; nach Abkommensrecht wegen Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. 2 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 150 ff. 3 Hierzu Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 77 ff.; Raupach/Schencking in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 150 ff. 4 BFH v. 24.3.1987 – I B 117/86, BStBl. II 1987, 508; Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 1; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 224. 5 Schaumburg in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (1). 6 Demgegenüber verfolgt die in einigen amerikanischen Bundesstaaten vorherrschende unitary taxation das Konzept einer weltweiten Einheitsbesteuerung, wonach die Einkünfteermittlung durch Aufteilung des weltweiten Gruppeneinkommens erfolgt. 7 Zu diesem Aspekt Beusch in FS Flume, Bd. II, Köln 1978, 21 ff.; Rupp, Die Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, Frankfurt/Bern/New York 1983, 212 ff. 8 § 1 AStG gilt zwar für alle Steuerpflichtigen, betroffen sind in der Besteuerungspraxis in erster Linie aber Kapitalgesellschaften.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

ten (unilateralen) Einkünftekorrekturnormen unterliegen bei Anwendung von DBA den Schrankenwirkungen der abkommensrechtlichen (bilateralen) Korrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA; Rz. 16.289 ff.), die selbst allerdings keine self executing-Wirkung1 haben. Während sich die Regelungen betreffend verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen gegenseitig ausschließen, gehen diese der Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG stets vor,2 so dass bei Kapitalgesellschaften folgendes Konkurrenzverhältnis gilt: Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen3 haben im Grundsatz Vorrang vor der Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG, diese ergänzt aber die übrigen Korrekturnormen, soweit deren Rechtswirkungen über die Rechtswirkungen der anderen Korrekturnormen hinausgehen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG). Im Ergebnis wird somit eine Meistbegünstigung zugunsten der Finanzverwaltung dahingehend normiert, dass grenzüberschreitend für alle Einkünftekorrekturnormen einheitlich der Fremdvergleichspreis gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zur Anwendung kommt, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG und der übrigen Korrekturnormen gleichermaßen erfüllt sind.4

18.81

II. Korrekturregeln 1. Verdeckte Gewinnausschüttung In- und ausländische Einkünfte, die Körperschaften erzielen und daher diesen auch zuzuordnen sind, ergeben das Einkommen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 2 Abs. 1 EStG). Die Verteilung dieses Einkommens führt zu keiner Minderung des Einkommens selbst (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG) mit der Folge, dass auch verdeckte Gewinnausschüttungen einkommensneutral sind (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).

18.82

Das der Körperschaftsteuer unterliegende Einkommen wird gem. § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und

18.83

1 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; vgl. Rz. 16.291. 2 „… unbeschadet anderer Vorschriften …“ (§ 1 Abs. 1 AStG); so die h.M., z.B. Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 76 ff.; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 13; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 31; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 258 teils im Sinne einer Idealkonkurrenz, teils im Sinne einer Subsidiarität; im Ergebnis ebenso BMF v. 14.5.2005, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Rz. 1.1.2.; BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 5.3.3; die bislang im Sinne einer Spezialität von § 1 AStG vertretene Gegenmeinung ist durch § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG überholt. 3 Ebenso Entnahmen und Einlagen. 4 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V 12; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 78; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (547).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

den ergänzenden Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes ermittelt. Da unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften1 nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen (§ 8 Abs. 2 KStG), müssen diese Gewinneinkünfte, soweit Buchführungspflicht besteht, durch einen Vermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1 Satz 1; 5 Abs. 1 EStG ermittelt werden. Entsprechendes gilt für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, soweit diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen.2 Dies bedeutet, dass auch die Vorschriften über Entnahmen und Einlagen anwendbar sind. Die Regelung über verdeckte Gewinnausschüttungen geht allerdings den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes über die Entnahmen vor3 und gilt überdies auch in den Fällen, in denen Körperschaften Überschusseinkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG erzielen.4 Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über Einlagen bleiben jedoch anwendbar,5 wobei die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage in § 8 Abs. 3 Satz 3–6 KStG konkret geregelt sind.

18.84 Bei verdeckten Gewinnausschüttungen handelt es sich um Vermögensvorteile, die eine Kapitalgesellschaft ihren unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zuwendet, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht zugewendet hätte.6 Oder anders: Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung),7 die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens (genauer: Unterschiedsbetrag gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG8) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen

1 Sowie Körperschaften i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KStG. 2 § 8 Abs. 2 KStG gilt nicht; zu Einzelheiten Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 39. 3 BFH v. 13.9.1967 – I 99/64, BStBl. II 1968, 20; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 68. 4 BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, IStR 1995, 330 (mit Anm. FW); BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 98; § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist daher nicht nur eine Gewinn-, sondern eine Einkünftekorrekturnorm. 5 BFH v. 28.2.1956 – I 92/54 U, BStBl. III 1956, 154; v. 30.4.1968 – I 161/65, BStBl. II 1968, 720; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 68. 6 So die alte Formel; z.B. BFH v. 24.9.1980 – I R 88/77, BStBl. II 1981, 108. 7 Nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs; BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – I 130/62 U, BStBl. III 1965, 598; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; zu weiteren Einzelheiten Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 100; zum Vorteilsausgleich Rz. 18.85. 8 BFH v. 5.6.2002 – I R 69/01, BStBl. II 2003, 329; hierzu Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 165; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 247.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Ausschüttung steht.1 Ob die Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) erlitten hat, lässt sich in Orientierung am Fremdvergleich erst nach einer vergleichenden Bewertung von Vor- und Nachteilen eines oder mehrerer Geschäfte feststellen, die zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter und/oder diesem nahe stehenden Personen abgewickelt worden sind. Soweit es sich um ein einheitliches Geschäft, etwa um einen gegenseitigen Vertrag handelt, ist ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen ohne weiteres geboten.2 Ist hiernach eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) nicht feststellbar, kommt es auf die weitere Frage der Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses nicht mehr an.3 Liegt dagegen ein vom Fremdvergleich abweichendes Verhalten vor, wird hierdurch die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis indiziert.4 Handelt es sich um mehrere Geschäfte, so ist ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen (Vorteilsausgleich) nur unter den folgenden Voraussetzungen möglich:5 – Der Ausgleich muss auch zwischen Fremden denkbar sein.6 – Die Geschäfte müssen in einem inneren Zusammenhang stehen.7 – Die Vor- und Nachteile müssen quantifizierbar sein.8

1 So die neue Formel seit 1989; vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475; v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633; v. 12.4.1989 – I R 142/85, I R 143/85, BStBl. II 1989, 636; v. 28.6.1989 – I R 89/85, BStBl. II 1989, 854; seitdem ständige Rechtsprechung. 2 BFH v. 16.11.1965 – I 302/61 S, BFHE 84, 268; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 115; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 261. 3 BFH v. 23.6.1981 – VIII R 102/80, BStBl. II 1982, 245; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 115 f.; Lang, FR 1984, 629 (630). 4 BFH v. 19.3.1997 – I R 75/96, BStBl. II 1997, 577; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG, Teil C, Rz. 10.2; Wassermeyer in FS Offerhaus, 405. 5 BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – IV 322/64 U, BStBl. III 1965, 589; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; zu weiteren Einzelheiten Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 432; Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 115. 6 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704. 7 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 13.12.1995 – X R 261/93, BStBl. II 1996, 180. 8 Daher stellen lediglich allgemeine Vorteile, die eine Konzernzugehörigkeit bietet, z.B. erhöhte Kreditwürdigkeit oder Überlassung des Konzernnamens, soweit dieser nicht zugleich Marke ist (BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140), als sog. Konzernrückhalt keine ausgleichsfähigen Vorteile dar; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 409.

1035

18.85

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

– Die Vorteilsverrechnung muss vereinbart gewesen sein1 oder zur Geschäftsgrundlage eines nachteiligen Geschäfts gehört haben.2

18.86 Verbleibt nach Maßgabe der vorbezeichneten Voraussetzungen ein Saldo zu Lasten oder zugunsten der Kapitalgesellschaft, so ist eine verdeckte Gewinnausschüttung oder ggf. eine verdeckte Einlage gegeben.3

18.87 Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist bei einem beherrschenden Gesellschafter auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein getroffenen Vereinbarung fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll.4 Damit wird auch diese Form der verdeckten Gewinnausschüttung als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst angesehen.5 Da die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) auf diesen formalen Aspekt indessen nicht abstellen,6 entfalten diese insoweit eine Schrankenwirkung ggü. der Einkünftekorrektur gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.7

18.88 Ob die Vermögensminderung oder die verhinderte Vermögensmehrung aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter oder bloß Nutzungen oder Leistun1 Mit einem beherrschenden Gesellschafter muss der Vorteilsausgleich stets im Voraus klar und eindeutig vereinbart worden sein; so BFH v. 21.7.1976 – I R 223/74, BStBl. II 1976, 734; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; seit BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 hat das Fehlen einer Vereinbarung lediglich Indizwirkung; vgl. BFH v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573; zu Einzelheiten Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 318 ff. 2 Ein Vorteilsausgleich im Konzern kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht; vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 263; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz. 91; zur Rechtslage auf Abkommensebene Rz. 16.313 f. 3 Eine Saldierung von verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen ist nicht zulässig; BFH v. 12.12.1990 – I R 73/89, BStBl. II 1991, 593. 4 Es handelt sich insoweit nur um Indizwirkungen; vgl. BFH v. 11.2.1997 – I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten von BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005. 5 BFH v. 29.7.1992 – I R 18/91, BStBl. II 1993, 139; v. 31.5.1995 – I R 64/94, BStBl. II 1996, 246; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. 6 Sie differenzieren nicht zwischen beherrschenden und übrigen Gesellschaftern, und sie unterstellen auch nicht, dass mangels einer klaren und von vornherein getroffenen Vereinbarung eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis anzunehmen sei; hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff. 7 Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 144; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 37; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 27; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 116 ff.; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 234; Ritter, BB 1983, 1677 (1683); Goutier in FS Felix, Köln 1989, 63 (72 ff.); Schaumburg in Schaumburg (Hrsg.) Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (6); Schnieder, IStR 1999, 65; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 128; Einzelheiten Rz. 16.293.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

gen betreffen, spielt für die Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung keine Rolle.1 Mit der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft muss zwar kein (zeitgleicher) Zufluss eines entsprechenden Vermögensvorteils beim (beherrschenden) Gesellschafter korrespondieren,2 sie müssen aber objektiv geeignet sein, beim Gesellschafter (irgendwann) einen Bezug gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auszulösen.3 Entscheidend ist, dass die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung keine betriebliche Veranlassung hat, sondern auf der Gesellschafterstellung eines oder mehrerer Gesellschafter beruht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) der Kapitalgesellschaft darauf abzielt, dem (beherrschenden) Gesellschafter oder einer ihm nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil „societatis causa“ zuzuwenden.4 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für verdeckte Gewinnausschüttungen über die Grenze. Mithin können auch (grenzüberschreitende) Vermögensverschiebungen zwischen Schwestergesellschaften zu einer verdeckten Gewinnausschüttung zugunsten der Muttergesellschaft führen. Bei einem derartigen Dreiecksverhältnis wird eine verdeckte Gewinnausschüttung der einen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und von dort eine verdeckte Einlage in die andere Schwestergesellschaft angenommen, soweit es sich um einlagefähige Wirtschaftsgüter handelt.5 Sind Gegenstand der verdeckten Gewinnausschüttung zwischen Schwestergesellschaften dagegen nicht aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter, etwa Nutzungen und Leistungen, so ist zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft gegeben, die Weitergabe des Nutzungs- oder Leistungsvorteils an die andere Schwestergesellschaft führt aber nicht zu einer verdeckten Einlage.6 Die Weiterleitung dieses Vorteils ohne Anschaffungskosten führt zu einem Vorteilsverbrauch, der im Ergebnis wie eine Betriebsausgabe zu behandeln ist mit der Folge, dass sich auf diese Weise Ertrag und Aufwand in gleicher Höhe gegenüberste1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633. 2 BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 3 BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; zur Vorteilsgeneigtheit Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 113. 4 BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 5 BFH v. 23.10.1968 – I 228/65, BStBl. II 1969, 243; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 11.6.1975 – II R 131/66, BStBl. II 1975, 831; v. 6.4.1977 – I R 183/75, BStBl. II 1977, 571; v. 18.7.1985 – IV R 135/82, BStBl. II 1985, 635; v. 23.10.1985 – I R 248/81, BStBl. II 1986, 178; v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; vgl. auch Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 131, Stichwort „Dreiecksverhältnisse“; Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in H/H/R, § 8 Rz. 315; Frotscher in Frotscher/Maas, Anh. zu § 8 KStG Rz. 302, Stichwort „Schwestergesellschaft; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG, Teil C Rz. 830. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508.

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18.89

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

hen,1 es bei der Muttergesellschaft grundsätzlich also zu einer steuerlich wertgleichen Kompensation kommt.

18.90 In den vorgenannten Dreiecksfällen ist zwar die auf der verdeckten Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft beruhende verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in die andere Schwestergesellschaft bei derselben steuerneutral (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG), das gilt aber nur dann, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft in die Muttergesellschaft bei der vorgenannten Schwestergesellschaft das Einkommen nicht mindert (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG). Ist dagegen das Einkommen der Schwestergesellschaft durch die verdeckte Gewinnausschüttung gemindert worden, führt das in § 8 Abs. 3 Sätze 4–6 KStG statuierte Korrespondenzprinzip dazu, dass die verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in die andere Schwestergesellschaft deren Einkommen erhöht (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG), so dass dann auch eine einlagebedingte Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung bei der Muttergesellschaft unterbleibt (§ 8 Abs. 3 Satz 6 KStG).2 Von der Reichweite des in § 8 Abs. 3 Sätze 4–6 KStG statuierten Korrespondenzprinzips3 werden nicht nur inländische Dreiecksverhältnisse unter Beteiligung von Körperschaftsteuersubjekten, sondern auch grenzüberschreitende Dreiecksverhältnisse mit Beteiligung von natürlichen Personen oder Personengesellschaften erfasst.4 Die Rechtsfolgen sind indessen insbesondere in den Fällen beschränkt, in denen die zu einer Einkommenserhöhung führende verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG) bei einer im Ausland ansässigen Schwestergesellschaft nicht der beschränkten deutschen Körperschaftsteuerpflicht (§§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1, 2 EStG) unterliegt oder aber abkommensrechtliche Schrankenwirkungen eingreifen.

18.91 Die Rechtsfolge der verdeckten Gewinnausschüttung5 besteht auf Gesellschaftsebene darin, dass diese das Einkommen nicht mindert (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Ist der von der Kapitalgesellschaft auf der ersten Gewinnermittlungsstufe6 ausgewiesene Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG infolge verdeckter Gewinnausschüttungen zu niedrig, erfolgt

1 Zu dieser „Ertrag/Aufwandslösung“ Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 131, Stichwort „Dreiecksverhältnisse“; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 159 ff. 2 Diese Rechtsfolge ist im Wege teleologischer Reduktion nur auf den Fall zu beschränken, in dem die verdeckte Einlage nicht steuerneutral erfolgt; hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 360. 3 Hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 340 ff.; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 123 ff. 4 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 341; Grotherr, RIW 2006, 898 (899 ff.); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322); zweifelnd Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 124c. 5 Hierzu ausführlich Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 200 ff. 6 Zu den Gewinnermittlungsstufen vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 247; Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 204.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerhalb der Steuerbilanz1 auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe2 eine Hinzurechnung,3 die Körperschaftsteuer auslöst, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wann die verdeckte Gewinnausschüttung dem Gesellschafter zufließt.4 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG erschöpft sich somit in der Funktion einer bloßen Einkünftekorrektur.5 Führt die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch Minderung des Eigenkapitals6 tatsächlich zu einem Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der Gesellschaft, so ist die Kapitalertragsteuer einzubehalten, die bei zum Privatvermögen gehörenden Anteilen zu einer Abgeltungsteuer führt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. mit §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 32d Abs. 1 EStG). Der Kapitalertragsteuerabzug hat hierbei im Grundsatz ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, ob beim Empfänger im Übrigen das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) oder eine Steuerbefreiung (§ 8b Abs. 1, 2 KStG) eingreift (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EStG).7

18.92

Als Rechtsfolge bewirkt die (zugeflossene) verdeckte Gewinnausschüttung bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG), sofern die Kapitalanteile Privatvermögen sind, oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sofern diese zu einem Betriebsvermögen gehören. Gehören sie zum Privatvermögen wird eine als Abgeltungsteuer wirkende Kapitalertragsteuer i.H. von 25 Prozent erhoben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. mit §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 32d EStG), wobei die Möglichkeit besteht, eine Veranlagung zum individuellen Steuersatz zu wählen, wenn eine solche tarifgünstiger ist. Gehören die Anteile zum Betriebsvermögen einer natürlichen Person, greift das Teileinkünfteverfahren ein, so dass 60 Prozent der Bezüge steuerpflichtig sind (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG). Fließt die verdeckte

18.93

1 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 12.10.1995 – I R 27/95, BStBl. II 2002, 367; v. 28.1.2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841; BMF v. 28.5.2002, BStBl. I 2002, 603. 2 Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 204; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 247; Wassermeyer, IStR 2001, 633 ff. 3 Die Bewertung erfolgt nach Fremdvergleichsgrundsätzen, was in der Regel zum Ansatz mit dem gemeinen Wert führt; BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. II 2005, 882; vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 383, 385, 715. 4 Vorteilsgeneigheit reicht aus; BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; zu Einzelheiten Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 113. 5 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 21.12.1994 – I R 65/94, HFR 1995, 445; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 28.5.2002, BStBl. I 2002, 603; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 395; Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 202. 6 BFH v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 29.4.1987 – I R 176/83, BStBl. II 1987, 733; v. 31.10.1990 – I R 47/88, BStBl. II 1991, 255. 7 Vom BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543 im Ergebnis nicht beanstandet.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Gewinnausschüttung einer Körperschaft zu, greift im Grundsatz die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG ein, wobei 5 Prozent als nicht abziehbare Betriebsausgaben gelten (§ 8b Abs. 5 KStG). Ist der Gesellschafter beschränkt steuerpflichtig, gehören (zugeflossene) verdeckte Gewinnausschüttungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit die Anteile nicht einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind.1

18.94 Die verdeckte Gewinnausschüttung unterliegt als Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) oder der Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 1, 5 KStG) nur, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG; § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Das gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen. Die Suspendierung der (partiellen) Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG greift schließlich in den vorgenannten Fällen auch dann ein, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung seitens einer ausländischen Kapitalgesellschaft erfolgt und diese abkommensrechtlich auf Grund des internationalen Schachtelprivilegs freizustellen ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG).2 2. Verdeckte Einlage

18.95 Das Einkommen von Kapitalgesellschaften ermittelt sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Zu diesen Vorschriften zählen die §§ 4 Abs. 1 Satz 1; 5 EStG, die für Zwecke des Vermögensvergleichs den Abzug von Einlagen gebieten. Dementsprechend ordnet § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG an, dass verdeckte Einlagen das Einkommen der Körperschaft grundsätzlich nicht erhöhen. Eine verdeckte Einlage liegt dann vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person seiner Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen Vermögensgegenstände zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.3 Ob die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, beurteilt sich auf Grund des Fremdvergleichs, also danach, ob ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht gewährt hätte.4

1 §§ 2 Abs. 1; 49 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5a; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5a; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; Kapitalertragsteuerpflicht gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG mit Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG; § 32 Abs. 1 NR. 2 KStG). 2 Kritisch zu diesem treaty overriding Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. J 06/3. 3 BFH v. 19.2.1970 – I R 24/67, BStBl. II 1970, 442; v. 9.3.1983 – I R 182/78, BStBl. II 1983, 744; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; zu Einzelheiten Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 332 ff.; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 105. 4 BFH v. 21.9.1989 – IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86; v. 15.10.1997 – I R 80/96, BFH/ NV 1998, 624; Weber-Grellet, DB 1998, 1532 ff.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Als Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehren, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens.1 Dagegen führt die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder von Kapital zur Nutzung ohne Entgelt oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zu keiner unmittelbaren Vermögensmehrung.2 Die Vermögensmehrung ist nämlich nicht die Nutzungsüberlassung selbst, sondern allenfalls die Folge der Nutzung, wenn also die Kapitalgesellschaft durch Nutzung der überlassenen Wirtschaftsgüter oder des überlassenen Kapitals Erträge erzielt.3 Nutzungsüberlassungen, und zwar auch solche über die Grenze, können damit nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein.4 Daher sind nur aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter einlagefähig.5 Zu diesen aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern gehören im Grundsatz auch immaterielle Wirtschaftsgüter, die im Betrieb selbst geschaffen worden sind. Das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 1 und 2 EStG, § 248 Abs. 2 HGB wird hier durch den steuerlichen Trennungsgrundsatz, wonach der Gesellschaftsbereich von dem Gesellschafterbereich steuerlich abzugrenzen ist, verdrängt.6

18.96

Obwohl Nutzungsrechte7 als selbständige Wirtschaftsgüter angesehen werden8 und damit grundsätzlich für eine Einlage i.S. von § 4 Abs. 1

18.97

1 BFH v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 2 BFH v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312; v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240; vgl. auch den Wortlaut in § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG, wo im Klammerzusatz im Unterschied zum Klammerzusatz in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG der Hinweis auf Nutzungen fehlt. 3 Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 177. 4 So die ständige Rspr.: BFH v. 8.11.1960 – I 131/59 S, BStBl. III 1960, 513; v. 9.3.1962 – I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 16.11.1977 – I R 83/75, BStBl. II 1978, 386; v. 22.1.1980 – VIII R 74/77, BStBl. II 1980, 244; v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; v. 22.11.1983 – VIII R 37/79, BFHE 140, 63; v. 22.11.1983 – VIII R 133/82, BFHE 140, 69; v. 24.5.1984 – I R 166/78, BStBl. II 1984, 747; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 20.9.1990 – IV R 300/84, BStBl. II 1991, 82; v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312; v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240. 5 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 6 BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 24.3.1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 105a. 7 Zu dinglichen und obligatorischen Nutzungsrechten, die eine gesicherte Rechtsposition gewähren, im Einzelnen Weber-Grellet in Schmidt29, § 5 EStG Rz. 176. 8 BFH v. 29.4.1965 – IV 403/62 U, BStBl. III 1965, 414; v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382; v. 28.8.1974 – I R 66/72, BStBl. II 1975, 56; v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508.

1041

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Satz 1 und 5 EStG geeignet sind,1 wird die Möglichkeit einer verdeckten Einlage derartiger Nutzungsrechte aus dem Privatvermögen zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) deshalb verneint, weil anderenfalls eine Besteuerungslücke entstände: Während die Kapitalgesellschaft das Nutzungsrecht erfolgswirksam abschreiben könnte, würde der einlegende (private) Gesellschafter mangels einer Gegenleistung der Kapitalgesellschaft keine Einkünfte erzielen.2

18.98 Die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage bestehen auf Gesellschaftsebene darin, dass die durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens oder durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens eingetretene Vermögensmehrung bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung3 auf der zweiten Stufe außerbilanziell wieder abgezogen wird (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG).4 Stattdessen wird einlagebedingt das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG) erhöht.5 Diese steuerliche Behandlung gilt auch für grenzüberschreitende verdeckte Einlagen in eine inländische Kapitalgesellschaft.

18.99 Die außerbilanzielle Hinzurechnung der verdeckten Einlage auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe führt im Ergebnis bei der empfangenen Kapitalgesellschaft zu einer Steuerneutralität. Dies gilt allerdings nicht, soweit die verdeckte Einlage beim leistenden Gesellschafter zu einer Minderung dessen Einkommens6 geführt hat (§ 8 Abs. 3 Satz 4 KStG). Mit dieser materiellen Korrespondenz sind insbesondere Fälle angesprochen, in denen die verdeckte Einlage auf Gesellschafterebene zum Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug geführt hat.7 Worauf dieser Umstand beruht, spielt keine Rolle.8 Das vorstehende Korrespondenzprinzip gilt auch grenzüberschreitend,9 wodurch allerdings insbesondere mit dem Abkommensrecht nicht zu vereinbarende kompensatorische

1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 181. 2 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. 3 Zur zweistufigen Gewinnermittlung BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; BMF v. 28.5.2002, BStBl. I 2002, 603 Rz. 2 f.; Wassermeyer, IStR 2002, 633 (634); Wassermeyer, GmbHR 2002, 1 ff. 4 Bewertung der verdeckten Einlage zum Teilwert; vgl. hierzu Balmes in H/H/R, § 8 KStG Rz. 22; Wochinger in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 65. 5 Heger in Gosch2, KStG, § 27 Rz. 12; Dötsch in D/J/P/W, § 27 KStG Rz. 35. 6 Der Minderung des Einkommens steht die verhinderte Vermögensmehrung gleich (BR-Drucks. 622/06, 119; BT-Drucks. 16/2712, 70); ebenso Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 153; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 186; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14); a.A. Watermeyer in H/H/R, § 8 Rz. 341; Roser in Gosch2, KStG, § 8 Rz. 124; Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 ff.; Dörfler/ Heurung/Adrian, DStR 2007, 515 (518); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1321). 7 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 341; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 123. 8 Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322). 9 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345; Grotherr, RIW 2006, 898 (902).

1042

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Steuereffekte sowie Doppelbesteuerungen ausgelöst werden können.1 Diese Verwerfungen beruhen im Wesentlichen darauf, dass auf die Bemessungsgrundlage deutschen Rechts abgestellt, das Trennungsprinzip durchbrochen und Abkommensrecht unterlaufen wird.2 Das in § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG verankerte Korrespondenzprinzip gilt zwischen verschiedenen Steuersubjekten (intersubjektive Korrespondenz). Damit ist ein Verstoß gegen das sowohl dem EStG als auch dem KStG zugrunde liegende Prinzip der Individualbesteuerung gegeben. Es handelt sich hierbei um ein verfassungsfestes Subprinzip3 des auch für die Körperschaftsteuer geltenden Leistungsfähigkeitsprinzips,4 dessen Durchbrechung nur dann legitmiert ist, wenn hierfür sachgerechte Gründe vorliegen.5 Derartige Gründe sind jedenfalls im grenzüberschreitenden Kontext, wenn also die einbezogenen Körperschaftsteuersubjekte unterschiedlichen nationalen Körperschaftsteuersystemen unterliegen, nicht erkennbar. Diese grenzüberschreitende intersubjektive Korrespondenz ist nämlich insbesondere in Abkommensfällen darauf gerichtet, eine an sich gebotene Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung (Rz. 12.8, 16.522) zu unterlaufen und etwaige Qualifikationskonflikte (Rz. 16.82 f.) im einseitigen Fiskalinteresse zu lösen. Schließlich ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die vorbezeichnete Korrespondenz nur für verdeckte, nicht aber für offene Einlagen gilt.

18.100

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird die Korrespondenz durch § 32a Abs. 2 KStG sichergestellt, wonach eine auf Ebene des Gesellschafters hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage geänderte Steuerfestsetzung zu einer Folgeänderung des gegen die Kapitalgesellschaft ergangenen Körperschaftsteuerbescheides führt. Das gilt auch bei der Änderung ausländischer Steuerfestsetzungen auslandsansässiger Gesellschafter.6 Das in § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG verankerte materielle Korrespondenzprinzip hat indessen eine beschränkte Reichweite, weil es nur die Einkommensermittlung der Körperschaft betrifft und die Qualifikation der Vermögenszuführung als verdeckte Einlage unberührt lässt. Hieraus folgt, dass eine verdeckte Einlage, auch wenn sie wegen § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG einkommenerhöhend wirkt, im Rahmen des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG) als Zugang zu berücksichtigen ist.7

18.101

1 Hierzu Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1649); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (377 ff.); Kempf, StbJb 2008/2009, 147 (150 ff.) jeweils mit Praxisfällen. 2 Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (378). 3 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 14. 4 Zugmaier in H/H/R, § 2 EStG Rz. 63; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 1169 ff.; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 15. 5 Lang in Tipke/Lang20, § 9 Rz. 24; vgl. auch Tipke, StuW 1980, 1 (8). 6 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345. 7 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 158; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14); a.A. Neumann, GmbH-StB 2007, 112 (115).

1043

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.102 § 8 Abs. 3 Sätze 5 und 6 KStG enthält eine für Dreiecksgestaltungen wesentliche Sonderregelung: Gewährt eine Schwestergesellschaft der anderen Schwestergesellschaft einen Vermögensvorteil, wird hierdurch insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft und von dort eine verdeckte Einlage in die andere Schwestergesellschaft ausgelöst.1 § 8 Abs. 3 Satz 5 KStG regelt im Wege der Rechtsfolgenverweisung (auf § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG), dass bei der anderen Schwestergesellschaft die erhaltene verdeckte Einlage entgegen § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG deren Einkommen erhöht, sofern die verdeckte Gewinnausschüttung seitens der einen Schwestergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft bei der Schwestergesellschaft zu einer Einkommensminderung geführt hat. Oder anders: Die Steuerneutralität der verdeckten Einlage bei der empfangenden Schwestergesellschaft bleibt gewahrt, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung der abgebenden Schwestergesellschaft dort das Einkommen nicht gemindert hat. Für den Fall, dass die verdeckte Einlage bei der empfangenden Schwestergesellschaft wegen der einkommensmindernden verdeckten Gewinnausschüttung der abgebenden Schwestergesellschaft zu einer Einkommenserhöhung führt (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG), schreibt § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG vor, dass auf Ebene der gemeinsamen Muttergesellschaft die verdeckte Einlage zu keiner Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung an der empfangenen Tochtergesellschaft führen darf.2 Die vorstehenden Regelungen gelten auch für grenzüberschreitende Dreiecksgestaltungen, was auch insoweit zu erheblichen steuerlichen Verwerfungen führt.3

18.103 Auf Gesellschafterebene führt die verdeckte Einlage als Rechtsfolge zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die Anteile zu einem Betriebsvermögen gehören oder Beteiligungen i.S. von §§ 17; 20 Abs. 2 EStG darstellen.4 Der Gesellschafter kann daher die verdeckten Einlagen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen.5 Die gewinnerhöhende Aktivierung als nachträgliche Anschaffungskosten hat abgesehen von der in § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG getroffenen Regelung allerdings im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu unterbleiben, wenn der Wert 1 BFH v. 28.1.1992 – VIII R 207/85, BStBl. II 1992, 605. 2 Zu der insoweit gebotenen teleologischen Reduktion Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 360; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 126a. 3 Hierzu Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (379). 4 BFH v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; v. 24.5.1984 – I R 166/78, BStBl. II 1984, 747; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; v. 26.11.1993 – VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242; v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307; v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652; v. 16.5.2001 – I B 143/00, BStBl. II 2002, 436; v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl. II 2005, 522; Gosch in Kirchhof9, § 17 EStG Rz. 93; Weber-Grellet in Schmidt29, § 17 EStG Rz. 164; § 5 Rz. 639. 5 BFH v. 15.9.1961 – VI 224/61 U, BStBl. III 1961, 547.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

der Beteiligung durch die verdeckte Einlage nicht erhöht wird.1 Die nachträglichen Anschaffungskosten sind gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG mit dem Teilwert und bei zum Privatvermögen gehörenden Anteilen mit dem gemeinen Wert anzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, dass auf Gesellschaftsebene der Teilwert maßgeblich ist.2 Diese steuerliche Behandlung gilt auch für grenzüberschreitende verdeckte Einlagen in eine ausländische Tochtergesellschaft.3 3. Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) Bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen, insbesondere verbundenen Kapitalgesellschaften, sieht § 1 AStG eine Einkünfteberichtigung vor, sofern die Einkünfte dadurch gemindert werden, dass Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise) zugrunde gelegt worden sind, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz). In diesem Fall sind die Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Damit normiert § 1 AStG eine Abweichung von der Regel, dass Einkünftetatbestände4 nur durch ein tatsächliches oder rechtliches, nicht aber durch ein vorgestelltes Geschehen verwirklicht werden können.5 § 1 AStG fingiert also Einkünfte,6 so dass im Ergebnis Soll-Einkommen der Besteuerung zugeführt wird.7 Diese Fiktion ist darauf gerichtet, Einkünfteverlagerungen in das Ausland zu verhindern.8

1 BFH v. 6.3.2003 – XI R 52/01, BStBl. II 2003, 658; Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 803; zu den Besonderheiten bei nachträglichen Anschaffungskosten aus kapitalersetzenden Darlehen und Bürgschaften im Unterschied zu § 17 EStG, BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733; v. 20.4.2005 – X R 2/03, BStBl. II 2005, 694. 2 BFH v. 15.10.1997 – I R 58/93, BStBl. II 1998, 305; Gosch in Kirchhof9, § 17 EStG Rz. 93. 3 Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 235; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 244. 4 § 38 AO; § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V. mit §§ 2 Abs. 1 Satz 3; 13 bis 24 EStG. 5 BFH v. 8.11.1960 – I 131/59 S, BStBl. III 1969, 513; v. 9.3.1962 – I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; zum Prinzip der Ist-Einkommensbesteuerung als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 631 ff. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; aus dem umfangreichen (älteren) Schrifttum nur beispielhaft Salditt, StuW 1971, 107 ff. 7 Zur Besteuerung von Soll-Einkommen im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Tipke, 125 (139 ff.). 8 Zur Entstehungsgeschichte des § 1 AStG im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 16 ff.

1045

18.104

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.105

§ 1 AStG ist einseitig fiskalisch motiviert, weil er lediglich eine einkünfteerhöhende Berichtigung vorsieht. Diese Berichtigung greift im Wesentlichen bei Nutzungsüberlassungen – z.B. durch Hingabe zinsloser oder zinsverbilligter Darlehen – inländischer Muttergesellschaften an ausländische Tochtergesellschaften ein. Gewährt dagegen etwa eine ausländische Muttergesellschaft einer inländischen Tochtergesellschaft Nutzungsvorteile, ist eine einkünftemindernde Berichtigung nach deutschem Steuerrecht nicht vorgesehen.1 Im Hinblick darauf leistet § 1 AStG keinen wirksamen Beitrag zur Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht.2 Wegen dieser Einseitigkeit ist § 1 AStG mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (Rz. 4.7 ff.) unvereinbar. Darüber hinaus verstößt § 1 AStG auch gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 49 ff., 63 ff. AEUV), weil die europarechtlich an sich zulässige3 Einkünftekorrektur über das hinausgeht, was zur Erreichung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungshoheiten und zur Verminderung von Steuerumgehungen in einer Gesamtbetrachtung erforderlich ist.4

18.106 Maßstab für die Einkünfteberichtigung sind Bedingungen für Geschäftsbeziehungen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).5 Dies entspricht dem international allgemein anerkannten dealing at arm’s length-Prinzip. Andere Hochsteuerländer haben dem § 1 AStG vergleichbare Korrekturvorschriften.6 Trotz internationaler Akzeptanz des dealing at arm’s length-Prinzips ergeben sich in der Besteuerungspraxis der einzelnen Staaten dennoch so erhebliche Abweichungen bei der Einkünfteberichtigung, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen eine Doppelbesteuerung nicht selten unvermeidbar ist.7

18.107 Dass es zu erheblichen Abweichungen bei der Einkünfteberichtigung mit der Folge einer Doppelbesteuerung kommt, beruht u.a. auch darauf, dass für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG davon auszugehen ist, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Diese Transparenzklausel, gilt für den tatsächlichen und hypothe-

1 Insofern ist das System der Einkünftekorrekturnormen im deutschen Steuerrecht unvollständig. 2 Hierzu Vogel in V/L5, Einl. Rz. 24 f.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120. 3 EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144 zu einer dem § 1 Abs. 1 AStG vergleichbaren belgischen Vorschrift. 4 Hierzu Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (472 ff.); Englisch, IStR 2010, 139 (141 f.). 5 Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich; obwohl die Formulierung „… hätten“ nur auf einen hypothetischen Fremdvergleich hindeutet; hierzu Kaminski, RIW 2007, 594 (594). 6 Vgl. nur den Überblick bei Ernst & Young, Transfer Pricing, 2001 Global Survey sowie im International Tax Review 2008, Nr. 48. 7 Vgl. zur Schiedsverfahrenskonvention der EU und zu abkommensrechtlichen Schiedsverfahren Rz. 16.114 ff.

1046

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

tischen Fremdvergleich gleichermaßen1 und ist nicht auf den Anwendungsbereich des § 1 AStG beschränkt. § 1 AStG ergänzt nämlich die übrigen Korrekturnormen, soweit deren Rechtswirkungen über die Rechtswirkungen der anderen Korrekturnormen hinausgehen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG; Rz. 18.81). Der Geschäftsverkehr zwischen fremden Dritten zeichnet sich allerdings in der Praxis regelmäßig nicht durch Transparenz aus.2 Eine vollständige Information und Markttransparenz gibt es in der Realität nicht.3 In den Fällen jedenfalls des tatsächlichen Fremdvergleichs ist daher die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG verankerte Transparenzklausel nicht sachgerecht. Sie verstößt auch gegen die abkommensrechtlichen Gewinnberichtigungsvorschriften, da Art. 9 OECD-MA das Gebot der Transparenz der Geschäftsbeziehungen nicht vorsieht.4 Insoweit handelt es sich um ein treaty overriding (Rz. 3.25 f.), das allerdings in § 1 Abs. 1 AStG nicht hinreichend zum Ausdruck kommt (Rz. 3.25 f.), so dass § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG in Abkommensfällen ohne Wirkung bleibt.5 Entsprechendes gilt auch bei Anwendung der Schiedskonvention.6 Schließlich verstößt die vorgenannte Transparenzklausel auch gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, weil die hiermit verbundene weitergehende Einkünfteberichtigung nur grenzüberschreitend, nicht aber im Inland zur Anwendung kommt. Im Übrigen sind ohnehin Doppelbesteuerungen vorprogrammiert, weil die betreffenden ausländischen Staaten eine derartige Transparenzklausel nicht kennen.

18.108

Zu den Steuerpflichtigen, deren Einkünfte berichtigt werden können, zählen nur Steuersubjekte, also unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige7 Personen.8 Mitunternehmer sind daher mit ihren Gewinnanteilen einschließlich Sondervergütungen aus einer Personengesellschaft ebenfalls in den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AStG einbezogen.9 Da die Gewinnanteile der Mitunternehmer sich aus dem Gewinn der Personengesellschaft ergeben, findet § 1 AStG jeweils bezogen auf einzelne Mitunternehmer im Ergebnis auch auf Personengesellschaften Anwendung.10

18.109

1 Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 152; für eine restriktive Auslegung im Sinne einer Anwendbarkeit nur auf den hypothetischen Fremdvergleich Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V10; Frischmuth, IStR 2007, 485 (486); Frischmuth in FS Schaumburg, 647 (656 ff.). 2 Vgl. Frischmuth in FS Schaumburg, 647 (656 ff.). 3 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V 8; Piltz, JbFSt 2007/2008, 99 (149 ff.). 4 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V 9; Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Piltz, JbFSt 2007/2008, 99 ff. 5 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V 9. 6 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V 9. 7 Gewerbesteuerpflicht reicht nicht aus; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 55. 8 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 219. 9 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321. 10 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 218; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 58.

1047

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.110 Die Berichtigung betrifft lediglich Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen, also schuldrechtliche Beziehungen, die keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen sind1 und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde (§ 1 Abs. 5 AStG).2 Die Geschäftsbeziehungen müssen zum Ausland unterhalten werden,3 so dass Geschäftsbeziehungen im Ausland und zum Inland nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AStG fallen.4

18.111 Die Geschäftsbeziehungen müssen schließlich zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahe stehenden Person bestehen, die nicht notwendigerweise Steuersubjektseigenschaft haben muss.5 Beziehungen, durch die das Nahestehen einer Person zum Steuerpflichtigen erst begründet wird – etwa durch Beteiligung gem. § 1 Abs. 2 AStG –, werden nicht erfasst.6

18.112 Da zu den nahe stehenden Personen nur natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften zählen, wird der innerbetriebliche Geschäftsverkehr zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht erfasst.7

18.113 Eine Person im vorgenannten Sinne ist dann nahe stehend, wenn zwischen ihr und dem unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen ein Beherrschungsverhältnis (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG), eine Einflussmöglichkeit außerhalb der Geschäftsbeziehungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG) oder eine Interessenidentität (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG) besteht.8 Zu den ein Beherrschungsverhältnis ausfüllenden Beherrschungsmitteln zählt § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG die unmittelbare oder mittelbare gesellschaftsrechtliche Verflechtung – also Muttergesellschaften, Tochtergesellschaften und Schwestergesellschaften – durch eine unmittelbare wesentliche Be-

1 Rechtslage ab 2003 als Reaktion auf das sog. Patronatsurteil (BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; Nichtanwendungserlass BMF v. 17.10.2002, BStBl. I 2002, 1025). 2 Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 911 ff. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 231 ff. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; zu den hierdurch entstehenden „Korrekturlücken“ Ege in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 15 (25 ff.). 5 Nahe stehende Person kann also auch eine Personengesellschaft sein; hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 249, 826; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 83. 6 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 224, 892. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 223.3; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 83; Strunk/Kaminski, DB 2008, 2501 ff. 8 Die Anknüpfungspunkte sind abschließend.

1048

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

teiligung1 oder durch einen unmittelbaren oder mittelbaren beherrschenden Einfluss. Als wesentliche Beteiligungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 AStG) kommen nur gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in Betracht, die ein Vermögensrecht vermitteln.2 Als beteiligungsbezogenes Beherrschungsmittel scheiden daher auf obligatorischer Basis bestehende (typisch) stille Beteiligungen, Genussrechte, (eigenkaptialersetzende) Gesellschafterdarlehen sowie Wandlungs- und Optionsrechte aus.3

18.114

Das für das Beherrschungsverhältnis ebenfalls maßgebliche Kriterium des beherrschenden Einflusses (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 AStG) kann nur auf gesellschaftsrechtlicher Basis – etwa bei mit Mehrstimmrechten ausgestatteten nicht wesentlichen Beteiligungen oder auf Stimmrechten ohne vermögensmässige Beteiligung – sowie auf Unternehmensverträgen (§§ 291 f. AktG) beruhen.4 Der für die vorgenannte und für die übrigen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG genannten Fallgruppen maßgebliche beherrschende Einfluss bezieht sich auf die Vereinbarung von Geschäftsbeziehungen und meint ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis, das etwa bei mehr als 50 Prozent der Stimmrechte bei nicht wesentlicher Beteiligung an der Gesellschaft gegeben ist.5 § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG erweitert das Nahestehen von Personen über die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG genannten Fälle der vertikalen Verflechtung auf Fallgruppen aus, in denen Dritte auf den Steuerpflichtigen und die andere Person Einfluss hat (horizontale Verflechtung).6 Damit werden im Ergebnis vor allem grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften einbezogen.7 Eine Einflussmöglichkeit außerhalb der konkreten („dieser“) Geschäftsbeziehung ist nur dann gegeben, wenn sie sich auf das konkrete Geschäft auswirken kann.8 Die Art des Einflusses ist ohne Bedeutung, sie kann rechtlicher, finanzieller, persönlicher, geschäftlicher oder verwandtschaftlicher Natur sein.9 Voraussetzung ist allerdings, dass die Einflussmöglichkeit der Sphäre des Steuerpflichtigen oder der Person zugerechnet werden kann. Daher sind bloß marktbedingte Machtstellungen, etwa auf

18.115

1 Mindestens 25 Prozent – eigene Anteile bleiben außer Betracht; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 835; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 627. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 834; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 88. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 834; z.T. a.A. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze 1983), Rz. 1.3.2.2. 4 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 840; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 97, 99; eine bloß faktische Einflussnahme reicht nicht; a.A. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze 1983), Rz. 1.3.2.4. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 841; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 100. 6 Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 103. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 848; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 103; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 653. 8 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 854. 9 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 854.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Grund eines Monopols oder Oligopols unbeachtlich.1 Soweit in § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG auf die Interessenidentität abgestellt wird, muss sich diese auf die zur Berichtigung anstehenden Einkünfte beziehen.2 Dieses Interesse kann sowohl wirtschaftlicher als auch persönlicher Art sein.3

18.116 § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG begründet schließlich ein Nahestehen, wenn die Person oder der Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.

18.117 Über Art und Inhalt der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen hat der Steuerpflichtige gem. § 90 Abs. 3 AO Aufzeichnungen zu erstellen. Diese Dokumentationspflicht umfasst zum einen eine Sachverhaltsdokumentation, die den Konzernaufbau und die relevanten geschäftlichen Vorgänge sowie die betreffenden Verträge betrifft, und zum anderen eine Angemessenheitsdokumentation, die sich auf einen transaktionsbezogenen Fremdvergleich bezieht. Der Umfang dieser Dokumentationspflicht wird durch die GAufzV konkretisiert (Rz. 19.24 ff.).

18.118 Die Einkünftekorrektur setzt voraus, dass die dem dealing at arm’s length-Prinzip nicht entsprechenden Bedingungen zu einer Minderung der Einkünfte führen. Dies lässt sich erst nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs4 feststellen. Der Vorteilsausgleich betrifft nur den Ausgleich von Vor- und Nachteilen verschiedener Rechtsgeschäfte. Vorund Nachteile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sind dagegen ohne weiteres ausgleichsfähig.5

18.119 Während im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen ein Vorteilsausgleich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist (Rz. 18.85), ergeben sich derartige Zulässigkeitsschranken weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1 AStG. Der Wortlaut dieser Vorschrift verlangt nicht, dass die Vorteilsverrechnung vereinbart sein muss oder zur Geschäftsgrundlage des 1 So die im Hinblick auf die misslungene Regelung gebotene einschränkende Auslegung; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 854; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 111; Boller in W/S/G, § 1 AStG Rz. 37. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 856; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 245. 3 BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 856; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 114. 4 Das ist der Ausgleich zwischen den Ergebnissen aus vorteilhaften und nachteiligen Geschäften. 5 Sog. Palettenbetrachtung: Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 805; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 164 ff.; Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 436; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

nachteiligen Geschäfts gehört. Eine derartige innere Verknüpfung zwischen den Geschäftsbeziehungen ist auch nicht aufgrund des Sinn und Zwecks des § 1 AStG geboten. Denn während Vor- und Nachteilszuwendungen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen durch verdeckte Gewinnausschüttungen einerseits und verdeckte Einlagen andererseits kompensatorische Wirkungen erzeugen können,1 ist die Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG lediglich einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgerichtet (Rz. 18.104 f.). Es entspricht daher dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Rz. 4.7 ff.), Vor- und Nachteile von grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen für Zwecke der Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG schon dann auszugleichen, wenn dies auch zwischen fremden Dritten möglich wäre, wofür bereits ein (weiter) Veranlassungszusammenhang ausreicht, ohne dass hierfür zuvor getroffene Vereinbarungen erforderlich sind. Im Unterschied zu dem insbesondere im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung geltenden Vorteilsausgleich, gilt somit im Rahmen des § 1 AStG2 ein erweiterter Vorteilsausgleich.3 Im Hinblick darauf hängt der Vorteilsausgleich nach § 1 AStG auch nicht davon ab,4 ob – über den Vorteilsausgleich im Voraus klare und eindeutige Vereinbarungen getroffen wurden,5 – zwischen den einzelnen Geschäften der Art nach ein unmittelbarer (innerer) Zusammenhang (z.B. Geschäftsgrundlage) besteht,6 1 Etwa bei Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften im Dreiecksverhältnis; hierzu Rz. 18.89 f. 2 Ebenso wie für die bilaterale Gewinnkorrekturklausel; hierzu Rz. 16.314. 3 So Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 100 ff.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 738, 749; Kreile, BB 1972, 929 (930); Debatin, DStZ A 1972, 265 (268 f.); Hellwig, DStZ A 1973, 13 (17 f.); Woerner, BB 1983, 845 (847); Schaumburg in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (9 f.); ähnlich auch OECD-RL 1995/96 (vgl. hierzu Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 433); einschränken ebenfalls Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 153; a.A. z.B. Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 797; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 122; Schöne, FR 1989, 543 (546 f.); BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze), Rz. 2.3.1. 4 Entgegen BMF v. 23.2.1983, BStBl. II 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze) Rz. 2.3.2 und anders als bei verdeckter Gewinnausschüttung; hierzu Rz. 18.85. 5 Bei verbundenen Unternehmen außerhalb eines Beherrschungsverhältnisses und für Leistungen zwischen Schwestergesellschaften sowie für langfristige und gleich bleibende Geschäftsbeziehungen kann dieses strenge Formerfordernis in der Praxis ohnehin nicht erfüllt werden; diese verlangen auch nicht die OECD-RL 1995/96 (vgl. Baumhoff in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 433); a.A. zu verdeckten Gewinnausschüttungen BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649. 6 Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 103; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 149 f.; DIHT, Internationale Verrechnungspreise – DIHT-Planspiel, 11 f.

1051

18.120

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

– ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den vor- und nachteiligen Geschäften besteht1 und – ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei Abschluss der Geschäfte die Unausgewogenheit der Geschäfte in seine Vorstellung aufgenommen hatte.2

18.121 Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG ist ein Vorteilsausgleich lediglich bei gegenseitigen Geschäftsbeziehungen möglich mit der Folge, dass am Vorteilsausgleich nur Steuersubjekte beteiligt sein können, die auch Vertragspartner sind. Damit ist ein Vorteilsausgleich im Konzern nicht ohne weiteres möglich.3 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vorteilsausgleich im Drittinteresse erfolgt, wenn ein Nachteil von einem verbundenen Unternehmen in Kauf genommen wird, um von einem anderen verbundenen Unternehmen einen Vorteil zu empfangen. In derartigen Fällen ist die Gegenseitigkeit hergestellt.4

18.122 Die Rechtsfolge der Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG besteht darin, dass der Berichtigungsbetrag, der ggf. gem § 1 Abs. 4 AStG zu schätzen ist, den betreffenden Einkünften des Steuerpflichtigen hinzuzurechnen ist.5

18.123 Weiter reichen die Rechtsfolgen des § 1 AStG nicht. Daher ist bei bilanzierungspflichtigen Steuerpflichtigen weder der Ansatz eines Wirtschaftsgutes, etwa einer fiktiven Zinsforderung bei unentgeltlicher Darlehensüberlassung, noch eine Hinzuaktivierung auf dem Beteiligungskonto, etwa bei einer Vorteilszuwendung an eine ausländische Tochtergesellschaft geboten.6 Die Einkünfteberichtigung erfolgt somit im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung7 außerhalb der Steuerbilanz.8 1 Ein Ausgleichszeitraum von 8 und mehr Jahren werden für angemessen erachtet z.B. vom DIHT, Internationale Verrechnungspreise – DIHT-Planspiel, 12; für 5 Jahre plädiert Kreile, BB 1972, 929 (930); dagegen den Ausgleich auf die 3 folgenden Wirtschaftsjahre begrenzend BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 (Verwaltungsgrundsätze), Rz. 2.3.3. 2 Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 104. 3 Einen Vorteilsausgleich generell nur bei Gegenseitigkeit zulassend: BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18, v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961 (bei verdeckter Gewinnausschüttung); für das Abkommensrecht ebenso OECD-RL 1995, Rz. 1.60; dagegen einen Vorteilsausgleich im Konzern stets bejahend: Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 798; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 105; BStBK, DStR 1981, Beihefter zu Heft 24, zu Rz. 3.2.1.; Schröder, StBp. 1981, 6 (14); Katterbe, DB 1983, 365 (366 f.); Schöne, FR 1989, 543 (546 f.). 4 Ähnlich Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 263; zum Vorteilsausgleich in Abkommensfällen Rz. 16.313 ff. 5 In Betracht kommt eine Hinzurechnung insbesondere bei Gewinneinkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG; so BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 5.12.1990 – I R 94/88, BStBl. II 1991, 287. 6 So BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. 7 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 809. 8 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 5.3.3 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren); zur verdeckten Gewinnaus-

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Wird der zu einer Einkünftekorrektur führende Vermögensvorteil innerhalb eines Konzerns gewährt, etwa von einer inländischen Muttergesellschaft an eine ausländische Tochtergesellschaft, erfolgt eine Werterhöhung der Beteiligung. Ohne Ansatz eines vermögensmässigen Korrekturpostens innerhalb oder außerhalb der Steuerbilanz käme es im Falle einer späteren Veräußerung der Beteiligung oder bei Liquidation der ausländischen Tochtergesellschaft oder aber bei einem Vermögensverfall bei derselben zu einer Doppelerfassung im Inland, so dass ein und dieselbe Zuwendung doppelt versteuert würde: Einmal über die Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG und ein zweites Mal über den Veräußerungs-/Liquidationsgewinn. Um eine derartige zeitverschobene Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) geboten,1 die die Finanzverwaltung2 wie folgt vorgesehen hat: In Höhe des Berichtigungsbetrages ist außerhalb der Steuerbilanz ein Zuschlag vorzunehmen, der im Falle der nachträglichen Ausgleichszahlung oder der Veräußerung/Liquidation der ausländischen Gesellschaft mit der Ausgleichszahlung oder dem Veräußerungs-/Liquidationserlös zu verrechnen ist. Bei einem Vermögensverfall der ausländischen Gesellschaft ist eine erfolgswirksame Teilwertabschreibung auf den außerbilanziellen Korrekturposten allerdings nicht möglich.3

18.124

III. Korrekturmaßstäbe4 1. Allgemeine Hinweise Die Einkünftekorrektur richtet sich bei international verbundenen Kapitalgesellschaften innerhalb der von den DBA gesetzten Schranken nach den Regeln innerstaatlichen Rechts. Derartige Regeln enthalten § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Sätze 3–6 KStG (verdeckte Einlage), und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften). Zum Tatbestand gehören bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage eine tatsächliche einkommenswirksame Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) und bei § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften) eine Einkünfteminderung. Diese für die Einkünftekorrektur maßgeblichen besonderen Normen werden erst auf einer im Rahmen der Einkünfteermittlung5 nachgeordneten Stufe wirksam, auf der der vorläufig errechnete Einkünftebetrag korrigiert wird.6 Ihre Anwendbarkeit setzt einen Korrekturmaßstab voraus. Während die für die ver-

1 2 3 4 5 6

schüttung BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; BMF v. 28.5.2002, BStBl. I 2002, 603 f.; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 810 f.; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 310. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 Rz. 5.5.2 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 820.1. Zu den für die abkommensrechtlichen Korrekturklauseln maßgeblichen Grundsätzen Rz. 16.289 ff. §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1; § 4 Abs. 3; §§ 8; 9 EStG. Zur zweistufigen Gewinnermittlung bei zur Bilanzierung verpflichteten Steuerpflichtigen Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 807 ff.

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18.125

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

deckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage geltenden Normen unmittelbar selbst keine ausdrücklichen Korrekturmaßstäbe enthalten, stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG darauf ab, ob die tatsächlich vereinbarten Bedingungen von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten.1 Hiernach wird also das dealing at arm’s length-Prinzip zum Korrekturmaßstab erhoben. Bei diesem Fremdvergleich, der im Grundsatz dem Fremdvergleich der bilateralen Einkünfte-Korrekturklausel (Art. 9 OECD-MA; Rz. 16.289 ff.) entspricht, kommt es darauf an, was andere unabhängige Unternehmen vereinbart hätten. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG darauf ab, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen (Transparenzklausel) und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer handeln. Während die Transparenzklausel einer Parallele sowohl im Abkommensrecht (Art. 9 OECD-MA; Rz. 18.108) als auch im übrigen nationalen Recht2 entbehrt, steht die Rechtsfigur des (doppelten) ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters3 zwar in Einklang mit dem Abkommensrecht4 und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage,5 hierüber gibt es aber keinen internationalen Konsens, so dass insoweit Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) ausgelöst werden können.6

18.126 Obwohl die in Betracht kommenden, in Konkurrenz zueinander stehenden Einkünftekorrekturnormen unterschiedliche Korrekturmaßstäbe7 regeln, führt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG durchweg dazu, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen der Fremdvergleichspreis der maßgebliche Korrekturmaßstab ist.8 Das bedeutet, dass eine Einkünftekorrektur stets dann zu erfolgen hat, wenn etwa der tatsächlich vereinbarte Preis (Verrechnungspreis) vom maßgeblichen Fremdvergleichspreis abweicht. Da es indessen nicht nur um Preise, sondern auch um andere Bedingungen geht, bilden Fremdvergleichswerte die maßgeblichen Orientierungspunkte für angemessene Verrechnungspreise.

1 Sog. Ist-Soll-Vergleich; hierzu Rz. 16.300. 2 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung) und § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage). 3 Hierzu Wassermeyer/Baumhoff in F/W/B, § 1 Rz. 111 ff.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 308a ff. 4 Hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 111. 5 Ständige Rechtsprechung; z.B. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. 6 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 535 (536). 7 Zumeist Teilwert oder gemeiner Wert. 8 Zu § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG i.S. der Meistbegünstigung zugunsten der Finanzverwaltung Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 541 (547); vgl. ferner Rz. 18.81.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

2. Ermittlung angemessener Verrechnungspreise Die Ableitung angemessener Verrechnungspreise aus den hierfür maßgeblichen Fremdvergleichswerten regelt § 1 Abs. 3 AStG. Hierbei wird unterschieden zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich.1 Innerhalb des Anwendungsbereichs des tatsächlichen Fremdvergleichs ist darauf abzustellen, ob die in Betracht kommenden Fremdvergleichswerte uneingeschränkt oder nur eingeschränkt vergleichbar sind. Die vorgenannten Kriterien stehen in einem Drei-Stufen-Verhältnis, so dass der tatsächliche dem hypothetischen Fremdvergleich und im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs die uneingeschränkt vergleichbaren den nur beschränkt vergleichbaren Werten vorgehen.2 In Orientierung an dieses Drei-Stufen-Verhältnis entscheidet sich, welche Verrechnungspreismethode zur Anwendung kommt. Darüber hinaus wird hierdurch auch der Umfang einer etwaigen Verrechnungspreiskorrektur determiniert.

18.127

Sind im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte verfügbar, ist für die Angemessenheit der Verrechnungspreise vorrangig auf die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode oder die Kostenaufschlagsmethode (Standardmethoden) abzustellen.3 Die Fremdvergleichswerte sind am Markt zu ermitteln, wobei die uneingeschränkte Vergleichbarkeit nach Vornahme sachgerechter Anpassungen im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken (Funktionsanalyse) hergestellt werden kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG). Eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit liegt vor, wenn die Geschäftsbedingungen identisch sind oder Unterschiede bei den Geschäftsbedingungen keine wesentliche Auswirkung auf die Preisgestaltung haben oder Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z.B. unterschiedliche Zahlungsziele) durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden sind.4 Diese Voraussetzungen werden in der Praxis nur bei Geschäftsbeziehungen möglich sein, die homogene Güter oder standardisierte Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Unter den vorgenannten Voraussetzungen werden uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte nur im Rahmen bestimmter Bandbreiten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG) feststellbar

18.128

1 Tatsächlicher Fremdvergleich: § 1 Abs. 3 Satz 1–4; hypothetischer Fremdvergleich: § 1 Abs. 3 Satz 5–8 AStG; die OECD-Verrechnungspreis-RL 2010 sehen einen hypothetischen Fremdvergleich demgegenüber nicht vor; hierzu Luckhaupt, Ubg. 2010, 646 ff. 2 Zu diesem Stufenverhältnis: Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (543 f.). 3 Die Standardmethoden stehen gleichrangig nebeneinander, wobei diejenige zu wählen ist, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“; so BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; in den OECD-Verrechnungspreis-RL 2010 ist eine Rangfolge der Standardmethoden nicht vorgesehen; vgl. hierzu Luckhaupt, Ubg. 2010, 646 ff. 4 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7 Buchst. a (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

sein.1 Soweit der vereinbarte Verrechnungspreis sich innerhalb dieser Bandbreiten bewegt, ist dieser uneingeschränkt zu akzeptieren.2 Hieraus folgt im Grundsatz, dass stets der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert innerhalb der Bandbreite angesetzt werden kann.3

18.129 In den Fällen, in denen die ermittelten Fremdvergleichswerte nur eingeschränkt vergleichbar sind, sind diese nach Vornahme sachgerechter Anpassungen einer geeigneten Verrechnungspreismethode zugrunde zu legen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 AStG). Zu den geeigneten Verrechnungspreismethoden gehören in erster Linie die Standardmethoden.4 Neben den vorgenannten (transaktionsbezogenen) Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode) kommen auch transaktionsbezogene Gewinnmethoden und ggf. die Gewinnaufteilungsmethode in Betracht.5 Sind mehrere eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte6 feststellbar, ist die sich ergebende Bandbreite einzuengen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 AStG). Was darunter zu verstehen ist, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen. Angesprochen sind damit indessen statistisch anerkannte Verfahren, die darauf gerichtet sind, Extremwerte bei der Ermittlung von Durchschnittswerten auszuschalten.7 Im Vordergrund hierbei steht die sog. Interquartil-Methode,8 bei der sowohl das untere als auch das obere Viertel der Werte der ermittelten Preisbandbreite unberücksichtigt bleibt. Im Ergebnis wird damit die am Markt ermittelte Bandbreite um 50 Prozent pauschal eingeengt.9

18.130 Liegen die tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreise in den Fällen der uneingeschränkt und nur eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte außerhalb der normalen bzw. eingeengten Bandbreite, hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen, wobei Maßstab der Median ist (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG). Mit der Bezugnahme auf den Median wird ein statistischer Begriff angewendet, der bedeutet, dass mindestens 50 Prozent aller Merk1 Zur Entstehung von Preisbandbreiten Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (348 ff.). 2 Greinert in Rödder/Schaumburg, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (549); Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V26; BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren. 3 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1463). 4 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BFH/ NV 2005, 1719. 5 Ausführlich zu den einzelnen Verrechnungspreismethoden Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 383 ff. 6 Gemeint sind Fremdvergleichspreise. 7 Hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (551). 8 Interquartile-Range; Begründung des Regierungsentwurfs § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, BR-Drucks. 220/07, 143 unter Hinweis auf BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.5. (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 9 Zur Kritik hieran Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V42; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (362 ff.); Werra, IStR 2005, 19 (21); Finsterwalder, DStR 2005, 765 (769).

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

malswerte kleiner oder gleich und mindestens 50 Prozent aller Merkmalswerte auch größer oder gleich diesem Wert sind.1 Können auch keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden, ist ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG).2 Das bedeutet, dass ein am Markt zwischen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleuten typischer Preisbildungsprozess simuliert werden muss.3 Hierbei ist davon auszugehen, dass die auf der Anbieter- und Nachfrageseite gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter4 alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG).5 Im Rahmen des vorgenannten simulierten Preisbildungsprozesses ist auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Hierdurch entsteht ein Einigungsbereich, der letztlich von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentialen) bestimmt wird. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG unterstellt somit, dass die Preisobergrenze des Leistungsempfängers stets über der Preisuntergrenze des Leistenden liegt (Einigungsbereich). Liegt die Preisobergrenze des Leistungsempfängers dagegen unter der Preisuntergrenze des Leistenden kommt jedenfalls nach den üblichen Gesetzmäßigkeiten des Marktes kein Geschäft zustande. In einem derartigen Fall versagt somit auch der hypothetische Fremdvergleich, ohne dass sich aus dem Gesetz ergibt, welcher Verrechnungspreis sodann angemessen sein soll.6

18.131

Das Gebot, auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers unter Einbeziehung der jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentiale) zu ermitteln, läuft im Kern auf eine doppelte ertragswertorientierte Bewertung hinaus,7 die denen der Unter-

18.132

1 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V48; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (551 f.). mit dem Hinweis, dass diese Methode eine ungerade Zahl von Merkmalswerten unterstellt. 2 Diese Pflicht obliegt dem Steuerpflichtigen. 3 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V55; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 204; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (553). 4 Zum doppelten ordentlichen, gewissenhaften Geschäftsleiter: BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 308a ff. 5 Zur Kritik an dieser realitätsfernen Transparenzklausel Kahle in W/S/G, § 1 AStG Rz. 128; Roeder, Ubg 2008, 202 (205); Piltz, JbFStR 2007/2008, 99 (149 ff.). 6 Zur Kritik Kahle in W/S/G, § 1 AStG Rz. 131; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2004, 541 (554). 7 Schreiber, Ubg 2008, 433 (434 ff.).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

nehmensbewertung entsprechen.1 Auf der Grundlage des so ermittelten Einigungsbereichs ist derjenige Verrechnungspreis angemessen, der innerhalb dieses Einigungsbereichs angesiedelt ist und der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei im Zweifel der Mittelwert2 des Einigungsbereichs den angemessenen Verrechnungspreis abbildet (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG).3

18.133 Weicht der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis vom Mittelwert des Einigungsbereichs oder von dem Wert innerhalb des Einigungsbereichs ab, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen. § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG enthält indessen eine Erleichterung dahingehend, dass eine Einkünftekorrektur unterbleiben kann,4 wenn der zugrunde gelegte Einigungsbereich unzutreffend ermittelt wurde und der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis einem Wert entspricht, der innerhalb des zutreffend ermittelten Einigungsbereichs liegt.5 Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehungen sind. Hiernach gilt: Weicht die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnentwicklung ab, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag, ist widerlegbar zu vermuten, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten (§ 1 Abs. 3 Satz 11 AStG; Rz. 18.148). 3. Verrechnungspreismethoden

18.134 In der Praxis haben sich für Zwecke der Konkretisierung des Fremdvergleichs Standardmethoden entwickelt, die unabhängig davon, welche Einkünftekorrekturnorm eingreift, angewendet werden. Zu diesen Standardmethoden gehören die Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode. Diese Standardmethoden haben internationale Akzeptanz gefunden und werden daher auch von der deutschen Finanz1 Hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (554 f.). 2 Als Mittelwert ist wohl der arithmetische Mittelwert gemeint; vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (556 f.), dort auch zur Kritik an der normativen Fehlverwendung statistischer Begriffe. 3 Entgegen BFH v. 15.9.2004 – I R 7/02, BStBl. II 2005, 867, wonach wie beim tatsächlichen Fremdvergleich (BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171) auch beim hypothetischen Fremdvergleich auf den für den Steuerpflichtigen günstigsten Wert abzustellen ist; zur Kritik an dieser mit Art. 9 OECD-MA und den OECD-RL (Rz. 1.45) nicht zu vereinbarenden „Mittelwertmethode“ Kaminski, StuW 2008, 337 (342); Hornig, PIStB 2008, 45 (45). 4 Ermessen der Finanzverwaltung. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V65 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (557 f.); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1466).

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

verwaltung bei der Angemessenheitsprüfung vorrangig (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG) zugrunde gelegt.1 Während die Preisvergleichsmethode (comparable uncontrolled price method) ausschließlich auf den am Markt erzielbaren Preis abstellt, geht die Wiederverkaufspreismethode (resale price method) vom Wiederverkaufspreis beim Verkauf an unabhängige Dritte aus, von dem sodann ein Abschlag in Höhe der Handelsspanne vorzunehmen ist, um so einen arm’s length-Einkaufspreis zu bestimmen. Bei der Kostenaufschlagsmethode (cost plus method) schließlich wird der angemessene Verrechnungspreis, ausgehend von den Kosten des herstellenden oder leistenden verbundenen Unternehmens, unter Berücksichtigung eines branchenüblichen Gewinnaufschlags ermittelt.2

18.135

Mit den drei vorgenannten Standardmethoden sind die Möglichkeiten, auf der Grundlage eines Fremdvergleichs den angemessenen Verrechnungspreis zu ermitteln, keineswegs erschöpft. In der Praxis werden daher diese Methoden nicht selten kombiniert oder durch andere Elemente ergänzt.3 Da nur im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs bei uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten eine vorrangige Anwendung der Standardmethoden vorgeschrieben ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG), kann der Steuerpflichtige, abweichend von den drei Standardmethoden, im Übrigen auch andere Methoden zur Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises wählen,4 wobei er allerdings verpflichtet ist, aufzuzeichnen, warum er die von ihm jeweils angewandte Verrechnungspreismethode für geeignet hält (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GAufzV).5

18.136

Der Betrag der Einkünfteberichtigung wird sich ohnehin nicht immer nur durch die Anwendung der für die Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises anerkannten Standardmethoden ermitteln lassen. In der Praxis scheitert insbesondere die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode nicht selten daran, dass zuverlässige Informationen über die entsprechenden Abschläge vom Wiederverkaufspreis fehlen. Ähnliches gilt für die Ermittlung des branchenüblichen Aufschlags auf die Kosten für Zwecke der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. In diesen Fällen müssen die erforderlichen Abschlagssätze ggf. unter Heranzie-

18.137

1 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2. (Verwaltungsgrundsätze 1983); BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 2 Zu weiteren Einzelheiten Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 315 ff. 3 Die Finanzverwaltung akzeptiert das; vgl. hierzu BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.2 und 2.1.7 (Verwaltungsgrundsätze 1983); ferner Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, C 361. 4 Auch das wird seitens der Finanzverwaltung akzeptiert; vgl. hierzu BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3.4 und 2.4.6 (Verwaltungsgrundsätze 1983); hierzu auch Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 256. 5 BMF.v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.1 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

hung von am Markt zugänglicher Informationen aus Datenbanken und die Aufschlagssätze geschätzt (§ 162 AO) werden. Im Hinblick darauf stellen die Standardmethoden lediglich Schätzungsmaßstäbe dar, aufgrund deren sich ein Fremdvergleichspreis im Sinne einer punktuellen Größe durchweg nicht ermitteln lässt.

18.138 Stehen indessen derartige konkretisierende Schätzungsmaßstäbe nicht zur Verfügung, sind ergänzende Schätzungen vorzunehmen, für die § 1 Abs. 4 Satz 1 AStG Orientierungshilfen liefert. Anhaltspunkte für eine Schätzung sind danach die durchschnittliche Umsatzrendite oder die Verzinsung1 für das im Unternehmen eingesetzte Kapital, die unter Berücksichtigung der ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken zu erwarten ist. Da diese Orientierungsmaßstäbe allgemeine Bedeutung haben, gelten sie nicht nur für Einkünfteberichtigungen gem. § 1 AStG, sondern auch für solche wegen verdeckter Gewinnausschüttungen und verdeckter Einlagen.2 Ergänzend zu der nach § 1 Abs. 4 AStG vorzunehmenden Schätzung kommt ggf. bei Verletzung von Dokumentationspflichten (§ 90 Abs. 3 AO) auch die Anwendung des § 162 Abs. 3 AO in Betracht (Rz. 19.31 ff.).

18.139 Neben den vorgenannten drei Standardmethoden – Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode –, die als transaktionsbezogene Methoden allgemeine Akzeptanz gefunden haben, sind in der internationalen Praxis weitere Methoden verbreitet, die als gewinnorientierte und globale Methoden bezeichnet werden können.3

18.140 Zu den gewinnorientierten Methoden zählen u.a. die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungs- und Nettomargenmethode sowie die globale Gewinnaufteilungsmethode.4 Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (profit split method) ist eine transaktionsbezogene Gewinnmethode, die den von verbundenen Unternehmen gemeinsam aus einem Geschäftsvorfall erzielten Gewinn5 ermittelt und diesen sodann zwischen den beteiligten Unternehmen so aufteilt, wie es fremde Dritte tun würden. Als Aufteilungsmaßstab dienen hierbei die von den miteinander verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, getragenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel, die im Rahmen einer 1 Abzustellen ist auf den Kapitalmarktzins; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 874. 2 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 666; Wassermeyer, BB 1984, 1501 (1506). 3 Hierzu der Überblick bei Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 256 ff.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 362 ff.; Vögele/Raab in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, D Rz. 1 ff. 4 So die Unterscheidung nach den OECD-RL 1995; vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Rz. 3.1 ff. 5 Zur Gewinnaufteilung im Einzelnen vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 263; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 551 ff.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 368; Vögele/Raab in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, D Rz. 311 ff.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Funktionsanalyse zu ermitteln sind. Diese Methode, die insbesondere bei ineinander verwobenen Geschäftsvorfällen Anwendung findet,1 ist zwar mit dem in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verankerten dealing at arm’s lengthPrinzip vereinbar,2 sie wird aber nur dann in Betracht kommen, wenn sich die Standardmethoden nicht oder nicht verlässlich anwenden lassen.3 Das ist etwa bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen mehreren Konzernunternehmen mit Entrepreneur-Funktion4 der Fall, die also gemeinsam an der Anbahnung, der Abwicklung und dem Abschluss des betreffenden Geschäftes beteiligt sind, ohne dass die Einzelbeiträge abgegrenzt werden können.5 Voraussetzung ist in der Praxis allerdings, dass sich die verbundenen Unternehmen und die Finanzverwaltung auf eine übereinstimmende Gewinnaufteilung verständigen können, andernfalls sind Doppelbesteuerungen unvermeidbar.6 Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (transactional net margin method – TNMM) ist darauf gerichtet, die Angemessenheit der für einen bestimmten Geschäftsvorfall oder für zusammengefasste Geschäftsvorfälle (§ 2 Abs. 3 GAufzV)7 vereinbarten Preise auf der Grundlage vergleichbarer Nettogewinnmargen bezogen auf Kosten, Umsätze oder Anlagevermögen zu überprüfen.8 Diese ebenfalls mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zu vereinbarende Gewinnmethode hat in der Praxis nur dann Bedeutung, wenn die Standardmethoden wegen des Fehlens oder der Mängel von Fremdvergleichsdaten nicht angewandt werden können.9 Zu-

1 OECD-RL 1995, Rz. 3.5. 2 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Rz. 3.1; sie wird auch von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert; vgl. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.4.6. (Verwaltungsgrundsätze). 3 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3, Buchst. c (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 4 Ausübung der für den Unternehmenserfolg unter Übernahme der Risiken maßgeblichen Funktionen im Sinne eines Strategieträgers im Gegensatz zu einem Lohnfertiger oder low risk distributor; vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 5 Beispiel: global trading im Bankenbereich; hierzu Sieker, IStR 1994, 432 ff.; Portner, IStR 1995, 356 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff. 6 Zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 267; Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 356 ff.; Werra, IStR 1995, 457 (463); Rädler, DB 1995, 110 (110). 7 Sog. Palettenbetrachtung; vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 8 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 268; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 184; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 371 ff.; BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4, 10.3 Buchst. b (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren); vgl. den Überblick bei Vögele/Raab in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, D Rz. 268 ff. 9 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3, Buchst. c (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren).

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18.141

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

dem ist sie nur auf sog. Routine-Unternehmen1 anwendbar.2 Unter den vorgenannten Voraussetzungen sind die beiden vorgenannten geschäftsvorfallbezogenen Verrechnungspreismethoden im Ergebnis als geeignete Methoden für den Fall anzusehen, dass nur eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte zu ermitteln sind (§ 1 Abs. 3 Satz 2 AStG).

18.142 Die globale Gewinnaufteilungsmethode ist ebenso wie die globale Gewinnvergleichsmethode (comparable profits method – CPM)3 keine transaktionsbezogene Methode, so dass sie mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA4 und mit den unilateralen Korrekturregeln unvereinbar ist: In allen Fällen lässt der dealing at arm’s length-Grundsatz nur eine transaktionsbezogene Angemessenheitsprüfung zu.5 Dementsprechend sind alle globalen Methoden, wonach der nicht transaktionsbezogene Gesamtgewinn der verbundenen Unternehmen nach Maßgabe bestimmter Verteilungsschlüssel aufgeteilt wird, unzulässig.6 4. Anwendungsbereiche a) Überblick

18.143 Welche sachgerechten Korrekturmaßstäbe in Betracht kommen, richtet sich nach der Art der zwischen international verbundenen Unternehmen ausgetauschten Leistungen. Während für Funktionsverlagerungen besondere gesetzliche Regelungen vorgesehen sind (§ 1 Abs. 3 Satz 9–13 AStG; FVerlV), beurteilt sich insbesondere die Eignung der einen oder anderen Verrechnungspreismethode auf Grund praktischer Gegebenheiten. So ist etwa die Wiederverkaufspreismethode zur Bestimmung von angemessenen Dienstleistungsentgelten zumeist nicht geeignet.7 Im Vordergrund steht hier, insbesondere bei konzernspezifischen Dienstleistungen, die Kostenaufschlagsmethode.8 Bei Warenlieferungen wiederum wird allge1 Z.B. Lohnfertiger und low risk distributor. 2 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. b (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 3 Vergleichsunternehmen sind solche im gleichen Marktsegment; hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 774; vgl. den Überblick bei Vögele/ Raab in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, D Rz. 252 ff. 4 Lehner in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 62; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 570 ff.; OECD-RL 1995, Rz. 3.58; Rädler, DB 1995, 110 f. 5 OECD-RL 1995, Rz. 3.1; BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), Rz. 3.4.10.3; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 373 ff. 6 OECD-RL 1995, Rz. 3.1; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 46 f. 7 Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 208 f.; Baumhoff in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (38); Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, 262. 8 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 620; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 211; Baumhoff in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (38 ff.).

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

mein die Preisvergleichsmethode bevorzugt.1 Für Funktionsverlagerungen, Lieferungen und sonstige Leistungen gelten folgende Grundsätze: b) Funktionsverlagerungen Die für grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen maßgebliche Sonderregelung (§ 1 Abs. 3 Satz 9–13 AStG) ist darauf gerichtet, den im Handelsrecht und Steuerrecht verankerten Grundsatz der Einzelbewertung2 zu suspendieren und durch eine Gesamtbewertung eines Transferpaketes zu ersetzen. Im Ergebnis werden damit für Zwecke der Bewertung Teile des Geschäfts- oder Firmenwerts abgespalten und insbesondere auf übergehende Wirtschaftsgüter projiziert.3 Die vorstehende Sonderregelung gilt indessen nur im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG), wenn also nicht zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vorliegen (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG).

18.144

Eine Funktionsverlagerung im vorgenannten Sinne (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) liegt vor, wenn ein Unternehmen (das verlagernde Unternehmen) einem anderen nahe stehenden Unternehmen (das übernehmende Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV).4 Erfasst wird also nicht die bloße Übertragung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder die Erbringung von sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 4 FVerlV), sondern die Übertragung eines Bündels von Wirtschaftsgütern und sonstigen Leistungen. Angesprochen ist damit insbesondere die Übertragung gesondert geführter Bereiche eines Unternehmens, ohne dass hierbei ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss.5 Derartige Funktionen sind z.B. Einkauf, Produktion, Marketing, Verkauf, Logistik, Forschung und Entwicklung oder Verwaltung.6 In der Praxis kommen derartige

18.145

1 Nachweise bei Popp/Theisen, DB 1987, 1949 (1952); bei Pharmaunternehmen herrscht dagegen die Wiederverkaufspreismethode vor; hierzu die Diskussionsbeiträge von Moebus und Zitzelsberger in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 138 f. 2 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; § 6 Abs. 1 EStG; BFH v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl. II 1989, 359. 3 Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 AStG Rz. V71. 4 Die vom Gesetz vorgegebene Definition ist eine Tautologie; zur Kritik Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1650); vgl. auch die Definition von Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 ff. 5 Zum Begriff des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG: Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter organisatorisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich allein lebensfähig ist; vgl. BFH v. 10.3.1998 – VIII R 31/95, BFH/NV 1998, 1209. 6 Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 258; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (559).

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Funktionsverlagerungen1 insbesondere als Funktionsausgliederung,2 Funktionsabschmelzung,3 Funktionsabspaltung4 und Funktionsverdoppelung vor,5 die allerdings nur zum Teil von der Reichweite des für die Funktionsverlagerung geltenden Sonderregimes des § 1 Abs. 3 AStG erfasst werden. Das gilt insbesondere in Fällen der Funktionsabspaltung, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion etwa als Lohnfertiger ausschließlich ggü. dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt für die Ausübung der Funktion nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird (§ 2 Abs. 2 FVerlV). Hier ist davon auszugehen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG). Der Fall der Funktionsverdoppelung wird nur dann erfasst, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch ausländische nahe stehende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion durch das inländische Unternehmen kommt. Kommt es allerdings innerhalb dieser Frist zu einer solchen Einschränkung, liegt zum Zeitpunkt, in dem die Einschränkung eintritt, insgesamt eine einheitliche Funktionsverlagerung vor, es sei denn, es wird glaubhaft gemacht, dass diese Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht (§ 1 Abs. 3 FVerlV).

18.146 Ist eine Funktionsverlagerung gegeben, ist für Zwecke der Gesamtbewertung auf die verlagerte Funktion als Ganzes (Transferpaket) abzustellen (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG). Das gilt aber nur für den Fall, dass ein hypothetischer Fremdvergleich vorzunehmen ist.6 Werden also uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Werte im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs, etwa durch Ableitung aus vergleichbaren am Markt ermittelten Unternehmenstransaktionen, festgestellt, gelten die allgemeinen Grundsätze, so dass insbesondere die Preisvergleichsmethode zur Anwendung kommt. Ist das nicht der Fall, ist das Transferpaket als Ganzes im Grundsatz unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze wertmäßig zu bestimmen. Hierbei ist auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln, wobei der hierdurch geprägte Einigungsbereich durch die jeweiligen Gewinnerwartungen bestimmt wird (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). 1 Zu Einzelheiten Frischmuth, StuB 2007, 386 (387); Kaminski, RIW 2007, 594 (599). 2 Vollständige Übertragung einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern. 3 Übertragung eines Teils einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern. 4 Übertragung (eines Teils) einer Funktion unter Beibehaltung der dazugehörigen Chancen und Risiken. 5 Verdoppelung einer im Inland weiterhin ausgeübten Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern. 6 § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG verweist auf Satz 5 in Abs. 3.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Damit ist im Grundsatz eine vierfache Bewertung dahingehend vorgesehen, dass sowohl das verlagernde als auch das übernehmende Unternehmen ihre künftigen Gewinne jeweils vor und nach der Funktionsverlagerung zu schätzen haben (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV).1 Damit gehen im Ergebnis auch ausländische Standortvorteile und sonstige Synergieeffekte in die Bewertung ein, womit die Grundlagen für eine Doppelbesteuerung gelegt werden.2 Die Berücksichtigung der vom Gesetz geforderten Kapitalisierungszinssätze (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) hat in Orientierung an die für risikolose Investitionen maßgeblichen Zinssätze zu erfolgen (§ 5 FVerlV), wobei im Grundsatz von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen ist (§ 6 FVerlV). Die von Gesetzes wegen gebotene ertragswertorientierte Gesamtbewertung bei grenzüberschreitender Funktionsverlagerung kann durch eine Einzelbewertung der betroffenen Wirtschaftsgüter ersetzt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktion übergegangen sind (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 1 AStG) oder dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpaketes als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 2 AStG). Wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter sind dann nicht gegeben, wenn sie für die verlagerte Funktion nicht erforderlich sind oder ihr Fremdvergleichspreis insgesamt nicht mehr als 25 Prozent der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (§ 1 Abs. 5 FVerlV). In der Praxis wird es daher bei der Übertragung von Nebenfunktionen, etwa EDV, Personalverwaltung und Buchführung beim Grundsatz der Einzelbewertung verbleiben.3 Werden nach Maßgabe der vorstehenden Regelungen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen, kann es dennoch bei einer Einzelbewertung verbleiben, wenn glaubhaft gemacht wird, dass das Ergebnis der Einzelbewertung sich nicht von der Gesamtbewertung unterscheidet (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 2 AStG). Da insoweit sowohl eine Einzelverrechnungspreisbestimmung als auch eine Gesamtbewertung durchzuführen ist (§ 2 Abs. 3 Satz 1 FVerlV), ergeben sich in der Praxis für den Steuerpflichtigen hieraus keine Verfahrenserleichterungen.4 Im Hinblick darauf gewinnt die weitere in § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 AStG verankerte Erleichterung Bedeutung, wonach insgesamt Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpaketes anzuerkennen sind, wenn glaubhaft gemacht wird, dass zumindest ein genau bezeichnetes wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand 1 Hierzu Blumers, BB 2007, 1757 (1762). 2 Zur Kritik in diesem Zusammenhang Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (564 f.); Blumers, BB 2007, 1757 (1761); Frischmuth, StuB 2007, 386 (391); Hey, BB 2007, 1303 (1308); vgl. auch Rödder, ZHR 2007, 380 (402). 3 Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (569); Greil, IStR 2010, 479 (480). 4 Greil, IStR 2010, 479 (480).

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18.147

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

der Funktionsverlagerung ist.1 Im Ergebnis wird damit jedenfalls für forschungs- und entwicklungsintensive Unternehmen bei Funktionsverlagerungen die Gesamtbewertung des Transferpaketes zum Ausnahmefall.2

18.148 In den Fällen der Funktionsverlagerung, in deren Rahmen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehung sind, ist bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs die in § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG verankerte Anpassungsklausel3 von Bedeutung.4 Diese greift ein, wenn die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnentwicklung abweicht, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag. Eine derartige erhebliche Abweichung ist gegeben, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutreffende Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt (§ 10 FVerlV). Wenn eine derartige Anpassungsregelung nicht getroffen wurde, gilt § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG mit der Folge, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein entsprechender Anpassungsbetrag auf den ursprünglichen Verrechnungspreis der Besteuerung des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen ist, das dem Jahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist (§ 1 Abs. 3 Satz 12 AStG).5 c) Warenlieferungen

18.149 Die Angemessenheit von Preisen für die Lieferung von Waren und Gütern wird in der Praxis überwiegend anhand der Standardmethoden ermittelt, wobei die Preisvergleichsmethode und die Wiederverkaufspreismethode im Vordergrund stehen.6 Welche der Standardmethoden letztlich sachgerecht ist, hängt von der Funktion des betreffenden Unternehmens innerhalb etwa eines konzerninternen Produktions- und Vertriebsprozesses ab. Hierzu bedarf es in aller Regel einer Funktions- und Risikoanalyse.7 Diese Funktions- und Risikoanalyse ist jeweils aus der Sicht des Produktions- und Vertriebsunternehmens anzustellen.8 1 Zu Einzelheiten Greil, IStR 2010, 479 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff.; Lenz/Rautenstrauch, DB 2010, 696; im Ergebnis entspricht diese Regelung den OECD-Verrechnungspreis-RL 2010 (OECD-TPG 2010), hierzu Luckhaupt, DB 2010, 2016 ff. 2 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 (1313 f.). 3 Diese kommt in allen Fällen des hypothetischen Fremdvergleichs in Betracht. 4 Zur Anpassungsklausel vgl. Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 844 ff.; Peter/Spohn/Hogg, IStR 2008, 864 ff.; Scholz, IStR 2007, 521 ff.; Schaumburg, IStR 2009, 877 ff.; Pohl, IStR 2010, 690 ff. 5 Zu Einzelheiten Schaumburg, IStR 2009, 877 ff. 6 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 289; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 577; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, N Rz. 5; Ege in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 15. 7 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 8 Hierzu Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 375.

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Bezogen auf Produktionsunternehmen geht es im Wesentlichen darum, ob diese als Eigenproduzenten oder als Lohnfertiger zu qualifizieren sind, wobei in der Praxis entsprechende Produktionsunternehmen nicht selten die Merkmale beider Referenzunternehmen in sich vereinigen. Die Produktionsunternehmen sind insbesondere dann als Eigenproduzenten zu qualifizieren, wenn sie über die für die Produktion erforderlichen wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter selbst verfügen und selbst alle wesentlichen, für den Unternehmenserfolg entscheidenden Funktionen ausüben und die damit im Zusammenhang stehenden wesentlichen Risiken übernehmen. In einem derartigen Fall, in dem also der Eigenproduzent zugleich Entrepreneur bzw. Strategieträger ist,1 wird in besonderem Maße die Preisvergleichsmethode auf der Grundlage des inneren und äußeren Preisvergleichs sachgerecht sein. Zur Durchführung des äußeren Preisvergleichs werden hierbei nicht selten Datenbanken herangezogen.2 Übt das Produktionsunternehmen dagegen weitgehend Routinefunktionen aus, handelt es sich etwa um einen Lohnfertiger, dem die Abnahme der Produkte garantiert ist, wird die Kostenaufschlagsmethode sachgerecht sein.3 Die Kostenbasis beruht hierbei in aller Regel auf Planbzw. Sollkosten.4 Im Hinblick darauf, dass der Lohnfertiger weitgehend frei von Risiken arbeitet, ist es gerechtfertigt, dass entsprechende Anlaufverluste vom Auftraggeber zu tragen sind.5 Die Funktion als Lohnfertiger werden nicht selten ausländische Tochtergesellschaften haben, wobei die standortbedingten Kostenvorteile zwischen (inländischem) Auftraggeber und (ausländischem) Lohnfertiger im Rahmen des Plan- und Sollkostenansatzes aufgeteilt werden.6

18.150

Aus der Sicht von Vertriebsgesellschaften kommt es für Zwecke der Anwendung der geeigneten Verrechnungspreismethode im Ergebnis darauf an, ob die Lieferung von Waren und Gütern als Eigenhändler, Kommissionär oder Handelsvertreter erfolgt.7 Da der Eigenhändler in aller Regel die volle Vertriebsfunktion8 ausübt, so dass er insbesondere Lager- und Ab-

18.151

1 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. b (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 2 Derartige anonymisierte Vergleichsdaten sind ohne weiteres verwertbar; vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1035; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 381. 4 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 587.4; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 345 ff. 5 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 588.1; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 327 ff. 6 Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 101 ff.; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 321 f.; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. C 381. 7 Hierzu Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen 3, Rz. C 383; Schäffler, RIW 2001, 321 ff. 8 Zu den einzelnen Vertriebsmodellen vgl. die Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1031 ff.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

satzrisiken trägt, ist in aller Regel die Wiederverkaufspreismethode1 und zum Teil auch die Preisvergleichsmethode sachgerecht. Soweit die Wiederverkaufspreismethode Anwendung findet, wird wegen der Feststellung der am Markt üblichen Handelsspannen nicht selten auf Datenbankanalysen zurückgegriffen.2 Soweit demgegenüber Vertriebsgesellschaften als Kommissionäre oder Handelsvertreter auftreten, tragen sie nur ein eingeschränktes Risiko, so dass die Kostenaufschlagsmethode sachgerecht ist.3 Denkbar ist aber auch in Orientierung an die Preisvergleichsmethode eine marktübliche umsatzabhängige Kommission (Provision).4

18.152 Für die im Rahmen des Fremdvergleichs insbesondere zur Anwendung kommenden Standardmethoden ist im Hinblick auf die gebotene Vergleichbarkeit der auf der betreffenden Handelsstufe geltenden Marktverhältnisse von Bedeutung, ob die gelieferten Waren und Güter auf dem betreffenden Absatzmarkt bereits eingeführt worden sind oder nicht. Um den Markt zu erschließen, werden Waren nicht selten zu Kampfpreisen angeboten. Da eine derartige Markterschließung in besonderem Maße im Interesse des Herstellerunternehmens liegt, gewährt dieses in aller Regel erhebliche Preisabschläge oder Werbekostenzuschüsse,5 damit den am Absatzmarkt operierenden Vertriebsunternehmen noch ein ausreichender Gewinn verbleibt.6 In einem derartigen Fall ist es Sache des Herstellerunternehmens, die Kosten für die Markteinführung zu tragen.7 Die Markterschließung wird aber häufig auch als gemeinsame Aufgabe von Hersteller- und Vertriebsunternehmen begriffen.8 Daher werden Hersteller- und Vertriebsunternehmen in der Praxis ihre Preise so gestalten, dass die Kosten der Markterschließung zu Lasten beider Unternehmen gehen,9 wobei dem Vertriebsunternehmen in einem überschaubaren Zeitraum10 1 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BFH/NV 2005, 1719; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 603.1; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1027; Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen 3, Rz. C 385. 2 Hierzu Isensee, IStR 2002, 465 ff. 3 Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen 3, Rz. C 386. 4 Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 87 f. 5 Baumhoff in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (42). 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.4.1 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 7 BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 604 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1029; Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 123 (131); differenzierend Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, N Rz. 285 ff. 8 Zu den Beurteilungskriterien OECD-RL 1995, Rz. 1.3. 9 Hierzu im Einzelnen Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen 3, Rz. C 287. 10 Lt. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457 innerhalb von 3 Jahren; für einen auf den Einzelfall bezogenen längeren Zeitraum Kroppen, Hdb. Internationale Verrechnungspreise, W Rz. 77; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

ein angemessener Betriebsgewinn verbleiben muss. Im Hinblick auf diese zwischen fremden Unternehmen anzutreffende Vertragspraxis ergeben sich auch für miteinander verbundene Unternehmen erhebliche Gestaltungsspielräume. Daher können Preise für Waren und Güter während eines Zeitraums der Markterschließung von den sonst üblichen Preisen eingeführter Waren abweichen, und zwar selbst dann, wenn dadurch beim Herstellerunternehmen und/oder beim Vertriebsunternehmen Verluste entstehen. Im Gegensatz zu den Kosten der Markterschließung können Anlaufkosten, also Kosten, die durch den Aufbau der Innen- und Außenorganisation eines Unternehmens entstehen, bei der Preisgestaltung zwischen Hersteller- und Vertriebsunternehmen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden,1 es sei denn, den Vertriebsunternehmen kommt die Funktion als Kommissionär oder Handelsvertreter zu.2 Sind die während einer Anlaufphase geschaffenen Kapazitäten noch nicht ausgelastet, werden allerdings auch fremde Unternehmen sich bei Lieferungen und sonstigen Leistungen mit einem Deckungsbeitrag begnügen. Diese Umstände sind daher auch bei der Ermittlung des Fremdpreises für Warenlieferungen zwischen verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen.3

18.153

Bei der Anwendung insbesondere der Preisvergleichsmethode ist bei der Heranziehung von Fremdpreisen schließlich auch zu berücksichtigen, ob in den zwischen fremden dritten Unternehmen vereinbarten Preisen die Kosten der Werbung für das gelieferte Produkt einkalkuliert sind oder nicht. Das hängt letztlich davon ab, ob das Herstellerunternehmen und/ oder das Vertriebsunternehmen die entsprechenden Werbemaßnahmen veranlasst hat. Während die Werbung auf dem regionalen Absatzmarkt zumeist in der Hand des Vertriebsunternehmens liegt, wird die überregionale Werbung in der Regel vom Herstellerunternehmen veranlasst.4 Häufig werden seitens des Herstellerunternehmens die entsprechenden Werbeträger und Werbevorlagen allerdings auch für die regionale Werbung dem Vertriebsunternehmen zur Verfügung gestellt. Werden die Kosten der Werbung als gewerbliche Dienstleistungen nicht gesondert berechnet, so erfolgt deren Berücksichtigung im Rahmen der Preisgestaltung der zu liefernden Waren und Güter. Hierbei gilt zwar der Grundsatz, dass Kosten der Werbung von demjenigen Unternehmen zu tragen sind, für dessen Auf-

18.154

1 2 3 4

Rz. 294; Sieker, BB 1993, 2424 f.; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 (521); Schreiber, IStR 1994, 315 (317); inzwischen modifiziert durch BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; die 3-Jahresfrist gilt überdies nicht für Neugründungen, vgl. BFH v. 15.5.2002 – I R 92/00, BFH/NV 2002, 1538. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.5 (Verwaltungsgrundsätze 1983); hierzu Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, N Rz. 276. Bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. DIHT, Internationale Verrechnungspreise – DIHT-Planspiel, 18 ff. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 608.1; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 149.

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Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

gabenbereich Werbemaßnahmen durchgeführt werden;1 die Werbung steht aber meistens im gemeinsamen Interesse von Hersteller- und Vertriebsunternehmen, so dass der damit verbundene Aufwand bei beiden betrieblich veranlasst ist.2 Abzustellen ist letztlich auf die Branchenüblichkeit.3

18.155 Bei der Heranziehung von Fremdpreisen zwecks Anwendung der Preisvergleichsmethode bedarf es auch der Feststellung, ob diese Preise Bestandteile enthalten, die Nebenleistungen betreffen.4 So ist es üblich, dass neben den bereits erwähnten Werbekosten auch die Kosten für Forschung und Entwicklung entweder in den Preis der Güter und Waren einkalkuliert oder aber gesondert berechnet werden.5 Werden derartige Nebenleistungen im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten überwiegend mit dem Preis für die Güter und Waren abgegolten, so ist dennoch eine gesonderte Abrechnung dieser Nebenleistungen bei verbundenen Unternehmen nicht ausgeschlossen, sofern die Preise für die Waren und Güter entsprechend ausgestaltet sind.6

18.156 Bei der Ermittlung des Fremdpreises für Zwecke der Anwendung der Preisvergleichsmethode ist ferner zu berücksichtigen, in welcher Währung der Preis geschuldet wird. Dieser Problembereich ist unmittelbar mit der Frage verknüpft, wer das Währungsrisiko trägt. In der Praxis haben sich hierzu keine festen Regeln herausgebildet, weil beim Export von Waren in das Ausland seitens deutscher Unternehmen sowohl in Euro als auch in Auslandswährung fakturiert wird.7 Entsprechendes gilt für den Import. Da im internationalen Geschäft stets mit Währungsschwankungen in gewissen Bandbreiten zu rechnen ist, wird ein Währungsrisiko bei der Preisfestsetzung zumeist nicht gesondert berücksichtigt. Lediglich bei ganz außergewöhnlichen Wechselkursänderungen erfolgen Vertragsanpassungen unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.8 Diese Grundsätze gelten auch zwischen miteinander verbundenen Unternehmen. 1 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.3. (Verwaltungsgrundsätze 1983). 2 Baumhoff in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (41). 3 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 4 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 292. 5 Hierauf verweist BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.2., 3.1.2.3. (Verwaltungsgrundsätze). 6 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 326; Baumhoff in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (43); Portner in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 (90 f.); Flick, BB 1973, 286 ff.; einschränkend dagegen BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.3. (Verwaltungsgrundsätze). 7 Hierzu Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 296; ferner die Diskussionsbeiträge von Dreissig, Gundel, Treptow und Kleine in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 178 ff. 8 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 610.4; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 151 f.; Kroppen in Hdb. Internationale Verrechnungspreise, W Rz. 47.

1070

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Der angemessene Verrechnungspreis (Fremdpreis) für Warenlieferungen ist nicht nur Maßstab für Zwecke der Einkünfteabgrenzung, sondern auch Grundlage für die Ermittlung des Zollwertes.1 Die Angemessenheitsprüfung des für den Zollwert maßgeblichen sog. Transaktionswertes erfolgt durch ein weitgehend formalisiertes Verfahren, das sich am unbeeinflussten Wettbewerbspreis als Maßstab orientiert.2 Der für die Ermittlung des Zollwertes maßgebliche Vergleichsmaßstab entspricht daher dem Fremdpreis als Vergleichsmaßstab für Zwecke der internationalen Einkünfteabgrenzung. Aus diesem Grunde ist daher ein seitens der Zollverwaltung als angemessen akzeptierter Zollwert auch für die internationale Einkünfteabgrenzung von Bedeutung, ohne dass hier allerdings eine formelle wechselseitige Bindung besteht.3

18.157

d) Dienstleistungen Nach Maßgabe des Fremdvergleichs sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Dienstleistungen, insbesondere sog. Kontrollleistungen,4 grundsätzlich einkommensneutral. Sind hierfür gleichwohl Entgelte verrechnet worden, ist eine Einkünftekorrektur vorzunehmen. Zwischen international verbundenen Unternehmen können Dienstleistungen daher nur dann mit steuerlicher Wirksamkeit verrechnet werden, wenn diese betrieblich veranlasst sind.5 Eine derartige betriebliche Veranlassung ist regelmäßig dann zu verneinen, wenn die ausgetauschten Dienstleistungen zwischen fremden Dritten nicht möglich wären und somit ihre Ursachen allein im Gesellschaftsverhältnis haben.6 Ob eine betriebliche Veranlassung gegeben ist, beurteilt sich nach den allgemeinen für den Abzug von Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) maßgeblichen Grundsätzen.7 Beurteilungskriterien sind hierbei insbesondere das Interesse des Leistungsempfängers an der zu erbringenden Dienstleistung, der zu erwartende

1 Hierzu Reiche in Witte5, Art. 29 ZK Rz. 72 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Reiche in Witte5, Art. 29 ZK Rz. 80 ff.; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 171 ff.; Brezing DStJG 7 (1984), 339; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 34 ff.; Kroppen in Hdb. Internationale Verrechnungspreise, W Rz. 126 ff. 3 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 174; Kroppen in Hdb. Internationale Verrechnungspreise, W Rz. 126; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.5 (Verwaltungsgrundsätze). 4 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 329; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 137; Engler in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, O Rz. 40. 5 In diesen Fällen muss ein Entgelt berechnet werden, ein Wahlrecht besteht nicht; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 329; Baumhoff in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (32). 6 BFH v. 19.3.1969 – I R 31/67, BStBl. II 1969, 497; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 633.1; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 166 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1040. 7 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 634.

1071

18.158

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Vorteil sowie der Nutzen der Dienstleistung für den Leistungsempfänger.1

18.159 Zu den durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten und damit nicht verrechenbaren Leistungen2 gehören3 – der sog. Rückhalt im Konzern4 einschließlich des Rechts, den Konzernnamen zu führen,5 sowie der Vorteile, die sich allein aus der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Eingliederung in den Konzern ergeben,6 – die allgemeine nicht abgrenzbare Tätigkeit des Vorstandes, Aufsichtsrates sowie der Gesellschafterversammlungen der Muttergesellschaft,7 – die rechtliche Organisation des Konzerns als ganzem sowie die Produktions- und Investitionssteuerung im Gesamtkonzern,8 – Tätigkeiten, die Ausfluss der Gesellschafterstellung sind, einschließlich die allgemeine Organisation sowie die der Konzernspitze dienende allgemeine Kontrolle und Revision,9

1 Sog. „benefit test“; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 635.3 ff.; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 178 ff.; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.2.2 (Verwaltungsgrundsätze). 2 Nach der von Felix, StuW 1964, 19 ff. geprägten Terminologie allgemein als Kontroll- oder Regieleistungen bezeichnet. 3 Hierzu die Übersichten bei Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 636 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 741 f.; Engler in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, O Rz. 88 ff. 4 Im Sinne sog. passiver Konzernwirkungen, worunter Vorteile fallen, die sich bei völliger Passivität der Konzernleitung allein aus der Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund ergeben; z.B. erhöhte Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeit, Risikostreuung, günstigere Absatzmöglichkeiten; hierzu im Einzelnen Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 641. 5 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; anders bei Identität von Konzernname und Marke, hierzu Rz. 18.185. 6 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2.(Verwaltungsgrundsätze); demgegenüber differenzierend Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 636.1; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 329. 7 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. (Verwaltungsgrundsätze); konkrete Managementleistungen, etwa solche des Vorstandes der Muttergesellschaft für die Tochtergesellschaft, sind dagegen entgeltsfähig; Baumhoff in F/W/B,§ 1 AStG Rz. 637.4, 642; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 330. 8 BFH v. 19.3.1969 – I R 31/67, BStBl. II 1969, 497; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 636.2; zentrale Koordinationskosten sind allerdings dann entgeltsfähig, wenn die Tochtergesellschaft eigene Koordinationsaufgaben erspart, so dass im Rahmen eines Leistungsaustauschs erbrachte Koordinierungs- und Kontrollleistungen regionaler Konzernverwaltungsstellen verrechenbar sind; hierzu im Einzelnen Becker, DB 1984, 1847 ff.; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 331; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 642; BMF v. 24.8.1984, BStBl. I 1984, 458. 9 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 637.5, 643; werden dagegen etwa Revisionsleistungen auch im Interesse der Einzelgesellschaften erbracht, etwa wenn diese über

1072

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

– der Schutz und die Verwaltung der Beteiligung,1 – die Konzernführung und solche Führungsaufgaben nachgeordneter Unternehmen, die die Konzernspitze an sich gezogen hat, um ihre eigenen Führungsmaßnahmen besser vorbereiten, durchsetzen und kontrollieren zu können.2 Sind die seitens der Muttergesellschaft ggü. den Tochtergesellschaften erbrachten Dienstleistungen betrieblich veranlasst, ist eine Verrechenbarkeit ohne weiteres zu bejahen. Zu diesen verrechenbaren Dienstleistungen gehören insbesondere sog. Managementleistungen,3 etwa Investitions- und Finanzplanleistungen, und sog. Assistenzleistungen,4 etwa die Beratung in Steuer- und Rechtsangelegenheiten.5

18.160

In der Praxis international verbundener Unternehmen sind folgende Verrechnungsarten üblich:

18.161

– Verrechnung über Lieferpreise, – Umlagen, – Einzelabrechnung. Während eine Verrechnung über die Lieferpreise im Wesentlichen nur bei Nebenleistungen in Betracht kommt,6 stehen bei selbständigen Dienstleistungen die Einzelabrechnung und die Kostenumlage im Vordergrund.7

18.162

Bei der Umlage handelt es sich um eine pauschale Abrechnung betrieblich veranlasster Dienstleistungen innerhalb eines Konzerns auf Kostenbasis. Erfolgt die Umlage auf der Grundlage des Leistungsaustauschkonzeptes (Leistungsumlage), ist ein angemessener Gewinnaufschlag zu berechnen.8 Liegt ihr das Poolkonzept (Poolumlage) zugrunde, unterbleibt ein Gewinnaufschlag grundsätzlich.9 Poolumlagen für konzerninterne

18.163

1 2 3 4 5 6 7 8 9

keine eigene Innenrevision verfügen, ist eine Abrechnung ohne weiteres zulässig; hierzu Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 643. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. (Verwaltungsgrundsätze). BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. (Verwaltungsgrundsätze); dies gilt nur insoweit, als Zentralfunktionen wahrgenommen werden, anders dagegen bei Gliedfunktionen im Interesse der Tochtergesellschaft. Zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 330; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 637.3; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 160 ff. Zu Einzelheiten Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 627.1, 630.2; treffender ist der Begriff „verwaltungsbezogene Leistungen“. Vgl. hierzu die Tabelle über verrechenbare und nicht verrechenbare Dienstleistungen bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 741 f. und Theisen in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch4, 510 f. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 292; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 278 ff. Vgl. den Überblick bei Kaminski: S/K/K, § 1 AStG Rz. 147 ff. Hierzu Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 657. Zu Einzelheiten BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122 (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 657 ff.; Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 62 ff.

1073

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

Dienstleistungen sind sowohl national als auch international anerkannt.1 Unter dem Gesichtspunkt des für die internationale Einkünfteabgrenzung allein maßgeblichen Fremdvergleichs ist allerdings Voraussetzung, dass die betreffenden Konzernunternehmen insoweit nicht in einen Leistungsaustausch eintreten.2

18.164 Grundsätzlich werden fremde dritte Unternehmen Leistungen nur mit Gewinnerzielungsabsicht austauschen. Lediglich in Ausnahmefällen werden in der Praxis fremde dritte Unternehmen als gleichberechtigte Partner im gemeinsamen Interesse, auf gemeinsames Risiko und mit gemeinsamer Ertragschance in Form einer Kooperation3 einen gemeinsamen Zweck in Form der Erbringung und Nutzung von Dienstleistungen verfolgen. Nur in derartigen Fällen der Risikogemeinschaft werden Dienstleistungen ohne Gewinnaufschlag erbracht.4 Angesprochen sind dabei vor allem Dienstleistungsbereiche, die nicht zum hauptsächlichen Unternehmensgegenstand der betroffenen Unternehmen gehören und daher nur mit Schwierigkeiten einer Einzelabrechnung zugänglich sind.5 Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Dienstleistungen, deren den einzelnen Unternehmen zuzuordnenden Vorteile und Nutzen nur ungenau oder nur aufgrund einer Schätzung quantifiziert werden können, so etwa bei Dienstleistungen für die gemeinsame Verkaufsförderung, die gemeinsame Teilnahme an internationalen Messen und die gemeinsame Werbung in der internationalen Presse.6 Treten Unternehmen derartigen Umlagevereinbarungen später bei oder scheiden sie vorher aus, so wird unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs zwecks Ausgleichs von Vor- und Nachteilen die Zahlung von Eintritts- und Austrittsgeldern erforderlich sein.7

1 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 7 (Verwaltungsgrundsätze); OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen, Die Kosten zentralen Managements und zentraler Dienstleistungen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1984, Rz. 49 ff. 2 BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.4 Abs. 1 (Verwaltungsgrundsätze Unmlageverträge). 3 Nach deutschem Recht: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die als Innengesellschaft nach außen nicht auftritt. 4 Tatsächlich wird auf einen Gewinnaufschlag nur deshalb verzichtet, weil jeder der Beteiligten zu einer entsprechenden Leistung herangezogen wird; hierzu Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 62 (69 f.). 5 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 1045 f. 6 OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen, Die Kosten zentralen Managements und zentraler Dienstleistungen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1984, Rz. 59. 7 BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 4.1, 4.2 (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge); zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 338; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 676 ff.; Piltz in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 62 (74).

1074

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

In allen übrigen Fällen wird eine Leistungsumlage (Gewinnaufschlag) allenfalls aus Praktikabilitätserwägungen, etwa wenn die Erstellung von Einzelabrechnungen mit unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand verbunden ist, gerechtfertigt sein.1

18.165

In der Praxis internationaler Konzerne herrscht die Einzelabrechnung vor. Soweit sie sich rechtlich selbständiger Konzern-Dienstleistungsgesellschaften sowie Kontroll- und Koordinationsstellen2 bedienen, werden die Kosten nicht selten auf der Grundlage eines Umlagesystems zzgl. eines Gewinnaufschlags in Rechnung gestellt.3 Es handelt sich hierbei um ein auch zwischen fremden dritten Unternehmen durchaus gängiges pauschaliertes Abrechnungssystem, das der Kostenaufschlagsmethode entspricht. Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs ist daher diese Verrechnungsart ohne weiteres zulässig.

18.166

Um eine verursachungsgerechte und leistungsentsprechende Zuordnung umlagerelevanter Kosten vornehmen zu können, kommen aus betriebswirtschaftlicher Sicht besondere Aufteilungsschlüssel in Betracht, die sich am

18.167

– Kostenverursachungsprinzip, – Leistungsentsprechungsprinzip sowie am – Kostentragfähigkeitsprinzip orientieren,4 wobei aus steuerlichen Gründen unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs die Anwendung des Kostentragfähigkeitsprinzips ausscheidet. In der internationalen Praxis wird allerdings aus Gründen der Praktikabilität den Kostenumlagen überwiegend der Umsatz als maßgeblicher Aufteilungsschlüssel zugrunde gelegt.5 Da der Umsatzschlüssel aber mitunter zu nicht sachgerechten Ergebnissen führt, finden auch andere Aufteilungsschlüssel Verwendung, wie etwa die Wertschöpfung, 1 OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen, Die Kosten zentralen Managements und zentraler Dienstleistungen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1984, Rz. 60; BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1 (Verwaltungsgrundsätze Umlagevermögen); zu dieser Vereinfachungsfunktion der Umlage Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 148, 472 ff.; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 657; eine Umlage insoweit verneinend Vögele, DB 2000, 297 (297). 2 Hierzu Wurm in Fischer, Internationaler Unternehmenskauf und -zusammenschluss im Steuerrecht, 41 ff.; Becker, DB 1984, 1847 ff.; BMF v. 24.8.1984, BStBl. I 1984, 458. 3 Hierzu Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 668.3: üblicher Gewinnaufschlag 5 Prozent bis 10 Prozent auf die gesamten direkten und indirekten Kosten. 4 Zur Terminologie und zu Einzelheiten Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 669.8 ff.; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 269 ff.; vgl. ferner Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung6, 744 f. 5 Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 142; Baumhoff in F/W/B § 1 AStG Rz. 669.3; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 268 f.; Schröder, StBp. 1981, 6 (13); BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 3.2 Abs. 2 (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge): Ermessen des Geschäftsleiters.

1075

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

der Gewinn, die Lohnsumme, das Betriebskapital, das Investitionskapital, das Vermögen, die Materialkosten oder die Maschinenstunden.1

18.168 Die Grundlage für die Umlage bildet in der Praxis in aller Regel ein Umlagevertrag.2 Aus Gründen des deutschen Steuerrechts bedarf es eines klaren und von vornherein abgeschlossenen Umlagevertrages nur dann, wenn Vertragspartner des Umlagevertrages ein beherrschender Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person ist.3 In allen übrigen Fällen können Kostenumlagen auch bei Fehlen einer im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung steuerlich anerkannt werden.4

18.169 In der internationalen Praxis werden allerdings schon aus Beweisgründen schriftliche Umlageverträge abgeschlossen. Darüber hinaus werden Regelungen derartiger schriftlicher Umlageverträge mitunter auch zum Gegenstand einer verbindlichen Auskunft seitens der Finanzverwaltung gemacht. Hinsichtlich des Vertragsinhalts haben sich Standards herausgebildet, die internationale Akzeptanz gefunden haben.5

18.170 Die Einzelabrechnung trägt in besonderem Maße dem dealing at arm’s length-Prinzip Rechnung. Es handelt sich nämlich hierbei um diejenige Abrechnungsart, die zwischen fremden Dritten allgemein üblich ist. Da Dienstleistungen in aller Regel vom Leistungsempfänger für eigene Zwecke endgültig in Anspruch genommen und nicht weitergegeben werden, bedarf es im Rahmen des Fremdvergleichs grundsätzlich keiner Prüfung, auf welcher Stufe die Dienstleistungen erbracht werden.6 Ausnahmen sind lediglich die Weitergabe von Nutzungsrechten an immateriellen Wirtschaftsgütern durch Unterlizenzverträge, die Weitervermietung von Wirtschaftsgütern im Wege der Untervermietung und die Weiterveräußerung von Software sowie die Weitergabe von Leistungen auf den Gebieten der Versicherung und des Transports.7

18.171 Die Einzelabrechnung orientiert sich entsprechend den allgemeinen Grundsätzen durchweg an den drei Standardmethoden. Die Preisver1 BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 3.2 Abs. 2. (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge). 2 Zur zivilrechtlichen Qualifikation Klessmann, DB 1971, 349 ff.; vgl. Mustervertrag bei Hahn in Formularbuch Recht und Steuern6, A. 10.06 mit Erläuterungen zum Zivil- und Steuerrecht; zum Inhalt eines Umlagevertrages im Einzelnen Engler in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, O Rz. 285 ff. 3 BFH v. 23.9.1970 – I R 116/66, BStBl. II 1971, 64; v. 1.10.1986 – I R 54/83, BStBl. II 1987, 459; v. 29.4.1987 – I R 192/82, BStBl. II 1987, 797; v. 2.3.1988 – I R 103/86, BStBl. II 1988, 786; v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 4 Dagegen stets einen im Voraus getroffenen Umlagevertrag verlangend BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.3, 5.1. (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge); vgl. aber in Abkommensfällen Rz. 16.293. 5 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 659.3; vgl. auch BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 5.1.1. (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge). 6 Anders dagegen bei Warenlieferungen; hierzu Rz. 18.152. 7 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.2.1. (Verwaltungsgrundsätze).

1076

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

gleichsmethode steht im Vordergrund insbesondere bei marktgängigen Dienstleistungen, etwa für Transport- und Versicherungsleistungen, Franchising, Leasing, Miete und für Leistungen, die üblicherweise von Freiberuflern erbracht werden.1 Im Hinblick darauf können etwa Leistungen der Rechts- und Steuerabteilungen sowie der Bauabteilungen innerhalb grenzüberschreitender Konzerne nach Maßgabe der hierfür geltenden gesetzlichen Gebührenordnungen abgerechnet werden.2 Für individuelle Dienstleistungen steht dagegen die Kostenaufschlagsmethode im Vordergrund. Dies gilt insbesondere für konzerninterne Pachtverhältnisse, bei denen der angemessene Pachtzins zumeist kalkulatorisch ermittelt wird.3 In Ausrichtung an die bei fremden Unternehmen übliche Kalkulationspraxis können die Entgelte für Dienstleistungen zwischen miteinander verkehrenden Unternehmen auf der Grundlage von Plankosten, Normalkosten oder Istkosten berechnet werden,4 wobei Plan- und Normalkosten nur bei einem gleich bleibenden und wiederholten Leistungsaustausch sachgerecht sind.5 Schließlich muss die Berechnung des angemessenen Entgelts für Dienstleistungen nicht stets auf Vollkostenbasis erfolgen. Der Ansatz von Teilkosten ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die Marktverhältnisse die Erzielung von Vollkosten zzgl. eines Gewinnaufschlags nicht zulassen. In diesem Fall würden auch fremde Dritte zu Teilkosten leisten.6 Darüber hinaus kommen Teilkosten aber auch in betrieblichen Sondersituationen in Betracht, etwa bei Auslastung ungenutzter Restkapazitäten oder bei ungünstiger Kostenstruktur.7

18.172

Die Einzelabrechnung konzerninterner Dienstleistungen kann schon dann erfolgen, wenn die entsprechenden Dienstleistungen den verbundenen Unternehmen abrufbereit zur Verfügung gestellt werden.8 Voraussetzung ist, dass das Recht auf die jederzeitige Inanspruchnahme dieser Dienstleistung gesichert ist, die Leistungsbereitschaft tatsächlich besteht und die angebotene Dienstleistung im Falle ihrer Inanspruchnahme betrieblich veranlasst wäre.9 Da auch zwischen fremden Dritten insbesondere bei der Inanspruchnahme ganzer Dienstleistungspakete Pauschal-

18.173

1 Hierzu die Übersicht bei Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 654. 2 BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801; in der Praxis die Ausnahme. 3 Zu Einzelheiten Sieker in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 323; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 166 ff. 4 Zu Einzelheiten Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 486 ff. 5 Baumhoff in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 29 (39). 6 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 251; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 512; Jonas, DStR 1983, 218 (220). 7 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 251; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 514. 8 Zur Verrechenbarkeit derartiger on call-Leistungen BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.1. Beispiel 5 (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 640; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 547 ff. 9 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 548.

1077

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

entgelte vereinbart werden, ist eine derartige pauschalierte Abrechnung unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs auch zwischen miteinander verbundenen Unternehmen nicht zu beanstanden.1 e) Finanzierungsleistungen

18.174 Entgelte für Finanzierungsleistungen können unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs zwischen international verbundenen Unternehmen mit steuerlicher Wirkung nur dann verrechnet werden, wenn die Finanzierungsleistungen betrieblich veranlasst sind. Hieraus folgt, dass etwa dem Konzern gewidmetes Eigenkapital nicht entgeltsfähig ist. Ob Eigenoder Fremdkapital gewidmet worden ist, beurteilt sich danach, ob das Kapital auf schuldrechtlicher oder auf gesellschaftsrechtlicher Ebene hingegeben worden ist. Handelt es sich um Fremdkapital sind im Grundsatz Zinsen zu verrechnen, wobei die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe nur im Rahmen der Zinsschranke (§ 8a KStG, § 4h EStG) möglich ist.2

18.175 Die Berechnung der Entgelte für zwischen international verbundenen Unternehmen ausgetauschten Finanzierungsleistungen orientiert sich, soweit es sich um Kreditgewährungen handelt, durchweg an der Preisvergleichsmethode. Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs folgt hieraus, dass für die Hingabe von Darlehen diejenigen Zinssätze zugrunde zu legen sind, wie sie zwischen fremden Dritten vereinbart werden. Hiernach gilt folgendes: Hat die darlehensgebende Kapitalgesellschaft selbst einen Kredit aufgenommen, so bemisst sich der angemessene Zinssatz nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass die hingegebenen Darlehensbeträge andernfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wären.3 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bilden die banküblichen Habenzinsen die Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze.4 Betreibt die darlehensgebende Kapitalgesellschaft keine Bankgeschäfte und ist sie deshalb auch nicht mit dem damit verbundenen Aufwand belastet, sind nicht die banküblichen Sollzinsen5 zugrunde zu legen, sondern es ist davon auszugehen, dass sich Darlehensgeber und Darlehensnehmer die

1 Zu Einzelheiten Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 640. 2 Ggf. ergeben sich auch Einschränkungen nach dem SteuerHBekG/SteuerHBekV. 3 Hierzu unter dem Gesichtspunkt der verhinderten Vermögensmehrung bei verdeckter Gewinnausschüttung BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; vgl. auch Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 743.2. 4 BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 743 ff.; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 45 (55). 5 So aber BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.1. (Verwaltungsgrundsätze); vgl. zur Kritik gegen diese Verwaltungsregelung Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 176; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 738; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 447; Maenner, StBp. 1987, 38 ff.

1078

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

Marge zwischen Sollzinsen einerseits und Habenzinsen andererseits teilen.1 Das bedeutet, dass bei international verbundenen Kapitalgesellschaften 18.176 die für die Hingabe von Darlehen vereinbarten Zinsen dann angemessen sind, wenn sie sich in den vorgenannten Zinsbändern2 bewegen. Im Einzelfall können daher auch die Habenzinsen, etwa solche für Drei-Monats-Festgelder, angemessen sein.3 Ist der Darlehensgeber zugleich beherrschender Gesellschafter, ist ein Zinszuschlag wegen fehlender Sicherheiten nicht erforderlich.4 In allen anderen Fällen ist der Mangel einer ausreichenden Besicherung zinserhöhend zu berücksichtigen.5 Bei Krediten in ausländischer Währung ist der Währungszins maßgebend, so dass die Zinssätze im Währungsgebiet der jeweils vereinbarten Währung heranzuziehen sind.6 Da die Währungsrisiken sich üblicherweise bereits in der Höhe des Marktzinses niederschlagen und regelmäßig den Kursrisiken auch Kurschancen gegenüberstehen, werden zwischen fremden Dritten die Kosten von Kurssicherungsmaßnahmen nicht noch zusätzlich in Rechnung gestellt. Dementsprechend zählen diese Kosten auch nicht zu den Finanzierungskosten, die zwischen international verbundenen Unternehmen verrechenbar sind.7

18.177

Soweit die Kreditgewährung keine selbständige Leistung darstellt, sondern etwa als Warenkredit gewährt wird, kommt es in Abhängigkeit vom Warenpreis darauf an, ob es handelsüblichen Grundsätzen entspricht, zusätzlich Zinsen in Rechnung zu stellen.8 Abzustellen ist hierbei auf das marktübliche Zahlungsziel derartiger Geschäfte.

18.178

1 BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/93, HFR 1994, 455. 2 Hierzu Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 743; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 450; Borstell/Wellens in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, Q Rz. 62 ff.; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 177; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 45 (55); Maenner, StBp. 1987, 38 (39). 3 BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; im Ergebnis ebenso Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 743.3; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 177. 4 Begründung: Die gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten stehen einer Besicherung gleich; BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, IStR 1995, 330 mit Anm. FW; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 742; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG, Rz. 449. 5 BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, HFR 1994, 455. 6 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.3. (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 744; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 178; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 45 (56); Reimann, BB 1981, 1145 ff. 7 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 745. 8 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.3. (Verwaltungsgrundsätze).

1079

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

18.179 Soweit die Übernahme von Bürgschaften für eine verbundene Gesellschaft betrieblich veranlasst ist,1 sind Bürgschaftsprovisionen unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs verrechenbar. Bürgschaftsprovisionen sind allerdings dann nicht verrechenbar, wenn sie Ausdruck des Rückhalts im Konzern2 darstellen3 und lediglich dazu dienen, die wirtschaftliche Stärke des gesamten Unternehmensverbundes zu dokumentieren, wie dies insbesondere bei sog. weichen Patronatserklärungen der Fall ist.4 Bürgschaften für spezielle geschäftliche Transaktionen im Unternehmensverbund sind dagegen stets entgeltpflichtig.5 Bankübliche Provisionssätze stellen die obere Grenze des auch bei Bürgschaftsprovisionen üblichen Angemessenheitsrahmens dar.6

18.180 Für sonstige Finanzdienstleistungen, z.B. Factoring, Cash- und Devisenmanagement, steht die Kostenaufschlagsmethode im Vordergrund.7 f) Forschungsleistungen

18.181 In der internationalen Praxis wird der grenzüberschreitende Technologietransfer unterschiedlich abgerechnet. Während die Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter, etwa die Nutzungsüberlassung von Patenten, Know-how sowie Schutzrechtsüberlassungen zumeist nach festen Lizenzsätzen8 nach Maßgabe der Preisvergleichsmethode abgerechnet wer-

1 Hierzu BFH v. 19.3.1975 – I R 173/73, BStBl. II 1975, 614; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.4.1. (Verwaltungsgrundsätze). 2 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 742; vgl. hierzu auch Rz. 18.159. 3 Dass es sich gem. § 1 Abs. 5 AStG um eine Geschäftbeziehung handeln könnte, spielt keine Rolle; a.A. die Praxis der Finanzverwaltung. 4 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 319; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 180; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 763; vgl. auch BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; Nichtanwendungserlass: BMF v. 17.10.2002, BStBl. I 2002, 1025; vgl. § 1 Abs. 5 AStG, wonach insoweit allerdings eine Geschäftsbeziehung gegeben ist (Fassung seit StVergAbG v. 16.5.2003). 5 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 ist durch § 1 Abs. 5 AStG insoweit überholt; vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 694 f., dort auch zur Kritik an dieser Regelung; vgl. auch Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 67 ff. 6 In der Praxis der Betriebsprüfung werden zumeist niedrigere Sätze (1/8 Prozent – ¼ Prozent) akzeptiert; vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 319; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 767; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 45 (59); auf höhere Prozentsätze hinweisend Amelung, IStR 2003, 250 (251); Amelung in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 71 (79). 7 Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 770 ff.; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise, 45 (53); dort (S. 60 ff.) auch zu weiteren Problemen im Zusammenhang mit Factoring, Cash- und Devisenmanagement. 8 Eine Übersicht über marktübliche Lizenzsätze gibt Böcker, StBp. 1991, 73 (82 f.); Groß, BB 1998, 1321 (1323 ff.); in der Praxis werden vergleichbare Lizenzsätze auf Grund von Informationen aus allgemein zugänglichen Datenbanken ermittelt; zur Verwertbarkeit im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation (§ 90

1080

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

den,1 steht bei der Auftragsforschung die Kostenaufschlagsmethode im Vordergrund.2 In den Fällen, in denen die angemessene Lizenzgebühr für die Überlassung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter zur Nutzung auf der Grundlage des hypothetischen Fremdvergleichs (Rz. 18.131 ff.) ermittelt wurde, bedarf es einer nachträglichen Anpassung derselben, wenn die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung von derjenigen abweicht, die der Lizenzvereinbarung zugrunde lag (§ 1 Abs. 3 Satz 11 AStG).3 Das gilt allerdings dann nicht, wenn Lizenzvereinbarungen getroffen werden, die die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen (§ 9 FVerlV).4

18.182

Soweit die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Lieferungen oder sonstigen Leistungen steht, werden die entsprechenden Nutzungsentgelte im Preis der Lieferungen oder Leistungen mit abgegolten, so dass eine gesonderte Abrechnung insoweit ausgeschlossen ist.5 Wird der grenzüberschreitende Technologietransfer dagegen gesondert abgerechnet, sind Lizenzgebühren auf der Bemessungsgrundlage von Umsatz und Menge ebenso üblich wie in Festbeträgen ausgedrückte pauschalierte Lizenzgebühren und Einmalbeträge. Diese Grundsätze gelten auch für den Technologietransfer zwischen international verbundenen Unternehmen.

18.183

Während den Einzelabrechnungen allgemein der Vorzug gegeben wird, werden Forschungs- und Entwicklungskosten einschließlich der Kosten für die Grundlagenforschung auch mittels Umlagen verrechnet, wenn die beteiligten Unternehmen im gemeinsamen Interesse und für gemeinschaftliches Risiko insoweit einen Pool bilden.6

18.184

Zu den zwischen international verbundenen Unternehmen verrechenbaren Leistungen gehören vor allem die Nutzungsüberlassung von ge-

18.185

1

2 3 4 5 6

Abs. 3 Satz 2 AO, § 1 Abs. 1, 3 (GAufzV) vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.4 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1. (Verwaltungsgrundsätze); Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 304; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 709 ff.; Portner in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 (91 ff.). BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.2.; 5.3. (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 718.3; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 190 f. Zu dieser Anpassungsklausel Schaumburg, IStR 2009, 877 ff.; ferner Rz. 18.148. Hierzu Schaumburg, IStR 2009, 877 (881). BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.2 (Verwaltungsgrundsätze 1983); Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 302. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 720.3 f.; BMF v. 30.12.1999, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.1 Abs. 2 (Verwaltungsgrundsätze Umlageverträge); zu Einzelheiten Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise2, P Rz. 101 ff.

1081

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

werblichen Schutzrechten (Patenten, Gebrauchsmustern und Marken), von Geschmacksmusterrechten, Urheberrechten, nicht geschütztem Know-how sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.1 Das gilt auch für die Überlassung von Konzernmarken, und zwar ggf. auch dann, wenn sie Bestandteil des einheitlichen Konzernnamens sind.2

18.186 Die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist bei international verbundenen Unternehmen auch dann entgeltsfähig, wenn diese nicht unmittelbar selbst genutzt werden, die Inanspruchnahme vielmehr für Zwecke der Sperrwirkung (sog. Vorrats- und Sperrpatente) erfolgt.3 Für die Entgeltsfähigkeit reicht es aus, dass von der Konzernspitze oder von der betreffenden Konzernforschungsgesellschaft ein Bestand an immateriellen Wirtschaftsgütern vorgehalten wird, deren Nutzung von den einzelnen Konzernunternehmen jederzeit abgerufen werden kann.4

18.187 Für die Bestimmung des angemessenen Entgelts (Lizenzgebühr) steht zwar die Preisvergleichsmethode im Vordergrund, in der Praxis ist deren Anwendbarkeit aber durch Informationsdefizite stark eingeschränkt: Statistisches Material über Lizenzgebühren liegt nur in begrenztem Maße vor und ist zudem durch große Bandbreiten gekennzeichnet.5 Auf die beim Bundeszentralamt für Steuern geführte Lizenzkartei, eine Datensammlung der durch die Außenprüfung zusammengetragenen Lizenzvergütungen,6 haben Steuerpflichtige schließlich keinen Zugriff.7 Im Hinblick darauf behilft man sich in der Praxis nicht selten mit der sog. „Knoppe-Formel“,8 wonach dem Lizenzgeber an den erwarteten Gewinnen des Lizenznehmers aus der Nutzung des lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgutes ein Anteil von 25 Prozent bis 33 1/3 Prozent als Lizenzgebühr zusteht.9 Dem entspricht die betriebswirtschaftliche Erkenntnis, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des Lizenznehmers nur bereit sein wird, einen Teil der durch die Hereinnahme der Leis1 Zur Abgrenzung zwischen Nutzungsüberlassung und Übertragung Portner in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 (80 ff.). 2 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 302; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 703.2. 3 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1. (Verwaltungsgrundsätze); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 703.1. 4 Zu diesen on call-Leistungen Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 640. 5 Vgl. die Veröffentlichungen durch Böcker, StBp. 1991, 73 (82 f.); Groß, BB 1998, 1321 (1323 ff.); vgl. auch die Übersicht bei Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise2, P Rz. 382 ff., 389 ff. 6 Deren Verwendung für Zwecke der Außenprüfung ist rechtmäßig; BFH v. 27.10.1993 – I R 25/92, BStBl. II 1994, 210; vgl. auch § 88a AO. 7 Gegen diese „Geheimniskrämerei“ zu Recht Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 305; Portner in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 (93 f.). 8 Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge2, 102. 9 Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 309; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 715.2; Portner, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 (97).

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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

tungen des Lizenzgebers eingetretenen Ertragsveränderungen abzugelten.1 5. Vorwegauskünfte (Vorabverständigungsverfahren) Eine Einkünftekorrektur als Folge insbesondere einer seitens der Finanzverwaltung durchgeführten Angemessenheitsprüfung erfolgt im Grundsatz stets nur unilateral. Derartige unilaterale Einkünftekorrekturen sind daher auf Doppelbesteuerung angelegt, und zwar auch dann, wenn DBA eingreifen. Die Gründe hierfür sind darin zu sehen, dass – die Standardmethoden zwar allgemein akzeptiert, aber dennoch unterschiedlich angewendet werden, – über die Standardmethoden hinaus auch andere Methoden zur Anwendung kommen, die nicht transaktionsbezogen insbesondere auf einen Preisvergleich bestimmter Geschäftsvorfälle oder Geschäftsbeziehungen, sondern als Gewinnvergleichsmethode oder Globalmethode auf einen Vergleich oder eine Aufteilung zusammengefasster Periodenergebnisse abstellen,2 – Schrankenwirkungen der bilateralen Einkünftekorrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) ggü. den unilateralen Einkünftekorrekturnormen nicht durchgängig akzeptiert werden,3 – Gegenberichtigungen (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA) abkommensrechtlich nur selten4 und Sekundärberichtigungen5 überhaupt nicht geregelt sind, – abkommensrechtlich vorgesehene Verständigungs- und Konsultationsverfahren (Art. 25 OECD-MA) wegen der geringen rechtsförmlichen Ausprägung keinen ausreichenden Schutz gegen eine Doppelbesteuerung gewähren (Rz. 16.88 ff.), – abkommensrechtliche Schiedsverfahren singulär sind,6 – die Schiedsverfahrenskonvention7 nur für die EU gilt und 1 Hierzu im Einzelnen Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 (110 ff.). 2 Diese in den USA gebräuchlichen Methoden sind mit dem transaktionsbezogenen in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verankerten dealing at arm’s lenght-Prinzip nicht ohne weiteres vereinbar; OECD-RL 1995, Rz. 3.1, 3.61 ff.; hierzu auch die Presseerklärung des BMF v. 13.7.1995, IStR 1995, 384 sowie Runge, IStR 1995, 505; vgl. Rz. 18.142. 3 So z.B. nicht von der deutschen Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.2.1 (Verwaltungsgrundsätze); zu Einzelheiten Rz. 16.292 f. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 181. 5 Hierzu Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 178 f.; ferner Rz. 16.322. 6 Vgl. die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 250. 7 EU-Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Gewinnberichtigung zwischen verbundenen Unternehmen, 90/436/EWG, ABl. EG Nr. L 225/10 v. 20.8.1990; ABl. Nr. 2005/C 160/01 v. 30.6.2005; Gesetz zu dem Übereinkommen vom 23.7.1990 über die Beseitigung von Doppelbesteuerung im Fal-

1083

18.188

Kapitel 18 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung

– Streitbeilegungsverfahren nach Welthandelsrecht1 und Investitionsschutzverträgen2 für das Steuerrecht kaum Bedeutung haben.

18.189 Im Hinblick auf diese Defizite gewinnen auf die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gerichtete unilaterale, bilaterale und multilaterale Vorwegauskünfte Bedeutung, um so vorab Verrechnungspreisgestaltungen international verbundener Unternehmen abzusichern. Für Vorabverständigungsverfahren enthalten die von Deutschland abgeschlossenen DBA zwar keine besonderen Regeln, deren Zulässigkeit ist aber von § 178a AO3 unterstellt. Bilaterale und multilaterale Vorwegauskünfte (Vorabverständigungsverfahren) sind als advance pricing agreements (APAs) international gebräuchlich.

18.190 Jenseits der im deutschen Steuerrecht geregelten spezifischen Vorwegauskünfte4 können verbindliche Auskünfte (Zusagen) in jedem Stadium des Verfahrens erteilt werden (§ 89 Abs. 2 AO). Diese in § 89 Abs. 2 AO speziell geregelte unilaterale Vorwegauskunft ist auch für den Bereich der Verrechnungspreisgestaltungen international verbundener Unternehmen möglich.5 Da es bei diesen Vorwegauskünften nicht um unverbindliche Beurteilungen eines abstrakten Sachverhaltes, sondern um die Lösung spezieller Einzelfallprobleme geht, sind unilaterale Vorwegauskünfte im Zusammenhang mit Verrechnungspreisgestaltungen stets verbindlich, so dass sie als zukunftsorientierte hoheitliche Selbstverpflichtung der Finanzverwaltung im Sinne einer Zusage zu qualifizieren sind.6 Auf die Erteilung unilateraler Vorwegauskünfte, die sich im Wesentlichen auf die Verrechnungspreismethoden (Standardmethoden) bezieht,7 besteht zwar grundsätzlich kein Anspruch. Sind aber die gesetzlichen und zudem die seitens der Finanzverwaltung selbst gesetzten Voraussetzungen8 für die Erteilung der Vorwegauskunft erfüllt,9 so erfolgt eine Ermessenseinen-

1 2 3 4 5

6 7 8 9

le von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen vom 26.8.1993, BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818); hierzu Rz. 16.114 ff. Hierzu der Überblick bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 355 ff.; Schön, RIW 2004, 50 ff. Hierzu der Überblick bei Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 358 ff.; Happ, IStR 2006, 649 ff. Kostenregelung. Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG), Tarifauskunft (Art. 12 Zollkodex), verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO und die verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung (§§ 204–207 AO). Einschränkend für verdeckte Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, 26, Rz. 3.5.4; zur Kritik mit Hinweis auf die fehlende Abstimmung mit § 178a AO; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 42. Zur Frage der Bindungswirkung als Verwaltungsakt oder über Treu und Glauben im Einzelnen Seer in T/K, § 89 AO Rz. 24 ff. Hierzu Portner in Herzig, Advance Pricing Agreements (APAs), 13 (19 ff.). BMF v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, 26. Zuständig ist das örtliche Finanzamt.

1084

D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften

gung dahingehend, dass die Vorwegauskunft zu erteilen ist.1 Die Vorwegauskunft bindet nur die Finanzverwaltung, nicht aber den Steuerpflichtigen.2 Die Kostenpflicht ergibt sich aus § 89 Abs. 3–5 AO. Das Interesse wird indessen in aller Regel auf eine bilaterale oder gar multilaterale Vorwegauskunft (Vorabverständigungsverfahren) gerichtet sein. Das bedeutet, dass in derartigen Fällen die deutsche Finanzverwaltung nur im Zusammenwirken mit ausländischen Finanzverwaltungen verrechnungspreisbezogene Vorwegauskünfte erteilen kann. Zur Rechtsgrundlage und weiteren Einzelheiten von Vorabverständigungsverfahren Rz. 16.104 ff.

1 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 40; Bruschke, DStZ 2007, 267 (268); Portner in Herzig (Hrsg.), Advance Pricing Agreements (APAs), 13 (21); a.A. Krabbe, DB 1987, 2067 (2067); Runge in Herzig (Hrsg.), Advance Pricing Agreements (APAs), 43 (43 f.) mit Hinweis darauf, dass die für Verrechnungspreise zu erteilende Vorwegauskunft erhebliche Ermittlungen der Finanzverwaltung auslöst. 2 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 29.

1085

18.191

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung A. Grundsätze Literatur Bilsdorfer, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung, Bielefeld 1988; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, Herne/Berlin 1995; Coats, Simultaneous Examinations and Spontaneous Exchanges of Information, TNI 1984, 74; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1990; Grothe, Grenzen der steuerlichen Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörden bei Auslandsbeziehungen, StbJb 1988/89, 345; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Köln 2004; Ritter, Schutzbedürftige Interessen der Steuerpflichtigen beim Internationalen Auskunftsverkehr, in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, München 1987, 17; Roth, Bericht über eine Simultanprüfung Deutschland-USA, in Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, Köln 1997; Runge, International koordinierte Außenprüfungen, Intertax 1980, 182; Schaumburg, Auslandssachverhalte in der Betriebsprüfung aus Beratersicht, in Kuckhoff/Schaumburg/Wassermeyer, Auslandssachverhalte in der Betriebsprüfung, Bonn 1997, 18; Schaumburg/Schaumburg, Der Zeuge im Ausland, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 989; Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, Köln 1996; Spatschek/Alvermann, Steuerfahndung ohne Grenzen?, IStR 2001, 33; Stahlschmidt/Laws, Hdb. des Auskunftsverkehrs in Steuersachen, Berlin 2009; Strunk, Länderübergreifende Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen – Neue Gefahren durch simultane Betriebsprüfungen?, StBp. 1993, 145; Turro, OECD issues model agreement for simultaneous examinations, TNI 1992, 759.

19.1 Nach § 88 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt für inländische und ausländische Sachverhalte gleichermaßen. Die Sachaufklärung ist darauf gerichtet, zu ermitteln, ob eine Steuerschuld entstanden ist, Steuern verkürzt oder zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen oder Steuervergütungen zu Unrecht gewährt oder versagt worden sind (§ 85 AO). Abstrakte Anhaltspunkte hierfür genügen. Mit dieser Sachaufklärungspflicht von Amts wegen, als Amtsermittlungsgrundsatz oder Untersuchungsgrundsatz bezeichnet, korrespondieren Mitwirkungspflichten der Beteiligten, ohne dass diese die Sachaufklärungspflicht der Finanzbehörden suspendieren.1 Die Sachaufklärungspflicht ermächtigt die Finanzbehörden zu Sachaufklärungsmaßnahmen2 innerhalb der gesetzlichen Schrankenwirkungen. Derartige Schrankenwirkungen setzt auch das Völkerrecht. Zu den völ1 Seer in T/K, § 88 AO Rz. 1 f.; § 90 Rz. 1 mit Hinweis auf die sog. Kooperationsmaxime. 2 Allgemein dazu Bilsdorfer, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung.

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A. Grundsätze

kerrechtlich garantierten Rechtspositionen eines Staates1 gehört auch dessen Anspruch darauf, dass jeder andere Staat seine Gebietshoheit respektiert2 mit der Folge, dass ein Staat auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung keine Hoheitsakte setzen darf.3 Hieraus folgt das Verbot, auf fremdem Hoheitsgebiet Außenprüfungen, Fahndungsmaßnahmen und sonstige Ermittlungen oder Sachaufklärungsmaßnahmen durchzuführen.4 Soweit derartige Maßnahmen im Ausland erforderlich sind, bedarf es der Inanspruchnahme der Amts- oder Rechtshilfe des betreffenden anderen Staates. Das gilt auch innerhalb der EU. Da völkerrechtswidrig lediglich Maßnahmen auf fremdem Hoheitsgebiet sind, ist zu unterscheiden zwischen der völkerrechtlichen Unbedenklichkeit des Inhalts eines etwa übermittelten Schriftstücks einerseits und der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Übermittlungsvorgangs als solchem andererseits.5 Hieraus folgt: Die formlose Benachrichtigung über bestimmte Vorgänge ohne Verknüpfung von Rechtsfolgen sind als Tätigwerden unterhalb der Schranken hoheitlichen Handelns6 ohne weiteres zulässig.7 Die formlose Übermittlung von Verwaltungsakten, etwa von Steuerbescheiden, ist dagegen auf unmittelbare Rechtsfolgen gerichtet und daher ohne Zustimmung des in seinen Souveränitätsrechten betroffenen Staates unzulässig.8 Einige Staaten haben sich mit der Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten durch einfachen Brief – auch an Bevollmächtigte9 – allerdings ausdrücklich einverstanden erklärt.10 Die förmliche Postzustellung ist dagegen als hoheitliche Maßnahme grundsätzlich

1 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 186 ff. 2 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 187. 3 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (373); BFH v. 11.2.1959 – II 15/58 U, BStBl. III 1959, 181; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 277; Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 187 ff.; Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 85 ff.; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 2. 4 Hierzu Spatschek/Alvermann, IStR 2001, 33 ff. 5 Schaumburg/Schaumburg in FS Flick, 989 (992). 6 Informales Verwaltungshandeln; hierzu Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, 51 ff. 7 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 277; Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 69. 8 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (372 f.); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 277; Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 16; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 31; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 43; dagegen halten die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten durch einfachen Brief im Ausland ohne weiteres für zulässig Seer in T/K, § 117 AO Rz. 2; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 3. 9 BFH v. 1.2.2000 – VII R 49/99, BStBl. II 2000, 334. 10 Hierzu die Länderübersicht von Tipke in T/K, § 122 AO Rz. 48; demgegenüber hält das BMF eine grenzüberschreitende Bekanntgabe nur dann für unzulässig, wenn der andere Staat einer solchen ausdrücklich widersprochen hat; vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) Nr. 1.8.4.; 3.1.4.1. zu § 122 AO (Widerspruchslösung).

1087

19.2

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

unzulässig:1 Hier ist eine Zustellung nur mittels Ersuchens der zuständigen Behörden des anderen Staates oder über die dortigen konsularischen oder diplomatischen Vertretungen Deutschlands möglich (§ 9 VwZG).2 Die vorstehenden Grundsätze gelten im Ausgangspunkt auch für die FG,3 so dass etwa die förmliche Ladung eines im Ausland ansässigen Zeugen zum Beweistermin unzulässig ist.4

19.3 Auslandsbezogene Sachaufklärungsmaßnahmen, deren Wirkung auf das Inland beschränkt bleiben, sind grundsätzlich zulässig.5 Dies gilt auch für die dem Bundeszentralamt für Steuern auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 6 FVG übertragenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufklärung von Auslandsbeziehungen,6 soweit das Bundeszentralamt für Steuern die für die Finanzämter bestimmten Informationen nicht durch eigenes Tätigwerden im Ausland, sondern etwa über die Einschaltung internationaler Auskunfteien beschafft.7 Rechtsgrundlage für die entsprechende Datensammlung ist § 88a AO.8 Da das Verbot der Vornahme von Hoheitsakten im Ausland Ausfluss der Gebietshoheit des jeweils anderen Staates ist und damit eine völkerrechtlich garantierte Rechtsposition darstellt,9 steht sie weder zur Disposition des Staates, der die Maßnahmen ergreifen will, noch zur Disposition des betroffenen Steuerpflichtigen. Im Hinblick darauf dürfen Betriebsprüfer, Steuerfahndungsbeamte und sonstige Steuerbeamte ohne Einverständnis des anderen Staates dort nicht tätig werden.10 Auf die Zustimmung der betroffenen Steuerpflichtigen kommt es nicht an.11 Unter den vorgenannten Voraussetzungen sind auch international koordinierte Außenprüfungen sowie die beobachtende 1 BFH v. 11.2.1959 – II 15/58 U, BStBl. III 1959, 181; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 1, Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 16. 2 Vgl. hierzu die Länderübersicht in der Vfg. der OFD Hannover v. 28.12.2008, AO-Kartei ND § 9 VwZG Karte 1; Bay. Landesamt für Steuern v. 3.8.2009, AOKartei BY § 122 AO Karte 2. 3 Zu weiteren Einzelheiten Schaumburg/Schaumburg in FS Flick, 989 (992 f.). 4 Anders dagegen die formlose Mitteilung über den Beweistermin in Form eines informalen gerichtlichen Handelns; hierzu Schaumburg/Schaumburg, in FS Flick, 989 (993 f.). 5 BFH v. 11.2.1959 – II 15/58 U, BStBl. III 1959, 181; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 2, Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 16. 6 Zusammengefasst im Arbeitsbereich Informationszentrale Ausland (IZA); BMF v. 29.4.1997, BStBl. I 1997, 541. 7 A.A. zur Sachverhaltsermittlung durch Internetauskunfteien bzw. Internetrecherchen Spatschek/Alvermann, IStR 2001, 33 (37). 8 BVerfG v. 10.3.2008 – 1 BvR 2388/03, NJW 2008, 2099; BFH v. 30.7.2003 – VII R 45/02, BStBl. II 2004, 387; Seer in T/K, § 5 FVG Rz. 7. 9 Hierzu Stein/von Buttlar, Völkerrecht12, 186 ff. 10 Hierzu Schaumburg in Kuckhoff/Schaumburg/Wassermeyer, Auslandssachverhalte in der Betriebsprüfung, 18 ff.; Spatschek/Alvermann, IStR 2001, 33 ff.; von Siebenthal, Steuerrevue 1979, 382 ff.; 443 ff.; 461 (463) berichtet von Aktivitäten deutscher Steuerfahndungsbeamter, die in der Schweiz ohne Genehmigung dortiger Behörden Ermittlungen durchgeführt hätten und daraufhin zur polizeilichen Verhaftung ausgeschrieben worden seien. 11 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 3.

1088

A. Grundsätze

Teilnahme1 von akkreditierten Finanzattachés an diesen Außenprüfungen zulässig.2 Deutschland hat mit einigen EU-Staaten konkretisierende Vereinbarungen über koordinierte Außenprüfungen (Simultanprüfungen) abgeschlossen.3 Derartige Prüfungen setzen allerdings abgestimmte Prüfungszeiträume voraus.4 Damit die grenzüberschreitende Sachaufklärung nicht an fehlenden staatlichen Durchsetzungsmöglichkeiten scheitert, werden in verschiedenen Vorschriften zusätzliche Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen an der Sachaufklärung begründet,5 deren Verletzung mit erheblichen Nachteilen verbunden sind (vgl. § 162 Abs. 3 und 4 AO). Trotz dieser zusätzlichen Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen bleibt die Finanzbehörde zur Amtsermittlung verpflichtet, wobei sie auch zugunsten des Steuerpflichtigen zu ermitteln hat (§ 88 Abs. 2 AO). Im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht bestimmt die Finanzbehörde auch, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß sie von den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen Gebrauch machen will.

19.4

Aufklärungsbedürftig sind nur rechtserhebliche Tatsachen, so dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Sachaufklärung ins Blaue hinein unzulässig ist.6

19.5

Die Sachaufklärung ist auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten darauf gerichtet, die für das Besteuerungsverfahren rechtserheblichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Es gelten damit die allgemeinen Grundsätze, so dass die Aufklärung grenzüberschreitender und ausländischer Sachverhalte keinen erhöhten Gewissheitsgrad der behördlichen Tatsachenfeststellungen verlangt. Schließlich gelten hier auch keine im Grundsatz abweichenden Regeln über die Beweiswürdigung, Schätzung, Beweisverwertungsverbote und die Beweislast.7

19.6

1 Keine eigenen Prüfungshandlungen; Frotscher in Schwarz, § 193 AO Rz. 58c; zu den Voraussetzungen Hendricks, Internationale Informationshilfe in Steuerverfahren, 230 ff. 2 Das „Simultaneous Examination Program“ zwischen den USA und Deutschland ist abgedruckt in Intertax 1980, 184 ff.; zu weiteren Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 383 ff.; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 17 f.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 158 ff.; Roth in Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte; Coats, TNI 1984, 74 ff.; Turro, TNI 1992, 759 ff.; Runge, Intertax 1980, 182 ff.; Strunk, StBp. 1993, 145 ff.; zur Kritik Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (32). 3 Rechtsgrundlage: Art. 8b EG-AmtshilfeRL. 4 Hierzu Seer in T/K, vor § 193 AO Rz. 43. 5 Z.B. § 90 Abs. 2, 3 AO i.V. mit GAufzV, § 17 AStG, §§ 123 Abs. 2; 146 Abs. 2; 138 Abs. 2, 3 AO; SteuerHBekG. 6 Seer in T/K, § 88 AO Rz. 8; Grothe, StbJb 1988/89, 345 ff. 7 Hierzu im Einzelnen Seer in T/K, § 88 AO Rz. 7 ff.

1089

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

B. Mitwirkungspflichten Literatur Kommentare zu §§ 90, 160 AO; Kommentare zu §§ 16, 17 AStG; Christian/ Schwehm, Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern nach § 160 Abgabenordnung (AO), DStZ 1997, 324; Crezelius, Steuerrechtliche Verfahrensfragen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, IStR 2002, 433; Debatin/Vogel, H., Anforderungen und Grenzen der steuerlichen Nachweispflicht bei ausländischen Unternehmen und Auslandsbeziehungen, AWD 1958, 202; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 2. Aufl. Neuwied/Kriftel/Berlin 1995; Dreßler, Unbeachtlichkeit ausländischer Auskunftsverbote im deutschen Steuerrecht, StBp. 1992, 149; Dreßler, Auskunftserteilung zu internationalen Sachverhalten, StBp. 1982, 205, 233; Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, Köln 1987; Englisch, Europarechtliche Einflüsse auf den Untersuchungsgrundsatz im Steuerverfahren, IStR 2009, 37; Frotscher, Mitwirkungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten im internationalen Steuerrecht, in Lüdicke, Fortentwicklung der Internationalen Unternehmensbesteuerung, Köln 2002, 168; Geuenich, Neue Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung, NWB 2009, 2396; Geurts, So much trouble…? Anmerkungen zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, DStR 2009, 1883; Großfeld, Inländische Auskunftspflichten und ausländische Auskunftsverbote im Internationalen Steuerrecht, in FS für Michaelis, Göttingen 1972, 118; Günther, Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern nach § 160 AO, DB 1989, 1373; Haarmann/Suttorp, Zustimmung des Kabinetts zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, BB 2009, 1275; Hangarter, Erweiterte Mitwirkungspflichten bei Auslandsbeziehungen und schweizerischer Geheimnisschutz, RIW/AWD 1982, 176; Hegemann, Benennung von Zahlungsempfängern gem. § 160 AO, Frankfurt/M. u.a., 2004; Heise, Die Vorlage im Ausland belegener Geschäftsunterlagen im Steuerermittlungsverfahren, Diss. Göttingen 1975; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Köln 2004; Hey, Beweislast und Vermutungen im deutschen internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 1992; Hruschka, Feststellungslast und Mitwirkungspflicht bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 2002, 753; Kempermann, Mitwirkungspflichten und Beweislast bei Auslandssachverhalten, FR 1990, 473; Kessler/Eicke, Gedanken zur Verfassungs- und Europarechtskonformität des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes, DB 2009, 1314; Kleinert/Görres, Das neue Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, NJW 2009, 2713; Korts/Korts, Ermittlungsmöglichkeiten deutscher Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten, IStR 2006, 869; Kuhsel, Erfolgswirksame Gewinnkorrekturen bei Darlehensverbindlichkeiten gegenüber sog. Domizilgesellschaften, DB 1995, 650; Martin, Wechselwirkungen zwischen Mitwirkungspflichten und Untersuchungspflicht im finanzgerichtlichen Verfahren, BB 1986, 1021; Olbertz, Benennung von Zahlungsempfängern nach § 160 AO, DB 1990, 2289; Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, Köln 1997; Puls, Erster Überblick über die Rechtsverordnung zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, Ubg 2009, 556; Puls, BMF-Entwurf eines Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes: Abkehr vom Rechtsstaatsprinzip?, Ubg 2009, 186; Reuß, Grenzen steuerlicher Mitwirkungspflichten – dargestellt am Beispiel der erhöhten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei Auslandsbeziehungen, Diss. Hamburg 1979; Rüping, Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren, Berlin 1976; Schaumburg/Schaumburg, Der Zeuge im Ausland, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 989; Schlagheck, Sachverhaltsermittlung bei internationalen Besteuerungssachver-

1090

B. Mitwirkungspflichten halten, Diss. Passau 1993; Schmidt/Gassmann, Der schweizerische Schutz von Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem Ausland, AWD 1970, 464; Schmitz, Empfängerbenennung bei Auslandssachverhalten – § 16 AStG oder § 160 AO?, IStR 1997, 193; Schwochert, Besteuerungsverfahren eines Steuerinländers mit Auslandsaktivitäten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, RIW 1991, 407; Seer, Kodifikation von Dokumentationspflichten über die Verrechnungspreisgestaltung im multinationalen Konzern?, FR 2002, 380; Seer, Steuerverfahrensrechtliche Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, 151; Seer/Gabert, Der internationale Auskunftsverkehr in Steuersachen, StuW 2010, 3; Sidow, Die Vereinbarkeit der steuerlichen Mitwirkungspflichten mit dem Grundgesetz, Diss. Hamburg 1968; Stahl, Zwischenstaatliche Amtshilfe in Steuersachen, KÖSDI 1993, 9373; Suchanek/Jansen, Umfang und Grenzen der Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen von § 8c KStG, GmbHR 2009, 412; von Wedelstädt, Die Änderungen der Abgabenordnung durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, DB 2009, 1731; Winner, Der Kampf gegen „Steueroasen“. Eine ökonomische Betrachtung, StuW 2010, 101; Worgulla/Söffing, Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, FR 2009, 545.

I. Allgemeine Mitwirkungspflichten Zur Erfüllung ihrer Untersuchungspflicht (§ 88 Abs. 1 AO) bedient sich die Finanzbehörde gem. § 90 AO der Mitwirkung der Steuerpflichtigen oder anderer beteiligter Personen. Diese Mitwirkungspflicht ist ein Aufklärungs- oder Beweismittel, das gleichberechtigt neben den übrigen in § 92 AO genannten Beweismitteln steht. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO begründet eine allgemeine Mitwirkungspflicht, die ihre Konkretisierung und Erweiterung in anderen Mitwirkungstatbeständen der Abgabenordnung findet.1 Darüber hinaus gebietet § 90 Abs. 1 Satz 2 AO, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig offen zu legen und die bekannten Beweismittel anzugeben.2

19.7

Mitwirkungsverpflichtet ist jeder Beteiligte.3 Er kann von der Finanzbehörde innerhalb der von § 5 AO gesetzten allgemeinen Ermessensgrenzen zur Mitwirkung herangezogen werden; das heißt, die Mitwirkung muss zur Aufklärung des steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sein.4 Ein Mitwirkungsverweigerungsrecht ist für Beteiligte nicht vorgesehen,5 so dass auch belastende Tatsachen den Finanzbehörden mitgeteilt werden müssen. Die Mitwirkung

19.8

1 Konkretisierung: §§ 93, 95, 97, 99, 100, 135, 137 bis 139, 140 ff., 149, 153, 154, 200, 208 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 210 AO; Erweiterung auf beweissichernde Aufzeichnungspflichten: §§ 90 Abs. 3 Satz 1 und 2, 140 ff. AO; §§ 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 7; 6 Abs. 2 Satz 4, 5 EStG; § 22 UStG; gesteigerte Mitwirkungspflichten nach dem SteuerHBekG: § 90 Abs. 2 Satz 3. 2 Zur Wahrheitspflicht Seer in T/K, § 90 AO Rz. 9. 3 Zum Begriff des Beteiligten s. § 78 AO. 4 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 13; § 92 Rz. 5 ff.; Söhn in H/H/Sp, § 90 AO Rz. 72 ff.; zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Mitteilungspflichten Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 42 ff. 5 Die Verweigerungsrechte der §§ 101 bis 103 AO gelten nur für andere Personen.

1091

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

kann daher unter Anwendung von Zwangsmitteln (§ 328 AO) durchgesetzt werden, es sei denn, der Beteiligte würde sich durch seine Mitwirkung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit bezichtigen (§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO).1

19.9 Wird die Mitwirkungspflicht durch den Beteiligten verletzt, wird hierdurch die Sachaufklärungspflicht der Finanzbehörde nicht suspendiert.2 Die Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Beteiligten führt vor allem dann, wenn er der einzige Wissensträger ist, allerdings zu einer Reduzierung des für die Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Gewissheitsgrades (Beweismaßreduzierung),3 so dass verbleibende Unsicherheiten zu einer Schätzung dem Grunde nach berechtigen.4 Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Beteiligten auf der einen Seite führt somit zu einer Einschränkung der Ermittlungspflichten der Finanzbehörde auf der anderen Seite.5 Die Finanzbehörde braucht im Grundsatz also keine unverhältnismäßigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Beweisschwierigkeiten auszuräumen, die sich aus der Verletzung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten ergeben.6 Können daher aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflichten Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden, so dürfen diese gem. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO geschätzt werden.7 Die einer jeden Schätzung anhaftenden Unsicherheiten können hierbei zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.8 Darüber hinaus können aus der Verletzung der Mitwirkungspflichten im Wege der Beweiswürdigung negative Schlüsse gezogen werden, so dass die Fälle der Unerwiesenheit des Sachverhaltes und damit die Anwendung der Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) nur selten in Betracht kommen werden.9 1 Bei unzureichendem Steuergeheimnisschutz wird auf der Grundlage eines grundrechtlichen Schweigerechts, das aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Selbstbelastungsverbotes (nemo tenetur-Grundsatz) abgeleitet wird, ein Mitwirkungsverweigerungsrecht des Beteiligten angenommen; vgl. hierzu Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 393 Rz. 10; Rüping, Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren, 208; Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 49 ff. 2 BFH v. 18.11.2008 – VIII R 24/07, BStBl. II 2009, 518; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731. 3 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 15 f. 4 Seer in T/K, §§ 90 AO Rz. 15; 162 AO Rz. 32 ff. 5 BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462; v. 9.6.2005 – IX R 75/03, BFH/ NV 2005, 1765; v. 3.11.2005 – VIII B 12/05, BFH/NV 2006, 250; v. 28.12.2006 – VIII B 48/06, BFH/NV 2007, 646; v. 14.5.2008 – V B 227/07, BFH/NV 2008, 1371; Seer in T/K, § 90 AO Rz. 14. 6 BFH v. 13.3.1985 – I R 7/81, BStBl. II 1986, 318. 7 BFH v. 13.3.1985 – I R 7/81, BStBl. II 1986, 318; Seer in T/K, § 90 AO Rz. 15. 8 BFH v. 23.10.1958 – V 5/57 U, BStBl. III 1959, 16; v. 26.4.1983 – VIII R 38/82, BStBl. II 1983, 618; v. 20.12.2000 – I R 50/00, BStBl. II 2001, 381; v. 29.3.2001 – IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484; Seer in T/K, § 162 AO Rz. 44; Sauer in Beermann/ Gosch, § 162 AO Rz. 40.4. 9 Zu Einzelheiten Seer in T/K, § 90 AO Rz. 15; Martin, BB 1986, 1021 (1025, 1028).

1092

B. Mitwirkungspflichten

II. Erweiterte Mitwirkungspflichten Da die Finanzbehörden aus Gründen des Völkerrechts1 nicht befugt sind, im Ausland Sachaufklärung zu betreiben, begründet § 90 Abs. 2 AO erweiterte Mitwirkungspflichten für Beteiligte. Hiernach haben die Beteiligten grenzüberschreitende und ausländische Sachverhalte aufzuklären und die dafür erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Scheitert diese Beweismittelbeschaffungspflicht an tatsächlicher und/oder rechtlicher Unmöglichkeit, so liegt eine Verletzung dieser Beweismittelbeschaffungspflicht gleichwohl vor, wenn der Beteiligte Beweisvorsorge hätte treffen können. War indessen auch die Beweisvorsorge aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, ist eine Verletzung der Beweismittelbeschaffungspflicht nicht gegeben, so dass die Finanzbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung keine negativen Schlüsse ziehen darf.2

19.10

Eine rechtliche Unmöglichkeit der Beweismittelbeschaffung ist insbesondere dann gegeben, wenn diese gesetzlich untersagt ist.3 In derartigen Fällen ist ein auf § 90 Abs. 2 AO gestütztes Auskunftsbegehren wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit jedenfalls dann rechtswidrig, wenn für den betreffenden Steuerpflichtigen das Risiko der Strafverfolgung besteht.4

19.11

Die erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten5 haben ihre (ursprüngliche) Legitimationsgrundlage in der fehlenden Möglichkeit der Finanzbehörden, ausländische Sachverhalte aufzuklären.6 Die Verhältnisse haben sich indessen geändert: Deutschland hat derzeit auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und vom Vermögen 90 und auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern sieben DBA und darüber hinaus zehn Sonder-

19.12

1 Vgl. Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 85 ff.; ferner Rz. 3.4 ff. 2 Zu weiteren Einzelheiten Seer in T/K, § 90 AO Rz. 34; Seer, FR 2002, 380 (389); Suchanek/Jansen, GmbHR 2009, 412 (417). 3 Etwa gem. Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuches und Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes; für eine Sperrwirkung dieser Vorschriften gegenüber § 90 Abs. 2 AO: Schmidt/Gassmann, AWD 1970, 464 ff.; Debatin/H. Vogel, AWD 1958, 202 ff.; Hangarter, RIW/AWD 1982, 176 ff.; Franke in W/S/G, § 17 AStG, S. 180; gegen eine Sperrwirkung: BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 16.4.1986 – I R 32/84, BStBl. II 1986, 736; Seer in T/K, § 90 AO Rz. 35; Heise, Die Vorlage im Ausland belegener Geschäftsunterlagen im Steuerermittlungsverfahren, 94 ff.; Dreßler, StBp. 1982, 205 ff., 233 (233 f.); Dreßler, StBp. 1992, 149 ff. 4 Hierzu Seer in T/K, § 90 AO Rz. 37; Söhn in H/H/Sp, § 90 AO Rz. 68 ff.; Großfeld in FS Michaelis, 118 ff.; Dreßler, StBp. 1992, 149 (152 f.). 5 Es reicht aus, wenn der Sachverhalt nur zum Teil Auslandsbezug hat; vgl. BFH v. 6.6.2006 – XI B 162/05, BFH/NV 2006, 1785; v. 24.10.2006 – XI B 112/05, BFH/ NV 2007, 201. 6 Ausgangspunkt für die im Jahr 1972 in § 171 Abs. 3 AO a.F. übernommene, dem § 90 Abs. 2 Satz 1 und 2 entsprechende Regelung (BGBl. I 1972, 1713) ist die Rspr. des RFH aus dem Jahre 1930 (RFH vom 30.1.1930 – I A 370/29, RStBl. 1930, 151); ähnlich später BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513; v. 20.1.1978 – VI R 193/74, BStBl. II 1978, 338).

1093

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung abkommen betreffend Schifffahrt- und Luftfahrt sowie elf Abkommen auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs abgeschlossen,1 auf Grund deren ein weit gehender Informationsaustausch (z.B. Art. 26 OECD-MA) ebenso möglich ist wie innerhalb der EU auf der Grundlage der EG-Amtshilfe-RL2 und der EG-MwSt.-ZusammenarbeitsVO.3 Schließlich sind auf Druck der großen Mitgliedstaaten der EU weitere bilaterale Auskunftsabkommen4 abgeschlossen oder in Verhandlung.5 Darüber hinaus wurden einige DBA um sog. große Auskunftsklauseln erweitert.6 Auch wenn insoweit bislang weit gehend nur eine passive Informationshilfe7 gewährleistet ist, stehen den Finanzbehörden heute dennoch umfangreiche Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, deren Inanspruchnahme jedenfalls innerhalb der EU auf der Grundlage der EG-Amtshilfe-RL nicht unzumutbar ist.8 Im Rahmen der gebotenen Ermessenbetätigung ist daher zu berücksichtigen, dass auch bei fehlender oder nicht ausreichender Mitwirkung des Steuerpflichtigen Informationen auch anderweitig durch entsprechendes internationales Auskunftsersuchen erlangt werden können.9 Insoweit haben die Finanzbehörden auch in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, die Möglichkeiten der internationalen Informationsbeschaffung zu nutzen.10 In Orientierung an diesen Vorgaben ist § 90 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO auch europarechtskonform.11

19.13 In Fällen tatsächlicher Unmöglichkeit ist von Bedeutung, dass § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO keine Pflicht begründet, Beweismittel zu schaffen.12 § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO verlangen lediglich, dass vorhandene Beweismittel für Zwecke der Besteuerung vorgehalten bzw. gesichert werden. Nur insoweit ist gegenüber § 90 Abs. 1 AO, der keine Rechtsgrund-

1 BMF v. 12.1.2010, BStBl. I 2010, 35. 2 Richtlinie 77/799/EWG v. 19.12.1977, ABl. EG Nr. L 336, 15; zuletzt geändert durch Richtlinie 2004/106/EG v. 16.11.2004, ABl. EU Nr. L 359, 30; umgesetzt durch EGAHiG v. 30.11.2007, BGB. I 2007, 2783. 3 AmtshilfeVO (EG) Nr. 1798/03 des Rates v. 7.10.2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. EU 2003 Nr. L 264, 1. 4 Tax information exchange agreements (TIEA). 5 Z.B. mit Jersey v. 18.6.2009 (BStBl. I 2010, 166, 173); Liechtenstein (BGBl. II 2010, 950), Guernsey (BGBl. II 2010, 973), Isle of Man (BGBl. II 2010, 957), Gibraltar (BGBl. II 2010, 984). 6 DBA-Zypern; DBA-Schweiz, DBA-Österreich, DBA-Luxemburg. 7 Hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 188; Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (5). 8 Söhn in H/H/Sp, § 88 AO Rz. 172. 9 So der Ansatz von Söhn in H/H/Sp § 117 AO Rz. 25; noch weitergehend für einen Vorrang der Inanspruchnahme von internationaler Ersuchenshilfe Stahl, KÖSDI 1993, 9373 (9373); Schwochert, RIW 1991, 407 (409). 10 Söhn in H/H/Sp, § 88 AO Rz. 172 für die EU; zu europarechtlichen Aspekten Englisch, IStR 2009, 37 (41); vgl. auch BFH v. 18.11.2008 – VIII R 24/07, BStBl. II 2009, 518. 11 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 37 m.w.N. 12 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 34.

1094

B. Mitwirkungspflichten

lage für die Anfertigung und Aufbewahrung von Aufzeichnungen ist,1 eine Pflichtenerweiterung gegeben. Durch die sich aus § 90 Abs. 2 AO ergebende gesteigerte Mitwirkungspflicht wird der Untersuchungsgrundsatz nicht suspendiert2 und keine subjektive Beweislast eingeführt.3 Wird die Mitwirkungspflicht verletzt und ist die Informationsbeschaffung auch nicht über Ersuchensauskünfte der Finanzverwaltung zu beschaffen, erfolgt eine freie Beweiswürdigung4 und nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO eine Reduzierung des Beweismaßes für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Schätzung), wobei auch eine Beweiswürdigung zu Lasten des Steuerpflichtigen in Betracht kommen kann.5

19.14

§ 17 Abs. 1 AStG ist eine besondere Ausprägung der §§ 90 ff. AO, insbesondere des § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO.6 § 17 Abs. 1 AStG bezieht sich auf die Sachverhaltsermittlung bei zwischengeschalteten Gesellschaften (§ 5 AStG), bei Zwischengesellschaften (§§ 7 bis 14 AStG) und bei Familienstiftungen (§ 15 AStG) und trifft diejenigen Personen, bei denen eine Zurechnung oder eine Hinzurechnung von Einkünften und Vermögen in Betracht kommt.7 Im Wesentlichen dient damit § 17 Abs. 1 AStG der Durchführung der Hinzurechnungsbesteuerung. Entsprechend dieser Zielsetzung sind auf Verlangen insbesondere die Geschäftsbeziehungen zu Zwischengesellschaften offen zu legen (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 AStG) sowie die Bilanzen und Erfolgsrechnungen dieser Gesellschaften vorzulegen (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 AStG). Die Mitwirkungsverpflichtung des Steuerpflichtigen geht auch im Rahmen des § 17 Abs. 1 AStG nicht über das rechtlich und/oder tatsächlich Mögliche hinaus.8 Ebenso wie bei § 90 Abs. 2 AO ist auch das Auskunftsverlangen nach § 17 Abs. 1 AStG eine Ermessensentscheidung, wobei insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu beachten sind.9

19.15

Während das Auskunftsverlangen gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 AStG darauf abzielt, Geschäftsbeziehungen zwischen dem im Inland ansässigen Anteils-

19.16

1 BFH v. 24.6.2009 – VIII R 80/06, DStR 2009, 2006. 2 BFH v. 18.11.2008 – VIII R 24/07, BStBl. II 2009, 518; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731. 3 Seer in T/K § 90 AO Rz. 20. 4 BFH v. 6.11.1987 – III R 241/83, BStBl. II 1988, 438; Crezelius, IStR 2002, 433 (436), Hruschka, IStR 2002, 753 (754 f.). 5 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 20, § 612 Rz. 35 m.w.N. 6 Zum lex specialis-Charakter Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 16; Runge in B/K/L/M/R, § 17 AStG Rz. 2. 7 Hans in Haase, § 17 AStG Rz. 8; Runge in B/K/L/M/R, § 17 AStG Rz. 2. 8 Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 14; im Rahmen des § 17 Abs. 1 AStG gilt insoweit nichts anderes als bei § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO. 9 Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 25a; Runge in B/K/L/M/R, § 17 AStG Rz. 21; Hans in Haase, § 17 AStG Rz. 16.

1095

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

eigner und der ausländischen Gesellschaft offen zu legen,1 betrifft § 17 Abs. 1 Nr. 2 AStG insbesondere die Vorlage sachdienlicher Unterlagen für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung.2

19.17 § 17 Abs. 2 AStG enthält einen für die Tatbestände der §§ 5 und 7 bis 15 AStG bestimmten Schätzungsrahmen, der die auf den jeweiligen inländischen Anteilseigner entfallenden Zwischeneinkünfte betrifft. Es handelt sich hierbei um den auf den jeweiligen Steuerinländer entfallenden Ausgangswert für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 1 AStG vor Abzug der nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Steuern.3 Sind keine anderen geeigneten Anhaltspunkte für die Schätzung vorhanden, so sollen diese Zwischeneinkünfte mindestens 20 Prozent des gemeinsamen Werts des vom jeweiligen inländischen Anteilseigner gehaltenen Anteils an der ausländischen Gesellschaft betragen.

19.18

Eine derartige Gewinnschätzung ist indessen überzogen und wird in aller Regel das eigentliche Ziel der Schätzung, nämlich den Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben,4 verfehlen.5

III. Gesteigerte Mitwirkungspflichten 19.19 § 90 Abs. 2 Satz 3 AO regelt die gesteigerten Mitwirkungspflichten6 wie folgt: Wenn Steuerpflichtige über Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in nicht kooperativen Staaten und Gebieten (Jurisdiktionen) verfügen, kann die Finanzbehörde für die Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Steuerpflichtigen erteilten Angaben eine eidesstattliche Versicherung und darüber hinaus eine Vollmacht verlangen, im Namen des Steuerpflichtigen mögliche Auskunftsansprüche gegen die betreffenden ausländischen Finanzinstitute außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Diese gesteigerten Mitwirkungspflichten sind im Kern darauf gerichtet, nicht kooperative Jurisdiktionen zu einem effektiven Informationsaustausch mit Deutschland zu zwingen.7

1 Zu einzelnen Fallgruppen Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 35; Hans in Haase, § 17 AStG Rz. 17 ff. 2 Eine Aufzählung der in Betracht kommenden Unterlagen findet sich bei Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 53. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 73. 4 Hierzu im Einzelnen Seer in T/K, § 162 AO Rz. 2. 5 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 82. 6 Eingeführt durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz (SteuerHBekG) v. 27.9.2009, BGBl. I 2009, 2302. 7 So die RegBegr., BT-Drucks. 16/13106, 1.

1096

B. Mitwirkungspflichten

Im Ergebnis sollen somit Steuerpflichtige, die in nicht kooperativen Jurisdiktionen wirtschaftlich und finanziell engagiert sind, negativen beweisrechtlichen Folgen ausgesetzt sein,1 obwohl sie den Umstand, dass Deutschland bislang nicht in der Lage war, mit den betreffenden Staaten und Gebieten DBA mit sog. großen Auskunftsklauseln oder Informationsaustauschabkommen abzuschließen, nicht zu vertreten haben. Diese gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit2 verstoßende Vorgehensweise3 hat allerdings bislang offenkundig insoweit Erfolg gehabt, als sich mittlerweile zahlreiche Jurisdiktionen bereit erklärt haben, ggü. Deutschland entsprechende Auskünfte zu erteilen. Im Hinblick darauf sind aus deutscher Sicht einstweilen keine Staaten und Gebiete auf der sog. schwarzen Liste enthalten.4 Hierbei handelt es sich indessen nur um eine Augenblicksaufnahme, weil abzuwarten bleibt, ob die betreffenden Jurisdiktionen ihre Absichtserklärungen auch tatsächlich einlösen. Deshalb besteht Ungewissheit, ob und ggf. wann die in § 90 Abs. 2 Satz 3 AO verankerten gesteigerten Mitwirkungspflichten effektiv werden. Abgesehen davon, dass insoweit das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot5 verletzt ist, widerspricht es auch dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts,6 wenn der Exekutive die Aufzählung der nicht kooperativen Jurisdiktionen überlassen bleibt und damit in ihre Hände gelegt ist, ob § 90 Abs. 2 Satz 3 AO leer läuft oder nicht.7 § 90 Abs. 2 Satz 3 AO leidet darüber hinaus noch an einer weiteren verfassungsrechtlich bedenklichen Merkwürdigkeit: Gemäß Art. 4 SteuerHBekG ist § 90 Abs. 2 Satz 3 AO erst mit Ergehen der SteuerHBekV in Kraft getreten, womit es im Ergebnis wiederum letztlich der Exekutive überlassen wurde, ob und wann die gesteigerten Mitwirkungspflichten zur Geltung kommen sollten.8

19.20

§ 90 Abs. 2 Satz 3 AO eröffnet der Finanzbehörde die Möglichkeit, sich die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen an Eides statt versichern zu lassen.9 Voraussetzung ist, dass es objektiv erkennbare Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass der Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in nicht kooperativen Staaten oder Gebieten unterhält. So lange indessen unklar ist, welche Jurisdiktionen überhaupt unkooperativ sind, wird die eidesstattliche Versicherung

19.21

1 Zu den hiermit verbundenen europarechtlichen Bedenken Kessler/Eicke, DB 2009, 1314 (1316 f.); Geurts, DStR 2009, 1883 (1886); Kleinert/Göres, NJW 2009, 2713 (2715); Worgulla/Söffing, FR 2009, 545 (554); Haarmann/Suttorp, BB 2009, 1275 (1277); Puls, Ubg 2009, 186 (191 f.). 2 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet auch den Gesetzgeber, den Eingriff in die Sphäre des Steuerpflichtigen auf solche Maßnahmen zu beschränken, die das eingesetzte Mittel in ein vernünftiges Verhältnis zum angestrebten Zweck setzen; hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 209 ff. 3 Zu Einzelheiten Geurts, DStR 2009, 1883 (1886); Kessler/Eicke, DB 2009, 1314 (1316); Haarmann/Suttorp, BB 2009, 1275 (1277). 4 BMF v. 5.1.2010, BStBl. I 2010, 19. 5 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 167 ff. 6 Hierzu Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 150 ff. 7 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 29; Kleinert/Göres, NJW 2009, 2713 (2714 f.); Geurts, DStR 2009, 1883 (1884 f.). 8 Hierzu Seer in T/K, § 90 AO Rz. 30. 9 § 90 Abs. 2 Satz 3 AO ist lex specialis zu § 95 AO.

1097

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

gem. § 90 Abs. 2 Satz 3 AO1 in der Praxis keine allzu große Rolle spielen, zumal sie ohnehin nicht erzwingbar ist.

19.22 Von besonderer Bedeutung ist die in § 90 Abs. 2 Satz 3 AO vorgesehene Verpflichtung, auf Anforderung der Finanzbehörde diese zu bevollmächtigten, im Namen des Steuerpflichtigen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber in nicht kooperativen Jurisdiktionen ansässigen Kreditinstituten außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Erforderlich hierfür ist, dass die Finanzbehörde im Einzelnen darlegt, auf Grund welcher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem betreffenden Kreditinstitut vorliegt. Eine „Rasterbevollmächtigung“ durch Aufzählung beliebiger ausländischer Kreditinstitute ist daher unzulässig.2 Wird die Vollmacht seitens des Steuerpflichtigen nicht erteilt, ergeben sich über die normative Brücke des § 1 Abs. 5 SteuerHBekV weit reichende, zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkenden Rechtsfolgen, die im Wesentlichen darin bestehen, dass für Dividenden das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG), der Abgeltungsteuertarif (§ 32d Abs. 1 EStG) sowie die Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 1 KStG)3 nicht zur Anwendung kommen.4

19.23 Über die vorstehenden, ohnehin gravierenden Rechtsfolgen hinaus wird der Finanzbehörde auch die Möglichkeit einer besonderen Schätzung eröffnet (§ 162 Abs. 2 Satz 3 AO). Kommt nämlich der Steuerpflichtige dem Verlangen nach eidesstattlicher Versicherung oder nach Vollmachtserteilung nicht nach, greift die widerlegbare gesetzliche Vermutung ein, dass der Steuerpflichtige in dem betreffenden ausländischen Staat steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat und/oder die steuerpflichtigen Einkünfte höher sind als bisher erklärt. Damit beschränken sich die Rechtsfolgen nicht auf eine bloße Beweismaßreduzierung, sondern ermächtigen die Finanzbehörden, die Einkünfte dem Grunde nach zu schätzen. Wurden bereits in dem inkriminierten Staat erzielte Einkünfte steuerlich erklärt, so erstreckt sich die widerlegbare gesetzliche Vermutung darauf, dass die Einkünfte tatsächlich höher waren als erklärt.

IV. Dokumentationspflichten Literatur Kommentare zu § 90 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 und 4 AO; Andresen, Neue gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation von Verrechnungspreisen: Handlungsbedarf für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, RIW 2003, 489; Baumhoff, Aktuelle 1 Zum Problem der Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung (§ 156 StGB) trotz strafbefreiender Selbstanzeige Geuenich, NWB 2009, 2396 (2402); von Wedelstädt, DB 2009, 1731 (1732). 2 Worgulla/Söffing, FR 2009, 545 (548). 3 Entsprechendes gilt für abkommensrechtliche Schachtelprivilegien. 4 Dies gilt auch für die Steuerfreistellung für Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG).

1098

B. Mitwirkungspflichten Entwicklungen bei den internationalen Verrechnungspreisen, IStR 2003, 1; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach dem „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“, DStR 2005, 1549; Baumhoff/Ditz/Greinert, Grundsätze der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV), DStR 2004, 157; Brem/ Tucha, Aus dem Controlling heraus zu angemessenen Verrechnungspreisen: Reporting, Analyse und Monitoring, DStR 2008, 2332; Bruschke, Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise, DStZ 2006, 575; Carlé, Schätzung bei Auslandssachverhalten – verschärfte Dokumentationspflichten und Sanktionen, AO-StB 2004, 360; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Dagnese, Verrechnungspreise und die Aufzeichnungspflicht im brasilianischen und deutschen Steuerrecht, Frankfurt/M. u.a. 2009; Eigelshoven/Kratzer, Rechtsverordnung zu Aufzeichnungspflichten bei der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise, IStR 2004, 30; Fischer/Looks/im Schlaa, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise – Bisherige Erfahrungen mit der Betriebsprüfung und aktuelle Entwicklungen, BB 2007, 918; Frotscher, Verfassungsrechtliche Fragen zu den Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 391; Haarmann/Suttorp, Zustimmung des Kabinetts zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, BB 2009, 1275; Hahn/Surbier-Hahn, Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten europarechtswidrig?, IStR 2003, 84; Kaminski/Strunk, Dokumentationspflicht bei Verrechnungspreisen, RIW 2003, 561; Häuselmann, Unerwünschte Nebenwirkungen der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung für ausländische Investoren, Ubg 2009, 704; Heise, Die Vorlage im Ausland belegener Geschäftsunterlagen im Steuerermittlungsverfahren, Diss. Göttingen 1975; Hidien, Umsatzsteuerliche Fiskalvertretung – Steuerpflicht im Übermaß, RIW 1997, 401; Kaminski/Strunk, Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung, StBp. 2004, 1, 29; Kaminski/Strunk, Materielle Änderungen und verfahrensrechtliche Regelungen durch die sog. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, Stbg 2005, 407; Kessler/Eicke, Gedanken zur Verfassungs- und Europarechtskonformität des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes, DB 2009, 1314; Kuhsel, Erfolgswirksame Gewinnkorrekturen bei Darlehensverbindlichkeiten gegenüber sog. Domizilgesellschaften, DB 1995, 650; Lange, Der Fiskalvertreter, UR 1996, 401; Lenz/Fischer/ Schmidt, Verwaltungsgrundsätze – Verfahren – Konsequenzen für die Dokumentation von Verrechnungspreisen, BB 2005, 1255; Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, Frankfurt 2006; Lüdicke, Internationale Aspekte des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, IStR 2003, 433; Moebus, Neue Dokumentationspflichten bei Transferpreisen – Irrweg und/oder Irrglaube?, DB 2003, 1413; Niemann/Kiera-Köllen, Dokumentation der Geschäftsbeziehungen mit Auslandsbezug im Mittelstand, DStR 2004, 482; Puls, Erster Überblick über die Rechtsverordnung zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, Ubg 2009, 556; Rasch/Rettinger, Aktuelle Fragen der Verrechnungspreisdokumentation: Unternehmenscharakterisierung und Methodenwahl in den Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, BB 2007, 353; Ravenstein, Elektronische Auslandsbuchführung nach dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2009, BB 2008, 2226; Rondorf, Einführung des Fiskalvertreters in das deutsche Umsatzsteuerrecht, BB 1997, 705; Schmitz, Empfängerbenennung bei Auslandssachverhalten – § 16 AStG oder § 160 AO?, IStR 1997, 193; Schnorberger, Verrechnungspreis-Dokumentation und StVergAbG – Offene Fragen und Probleme, DB 2003, 1241; Schreiber, Pflicht zur Angemessenheitsdokumentation bei internationalen Verrechnungspreisen?, IWB, F. 3, Deutschland, Gr. 1, 2105; Schreiber, Aufzeichnungspflichten für internationale Verrechnungspreise, Stbg 2003, 474; Seer, Neue Dokumentations- und Nachweispflichten in Piltz/Schaumburg, Internationale

1099

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung Einkünfteabgrenzung, Köln 2003, 35; Sieker, Im Wesentlichen unverwertbare Aufzeichnungen zu internationalen Verrechnungspreisen i.S. von § 162 Abs. 3 und 4 AO, in GS für Trzaskalik, Köln 2005, 135; Vögele, Die Verwaltungsgrundsätze zur Dokumentation von Verrechnungspreisen – der Fremdvergleich und die Angemessenheit der Verrechnungspreise, DB 2005, 1079; Vögele/Brem, Die neue Rechtsverordnung zu § 90 Abs. 3 AO: Systematik zu Aufbau und Struktur der Verrechnungspreisdokumentation, IStR 2004, 48; Wassermeyer, Dokumentationspflicht bei internationalen Verrechnungspreisen, DB 2003, 1535; von Wedelstädt, Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern, AO-Stb 2007, 325; von Wedelstädt, Wann darf das Finanzamt schätzen?, AO-StB 2008, 244; Werra, Zweifelsfragen bei der Dokumentation von Verrechnungspreisen, IStR 2005, 19; Winter, Fiskalvertreter im deutschen Umsatzsteuerrecht ohne Chancen, UR 1999, 272; Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280.

1. Überblick

19.24 Die in § 90 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO verankerte Beweismittelbeschaffungspflicht erstreckt sich nur auf tatsächlich vorhandene Beweismittel, so dass hierdurch allein nicht die Pflicht begründet wird, entsprechende Beweismittel zu erstellen.1 Eine diesbezügliche Pflichtenerweiterung enthält allerdings § 90 Abs. 3 AO, wonach unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen, die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) unterhalten, umfangreichen Dokumentationspflichten unterworfen sind. Diese Dokumentationspflichten sollen es der Finanzverwaltung ermöglichen, die zwischen international verbundenen Unternehmen vereinbarten Verrechnungspreise zu prüfen. Damit dienen die Dokumentationspflichten im Wesentlichen der steuerlichen Außenprüfung, die in zunehmendem Maße auf die Prüfung internationaler Verrechnungspreise gerichtet ist.2 Dem entspricht es, dass die Vorlage der zu erstellenden Verrechnungspreisdokumentation seitens der Finanzbehörde nur für Zwecke der Außenprüfung verlangt werden soll (§ 90 Abs. 3 Satz 6 AO; § 2 Abs. 6 GAufzV). Die Vorlage hat innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu erfolgen (§ 90 Abs. 3 Satz 8 AO), wobei in begründeten Einzelfällen die Frist auch mehrfach verlängert werden kann (§ 90 Abs. 3 Satz 10 AO). Die Frist bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen beträgt gem. § 90 Abs. 3 Satz 9 AO 30 Tage (Rz. 19.30).

19.25 Im Hinblick darauf, dass die Erfüllung der in § 90 Abs. 3 AO statuierten Dokumentationspflichten für die betroffenen Unternehmen zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand und damit verbunden auch zu zusätzlichen Kosten führen, enthält § 6 GAufzV für kleinere Unternehmen Erleichterungen.3

1 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Seer in T/K, § 90 AO Rz. 27. 2 Hierzu Kaminski/Strunk, Stbg. 2005, 407 (416). 3 Zu Einzelheiten Seer in T/K, § 90 AO Rz. 46.

1100

B. Mitwirkungspflichten

Die Dokumentationspflichten betreffen nur Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen, also solchen Personen, die in § 1 Abs. 2 AStG im Einzelnen aufgeführt sind. Erfasst werden damit im Wesentlichen grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen von in der Rechtsform von Kapital- und Personengesellschaften geführten Konzernen, durch § 90 Abs. 3 Satz 4 AO aber auch grenzüberschreitende Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.1

19.26

2. Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation Soweit § 90 Abs. 3 Satz 1 AO Aufzeichnungen über den Inhalt der Geschäftsbeziehungen zu ausländischen nahe stehenden Personen verlangt, korrespondiert diese Pflicht zur Sachverhaltsdokumentation mit den in § 90 Abs. 2 AO verankerten Mitwirkungspflichten, die sich im Grundsatz nur auf Sachverhaltsaspekte beziehen (§ 1 Abs. 2 GAufzV). Über diese Sachverhaltsdokumentation hinaus verlangt § 90 Abs. 3 Satz 2 AO aber auch eine Angemessenheitsdokumentation, in deren Rahmen dem Steuerpflichtigen rechtliche Wertungen, insbesondere eine Subsumtion unter § 1 AStG abverlangt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV). Das gilt insbesondere für Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen.

19.27

§ 1 Abs. 2 GAufzV verlangt für Zwecke der Sachverhaltsdokumentation 19.28 Aufzeichnungen über die Art, den Umfang und die Abwicklung sowie über die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftsbeziehungen. Hierzu gehören allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau, über Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen sowie eine Funktions- und Risikoanalyse (§ 4 Nr. 1–4 GAufzV).2 Von besonderer Bedeutung ist in der Praxis die Funktions- und Risikoanalyse. In diesem Zusammenhang sind Informationen über die wesentlichen eingesetzten Wirtschaftsgüter, über die Vertragsbedingungen, über die gewählte Geschäftsstrategie sowie über die für die Preisvereinbarung bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse aufzuzeichnen und ggf. zu erläutern (§ 4 Nr. 3 Buchst. a GAufzV).3 Darüber hinaus ist auch die gesamte Wertschöpfungskette zu beschreiben und der eigene Wertschöpfungsbeitrag des Steuerpflichtigen darzustellen (§ 4 Nr. 3 Buchst. b GAufzV).4

1 Die Gleichstellung mit Konzernen ist indessen überzogen; hierzu Schnorberger, DB 2003, 1241 (1244); Wassermeyer, DB 2003, 1535 (1539); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 (160 f.). 2 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 3 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.11.4 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) mit weitergehenden Konkretisierungen. 4 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.11.5 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren).

1101

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.29 Die Angemessenheitsdokumentation1 beinhaltet insbesondere die Darstellung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, die für die Tätigkeiten des Steuerpflichtigen und die vereinbarten Bedingungen von Bedeutung sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 GAufzV). Für die konkret gewählte Verrechnungspreismethode2 sind betriebsexterne und -interne Fremdvergleichsdaten heranzuziehen, die sich auf Fremdpreise direkt oder aber auch auf Bruttomargen, Kostenaufschläge und Nettomargen beziehen können.3 Im Kern handelt es sich um eine Verrechnungspreisanalyse, die vor allem die Darstellung der tatsächlich angewandten Verrechnungspreismethode und die Begründung der Geeignetheit der angewandten Methode umfasst (§ 4 Nr. 4 GAufzV).4 Die Aufzeichnungen müssen lediglich das ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen belegen, seine Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gestalten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV).5

19.30 Geht es um die Dokumentation außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO),6 ist diese zeitnah zu erstellen, und zwar nach § 3 Abs. 1 GAufzV innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat. Dem Vorlageverlangen selbst ist im Grundsatz nur für Zwecke der Außenprüfung zu entsprechen (§ 90 Abs. 3 Satz 6 AO). Hierfür gilt eine Frist von 60 Tagen für gewöhnliche, und eine solche von 30 Tagen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle (§ 90 Abs. 3 Satz 8 und 9 AO). Für kleinere Unternehmen gibt es allerdings Erleichterungen (§ 6 GAufzV). 3. Verletzung der Dokumentationspflichten

19.31 Wird die Verrechnungspreisdokumentation nach Anforderung durch die Finanzbehörde nicht vorgelegt oder ist die vorgelegte Dokumentation im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass die Dokumentati1 Diese ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Gesetz, entspricht aber klar dem in §§ 1 Abs. 3; 4 Nr. 4 GAufzV zum Ausdruck gekommenen Willen; Seer in T/K, § 90 AO Rz. 42; Andresen, RIW 2003, 489 (491); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 (158 ff.); eine Pflicht dagegen verneinend Schnorberger, DB 2003, 1241 (1244). 2 Maßgebend ist also die Ist-Beziehung; vgl. Wassermeyer, DB 2003, 1535 (1538); Schreiber, Stbg 2003, 474 (484); Kaminski/Strunk, RIW 2003, 561 (562). 3 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.2 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 4 Andere (geeignete) Methoden sind daher nicht darzustellen; Seer in T/K § 90 AO Rz. 43; Sieker in GS Traszkalik, 142 ff.; Rasch/Rettinger, BB 2007, 353 (356). 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.3 (VerwaltungsgrundsätzeVerfahren); zum Grundsatz des ernsthaften Bemühens Cordes, Steuerliche Aufzeichnungen bei internationalen Verrechnungspreisen, 135; Vögele/Brem, IStR 2004, 48 (49). 6 Hierzu zählen auch Funktionsverlagerungen (§ 3 Abs. 2 GAufzV).

1102

B. Mitwirkungspflichten

on nicht zeitnah erstellt worden ist, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO im Rahmen einer Schätzung widerlegbar vermutet, dass die im Inland erzielten steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Dokumentation dient, höher als die erklärten Einkünfte sind. Es handelt sich hier um eine Beweisvermutung zu Lasten des Steuerpflichtigen, die unmittelbar auf die Rechtsfolge, nämlich höhere Einkünfte, abzielt.1 Voraussetzung ist, dass die Dokumentationspflichten verletzt worden sind, dass also entweder innerhalb der 60- oder 30-Tages-Frist überhaupt keine oder eine im Wesentlichen unverwertbare Dokumentation vorgelegt wird oder dass außergewöhnliche Geschäftsvorfälle (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO) nicht zeitnah dokumentiert worden sind. Maßstab dafür, ob die Dokumentation im Wesentlichen unverwertbar ist oder nicht, ist, ob ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit feststellen und prüfen kann, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige verwirklicht hat und inwieweit dabei der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet wurde.2 Der Verwertbarkeitstest bezieht sich somit gleichermaßen auf die Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation. Im Ergebnis wird eine Verrechnungspreisdokumentation nur dann unverwertbar sein, wenn ihr keine Aussagekraft mehr zukommt.3 Sofern wegen Verletzung der Dokumentationspflichten eine Schätzung im vorgenannten Sinne dem Grunde nach zulässig ist, bleibt dem Steuerpflichtigen gleichwohl die Möglichkeit, im Nachhinein die in § 162 Abs. 3 Satz 1 AO verankerte, zu seinen Lasten gehende Beweisvermutung durch andere Beweismittel und/oder eine entsprechende Verrechnungspreisanalyse zu widerlegen.4 Davon abgesehen bleibt der Finanzbehörde eine entsprechende Schätzung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen versagt, wenn sie selbst z.B. auf Grund anderweitiger Erkenntnisse zu dem Ergebnis kommt, dass die Verrechnungspreise angemessen sind.5 Der in § 88 AO verankerte Untersuchungsgrundsatz wird nämlich durch § 162 Abs. 3 Satz 1 AO nicht suspendiert, so dass die Schätzung nach § 162 Abs. 3 Satz 1 AO nicht zu einer Strafschätzung werden darf.6 Ist indessen eine Schätzung geboten, ermächtigt § 162 Abs. 3 Satz 2 AO die Finanzbehörde in den Fällen, in denen sich angemessene Verrechnungspreise in-

1 Seer in T/K, § 162 AO Rz. 66. 2 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) Rz. 3.4.19. 3 Bruschke, DStZ 2006, 575 (576 f.). 4 § 90 Abs. 3 AO enthält keine Ausschlussfristen, so dass entsprechende Unterlagen noch im Termin zur mündlichen Verhandlung beim FG nachgereicht werden können; Frotscher in Schwarz, § 162 AO Rz. 30; Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, 2006, 106; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 213 f. 5 Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 134 f.; Schreiber, IWB, F. 3, Deutschland, Gr. 1, 2105 (2112). 6 Seer in T/K, § 162 AO Rz. 68.

1103

19.32

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

nerhalb bestimmter Bandbreiten bewegen, zu einer Schätzung an dem für den Steuerpflichtigen ungünstigsten Ende der Bandbreite.1

19.33

Diese Schätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen steht unter dem Vorbehalt des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Übermaßverbot), der durch § 162 Abs. 3 AO ebenfalls nicht suspendiert wird, und daher im Rahmen des Schätzungsspielraums zu berücksichtigen ist. Das gilt vor allen Dingen in den Fällen, in denen durch eine Schätzung eine internationale Doppelbesteuerung hervorgerufen wird.2 Der Vorbehalt des Übermaßverbotes wirkt auch gegen § 162 Abs. 3 Satz 3 AO, wonach eine Schätzung auch dann möglich ist, wenn zwar nicht der Steuerpflichtige, aber ausländische, nahe stehende Personen ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben. Abgesehen davon, dass ausländische Mutter- und Tochtergesellschaften grundsätzlich als im Besteuerungsverfahren nicht beteiligte Personen nicht mitwirkungsverpflichtet sind,3 ist eine derartige „Sippenhaft“ auch im Übrigen ohne Rechtsgrundlage.4

19.34 Werden die Dokumentationspflichten verletzt, können Steuerzuschläge bei Nichtvorlage und verspäteter Vorlage verwertbarer Dokumentationen festgesetzt werden (§ 162 Abs. 4 AO). Während bei Nichtvorlage ein Steuerzuschlag i.H. von mindestens Euro 5000,– mindestens aber 5 Prozent, höchstens 10 Prozent der hinzu geschätzten Einkünfte fällig wird, ist bei verspäteter Vorlage für jeden vollen Tag der Säumnis Euro 100,– maximal Euro 1 Mio. zu zahlen. Bei diesen Steuerzuschlägen handelt es sich um Beugemittel.5

19.35

Im Vergleich etwa zu dem in § 152 AO verankerten Verspätungszuschlag sind die Steuerzuschläge völlig überzogen.6 Hierdurch ist das Übermaßverbot vor allem dann tangiert, wenn neben einer Schätzung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen zusätzlich auch noch Steuerzuschläge erhoben werden. Im Hinblick darauf kommt dem in § 162 Abs. 4 Sätze 4–6 AO normierten Ermessen erhebliche Bedeutung zu.7

19.36 In den Fällen, in denen bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nicht kooperativen Jurisdiktionen (Rz. 19.19 f.) die Dokumentationen gem. § 90 Abs. 3 AO nicht zeitnah erstellt und vorgelegt worden sind (§ 1 1 Der BFH hatte noch eine Schätzung an dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Ende der Bandbreite vorgeschrieben, vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; zur Bandbreitenregelung Rz. 18.128 ff. 2 Seer in T/K, § 162 AO Rz. 70. 3 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 21. 4 Zu dieser „gesetzgeberischen Missgeburt“ Seer in T/K, § 162 AO Rz. 71a; Wulf, DB 2007, 2280 (2285); von Wedelstädt, AO-StB 2008, 244 (248). 5 Seer in T/K, § 162 AO Rz. 72. 6 Seer in T/K, § 162 AO Rz. 73; Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 825.7, 825.10; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 239; Lüdicke, IStR 2003, 433 (436). 7 Zu Einzelheiten Seer in T/K, § 162 AO Rz. 77 ff.

1104

B. Mitwirkungspflichten

Abs. 2 SteuerHBekV), werden die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1, 2 KStG sowie die Schachtelfreistellungen nach den DBA versagt (§ 4 SteuerHBekV). Schließlich ergibt sich als zusätzliche Rechtsfolge weiterhin, dass eine völlige oder teilweise Entlastung vom Steuerabzug gem. § 50d Abs. 1, 2 oder § 44 Abs. 9 EStG außer Betracht bleibt, wenn die ausländische Gesellschaft den Namen und die Ansässigkeit der natürlichen Personen, die zu mehr als 10 Prozent an ihr beteiligt sind, nicht benennt (§ 2 SteuerHBekV).1 Auch diese Rechtsfolgen, die eine Strafbesteuerung bedeuten, sind mit dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot unvereinbar,2 so dass jedenfalls in den Fällen, in denen die dem Steuerpflichtigen auferlegten Dokumentationspflichten an rechtlicher und/oder tatsächlicher Unmöglichkeit scheitern, die Versagung der Steuerentlastungen zu unterbleiben hat.

19.37

V. Besondere Mitwirkungspflichten Was § 90 Abs. 1 Satz 1 AO als allgemeine Mitwirkungspflicht zusammenfasst, findet seine Konkretisierung in zahlreichen besonderen Vorschriften der Abgabenordnung, die für die Ermittlung inländischer, grenzüberschreitender und ausländischer Sachverhalte gleichermaßen gelten. Hierzu zählen insbesondere die Auskunftspflicht beteiligter und anderer Personen (§ 93 AO), die eidliche Vernehmung (§ 94 AO), Versicherung an Eides statt (§ 95 AO), Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 96 AO), Vorlage von Urkunden (§ 97 AO), Augenscheinseinnahme (§ 98 AO), das Betreten von Grundstücken und Räumen (§ 99 AO) sowie die Vorlage von Wertsachen (§ 100 AO).

19.38

Darüber hinaus enthalten einige Vorschriften besondere Mitwirkungspflichten mit speziellem Bezug zu grenzüberschreitenden und ausländischen Sachverhalten. So verlangt § 123 AO, dass Beteiligte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland einen inländischen Empfangsbevollmächtigten benennen. Es handelt sich hierbei um eine aus Zweckmäßigkeitsgründen gebotene Regelung, die eine Zustellung im Ausland entbehrlich machen soll.3 Von Zweckmäßigkeitsgründen getragen sind auch die in §§ 22a bis 22e UStG verankerten Regelungen über den Fiskalvertreter: Es geht hierbei vor allem um Importeure, die Drittlandsware über Deutschland einführen und danach in andere EU-Mitgliedstaaten steuerfrei weiterliefern. Soweit diese Unternehmer im Ausland ansässig sind und im Inland ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, ohne zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, können

19.39

1 Mangels Börsenklausel wird die Benennung nicht selten an tatsächlicher Unmöglichkeit scheitern; hierzu Häuselmann, Ubg 2009, 704 (706). 2 Seer in T/K, § 90 AO Rz. 33; Puls, Ubg 2009, 556 (557); Kessler/Eicke, DB 2009, 1314 (1316); Haarmann/Suttorp, BB 2009, 1275 (1277). 3 Tipke in T/K, § 123 AO Rz. 1.

1105

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

sie einen Fiskalvertreter bestellen, der insbesondere die Meldepflichten (§§ 18a, 18b UStG) erfüllt.1

19.40 § 138 Abs. 2 AO dient der steuerlichen Überwachung von Auslandsbeziehungen2 und verlangt, dass unbeschränkt steuerpflichtige Steuersubjekte dem zuständigen Finanzamt unaufgefordert Mitteilung zu machen haben über die Gründung und den Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten im Ausland, den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften sowie den Erwerb von Beteiligungen an einer ausländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. von § 2 Nr. 1 KStG, wenn damit unmittelbar eine Beteiligung von mindestens 10 Prozent oder mittelbar eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent am Kapital oder am Vermögen der vorgenannten Körperschaftsteuersubjekte erreicht wird.3 Wer diesen Anzeigepflichten innerhalb der in § 138 Abs. 3 AO näher bezeichneten Mitteilungsfrist4 nicht vollständig oder überhaupt nicht nachkommt, begeht eine Ordnungswidrigkeit i.S. des § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO. Im Übrigen können die Anzeigepflichtigen mit Zwangsmitteln (§§ 328 ff. AO) durchgesetzt werden.

19.41 § 146 Abs. 2 AO soll schließlich sicherstellen, dass Bücher und Aufzeichnungen für die Finanzbehörde jederzeit erreichbar sind. Aus diesem Grunde fordert § 146 Abs. 2 Satz 1 AO die Führung und Aufbewahrung der Bücher im Inland. Für im Ausland befindliche Betriebsstätten sind Bücher und Aufzeichnungen ebenfalls im Inland zu führen und aufzubewahren, sofern nicht ausländisches Recht deren Führung im Ausland vorschreibt (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). Müssen die Bücher und Aufzeichnungen hiernach im Ausland geführt werden, so sind sie auch dort aufzubewahren.5 Soweit das ausländische Recht die Vorlage der Bücher und Aufzeichnungen in Deutschland nicht verbietet, sind die Bücher und Aufzeichnungen auf Verlangen gem. § 97 AO im Inland vorzulegen.6 Für inländische Betriebsstätten ausländischer Steuerpflichtiger begründen §§ 140 ff. i.V. mit § 146 Abs. 2 Satz 1 AO die Pflicht, Bücher und Aufzeichnungen im Inland zu führen und aufzubewahren.7 Ist die Führung und Aufbewahrung der Bücher und Aufzeichnungen sowie die Verbringung derselben ins Inland mit Härten verbunden, so können Erleichterungen gem. § 148 AO bewilligt werden.

1 Hierzu Winter, UR 1999, 272 ff.; Rondorf, BB 1997, 705 ff.; Hidien, RIW 1997, 401 ff.; Lange, UR 1996, 401 ff. 2 Brandis in T/K, § 138 AO Rz. 5. 3 Zu Einzelheiten BMF v. 15.4.2010, BStBl. I 2010, 346. 4 Ein Monat seit dem meldepflichtigen Ereignis. 5 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 33. 6 Zu Inhalt und Grenzen der Vorlagepflicht im Einzelnen Heise, Die Vorlage im Ausland belegener Geschäftsunterlagen im Steuerermittlungsverfahren, 6 ff. 7 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 38; für eine bloße Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Vorlage der im Ausland befindlichen Bücher im Inland Trzaskalik in H/H/Sp, § 146 AO Rz. 37; vgl. auch Rz. 18.21.

1106

B. Mitwirkungspflichten

Gemäß § 146 Abs. 2a AO kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen in einem anderen EU-/EWRStaat1 und ggf. in einem Drittstaat geführt und aufbewahrt werden. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahme zu § 146 Abs. 2 AO, die damit der zunehmenden Zentralisierung von Buchführungsaufgaben im Ausland Rechnung trägt. Da die Papierbuchhaltung nicht von der Ausnahmevorschrift erfasst wird, müssen Originalbelege in Papierform im Inland verbleiben.2

19.42

Die im Ermessen (§ 5 AO) der Finanzbehörde stehende Bewilligung wird nur unter ganz bestimmten, in § 146 Abs. 2a Satz 1 und 2 AO genannten Voraussetzungen gewährt. Für die Verlagerung in EU-/EWR-Staaten ist (kumulativ) erforderlich (§ 146 Abs. 2a Satz 3 AO)

19.43

– die Zustimmung des anderen States zum Datenzugriff, wovon gem. § 146 Abs. 2a Satz 5 AO abgesehen werden kann, wenn z.B. bei einer späteren Außenprüfung ein Datenträgerzugriff erfolgt;3 – die Mitteilung des Standorts des Datenverarbeitungssystems, wobei Änderungen mitzuteilen sind (§ 146 Abs. 2a Satz 4 AO); – der Nachweis, dass der Steuerpflichtige in der Vergangenheit seine Mitwirkungspflichten (§§ 90, 93, 97, 140–147 und 200 Abs. 1 u. 2 AO) ordnungsgemäß nachgekommen ist4 und schließlich – der ungehinderte Datenzugriff. Aufgrund der in § 146 Abs. 2a Satz 5 AO verankerten Öffnungsklausel kann die Bewilligung für die Führung von elektronischen Büchern und Aufzeichnungen auch in Drittstaaten bewilligt werden, wenn die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.5 Die Bewilligung, die ein mit dem Einspruch (§ 247 AO) anfechtbarer Verwaltungsakt (§ 118 AO) ist, ist zu widerrufen, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen wegfallen. Als Folge hiervon sind die elektronischen Bücher und Aufzeichnungen zurückzuverlagern (§ 146 Abs. 2a Satz 6 AO). Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung innerhalb der ihm hierfür bestimmten Frist nicht nach, kann ein Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b AO) zwischen Euro 2500,– und Euro 250 000,– auferlegt werden. Das gilt auch im Falle der Verlagerung ohne Bewilligung und in den Fällen, in denen die Mitteilungspflichten gem. § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, die Pflicht zur Einräumung des Datenzugriffs gem. § 147 Abs. 6 AO und die Pflicht

1 Bei entsprechendem EU-Amtshilfestandard, der bei Liechtenstein nicht gegeben sein soll. 2 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 42; Cöster in Pahlke/König, § 146 AO Rz. 28. 3 Ravenstein, BB 2008, 2226 (2228). 4 Zu dieser Wohlverhaltensklausel Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 45. 5 Zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 46.

1107

19.44

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

zur Auskunftserteilung oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO verletzt worden sind.1

19.45 Gemäß § 160 AO haben Steuerpflichtige auf Verlangen der Finanzbehörde Gläubiger oder Empfänger von Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben zu benennen. Kommen sie dieser Verpflichtung zur Empfängerbenennung nicht nach, sind die Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen. Zweck der Vorschrift ist es, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, dass der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben oder Lasten die Einnahmen bzw. Forderungen bei sich nicht steuererhöhend erfasst.2 Eine Erweiterung dieses Abzugsverbots erfolgt durch § 16 AStG.

19.46 Das Verfahren nach § 160 Abs. 1 AO vollzieht sich in zwei Stufen:3 Auf der ersten Stufe entscheidet das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO)4 darüber, ob ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen geboten ist. Auf der zweiten Stufe ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden,5 ob und inwieweit die in § 160 AO genannten Ausgaben und Lasten, bei denen der Empfänger nicht genau bezeichnet ist, zum Abzug zugelassen werden.

19.47 Das Benennungsverlangen (erste Stufe) ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn die Vermutung nahe liegt, dass der Zahlungsempfänger den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat.6 Hierbei ist, entsprechend der Zielsetzung des § 160 AO, Steuerausfälle zu vermeiden7, allein auf die deutsche Steuer abzustellen.8 Hieraus folgt, dass ein Benennungsverlan1 Diese Pflichtverletzungen können nur bei Buchführungsverlagerung mit einem Verzögerungsgeld geahndet werden; Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 50. 2 BFH v. 17.12.1980 – I R 148/76, BStBl. II 1981, 333; v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/NV 1988, 208; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II, 1989, 995; v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51; v. 15.10.1998 – IV R 8/98, BStBl. II 1999, 333. 3 BFH v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 12.9.1985 – VIII R 371/83, BStBl. II 1986, 537; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; v. 19.1.1994 – I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51; v. 15.10.1998 – IV R 8/98, BStBl. II 1999, 333; v. 10.3.1999 – XI R 10/98, BStBl. II 1999, 434. 4 Zu den Kriterien der Ermessensausübung auf dieser Stufe Seer in T/K, § 160 AO Rz. 14 ff. 5 Zu den Kriterien der Ermessensausübung auf dieser Stufe Seer in T/K, § 160 AO Rz. 30. 6 BFH v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51; v. 10.3.1999 – XI R 10/98, BStBl. II 1999, 434; v. 17.10.2001 – I R 19/01, BFH/NV 2002, 609; Seer in T/K, § 160 AO Rz. 14. 7 Zu den hierzu vertretenen, z.T. unterschiedlichen Meinungen Seer in T/K, § 160 AO Rz. 4 ff.; Tipke in GS Trzaskalik, 121 (124 ff.). 8 BFH v. 13.3.1985 – I R 7/81, BStBl. II 1986, 318; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; Seer in T/K, § 160 AO Rz. 16; Frotscher in Schwarz, § 160 AO Rz. 4; von Wedelstädt, AO-Stb 2007, 325 (326).

1108

B. Mitwirkungspflichten

gen dann nicht notwendig und damit ermessensfehlerhaft ist,1 wenn der Empfänger mit diesen Bezügen der deutschen Besteuerung nicht unterworfen ist.2 Hierfür reicht nicht schon die bloße Möglichkeit aus, erforderlich ist vielmehr, dass der Empfänger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit den Bezügen weder der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegt.3 Unter diesen Voraussetzungen sind Schmiergeldzahlungen an Empfänger im Ausland auch ohne Empfängerbenennung steuerlich abzugsfähig, wobei allerdings zumeist ein Abzugsverbot gem. § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG (Geschenke), § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG (rechtswidrige Vorteilszuwendungen) oder aus § 4 Abs. 6 EStG (Parteispenden)4 eingreift. Bei ausländischen Domizilgesellschaften ist der Zweck des § 160 AO und des § 16 AStG erst dann erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen entweder im Inland nicht steuerpflichtig ist oder seine steuerlichen Pflichten im Inland erfüllt hat.5 Empfänger in diesem Sinne ist derjenige, der in den Genuss des wirtschaftlichen Wertes der Leistung kommt.6 Das ist bei Domizilgesellschaften in der Regel die Person, die die Domizilgesellschaft zwischengeschaltet hat.7

19.48

Deshalb wird dem Benennungsverlangen des Finanzamtes erst dann ent- 19.49 sprochen, wenn bei Geschäftsbeziehungen mit einer Domizilgesellschaft auch Angaben über die Beteiligungsverhältnisse an der Domizilgesellschaft, insbesondere über etwaige unmittelbare oder mittelbare eigene Beteiligungen, gemacht werden.8 Das gilt nicht, wenn nicht erkennbar war, dass es sich bei dem Zahlungsempfänger um eine Domizilgesellschaft handelte.9 Der Steuerpflichtige ist nur verpflichtet, die Betei1 Ermessenskriterien sind Notwendigkeit, Zumutbarkeit und Erfüllbarkeit; hierzu Seer in T/K, § 160 AO Rz. 17. 2 BFH v. 5.6.1956 – I 106/56 U, BStBl. III 1956, 206; v. 15.7.1998 – II R 82/96, BStBl. II 1998, 630; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; Anwendungserlass zur AO (AEAO) § 160 Nr. 4; Seer in T/K, § 160 AO Rz. 16; Frotscher in Schwarz, § 160 AO Rz. 4; Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 45 f. 3 BFH v. 13.3.1985 – I R 7/81, BStBl. II 1986, 318; v. 25.8.1986 – IV B 76/86, BStBl. II 1987, 481. 4 Zum Konkurrenzverhältnis Seer in T/K, § 160 AO Rz. 11. 5 BFH v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/ NV 1988, 208; v. 1.6.1994 – X R 73/91, BFH/NV 1995, 2; v. 15.10.1998 – IV R 8/98, BStBl. II 1999, 333. 6 BFH v. 8.2.1972 – VIII R 41/66, BStBl. II 1972, 442; v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/ NV 1988, 208; v. 19.1.1994 – I R 40/92, BFH/NV 1994, 181; v. 1.6.1994 – X R 73/91, BFH/NV 1995, 2; v. 10.3.1999 – XI R 10/98, BStBl. II 1999, 434; v. 10.11.1998 – I R 108/97, BStBl. II 1999, 121; v. 17.10.2001 – I R 19/01, BFH/NV 2002, 609; v. 5.11.2002 – VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 712; Seer in T/K, § 160 AO Rz. 22. 7 BFH v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/NV 1988, 208; v. 1.6.1994 – X R 73/91, BFH/ NV 1995, 2. 8 BFH v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/NV 1988, 208. 9 BFH v. 17.10.2001 – I R 19/01, BFH/NV 2002, 609; Seer in T/K, § 160 AO Rz. 22.

1109

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

ligungsverhältnisse und seine eigenen rechtlichen Beziehungen zu der Gesellschaft aufzudecken. Demgemäß kann die Offenlegung anderweitiger Verhältnisse der Gesellschaft zu Dritten und von Verhältnissen Dritter zu weiteren Personen nicht verlangt werden.1

19.50 Werden Gläubiger oder Empfänger nicht benannt, so sind auf der zweiten Stufe Lasten und Ausgaben in der Regel steuerlich nicht zu berücksichtigen. Soweit Betriebsausgaben gelten gemacht worden sind, führt dieses Abzugsverbot durchweg zu einer Einkünfteerhöhung. Anders ist die Rechtsfolge beim Abzugsverbot für bestimmte Schulden. Hier kommt es zwar zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens, diese Vermögensmehrung kann jedoch aus steuerpflichtigen Gewinnen, aus steuerfreien Einnahmen oder aus Einlagen stammen.2 Stammt die Vermögensmehrung aus steuerpflichtigen Einkünften, ist zu klären, ob diese Einkünfte in dem Jahr der Vermögensmehrung zugeflossen sind. Nur dann führt das Abzugsverbot für Schulden auch zu einer Einkünfteerhöhung.3

19.51 Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 160 AO – Vermeidung von Steuerausfällen – ist bei der Ermessensentscheidung auf der zweiten Stufe darauf abzustellen, in welchem Maße etwa der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfasst hat. Nach dem Zweck des § 160 AO soll der Steuerpflichtige gleichsam als Haftender in Anspruch genommen werden,4 so dass bei ihm das zu erfassen ist, was beim Empfänger verloren geht. Da somit § 160 AO nicht darauf ausgerichtet ist, dem Staat zusätzliche Einnahmen zu verschaffen,5 ist stets zu berücksichtigen, in welchem Maße die Empfänger entsprechend ihrer mutmaßlichen Einkommensverhältnisse zur Zahlung von Steuern verpflichtet gewesen wären.6 Dies gilt unabhängig davon, ob der Empfänger der Bezüge unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist. Diesbezügliche Ungewissheiten gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen.7 1 BFH v. 1.6.1994 – X R 73/91, BFH/NV 1995, 2. 2 BFH v. 27.9.1967 – I 231/64, BStBl. II 1968, 67; v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/NV 1988, 208. 3 BFH v. 24.3.1987 – I B 156/86, BFH/NV 1988, 208; v. 16.3.1988 – I R 151/85, BStBl. II 1988, 759; Kuhsel, DB 1995, 650 (650). 4 BFH v. 29.11.1978 – I R 148/76, BStBl. II 1979, 587; v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51; v. 15.10.1998 – IV R 8/98, BStBl. II 1999, 333; v. 10.3.1999 – XI R 10/98, BStBl. II 1999, 434; v. 5.11.2001 – VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 312; v. 1.4.2003 – I R 28/02, BFH/NV 2003, 1241. 5 BFH v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 10.3.1999 – XI R 10/98, BStBl. II 1999, 434. 6 BFH v. 22.5.1968 – I 59/65, BStBl. II 1968, 727; v. 29.11.1978 – I R 148/76, BStBl. II 1979, 587; v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995. 7 BFH v. 30.3.1983 – I R 228/78, BStBl. II 1983, 654; v. 9.8.1989 – I R 66/86, BStBl. II 1989, 995; v. 17.3.1997 – I B 123/95, BFH/NV 1997, 730; v. 24.2.1999 – X B 204/98, X B 205/98, X B 204/98, X B 205/98, BFH/NV 1999, 1181.

1110

B. Mitwirkungspflichten

Die Regelung des § 160 AO erfährt durch § 16 Abs. 1 AStG insoweit eine Verschärfung, als eine genaue Gläubiger- oder Empfängerbenennung erst dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige alle Beziehungen offen legt, die unmittelbar oder mittelbar zwischen ihm und unwesentlich besteuerten ausländischen Gesellschaften oder Personen bestehen und bestanden haben.1 Damit versteht sich § 16 AStG als eine Ergänzung zu der Gewinnkorrekturvorschrift des § 1 AStG insoweit, als auch er unzulässige Gewinn- und Vermögensverlagerungen ins Ausland verhindern will.2 § 16 AStG dient somit ebenfalls dem Schutz vor inländischen Steuerausfällen.3 Indessen ist der Anwendungsbereich des § 16 AStG in der Praxis sehr eng, weil zumeist nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden kann, ob die ausländische Gesellschaft oder die im Ausland ansässige Person nicht oder nur unwesentlich besteuert wird.4 Davon abgesehen ist dem § 16 Abs. 1 AStG auch nicht zu entnehmen, wann eine unwesentliche Besteuerung vorliegt.5 Wird dem Benennungsverlangen des Finanzamts nach § 16 AStG, das kein Verwaltungsakt, sondern eine nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung sein soll,6 nicht entsprochen, ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 160 Abs. 1 AO.7 Ist der Steuerpflichtige dem Benennungsverlangen nachgekommen, bestehen aber gleichwohl noch Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben, können diese durch eine eidesstattliche Versicherung gem. § 16 Abs. 2 AStG ausgeräumt werden.8 Die Heranziehung zur eidesstattlichen Versicherung liegt im Ermessen der Finanzbehörde, so dass der Steuerpflichtige die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung nicht erzwingen kann.9

1 Zu Einzelheiten Schmitz, IStR 1997, 193 ff. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 46; Ruge in Haase, § 16 AStG Rz. 1. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 46; a.A. Runge in B/K/L/M/R, § 16 AStG Rz. 16. 4 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 22. 5 Herrschende Meinung: Steuerbelastung von nicht mehr als 10 Prozent, so Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 25; Ruge in Haase, § 16 AStG Rz. 14; für eine Steuerbelastungsquote von weniger als 25 Prozent BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, Rz. 16.1.2. 6 BFH v. 12.9.1985 – VIII R 371/83, BStBl. II 1986, 537; v. 20.4.1988 – I R 67/84, BStBl. II 1988, 927; v. 10.11.1998 – VIII R 3/98, BStBl. II 1999, 199; dagegen nehmen einen Verwaltungsakt z.B. an: Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 47; Seer in Tipke/Kruse, AO, § 160 AO Rz. 12; Trzaskalik in H/H/Sp, § 160 AO Rz. 47 f.; Frotscher in Schwarz, § 160 AO Rz. 11. 7 § 16 Abs. 1 AStG enthält eine Rechtsfolgenverweisung; hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 46.1. 8 § 16 Abs. 2 AStG ist hinsichtlich der Voraussetzungen lex specialis gegenüber § 95 AO, das Verfahren bestimmt sich aber nach § 95 Abs. 2 AO; hierzu Wassermeyer in F/W/B, § 16 AStG Rz. 69. 9 Wassermeyer in F/W/B, § 16 Rz. 75.

1111

19.52

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

C. Internationaler Informationsaustausch Literatur Kommentare zu § 117 AO Art. 26 OECD-MA und zum MA-InfAust; Adonnino, Der Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen verschiedener Staaten, in FS für Beusch, Berlin/New York 1993, 25; Balmes/Ribbrock, Auskunftserteilung zwischen EU-Staaten, AO-StB 2006, 72; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl. Herne/Berlin 1996; Baranowski, Internationale Steuerauskunft in rechtsstaatlicher Sicht, DStZ A 1975, 296; Becker, Probleme des internationalen Auskunftsverkehrs, JbFSt. 1980/81, 122; Bilsdorfer, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung, 5. Aufl. Bielefeld 2002; Carl, Geheimnisschutz bei internationaler Amtshilfe in Steuersachen, IStR 1995, 225; Carl, Internationale Rechtshilfe in Steuersachen, DStZ 1993, 653; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, Herne/Berlin 1995; Carl/ Klos, Subsidiarität der zwischenstaatlichen Amtshilfe gegenüber innerstaatlichen Ermittlungsmöglichkeiten?, RIW 1995, 140; Carl/Klos, Die EG-Amtshilfe in Steuersachen, Inf. 1994, 193, 238; Carl/Klos, Rechtsschutzprobleme bei steuerlichen Spontanauskünften an ausländische Finanzbehörden, DStR 1992, 528; Coats, Simultaneous Examinations and Spontaneous Exchanges of Information, TNI 1984, 74; Debatin, Entwicklungsaspekte des Internationalen Steuerrechts, RIW/AWD 1980, 3; Debatin, Neue Entwicklungen im internationalen steuerlichen Auskunftsverkehr, DB 1977, 2064, 2117; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1990; Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, Köln 1987; Escher/EscherWeingart, Spontanauskunft und Datenschutz, RIW 1991, 574; Flick, Auskunftsverkehr nach den Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1975, 1727; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Friauf, Grenzen der Mitwirkungspflicht im Informations- und Auskunftsverkehr zwischen Finanzbehörden verschiedener Länder, StbJb. 1984/85, 313; Friauf, Das Steuergeheimnis aus verfassungsrechtlicher Sicht, JbFSt. 1984/85, 95; Grüninger/Keller, Internationale Amts- und Rechtshilfe durch Informationsaustausch, ASA 60 (1991/92), 513; Hamacher, Anmerkungen zum Merkblatt über die zwischenstaatliche Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen, RIW 1989, 378; Heidner, Spontanauskunft als zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, DStR 1989, 526; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Köln 2004; Hendricks, Durchsetzung deutscher Steueransprüche im Ausland, IStR 2009, 846; Herlinghaus, Zu Möglichkeiten und Grenzen des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen des zwischenstaatlichen Informationsaustausches nach den Doppelbesteuerungsabkommen, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 933; Höppner, Internationale steuerliche Amtshilfe – Stand und Perspektiven, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 817; Jirousek, Die Simultanbetriebsprüfung, SWI 1994, 139; Jonas/Pauly, Sensible Amtshilfe durch Datenaustausch, DStR 1985, 560; Kerwat, Das EG-Amtshilfegesetz und der Europäische Binnenmarkt, DStZ 1992, 729; Klos, Spontanauskunft an niederländische Finanzbehörden über beschlagnahmte Konten- und Depotanzeigen, Inf. 1995, 519; Koch, Die EG-Richtlinie zur internationalen Rechts- und Amtshilfe und ihre Auswirkungen im internationalen Recht, DStZ A 1979, 4; Krabbe, Das EG-Amtshilfegesetz, RIW 1986, 126; Lohr, Der internationale Auskunftsverkehr im Steuerverfahren, Wien 1993; Maßbaum, Internationale Steuerauskunft nach dem geänderten EG-Amtshilfegesetz, IWB. F. 3, Deutschland, Gr. 1, 1421; Menck, Internationale Amtshilfe in Steuersachen, DStZ A 1971, 57; Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsche Verfassungsrecht, München 1987; Muuss, EG-Amts-

1112

C. Internationaler Informationsaustausch hilfegesetz, StbJb. 1984/85, 295; Pieper, Rechts- und Amtshilfe in Steuerangelegenheiten durch die Schweiz insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Bankgeheimnis, Frankfurt 1995; Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, Köln 1997; Reiffs, Neuere Rechtsprechung zum internationalen Auskunftsverkehr in Steuerangelegenheiten, StBp. 1996, 309; Reuter, Praktische Überlegungen zur internationalen Steuerauskunft, StbJb 1975/76, 419; Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz?, BB 1987, 65; Ritter, Internationale Steuerauskunft in rechtsstaatlicher Sicht, DStZ A 1974, 267; Ruegenberg, Das nationale und internationale Steuergeheimnis im Schnittpunkt von Besteuerungs- und Strafverfahren, Köln 2001; Runge, Das Steuerbereinigungsgesetz 1986: Das EG-Amtshilfegesetz, DB 1986, 191; Runge, Der zwischenstaatliche Auskunftsaustausch in Steuersachen, JbFSt. 1980/81, 142; Runge, Der Informationsaustausch als zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen, RIW/ AWD 1979, 73; Schaumburg/Schlossmacher, Article 26 of the OECD Model in Light of the Right to Informational Self-Determination, BiFD 2000, 522; Schelle, Dreiecksauskünfte nach bisherigem Recht und nach der AO-Reform, WPg. 1977, 341; Schwochert, Rechtliches Gehör und Amtshilfe innerhalb der EG, RIW 1991, 843; Seer, Steuerverfahrensrechtliche Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, 151; Seer, Ausbau des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs, IWB 2009, Gr. 2, F.10, 2067; Seer/Gabert, „Tax Information Exchange Agreements“ (TIEA) und das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz 2009 als neue Instrumente zur Bekämpfung von Steueroasen, Ubg 2010, 358; Seer/Gabert, Der internationale Auskunftsverkehr in Steuersachen, StuW 2010, 3; Selling, Anhörung und Rechtsschutz im Rahmen des Informationsaustausches mit dem Ausland, StBp. 1988, 237; Stark, Spontanauskünfte durch die Finanzverwaltung, DB 1994, 1321; Stahl, Rechtshilfe in Steuerstrafsachen, KÖSDI 1993, 9300; Stahl, Zwischenstaatliche Amtshilfe in Steuersachen, KÖSDI 1993, 9373; Stahlschmidt/ Laws, Hdb. des Auskunftsverkehrs in Steuersachen, Berlin 2009; Thomas, Internationale Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen, DB 1975, 2056; Turro, OECD issues model agreement for simultaneous examinations, TNI 1992, 759; Urtz, Die simultane Betriebsprüfung durch Finanzbehörden verschiedener Länder, SWI 1996, 354; Vliegen, Gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IWB 2008, F.10.Gr.2, 2017; Werra, Die Grenzen der zwischenstaatlichen Amtshilfe in Steuersachen, BB 1988, 1160.

I. Allgemeines Während im Zuge der internationalen Verflechtung der Wirtschaft Unternehmen grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen pflegen, mit ausländischen Unternehmen kooperieren, sich mit ihnen zusammenschließen und auf den Weltmärkten als internationale Konzerne operieren, endet die Tätigkeit der Finanzverwaltungen, insbesondere die Sachaufklärung aus Gründen des Völkerrechts (Rz. 19.1 ff.) an den nationalstaatlichen Grenzen. Sachaufklärungsmaßnahmen im Ausland unter Einsatz hoheitlicher Mittel, insbesondere Außenprüfungen, Fahndungsmaßnahmen und sonstige Ermittlungen auf fremdem Hoheitsgebiet sind unzulässig (Rz. 19.2). Damit ergibt sich eine Divergenz zwischen Verwaltungsauftrag und Verwaltungskönnen, das heißt, zwischen dem, was entsprechend § 85 AO aufgeklärt werden darf und soll, und dem, was an sich aufzuklä-

1113

19.53

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

ren wäre.1 Mit der Sachaufklärungspflicht von Amts wegen (§ 88 AO) korrespondiert zwar eine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (Rz. 19.7 ff.), die Mitwirkung des Steuerpflichtigen ist aber nicht selten unzureichend, weil dieser für Zwecke der Informationsbeschaffung keine hoheitlichen Mittel einsetzen kann. Damit ergibt sich ein Ungleichgewicht zwischen Sachaufklärung im Inland einerseits und Sachaufklärung im Ausland andererseits. Um der allgemeinen Aufgabennorm des § 85 AO zu entsprechen und um die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei Auslandsbeziehungen in gleicher Weise zu gewährleisten2 wie bei Inlandsbeziehungen, ist ein internationaler Informationsaustausch3 zwischen den Finanzverwaltungen unerlässlich.

19.54

Die deutschen Finanzbehörden pflegen mit ausländischen Finanzbehörden einen regen Auskunftsverkehr. Der Informationsaustausch erfolgt in der Praxis zumeist aufgrund der EG-Amtshilferichtlinie und der nationalen Umsetzungsbestimmungen und der Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 26 OECD-MA)4 u.a. auch im Rahmen international koordinierter Außenprüfungen bei internationalen Großunternehmen5 sowie aufgrund einer besonderen multilateralen Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen. Dieser Informationsaustausch erstreckt sich vor allem auf grenzüberschreitende Einkünfteverlagerungen.6

19.55 Rechtsgrundlagen für den internationalen Informationsaustausch sind vor allem7 die EG-Amtshilferichtlinie und ihre nationalen Umsetzungs-

1 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 4; Menck in Menck/Ritter u.a.; Internationale Steuerauskunft und Deutsches Verfassungsrecht, 1 f. 2 Der Zweck der Amtshilfe ist also die zutreffende Besteuerung und dient damit der internationalen Steuergerechtigkeit; vgl. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 6. 3 In der gesetzlichen Terminologie (z.B. § 117 AO) sind zumeist die Begriffe Rechts- und Amtshilfe gebräuchlich. Amtshilfe ist die Hilfe, die eine Behörde einer anderen Behörde zur Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gewährt. Rechtshilfe ist dagegen die Unterstützung von Gerichten bei Rechtspflegeaufgaben. Diese Begriffe werden durchweg unterschiedlich abgegrenzt; hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 5. 4 Vgl. hierzu den Überblick bei Hendricks in D/W, Vor Art. 1 MA-InfAust Rz. 7 ff. 5 Zu Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 383 ff.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 158 ff.; Roth in Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, 51 ff.; Menck in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. D 105 ff.; Coats, TNI 1984, 74 ff.; Turro, TNI 1992, 759 ff.; Jirousek, SWI 1994, 139 ff.; Urtz, SWI 1996, 354 ff.; vgl. auch BMFMerkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.3. 6 Zu weiteren Einzelheiten Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 44; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 17. 7 Vgl. hierzu im Einzelnen Hendricks in D/W, Vor Art. 1 MA-InfAust Rz. 7 ff.; Seer in FS Schaumburg, Köln 2009, 151 (152 ff.); Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (4 ff.).

1114

C. Internationaler Informationsaustausch

bestimmungen (in Deutschland das EG-Amtshilfegesetz1), die EG-Beitreibungsrichtlinie und ihre nationalen Umsetzungsbestimmungen (in Deutschland das EG-BeitrG2), die Zusammenarbeits-VO (ZVO),3 die Zinsinformationsverordnung (ZIV),4 die nur für den Auskunftsverkehr zwischen den EU-Staaten gelten, die Auskunfts- und Beitreibungsklauseln der DBA (Art. 26 und 27 OECD-MA),5 die besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen,6 die Informationsaustauschabkommen7 sowie § 117 AO. Die deutsche Finanzverwaltung wendet die vorgenannten Rechtsgrundlagen mit Ausnahme der ZusammenarbeitsVO der EU nach Maßgabe ihrer Merkblätter zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen8 und bei der Steuererhebung (Beitreibung)9 an. Das EG-Amtshilfegesetz, das die EG-Richtlinie 77/799/EWG vom 19.12.197710 umsetzt, lässt ebenso wie die Zusammenarbeits-VO und die Zinsinformationsverordnung11 der EU und die Auskunftsklauseln der DBA die Erteilung von Auskünften aufgrund anderer Rechtsgrundlagen ausdrücklich zu (§ 1 Abs. 3 EGAHiG). Im Unterschied zu § 117 Abs. 3 AO ergibt sich aus den vorgenannten Rechtsgrundlagen eine Verpflichtung des ersuchten Staates zur Gewährung zwischenstaatlicher Amtsund Rechtshilfe. Ein darüber hinausgehender Informationsaustausch bleibt zulässig.

19.56

Da das EG-Amtshilfegesetz die Gewährung zwischenstaatlicher Amtsund Rechtshilfe nach anderen Vorschriften zulässt,12 darf die deutsche Finanzverwaltung über die Verpflichtung des § 2 Abs. 1 EGAHiG hinaus

19.57

1 EGAHiG 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436. 2 EG-BeitrG v. 3.5.2003, BGBl. I 2003, 654. 3 Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 v. 7.10.2003 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92, ABl. EU 2003 Nr. L 264, 1; vgl. hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 243 ff.; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 322 ff. 4 ZIV v. 26.1.2004, BGBl. I 2004, 128. 5 Hierzu die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 73; ferner speziell zur internationalen Vollstreckungshilfe Art. 27 OECD-MA die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 27 OECD-MA Rz. 11. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Seer in T/K, § 117 AO Rz. 29 f. 7 Tax Information Exchange Agreements (TIEA); hierzu die Kommentierung von Hendricks in D/W, MA-InfAust; Seer/Gabert, Ubg 2010, 358 ff.; abgeschlossen z.B. mit Jersey (BStBl. I 2010, 166). 8 BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 9 BMF v. 19.1.2004, BStBl. I 2004, 66 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung); zur Bindungswirkung dieses Merkblatts Hendricks, IStR 2009, 846 (850). 10 ABl. EG Nr. L 336, 15; abgedruckt bei Seer in T/K, § 117 AO Rz. 62. 11 Gemäß § 9 Abs. 2 ZIV gilt das EGAHiG mit Ausnahme von dessen § 3 entsprechend. 12 § 1 Abs. 3 EGAHiG.

1115

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

Amts- und Rechtshilfe leisten, so dass auch Kulanzauskünfte gem. § 117 Abs. 3 AO zulässig sind.

19.58 Die Auskunftsklauseln der DBA begrenzen die zwischenstaatliche Amtsund Rechtshilfe nach anderen Vorschriften ebenfalls nicht. Das gilt auch in den Fällen, in denen DBA lediglich sog. kleine Auskunftsklauseln enthalten, nach denen Informationen nur für Zwecke der Anwendung der DBA selbst ausgetauscht werden dürfen. Damit sind auch hier Kulanzauskünfte gem. § 117 Abs. 3 AO zulässig.1 Zugleich sind auch die besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen und die Informationsaustauschabkommen neben dem EG-Amtshilfegesetz, der Zusammenarbeits-VO und den Auskunftsklauseln der DBA anwendbar. Entsprechendes gilt auch für das Nebeneinader von EG-Beitreibungsgesetz2 und Art. 27 OECD-MA.3 Soweit von der deutschen Finanzverwaltung zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe außerhalb des EG-Amtshilfegesetzes, der Zusammenarbeits-VO, der Zinsinformationsverordnung, der Auskunftsklauseln der DBA sowie der besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen und der Informationsaustauschabkommen gem. § 117 Abs. 1 AO in Anspruch genommen oder gem. § 117 Abs. 3 AO gewährt wird, gelten zugunsten der betroffenen Steuerpflichtigen allerdings auch die Schrankenwirkungen der zuerst genannten Rechtsnormen, und zwar jeweils diejenigen Schrankenwirkungen mit der größten Reichweite. Hieraus folgt, dass bei der Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe auf der Grundlage des § 117 Abs. 3 AO nicht nur die dort genannten Voraussetzungen für die Auskunftserteilung, sondern insbesondere auch die in den §§ 3 Abs. 1 und 4 des EGAHiG aufgeführten Grenzen der Auskunftserteilung sowie das internationale Steuergeheimnis der Auskunftsklauseln der DBA zu beachten sind.4 Demgegenüber wird die zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe nach dem EG-Amtshilfegesetz grundsätzlich5 nicht durch übrige Rechtsvorschriften über zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe6 eingeschränkt. Die Auskunftsnormen des nationalen Rechts unterliegen 1 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 64; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 21, 63. 2 Vom 10.8.1979, BGBl. I 1979, 2150. 3 Engelschalk in V/L5, Art. 27 OECD-MA Rz. 7; Krabbe in D/W, Art. 27 OECDMA Rz. 4; Mai in Haase, Art. 27 OECD-MA Rz. 8; nach BMF V. 21.1.2004, BStBl. I 2004, Rz. 1.2.5 (Merkblatt Beitreibung) wird der Beitreibungshilfe auf der Grundlage des EG-BeitreibungsG/EG-BeitreibungsRL der Vorrang eingeräumt. 4 Andernfalls ginge die gesetzgeberische Wertungsdivergenz zu Lasten der Betroffenen; a.A. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 64. 5 Ausnahme bei absolutem Geheimnisschutz durch DBA; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 82, 85; Seer, IWB 2009, Gr. 2, F.10, 1067 (2074); Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (11 f.); vgl. auch BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.3 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 6 Zu Einzelheiten Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 16; Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (11).

1116

C. Internationaler Informationsaustausch

allerdings den Grundrechtsschranken. Von Bedeutung ist hier insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Rz. 19.66). Die Befugnis zum Informationsaustausch außerhalb des EG-Amtshilfegesetzes, des EG-Beitreibungsgesetzes, der Zusammenarbeits-VO, der Zinsinformationsverordnung, der Auskunftsklauseln der DBA, der besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen und der Informationsaustauschabkommen ist nur innerhalb der von § 117 AO gezogenen Grenzen zulässig. Hieraus folgt, dass weitergehende Auskünfte ohne Ersuchen – Spontanauskünfte und automatische Auskünfte (Rz. 19.77) – nach § 117 AO unzulässig – und freiwillige Auskünfte auf Ersuchen – Kulanzauskünfte (Rz. 19.76) – nur unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 AO gestattet sind.

19.59

Ob eine Auskunft eingeholt oder gewährt werden soll, entscheidet das Bundeszentralamt für Steuern nach seinem Ermessen.1 Hierbei hat es sich an den allgemeinen Ermessensgrenzen Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit zu orientieren.2

19.60

Da die Entscheidung über die Einholung oder Gewährung einer Auskunft nicht auf unmittelbare Wirkung nach außen gerichtet ist, stellt sie keinen Verwaltungsakt dar.3 Dem Anspruch auf Rechtsschutz wird aber dadurch entsprochen, dass der betroffene Steuerpflichtige vor Stellung des Auskunftsersuchens oder Erteilung der Auskunft grundsätzlich4 gehört werden muss.5 Dieser hat sodann die Möglichkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage (§ 40 FGO)6 oder Feststellungsklage (§ 41 FGO).7 Ggf. kommt auch eine einstweilige Anordnung gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO

19.61

1 Der Bundesminister der Finanzen hat seine Zuständigkeit auf das Bundeszentralamt für Steuern übertragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG); vgl. BMF v. 29.11.2004, BStBl. I 2004, 1144; vgl. auch BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006 26, Rz. 1.6 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 Hierzu im Einzelnen Seer in T/K, § 117 AO Rz. 10 ff. 3 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 107, 111; Schwarz in Schwarz, § 117 AO Rz. 23; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 25; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 281 ff.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 201 f.; Reiffs, StBp. 1996, 309 (310). 4 Ausnahme: § 2 Abs. 3 Satz 2 EGAHiG. 5 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 24, Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, München 1987, 86 (104); Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 89 ff.; nach BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006 26, Rz. 2.1.3 soll der Steuerpflichtige zuvor unterrichtet werden. 6 BFH v. 23.7.1986 – I R 306/82, BStBl. II 1987, 92; v. 29.10.1986 – I B 28/86, BStBl. II 1987, 440; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 111; Wolffgang/Hendricks in Beermann/ Gosch, § 117 AO Rz. 137; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006 26, Rz. 6.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 7 Allerdings gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nur subsidär.

1117

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

in Betracht.1 Aktiv legitimiert können betroffene inländische und ausländische Steuerpflichtige sein.2 Passiv legitimiert ist das Bundeszentralamt für Steuern.

II. Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe 19.62 Die Finanzbehörden können zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts (§§ 111 ff. AO) in Anspruch nehmen (§ 117 Abs. 1 AO). § 117 Abs. 1 AO regelt lediglich die Befugnis zur Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe, das heißt das rechtliche Dürfen, ohne dass hieraus ein Anspruch gegenüber dritten Staaten erwächst. Ein derartiger Anspruch auf Auskunftserteilung ergibt sich allerdings aus Art. 2 Abs. 1 EG-Amtshilferichtlinie; §§ 8; 9 ZIV, Art. 4 ZVO der EU, den Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECD-MA), den besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen3 und den Informationsaustauschabkommen.4 Für Zwecke der internationalen Beitreibung kommt zusätzlich die Rechts- und Amtshilfe nach der EG-Beitreibungsrichtlinie und den Beitreibungsklauseln der DBA (Art. 27 OECD-MA) in Betracht. Da nach den vorstehenden Rechtsgrundlagen der Anspruch des ersuchenden Staates auf zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe nicht weiter reicht als die Verpflichtung des ersuchten Staates, ist jede Auskunft, die erteilt wird, obwohl keine Verpflichtung hierzu besteht, eine Kulanzauskunft, die nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. etwa § 117 Abs. 3 AO).

19.63 Ob und unter welchen Voraussetzungen die deutsche Finanzverwaltung zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe in Anspruch nehmen darf, ergibt sich aus § 117 Abs. 1 AO. Hiernach ist die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe nur unter den Voraussetzungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) zulässig. Das heißt: Es müssen die Auskünfte zur Durchführung der deutschen Besteuerung erforderlich sein (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese Voraussetzung ergibt sich aus der Sicht des ersuchenden Staates auch aus den Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 Satz OECD-MA). Demgegenüber stellt § 1 Abs. 2 EGAHiG 1 BFH v. 20.1.1988 – I B 72/87, BStBl. II 1988, 412; v. 29.10.1986 – I B 28/86, BStBl. II 1987, 440; v. 4.9.2000 – I B 17/00, BStBl. II 2000, 648; v. 10.5.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; v. 15.2.2006 – I B 87/05, BStBl. II 2006, 616; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 6.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); zu Einzelheiten Herlinghaus in FS Herzig, 933 (937 f.). 2 BFH v. 20.1.1988 – I B 72/87, BStBl. II 1988, 412; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 6.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 3 Hierzu der Überblick bei Seer in T/K, § 117 AO Rz. 29. 4 Hierzu die Kommentierung von Hendricks in D/W, MA-InfAust; Seer/Gabert, Ubg 2010, 358 ff.; derartige Abkommen bestehen z.B. mit Jersey (BStBl. I 2010, 166); Liechtenstein (BGBl. II 2010, 950); Guernsey (BGBl. II 2010, 973); Isle of Man (BGBl. II 2010, 957); Gibraltar (BGBl. II 2010, 984).

1118

C. Internationaler Informationsaustausch

darauf ab, ob die Auskünfte für Zwecke der Besteuerung erheblich sein können.1 Die Begriffe „erforderlich“ und „erheblich“ sind nicht deckungsgleich.2 Was erheblich ist, ist nicht stets auch erforderlich.3 Erforderlich sind nämlich Auskünfte erst dann, wenn diese für die Besteuerung rechtlich erheblich und vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind.4 Dieses Subsidiaritätsprinzip, das in den Auskunftsklauseln der DBA und in den §§ 117 Abs. 1 und 111 Abs. 1 Satz 1 AO verankert ist,5 gilt auch für den Auskunftsaustausch nach der EG-Amtshilferichtlinie, weil nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EG-Amtshilferichtlinie dem Ersuchen nicht entprochen werden muss, wenn „Anlass zu der Annahme besteht, dass der Mitgliedstaat die eigenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat“.6 Zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe durch einen anderen Staat kann daher von der ersuchenden deutschen Finanzverwaltung nur dann verlangt werden, wenn sie die Tatsache nicht selbst ermitteln kann,7 wenn benötigte Beweismittel sich tatsächlich im Besitz des ersuchten Staates befinden,8 und wenn sie die entsprechenden Sachaufklärungsmaßnahmen nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als der ersuchte Staat.9 Umgekehrt brauchen die Auskünfte von der ersuchten ausländischen Finanzbehörde nicht erteilt zu werden, wenn sie nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand beschafft werden könnten oder dadurch die Erfüllung eigener Aufgaben ernstlich gefährdet würde (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 u. Nr. 4 EGAHiG).

19.64

Im Ergebnis darf die zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe daher grundsätzlich erst in Anspruch genommen werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den inländischen Beteiligten im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 und 3 AO) nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO).10

19.65

1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

Zur Erheblichkeitsprüfung im Einzelnen Krabbe, RIW 1986, 126 (128). A.A. Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 178. Zur Begriffsabgrenzung im Übrigen Seer in T/K, § 117 AO Rz. 64. Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 26; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 89. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 11; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 35; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 222 f., 361 ff.; ebenso BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 2.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). Hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 222 f. Großzügiger Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 255. Vgl. § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO; zum Prinzip der Wirtschaftlichkeit im Abkommensrecht Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 112. Vgl. § 112 Abs. 3 Nr. 3 AO. BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 2.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); Seer in T/K, § 117 AO Rz. 11; § 93 Rz. 19; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 24; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 35; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 26.

1119

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.66 Obwohl die für die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- oder Rechtshilfe maßgeblichen Normen eine Anhörung des betroffenen Steuerpflichtigen nicht vorsehen, ist es im Hinblick auf die insoweit analog geltende Regelung des § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO grundsätzlich geboten, vor Stellung des Auskunftsersuchens rechtliches Gehör zu gewähren,1 wenn das Auskunftsersuchen Informationen enthält, die für den Betroffenen im anderen Staat zu einem Eingriff in seine rechtlich geschützte Sphäre führen könnten. Die Pflicht zur vorherigen Anhörung ist auch verfassungsrechtlich begründet. Sie ergibt sich zum einen aus dem Postulat des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, zum anderen aber auch aus dem grundrechtlichen Schutz informationeller Selbstbestimmung.2 Trotz seiner Herkunft aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht3 gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung4 auch für inländische juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG).5

19.67 Die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe setzt ferner die Wahrung des Steuergeheimnisses voraus. Soweit bei der Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe im Rahmen des Ersuchens Verhältnisse des betroffenen Steuerpflichtigen oder anderer Personen zwangsläufig mitgeteilt werden müssen, bedeutet diese Offenbarung keine unzulässige Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO).6

1 § 117 Abs. 4 Satz 3 AO; hierzu: Schwarz in Schwarz, § 117 AO Rz. 23; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 261; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 368 f.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amtsund Rechtshilfe in Steuersachen, 124; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 2.1.3 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen), dort wird allerdings die vorherige Anhörung als allgemeiner Grundsatz verneint. 2 Zur Herleitung im Einzelnen Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 342 ff.; vgl. im Übrigen Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 58 ff. 98 ff.; Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 89 ff.; Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, München 1987, 86 (104); für den Fall der Spontanauskunft einen Schutz informationeller Selbstbestimmung verneinend BFH v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358; v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497. 3 Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG; näher zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 GG Rz. 127 ff. 4 Grundlegend BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff.; v. 17.7.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100 ff. 5 BVerfG v. 17.7.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100 (142); Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, München 1987, 86 (94). 6 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 31, 35, 83, 95; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 372.

1120

C. Internationaler Informationsaustausch

Da der im EG-Amtshilfegesetz und in der Zusammenarbeits-VO,1 in den Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 3 Buchst. c OECD-MA) und in § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO verankerte Geheimnisschutz über das Steuergeheimnis gem. § 30 AO hinausgeht, wirkt dieser weiterreichende Geheimnisschutz auch als Schranke gegen Auskunftsersuchen gem. § 117 Abs. 1 AO, obwohl die vorgenannten Geheimnisschutzvorschriften unmittelbar nur die Auskunftserteilung betreffen.2 Daraus folgt: Was bei Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe nicht mitgeteilt werden darf, darf auch bei ihrer Inanspruchnahme nicht offenbart werden. Daher ist es der deutschen Finanzverwaltung untersagt, im Rahmen des Ersuchens ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preiszugeben, wenn die Gefahr besteht, dass hierdurch ein mit dem Zweck des Auskunftsersuchens nicht zu vereinbarender Schaden entsteht.3

19.68

Erhält die deutsche Finanzverwaltung aufgrund ihres Ersuchens Auskünf- 19.69 te, so unterliegen diese der Geheimhaltung gem. § 4 EGAHiG und Art. 41 ZVO,4 soweit sie die Auskünfte von EU-Staaten auf der Grundlage des EG-Amtshilfegesetzes und/oder der Zusammenarbeits-VO erhält, und dem internationalen Steuergeheimnis nach den Auskunftsklauseln der DBA,5 sofern die Auskünfte auf Abkommensbasis erteilt werden, oder aber dem Steuergeheimnis gem. § 30 AO in allen übrigen Fällen. Zugunsten des betroffenen Steuerpflichtigen gilt jeweils der Geheimnisschutz mit der größten Reichweite.6

III. Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe 1. Überblick Die Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe, also die Auskunftserteilung an andere Staaten, befindet sich in einem Konfliktfeld. Hierbei geht es einerseits um die Sachaufklärung im Interesse der Besteuerung des anderen Staates und andererseits um die Berücksichti-

1 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGAHiG; vgl. auch Art. 9 ZVO der EU. 2 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 31. 3 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EG-AHG und § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO; hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 32; im Ergebnis ebenso Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Rechtshilfe in Steuersachen, 91. 4 Zu Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Köln 2004, 374 f. 5 Art. 26 Abs. 1 Satz 3 OECD-MA. 6 Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 375; Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (11 f.); Seer, IWB 2009, Gr. 2, F.10, 2067 (2074); zum imperfekten Geheimnisschutz gem. § 4 EG-AHG vor allem Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 115 ff.; zum Geheimnisschutz in den deutschen DBA im Einzelnen Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECDMA Rz. 87 ff.

1121

19.70

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

gung grundrechtlicher Schutzbereiche des betroffenen Steuerpflichtigen.1

19.71 Die für die Gewährung internationaler Amts- und Rechtshilfe maßgeblichen Rechtsgrundlagen berücksichtigen im Grundsatz diesen Konflikt dadurch, dass eine Auskunftserteilung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Indessen dient die Auskunftserteilung an das Ausland nicht nur dem ausländischen Steuerinteresse. Sie dient vielmehr gleichermaßen dem inländischen Steuerinteresse mittelbar dadurch, dass die deutsche Finanzverwaltung im Rahmen der Gegenseitigkeit auf entsprechende Auskünfte aus dem Ausland hoffen kann.2 Diese Umstände hat die deutsche Finanzverwaltung bei ihren Ermessensentscheidungen darüber, ob Auskünfte erteilt werden sollen, ebenso zu berücksichtigen wie den Umstand, dass im Ausland mitunter ein geringerer rechtsstaatlicher Standard3 sowie eine geringere Steuereffizienz4 bestehen.

19.72 Rechtsgrundlagen für die Gewährung zwischenstaatlicher Rechts- und Amtshilfe sind insbesondere:5 – §§ 1 Abs. 2; 2 Abs. 1, 2 und 3 EGAHiG,6 – Art. 5, 40 ZVO,7 – § 9 Abs. 2 ZIV,8 – Auskunfts- und Beitreibungsklauseln der DBA (Art. 26, 27 OECDMA), – besondere Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen9

1 Hierzu im Einzelnen Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 ff.; Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 58 ff.; Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 59 ff. 2 Zu Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 94 f. 3 Hierzu Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (20). 4 Hierzu Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (21 ff.). 5 Nachstehend wird nur auf das EGAHiG und Art. 26 OECD-MA weiter eingegangen. 6 Vom 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436; hierzu Seer in T/K § 117 AO Rz. 59 ff.; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 223 ff. 7 Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 v. 7.10.2003 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92, ABl. EU 2003 Nr. L 264, 1; hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 243 ff.; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 322 ff.; Kraeusel in R/K/L, § 18 UStG Rz. 823 ff. 8 Zinsinformationsverordnung v. 26.1.2004, BStBl. I 2004, 297; hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 89; Knaupp in Kirchhof9, § 45e EStG Rz. 1 ff. 9 Abkommensübersicht in BStBl. I 2010, 42.

1122

C. Internationaler Informationsaustausch

– Informationsaustauschabkommen1 – und § 117 Abs. 2 und 3 AO. Darüber hinaus wird zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe auch nach folgenden Normen gewährt: – Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG),2 – Europäisches Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen (EURhÜbk),3 – Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU,4 – EG-Beitreibungsgesetz (EG-BeitrG),5 – Konvention des Europarats und der OECD zur gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen,6 – Übereinkommen über gegenseitige Unterstützung der Zollverwaltungen.7 Die vorstehenden Rechtsgrundlagen8 schließen sich nicht gegenseitig aus und sind nebeneinander anwendbar,9 wobei entsprechend der vorgegebenen Normenhierarchie (Rz. 3.21 ff.) die unionsrechtlichen Normen Anwendungsvorrang haben.10 Die Reichweite der einzelnen Rechtsgrundlagen ist unterschiedlich. So erstreckt sich die Gewährung der Amts- und Rechtshilfe nach dem EG-Amtshilfegesetz auf die Steuern von Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie auf die Umsatzsteuer. Demgegenüber 1 Z.B. mit Jersey (BStBl. I 2010, 166); Liechtenstein (BGBl. II 2010, 950); Guernsey (BGBl. II 2010, 973; Isle of Man (BGBl. II 2010, 957); Gibraltar (BGBl. II 2010, 984); vgl. im Übrigen Abkommensübersicht in BStBl. I 2010, 42; zu Einzelheiten die Kommentierung von Hendricks in D/W, MA-InfAust; Seer/Gabert, Ubg 2010, 358 ff. 2 V. 27.6.1994, BGBl. I 1994, 1537. 3 V. 20.4.1959, BGBl. II 1964, 1369. 4 V. 22.7.2005, BGBl. II 2005, 650. 5 V. 3.5.2003, BStBl. I 2003, 654; BMF v. 19.1.2004, BStBl. I 2004, 66 (Merkblatt Beitreibung). 6 V. 25.1.2988, unterzeichnet von Deutschland am 17.4.2008; hierzu Vliegen, IWB 2008, F.10.Gr.2, 2017 ff. 7 V. 7.9.1967, BGBl. II 1969, 65; v. 3.6.2002 BGBl. II 2002, 1387. 8 Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (33) spricht von einem „Rechtswirrwarr“. 9 BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 65, 241; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 63; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 72; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerrecht, 311, 316 f.; Menck in Menck/ Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 1 (5); Blumenwitz in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 73 (74); BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.4 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 10 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 29.64; zugunsten des Steuerpflichtigen gelten dennoch die Schrankenwirkungen mit der größten Reichweite; vgl. Rz. 19.68 f.

1123

19.73

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

betreffen die Zusammenarbeits-VO der EU nur die Umsatzsteuer, die Zinsinformationsverordnung nur Zinsen und bestimmte Erträge, die Auskunftsklauseln der DBA regelmäßig nur die Steuern vom Einkommen, Ertrag, vom Vermögen und ggf. Erbschaftsteuer, zumeist aber nicht die Umsatzsteuer1 und die Informationsaustauschabkommen die Steuern von Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie die Erbschaftsteuer. § 117 Abs. 3 AO betrifft dagegen alle Steuern.

19.74 Soweit sich die für die Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe maßgeblichen Rechtsgrundlagen überlagern, gelten jeweils diejenigen Schrankenwirkungen – etwa Geheimnisschutz2 –, die die größte Reichweite zugunsten des betroffenen Steuerpflichtigen entfalten.3

19.75 Die Arten der Auskunftserteilung sind in den einzelnen Rechtsgrundlagen unterschiedlich geregelt. Im Grundsatz ist zwischen der Auskunftserteilung mit und ohne Ersuchen zu unterscheiden.

19.76 Bei Auskunftserteilung auf Ersuchen ist wiederum zwischen Pflichtauskünften und Kulanzauskünften zu unterscheiden. Eine Verpflichtung zur Erteilung einer Anrufungsauskunft (Ersuchensauskunft) ergibt sich für den ersuchten Staat aus §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 EGAHiG und Art. 4 und 7 ZVO sowie aus den Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECDMA), dem Informationsaustauschabkommen und den bilateralen und multilateralen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe. Im Übrigen darf eine Ersuchensauskunft gem. § 117 Abs. 3 AO auch ohne rechtliche Verpflichtung erteilt werden (Kulanzauskunft). § 117 Abs. 3 AO regelt insoweit nur, was § 1 Abs. 3 EGAHiG erlaubt und die Auskunftsklauseln der DBA nicht verbieten.4 Die Befugnis zur Auskunftserteilung geht daher über die rechtliche Verpflichtung hinaus.5

19.77 Auskünfte ohne Ersuchen (Spontanauskünfte) sind gem. § 2 Abs. 2 EGAHiG, § 9 Abs. 2 ZIV und Art. 4 und 7 ZVO erlaubt und nach den Auskunftsklauseln der DBA durchweg nicht verboten.6 Einige wenige DBA 1 Hierzu der Überblick in BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006 26, Anlage 1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 Vgl. hierzu die Sonderregelungen in den deutschen Abkommen bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 113, 117. 3 Andernfalls ginge die gesetzliche Wertungsdivergenz zu Lasten der Betroffenen; vgl. Rz. 19.68 f. 4 § 117 Abs. 3 AO ist dennoch eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für Kulanzauskünfte. 5 Vgl. zur restriktiven Auskunftspraxis BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006 26, Rz. 1.4.5 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 6 BFH v. 23.7.1986 – I R 306/82, BStBl. II 1987, 92; v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358; v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497; v. 10.5.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; v. 13.1.2006 – I B 35/05, BFH/NV 2006, 922; Klos, Inf. 1995, 519 ff., BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); da-

1124

C. Internationaler Informationsaustausch

sehen jedoch nur eine Anrufungsauskunft vor.1 Ferner ist auch eine automatische Auskunft, d.h. eine regelmäßige Übermittlung gleichartiger Sachverhalte an ausländische Behörden z.B. gem. § 2 Abs. 3 EGAHiG,2 § 9 Abs. 2 ZIV und Art. 4 und 7 ZVO oder bei Zustimmung des Steuerpflichtigen etwa gem. § 50d Abs. 5 Satz 5 EStG3 zulässig, und nach den Auskunftsklauseln der meisten DBA nicht ausgeschlossen.4 Als Besonderheit ist auf Protokoll Nr. 23 zu Art. 26 DBA-USA hinzuweisen, wonach der abkommensrechtliche Informationsaustausch für Deutschland auf den Umfang des EG-Amtshilfegesetzes ausgedehnt wird. Deutschland gewährt damit den USA die gleiche Auskunftsunterstützung, wie sie den EG-Mitgliedsstaaten gewährt wird.5 2. Anrufungsauskünfte a) Pflichtauskünfte Der ersuchte Staat ist zur Auskunft verpflichtet, wenn das Auskunftsersuchen auf §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 EGAHiG, Art. 4 und 7 ZVO § 9 Abs. 2 ZIV,6 die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECD-MA), auf Informationsaustauschabkommen oder auf besondere bilaterale und multilaterale Abkommen über Amts- und Rechtshilfe gestützt wird. In diesen Fällen korrespondiert die Verpflichtung des ersuchten Staates mit dem Anspruch des ersuchenden Staates.

19.78

§§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 EGAHiG gelten nur für den Auskunftsverkehr an andere EU-Staaten. Daneben können den EU-Staaten Pflichtauskünfte aber auch auf der Grundlage der Zusammenarbeits-VO, der Zinsinformationsverordnung und der Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 OECDMA) erteilt werden (§ 1 Abs. 3 EGAHiG). § 117 Abs. 2 AO, der auf diese Doppelspurigkeit hinweist, wirkt lediglich deklaratorisch.7

19.79

1 2 3 4 5 6 7

gegen werden von Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 39 ff. Spontanauskünfte aufgrund von vor dem 11.4.1977 – Tag, an dem die OECD den Mitgliedstaaten empfohlen hat, bei der Abkommensauslegung dem Kommentar zum OECD-MA 1977 zu folgen – abgeschlossenen DBA für unzulässig gehalten; ebenso Becker, JbFSt. 1980/81, 122 (130); Heidner, DStR 1989, 526 (527); Escher/ Escher-Weingart, RIW 1991, 574 (575 f.). Nachweise bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58, 70. Hierzu bestehen gesonderte Verwaltungsabkommen; vgl. Nachweise bei BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). Zum Kontrollmeldeverfahren BMF v. 18.12.2002, BStBl. I 2002, 1386, Rz. 12. Wie bei Spontanauskünften differenzierend Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECDMA Rz. 39 ff. Eckstein in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 26 DBA-USA Rz. 1. Die Vorschrift betrifft zwar die automatische Auskunftserteilung, sie ist aber auch Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung kraft Ersuchens, was in der Praxis aber ohne große Bedeutung ist. Darüber hinaus ist diese Vorschrift auch missverständlich formuliert, denn trotz der dort gewählten Formulierung „können“ begründen die in Bezug genommenen Vorschriften des EGAHiG und der DBA eine Amtshilfepflicht; hierzu

1125

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.80 Nach dem EG-Amtshilfegesetz dürfen Pflichtauskünfte nur erteilt werden, wenn die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 EGAHiG iV. mit § 117 Abs. 4 AO erfüllt sind und keine Auskunftsverbote gem. § 3 Abs. 1 EGAHiG entgegenstehen. Darüber hinaus räumt § 3 Abs. 2 EGAHiG der deutschen Finanzverwaltung das Recht ein, in den dort näher bezeichneten Fällen die Auskunft zu verweigern. Werden Auskünfte trotz eines Verweigerungsrechtes gewährt, handelt es sich nicht um Pflichtauskünfte, sondern um Kulanzauskünfte.1

19.81 Zu den einzelnen Voraussetzungen: 19.82 Pflichtauskünfte dürfen gem. § 1 Abs. 2 EGAHiG nur erteilt werden, wenn sie für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie der Umsatzsteuer im ersuchenden Staat erheblich sein können. Hieraus folgt, dass nur solche Auskünfte erteilt werden dürfen, die der ersuchende Staat für seine eigene Steuerfestsetzung und nicht nur für die Steuerfestsetzung eines Drittstaates,2 nicht für die Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen und schließlich nicht für die Erhebung direkter Steuern und die Vollstreckung3 benötigt.

19.83

Da § 1 Abs. 2 EGAHiG darauf abstellt, ob die Auskünfte erheblich sein können, nicht aber darauf, ob sie tatsächlich erheblich sind, erschöpft sich die Verpflichtung des ersuchten Staates darin, zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Auskunftserteilung vorliegen, und damit grundsätzlich in einer Schlüssigkeitsprüfung.4 Eine weitergehende Prüfung verlangt § 1 Abs. 2 EGAHiG nicht. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Auskunftsersuchen lediglich auf Ausforschung5 gerichtet ist oder mit diesem sonstige sachfremde Zwecke verfolgt werden, so müssen die Finanzbehörden des ersuchten Staates eine konkrete Erheblichkeitsprüfung6 vornehmen.7

19.84 Pflichtauskünfte dürfen gem. § 1 Abs. 2 EGAHiG schließlich auch nur unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 4 AO erteilt werden. Damit

1 2 3 4

5 6 7

Seer in T/K, § 117 AO Rz. 46; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amtsund Rechtshilfe in Steuersachen, 127. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 73. Hierzu Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 231a; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 191; Kerwat, DStZ 1992, 729 (730). Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 230 ff. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 66; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 236a; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 189; zu verfassungsrechtlichen Bedenken hiergegen Friauf, StbJb 1984/95, 313 (338 f.); Jonas/Pauly, DStR 1985, 560 (564). Hierzu Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (25 f.). Hierzu im Einzelnen Krabbe, RIW 1986, 126 (128). Stets für eine konkrete Erheblichkeitsprüfung im Einzelfall Oldiges in Menck/ Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (99 ff.); Friauf, StbJb. 1984/85, 313 (336).

1126

C. Internationaler Informationsaustausch

stehen bei Erledigung des Auskunftsersuchens den deutschen Finanzbehörden und den betroffenen Steuerpflichtigen dieselben Rechte und Pflichten zu, die sie im Rahmen der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für deutsche Steuern haben (§ 117 Abs. 4 Satz 1 AO). Soweit hiernach Beteiligte und andere Personen zur Mitwirkung verpflichtet sind, gelten zu deren Gunsten die allgemeinen Ermessensgrenzen (Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit). Es gelten auch die Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte der §§ 101 bis 106 AO.1 Schließlich erfordert § 117 Abs. 4 Satz 3 AO eine vorherige Anhörung des Betroffenen. § 3 Abs. 2 EGAHiG2 enthält einen Katalog von Fällen, in denen Auskünfte nicht erteilt zu werden brauchen (relative Auskunftsverbote), aber aus Kulanz erteilt werden dürfen.3 Hiernach kann die Auskunft verweigert werden, wenn der ersuchende Staat die eigenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft hat (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 EGAHiG),4 wenn keine Gegenseitigkeit besteht (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 EGAHiG),5 wenn die Auskünfte nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erteilt werden könnten oder wenn die ersuchte Behörde dadurch die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 und 4 EGAHiG).6

19.85

Absolute Auskunftsverbote, deren Verletzung zur Strafbarkeit gem. §§ 353b, 355 StGB und zu einer Schadensersatzverpflichtung nach § 839 BGB, Art. 34 GG führen kann,7 ergeben sich schließlich aus § 3 Abs. 1

19.86

1 Vgl. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 Gemäß § 9 Abs. 4 ZIV gilt § 3 EGAHiG nicht für die automatische Auskunftserteilung nach der Zinsinformationsverordnung. 3 Hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 73; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 222; Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (30 f.). 4 Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass es dem Ermessen der Verwaltung anheim gestellt wird, Auskünfte auch dann zu erteilen, wenn die ausländischen innerstaatlichen Auskunftsquellen noch nicht erschöpft sind, äußern Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (102); Friauf, StbJb. 1984/85, 313 (340); Jonas/Pauly, DStR 1985, 560 (564). 5 Danach besteht keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung, wenn die Informationen nach den Gesetzen und der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates tatsächlich oder rechtlich nicht beschaffbar sind oder tatsächlich keine Auskünfte vergleichbarer Art und Güte erlangt werden können; hierzu Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 304; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 223 f.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 196 f. 6 Zum Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.2.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); Seer in T/K, § 117 AO Rz. 81; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 198. 7 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 286; Krabbe, RIW 1986, 126 (131).

1127

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

EGAHiG.1 Hiernach dürfen die ersuchten deutschen Finanzbehörden Auskünfte, die nach deutschem Recht nicht beschafft werden dürfen oder deren Beschaffung der deutschen Verwaltungspraxis2 widersprechen würde, nicht erteilen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 EGAHiG). Was die ersuchte deutsche Finanzbehörde somit nach dem für sie geltenden deutschen Recht nicht darf, das darf sie auch nicht zwecks Erledigung eines Auskunftsersuchens. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gilt daher auch für Zwecke der zwischenstaatlichen Amtshilfe, so dass etwa Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte nach den §§ 101 ff. AO ebenso zu beachten sind wie das Verbot der Auferlegung von Zwangsmitteln, wenn der Betroffene dadurch gezwungen würde, sich wegen einer von ihm begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu belasten (§§ 393 Abs. 1 Satz 2; 410 Abs. 1 Nr. 4 AO).3 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGAHiG hat allerdings nur eine begrenzte Reichweite: Da es nach der AO kein Bankgeheimnis gibt, besteht für Banken auch kein Auskunftsverweigerungsrecht, so dass sie verpflichtet sind, im Einzelfall außerhalb der Schranken des § 30a AO Auskünfte zu erteilen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO).4 Darüber hinaus versagen die Schutzwirkungen für den Betroffenen in den Fällen, in denen die Finanzverwaltung über die für die Gewährung der Amtshilfe erforderlichen Informationen bereits verfügt mit der Folge, dass es einer Amtshandlung insoweit von vornherein nicht bedarf.5

19.87 Die Auskunftserteilung ist ferner dann verboten, wenn die öffentliche Ordnung (ordre public) verletzt würde. Gemeint sind die fundamentalen Ordnungsvorstellungen und Grundwertungen des ersuchten Staates, so insbesondere die Grundrechte, ferner die Souveränität des Staates, seine Sicherheit oder andere wesentliche Interessen, zu denen insbesondere die Geheimhaltung der empfangenen Auskünfte im ersuchenden Staat nach Maßgabe des § 4 EGAHiG gehört (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 EGAHiG).6 Dieses Auskunftsverbot betrifft insbesondere ausländische Steuerverfahren, die zur politischen Verfolgung betrieben werden oder die an die Stelle einer Einziehung deutschen Vermögens treten, sowie Fälle, in denen die in § 4 EGAHiG verankerte Geheimhaltungsverpflichtung im ersuchenden Staat durch ein Mindestmaß an Steuergeheimnis weder rechtlich noch faktisch abgesichert ist.7 1 Gemäß § 9 Abs. 4 ZIV gilt § 3 EGAHiG nicht für die automatische Auskunftserteilung nach der Zinsinformationsverordnung. 2 Hierzu zählen z.B. die Richtlinien, Erlasse der Landesfinanzbehörden und insbesondere die Betriebsprüfungsordnung (BpO). 3 Hierzu BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 4 Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 193; Kerwat, DStZ 1992, 729 (732). 5 BFH v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497; v. 4.9.2000 – I B 17/00, BStBl. II 2000, 648. 6 Zu diesem Geheimnisschutz insbesondere Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, 115 ff. 7 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 294, Wolffgang/Hendricks in Beermann/Gosch, § 117 AO Rz. 198; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfah-

1128

C. Internationaler Informationsaustausch

Auskünfte dürfen auch dann nicht erteilt werden, wenn in dem ersuchenden Staat ein angemessener Datenschutz nicht gewährleistet ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 3a EGAHiG); ob ein solcher Datenschutz besteht, beurteilt sich nicht abstrakt, sondern allein in Bezug auf den Gegenstand der Auskunft. Maßstab ist hierbei das Schutzniveau der EG-Datenschutzrichtlinie.1 Im Hinblick darauf, dass die EU-Staaten die Vorgaben der EG-Datenschutzrichtlinie regelmäßig einhalten, hat § 3 Abs. 1 Nr. 3a EGAHiG kaum praktische Bedeutung.2

19.88

Das in der Praxis wichtigste Auskunftsverbot dient dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 EGAHiG). Hiernach darf eine Auskunft nicht erteilt werden, soweit die Gefahr besteht, dass dem inländischen Beteiligten durch die Preisgabe eines Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens ein mit dem Zweck der Auskunftserteilung nicht zu vereinbarender Schaden entsteht. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis liegt vor, wenn es sich um Tatsachen und Umstände handelt, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind und deren unbefugte Nutzung zu beträchtlichen Schäden führen kann.3 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse4 gelten nur Dritten gegenüber mit der Folge, dass es zwar zwischen Stammhaus und Betriebsstätte solche Geheimnisse nicht geben kann,5 wohl aber zwischen verbundenen oder sonst nahe stehenden Unternehmen.6

19.89

Das dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen dienende Auskunftsverbot greift nur dann ein, wenn durch die Auskunftserteilung ein Schaden entstünde. Abzustellen ist auf die konkrete Schadensgefahr beim inländischen Beteiligten.7 Im Hinblick auf die sich aus dem übrigen deutschen

19.90

1 2 3

4 5 6 7

ren, 218 f.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 194. Richtlinie 95/46 EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG 1995 Nr. L 281, 31. Vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 219. BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268; diese restriktive Interpretation des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses wird gebilligt von Seer in T/K, § 117 AO Rz. 55; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 121 ff.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 195; BMF-Schrb. v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.1.4 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); a.A. z.B. Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (23 ff.). Es handelt sich um bloße Synonyma; eine beispielhafte Aufzählung der zu den Geschäftsgeheimnissen gehörenden Daten bei Seer in T/K, § 117 AO Rz. 54. Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 111. Seer in T/K, § 117 AO Rz. 56; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 125 f.; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 111; a.A. Runge, RIW/AWD 1979, 73 (86); Baranowski, DStZ A 1975, 296 (299). Seer in T/K, § 117 AO Rz. 77.

1129

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

Recht ergebenden Wertungen1 ist stets sorgfältig und streng zu prüfen, ob die Möglichkeit der Gefahr eines Schadens besteht.2 Im Gegensatz zu den Auskunftsklauseln der DBA, die einen absoluten Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen gewähren (Art. 26 Abs. 3 Buchst. c OECDMA), ist dieser Schutz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGAHiG wegen des Vorbehalts der Schadensgefahr relativiert. Da die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 OECD-MA) und das EG-Amtshilfegesetz nebeneinander anwendbar sind, gilt zugunsten des Betroffenen das weitergehende Auskunftsverbot der Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 3 Buchst. c OECD-MA), wenn nach den maßgeblichen DBA Deutschland nicht nur ein Auskunftsverweigerungsrecht hat,3 sondern wenn hiernach ein absolutes Auskunftsverbot4 besteht.5 In diesem Sonderfall begründet die abkommensrechtliche Auskunftsklausel ein subjektives Recht der geschützten Person auf absolute Geheimhaltung ggü. dem ersuchenden Staat,6 so dass es keine Rolle spielt, auf welche Rechtsgrundlage das Auskunftsersuchen gestützt wird. Im Hinblick darauf hat der Betroffene nicht nur einen Anspruch auf Nichtweitergabe seines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, sondern auch einen Anspruch auf Unterlassung entsprechender Ermittlungen.7

19.91 Ebenso wie das EG-Amtshilfegesetz begründen auch die Auskunftsklauseln der DBA8 eine Rechtsgrundlage für Pflichtauskünfte. Mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung des ersuchten Staates korrespondiert der Auskunftsanspruch des ersuchenden Staates.9 Die Vertragsstaaten dürfen allerdings auch ohne Ersuchen, d.h. z.B. auch automatische Auskünfte austauschen.10 Der Anwendungsbereich der abkommensrechtlichen Auskunftsklauseln geht über den persönlichen Anwendungsbereich der sonstigen Vorschriften der DBA hinaus (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA), so dass Auskünfte auch für die steuerlichen Verhältnisse von Personen erteilt werden müssen, die im ersuchenden Staat nicht nur der unbeschränkten, sondern auch der beschränkten Steuerpflicht unter-

1 Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. § 204 StGB, § 404 AktG, § 120 BetrVG und § 17 UWG. 2 Hendricks, Internationale Informationshilfe, 221; Reuter, StbJb. 1975/76, 419 (441); vgl. hierzu auch die Hinweise auf Ausforschungstendenzen ausländischer Finanzverwaltungen bei Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (25 f.). 3 So die Grundregelung gem. Art. 26 Abs. 3 Buchst. c OECD-MA. 4 Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 114, 117. 5 Das gilt auch für die automatische Auskunftserteilung gem. § 9 Abs. 2 ZIV, auf die § 3 EGAHiG keine Anwendung findet. 6 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 130a; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 117. 7 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 117. 8 Art. 26 Abs. 1 OECD-MA. 9 Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 131. 10 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 39, dort auch zu Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis.

1130

C. Internationaler Informationsaustausch

liegen.1 Entsprechendes gilt auch für den sachlichen Anwendungsbereich, so dass alle Steuern2 Gegenstand eines Auskunftsersuchens sein können.3 Die deutschen DBA sehen in Übereinstimmung mit dem OECD-MA zumeist einen Informationsaustausch nicht nur zur Durchführung des Abkommens selbst vor (kleine Auskunftsklausel), sondern darüber hinaus auch zur Durchführung des innerstaatlichen Steuerrechts des jeweiligen Vertragsstaates (große Auskunftsklausel).4 Die kleine Auskunftsklausel ermächtigt nur zu Auskünften, die unmittelbar auf abkommensrechtliche Rechtsfolgen einwirken.5 Die große Auskunftsklausel dient der Durchführung auch des innerstaatlichen Rechts. Es geht hier um tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse, die der ersuchende Staat für die Entscheidung über den Steueranspruch dem Grunde und/oder der Höhe nach benötigt.6

19.92

In einigen DBA erfahren sowohl große als auch kleine Auskunftsklauseln eine Erweiterung dadurch, dass Auskünfte auch für Zwecke der Verhinderung von Steuerverkürzungen ausgetauscht werden dürfen.7

19.93

In der internationalen Auskunftspraxis sind Auskünfte, die die Einkünfte- und Vermögenszuordnung zwischen international verbundenen Unternehmen betreffen (Rz. 18.80 ff.), von besonderer Bedeutung. Dienen die Auskünfte der Einkünfte- und Vermögenszuordnung innerhalb der von den DBA gezogenen Grenzen (Art. 9 OECD-MA; Rz. 16.289 ff.) und damit ausschließlich der Durchführung des innerstaatlichen Rechts, so sind sie nur durch große Auskunftsklauseln gedeckt.8 Betreffen die Aus-

19.94

1 Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 27; zu den dem Musterabkommen 1963 folgenden deutschen Abkommen mit Beschränkung auf ansässige Personen Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58, 60. 2 Z.B. die Umsatzsteuer, nicht aber Zölle. 3 So die Fassung ab OECD-MA 2000; die meisten deutschen Abkommen folgen dem Musterabkommen 1963/1977, wonach nur die Abkommenssteuern erfasst werden; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Anlage 1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 5 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 19; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 48, 41; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 24; den Anwendungsbereich der kleinen Auskunftsklausel dagegen weiterfassend: OECD-MK, Ziff. 7 zu Art. 26 Abs. 1; ihm folgend die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); zur Kritik hierzu Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 49; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 24; Debatin, DB 1977, 2064 (2068), 2117 ff.; Debatin, RIW/AWD 1980, 3 (9). 6 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 20; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 48; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 25. 7 Vgl. die Übersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58, 65 ff. 8 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 48; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 24; differenzierend Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 52; die kleine Aus-

1131

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

künfte dagegen nur die Feststellung der von den DBA gezogenen Schrankenwirkungen (Art. 9 OECD-MA; Rz. 16.292 f.) selbst, so dienen sie damit der Durchführung der Abkommen, so dass sie auch durch kleine Auskunftsklauseln gedeckt sind.1

19.95 Auskünfte

zwecks Feststellung angemessener Verrechnungspreise (Rz. 18.104 ff.) sind daher nur auf der Grundlage großer Auskunftsklauseln möglich. Soweit zwischen einzelnen Staaten koordinierte Außenprüfungen2 mit Auskunftsaustausch vereinbart werden,3 sind diese ebenfalls nur auf der Grundlage großer Auskunftsklauseln zulässig.4 Außerhalb des Abkommensrechts kommen als Rechtsgrundlage Art. 12 f. ZVO5 und § 1 Abs. 2 Satz 2 EGAHiG6 in Betracht.

19.96 Nicht selten dienen Auskunftsersuchen der Aufklärung von Verhältnissen in Drittstaaten.7 Diese Dreiecksauskünfte zielen zumeist darauf ab, für Zwecke der Verrechnungspreisprüfung (Rz. 18.104 ff.) Geschäftsbeziehungen zwischen im ersuchten Staat und in Drittstaaten ansässigen Unternehmen aufzuklären. Derartige Auskünfte dürfen nur auf der Grundlage großer Auskunftsklauseln erteilt werden.8 Begehrt der ersuchende vom ersuchten Staat dagegen Informationen über ein in einem Drittstaat ansässiges Unternehmen, weil die Auskünfte von dem Drittstaat direkt

1 2

3

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kunftsklausel halten dagegen für anwenbbar OECD-MK, Art. 26 Ziff. 7; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 184. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26 Rz. 2.1.5.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). Seer in T/K, § 117 AO Rz. 20; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 24. Auch Simultanprüfungen; vgl. Lohr, Der internationale Auskunftsverkehr im Steuerverfahren, 90 f.; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); ferner Rz. 19.3. Hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 383 ff.; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.3 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 158 ff.; Roth in Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, 51 ff. Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 48; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 160; Roth in Piltz/Schaumburg, Steuerliche Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, 51 (57). Zu Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 257 f. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.3 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). Dazu Duhnkrack, Grenzüberschreitender Steuerdatenschutz, 149 ff.; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 139 ff. OECD-MK, Art. 26 Ziff. 8 Buchst. b; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 140; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 54; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 141; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.5.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen).

1132

C. Internationaler Informationsaustausch

nicht zu erhalten sind, so kann zwar das Auskunftsersuchen auf eine große Auskunftsklausel gestützt werden,1 eine Auskunftserteilung scheitert aber bei nicht bereits vorhandenen Informationen regelmäßig daran, dass das weitere Auskunftsersuchen des ersuchten Staates an den Drittstaat nicht der Anwendung des Abkommens und nicht der Durchführung von dessen innerstaatlichem Steuerrecht dient und damit weder durch die kleine noch durch die große Auskunftsklausel gedeckt ist.2 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Drittstaat Kulanzauskünfte leistet und mit der Weitergabe der Informationen an den anderen Staat einverstanden ist.3 Wird schließlich Deutschland als Drittstaat mit dem Ziel in Anspruch genommen, die begehrten Informationen an einen anderen Staat weiterzugeben, ist eine derart durchlaufende Information weder durch die große noch durch die kleine Auskunftsklausel gedeckt.4 In Betracht kommt hier allein eine Kulanzauskunft (§ 117 Abs. 3 AO).5 Voraussetzung für die Auskunftserteilung ist, dass die Informationen zur Durchführung des Abkommens oder des innerstaatlichen Rechts voraussichtlich erheblich und zudem erforderlich6 sind. Die Auskünfte müssen also vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sein.7 Im Hinblick darauf ist die Auskunftserteilung nicht schon dann legitimiert, wenn das entsprechende Ersuchen aus der Sicht des ersuchenden Staates effektiver oder einfacher ist als innerstaatliche Mittel.8

19.97

Die Auskunftserteilung durch den ersuchten Staat setzt Gegenseitigkeit voraus.9 Gegenseitigkeit besteht, wenn sich beide Vertragsstaaten Auskünfte unter vergleichbaren Umständen und in vergleichbarem Umfang

19.98

1 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 54; Schelle, WPg. 1977, 341 (343). 2 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 54. 3 Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 140; Koch, DStZ A 1979, 1 (4). 4 Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 141. 5 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 143. 6 Ab OECD-MA 2005 wird der Begriff „voraussichtlich erheblich“ verwendet, der sich unter Berücksichtigung des insoweit geltenden Subsidiaritätsprinzips von dem bis dahin verwendeten Begriff „erforderlich“ inhaltlich nicht unterscheidet; hierzu Herlinghaus in FS Herzig, 933 (943 ff.). 7 Im Sinne dieses Subsidiaritätsprinzips OECD-MK, Art. 26 Ziff. 9 Buchst. a; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 35; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 26; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 11; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 137 ff.; Lohr, Der internationale Auskunftsverkehr im Steuerverfahren, 36 f.; Schaumburg/Schloßmacher, BiFD 2000, 522 (525 f.); BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 8 A.A. Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 88b; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 99, 129. 9 Art. 26 Abs. 1 OECD-MA stellt nämlich auf den Austausch von Informationen ab.

1133

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

erteilen.1 Erforderlich ist eine materielle Gegenseitigkeit i.S. der Gleichgewichtigkeit der eingesetzten Verwaltungsmittel und der Gleichwertigkeit der ausgetauschten Auskünfte.2 Insgesamt kommt es nur darauf an, dass der Auskunftsverkehr weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht zu einer „Einbahnstraße“ wird,3 wobei es bei Beginn des Auskunftsverkehrs ausreicht, wenn der andere Staat die Gegenseitigkeit zusichert und erkennbar auch in der Lage ist, entsprechende Auskünfte zu erteilen.4

19.99 Die Auskunftserteilung ist an keine Form gebunden und daher auch mündlich möglich.5 Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)6 darf einem Auskunftsersuchen grundsätzlich nur dann entsprechen, wenn die erteilten Auskünfte im ersuchenden Staat in gleichem Umfange geheim gehalten werden wie die aufgrund des innerstaatlichen Rechts dieses Staates beschafften Informationen (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Durch diese Bezugnahme auf das innerstaatliche Recht des ersuchenden Staates wirkt der abkommensrechtliche Geheimnisschutz lediglich relativ.7 Dies gilt nicht für die älteren deutschen DBA, soweit sie nach dem Vorbild des OECD-Musterabkommnes 1963 ein eigenständiges absolut wirkendes internationales Steuergeheimnis beinhalten.8 Allerdings dürfen auch bei dem bloß relativ wirkenden abkommensrechtlichen Geheimnisschutz die erteilten Auskünfte im ersuchenden Staat lediglich bestimmten Personen oder Behörden zugänglich gemacht werden.9 Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die abkommensrechtliche Pflicht zur Geheimhaltung im ersuchenden Staate (Art. 26 Abs. 2 OECD-MA) nicht beachtet wird, ist die Auskunft – insbesondere bei kommerzialisierungsfähigen unternehmensbezogenen Daten – zu verweigern.10 Insoweit entspricht diese abkommensrechtliche Auskunftssperre derjenigen des nationalen Rechts.11 Befürchtungen über etwaige Verstöße gegen die Ge-

1 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 37; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 173; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 121. 2 Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (29 f.). 3 Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 121. 4 BFH v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358. 5 Runge, JbFSt. 1980/81, 142 (147). 6 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 u. 9 FVG; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.6.1.1. und 1.6.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 7 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 78; Eilers in D/W, Art. 26 OECDMA Rz. 31; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 229. 8 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 78, 86, 87 f. 9 Art. 26 Abs. 3 bis 5 OECD-MA; zu Einzelheiten Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 233 ff. 10 FG Köln v. 20.8.2008 – 2 V 1948/08, EFG 2008, 1764 (rkr.); Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 149 f.; Ritter, DStZ A 1974, 267 (271). 11 § 117 Abs. 3 Nr. 2 AO; § 3 Abs. 1 Nr. 3a EGAHiG.

1134

C. Internationaler Informationsaustausch

heimhaltungspflicht können von den inländischen Betroffenen im Rahmen der Anhörung vorgebracht werden.1 Ebenso wie das EG-Amtshilfegesetz enthalten auch die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 2 OECD-MA) besondere Schrankenwirkungen, aufgrund deren der ersuchte Staat die Auskunftserteilung verweigern darf. Im Gegensatz zu den Regeln des EG-Amtshilfegesetzes (§ 3 Abs. 1 EGAHiG) bilden absolute Auskunftsverbote bei DBA lediglich die Ausnahme, und zwar betreffen sie die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen.2

19.100

Auskunftsverweigerungsrechte sind die Regel. Ob der ersuchte Staat von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht oder nicht, liegt in seinem Ermessen.3 Dieses Ermessen steht unter dem Vorbehalt der eigenen Gesetze und der eigenen Verwaltungspraxis des ersuchten Staates (Art. 26 Abs. 3 Buchst a und b OECD-MA), so dass eine Auskunft nicht erteilt werden darf, wenn nicht zugleich das innerstaatliche Recht hierzu die Befugnis einräumt.4 Was demnach die ersuchte deutsche Behörde nach dem für sie geltenden Recht nicht darf, das darf sie auch nicht zur Durchführung eines Auskunftsersuchens.5 Im Hinblick darauf räumen die Auskunftsklauseln der DBA6 verschiedene Auskunftsverweigerungsrechte ein: Der ersuchte Staat ist nicht zu Informationen verpflichtet, die er nach seinen Gesetzen oder im üblichen Verwaltungsverfahren nicht beschaffen kann oder die der ersuchende Staat seinerseits nicht beschaffen könnte.7 Innerhalb dieser Grenzen hat der ersuchte Staat grundsätzlich zur Beschaffung der erforderlichen Informationen diejenigen Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen, die ihm für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der inländischen Besteuerung zur Verfügung stehen.8

19.101

1 BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.3.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 Hierzu die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 113; vgl. auch Rz. 19.89 f. 3 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 98; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 126; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 197, 200; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 142 f. 4 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 98. 5 So auch § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGAHiG für die Auskunftserteilung nach dem EGAmtshilfegesetz; vgl. Rz. 19.86. 6 Art. 26 Abs. 3 OECD-MA; hierzu die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 113; vgl. allerdings die Modifikationen in Art. 26 Abs. 5 OECD-MA in der Fassung 2005; hierzu Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 126 ff. 7 Art. 26 Abs. 3 Buchst. a und b OECD-MA; aus der Beschränkung der Auskunftspflicht nach Art. 26 Abs. 3 Buchst. b OECD-MA folgt stets zugleich die in Art. 26 Abs. 3 Buchst. a OECD-MA enthaltene Beschränkung der Ermittlungspflicht; hierzu Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 99. 8 OECD-MK, Art. 26 Ziff. 16; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 155 ff. m.w.N.

1135

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.102 Beschränkungen der Ermittlungsbefugnisse nach innerstaatlichem Recht schlagen damit stets auf Abkommensebene durch. Hieraus folgt, dass Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte gem. §§ 101 ff. AO ebenso gelten wie die Ermittlungsbeschränkungen gem. § 30a AO1 und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit2 der Verwaltung gem. § 6 des Haushaltsgrundsätzegesetzes.3

19.103 Darüber hinaus darf der ersuchte Staat die Auskunftserteilung verweigern, wenn er zur Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen und zur Erteilung von Informationen gezwungen wäre, zu denen der ersuchende Staat seinerseits nicht in der Lage wäre (Art. 26 Abs. 3 Buchst b OECDMA). Aus dieser Beschränkung der Auskunftspflicht folgt zugleich stets auch eine Beschränkung der Ermittlungspflicht (Art. 26 Abs. 3 Buchst a OECD-MA).4 Abzustellen ist hierbei nicht auf die rechtlichen, sondern auf die tatsächlichen Möglichkeiten des ersuchenden Staates.5 Im Hinblick auf die mitunter geringere Verwaltungseffizienz ausländischer Staaten6 wird es zumeist unverhältnismäßig sein, für Zwecke der Informationsbeschaffung zum Mittel der Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) oder gar der Steuerfahndung (§ 208 Abs. 1 AO) zu greifen.7 Das gilt insbesondere dann, wenn der ersuchende Staat keine vergleichbaren Ermittlungsinstrumente kennt oder einsetzt (Art. 26 Abs. 3 Buchst b OECD-MA). Hat die deutsche Finanzverwaltung indessen aufgrund einer anderweitig veranlassten Betriebsprüfung oder Steuerfahndung Informationen erlangt, so können diese auch dann weitergegeben werden, wenn sie sonst nicht beschafft werden könnten.8 1 Das gilt nicht in Abkommensfällen, in denen eine dem Art. 26 Abs. 5 OECDMA 2005 entsprechende Regelung zur Anwendung kommt; hierzu Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 126 ff. 2 Entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie er sich auch aus § 3 Abs. 2 Nr. 3, 4 EGAHiG ergibt; vgl. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.2.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 3 HGrG v. 19.8.1969, BGBl. I 1969, 1273; vgl. auch Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 100; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.3.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 4 Vgl. hierzu Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 111. 5 Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (29 f.). 6 Hierzu ausführlich Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (19 ff.). 7 Eine Außenprüfung ausschließlich zur Erledigung eines Auskunftsersuchens lehnt die deutsche Finanzverwaltung ohnehin ab; vgl. BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 3.2.3 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); zur ersuchensbedingten Außenprüfung Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 332 ff. 8 Für Zufallsfunde BFH v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497; v. 4.9.2000 – I B 17/00, BStBl. II 2000, 648; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen).

1136

C. Internationaler Informationsaustausch

Die Auskunftsklauseln der DBA eröffnen ein Auskunftsverweigerungsrecht auch in jenen Fällen, in denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden müssten.1 Im Unterschied zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGAHiG und § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO geht es auf Abkommensebene aber nicht nur um den Geheimnisschutz im Interesse der Betroffenen, sondern auch um die Abwehr von Wirtschaftsspionage im Interesse des ersuchten Staates.2 Wegen dieser unterschiedlichen Reichweite kann der abkommensrechtliche Geheimnisbegriff nicht ohne weiteres nach Maßgabe des nationalen Rechts interpretiert werden.3

19.104

Unter den abkommensrechtlichen Geheimnisschutz fallen nur solche Tatsachen und Umstände, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind.4 Der abkommensrechtliche Geheimnisschutz wirkt nur gegenüber anderen Personen mit der Folge, dass es schützenswerte Geheimnisse zwar zwischen international verbundenen Unternehmen, nicht aber zwischen Stammhaus und Betriebsstätte desselben Unternehmens gibt.5 Schließlich besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht auch im Interesse der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates (Art. 26 Abs. 3 Buchst c OECD-MA). Hiernach kann die Auskunft dann verweigert werden, wenn ihre Erteilung mit den grundlegenden Wertungen des innerstaatlichen Rechts, in Deutschland insbesondere

19.105

1 Art. 26 Abs. 3 Buchst. c OECD-MA spricht ebenso wie § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGAHiG und § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO von Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnissen oder Geschäftsverfahren, die bloß Synonyma der Begriffe Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis sind; es besteht daher kein Grund für eine Differenzierung; hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 53; vgl. allerdings Art. 26 Abs. 5 OECD-MA 2005, wonach insbesondere das „Bankgeheimnis“ nicht „amtshilfefest“ ist; vgl. Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 126 ff. und zu den Informationsaustauschabkommen Hendricks in D/W, Art. 5 MA-InfAust Rz. 20 ff. 2 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 55, Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 107; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerrecht, 149; Menck, DStZ A 1971, 57 (61). 3 Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 120; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 108; Runge, RIW/AWD 1979, 73 (85); Koch, DStZ A 1979, 4 (8); Baranowski, DStZ A 1975, 296 (299). 4 BFH vom 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268; für eine Auslegung in diesem Sinne auch Seer in T/K, § 117 AO Rz. 55; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 121; Eilers in D/W, Art. 26 OECD-MA Rz. 47; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 136; OECDMK; § 26 Ziff. 19; für einen erweiterten Geheimnisbegriff dagegen Ritter, BB 1987, 65 (72); Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (23 ff.). 5 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 56; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 125; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 111; Flick, DB 1975, 1727 (1727); Reuter, StbJb 1975/76, 419 (439); a.A. Runge, RIW/AWD 1979, 73 (86); Koch, DStZ A 1979, 4 (8); modifizierend Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 221: für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung ist ein Konzern als Einheit zu betrachten.

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Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

mit den Grundrechten des Grundgesetzes, nicht zu vereinbaren wäre.1 Unter diesem Gesichtspunkt dürfen daher keine Auskünfte erteilt werden für Steuerverfahren, die in dem ersuchenden Staat zu einer Ausländerdiskriminierung2 oder zur politischen Verfolgung oder zu einer Enteignung führen würden.3 b) Kulanzauskünfte

19.106 Kulanzauskünfte sind Auskünfte, die der ersuchte Staat ohne rechtliche Verpflichtung dem ersuchenden Staat erteilt.4 Derartige Kulanzauskünfte finden ihre Rechtsgrundlage allein in § 117 Abs. 3 AO; sie sind gem. § 1 Abs. 3 EGAHiG ausdrücklich erlaubt und nach der Zusammenarbeits-VO, der Zinsinformationsverordnung, den Informationsaustauschabkommen und den abkommensrechtlichen Auskunftsklauseln nicht verboten.5 Kulanzauskünfte können daher nicht nur außerhalb des Geltungsbereichs des EG-Amtshilfegesetzes, der Zusammenarbeitsverordnung, der Zinsinformationsverordnung, sowie der Informationsaustauschabkommen und der DBA erteilt werden, sondern auch dann, wenn Pflichtauskünfte aufgrund lediglich bestehender kleiner Auskunftsklauseln (Rz. 19.91) nicht erteilt zu werden brauchen. Daher gilt: Kulanzauskünfte dürfen unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 AO6 stets erteilt werden, soweit Auskünfte nicht ohnehin anderweitig erteilt werden müssen. Da die deutsche Finanzverwaltung ausländischen Ersuchen auf Kulanzauskunft nicht stattzugeben braucht und diese Entscheidung auch keiner näheren Begründung bedarf, hat diese Art der Auskunft keine große praktische Bedeutung.7

19.107 Eine Kulanzauskunft darf erst dann erteilt werden, wenn die in § 117 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 AO normierten Voraussetzungen ausnahmslos vorliegen. Andernfalls besteht ein Auskunftsverbot.

19.108 § 117 Abs. 3 Nr. 1 AO nennt als erste Voraussetzung die Verbürgung der Gegenseitigkeit. Dieses Erfordernis dient nicht dem primären Individual1 Zu weiteren Einzelheiten Seer in T/K, § 117 AO Rz. 58; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 132; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 112. 2 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 34. 3 Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 112; Ritter, DStZ A 1974, 267 (271); Runge, RIW/AWD 1979, 73 (87). 4 Kulanzauskünfte dürfen nur auf Ersuchen erteilt werden. 5 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 90, Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 21. 6 Zwecks Vermeidung legislativer Divergenzen sind zwar insbesondere auch die in §§ 3 Abs. 1, 4 EGAHiG und die in den Auskunftsklauseln der DBA zugunsten der Betroffenen verankerten Schutzwirkungen zu berücksichtigen, da diese aber keine größere Reichweite haben als diejenigen des § 117 Abs. 3 AO, wird nachfolgend auf § 117 Abs. 3 AO abgestellt. 7 Nach BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.4.5 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen) erfolgt eine Kulanzauskunft nur in besonderen Fällen, soweit es sich um Staaten handelt, zu denen kein gesetzlich geregelter Auskunftsverkehr besteht.

1138

C. Internationaler Informationsaustausch

interesse des durch die Auskunft Betroffenen, sondern dem nationalen Interesse des auskunftserteilenden Staates und soll einen einseitigen Auskunftsverkehr zu Lasten der eigenen Wirtschaft und des Steueraufkommens – Auskünfte führen tendenziell zu Steuermindereinnahmen des auskunftserteilenden Staates – verhindern. Darüber hinaus verhilft die Gegenseitigkeit auch zu einem höheren Maß an Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, zu der auch die gerechte Verteilung von Steuergütern unter mehreren Staaten gehört.1 Die von § 117 Abs. 3 Nr. 1 AO verlangte Verbürgung der Gegenseitigkeit erfordert grundsätzlich eine entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarung.2 Die Gegenseitigkeit darf aber nicht bloß auf dem Papier stehen, sie muss tatsächlich praktiziert werden, so dass neben der formellen Verbürgung auch eine materielle Verbürgung zu fordern ist.3 Das gilt zumal dann, wenn zwischen den am Auskunftsverkehr beteiligten Finanzbehörden ein starkes Effizienzgefälle besteht.4 Die Auskunft darf ferner nur dann erteilt werden, wenn der ersuchende Staat gewährleistet, dass die übermittelten Auskünfte und Unterlagen nur für Zwecke seiner Besteuerungs- oder Steuerstrafverfahren (einschl. Steuerordnungswidrigkeitenverfahren) verwendet werden und dass die übermittelten Auskünfte und Unterlagen nur solchen Personen, Behörden oder Gerichten zugänglich gemacht werden, die mit der Bearbeitung der Steuersache oder der Verfolgung der Steuerstraftat befasst sind (§ 117 Abs. 3 Nr. 2 AO). Diese vom ersuchenden Staat zu verlangende Gewährleistung dient einerseits als Geheimnisschutz dem Inidividualinteresse des Betroffenen und andererseits als Schutz gegen Wirtschaftsspionage und bloße Ausforschung dem nationalen Interesse.5 Deshalb reicht auch hier eine bloße Papiergarantie (formelle Gewährleistung) nicht aus, erforderlich ist vielmehr, dass sich diese Gewährleistung auch tatsächlich verwirklicht (materielle Gewährleistung).6

1 Hierzu Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; Flick, FR 1961, 171 ff. 2 Ausnahme: Gegenseitigkeit kraft tatsächlicher Übung (faktische Verbürgung). 3 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 93; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 173 f.; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 281; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 150. 4 Zu dieser Problematik Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (21 ff., 29 f.), der darauf hinweist, dass den von deutschen Steuerbehörden erteilten Auskünften durchweg keine quantitativ und qualitativ gleichwertigen Auskünfte ausländischer Staaten gegenüberständen; ebenso Reuter, StbJb. 1975/76, 419 (440 f.); zu den Problemen der Gegenseitigkeitsprüfung im Übrigen Flick, DB 1975, 1727 (1727); Thomas, DB 1975, 2056 (2058). 5 Zum Aspekt der Wirtschaftsspionage und Ausforschung Ritter, DStZ A 1974, 267 (271); Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (25 f.). 6 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 96; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 177; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 283.

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19.109

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.110 Staaten, deren Finanzbehörden mit anderen Behörden verflochten sind und damit zugleich andere als Fiskalaufgaben wahrzunehmen haben,1 werden als Adressaten deutscher Kulanzauskünfte ebenso wenig in Betracht kommen wie Staaten, die kein Steuergeheimnis kennen.2

19.111 Als dritte Voraussetzung verlangt § 117 Abs. 3 Nr. 3 AO, dass der ersuchende Staat zusichert, dass er bereit ist, bei den Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen eine mögliche Doppelbesteuerung im Verständigungswege durch eine sachgerechte Abgrenzung der Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Auch diese Zusicherung dient nicht nur dem Individualinteresse des Betroffenen, sondern auch der Gerechtigkeit bei der Zuordnung oder Verteilung der Steuergüter und damit den Interessen der beteiligten Staaten. Zusicherungen müssen auch hier in Taten umgesetzt werden. Andernfalls scheidet eine Auskunftserteilung (zukünftig) aus.3

19.112 Die Erledigung des Ersuchens darf insbesondere auch nicht die öffentliche Ordnung (ordre public) verletzen (§ 117 Abs. 3 Nr. 4, Alt. 1 AO). Es gelten insoweit für Kulanzauskünfte die gleichen Auskunftsgrenzen wie für Pflichtauskünfte, so dass von Deutschland erteilte Kulanzauskünfte insbesondere nicht zu Grundrechtsverletzungen führen dürfen.4 Besteht daher die Gefahr, dass deutsche Kulanzauskünfte im Ausland etwa für Zwecke politischer Verfolgung, Enteignung oder der Ausländerdiskriminierung missbraucht werden, so ist eine Auskunft ausgeschlossen.5 Nach § 117 Abs. 3 Nr. 4, Alt. 1 AO ist auch die Beeinträchtigung der Souveränität, der Sicherheit oder anderer wesentlicher Interessen des Bundes oder seiner Gebietskörperschaften angesprochen. Hierauf gestützte Auskunftsverbote spielen in der Praxis allerdings keine große Rolle.6

19.113 Voraussetzung für die Kulanzauskunft ist ferner, dass dem inländischen Beteiligten kein mit dem Zweck der Amts- und Rechtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden entsteht, sofern ein Handels-, Industrie-, Gewerbeoder Berufsgeheimnis (Rz. 19.89 f.) aufgrund des Ersuchens preisgegeben wird (§ 117 Abs. 3 Nr. 4, Alt. 2 AO). Wie bei den Pflichtauskünften geht es hier ebenfalls um den Geheimnisschutz zugunsten des inländischen Betroffenen. Dieser Geheimnisschutz ist aber dadurch stark relativiert, dass er nur bei einer Schadensgefahr zu einem Auskunftsverbot führt. Im 1 Hierzu die Hinweise bei Reuter, StbJb. 1975/76, 419 (440); Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (26 f.); vgl. auch Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe, 152. 2 Zum fehlenden Steuergeheimnis in Schweden Vogel, H. in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 37 (45 ff.). 3 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 39; Söhn in H/H/Sp § 117 AO Rz. 180. 4 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 58, 98. 5 Zur ordre public-Klausel Seer in T/K, § 117 AO Rz. 58; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 112; Ritter, DStZ A 1974, 267 (271); Runge, RIW/AWD 1979, 73 (87). 6 Vgl. hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 285.

1140

C. Internationaler Informationsaustausch

Wesentlichen geht es darum, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse1 vor einer unzulässigen Weitergabe an Dritte zu schützen2 und zugleich inländische Beteiligte vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren. Hier bedarf es stets einer Güterabwägung im Einzelfall, wobei der auf internationale Steuergerechtigkeit gerichtete Zweck3 der Amtshilfe einerseits und das wirtschaftliche Individualinteresse4 andererseits zu berücksichtigen sind. Die bloße Trübung von Geschäftsbeziehungen als Folge der Auskunftserteilung ist im Hinblick auf den Zweck der Amtshilfe zwar hinzunehmen,5 das gilt aber nicht, wenn es zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen kommt, die die Substanz inländischer Unternehmen betreffen und Arbeitsplätze gefährden: Hierdurch entstünde ein mit dem Zweck der Amtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden. Ein solcher Schaden muss nicht feststehen; es reicht aus, wenn die Gefahr besteht, dass ein Schaden eintritt. Ob eine Schadensgefahr besteht, bedarf stets einer Prüfung im konkreten Einzelfall. Ergibt die Einzelfallprüfung, dass eine solche Gefahr nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, darf die Auskunft nicht erteilt werden.6 Liegen alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Kulanzauskunft vor, 19.114 so hat die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die Auskunft erteilt werden soll oder nicht.7 Hierbei sind insbesondere auch Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich aus vergleichbaren für den internationalen Auskunftsverkehr maßgeblichen Rechtsgrundlagen ergeben. So sind etwa Auskünfte nach dem EG-Amtshilfegesetz und den Auskunftsklauseln der DBA nur zulässig, wenn sie für steuerliche Zwecke (voraussichtlich) erheblich8 sind. Dieses Erfordernis entspricht den für das Besteuerungsverfahren allgemein geltenden Ermessensgrenzen: Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit, Zumutbarkeit,9 so dass es übermäßig wäre, nicht erforderliche und nach anderen vergleichbaren Rechtsvorschriften einem Auskunftsverbot unterliegende Auskünfte zu erteilen. Schließlich sind im Rahmen des Entschließungsermessens auch anderweitige Auskunftsverweigerungsrechte zu berücksichtigen. So können nach dem EG-Amtshilfegesetz Auskünfte verweigert werden, wenn der ersuchende Staat seine Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 EGAHiG) oder wenn die Auskünfte nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erteilt werden könnten (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 EGAHiG). Im Hinblick darauf werden Kulanzaus1 Zur Terminologie Rz. 19.89 f. 2 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 101; Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (97). 3 Im Sinne einer zutreffenden Besteuerung. 4 Z.B. Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen. 5 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 101; Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 218. 6 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 103; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 187. 7 Entschließungsermessen; hierzu Seer in T/K, § 117 AO Rz. 106. 8 § 1 Abs. 2 EGAHiG; Art. 26 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. 9 Hierzu Seer in T/K, § 92 AO Rz. 6 ff.

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Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

künfte außerhalb des Anwendungsbereichs des EG-Amtshilfegesetzes gegenüber Ländern, mit denen keine DBA, Informationsaustauschabkommen oder besondere Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen bestehen, nur in besonderen Fällen in Betracht kommen.1 3. Spontan- und Routineauskünfte

19.115 Neben Anrufungsauskünften dürfen auch Auskünfte ohne Ersuchen erteilt werden. Es handelt sich hierbei um Spontanauskünfte, die in Einzelfällen erteilt werden,2 und um Routineauskünfte (automatische Auskünfte), die über gleichartige Sachverhalte regelmäßig erteilt werden.3 Spontanauskünfte sind in § 2 Abs. 2 EGAHiG unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Für Routineauskünfte ergibt sich die Rechtsgrundlage aus §§ 2 Abs. 3; 2a Abs. 4 EGAHiG, § 9 Abs. 2 ZIV und Art. 4 ZVO. Derartige Auskünfte ohne Ersuchen sind allerdings nach einigen DBA4 nicht zulässig, so dass die Auskunftserteilung insoweit nicht auf Abkommensrecht gestützt werden kann. Im Übrigen schließen die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECD-MA) Spontan- und Routineauskünfte nicht aus. Sie sind daher auch nach Abkommensrecht grundsätzlich zulässig.5 Unzulässig sind somit Spontan- und Routineauskünfte an Drittstaaten mit denen keine DBA6 abgeschlossen sind.

1 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 106; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 197; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 1.4.5 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 BMF-Schrb. v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 3 BMF-Schrb. v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 4 Vgl. die Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 39 f., 58. 5 BFH v. 23.7.1986 – I R 306/82, BStBl. II 1987, 92; v. 29.4.1992 – I B 12/92, BStBl. II 1992, 645; v. 10.5.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; v. 17.9.2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008, 51; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 17; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, 183 f.; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 167 ff.; BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen) OECD-MK, Art. 26 Ziff. 9; einschränkend nur für nach dem Vorbild der OECD-MA 1977 und später abgeschlossene DBA Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 39 ff.; Söhn in H/H/Sp, § 117 AO Rz. 145a; Becker, JbFSt. 1980/81, 122 (130); Heidner, DStR 1989, 526 (527); demgegenüber hält Friauf, StbJb. 1984/85, 317 (338 f.), Friauf, JbFSt. 1984/85, 95 (110) Spontan- und Routineauskünfte wegen Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung generell für verfassungswidrig; vermittelnd Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 ff., der deutsche Auskünfte dann für zulässig erachtet, wenn sie sich auf einzelne und klar umgrenzte Fallgruppen beschränken, in denen ein Verwendungszweck der Auskünfte schon hinreichend konkret erkennbar ist. 6 Die Informationsaustauschabkommen sehen durchweg keine Spontan- und Routineauskünfte vor; vgl. Seer/Gabert, Ubg 2010, 358 (359).

1142

C. Internationaler Informationsaustausch

Eine Spontanauskunft darf1 u.a. dann erteilt werden, wenn eine der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 EGAHiG aufgezählten Voraussetzungen vorliegt.2 Diese Voraussetzungen müssen nicht erwiesen sein, es reicht vielmehr aus, wenn Gründe für die Vermutung bestehen, dass diese vorliegen könnten.

19.116

Dafür genügen abstrakte Anhaltspunkte. Der Vermutungstatbestand ist schon dann erfüllt, wenn unter Berücksichtigung der allgemeinen Erfahrung der Finanzbehörde, die Vermutung begründet ist, dass eine der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 EGAHiG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist.3 Gibt es dafür keine Anhaltspunkte oder ist diese Möglichkeit sogar ausgeschlossen, so ist jede Auskunftserteilung unzulässig. Zu den Voraussetzungen gehören,4 dass

19.117

– Gründe für die Vermutung bestehen,5 dass im anderen EU-Staat der objektive Tatbestand einer Steuerverkürzung erfüllt ist oder erfüllt wird,6 – zum Zwecke der Steuerumgehung Geschäftsbeziehungen über andere EU-Staaten oder über Drittstaaten geleitet worden sind, – insgesamt eine niedrigere Steuerbelastung dadurch eintreten kann, dass Gewinne zwischen nahe stehendenen Personen nicht wie zwischen nicht nahe stehenden Personen abgegrenzt werden,7 – ein Sachverhalt, aufgrund dessen eine Steuerermäßigung oder Steuerbefreiung gewährt worden ist, für den Steuerpflichtigen zu einer Besteuerung oder Steuererhöhung im anderen EU-Staat führen könnte,8 – ein im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung eines anderen EUStaates ermittelter Sachverhalt für die zutreffende Steuerfestsetzung in diesem EU-Staat erheblich ist.9 1 Entschließungsermessen. 2 Aus der Rechtsprechung: BFH v. 20.1.1988 – I B 72/87, BStBl. II 1988, 412; v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358, v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497. 3 BFH v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358; zu verfassungsrechtlichen Zweifeln hinsichtlich der Bestimmtheit des Gesetzeswortlauts Maßbaum, IWB. F. 3, Deutschland, Gr. 1, 1421 (1430). 4 Zu den einzelnen Fallgruppen ausführlich Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 195 ff.; Muuss, StbJb. 1984/85, 295 (306 ff.); Krabbe, RIW 1986, 126 (129 f.). 5 Davon ist bereits dann auszugehen, wenn die Spontanauskunft für eine mögliche Besteuerung im anderen EU-Staat geeignet ist; EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-420/98, van State, EuGHE I-2000, 2847. 6 Gemeint sind Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung (§§ 370, 378 AO). 7 Hier geht es um die Verwirklichung des dealing at arm’s length-Prinzip zwischen verbundenen Unternehmen; hierzu Rz. 18.125 f. 8 Hierdurch soll eine sog. Nullbesteuerung vermieden werden; vgl. BFH v. 8.2.1995 – I B 92/94, BStBl. II 1995, 358; zur Null- oder doppelten Nichtbesteuerung Rz. 12.10; 16.522 ff. 9 Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (101) hält diese Fallgruppe im Hinblick auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nicht für hinreichend bestimmt.

1143

Kapitel 19 Grenzüberschreitende Sachaufklärung

19.118 Da § 2 Abs. 2 EGAHiG auf § 1 Abs. 2 EGAHiG verweist, müssen zudem auch die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Daher hat die auskunftserteilende Finanzbehörde stets zu prüfen, ob die Spontanauskünfte für die zutreffende Steuerfestsetzung im anderen Staat erheblich sein können.1 Hieraus folgt zugleich, dass beliebige Auskünfte auf Vorrat nicht erteilt werden dürfen.2

19.119 Schließlich ergibt sich aus der Verweisung auf § 1 Abs. 2 EGAHiG, dass vor Erteilung der Spontanauskunft der Betroffene gehört werden muss.3

19.120 Darüber hinaus gelten auch die übrigen Schrankenwirkungen der §§ 3 und 4 EGAHiG, insbesondere die Auskunftsverbote des § 3 Abs. 1 EGAHiG. Bei der Ermessensbetätigung sind auch die Auskunftsverweigerungsrechte des § 3 Abs. 2 EGAHiG zu berücksichtigen mit der Folge, dass Spontanauskünfte nur bei Gegenseitigkeit in Betracht kommen.4

19.121 Routineauskünfte gem. § 2 Abs. 3 EGAHiG5 für die eine vorherige Anhörung nicht erforderlich ist (§ 2 Abs. 3 Satz 2 EGAHiG), sind für drei Sachverhaltsgruppen vorgesehen:6 – Überlassung ausländischer Arbeitnehmer und Gestaltungen zur Umgehung deutscher Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet; – Vorbringen eines Sachverhaltes, aufgrund dessen eine Steuerermäßigung oder Steuerbefreiung gewährt worden ist, die für den Steuerpflichtigen zu einer Besteuerung oder Steuererhöhung im anderen EUStaat führen könnte; – Einkünfte und Vermögen, deren Kenntnis für die Besteuerung durch einen EU-Staat erforderlich sein könnte.

19.122 Für die drei vorgenannten Fallgruppen ist der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, durch Verwaltungsvereinbarung und auf der Grundlage der Gegenseitigkeit mit den zuständigen Finanzbehörden anderer EUStaaten entsprechende Regelungen zu treffen. Routineauskünfte auf der Grundlage des EG-Amtshilfegesetzes sind danach zulässig, sobald derarti1 Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (100); zur „Erheblichkeit“ ferner Rz. 19.63 ,19.97. 2 Oldiges, Internationale Steuerauskunft und der grundrechtliche Schutz von Informationen, in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (103). 3 § 2 Abs. 2 EGAHG i.V. mit § 1 Abs. 2 EG-AHG und §§ 117 Abs. 4; 91 AO; Seer in T/K, § 117 AO Rz. 70; zu Einzelheiten Muuss, StbJb. 1984/85, 294 (312 f.); Schwochert, RIW 1991, 843 ff., Carl/Klos, Inf. 1994, 193 ff. 238 (241). 4 BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen); das gilt auch für Fälle außerhalb des Anwendungsbereiches des EU-Amtshilfegesetzes; analoge Anwendung des § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO; hierzu Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 172 f. 5 Vgl. auch § 9 Abs. 2 ZIV. 6 Zu Einzelheiten Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 202 ff.

1144

C. Internationaler Informationsaustausch

ge Verwaltungsabkommen abgeschlossen worden sind.1 Zulässig sind sie im Übrigen nach Maßgabe der Zusammenarbeits-VO, der Zinsinformationsverordnung und der DBA, soweit diese nicht nur Ersuchensauskünfte zulassen.2 Routineauskünfte werden hierbei z.B. über UmsatzsteuerIdentifikationsnummern und im Rahmen des Kontrollmeldeverfahrens gem. § 50d Abs. 5 Satz 5 EStG3 sowie im Rahmen des gem. § 50d Abs. 4 Satz 2 EStG erleichterten Verfahrens bei der Entlastung von deutscher Kapitalertragssteuer und der Abzugsteuer nach § 50a EStG4 erteilt.5 Bei Routineauskünften müssen, soweit sie sich nicht auf DBA stützen, die Betroffenen zuvor nicht gehört werden.6 Für auf Abkommensrecht gestützte Routineauskünfte gelten allerdings die Voraussetzungen und Schrankenwirkungen der Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Da bei den vorbezeichneten Routineauskünften ein Auskunftsbedarf typischerweise besteht und sich zudem auf konkrete Fallgruppen beschränkt, entsprechen diese Routineauskünfte auch den Anforderungen an das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung.7

1 Vgl. den Überblick über die abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarungen im BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 2 Abkommensübersicht bei Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 58; Routineauskünfte sind in den Informationsaustauschabkommen durchweg nicht vorgesehen; vgl. Seer/Gabert, Ubg 2010, 358 (359). 3 Statt des einzelfallbezogenen Freistellungsverfahrens gem. § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG kann das Bundeszentralamt für Steuern nach dieser Vorschrift den Schuldner in Fällen geringer steuerlicher Bedeutung auf Antrag auch allgemein ermächtigen, bei Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG den Steuerabzug nach Maßgabe eines DBAs zu unterlassen oder nach einem niedrigeren Satz vorzunehmen. Dieses Verfahren wird Kontrollmeldeverfahren genannt; zu Einzelheiten BMF v. 18.12.2002, BStBl. I 2002, 1386, Rz. 12; M. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 80 ff.; Reiffs, StBp. 1995, 126 ff. 4 Zu Einzelheiten Gosch in Kirchhof9, § 50d EStG Rz. 21 ff. 5 BMF v. 25.1.2006, BStBl. I 2006, 26, Rz. 4.1.2 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 6 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGAHiG; beim Kontrollmeldeverfahren gilt die Zustimmung des Gläubigers und des Schuldners der Vergütung gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG zur Weiterleitung der Angaben des Schuldners an den Wohnsitz- oder Sitzstaat des Gläubigers mit dem Antrag auf Teilnahme am Kontrollmeldeverfahren als erteilt (§ 50d Abs. 5 Satz 5 EStG). 7 Seer in T/K, § 117 AO Rz. 71; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 204 f.; Oldiges in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 86 (101); Ritter in Menck/Ritter u.a., Internationale Steuerauskunft und deutsches Verfassungsrecht, 17 (19); Routineauskünfte hält dagegen generell für verfassungswidrig Friauf, StbJb. 1984/85, 317 (339), Friauf, JbFSt. 1984/85, 95 (110).

1145

19.123

Stichwortverzeichnis Abgangsort 9.24, 9.35, 9.48 – Ort der Beförderungsleistung 9.53 Abgeltungswirkung – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.111, 5.117 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.283, 5.327 – Steuerabzug 5.255 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.171 Abgeordnetenbezüge 5.23 f., 5.236, 6.17, 6.20 Abhängiger Vertreter 5.157, 5.159 s. auch ständiger Vertreter Abholfälle 9.78 Abkommensberechtigung 16.82, 16.137, 16.152, 16.157, 16.169 ff., 16.191, 16.196, 16.203 – Dreiecksverhältnisse 16.182 ff. – Personengesellschaften 16.178 ff. Abkommensmissbrauch 14.26, 16.136, 16.140, 16.145, 16.154 ff., 16.548 Abkommensrecht s. Doppelbesteuerungsabkommen Absatzpreismethode s. Wiederverkaufspreismethode Abschirmwirkung – ausländische Kapitalgesellschaft 10.1 f., 10.16, 10.18, 10.26, 10.38, 10.68, 10.77, 10.92, 10.105, 10.108, 10.111, 10.165, 10.184, 10.190, 10.202 Abspaltung 17.64, 17.67, 17.147, 17.151 ff., 17.161 ff., 17.170 ff., 17.180 ff. Abwanderer 7.22 ff. Abzugsbeschränkung 15.161 Abzugsmethode 14.34 f., 15.7, 15.11, 15.146, 15.200, 15.381 Abzugssteuer 5.255, 5.271, 5.272 ff., 15.381 Abzugsverbot 16.539 f., 19.45, 19.48, 19.50 Abzugsverfahren 5.273 ff., s. auch Steuerabzug Advanced Pricing Agreements (APAs) – BZSt 16.106 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.104 ff. – Einkünftezuordnung 18.188 ff. – Gebührenpflicht 16.106

– rückwirkende Anwendung 16.106 – Schiedsverfahren 18.188 – Schiedsverfahrenskonvention 18.188 – Sekundärberichtigung 18.188 – verbindliche Auskunft 16.105 – verbindliche Vorabzusage 16.105 – Vorgespräch (Prefiling) 16.106 AEUV s. auch Grundfreiheiten – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.4 – Normenhierarchie 3.37 – Unionsrecht 3.20 s. auch Europäisches Steuerrecht Agent – ständiger Vertreter 5.156 Altersvorsorgevertrag – sonstige Einkünfte 5.240 Aktivitätsklausel – Freistellungsmethode 16.46, 16.130, 16.138, 16.151, 16.513 f., 16.529, 16.542, 16.548 – gewerbesteuerliches Schachtelprivileg 15.238 – internationales Schachtelprivileg 15.154 ff. Aktivitätsvorbehalt – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.27, 16.515, 16.544, 16.551 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.46, 16.138, 16.151 – Körperschaftsteuer 6.23 Allgemeine Regeln – Völkerrecht 3.23, 3.25, 5.63 Amtshilfegesetz 19.55 Amtshilferichtlinie 4.22, 19.55, 19.72 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.143 Amts- und Rechtshilfe s. auch Informationsaustausch sowie Mitwirkungspflichten – Amtshilfegesetz 19.55 – Amtshilferichtlinie 4.22, 19.55, 19.72 – EGAHiG 19.55, 19.72 – EG-BeitrG 19.72 – EURhÜbk 19.72 – Gewährung 19.70 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.143 – Inanspruchnahme 19.62 ff. – IRG 19.72

1147

Stichwortverzeichnis – Konvention des Europarats 19.72 – Übereinkommen der Zollverwaltungen 19.72 – Umwandlungssteuerrecht 17.23 – Wegzugsbesteuerung 5.384 – Zinsinformationsverordnung 16.357 Analogie – bei Doppelbesteuerungsabkommen 16.64, 16.69, 16.376 – Hinzurechnungsbesteuerung 16.45 Anden-Modell 16.16 Andere Einkünfte – Auffangklausel 16.473 – Betriebsstätte 16.477 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.473 ff. – Dreieckskonstellation 16.474 – Drittstaateneinkünfte 16.474 – Formwechsel 16.474 – funktionaler Zusammenhang 16.477 – Schadensersatzleistung 16.474 – Sonderbetriebsvermögen 16.477 – wiederkehrende Bezüge 16.474 Anfallsberechtigter – Familienstiftung 11.17, 11.26 Anhörung – vor Auskunftsersuchen 19.66, 19.84, 19.99 – bei Routineauskünften 19.121 Anknüpfung, örtliche – Gewerbesteuer 8.1, 15.217 Anknüpfungsmerkmale, inlandsqualifizierte – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.192, 5.216 Anknüpfungspunkte für die Besteuerung – Einkommensteuer 5.1 ff. Anlage – Betriebsstätte 5.142 ff. Anlagenbau 5.96 f. Anlagevermögen 18.48 ff. Anordnung, einstweilige – gegen Auskunftserteilung 19.34 Anpassungsklausel 18.148 Anrechnung s. auch Steueranrechnung – von Körperschaftsteuer 15.207 ff. Anrechnungshöchstbetrag 15.111 ff., 15.205 Anrechnungsmethode s. auch Doppelbesteuerung, Vermeidung

1148

– Doppelbesteuerung, Vermeidung 5.87, 14.17, 14.29 ff., 16.552 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.1, 15.3 Anrechnungsüberhang – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.562 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.7, 15.117, 15.121 Anrechnungsverfahren 15.207 ff. Anrufungsauskunft 19.76 f., 19.78 ff. Ansässigkeit – Doppelbesteuerungsabkommen 16.170 – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.217 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.296 f. Ansässigkeitsprinzip 5.2, 5.7 Anteile an Kapitalgesellschaft – ausländische 15.203 ff. – Veräußerung 5.206 ff., 15.203 ff., 16.331, 16.389, 16.400 Anteile, einbringungsgeborene 5.376 Anteilseigner, beschränkt steuerpflichtiger 17.40 ff. Anteilseinbringung – Hinausverschmelzung 17.84 f. – Kapitalgesellschaft 5.188 – Umwandlung, grenzüberschreitend 17.73 Anteilsidentität 10.181 Anteilstausch 5.183, 5.18, 5.386, 6.18, 16.387, 16.400, 17.3, 17.66 ff., 17.105, 17.114, 17.149, 19.151 ff., 17.155, 17.161 f., 17.165 ff., 17.188, 17.194 f., 17.210 Anteilsübertragung 5.367, 5.373, 17.91, 17.96, 17.109, 17.114, 17.128, 17.132, 17.136 f., 17.141 f., 17.145 Anteilsveräußerung – beschränkte Steuerpflicht 5.183 ff. – Kapitalgesellschaft 5.183 ff. Antragsveranlagung 5.251 Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag 10.181 ff., 10.189 ff. APA 16.104 ff. s. auch Advanced Pricing Agreements Äquivalenzprinzip 8.1 Arbeitgeber – Begriff 16.436 – im Tätigkeitsstaat ansässig 16.434, 16.437

Stichwortverzeichnis Arbeitnehmerfreizügigkeit 3.20, 4.27 f. s. auch Grundfreiheiten – Diskriminierungsverbot 4.15, 4.28 – EWR-Bürger 4.27 – Unionsbürger 4.27 – versteckte Diskriminierung 4.28 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff. Arbeitnehmerpflichtveranlagung – Steuerabzug 5.261 Arbeitnehmerüberlassungsklausel 16.144 Arbeitsortprinzip 5.87, 5.209, 16.7 Assistenzleistungen – Verrechnungspreise 18.160 Attraktionsprinzip 16.328, 18.34 Atypisch stille Beteiligung – Dividende 16.334 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.334 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.46 Aufenthalt, gewöhnlicher 5.3, 5.21 ff., 7.24 Auffangklausel 16.214, 16.393, 16.399 f., 16.403, 16.473 f., 16.476 f., 16.484, 16.490 f., 16.510 Auflösung – Kapitalgesellschaft 5.187, 6.30 – Verlustausgleichbeschränkung 5.82 Aufsichtsrat 18.159 Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütung – Doppelbesteuerungsabkommen 16.450 ff. – Sitzstaat 16.450 – Steuerabzug 5.266 – Überwachung 16.452 Aufspaltung 17.3, 17.36, 17.147, 17.148 ff., 17.159 f., 17.169. 17.176, 17.179 Aufstockungsbetrag 10.160, 10.188, 10.189, 10.193, 10.203, 10.204, 10.208, 10.211, 10.213, 10.220, 10.227 Aufteilungsnormen 2.7, 16.34 Aufteilungsschlüssel 18.47, 18.65, 18.167 Aufwandsabzug 16.541 f. Aufwandszuordnung – bei Betriebsstätte 18.38 ff. Aufwendungen – Abzug bei Steuerbefreiung 16.541 ff. – Innentransaktionen 16.26 – nachträgliche 16.273, 18.37

– vergebliche 18.36 – vorbereitende 18.35, 18.37 Ausbildungsbeihilfe 16.464, 16.471 f. Ausforschung 19.83, 19.109 Ausfuhr 3.87, 3.93, 4.24, 4.26, 9.3 f., 9.58, 9.74 ff., 9.91 ff. Ausfuhrbeschränkungen 4.23 Ausfuhrlieferung 9.77 ff. Ausfuhrnachweis 9.80 Ausfuhrzölle 4.23 Ausgleichsposten 17.31, 17.78, 18.27, 18.50 Ausgleichszahlung 16.43 f. Ausgliederung 17.3, 17.64 f., 17.67, 17.147, 17.157, 17.168, 17.175, 17.181 Auskunft – Abtreten von Auskunftsansprüchen 19.22 – Auskunftsbegehren der Verwaltung 19.11 – Auskunftspflicht 19.38 – Auskunftsverkehr 19.54 f., 19.114 – Außenprüfung 19.54 – Austausch 19.12 – automatische 19.59, 19.77 – Ersuchen 19.14, 19.59 ff., 19.76 – Erteilung 19.44, 19.58 – Kulanzauskünfte 19.57 f., 19.76, 19.106 ff. – Routineauskünfte 19.115 ff. – Pflichtauskünfte 19.78 ff. – Spontanauskünfte 19.115 ff. – Verlangen 19.15 f. – verbindliche 18.69 Auskunftsklausel 19.12, 19.20, 19.54 f., 19.57 ff., 19.61 ff., 19.76, 19.104 – große 19.91, 19.96 – kleine 19.91 Auskunftsverbot 19.85 ff., 19.114 Auskunftsverweigerungsrecht 19.90, 19.101 ff., 19.114 Ausland – Begriff 15.69 Ausländerdiskriminierungsverbot 5.126 Auslandseinkünfte 5.76, 5.97, 5.301 Auslandsrentner 5.240 Auslandssteuer – unilaterale Maßnahmen 15.100 ff. Auslandstätigkeit – Auslandsbediensteter 7.25 – Welteinkommensprinzip, Durchbrechung 5.96 ff.

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Stichwortverzeichnis Auslandstätigkeitserlass 5.96 ff., 5.209, 15.135, 15.140 ff. Auslandsvermögen 15.244, 15.247, 15.252, 15.254 f. Auslegung – abkommensspezifische 16.49 ff. – Auslegungsmethoden 3.53 – von Doppelbesteuerungsabkommen 16.49 ff. – Hilfsmittel 16.73 ff. – historische 3.53 – Konflikte 16.79 ff. – Richtlinien 16.54 ff. – richtlinienkonforme 3.36 – nach dem Sinnzusammenhang 16.56 f., 16.61 ff. – systematische 3.53 – teleologische 3.53 – Unionsrecht 3.50 ff. – unionsrechtskonforme 3.36, 3.54 ff. – völkerrechtliche Regeln 16.67 ff. Ausschüttung – DBA 16.391 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.1, 10.4, 10.111, 10.133, 10.165, 10.176, 10.187, 10.199 ff., 10.206, 10.229 Ausschüttungsfiktion – Hinzurechnungsbesteuerung 10.2, 10.165, 10.206 Ausschüttungsgleicher Ertrag 16.344 Ausschüttungsmodell 10.3 Ausschüttungstheorie 10.3 Außenaufwand – Betriebsstätte 18.32, 18.39 f., 18.43 f. Außensteuerrecht 1.4 – Einkommensteuer 5.1 ff. s. auch Einkommensteuer – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.1 ff. s. auch Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer – Gewerbesteuer 8.1 ff. s. auch Gewerbesteuer – Hinzurechnungsbesteuerung 10.1 ff. s. auch Hinzurechnungsbesteuerung – Körperschaftsteuer 6.1 ff. s. auch Körperschaftsteuer – Umsatzsteuer 9.1 ff. s. auch Umsatzsteuer – Vermeidungsnormen 2.11 – Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen 11.1 ff. s. auch Familienstiftungen

1150

Außenprüfung, koordinierte 19.3, 19.54, 19.95 Außergewöhnliche Belastung – Veranlagung 5.249 Außentransaktion 17.9, 17.17 – Betriebsstätte 16.275, 18.26, 18.35 Authentifizierung – völkerrechtlicher Verträge 3.8 Avalprovision 15.77, 15.84 Auswanderer – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.60 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.296 Bandbreite vertretbarer Preise – Verrechnungspreise 16.293, 16.308, 18.128 ff. – Währungsschwankungen 18.156 Bankgeschäft – Hinzurechnungsbesteuerung 10.82 ff. Bankguthaben – erweitertes Inlandsvermögen 7.63 Bankier – ständiger Vertreter 5.154 Basisgesellschaft 10.23 ff. – Basisfunktionen 10.26 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.155 – Einkaufsgesellschaft 10.26 – Einkünfteverlagerung 10.26 – Finanzierungsgesellschaft 10.26 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.23 ff. – Holdinggesellschaft 10.26 – Körperschaftsteuer 6.3 – Niedrigsteuerland 10.26 – Ort der Geschäftsleitung 10.33 – Outsourcing 10.29 – Patentverwertungsgesellschaft 10.26 – Scheingeschäft 10.27 – Steuerumgehung 10.6, 10.27, 10.139, 10.212 – Treuhandgeschäft 10.27 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.62 – Verkaufsgesellschaft 10.26 – wirtschaftliche Betrachtungsweise 10.27 Bauausführung 5.143, 5.147 – Betriebsstätte 5.143, 5.147 ff., 16.254 ff

Stichwortverzeichnis – Doppelbesteuerungsabkommen 16.254 ff., 16.272 – Gewinnzuordnung 16.272 – Planung 5.147 – Überwachung 5.147 – Zwölf-Monatsfrist 16.257 Beförderung – Beförderungsvorgang 5.160 – beschränkte Steuerpflicht 5.137, 5.160 ff. – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 5.137, 5.160 ff. – Gewinnvermutung 5.163 – grenzüberschreitende 16.282 f. – Luftfahrzeug 5.160 ff. – Seeschiff 5.160 ff. – Umsatzsteuer 9.14 ff., 9.35, 9.52, 9.91 ff. Beförderungsleistung – gewerbliche Einkünfte 5.137, 5160 ff. – Umsatzsteuer 9.45, 9.52 f. Beherrschungsquote – Hinzurechnungsbesteuerung 10.44, 10.48, 10.54, 10.56, 10.60, 10.64 Beherrschungsverhältnis – verbundene Unternehmen 18.113, 18.115 Beihilfe – Ausbildungsbeihilfe 16.464, 16.471 f. – wirtschaftslenkende Normen 2.23 Belastungsgleichheit 4.7 Belastungsvergleich – abstrakter 5.299 – Belastungsgleichheit 4.7 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.299, 5.303 – konkreter 5.303 Belegenheitsprinzip 5.135, 5.226 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.6, 16.220, 16.227 f., 16.240, 16.482 f. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 16.501 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.107 – Land- und Forstwirtschaft 5.135 – unbewegliches Vermögen 5.192, 16.220 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.75 – Veräußerungsgewinn 16.381 ff. – Vermietung und Verpachtung 5.226 – Vermögen 16.482

Beneficiary-Klausel – Doppelbesteuerungsabkommen 16.139, 16.348 Berichtigung von Einkünften – Beherrschungsverhältnis 18.113 ff. – bilaterale 16.93 ff., 16.114 ff. – dealing at arm’s length-Prinzip 18.106 – Dokumentationspflicht 18.117 – Einflussmöglichkeit 18.113 ff. – Erstberichtigung 16.295 ff. – Fiktion 18.104 – Fremdvergleichsgrundsatz 18.104 – Funktionsverlagerung s. Funktionsverlagerung – Gegenberichtigung 16.316 ff. – Geschäftsbeziehung 18.110 – Gewinnberichtigung 16.307, 16.313 f. – Interessenidentität 18.113 ff. – Kapitalverkehrsfreiheit 18.105 – Leistungsfähigkeitsprinzip 18.105 – Maßstab 18.106 – nahe stehende Person 18.111 ff. – Niederlassungsfreiheit 18.105 – Palettenbetrachtung 18.118 – Rechtsfolge 18.122 ff. – Sekundärberichtigung 16.322, 18.188 – Soll-Einkommen 18.104 – Transparenzklausel 18.107 – treaty overriding 18.108 – Vermeidungsnormen 2.11 – Verrechnungspreise 18.104 s. auch Verrechnungspreise – Vorteilsausgleich 18.118 ff. – Vorteilsausgleich, erweiterter 18.119 – Vorteilsausgleich, Konzern 18.121 – wesentliche Beteiligung 18.114 Bergwerk 5.143 Berufskonsul 5.39, 5.65 Berufssportler s. auch Künstler und Sportler – beschränkte Steuerpflicht 5.139 f., 5.169 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.453 ff. Besatzungsmitglieder 16.442 Beschlüsse der EU 3.18 Beschränkte Steuerpflicht – Abgeltungswirkung 5.111, 5.117 – Anteilsveräußerung 5.183 ff – Beförderungsleistung 5.137, 5.160 ff.

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Stichwortverzeichnis – Betriebsstätte 5.141 ff. – Bruttobesteuerung 5.108, 5.111, 5.118 – Darbietungen 5.169 ff. – Diskriminierungsverbot, europarechtliches 5.123 ff. – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.1 – Einkommensteuer 5.99 ff. – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 5.137 ff. – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.216 ff. – Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 5.135 – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 5.205 ff. – Einkünfte aus selbständiger Arbeit 5.197 ff. – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5.224 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.31 ff. – erweiterte s. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht – Gleichheitssatz 5.120 – Grenzgänger 5.122 – Handelsvertreter 5.139 – isolierende Betrachtungsweise 5.100, 5.130 ff. – Kapitalgesellschaft 5.183 ff. – Körperschaftsteuer 6.9 ff. – Künstler und Sportler 5.139 f., 5.169 – nachträgliche Einkünfte 5.128 – Nettoprinzip, Durchbrechung 5.109 ff. – Niederlassungsfreiheit 5.124 – objektives Nettoprinzip 5.111, 5.117, 5.119, 5.121 – Objektsteuercharakter 5.106 ff. – Poolabkommen 5.137 – Qualifizierung inländischer Einkünfte 5.127 ff. – sonstige Einkünfte 5.233 ff. – ständiger Vertreter 5.137, 5.154 ff. – Steuerabzug 5.244 ff., 5.255 ff. – subjektives Nettoprinzip 5.112, 5.122 – Subsidiaritätsklausel 5.134 – Territorialitätsprinzip 5.103 ff. – Unternehmensberater 5.139 – Veranlagung 5.244 ff. – Wechsel zur unbeschränkten 5.337 ff.

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– Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 Besorgungsleistung 9.96 Besteuerung – Gesetzmäßigkeit 3.2 – nachrangige 16.194, 16.199 – niedrige s. Niedrigbesteuerung – Verbot, extraterritorialer 16.353 ff. – vorrangige 16.14, 16.194 Besteuerungsgleichheit 4.8 Besteuerungsgut 9.2, 11.3 Besteuerungslücke 16.525 Besteuerungsobjekt 10.159 Bestimmungslandprinzip – Umsatzsteuer 9.74 ff. – Verbrauchsteuern 3.94 Beteiligung – atypisch stille 7.46 ff., 10.52 – an ausländischer Gesellschaft 10.39 ff. – an inländischer Kapitalgesellschaft 7.38 ff. – mittelbare 10.59 – über Personengesellschaft 10.54 – unmittelbare 5.81, 10.44, 10.57, 10.240 – typisch stille 7.46, 10.52 Betrachtungsweise – funktionale 10.63, 10.75 ff., 10.96, 10.103, 10.129, 10.131, 10.156 – isolierende 5.100, 5.130, 5.185, 5.216, 5.237, 6.14, 6.17, 7.33, 8.8, 15.67, 15.76, 16.214, 16.217, 18.236 – umgekehrte isolierende 15.76, 15.90 – wirtschaftliche 10.27 Betriebsaufgabe 5.152 Betriebsaufspaltung 5.146 – Betriebsstätte 5.146, 16.246 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.246 – Gewerbesteuer 8.8 – grenzüberschreitende 5.235, 8.8, 16.246 – Körperschaftsteuer 6.3 – Unternehmensgewinn 16.246 Betriebsausgaben – Abgeltungswirkung 5.111, 5.255 ff. – beschränkte Steuerpflicht 5.128, 5.245 – eingeschränkte Abzugsfähigkeit 6.25, 10.198, 15.165, 15.175, 15.182, 16.541, 18.93 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.198 – Empfängerbenennung 19.45, 19.50

Stichwortverzeichnis – – – –

nachträgliche 5.128 Nachweis 5.267 Steuerabzug 5.267 unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.153 – Veranlagung 5.245 – Vorteilsverbrauch 18.89 – vorweggenommene 5.128 Betriebsgeheimnis 18.185, 19.89 Betriebsgemeinschaft, internationale 5.137, 5.166 ff. s. auch Poolabkommen Betriebsprüfung s. Außenprüfung Betriebsstätte – abhängiger Vertreter mit Abschlussvollmacht 16.260 – Abkommensberechtigung 16.182 – andere Einkünfte 16.477 – Anti-Organ-Klausel 16.261 – Anweisungen 16.262 – Attraktivkraft 16.275 – Aufgabe 5.152, 5.346 – ausländische 15.34, 15.77, 15.101, 15.198 – Auslieferung 16.259 – Ausstellung 16.259 – Bauausführung 5.143, 5.147 ff., 16.254 ff. – Begriff 16.231, 16.240, 16.241 ff. – Bergwerk 5.143, 16.253 – beschränkte Steuerpflicht 5.141 ff. – Betriebsaufspaltung 5.146, 16.246 – betriebsstättenloses Vermögen 16.265 – Bodenschatz 16.253 – Diskriminierungsverbot, DBA 4.55 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.239 ff., 16.484 ff. – Dotationskapital 18.19, 18.38, 18.41 f. – Einkaufsgewinn 16.279 – Einkünftezuordnung 16.279, 16.486, 18.23 ff. – Ein- oder Verkaufsstelle 5.143, 16.259 – Fabrikationsstätte 5.143, 16.253 – Freistellung 16.543 – Gasspeicher 5.144 – Gasvorkommen 16.253 – gemischte Tätigkeit 16.259 – Geschäftseinrichtung 5.144, 16.242 – Geschäftsstelle 5.143, 16.252 – gewerbliche 5.216

– Gewinn 16.239 ff. – Hilfstätigkeit 5.146, 16.259 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.144 – inländisches Betriebsvermögen 7.36, 7.42 – Kontroll- und Koordinierungsstelle 16.250 – Lagerung 16.259 – Marktstand 5.144 – Montage 5.143, 5.147 ff., 16.254 ff. – Negativkatalog 16.259 – Ort der Leitung 16.250 – Personengesellschaft 5.151 ff., 16.243 – Poolabkommen 5.166 ff. – Regelbeispiele 16.249 ff. – Rohrleitung 5.144 – Server 5.144 – Stätte der Geschäftsleitung 5.143, 16.250 – Steinbruch 5.143, 16.253 – Steuerabzug 5.258 – Steuerentstrickung 5.345, 5.350 – Steuerverstrickung 5.353 – Tochtergesellschaft 16.243 – Unternehmensort 9.30 – Veräußerung 5.171, 5.226 – Verbindungsbüro 16.252 – Verfügungsgewalt 16.243 – Verkaufsstand, fahrbarer 5.144 – Verlustausgleichbeschränkung 5.81 – Vorauseinnahmen 18.35, 18.37 – Vorbereitungstätigkeit 5.146 – Warenlager 5.143 – Werkstatt 5.143, 16.253 – Zweigniederlassung 5.143 Betriebsstättenfreistellung 16.543 f. Betriebsstättengewinn – direkte Methode 16.269 f., 16.272 f., 16.488, 18.23 ff., 18.65 – Entgeltsprinzip 18.45 – Ermittlung 18.17 ff. – Erwirtschaftungsprinzip 16.269, 16.273, 16.276, 18.34 – indirekte Methode 16.271 ff., 16.488, 18.23 ff., 18.65 – nachträgliche Aufwendungen 16.273, 18.37 – Veräußerung 5.152, 5.184 – vergebliche Aufwendungen 18.36 – Vorauseinnahmen 18.35, 18.37 – vorbereitende Aufwendungen 18.35, 18.37

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Stichwortverzeichnis – Zuordnung 16.264 ff., 18.23 ff. Betriebsstättenloses Vermögen 16.265, s. floating income Betriebsstättenprinzip 5.141 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.484 ff. – Einkünfte aus selbständiger Arbeit 16.412 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 16.506 – Spaltung 17.78 – Umwandlung, inländische mit Auslandsbezug 17.63 – Unternehmensgewinn 16.230, 16.240 – Veräußerungsgewinn 16.385, 16.390 – Vermögen 16.484 ff. – Verschmelzung 17.63 Betriebsstättenstaat 16.230 ff., 16.243, 16.259, 16.271, 16.275, 16.281, 16.327 f., 16.367, 16.386, 16.484, 16.505 ff. Betriebsstättenverlust, ausländischer 16.532 Betriebsstättenvorbehalt 16.85, 16.233, 16.237, 16.264, 16.326 ff., 16.358, 16.370, 16.390, 16.392, 16.477, 18.74 Betriebsvergleich – äußerer 16.309 f. – innerer 16.309 f. Betriebsvermögen – bewegliches 16.390, 16.501 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.36 f. – grenzüberschreitendes 5.348 – inländisches 7.36 ff. – Körperschaftsteuer 6.38 – Steuerentstrickung 5.349 ff., 6.33 ff., 16.268, 16.278, 17.19, 17.131, 18.5, 18.27, 18.48 ff. – Steuerverstrickung 5.337 ff., 6.47 ff., 16.268, 16.278, 17.54, 17.56, 17.119, 17.130, 18.5, 18.42, 18.53, 18.55 – Transfer 5.348, 17.16, 17.61 – Veräußerungsgewinn 16.385 ff. Betriebsvermögensvergleich 5.195, 5.349, 10.171 f., 10.193, 16.224, 17.8, 17.14, 18.3, 18.22 Beweislast, objektive 19.6, 19.9, 19.14 Beweismittel 19.7, 19.10, 19.13, 19.24, 19.32, 19.64 Beweismittelbeschaffungspflicht 19.10, 19.24

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Beweisvorsorge 19.10 Bewegliches Vermögen 16.484 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.385 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 16.501 – Veräußerungsgewinn 16.385 ff. Bewertung Anteile 7.40 – grundpfandrechtlich gesicherte Forderung 7.43 – Inlandsvermögen 7.50 – Nutzungsrecht 7.49 – partiarisches Darlehen 7.47 Bezüge, wiederkehrende 15.99, 16.474 Bilanzrichtlinie 3.79 ff. – europäisches Bilanzrecht 3.79 – Harmonisierung in der EU 3.79 ff. – Konzernbilanzrichtlinie 3.79 – Prüferrichtlinie 3.79 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung s. Doppelbesteuerungsabkommen Billigkeitsmaßnahme – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.354 – Beseitigung der Doppelbesteuerung 15.43, 16.181, 16.183, 16.197, 16.494, 18.124 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.181 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.77, 10.92, 10.105 – Steuerpauschalierung 15.13, 15.136 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.136 – Verständigungsverfahren 16.103 Binnenmarkt 3.83 ff., 4.34 Binnenmarktkonzept 14.21 Binnenmarktrichtlinie 3.91 Bodenschatz 16.253 Bohrinsel 5.148 Briefkastengesellschaft 6.3 Briefwechsel – zu Doppelbesteuerungsabkommen 16.20, 16.29 ff., 16.73 f. Bruttobesteuerung – beschränkte Steuerpflicht 5.108, 5.111, 5.118 – Darbietungen 5.172 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.288 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.326, 16.551

Stichwortverzeichnis – Hinzurechnungsbesteuerung 10.59, 10.110, 10.115, 10.228 – Steuerabzug 5.255, 5.263 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.241 – Vermietung und Verpachtung 5.231 Bruttoerträge – Hinzurechnungsbesteuerung 10.10, 10.59, 10.110, 10.115 f., 10.155 f., 10.158, 10.228 Bruttomethode 16.551 Buchnachweis 9.80, 9.85, 9.90, 9.96 Büsingen 9.8, 16.186 Bundesrecht 3.43 Bundeszentralamt für Steuern – Advanced Pricing Agreements 16.106 – grenzüberschreitende Sachaufklärung 19.3, 19.53, 19.60, 19.99 – Lizenzkartei 18.187 – Steuerabzug 5.262, 5.267, 5.274, 5.276 – Verständigungsverfahren 16.96 Bundesverfassungsgericht – judicial activism 4.9 – judicial self restraint 4.9 – Solange-Rspr. 3.39 f. – Verfassungsbeschwerde 3.36, 4.11 – Willkür-Formel 4.6 BZSt s. Bundeszentralamt für Steuern Capital gain tax 15.249 Carry back 14.30, 15.116 Carry forward 14.30, 15.116 Computer-Software 16.374 Comity 5.66 Courtoisie 5.66 Cross border consulting 9.38 Darbietungen – Abgeltungsbesteuerung 5.172 – ähnliche 5.169, 5.178 – artistische 5.169, 5.176 – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.169 ff. – Bruttobesteuerung 5.172 – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 5.169 ff. – künstlerische 5.169, 5.174 ff. – Künstlerverleihgesellschaft 5.169 – rent-a-star-company 5.172 – sonstige Einkünfte 5.237 – sportliche 5.169, 5.175 – Überbesteuerung 5.172

– unterhaltende 5.169, 5.177, 5.237 – Verwertung 5.179 Darlehen – Gesellschaft 18.70 – Gesellschafter 15.183, 15.235, 16.358, 16.363, 18.114 – Einkünfteberichtigung 18.123 – Hinzurechnung 10.110, 10.112 ff. – kapitalersetzendes 15.184 – partiarisches 5.71, 5.83. 5.218, 7.46, 7.49, 15.190, 16.335, 16.362, 16.366 – Sonderbetriebsvermögen 18.74 – Wertminderung 15.71, 16.218 – Zinsen 16.267 f. – Zinssätze 18.105, 18.175 f. DBA s. Doppelbesteuerungsabkommen Dealing at arm’s length-Prinzip – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.106 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.32, 16.266 f., 16.271 – Einkünftezuordnung 18.13, 18.24, 18.48, 18.57, 18.106, 18.125 – Gewinnzuordnung 16.266 f., 16.271 – Schiedsverfahrenskonvention 3.76 Deckungsbeitrag 18.153 Definitionenkonflikt 16.80 Denkschrift – Doppelbesteuerungsabkommen 16.73 Derogationswirkung 16.38 Dienstleistung – Assistenzleistung 18.160 – Aufsichtsrat 18.159 – Betriebsstätte 16.240 – Aufteilungschlüssel 18.167 – Einzelabrechnung 18.161, 18.164, 18.170 – Gesellschafterversammlung 18.159 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.95 ff. – Investitionssteuerung 18.159 – Kontroll- und Regieleistungen 18.158 f. – Kontroll- und Koordinationsstelle 18.166 – Konzernführung 18.159 – Konzernname 18.159 – Kostenaufschlagsmethode 18.171 – Kostentragfähigkeitsprinzip 18.167 – Kostenverursachungsprinzip 18.167 – Leistungsumlage 18.165 – Leistungsentsprechungsprinzip 18.167

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Stichwortverzeichnis – Lieferpreis 18.162 – Managementleistung 18.160 – nicht verrechenbare Leistung 18.159 – Poolumlage 18.163 – Preisvergleichsmethode 18.171 – Produktionssteuerung 18.159 – Rückhalt im Konzern 18.159 – technische 16.373 – Umlage 18.168 – Umlagevertrag 18.161, 18.163 – Verrechnung 18.161 – Vorstand 18.159 Dienstleistungsgesellschaft 2.18 Dienstleistungsfreiheit 3.20, 4.34 ff. s. auch Grundfreiheiten – Anwendungsreihenfolge 4.20 – Beschränkunsgverbot 4.36 – Binnenmarkt 4.34 – Diskriminierungsverbot 4.15, 4.36 – Gewinnerzielungsabsicht 4.34 – Sekundärrecht 4.35 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff. Direkte Methode s. Betriebsstättengewinn Diplomat 5.39 – Umsatzsteuer 9.105 Directive overriding – Steuerabzug 5.276 Direkte Steuern – Harmonisierung 3.58 ff. Direkte Steueranrechnung 15.6, 15.194, 15.198, 15.201 ff. Directive shopping 16.129, 16.160 Direktversicherung 5.240 Diskriminierung – branchenspezifische 5.161 – offene 4.28, 5.125 – umgekehrte 4.12, 4.16, 4.42 – versteckte 4.51 Diskriminierungsverbot 4.1 ff. – abkommensrechtliches 4.3 – Doppelbesteuerungsabkommen 4.50 ff. s. auch Diskriminierungsverbote, DBA – europarechtliches 4.12 ff. s. auch Diskriminierungsverbote, europarechtliche – EWR 4.41 ff., 5.125 – GATT 4.48 ff. – Grundfreiheiten 4.3, 4.15 s. auch Grundfreiheiten – völkerrechtliches 4.1

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Diskriminierungsverbote, DBA – betriebsbezogene Besteuerungsmerkmale 4.58 – Betriebsstätte 4.55 ff. – Geldzahlungslast 4.57 – Kapitalgesellschaft 4.61 – Meistbegünstigungsklausel 4.63 – Personengesellschaft 4.61 – Schutz 4.57 – Staatsangehörige 4.51 ff. – Unternehmensschuldnerdiskriminierung 4.59 Diskriminierungsverbote, europarechtliche – allgemeines 4.12 ff. – beschränkte Steuerpflicht 5.123 ff. – Beschränkungsverbot 4.16, 4.21 – Freizügigkeitsrecht 4.12, 4.14 – Gleichheitssatz 4.13 – Grundfreiheiten 4.15 ff. s. auch Grundfreiheiten – versteckte Diskriminierung 4.12 Dividende – Aktien 16.330 – Attraktivkraft der Betriebsstätte 16.328 – atypisch stiller Gesellschafter 16.334 – Ausgleichszahlung 16.341 – Ausschüttung 16.341 – ausschüttungsgleicher Ertrag 16.341 – Begriff 16.329 ff. – beneficiary-Klausel 16.348 – Betriebsstättenvorbehalt 16.326 – Bonusaktie 16.341 – Bruttobesteuerung 16.326 – Doppelbesteuerung 15.152 ff., 15.223 ff., 16.350 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.324 ff. – Doppelmaßnahme 16.343 – dynamische Verweisung 16.338 – Einkünftequalifikation 16.331 – Einlagenrückzahlung 16.344 – Genussaktie 16.330 – Genussrecht 16.337 – Genussschein 16.330 – Gesellschaftsanteil 16.330 – Gesellschaftsanteil, verbriefter 16.330 – Gewinnobligation 16.335 – Gratisaktie 16.341 – Gründeranteil 16.330

Stichwortverzeichnis – Investmentzertifikat 16.335 – Kapitalerhöhung aus Einlagen 16.343 – Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 16.343 – Kapitalherabsetzung 16.343 – Kompensationszahlung 16.341 – Kuxe 16.330 – Liquidation 16.345 – Mindestbeteiligungsquote 16.351 – Nachtragsausschüttung 16.341 – Nettobesteuerung 16.326 – Nutzungsberechtigte 16.37 – partiarisches Darlehen 16.335 – Quellenstaat 16.346 ff. – Quellensteuersatz 16.324 – Remittance-base-Prinzip 16.349 – Sachdividende 16.341 – Schachteldividende 16.324, 16.350 – Schachtelprivileg 16.324 – steuerliches Einlagekonto 16.344 – Steuerteilung 16.324 – Streubesitzdividende 16.324 – subject to tax-Klausel 16.349 – Suspensionsklausel 16.352 – steuerfreie 15.152 ff., 15.223 ff. – treaty shopping 16.347 f. – Treueaktie 16.341 – typisch stiller Gesellschafter 16.333 – Verbot extraterritorialer Besteuerung 16.353 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung 16.341 – verdecktes Nennkapital 16.339 – Vorabausschüttung 16.341 – Wandelschuldverschreibung 16.335 – Zwischengewinn 16.341 Dokumentationspflicht – Angemessenheit 19.27 ff. – außergewöhnlicher Geschäftsvorfall 19.30 f. – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.117 – Beweismittelbeschaffungspflicht 19.24 – ernsthaftes Bemühen 19.29 – Funktionsanalyse 19.28 – Mitwirkungspflicht 19.24 ff. – nicht kooperative Jurisdiktion 19.36 – Risikoanalyse 19.28 – Sachverhalt 19.27 ff. – Schätzung 19.31 – Steuerzuschlag 19.34 – Übermaßverbot 19.33

– Verletzung 19.31 ff. – Verrechnungspreisanalyse 18.138, 19.29, 19.32 – Wertschöpfungsbeitrag 19.28 Domizilgesellschaft 19.48 f. Doppelansässigkeit 10.35, 16.474 f. Doppelbelastung 12.3, 14.4 – Doppelbesteuerungsabkommen 15.2, 15.20, 15.37 f., 15.41 ff., 15.49, 15.147, 16.325 – Erbschaftsteuer 7.24, – Hinzurechnungsbesteuerung 10.77 – Umsatzsteuer 9.71, 9.91 – Wegzugsbesteuerung 5.355, 5.370, 5.380 Doppelbesteuerung – Abkommen s. Doppelbesteuerungsabkommen – Begriff 12.1 ff. – bilaterale Maßnahmen s. Doppelbesteuerungsabkommen – doppelte Nichtbesteuerung 12.10, 13.8, 16.552 – effektive 12.8, 16.9, 16.200, 16.318 – Gebietshoheit 13.1 – Gewinnabgrenzung 16.290 – Gleichartigkeit der Steuer 12.7 – Identität Besteuerungszeitraum 12.3 – Identität Steuerobjekt 12.3 – Identität Steuersubjekt 12.4 – juristische 12.1 – Leistungsfähigkeitsprinzip 2.6 – Minderbesteuerung 12.10, 13.8 – Nullbesteuerung 12.10 – Qualifikationskonflikt 12.10 – Schrankenwirkung 13.1 – subject-to-tax-Klausel 12.8, 13.9 – switch-over-Klausel 13.9 – Territorialitätsprinzip 13.1 – treaty-shopping-Klausel 13.9 – Universalitätsprinzip 13.1 – Ursache 13.1 ff. – Verbot 2.5, 4.10 – Vermeidung 14.1 ff. s. auch Doppelbesteuerung, Vermeidung – virtuelle 12.8, 16.216, 16.522 – Welteinkommensprinzip 13.4 – wirtschaftliche 12.1, 14.33 – wirtschaftliche Identität 12.3 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff. – Zurechnungsdivergenz 12.4 – Zurechnungskonflikt 12.10, 16.82 Doppelbesteuerung, Vermeidung – Abkommensmissbrauch 14.26

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Stichwortverzeichnis – Abzugsmethode 14.34 f. – AEUV 14.4 – Aktivitätsvorbehalt 14.27, 16.515, 16.544, 16.551 – Anrechnungsmethode 14.17, 14.29 ff., 16.552 ff. – Anrechnungsüberhang 16.562 – Aufwandsabzug 16.541 f. – beschränkte Steuerpflicht 14.1 – Besteuerungslücke 16.525 – Betriebsstätte 16.544 – Betriebsstättenfreistellung 16.543 f. – bilaterale Maßnahmen 14.40, 16.1 ff. s. auch Doppelbesteuerungsabkommen – Binnenmarktkonzept 14.21 – Bruttoeinnahmen 16.531, 16.556 – Bruttomethode 16.551 – carry back 14.30 – carry forward 14.30 – doppelte Nichtbesteuerung 12.10, 13.8, 16.552 – Dotationskapital 16.532 – Einkünfte 16.531 ff. – Einkünftebegriff, dualer 16.531 – Erlassmethode 14.38 f. – fiktive Steuern 16.566 ff. – Freistellungsmethode 14.18, 14.22 ff., 16.521 ff. – Fremdwährungsverlust 16.532 – full credit 14.29 – funktionale Betrachtungsweise 16.516 – Fusionsrichtlinie 14.6 – Gründe 14.1 ff. – Grundfreiheiten 14.5 – Höchstbetrag 16.558, 16.560 – horizontale Steuergerechtigkeit 14.11 – internationale betriebwirtschaftliche Steuerlehre 14.13 – internationale Rücksichtnahme 14.7 – Kapitalexportneutralität 14.29, 14.34, 16.514 – Kapitalimportneutralität 14.20, 14.26 – Kapitalverkehrsfreiheit 14.5 – Kollisionsnorm 14.1 f., 14.5 – Leistungsfähigkeitsprinzip 14.9 f., 14.19 – Maßnahmen 14.40 ff. – Mehrfachbelastung 16.545 – Methoden 14.16 ff. – Methodenvielfalt 14.16 ff., 16.513

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Methodenwechsel 16.552 Minderbesteuerung 16.525 Mutter-Tochter-Richtlinie 14.6 negative Progressionsvorbehalt 16.537 f. Nettoeinkünfte 16.531, 16.556 nicht selbständige Arbeit 16.523 Nichtbesteuerung 16.525 Niederlassungsfreiheit 14.5 objektives Nettoprinzip 14.25 ordinary credit 14.29 Organschaft 16.536, 16.551 overall limitation 16.562 Pauschalierungsmethode 14.36 f. per country limitation 14.31, 16.562 Progressionsvorbehalt 14.27 f., 16.534 ff. Qualifikationskonflikt 16.525 Quellenstaat 16.512, 16.540 Schachtelprivileg 16.545 ff. Schachtelstrafe 16.546 self-executing-Normen 14.23 Steueranrechnung 16.512, 16.517, 16.552 ff. Steuersatzeinkommen 16.535 Steuerfreistellung 16.512, 16.517, 16.521 ff. subject-to-tax-Klausel 16.515, 16.522 ff., 16.526, 16.544, 16.552 Summe der Einkünfte 16.559 switch over-Klausel 16.525, 16.552 Symmetriethese 14.24, 16.532 tax sparing credit 16.566 Teilwertabschreibung 16.542 Territorialitätsprinzip 14.18 f., 14.22 treaty overriding 16.518, 16.524, 16.529 unbeschränkte Steuerpflicht 14.1 unilaterale Maßnahmen 14.40, 15.1 ff. s. auch Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unmittelbare Beteiligung 16.548 Veranlagung 5.253 Verlustberücksichtigungsverbot 16.532, 16.539 Verluste 16.532 Vermeidungsnorm 16.512, 16.531 Vermögen 16.531 ff. Verteilungsnorm 16.512, 16.531 virtuelle Doppelbesteuerung 16.522 Welteinkommensprinzip 14.17, 14.29, 16.514

Stichwortverzeichnis – Wohnsitzstaat 16.512 – Zins- und Lizenzrichtlinie 14.6 – Zurechnungskonflikt 16.525 Doppelbesteuerungsabkommen – Abkommensberechtigung 16.152, 16.169, 16.178 ff. – Abkommensberechtigung, Einschränkung 16.137 – Abkommensmissbrauch 16.154, 16.156 – Abschluss 16.19 ff. – Abschluss, Phasen 16.20 – Aktivitätsklausel 16.46, 16.138, 16.151 – Analogie 16.69 – Anden-Modell 16.16 – andere Einkünfte 16.473 ff. s. auch Andere Einkünfte – Änderungen 16.24 f. – Anrechnungsmethode 5.87, 14.29 ff., 16.552 ff. – Anrechnungsüberhang 16.562 – Ansässigkeit 16.170 – Anwendung 16.29 ff. – APAs 16.104 ff. s. auch Advanced Pricing Agreements – Arbeitnehmerüberlassungsklausel 16.144 – Arbeitsortprinzip 16.7 – atypisch stiller Gesellschafter 16.334 – Aufsichtsratsvergütung 16.450 ff. s. auch Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütung – Aufteilungsnorm 16.34 – Aufwendungen 16.273 – Außentransaktion 16.276 – Außerkrafttreten 16.26 ff. – Auslegung 16.49 ff. – Auslegung, Hilfsmittel 16.73 ff. – Auslegungskonflikt 16.79 ff., 16.89, 16.110 – Auslegungsrichtlinie 16.53, 16.54 f. – Basisgesellschaft 16.155 – Bauausführung 16.254 ff., 16.272 – Beförderungsgewinn 16.282 f. – Begriffsdefinition 16.56 – Belegenheitsprinzip 16.6, 16.220, 16.227 f., 16.240, 16.482 f. – Belegenheitsstaat 16.222 – beneficiary-Klausel 16.139, 16.348 – Betriebsaufspaltung 16.246 – Betriebsstätte 16.175 s. auch Betriebsstätte

– Betriebsstättenbegriff 16.241 ff. – Betriebsstätteneinkünfte, passiver Erwerb 16.151 – Betriebsstättengewinn 16.239 ff. – betriebsstättenloses Vermögen 16.265 – Betriebsstättenprinzip 16.230, 16.385, 16.390, 16.484 ff. – Betriebsstättenstaat 16.230 – Betriebsstättenvermögen 16.264 – Betriebsstättenvorbehalt 16.233, 16.326 – bewegliches Vermögen 16.385 ff. – bilateral 16.3 – Billigkeitsmaßnahme 16.181 – Briefwechsel 16.20, 16.29, 16.73 – Bruttoertrag 16.165 – Bruttomethode, Organschaft 16.153 – captives 16.131 – dealing at arm’s length-Klausel 16.32, 16.266 f., 16.271 – Definitionenkatalog 16.58 – Definitionenkonflikt 16.80 – Denkschrift 16.73 – Derogationswirkung 16.38 – deutsche 16.12 f. – directive shopping 16.160 – Diskriminierungsverbot 4.3 – Dividendenbegriff 16.329 ff. – Dividendeneinkünfte 16.324 ff. s. auch Dividende – Doppelfreistellung 16.84, 16.132, 16.159 – doppelte Nichtbesteuerung 16.9, 16.84, 16.132, 16.159 – Dotationskapital 16.276 – Dreiecksverhältnis 16.43, 16.182 f., 16.367 – Durchlaufgesellschaft 16.176 – dynamische Verweisung 16.60, 16.338 – effektive Doppelbesteuerung 16.9, 16.200 – eigengewerbliche Tätigkeit 16.236 – Einkaufsgewinn 16.279 – Einkaufsstelle 16.279 – Einkommensteuer 16.190 – Einkünfteermittlung 16.218 – Einkünftequalifikation 16.236, 16.331 – Entscheidungsharmonie 16.52 – Erbschaft 16.493 ff. s. auch Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer – Erbschaftsteuer 16.190

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Stichwortverzeichnis – Ergänzung 16.24 f. – Erstattungsverfahren 16.377 – Erstberichtigung 16.290, 16.295 ff. s. auch Erstberichtigung – Europarecht 16.41 ff. – extraterritoriale Besteuerung, Verbot 16.353 ff. – Factoring-Gesellschaft 16.131 – Festlandsockel 16.186 – Finanzierungsgesellschaft 16.131 – Freistellungsmethode 5.86, 14.22 ff., 16.230, 16.521 ff. s. auch Freistellungsmethode – Freistellungsverfahren 16.377 – Fremdvergleich 16.297, 16.299, 16.304 – Gegenberichtigung 16.290, 16.316 ff. s. auch Gegenberichtigung – gegenseitiges Einvernehmen 16.208 – Geschäftseinrichtung, feste 16.242 – Geschäftsleitungsort 16.171, 16.201, 16.209, 16.250, 16.439 ff., 16.489 – Gewerbesteuer 16.190 – Gewinnabgrenzung 16.289 ff. s. auch Gewinnabgrenzung – Gewinnminderung 16.297 – Gewinnvergleichsmethode 16.312 – Gewinnzuordnung 16.264 ff. – Gewinnzuordnungsmethode 16.269 ff. – gewöhnlicher Aufenthalt 16.171, 16.201, 16.206 – Grundfreiheiten 16.42 – Grundstück 16.225 – Grundstücksklausel 16.143 – Handelsschiff 16.186 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.19 f., 10.201 – Immobiliengesellschaft 16.396 ff. – Informationsaustauschabkommen 16.11, 16.13 – Inkrafttreten 16.21 – innerstaatliches Recht 16.56, 16.64 ff., 16.82 – Innentransaktion 16.268, 16.276 – Internationaler Schiedsgerichtshof 16.93 – isolierende Betrachtungsweise 16.214 – Kapitalertragsteuer 16.164 – Kirchensteuer 16.189 – Kollisionsregel 16.202 ff. – Konkurrenz zu unilaterale Maßnahmen 15.12 ff.

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– Konsultationsverfahren 16.89, 16.108 f., 16.320 s. auch Konsultationsverfahren – Kontroll- und Koordinierungsstelle 16.250 – Kontrollmeldeverfahren 16.377 – Körperschaftsteuer 16.190 – Kostenaufschlagsmethode 16.306, 16.310 – Kündigung 16.39 – Künstler 16.453 ff. s. auch Künstler und Sportler – Künsterverleihgesellschaft 16.131, 16.458 – Künsterverleihklausel 16.142 – Küstenmeer 16.186 – länderrechtliche Theorie 16.57, 16.64 – Lizenzbegriff 16.372 ff. – Lizenzgebühren 16.369 ff. s. auch Lizenzgebühren – Lückenausfüllung 16.69 – Luftfahrt 16.11, 16.13, 16.280 ff. – Luftfahrzeug 16.394 f. – Mäander-Struktur 16.164 – Managementgesellschaft 16.458 – Materialien 16.73 – Meistbegünstigungsklausel 16.11, 16.44, 16.46 – Missbrauchsbekämpfung 16.168 – Missbrauchsklauseln 16.36, 16.133 ff. – Missbrauchsklauseln, nationale 16.150 ff. – Mittelpunkt der Lebensinteressen 16.205 – multilaterales 16.2 – multinationale Entwicklung 16.12 ff. – Musterabkommen 16.14 ff. – Mutter-Tochter-Richtlinie 16.48 – Nachlass 16.493 ff. s. auch Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer – nationales Recht 16.37 ff. – negative Einkünfte 5.88 – negativer Qualifikationskonflikt 16.132, 16.159 – nicht kooperative Jurisdiktionen 16.164 – Normengruppen 16.29 ff. – Normenkonkurrenz 16.37 ff. – OECD 16.14 – OECD-Kommentar 16.75 – öffentlicher Dienst 16.462 ff. s. auch Öffentlicher Dienst

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

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overall limitation 16.562 Parallelabkommen 16.78 Paraphierung 16.20 passiver Erwerb 16.240 per country limitation 16.562 Person 16.170, 16.235 Personengesellschaft 16.175, 16.177 ff., 16.237, 16.243 persönliche Beziehungen 16.205 persönlicher Anwendungsbereich 16.169 ff. Preisvergleichsmethode 16.306 f., 16.310 Protokoll 16.20, 16.29, 16.73 Qualifikationskonflikt 16.82 ff. Qualifikationsverweisung 16.225 Quellenstaat 16.346 ff. Quellenstaat, nachrangige Besteuerung 16.199 Quellensteuer 16.152 Quellensteuersatz 16.324 Quintett-Lösung 16.129 Ratifikation 16.20 räumlicher Anwendungsbereich 16.184 ff. Regelungshomogenität 16.52 f., 16.65, 16.148 Regelungssouveränität 16.49 ff. Reinvoicing-Gesellschaft 16.131 Revisionsprotokoll 16.24 Revisionsverhandlung 16.24 Rückwirkungsverbot 16.21 Ruhegehalt 16.459 ff. s. auch Ruhegehalt rule-shopping 16.130, 16.158 sachlicher Anwendungsbereich 16.189 ff. saving clause 16.172 Schachteldividende 16.324 Schachtelprivileg 16.153, 16.324, 16.545 ff. Schiedsklausel 16.320 Schiedsspruch 16.111 Schiedsverfahren 16.89, 16.93, 16.110 ff. s. auch Schiedsverfahren Schiedsverfahrenskonvention 16.89, 16.114 ff., 16.320 s. auch Schiedsverfahrenskonvention Schiff 16.394 f. Schifffahrt 16.11, 16.13, 16.280 ff. Schrankenwirkung 16.5 selbständige Arbeit 16.404 ff. s. auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit

– Selbständigkeitsfiktion 16.267 – self executing-Wirkung 16.32, 16.41, 16.169, 16.266, 16.291 – Sinnzusammenhang 16.56 – Sitz 16.201 – Sonderbetriebseinnahme 16.237 – Sondervergütung 16.237 – Sportler 16.453 ff. s. auch Künstler und Sportler – Sportlerverleihgesellschaft 16.458 – Staatsangehörigkeit 16.207 – Stammhaus 16.265 – stepping stone-Gesellschaft 16.128 – Steuerabzug, Sicherstellung 16.152 – Steuerberechtigung 16.194 ff., 16.219 – Steuerentstrickung 16.268 – Steuerfreistellung 5.86, 16.219 – SteuerHBekV 16.164 – Steuersubjekteigenschaft 16.175 – Steuerumgehung 16.124 ff – Steuerverzicht, gegenseitiger 16.5 – Streiterledigungsmittel, bilaterales 16.90 – Student 16.466 ff. s. auch Student – subject to tax-Klausel 16.9, 16.79, 16.85 f., 16.141, 16.215, 16.349 – Subsidiaritätsprinzip, umgekehrtes 16.233 – Subsidiaritätsregel 16.236, 16.294 – Subsumtionskonflikt 16.80 – switch over-Klausel 16.87, 16.140 – switch over-Klausel, unilateral 16.151 – Symmetriethese 5.88, 16.236 – Tätigkeitsort 16.424 ff. – Thesaurierungsgesellschaft 16.176 – tie-breaker-rule 16.197 – Tochtergesellschaft 16.243 – treasury centre 16.131 – treaty overriding 16.35, 16.39, 16.48, 16.86, 16.162 – treaty shopping 16.3, 16.127 ff., 16.153, 16.157, 16.160, 16.347 f., 16.376 – typisch stiller Gesellschafter 16.333 – unbewegliches Vermögen 16.219 ff., 16.381 ff. s. auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen – unselbständige Arbeit 16.419 ff. s. auch Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit – Unternehmen 16.234 – Unternehmensgewinn 16.229 ff. s. auch Unternehmensgewinn

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Stichwortverzeichnis – Veräußerungsgewinn 16.378 ff. s. auch Veräußerungsgewinn – Verbot extraterritorialer Besteuerung 16.353 ff. – verbundenes Unternehmen 16.289 ff. – Vereinte Nationen 16.16 – Verlustberücksichtigung 5.89 – Vermeidung Doppelbesteuerung s. Doppelbesteuerung, Vemeidung – Vermietung oder Verpachtung 16.227 – Vermögen 16.478 ff. s. auch Vermögen – Vermögen, übriges 16.399 ff. – Vermögensteuer 16.190 – Versicherungsgesellschaft 16.131 – Verständigungsvereinbarung 16.74 – Verständigungsverfahren 16.79, 16.88 ff., 16.320 s. auch Verständigungsverfahren – Verteilung der Steuergüter 16.211 ff. – Verteilungsnorm 16.34, 16.83, 16.211 ff. – Verteilungsnorm, unvollständige 16.213 – Verteilungsnorm, vollständige 16.212 – Verwaltungsabkommen 16.91 – Verwaltungsratsvergütung 16.450 ff. s. auch Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütung – Verzichtsnorm 16.34 – virtuelle Doppelbesteuerung 16.9, 16.217 – Völkergewohnheitsrecht 16.76 – völkerrechtliche Theorie 16.57, 16.64 – völkerrechtlicher Vertrag 16.19 – Vorabverständigungsverfahren (APAs) 16.104 ff. s. auch Advanced Pricing Agreement – Wegzugsbesteuerung 16.192 – Wiederverkaufspreismethode 16.306, 16.309 – Wirksamwerden 16.19 ff. – wirtschaftliche Beziehungen 16.205 – Wohnsitzprinzip 16.171, 16.201, 16.229, 16.490 ff. – Wohnsitzstaat 16.443 ff. – Wohnsitzstaat, vorrangige Besteuerung 16.198 – Wohnstätte, ständige 16.204 – WÜRV 16.63, 16.67

1162

– Zins- und Lizenzrichtlinie 16.357 – Zinsbegriff 16.361 ff. – Zinsbesteuerungsabkommen 16.357 – Zinseinkünfte 16.356 ff. s. auch Zinsen – Zinsinformationsverordnung 16.357 – Zinsrichtlinie 16.357 – Zollausschlussgebiet 16.186 – Zubehör 16.225 – Zurechnungskonflikt 16.82 – Zustimmungsgesetz 16.20 – Zuteilungsnorm 16.34 – Zwölfmeilenzone 16.186 Doppelfreistellung 16.84, 16.132, 16.159 Doppelmaßnahme 16.343 Doppelstaatsangehörigkeit – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.17 Doppelte Nichtbesteuerung 12.10, 13.8, 16.552 Doppelwohnsitz 15.57 – Normen, kollisionsbegründende 2.4 – Steuerverstrickung 5.355 Dotationskapital – Betriebsstätte 18.19, 18.28, 18.41 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.276, 16.532 – Einkünftezuordnung 18.19, 18.38, 18.41 f. – Gewinnzuordnung 16.276 Dreiecksauskunft 19.96 Dreiecksverhältnis – Doppelbesteuerungsabkommen 16.43, 16.182 f., 16.367 – Teileinkünfteverfahren 5.93 – Umsatzsteuer 9.18 Drittstaat – Abkommen 16.42 ff. – Abspaltung 17.162 – andere Einkünfte 16.474 – Ansässigkeit 4.37, 5.71, 10.136, 10.144 f., 16.178 – Anrechnung 15.3, 15.58, 15.100 f. – Auskünfte 19.82, 19.96, 19.115, 19.117 – Belegenheitsprinzip 16.383 – Betriebsstättenvorbehalt 16.237, 16.327, 16.353 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.473 f., 16.490, 16.510 – Dreiecksverhältnisse 16.182, 16.197

Stichwortverzeichnis – Drittstaatenumwandlungen 17.3, 17.7 – elektronische Aufzeichnungen 19.42, 19.44 – Formwechsel, grenzüberschreitender 17.182 – Hereinverschmelzung 17.122, 17.138 – Hereinspaltung 17.160 – Hinausspaltung 17.159 – Hinausverschmelzung 17.87, 17.100, 17.108, 17.116 – Kapitalverkehrsfreiheit, Geltung 4.18, 4.37 – Lizenzgebühren 16.367 – Meistbegünstigungsklausel 16.11 – overall limitation 15.115 – Quellensteuer 15.131, 16.199, 16.367 – Steuer 15.101 – Steuerbefreiung 15.162, 15.164, 15.192 – Umsatzsteuer 9.19 – Umwandlung, grenzüberschreitend 17.72 f., 17.187, 17.189 f. – Veräußerungen 16.385, 16.399 – Verlustausgleichsbeschränkung 5.80 f., 5.85 – Verschmelzung 17.90, 17.192, 17.196, 17.198 ff. – Verstrickung 17.56 – Wegzugsbesteuerung 5.362, 5.385, 6.28, 6.31, 6.41 ff., 17.59 f., 17.87, 17.130 – Zuzug 17.130, 17.182 Drittstaatenumwandlungen 17.3, 17.7 Drittvergleich 18.13 s. auch dealing at arm’s-length-Prinzip Drittwirkung Grundrechte 4.13 Durchfuhr 9.63, 9.94 Durchgriff 10.16, 10.206 Durchgriffsbesteuerung 10.15 Durchlaufgesellschaft 16.176 Dynamische Verweisung – Doppelbesteuerungsabkommen 16.60, 16.338 Einkaufsgesellschaft 10.26 Ein- oder Verkaufsstelle 5.143 Effet utile 3.57 Eigengewerbliche Tätigkeit 16.236 Eigentumsgarantie 5.121, 11.4 Einbringung – grenzüberschreitende 17.3, 17.12, 17.25, 17.51, 17.58, 17.61, 17.71,

17.73, 17.76 ff., 17.82, 17.92 f. 17.95 f. 17.118, 17.123, 17.133 ff., 17.157, 17.162, 17.165, 17.175, 17.188 ff. 17.203 – Anteilsübertragung 17.84 ff., 17.114, 17.128 f., 17.188 – Fusionsrichtlinie 3.61, 3.63 – Körperschaftsteuer 15.78 – Veräußerungsgewinn 16.379 einbringungsgeborene Anteile 15.35, 17.48, 17.107 Einbringungsgewinn 17.53 f., 17.56, 17.58 ff., 17.172, 17.174 Einfuhr 3.93, 4.23 f., 4.26, 4.48, 9.3, 9.6, 9.8, 9.57 ff., 9.66, 9.74, 9.81, 9.93, 9.96, 9.101, 9.107 ff., 9.116 Einfuhrumsatzsteuer 3.87, 4.48, 9.3, 9.4, 9.9, 9.19 f., 9.57 f., 9.60, 9.66, 9.74, 9.91, 9.101, 9.108, 9.110, 9.113 ff., 9.116 Einheitsprinzip – Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten 18.24 Einigungsverfahren 16.118, 16.123 Einkaufsgewinn – Betriebsstätte 16.279 Einkommen, disponibles 18.1 Einkommensermittlung 15.116, 16.153, 18.101 Einkommensteuer 5.1 ff. – Anknüpfungspunkte 5.1 ff. – Ansässigkeitsprinzip 5.2 – beschränkte Steuerpflicht 5.99 ff., 16.425 s. auch Beschränkte Steuerpflicht – Doppelbesteuerung 16.540, 16.543, 16.553 – Einkünftezuordnung 18.7, 18.76 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.283 ff. s. auch Erweiterte beschränkte Steuerpflicht – erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht 5.37 ff. s. auch Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht – EU-Bedienstete 5.36 – fingierte unbeschränkte Steuerpflicht 5.40 ff. s. auch Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht – Formwechsel 17.211 – gewöhnlicher Aufenthalt 5.20 ff. s. auch Gewöhnlicher Aufenthalt – Globalprinzip 5.2 – Inland 5.28 ff. s. auch Inland – Nationalitätsprinzip 5.2 – NATO-Truppenstatut 5.34 f.

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Stichwortverzeichnis – objektives Nettoprinzip 5.69 – Progressionsvorbehalt 16.536, 16.539 – Quellenprinzip 5.2 – Steuerabzug 5.255 ff. – Steuerentstrickung 5.337 ff. – Steuerverstrickung 5.337 ff. – synthetische 5.300 – Territorialitätsprinzip 5.2 – Totalitätsprinzip 5.2 – unbeschränkte Steuerpflicht 5.9 ff. s. auch Unbeschränkte Steuerpflicht – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.1 ff. – Universalitätsprinzip 5.2 – Veranlagung 5.244 ff. – Verlustausgleich 5.69 ff. – Verlustausgleichsbeschränkung 5.69 ff. – Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht 5.337 ff. – Wegzugsbesteuerung 5.357 ff. – Welteinkommensprinzip 5.2, 5.53 ff., 5.181 f. – Wohnsitz 5.12 ff. – Wohnsitzprinzip 5.2 – Wohnung 5.14 ff. Einkünfte – Abgrenzung s. Einkünftezuordnung – andere 5.321, 16.233, 16.236 f., 16.376, 16.380, 16.387, 16.403, 16.473 ff., 17.68, 18.71 – ausländische 5.43, 5.81., 5.96, 5.129, 5.251, 15.2 f. 15.65 ff. – aus Bank- und Versicherungsgeschäften (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.82 ff. – Begriff, dualer 16.531 – Berichtigung 2.11, 3.75 ff., 16.83. 16.114 ff. 16.290 ff., 16.313 ff., 18.104 ff. s. auch Berichtigung von Einkünften – Dienstleistungen (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.95 ff. – Finanzierungstätigkeit (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.110 ff. – gemischte (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.10, 10.155 f., 10.177, 10.210, 10.228 – Gesellschaftsanteilen 16.330 ff., 16.337 ff., 16.402 ff. – Gewerbebetrieb 5.137 ff., 10.196 ff., 15.77 ff. s. auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb

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– Handelstätigkeit (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.88 ff. – industrieller Tätigkeit (Hinzurechnungsbesteuerung) 10.80 ff. – Kapitalanlagecharakter 2.20, 10.59 ff., 10.178 – Kapitalvermögen 10.191 ff., 15.97 s. auch Einkünfte aus Kapitalvermögen – Land- und Forstwirtschaft s. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft – nachträgliche 5.128, 5.203, 15.69, 15.76, 15.79, 16.215 – negative 5.69 ff., 5.79, 5.89., 5.122, 5.323, 10.182, 15.114, 16.238, 16.532, 16.537, 16.539 – nichtselbständige Arbeit s. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – aus öffentlichem Dienst 16.463 – aus passivem Erwerb 5.94, 5.316, 5.332, 10.6 ff., 10.30 ff., 10.72 ff., 10.201. 10.219, 10.230 – Qualifikation s. Einkünftequalifikation – selbständige Arbeit s. Einkünfte aus selbständiger Arbeit – sonstige 5.233 ff., 15.76, 15.83, 15.99, 16.218, 16.468 – Studenten 16.466 ff. – unbewegliches Vermögen 16.219 ff. s. auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen – Veräußerung s. Veräußerungsgewinn – Verlagerung 2.10 ff., 3.41, 5.285, 5.307, 10.2, 10.21, 10.24 ff. – Vermietung und Verpachtung s. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – Zuordnung s. Einkünftezuordnung Einkünfte aus Gewerbebetrieb – Beförderungsleistung 5.137, 5.160 ff. – Berufssportler 5.139 f. – beschränkte Steuerpflicht 5.137 ff. – Betriebsgemeinschaft, internationale 5.166 ff. – Betriebsstätte 5.137, 5.141 ff. – Darbietungen 5.169 ff. s. auch Darbietungen – Doppelbesteuerungsabkommen 16.229 ff. – Handelsvertreter 5.139 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.196 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – –

Körperschaftsteuer 6.17 ff. Poolabkommen 5.137, 5.166 ff. ständiger Vertreter 5.137, 5.154 ff. unilaterale Maßnahmen 15.77 ff. Unternehmensberater 5.139 Veräußerung 5.183 ff. Vermietung und Verpachtung 5.191 ff. Einkünfte aus Kapitalvermögen – Ausschüttung 10.199 ff. s. auch Ausschüttung – beschränkte Steuerpflicht 5.216 ff. – Betriebsstätte 5.216 – Dividende 16.331 s. auch Dividende – Doppelbesteuerung 15.97 – Festgeldanlage 5.220 – Genussrecht 5.218 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.191 ff. – Hypothek 5.219 – inländische Ansässigkeit 5.217 – Investmentertrag 5.218 – Kapitalanteilsveräußerung 5.216 – Kapitalertragsteuer 5.218, 5.222 – Körperschaftsteuer 6.20 – Quellensteuer 5.223 – Sparbuch 5.220 – Subsidiaritätsklausel 5.216 – Tafelgeschäft 5.218 – Überbesteuerung 5.222 – Veräußerungsgewinne 5.220 – Zinsen 5.217 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft – Belegenheitsprinzip 5.135 – beschränkte Steuerpflicht 5.135 f. – Doppelbesteuerung 15.75, 16.227 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.79 – Veräußerung 10.79 – Verlustausgleichbeschränkung 5.80 Einkünfte aus nichtselbständiger (unselbständiger) Arbeit – 183 Tage-Regelung 16.429 – Abfindung 16.423 – ähnliche Vergütung 16.422 – Arbeitgeber 16.436 – Arbeitgeber, im Tätigkeitsstaat ansässig 16.434, 16.437 – Arbeitsortprinzip 5.209, 16.419, 16.439 – Auslandstätigkeitserlass 5.209 – Ausübung 5.205 – Besatzungsmitglied 16.442 – beschränkte Steuerpflicht 5.205 ff.

– Doppelbesteuerungsabkommen 16.419 ff. – Entlassungsentschädigung 5.212 – Gastprofessor 16.447 – Gehalt 16.422 – geschäftsführende Tätigkeit 16.427 – Geschäftsführer 5.211 – Grenzgänger 5.214, 16.447 – Kassenprinzip 5.210 – Konkurrenzverbot 16.428 – Lohn 16.422 – Ort der Geschäftsleitung 16.420, 16.439 ff. – Prokurist 5.211 – Sachbezüge 16.422 – Sich-zur-Verfügung-halten 16.428 – stock options 5.206, 16.422 – Studentenpraktikant 16.447 – subject-to-tax-Klausel 16.441 – Tantieme 5.206 – Tätigkeit, Verwertung 16.425 – Tätigkeitsort 16.424 ff. – treaty overriding 5.14 – Verwertung 5.205, 5.208 – Vorstandsmitglied 5.211 – vorübergehende Tätigkeit 16.449 – Weisungen 16.427 – Wettbewerbsverbot 16.428 – Wohnsitzprinzip 16.419, 16.443 – Zuteilungsnormen DBA 5.214 Einkünfte aus selbständiger Arbeit – Anknüpfungspunkte 5.197 – Arbeitsortsprinzip 16.406, 16.416 – Aufsichtsratsvergütung 16.408 – Ausübung 5.199, 16.412, 16.415 – Ausübungsprinzip 16.415 – beschränkte Steuerpflicht 5.197 ff. – Betriebsstätte 5.202 – Betriebsstättenprinzip 16.412 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.404 ff. – Einordnung 16.410 f. – Einrichtung, feste 5.202, 16.405, 16.412, 16.416 – freiberufliche Tätigkeit 16.410 – Haupttätigkeit 16.415 – Künstler 16.408 – Lizenzgebühren 16.408 – nachträglich erzielte 5.203 – sonstige selbständige Tätigkeit 16.411 – Sportler 16.408 – Tätigkeitsortsprinzip 16.413 – Verfügungsgewalt 16.417 – Verwaltungsratsvergütung 16.408

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Stichwortverzeichnis – Verwertung 5.200 – Wohnsitzstaat 16.405 – Zurechnungsprinzip 16.415 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen – Begriffsabgrenzung 16.224 – Belegenheitsprinzip 16.220 – Belegenheitsstaat 16.222 – Grundstück 16.225 – Qualifikationsverweisung 16.225 – Steuerberechtigung Quellenstaat 16.219 – Steuerfreistellung 16.219 – Vermietung oder Verpachtung 16.227 s. auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – Zubehör 16.225 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – Belegenheitsprinzip 5.226 – beschränkte Steuerpflicht 5.224 ff. – Betriebsstätte 5.226, 5.229 – bilaterale Maßnahmen 16.218 – Bruttobesteuerung 5.231 – Doppelbesteuerung 15.76, 15.83, 15.90, 15.98 – Einrichtung, andere 5.229 – gewerbliches Schutzrecht 5.195 – Gewerblichkeitsfiktion 5.191 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.102 ff. – Know-how 5.230 – Lizenzeinkünfte 5.232 – Rechteüberlassung 5.230 – Sachinbegriffe 5.232 – Subsidiaritätsklausel 5.225 – Transferentschädigung 5.230 – Urheberrecht 5.195 – Veräußerung 5.191 ff. – Verlustausgleichbeschränkung bei unbeweglichem Vermögen 5.84 – Vermietung 5.191 ff. – Verpachtung 5.191 ff. – Verwertungstatbestand 5.228 Einkünfteberichtigung s. Berichtigung von Einkünften Einkünftekorrekturnormen – Einkünftekorrektur nach § 1 AStG 18.104 ff. s. auch Berichtigung von Einkünften – Konkurrenzverhältnis 18.81 – self-executing-Wirkung 18.80 – verdeckte Einlage 18.81 – verdeckte Gewinnausschüttung 18.81, 18.82 ff.

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Einkünftequalifikation – Dividende 16.331 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.236, 16.331 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.74 ff., 10.191 ff – isolierende Betrachtungsweise 5.100 – Unternehmensgewinn 16.236 Einkünfteverlagerung – Basisgesellschaft 10.26 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.285 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.2 – Vermeidungsnormen 2.13 Einkünftezuordnung 18.1 ff. – Anlagevermögen 18.48 ff. – Attraktionsprinzip 18.34 – Aufwandszuordnung 18.38 ff. – Aufwendungen, nachträgliche 18.37 – Aufwendungen, vergebliche 18.36 – Aufwendungen, vorbereitende 18.35 – Außenaufwand 18.32 – Ausgleichsposten, steuerlicher 18.27, 18.50 – Bau- und Montagebetriebsstätte 18.64 f. – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.104 ff. s. auch Berichtigung von Einkünften – Betriebsstätte 18.9 ff. – Betriebsstättenbuchführung 18.23 – Buchführung, elektronische 18.21 – dealing at arm’s length-Prinzip 18.13, 18.24, 18.48, 18.57, 18.106, 18.125 – Dienstleistungen 18.45, 18.158 ff. s. auch Dienstleistungen – direkte Methode 18.23 – Dotationskapital 18.19, 18.38, 18.41 f. – Einheitsprinzip 18.24 – Einkommen, disponibles 18.1 – Einkünfteabgrenzung 18.5 – Einkünfteermittlung 18.3, 18.17 – Einkünftekorrektur 18.6 – Einkunftsartenzuordnung 18.2 – Einnahmen, nachträgliche 18.37 – Entstrickung 18.26 f., 18.48 ff. s. auch Entstrickung – Ertragszuordnung 18.48 ff. – Erwirtschaftungsprinzip 18.34 – Finanzierungsleistungen 18.174 ff. s. auch Finanzierungsleistungen

Stichwortverzeichnis – Finanzmittel, Überlassung 18.38 ff. – Forschungs- und Entwicklungskosten 18.44 – Forschungsleistungen 18.181 ff. s. auch Forschungsleistungen – Fremdkapital 18.40 – Fremdwährung 18.19 – functionally separate entity approach 18.26 – Funktionsverlagerung 18.42, 18.48, 18.56, 18.144 ff. s. auch Funktionsverlagerung – Geschäftschancen 18.56 – Geschäftsführungskosten 18.46 f. – Geschäftsleitungsbetriebsstätte 18.61 ff. – Gewinnermittlung, zweistufig 18.3 – Gewinnrealisierung 18.56, 18.66, 18.77 – grenzüberschreitender Leistungstransfer 18.80 – Holding, geschäftsleitende 18.62 – Imparitätsprinzip 18.19 – indirekte Methode 18.23 – Innentransaktion 18.27, 18.31 – Insich-Geschäft 18.25 – Ist-Soll-Vergleich 18.125 – Kapitalgesellschaft 18.80 ff. – Kapitalspiegeltheorie 18.41 – Kapitalverkehrsfreiheit 18.28 – Kommissionär 18.58 – Kontroll- und Koordinierungsstelle 18.45 – Kontrollkosten 18.45 – Konzern 18.80 – Korrekturmaßstäbe 18.125 ff. – Korrekturregeln 18.82 ff. – Kostenaufschlagsmethode 18.65 – Leistungsfähigkeitsprinzip 18.1 – Methoden 18.23 ff. – Mitunternehmerkonzept 18.66 – Niederlassungsfreiheit 18.28 – Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern 18.42 ff. – objektives Nettoprinzip 18.1 – Personengesellschaft 18.66 ff. – Regelungshomogenität 18.16 – Regiekosten 18.45 – SCE 18.29 – SE 18.29 – Selbständigkeitsfiktion 18.25 – Sofortversteuerung 18.26, 18.28, 18.48, 18.54 – Sondervergütung 18.70 – ständiger Vertreter 18.57

– – – – – – – – –

subjektives Nettoprinzip 18.1 Territorialitätsprinzip 18.1 treaty overriding 18.30 Transparenzprinzip 18.66, 18.125 Trennungsprinzip 18.24 Turnkey-Projekt 18.64 Veranlassungsprinzip 18.34 verdeckte Einlage 18.95 ff. verdeckte Gewinnausschüttung 18.82 ff. – Vermögenszuordnung 18.9 – Verrechnungspreise 18.126, 18.127 ff. s. auch Verrechnungspreise – Verrechnungspreismethoden 18.134 ff. – Verständigungsverfahren 18.16 – Verstrickung 18.53 – Verteilungsgerechtigkeit 18.58 – Vertreterbetriebsstätte 18.57 ff. – Verzögerungsgeld 18.21 – Vorabverständigungsverfahren 18.188 ff. s. auch Advanced Pricing Agreements – Vorauseinnahmen 18.35 – Währungsgewinn 18.19 – Währungsverlust 18.19 – Warenlieferungen 18.54 f., 18.149 ff. s. auch Warenlieferung – Welteinkommensprinzip 18.1 – Zeitbezugsverfahren 18.19 – Zentralfunktion des Stammhauses 17.87, 17.152, 17.155, 18.61 f. – Zinsen 18.40 – Zuordnungsdivergenz 18.16 Einlage 5.367, 5.372 ff., 6.50, 15.178, 16.343, 17.34, 18.3, 18.6, 18.30, 18.42, 18.53, 18.80 ff., 18.138, 19.50 – Einlagekonto 5.218, 5.353, 10.117, 15.33, 16.344 – fiktive 5.353, 6.50 f., 17.33 – Rückzahlung 15.28, 15.158, 15.179, 16.342, 16.344 f. – Sacheinlage 17.51, 1758 – verdeckte 5.187, 5.194, 10.120, 16.304, 16.314, 18.83. 18.86, 18.89 f., 18.95 ff., 18.119, 18.125, 18.138 s. auch Verdeckte Einlage – Wiedereinlage 16.343 Einlagenrückzahlung 16.344 Einnahme-Überschussrechnung 5.195, 18.3, 18.22 Einnahmen – nachträgliche 5.128, 5203, 15.69, 15.76, 15.79, 16.215 Einpendler 5.122 s. auch Grenzgänger

1167

Stichwortverzeichnis Einrichtung, feste 5.128, 5203, 15.69, 15.76, 15.79, 16.215 Einvernehmen, gegenseitiges 16.89, 16.108, 16.121, 16.208 Einzelabrechnung – Verrechnungspreise 18.161, 18.164 f., 18.170 f., 18.173, 18.184 Eisenbahnverkehr 9.91 f., 9.100 Empfängerbenennung – Betriebsausgabenabzug 19.45 ff. elektronische Aufzeichnungen 19.42, 19.44 Empfehlungen der EU 3.18 Energiesteuerrichtlinie 3.92 Enkelgesellschaft, ausländische 15.219, 15.238 ff., 16.298 Entgeltsprinzip 18.26, 18.45 Entlassungsentschädigung 5.212 Entlastungsbetrag 5.248 Entnahme – Entstrickungsentnahme 18.27, 18.56 – fiktive Entnahme 5.345, 17.9 – finale Entnahme s. Theorie der finalen Entnahme – Gegenstandsentnahmen 9.28 ff. – Nutzungsentnahmen 9.55 – Umwandlungssteuerrecht 17.9 – Verlustausgleichbeschränkung 5.82 Entstrickung 18.26, 18.48 ff. – Entnahme 18.27, 18.56 – objektbezogene 18.27 – subjektbezogene 18.27 Entstrickungskonzeption 5.346, 5.348 Entwicklungskosten 15.72, 18.44, 18.184 Entwicklungsländer 2.21, 16.4, 16.12, 16.16, 16.231, 16.254, 16.369, 16.566 Entwicklungsländer-Schachtelprivileg 16.324 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.1 ff., 15.146 ff., 15.243 ff. – Abwanderer 7.22 ff. – Anknüpfungspunkte 7.1 ff. – atypische stille Beteiligung 7.46 – Auffangklausel 16.510 – ausländische 5.370, 7.66 – Auslandsbediensteter 7.25 – Auswanderer 7.60 – begünstigtes Vermögen 7.27 – Belegenheitsprinzip 16.501 – Belegenheitsstaat 16.501 ff. – beschränkte Steuerpflicht 7.7, 7.31 ff. – Betriebsstättenprinzip 16.506

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– Betriebsstättenstaat 16.505 ff. – Betriebsvermögen 7.36 f. – Betriebsvermögen, bewegliches 16.501 – Bewertung Inlandsvermögen 7.50 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.493 ff. – Doppelstaatsangehörigkeit 7.17 – Erbanfallsteuer 7.1, 15.249, 16.498 – Erbnachlasssteuer 16.498 – Erbschaftsteuerabkommen 15.246, 16.493 ff. – Ermittlung Inlandsvermögen 7.50 ff. – Ersatzerbschaftsteuerpflicht 7.29, 16.498 – Ertragswertverfahren 7.35, 7.37, 7.40 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 7.53 ff. – erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht 7.12, 7.22 ff. – Erwerb von Todes wegen 7.14 – Familienstiftung 7.7 f., 7.14 – Familienverein 7.14 – Forderung, grundpfandrechtlich gesichert 7.43 ff. – Forderung, stille Beteiligung 7.46 ff. – Forderung, partiarische Darlehen 7.46 ff. – Gebrauchsmuster 7.41 – gemeiner Wert 7.34 ff. – Grundvermögen 7.35 – Heimatrecht 7.17 – Inlandsvermögen 7.32 ff. – Inlandsvermögen, erweitertes 7.62 ff. – internationales Erbrecht 7.17 – internationales Privatrecht 7.17 – isolierende Betrachtungsweise 7.33 – Kapitalgesellschaftsbeteiligung 7.38 ff. – Land- und forstwirtschaftliches Vermögen 7.34 – Lasten 7.50 – Luftfahrzeug 16.509 – Nachlasssteuer 7.2 – Nationalitätsprinzip 7.12 – Nettoprinzip 7.27, 7.50, 16.4979 – Niedrigsteuerland 7.60, 7.66 – Nießbrauch 7.49 – Numerus clausus 7.32 – Nutzungsrecht 7.49 – Objektqualifikation 7.14 ff.

Stichwortverzeichnis – Patent 7.41 – partiarisches Darlehen 7.47 – Qualifizierung Inlandsvermögen 7.33 ff. – Schenkung 7.14 – Schenkungsteuer 16.498 – Schulden 7.50 – Schuldenabzug 16.499 – Schuldstatut 7.17 – Seeschiff 16.509 – Staatsangehörigkeit 7.12, 7.24 – Territorialitätsprinzip 7.7 – Trust 7.18 – typische stille Beteiligung 7.46 – unbeschränkte Steuerpflicht 7.3, 7.8 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.243 ff. – Vergleichswertverfahren 7.35 – vermietete und verpachtete Wirtschaftsgüter 7.42 – Vermögensanfall 7.1, 7.26 – Vermögensverlagerung 7.55 – Verschonungsabschlag 7.27, 7.35 – Weltvermögensprinzip 7.6, 7.8, 7.26 ff. – Wirtschaftsgüter 7.42 – Wohnsitzprinzip 7.10, 16.510 – Wohnsitzstaat 16.510 f. – Wohnsitzverlegung 7.22 – Zivilrecht, Bindung 7.15 – Zweckzuwendung 7.14 – zwischengeschaltete Auslandsgesellschaft 7.65 Erbschaftsteuerabkommen 15.246, 16.493 ff. – persönlichen Geltungsbereich 16.496 – räumlichen Geltungsbereich 16.497 – sachlichen Geltungsbereich 16.497 ff. Erfindung 7.41 f., 7.63, 16.415 Ergänzungsabgabe 5.304 Erlassmethode – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.38 f. – unilaterale Maßnahme 15.10 Ermessen – APA 16.106 – Inanspruchnahme 5.274 – Steuerabzug 5.271 – Steuererlass, Steuerpauschalierung 15.137 – Verständigungsverfahren 16.101

Ersatzerbschaftsteuerpflicht 7.29, 16.498 Erstattungsverfahren – Doppelbesteuerungsabkommen, Steuerumgehung 16.152 – Körperschaftsteuer 6.27 – Lizenzgebühren 16.377 – Steuerabzug 5.276 Erstberichtigung – Bandbreiten 16.308 – Betriebsvergleich, innerer und äußerer 16.309 – Dokumentationspflicht 16.308 – Doppelbesteuerung 16.295 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.295 ff. – finanzielle Beziehungen 16.299 – Fremdvergleich 16.297, 16.299, 16.304 – Funktionsanalyse 16.302 – Gewinnkorrektur 16.312 – Gewinnminderung 16.297, 16.313 – Gewinnaufteilungsmethode 16.312 – Gewinnvergleichsmethode 16.312 – innerbetrieblicher Vergleich 16.303 – Ist-Soll-Vergleich 16.300 – kaufmännische Beziehungen 16.299 – Kostenaufschlagsmethode 16.306, 16.310 – Kostenumlage 16.312 – Mutter- und Enkelgesellschaft 16.298 – Mutter- und Tochtergesellschaft 16.298 – Nettomargenmethode 16.312 – ordentlicher Geschäftsleiter 16.304 – ordentlicher Geschäftsleiter, doppelter 16.305 – Preisvergleichsmethode 16.306 f., 16.310 – Schwestergesellschaft 16.298 – Spannenrückrechnung 16.309 – Standardmethoden 16.306 – verbundenes Unternehmen 16.297 – Vergleichbarkeit, direkte und indirekte 16.301 f. – Verteilungsgerechtigkeit 16.314 – Vorteilsausgleich 16.313 f. – Wiederverkaufspreismethode 16.306, 16.309 – Zuordnung Steuergüter 16.313 – zwischenbetrieblicher Vergleich 16.303 Ertragswertverfahren 7.35, 7.37, 7.40

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Stichwortverzeichnis Ertragszuordnung 18.48 ff. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht – Abgeltungswirkung 5.283, 5.327 – Ansässigkeit im Ausland 5.296 f. – Auswanderer 5.296 – Belastungsvergleich, abstrakt 5.299 – Belastungsvergleich, konkret 5.303 – Bruttobesteuerung 5.288 – deutsche Staatsangehörigkeit 5.291 ff. – Einkommensteuer 5.283 ff. – Einkünfteverlagerung 5.285 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.53 ff. – erweiterte Inlandseinkünfte 5.283, 5.323, 5.332 – floating income 5.322 – frühere unbeschränkte Steuerpflicht 5.294 f. – Hinzurechnungsbesteuerung 5.331, 5.336 – Inlandsinteressen 5.306, 5.308 ff., 5.316 ff. – Mindeststeuer 5.324 ff. – nichtsausländische Einkünfte 5.314, 5.319 – Niedrigbesteuerung 5.283, 5.296, 5.298 ff., 5.334 – persönliche Voraussetzungen 5.291 ff. – Progressionsvorbehalt 5.325 – Rechtsfolgen 5.318 ff. – sachliche Voraussetzungen 5.306 ff. – Schattenveranlagung 5.303 ff., 5.329 – Splittingtarif 5.329 – Vermögen 5.315 – Vollprogression 5.324 ff. – Vorzugsbesteuerung 5.301 – Zurechnungsbesteuerung 5.336 – zwischengeschaltete Auslandsgesellschaft 5.330 ff. – Zwischeneinkünfte 5.335 – Zwischengesellschaft 5.316 f. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht – Berufskonsul 5.39 – Diplomat 5.39 – Einkommensteuer 5.37 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.22 ff. Erwerb – innergemeinschaftlicher 9.11, 9.61 ff., 9.71 f., 9.106 – von Todes wegen 5.367, 5.370, 5.373, 7.14, 15.14

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Erwerbsschwelle 9.67.9.69 Erwerbsteuer 9.3 f., 9.16, 9.59, 9.68, 9.70 ff., 9.86, 9.88 Erwirtschaftungsprinzip 16.269, 16.273, 16.276, 18.34 EU s. Unionsrecht EU-Bedienstete 5.36 EuGH – Auslegungskompetenz 3.34, 3.50 ff. – gesetzlicher Richter 3.36 – implied powers-Doktrin 3.40 – Kontrollmonopol 3.50 – Solange-Rspr. des BVerfG 3.39 f. – Vorabentscheidungsverfahren 3.50 – Vorlageverfahren 3.35 Europäischer Wirtschaftsraum – Abkommen 4.42 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 4.27 – Diskriminierungsverbot 4.41 ff., 5.125 – fingierte unbeschränkte Steuerpflicht 5.48 – Hereinverschmelzung 17.117 – Hinausverschmelzung 17.100, 17.133 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.136 – Wegzug 5.383 ff., 6.32 ff., 17.87 Europäisches Steuerrecht 1.7, 3.15 ff., 3.44 ff. s. auch Unionsrecht – Arbeitnehmerfreizügigkeit 3.20 – Auslegung 3.36, 3.50 ff. – Beschluss 3.18, 3.48 – Bilanzrichtlinie 3.79 ff. – Binnenmarktrichtlinie 3.91 – Dienstleistungsfreiheit 3.20 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.41 ff. – Empfehlungen 3.18 – Energiesteuerrichtlinie 3.92 – Fusionsrichtlinie 3.61 ff. – Grundfreiheiten 3.20 – Grundrechtsschranke 3.39, 3.41 – Harmonisierung 3.58 ff. s. auch Harmonisierung in der EU – IFRS-Verordnung 3.82 – Kapitalverkehrsfreiheit 3.20 – Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 3.85 – Mutter-Tochter-Richtlinie 3.65 ff. – Niederlassungsfreiheit 3.20 – Normenhierarchie 3.28 ff. – primäres Unionsrecht 3.20 – Richtlinien 1.7, 3.16, 3.46 s. auch Richtlinien der EU

Stichwortverzeichnis – Schiedsverfahrenskonvention 3.74 ff. s. auch Schiedsverfahrenskonvention – sekundäres Unionsrecht 3.15 ff. – Stellungnahme 3.18, 3.48 – Systemrichtlinie 3.92 ff. – Umsatzsteuer-Richtlinie 3.86 ff. – Verbrauchsteuer-Richtlinie 3.92 ff. – Verordnung 3.17, 3.45 s. auch Verordnungen der EU – völkerrechtliche Vereinbarung 3.49 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff. s. auch Zins- und Lizenzrichtlinie – Zinsrichtlinie 3.72 f. s. auch Zinsrichtlinie EWR s. Europäischer Wirtschaftsraum Export – Barriere 4.48 – Förderung 5.97, 15.133, 15.141, 16.279 – Kapitalexport(-neutralität) 14.17, 14.19, 14.21, 14.29, 14.34, 15.4, 15.122, 15.195, 16.15, 16.231, 16.514 – sonstiger Leistungen 9.38 – von Waren 9.5, 9.91, 18.156 – Umsatzsteuerbefreiung 9.3, 9.16, 9.60, 9.97 ff., 9.103 Extraterritoriale Besteuerung, Verbot 16.353 ff. Fabrikationsstätte 5.143, 16.253 Factoring 10.83 Fahrzeug – neues 9.71, 9.86, 9.116 Familienstiftung 11.1 ff. – Abschottungswirkung 11.1 – Anfallsberechtigter 11.2, 11.11, 11.17, 11.26 – Anwartschaft 11.26 – Anwendungsbereich 11.10 ff. – Bezugsberechtigter 11.2, 11.11, 11.17, 11.26 – Destinatäre 11.9, 11.25 ff. – Einkommen, zuzurechnendes 11.5, 11.27, 11.32 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.7 f., 7.14 – stand still-Klausel 11.7 – Stifter 11.2, 11.9, 11.19 ff. – Stiftungskapital 11.19 – treaty overriding 11.6 – Trust 11.14 – Unternehmensstiftung 11.13 – Verlustrücktrag 11.16

– Verlustvortrag 11.16 – Vermeidungsnorm 2.12 – Vermögensmasse 11.14 – Zufallsdestinatäre 11.18 – Zurechnungsempfänger 11.17 ff. – Zurechnungsgegenstand 11.15 f. – Zweckvermögen 11.14 Familienverein – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.14 Feste Einrichtung 5.128, 5203, 15.69, 15.76, 15.79, 16.215 Festlandsockel 5.31, 16.186 Fiktive Steuern 16.566 ff. Finale Betriebsaufgabe s. Theorie der finalen Betriebsaufgabe Finale Entnahme s. Theorie der finalen Entnahme Feststellungsklage 19.61 Finanzdienstleistungsgesellschaft 10.63 Finanzdienstleistungsinstitut 15.162, 15.186 Finanzierungsgesellschaft – Abkommensmissbrauch 16.131 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.26, 10.142 Finanzierungsleistung – Bürgschaft 18.179 – Habenzins 18.176 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.110 ff. – Patronatserklärung 18.179 – Preisvergleichsmethode 18.175 – Rückhalt im Konzern 18.179 – Sollzinsen 18.175 – Verrechnungspreise 18.174 ff. – Währungsrisiko 18.177 – Warenkredit 18.178 – Zinsbänder 18.176 Finanzrecht, internationales s. Internationales Finanzrecht Finanzmittel – Überlassung 18.38 ff. Finanzzwecknorm 4.10 Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht – EWR-Staatsangehöriger 5.48 – familienstandsbezogene Steuerermäßigung 5.47 ff. – Gleichheitssatz 5.51 – Grenzpendler 5.40 ff. – Unionsbürger 5.48 Firmenwert 16.358, 17.102, 18.144 Fiskalimmunität 5.62 ff. Fiskalzwecknorm 2.1

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Stichwortverzeichnis – Gleichheitssatz 4.10 Flagge 16.287 – deutsche 5.33, 16.186 Floating income – Doppelbesteuerungsabkommen 16.265 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.322 Folgerichtigkeitsgebot 4.7 Formwechsel 6.28 ff., 16.386 f., 16.389 – andere Einkünfte 16.474 – Drittstaat 17.182 – grenzüberschreitender 17.182 ff. – Grundfreiheiten 17.182 – identitätswahrender 10.130 – Mitunternehmerkonzeption 17.184 – Ort der Geschäftsleitung 17.182 – Satzungssitz 17.182 – Sitztheorie 17.182 – Sitzverlegung 17.182 – Sitzverlegung, identitätswahrende 17.185 – Sitzverlegung, Kapitalgesellschaft 17.183 – Sitzverlegung, Personengesellschaft 17.184 – Subjektsqualifikation 17.184 – Verstrickung 17.186 – Wegzug 17.182 – Zentralfunktion der Geschäftsleitungsbetriebsstätte 17.186 – Zuordnungswechsel, Wirtschaftsgüter 17.186 – Zuzug 17.182 Forschungs- und Entwicklungskosten 18.44 Forschungsleistungen – Einzelabrechnung 18.184 – grenzüberschreitender Technologietransfer 18.181 – Know-how 18.181 – Konzernmarke 18.185 – Kostenaufschlagsmethode 18.181 – Lizenzgebühr 18.182 – Lizenzkartei 18.187 – Patent 18.181 – Preisvergleichsmethode 18.181 – Umlage 18.184 Freiberufliche Tätigkeit 16.410 s. auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit Freigrenze – § 9 AStG 2.25, 2.28 – gemischte Einkünfte 10.10, 10.155 ff.

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Freihafen 9.8, 9.26 f., 9.54, 9.63, 9.77, 9.92 Freihafenlagerung 9.27, 9.92 Freihafen-Veredelungsverkehr 9.27 Freistellungsbescheinigung 5.276, 5.278 f., 16.152 Freistellungsmethode – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.22 ff., 16.521 ff. – unilaterale Maßnahme 15.1 f. – Unternehmensgewinn 16.230 Freistellungsverfahren 5.277 ff. Freizügigkeitsrecht s. Grundfreiheiten Fremdenrecht – völkerrechtliches 4.1 Fremdkapital – Betriebsstätte 18.40 f., 18.174 – Zuordnung 16.276, 16.488 Fremdvergleich s. auch dealing at arm’s length – Bürgschaftsprovision 18.179 – Dienstleistungen 18.158, 18.163 – Einkünftezuordnung 10.146, 16.287 f., 16.293 – Einzelabrechnung 18.170, 18.174 – Erstberichtigung 16.297, 16.299. 16.318 – Finanzierungsleistungen 18.174 ff. – hypothetischer 16.304, 18.105, 18.144, 18.146, 18.148, 18.182 – Ist-Soll-Vergleich 16.300 – Maßstab 16.290, 16.292, 16.436, 18.81, 18.125, 18.147, 18.152 – Methode 16.306. 16.311 f., 18.84, 18.134, 18.136 f. 18.166 – Nettomargenmethode 18.141 – ordentlicher Geschäftsleiter 18.95, 18.104, – tatsächlicher 16.304, 18.108 – transaktionsbezogener 18.117 – Verrechnungspreise 18.127 ff., 19.29, 19.31 Fremdwährung 18.19 Fremdwährungsverlust 15.71 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.532 Full credit 14.29 Functionally separate entity approach 18.26 Funktionale Betrachtungsweise 16.516 Funktionsanalyse 19.28 Funktionsholding 15.238 Funktionsprivileg 10.232

Stichwortverzeichnis Funktionsverlagerung – Anpassungsklausel 18.148 – Einigungsbereich 18.146 – Einzelbewertung 18.147 f. – Fremdvergleich, hypothetischer 18.144 – Funktionsabschmelzung 18.145 – Funktionsabspaltung 18.145 – Funktionsanalyse 18.146 – Funktionsausgliederung 18.145 – Funktionsverdoppelung 18.145 – Gesamtbewertung 18.146 – immaterielles Wirtschaftsgut, wesentliches 18.147 f. – Standortvorteil im Ausland 18.146 – Transferpaket 18.146 Fusionsrichtlinie 3.61 ff. – Doppelbesteuerung 14.6 – EU-Kapitalgesellschaft 3.63 – Harmonisierung in der EU 3.61 ff. – SEStEG 3.61 – Sitzverlegung, grenzüberschreitende 3.62 – Spaltung, grenzüberschreitende 3.62 – Steuerneutralität 3.62 – stille Reserven 3.62 – Verschmelzung, grenzüberschreitende 3.62 Gasspeicher 5.144 Gastprofessor 16.447 GATS 4.49 GATT – Diskriminierungsverbote 4.48 f. – Exportbarriere 4.48 – Importbarriere 4.48 – Verbauchsteuer 4.48 Gebrauchsmuster 7.41 Gebhard-Formel 4.21 Gebietshoheit 13.1 Gegenberichtigung – Doppelbesteuerung 16.316 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.316 ff. – Konsultationsverfahren 16.320 – Schiedsklausel 16.320 – Schiedsverfahrenskonvention 16.320 – Sekundärberichtigung 16.322 – Verständigungsverfahren 16.320 Gehalt 16.422 Gehör, rechtliches 19.66

Geltungsbereich von Doppelbesteuerungsabkommen – persönlicher 16.169 ff., 16.494, 16.496 – räumlicher 16.184 ff., 16.494, 16.497 – sachlicher 16.189 ff., 16.494, 16.497 Gemeinderecht 3.43 Gemeiner Wert – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.34 ff. – Hereinverschmelzung 17.97 – Hinausverschmelzung 17.105 – Steuerentstrickung 3.348 – Steuerverstrickung 5.353, 6.50 f. – Umwandlung, inländische mit Auslandsbezug 17.27, 17.56 – Wegzugsbesteuerung 5.377 Genussaktie 16.330 Genussrecht – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.218 – Dividende 16.337 Genussschein 16.330 Geschäftsbetrieb 4.30, 6.3, 6.27, 8.6 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.26 f., 10.83, 10.93 f., 10.101, 10.109 Geschäftschancen 18.56 Geschäftseinrichtung – Betriebsstätte 5.142, 5.144, 5.146, 5.229, 10.142, 15.193, 16.254, 16.259, 16.261, 16.416 f. – feste 16.242 – ständiger Vertreter 5.154 Geschäftsführende Tätigkeit 16.427 Geschäftsführer 5.211 Geschäftsführungskosten 18.46 f. Geschäftsleitungsbetriebsstätte 18.61 ff. Geschäftsleitungsort 5.143 – Betriebsstätte 16.250 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.420, 16.439 ff., 16.489 – Einkünftezuordnung 18.61 ff. – Formwechsel, grenzüberschreitender 17.182 – Geschäftsleitungsbetriebsstätte 18.61 ff. – Körperschaftsteuer 6.2 f., 6.7 – Luftfahrt 16.281, 16.286 – Schiffe 16.281, 16.286 – Unternehmensgewinn 16.250

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Stichwortverzeichnis – Vermögen 16.489 Geschäftsstelle 5.143, 16.252 Gesellschaftsanteil 16.330 Gesellschaftsanteil, verbriefter 16.330 Gesetzmäßigkeit der Besteuerung 3.2 Gestaltungsmissbrauch s. Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten Gewalt, vollziehende 3.2 Gewerbebetrieb s. Einkünfte aus Gewerbebetrieb Gewerbesteuer 8.1 ff. – Äquivalenzprinzip 8.1 – Betriebsaufspaltung 8.8 – bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 16.190, 16.201, 16.533, 16.545, 16.553 f. – Gewerbebetrieb 8.3 – Gewerbeertrag 8.12 – Gewerbesteuermessbetrag 8.12 – Inland 8.3, 8.10 – Inlandsbesteuerung 8.12 – isolierende Betrachtungsweise 8.8 – Kapitalgesellschaft 8.6 – Objektsteuer 8.1 – Organschaft 8.9 – örtliche Anknüpfung 8.1 – Pauschbetragsfestsetzung 8.13 – Personengesellschaft ausländischen Rechts 8.5 – rechtsformabhängiger Betrieb 8.6 – rechtsformunabhängiger Betrieb 8.4 – Steuerobjekt 8.3 ff. – Steuersubjekt 8.11 – Territorialitätsprinzip 8.1 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.39, 15.50, 15.124, 15.161, 15.206, 15.212, 15.217 ff. gewerbliches Schutzrecht 5.195 Gewerblichkeitsfiktion 5.191 Gewinn – Betriebsstätte 16.239 ff. – Realisierung 5.345 ff. – Steuerentstrickung 5.345 ff. Gewinnabgrenzung – Doppelbesteuerung 16.290 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.289 ff. – Erstberichtigung 16.290, 16.295 ff. s. auch Erstberichtigung – Gegenberichtigung 16.290, 16.316 ff. s. auch Gegenberichtigung

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– Sekundärberichtigung s. Berichtigung von Einkünften – self executing-Wirkung 16.291 – Subsidiarität 16.294 – verbundenes Unternehmen 16.289 ff. Gewinnabführungsvertrag 6.13, 8.9, 10.117, 16.536 Gewinnanteil 5.202, 5.310, 5.312, 7.46, 8.12, 10.12, 10.117, 15.59, 15.81, 15.156, 15.226, -15.233 ff., 15.241 ff., 15.295, 18.74, 18.76, 18.109 Gewinnaufteilungsmethode 16.312, 18.129, 18.140, 18.142 Gewinnausschüttung – Hinzurechnungsbesteuerung 10.116 f. – unilaterale Maßnahmen 15.40 ff. – verdeckte s. Verdeckte Gewinnausschüttung Gewinnberichtigung – bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 14.4, 16.292, 16.307, 16.313 – Einkünftezuordnung 18.108 – Schiedsverfahrenskonvention 3.74, 3.76, 16.114 – Verständigung 19.96 – Verteilungsnormen 16.232 Gewinnermittlung – zweistufige 18.3 Gewinnrealisierung – Abspaltung 17.149, 17.166 – Anteilstausch 17.152, 17.155 f., 17.162 f., 17.82, 17.87 f., 17.153 – ausländische Betriebsstätte 15.34, 17.171, 17.177, 17.186, 18.48, 18.50, 18.62 – Durchbrechungen 17.15 ff. – Formwechsel 10.139, 16.387, 16.474, 17.69 – Personengesellschaften 5.189, 18.66, 18.77 ff. – Spaltung 17.208 – Steuerentstrickung 5.345 ff. – steuerliche 17.8 ff. – Verschmelzung 17.192 ff., 17.203, 17.206 – Warenlieferungen 18.54, 18.56 – Wegzug 5.291, 5.357, 5.369, 6.32 ff., 6.46, 17.87, 17.93, 17.129, 17.136, 17.167 – Zeitraum 12.6

Stichwortverzeichnis Gewinnvergleichsmethode 16.312, 18.141 Gewinnvermutung 5.101, 5.163 f. Gewinnzuordnung – Attraktivkraft der Betriebsstätte 16.275 – Aufteilungsschlüssel 16.271 – Aufwendungen, nachträgliche 16.273 – Aufwendungen, vorweggenommene 16.273 – Außentransaktion 16.276 – Bauausführung 16.272 – betriebsstättenloses Vermögen 16.265 – Betriebsstättenvermögen 16.264 – dealing at arm’s length-Klausel 16.266 f., 16.271 – direkte Methode 16.270 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.264 ff. – Dotationskapital 16.276 – Einkaufsgewinn 16.279 – Einkaufsstelle 16.279 – indirekte Methode 16.271 – Innentransaktion 16.268, 16.276 – Methoden 16.269 ff. – Methodenstetigkeit 16.271 – Montage 16.272 – saldierende 18.61 – Selbständigkeitsfiktion 16.267 – self executing-Wirkung 16.266 – Stammhaus 16.265 – Steuerentstrickung 16.268 Gewöhnlicher Aufenthalt – Doppelbesteuerungsabkommen 16.171, 16.201, 16.206 – Einkommensteuer 5.20 ff. – Sechsmonatsfrist 5.24 Gewohnheitsrecht – völkerrechtliches 1.6, 3.4, 3.11 ff., 3.20 ff., 5.32, 5.39, 5.63, 5.66, 14.3 Gleichartigkeit der Steuer 12.7 Gleichbehandlungsgebot 4.1 ff. – Diskriminierungsverbot 4.3 – Gleichheitssatz 4.4 ff. – Privilegierungsverbot 4.3 Gleichheitssatz 4.4 ff. – Belastungsgleichheit 4.7 – beschränkte Steuerpflicht 5.120 – Besteuerungsgleichheit 4.8 – BVerfG 4.9 – Doppelbesteuerung 4.10 – Drittwirkung 4.13 – europarechtlicher 4.13

– fingierte unbeschränkte Steuerpflicht 5.51 – Fiskalzwecknormen 4.10 – Folgerichtigkeitsgebot 4.7 – Kollisionsnorm 4.10 – Körperschaftsteuer 6.12 – Leistungsfähigkeitsprinzip 4.9 – Lenkungsnorm 4.10 – Pauschalierung 4.7 – Rechtssetzungsgleichheit 4.8 – Staatsangehörigkeit 4.11 – Typisierung 4.7 – Verfassungsbeschwerde 4.11 – Wegzugsbesteuerung 5.359 – Willkürverbot 4.5 f. – wirtschaftslenkende Norm 2.22, 4.10 Globalmethode 18.188 Globalprinzip 5.2, 5.33 Gratisaktie 16.34 Grenzausgleich 3.87, 9.59 Grenzgänger 5.40 ff. – beschränkte Steuerpflicht 5.122 – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 5.214, 16.421, 16.445 f. Grenzüberschreitender Leistungstransfer 18.80 Grenzüberschreitende Sachaufklärung s. Sachaufklärung, grenzüberschreitend Grenzüberschreitende Umwandlung s. Umwandlung, grenzüberschreitend Gründeranteil 16.330 Grundfreiheiten – Amtshilferichtlinie 4.22, 19.72 – Anwendungsreihenfolge 4.20 – Auslegung durch EuGH 3.51 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 3.20, 4.27 f. s. auch Arbeitnehmerfreizügigkeit – Dienstleistungsfreiheit 3.20, 4.34 ff. s. auch Dienstleistungsfreiheit – Diskriminierungsverbot 4.3, 4.15 ff. s. auch Diskriminierungsverbote, europarechtliche – Doppelbesteuerung 14.5 – Drittwirkung 4.19 – Drittstaateninvestition 4.20 – Eingriff, Rechtfertigung 4.21 f. – Freizügigkeitsrecht 4.12, 4.14 – Gebhard-Formel 4.21 – Kapitalverkehrsfreiheit 3.20, 4.37 ff. s. auch Kapitalverkehrsfreiheit

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Stichwortverzeichnis – Niederlassungsfreiheit 3.20, 4.29 ff. s. auch Niederlassungsfreiheit – Steuerabzug 5.258 – Steuerentstrickung 5.351 – stille Harmonisierung 3.59 – versteckte Diskriminierung 4.15 – Warenverkehrsfreiheit 4.15, 4.23 ff. s. auch Warenverkehrsfreiheit – Wegzugsbesteuerung 5.360 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff. Grundgesetz – Drittwirkung 4.13 – Gleichbehandlungsgebot 4.3 – Gleichheitssatz 4.4 ff. – Normenhierarchie 3.43 – völkerrechtsfreundlich 3.24 ff. Grundstück – ausländische 15.75, 17.32 – Betreten 19.38 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.225 – grundstücksgleiche Rechte 7.43, 7.45, 10.106 – Grundstücksklausel 16.143 – Grundstücksort 9.34, 9.41 f., 9.50, 9.75 – inländisches 5.131, 5.135, 5.145, 5.192, 7.17, 7.35 – Zubehör 10.342 Grundstücksgesellschaft 10.103, 10.106, 16.143 ff. Grundtabelle – Veranlagung 5.251 Gründungstheorie 6.7, 6.28 Grundvermögen 5.196, 7.35, 7.42, 7.51, 16.224, 16.401, 16.503 Habenzinsen 18.175 f. Haftungsbescheid – Steuerabzug 5.274 Haftungsschuldner – Steuerabzug 5.267 Handelsschiff 16.186 Handelstätigkeit – Hinzurechnungsbesteuerung 10.88 ff. Handelsvertreter – beschränkte Steuerpflicht 5.139 – ständiger Vertreter 5.156 Harmonisierung in der EU – Bilanzrichtlinie 3.79 ff. s. auch Bilanzrichtlinie – direkte Steuern 3.58 ff. s. auch Direkte Steuern

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– Erforderlichkeit 3.58 – Fusionsrichtlinie 3.61 ff. s. auch Fusionsrichtlinie – IFRS-Verordnung 3.82 – indirekte Steuer 3.83 ff. s. auch Indirekte Steuer – Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 3.85 s. auch MehrwertsteuersystemRichtlinie – Mutter-Tochter-Richtlinie 3.65 ff. s. auch Mutter-Tochter-Richtlinie – Schiedsverfahrenskonvention 3.74 ff. s. auch Schiedsverfahrenskonvention – stille 3.59 – Subsidiarität 3.58 – Ursprungslandprinzip 3.84 – Verbauchsteuer 3.84 – Vollharmonisierung 3.58 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff. s. auch Zins- und Lizenzrichtlinie – Zinsrichtlinie 3.72 f. s. auch Zinsrichtlinie Haupttätigkeit 16.415 Heimathafen 16.287 Hereinspaltung 17.160 Hereinverschmelzung – Anteilsübertragung 17.96, 17.118, 17.128, 17.141 – beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter 17.126 – Betriebsstättenvermögen, ausländisches und inländisches 17.92, 17.95, 17.119, 17.122, 17.127, 17.138 f. – Betriebsübergang 17.118 – Betriebsübertragung 17.92, 17.122, 17.138 – Buchwertfortführung 17.95, 17.122 – Drittstaat 17.122 – Einbringungsgewinn I 17.123, 17.138 – Einbringungsgewinn II 17.129 – Ersatzkonstruktion 17.91, 17.118 – EU-/EWR-Staat 17.117 – gemeiner Wert 17.97 – Gesellschafterebene 17.94, 17.121, 17.124 – Gesellschaftsebene 17.93, 17.123 – Gewinnrealisation 17.129 – Liquidation 17.93, 17.123, 17.129, 17.138, 17.140 – Kapitalgesellschaft, ausländische 17.91, 17.97, 17.117 – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.117 ff.

Stichwortverzeichnis – Kapital- auf Personengesellschaft 17.91 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.137 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.146 – Steuerverstrickung 17.130 – Übernahmegewinn 17.120 – Zuzug 17.97, 17.118, 17.130 Hilfstätigkeiten 5.146 Hinausspaltung 17.159 Hinausverschmelzung – Anteilseinbringung 17.84 f. – Anteilsübertragung 17.114, 17.136, 17.145 – Anwachsung 17.136, 17.145 – beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.89 – Betriebsstätteneinbringung 17.79 – Betriebsstättenprinzip 17.77 – Betriebsstättenvermögen, ausländisches und inländisches 17.77, 17.82, 17.87 ff., 17.102 f., 17.106, 17.110 ff., 17.133 f., 17.143 f. – Betriebsübertragung 17.76, 17.110, 17.133, 17.143 – Buchwert 17.105 – Buchwertfortführung 17.143 – Drittstaat 17.108 – Einbringung 17.76 – Einbringungsgewinn I 17.135 – Entstrickungsklausel 17.82, 17.101, 17.105 – Ersatzkonstruktion 17.75 – EU-/EWR-Staat 17.100, 17.133 – gemeiner Wert 17.105 – Gesellschafterebene 17.88, 17.102, 17.106 – Gesellschaftsebene 17.87, 17.101 – Liquidation 17.80, 17.114, 17.135 – Kapitalgesellschaft 5.189 – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.100 ff. – Kapital- auf Personengesellschaft 17.75 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.132 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.142 ff. – Personengesellschaft ausländische 17.75, 17.78, 17.90 – Privatvermögen 17.88, 17.107 – treaty-overriding-Klausel 17.103 – Typenvergleich 17.100 – Übernahmegewinn 17.90, 17.104

– Übertragungsgewinn 17.102 – unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.81, 17.88 – Vergleichbarkeitsprüfung 17.100 – Wegzug 17.86 f., 17.116 – Wegzug, Drittstaat 17.87 – Wegzug, EU-/EWR-Staat 17.87 – Wegzug, identitätswahrend 17.86 – Zuordnungswechsel, Wirtschaftsgüter 17.133, 17.144 Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG 15.161, 15.224 Hinzurechnungsbesteuerung 4.33, 5.94 ff., 10.1 ff., 11.1 ff. – Abschirmwirkung 10.1, 10.18, 10.184 – Abzugsverbot, partielles 10.199 – Amtshilferichtlinie 10.143 – Aufschubwirkung 10.18, 10.184 – Aufstockung 10.189, 10.202 f. – Aufteilung, mehrere Steuerpflichtige 10.188 – Auskunftsklausel 10.143 – ausländische Gesellschaft, Beteiligung 10.39 ff. – Ausschüttungstheorie 10.3 – Bank- und Versicherungsgeschäfte 10.82 ff. – Basisgesellschaft 10.23 ff. – Bedienungstatbestand 10.98 – Begriff 10.15 – Beherrschungsbeteiligung 10.44 ff. – Beherrschungsquote 10.54, 10.56 – Belegenheitsprinzip 10.107 – Beteiligungsquote 10.48, 10.223, 10.226 f. – Beteiligungsveräußerungsgewinn 10.118 ff., 10.178 ff. – Betriebsausgabe 10.198 – Betriebsstätte 10.115, 10.144 – Billigkeitsmaßnahmen 15.42 f., 16.131, 16.354 – Bruttoertrag 10.59, 10.110, 10.115, 10.228 – Buchwert 10.131 – captives 10.84 – DBA, Konkurrenz 10.19 f., 10.201 – DBA, Unterlaufen 10.18 – Dienstleistungen 10.95 ff. – Durchgriffsbesteuerung 10.15 ff., 10.206 – Einkaufsgesellschaft 4.48, 10.91 – Einkünfteermittlungsmethode, Wahlrecht 10.171 ff.

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Stichwortverzeichnis – Einkünfteermittlungspflicht 10.161, 10.186 – Einkünfteerzielungssubjekt 10.62 – Einkünftekatalog 10.79 ff. – Einkünftequalifikation 10.74 ff., 10.191 ff. – Einkünfteverlagerung 10.2 – Einkünftezurechnung 10.72 f. – Einziehung gegen Abfindung 10.120 – Erbringungstatbestand 10.100 – Ermittlungsschema 10.160 – Ersatzrealisationstatbestand 10.120 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.331, 5.336, 10.46 – EU-/EWG-Gesellschaften 10.136 – europarechtliche Sonderregelung 10.133 ff. – Familienstiftungen 11.1 ff. – Finanzdienstleistungsgesellschaft 10.63 – Finanzierungstätigkeit 10.110 ff. – Folgetätigkeit 10.75 – Formwechsel, identitätswahrend 10.130 – Forschungs- und Entwicklungstätigkeit 10.104 – Freigrenze 10.10, 10.155 ff. – funktionale Betrachtungsweise 10.75, 10.129 – Funktionseinkünfte 10.227 – Funktionsprivileg 10.232 – gemischte Einkünfte 10.10, 10.156, 10.177, 10.210, 10.228 – Geschäftsbetrieb, eingerichteter 10.93 – Gewerbeertragsteuer 10.183 – Gewerbesteuer 10.135, 10.200, 10.213 – Gewerbetrieb 10.196 ff. – Gewinnausschüttung 10.116 f. – Gewinnermittlungsmethode 10.163 – Grundstücksgesellschaft 10.106 – Gruppenbesteuerung 10.150 – Handelstätigkeit 10.88 ff. – Hilfstätigkeit 10.75 – Hinzurechnungsbetrag 10.11 f., 10.159 ff., 10.188, 10.197 – Hinzurechnungsbilanz 10.173 – Hinzurechnungsobjekt 10.4 – Höchstbetragsberechnung 10.210, 10.214 – industrielle Tätigkeit 10.80 f. – Informationsaustauschabkommen 10.143 – Investmentfond 10.34 ff.

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– Kapitalanlageeinkünfte 10.41, 10.59 ff., 10.119, 10.127, 10.178, 10.232 – Kapitalherabsetzung 10.120 – Kapitalmarkt, ausländischer 10.110 – Kapitalverkehrsfreiheit 10.6, 10.138 – Kapitalvermögen 10.191 ff. – kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb 10.82 – Konkurrenz 10.19 ff. – Kreditinstitut 10.83 – Land- und Forstwirtschaft 10.79 – Leasing-Gesellschaft 10.109 – Liquidation 10.120 – Mehrheitsbeteiligung 10.40 – Mindestbeteiligungsquote 10.60 – Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten 10.21 f. – Mitwirkung 10.94, 10.101, 10.104, 19.15 f. – Mutter-Tochter-Richtlinie 10.200 – Nachweispflicht 10.121 – Nebentätigkeit 10.75 – Niederlassungsfreiheit 10.133, 10.138 – Niedrigbesteuerung 10.67, 10.147 ff. – Obergesellschaft 10.178, 10.218 ff. – Organschaft 10.150 – Outsourcing 10.141, 10.146 – passiver Erwerb 10.9, 10.40, 10.67, 10.72 ff. – Patentverwertungsgesellschaft 10.104 – Personengesellschaft, Beteiligung über 10.54 f. – Quasi-Ausschüttung 10.201 – REIT-AG 10.64 ff., 10.119, 10.124, 10.235 f. – Repräsentationstheorie 10.3 – Soll-Einkommen 10.21 – Steuerabzug 10.175 ff., 10.234 – Steueranrechnung 10.13, 10.204 ff. – Steuerbefreiung, sachliche 10.178 – Steueroase 10.148 – Steuerobjekt 10.70 – Stimmrechtsquote 10.48 ff. – stufenweise Zurechnung 10.238 – Tausch 10.120 – treaty overriding 10.20, 10.201 – Typenvergleich 10.116 – Typisierung 10.6 – Umwandlungsgewinn 10.128 ff. – unbeschränkte Steuerpflicht 10.37 f.

Stichwortverzeichnis – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.37 ff., 15.106 – unmittelbare Beteiligung 10.43 – Untergesellschaft 10.178, 10.218 ff. – Verlustabzug 10.182 ff., 10.231 – Verlustausgleich 10.231 – Vermeidungsnormen 2.12 – Vermietung und Verpachtung 10.102 ff. – Vermögensübertragung, umwandlungsbedingte 10.120 – Versicherungsgeschäft 10.82 ff. – Vertriebsgesellschaft 10.90 – Wahlrecht, Abzug oder Anrechnung 10.208 – Wegzug 2.18, 5.348 – Weisungsgebundenheit 10.56 ff. – Welteinkommensprinzip, Durchbrechung 5.94 f. – Werbungskosten 10.192 – wirtschaftlicher Verkehr, Teilnahme 10.93, 10.101, 10.146 – Zielsetzung 10.1 ff. – Zinsschranke 10.168 – Zuflussfiktion 10.194 – Zugriffsbesteuerung 10.15 ff. – Zurechnungsbesteuerung 10.15 ff. – Zurechnungsgegenstand 10.227 – Zurechnungsmodell 10.3 – Zurechnungsvoraussetzungen 10.221 ff. – Zwischeneinkünfte, Ermittlung 10.161 ff. – Zwischeneinkünfte, Kapitalanlagecharakter 10.61 – Zwischeneinkünfte, Zurechnung 10.174 – Zwischengesellschaft 10.8 – Zwischengesellschaft, nachgeschaltete 10.14, 10.144 f., 10.216 ff., 10.237 ff. – Zwischengesellschaft, weitere nachgeschaltete 10.237 ff. Holdinggesellschaft 2.20, 6.3 – Basisgesellschaft 10.26 – Einkünftezuordnung 18.62 – Funktionsholding 15.238 – geschäftsleitende 18.62 – Landesholding 15.238, 15.241 horizontale Steuergerechtigkeit 14.11 Hypothek – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.219

Identität – Besteuerungszeitraum 12.2, 12.6, 15.72, 15.105, 16.564 – Steuerobjekt 12.3 f., 10.112, 10.181, 15.41, 15.149, 16.104 – Steuersubjekt 6.18, 6.29, 6.49, 12.4 f., 15.22, 15.46, 15.59, 15.61 f., 15.64, 15.95, 15.139, 15.149, 15.179, 15.203, 16.557, 17.68, 17.86, 17.97, 17.182, 17.185 – wirtschaftliche 12.3 f. IFRS-Verordnung 3.82 Immaterielles Wirtschaftsgut, wesentliches 18.147 f. Immobiliengesellschaft – Doppelbesteuerungsabkommen 16.396 ff. Imparitätsprinzip – Einkünftezuordnung 18.19 – Umwandlungssteuerrecht 17.14 Import – GATT-Abkommen 4.48 – Kapitalimport(-neutralität) 14.20 f., 14.26, 15.133, 16.16, 16.231, 16.254 – Umsatzsteuer 9.16, 9.19 f., 9.60 – Währungsrisiko 18.156 – Waren 4.48, 5.353, 9.74, 19.39 Indirekte Methode s. Betriebsstättengewinn Indirekte Steueranrechnung s. Steueranrechnung Indirekte Steuern – Harmonisierung 3.83 ff. Informationsaustausch, internationaler – Abkommen 16.11, 16.13 – Anrufungsauskunft 19.78 ff. – Amts- und Rechtshilfe 19.55, 19.62 ff. – Amtshilfegesetz 19.55 – Amtshilferichtlinie 19.55 – Ausforschung 19.83 – Auskunftsersuchen 19.68 – Auskunftserteilung 19.87 – Auskunftsklausel, DBA 19.91, 19.115 – Auskunftsklausel, große 19.92 – Auskunftsklausel, kleine 19.91 – Auskunftsverbot 19.114, 19.120 – Auskunftsverbot, absolutes 19.86, 19.90, 19.100 – Auskunftsverbot, relatives 19.85 – Auskunftsverweigerungsrecht 19.101, 19.114 – automatische Auskunft 19.59, 19.77

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Stichwortverzeichnis – Beitreibungsrichtlinie 19.55 – Besteuerungsverfahren 19.109 – Betriebsgeheimnis 19.89, 19.100, 19.104 – Doppelbesteuerung 19.111 – Dreiecksauskunft 19.96 – Erforderlichkeit 19.97 – Erheblichkeit 19.97, 19.118 – Ermessen 19.101, 19.114 – Ersuchensauskunft 19.76 – Gegenseitigkeit 19.98, 19.108 – Geheimnisschutz, DBA 19.105, 19.113 – Geschäftsgeheimnis 19.89, 19.100, 19.104 – informationelle Selbstbestimmung 19.58, 19.66, 19.123 – Informationsaustauschabkommen 19.55 – koordinierte Außenprüfung 19.54, 19.95 – Kulanzauskunft 19.76, 19.106 ff. – öffentliche Ordnung 19.87, 19.105, 19.112 – Pflichtauskunft 19.78 ff. – Routineauskunft 19.115 ff. – Spontanauskunft 19.59, 19.77, 19.115 ff. – Steuergeheimnis 19.67, 19.110 – Steuerstrafverfahren 19.109 – Subsidiaritätsprinzip 19.63 – Zinsinformationsverordnung 19.55 – Zusammenarbeitsverordnung 19.55 Informationsaustauschabkommen 19.55 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.11, 16.13 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.143 Informationszentrale Ausland (IZA) 19.3 Inland – Einkommensteuer 5.28 ff. – Festlandsockel 5.31 – Inlandsspaltung 17.65 – Küstenmeer 5.30 – Luftraum 5.31 – Schiff 5.33 – Stammhaus 5.345 – Umsatzsteuer 9.7 ff. – Zollausschlussgebiet 5.29 Inländer 2.5, 4.1, 4.3, 5.321 – Doppelbesteuerung 16.130

1180

– Erbschaftsteuer 7.7, 7.10, 7.17, 7.25 f., 7.28, 7.31, 7.54, 15.248, 15.254 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.53, 10.70, 10.91 f., 10.94, 10.154 f., 10.188, 10.191, 10.255, 10.240 – Zwischeneinkünfte 19.17 Inländergleichbehandlung 4.15 f., 4.48, 5.124 Inlandsbeherrschung 10.50, 10.225 Inlandseinkünfte 5.127 ff. – erweiterte 5.283 ff. Inlandsinteressen – wesentliche wirtschaftliche 5.306, 5.308 ff., 5.330 Inlandsvermögen 5.315, 5.348, 7.7, 7.29, 7.31 ff. – erweitertes 7.62 ff. Innentransaktion 16.268, 16.276, 18.25 ff., 18.38, 18.41, 18.45, 18.54, 18.61, 19.26 Interessenidentität – Einkünfteberichtigung 18.113 ff. Innerstaatliches Recht – Doppelbesteuerungsabkommen 16.56, 16.64 ff., 16.82 – Normenhierarchie 3.43 ff. Internationale Einkünftezuordnung s. Einkünftezuordnung Internationaler Gerichtshof 3.5 Internationale Handelskammer 16.14 Internationale Sachverhalte – auslandsbezogene 1.4 – grenzüberschreitende 1.5 Internationaler Schiedsgerichtshof 16.93 Internationales Erbrecht 7.17 Internationales Finanzrecht 1.3 Internationales Gesellschaftsrecht 6.7 Internationales Privatrecht 6.7, 7.17 Internationale Rücksichtnahme 14.7 Internationale betriebwirtschaftliche Steuerlehre 14.13 Internationales Schachtelprivileg 10.35, 15.232 ff., 16.545 ff., 18.94 Internationales Steuerrecht – Außensteuerrecht 1.4 – auslandsbezogene Sachverhalte 1.4 – Begriff 1.1 ff. – Diskriminierungsverbote 4.1 ff. – Doppelbesteuerung, Verbot 2.5 – Doppelbesteuerungsrecht 1.4 – Europäisches Steuerrecht 3.15 ff.

Stichwortverzeichnis – Finanzrecht, internationales 1.3 – Gleichbehandlungsgebot 4.1 ff. – grenzüberschreitender Sachverhalt 1.5 – Kollisionsnorm 1.1, 2.3 ff. s. auch Normengruppen im Internationalen Steuerrecht – Normengruppe 2.1 ff. s. auch Normengruppen im Internationalen Steuerrecht – Rechtsquelle 3.1 ff. s. auch Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts – Völkerrecht 1.6 Internationales Umwandlungssteuerrecht s. Umwandlungssteuerrecht Investitionssteuerung 18.159 Investmentertrag 5.218 Investmentfond – Hinzurechnungsbesteuerung 10.34 ff. – unilaterale Maßnahmen 15.50 ff. Isolierende Betrachtungsweise 5.100 – beschränkte Steuerpflicht 5.130 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.214 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.33 – Gewerbesteuer 8.8 – Körperschaftsteuer 6.17 – Subsidiaritätsklausel 5.134 – unilaterale Maßnahme 15.67 Ist-Soll-Vergleich – Fremdvergleich 16.300 Kampfpreise 18.152 Kapitalanlageeinkünfte – Hinzurechnungsbesteuerung 10.8, 10.12, 10.41, 10.59 ff., 10.78, 10.84, 10.116, 10.119, 10.125 ff., 10.137 f., 10.178 f., 10.232 Kapitalanteilsveräußerung 15.174 ff. Kapitalerhöhung aus Einlagen 16.343 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 16.343 Kapitalertragsteuer 5.218, 5.222, 6.23 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.164 – Kapitalvermögen 5.218, 5.222 – Steuerabzug 5.276 – verdeckte Gewinnausschüttung 18.93 Kapitalexportneutralität – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.29, 14.34, 16.514

– unilaterale Maßnahme 15.4, 15.122 Kapitalgesellschaft – Abspaltung 17.65 – Aufspaltung 17.65 – Anteilseinbringung 5.188 – Anteilstausch 5.189 – Anteilsveräußerung 5.183 ff. – Auflösung 5.187, 6.30 – beschränkte Steuerpflicht 5.183 ff. – Diskriminierungsverbot, DBA 4.61 ff. – Gewerbesteuer 8.6 – Hinausverschmelzung 5.189 – Kapitalherabsetzung 5.187 – Körperschaftsteuer 6.7 – Nennkapitalrückzahlung 5.187 – Sitzverlegung 5.190, 6.29 ff. – Spaltung 17.148 ff. – Steuerentstrickung 6.29 ff. – Steuerverstrickung 6.47 ff. – Tausch 5.187 – Umwandlung 17.26 ff. – Veräußerung 5.187 – verdeckte Einlage 5.187 – Verschmelzung 17.75 ff. – Wegzug 6.29 ff. – Zuzug 6.28, 6.47 ff. Kapitalherabsetzung – Dividende 16.343 – Kapitalgesellschaft 5.187 – Verlustausgleichbeschränkung 5.82 Kapitalimportneutralität – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.20, 14.26 – unilaterale Maßnahme 15.133 Kapitalspiegeltheorie 18.41 Kapitalverkehrsfreiheit 3.20, 4.37 ff. s. auch Grundfreiheiten – Anwendungsreihenfolge 4.20 – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.105 – Beschränkungsverbot 4.38 – Diskriminierungsverbot 4.15, 4.38 – Doppelbesteuerung 14.5 – Drittstaaten, Geltung 4.18, 4.37 – Einkünftezuordnung 18.28 – Geltung 4.18, 4.37 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.6, 10.138 – unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.25, 15.112 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff.

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Stichwortverzeichnis Kapitalvermögen s. Einkünfte aus Kapitalvermögen Kaskadeneffekt – Steuerabzug 5.270 – unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.168 Kasse – Alterskasse 5.234 – ausländische öffentliche 15.96 – inländische öffentliche 5.28, 5.205, 5.210, 5.214, 7.25, 15.53 f., 16.467 – Pensionskasse 5.240, 16.460 Kassenprinzip 5.114, 15.96 Kassenstaatsprinzip 5.214, 16.462 ff. Kirchensteuer 16.189 Know-how 5.201, 5.230, 5.237, 15.99, 16.370 ff., 18.43 f., 18.181, 18.185 Körperschaftsteuer – Abgeltungswirkung 6.24 – Aktivitätsvoraussetzung 6.23 – Anknüpfungspunkte 6.1 ff. – Anrechnung 5.336, 11.5, 15.59, 15.66, 15.107, 15.194 ff. 15.207 ff., 16.553 f. – Basisgesellschaft 6.3 – Befreiung 15.50 f., 15.151 ff. – beschränkte Steuerpflicht 6.9 ff. – Betriebsaufspaltung 6.3 – Betriebsstättenvermögen 6.34 ff., 6.42 ff. – Betriebsvermögen 6.38 – Briefkastengesellschaft 6.3 – Diskriminierungsverbot 6.12 – Doppelbesteuerung 14.6, 16.325, 16.529, 16.533, 16.541, 16.545, 16.550 f., 16.588 – Drittstaat, Wegzug 6.41 ff. – Familienstiftung 11.5, 11.32 – Erstattung 6.27 – EU-/EWR-Staat, Wegzug 6.32 ff. – Freistellung 5.90 ff., 6.23, 6.27 – Geschäftsleitung 6.2 f., 6.7 – Gesellschaft ausländischen Rechts 6.7 – gestreckte Besteuerung 6.35 – Gewerbebetrieb 6.17 ff. – Gleichheitssatz 6.12 – Gründungstheorie 6.7, 6.28 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.36, 10.39, 10.77, 10.133, 10.148, 10.179, 10.181, 10.208 ff. 10.235 – Holdinggesellschaft 6.3 – Inland 6.6 s. auch Inland – inländische Einkünfte 6.10, 6.17 ff.

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– internationales Gesellschaftsrecht 6.7 – internationales Privatrecht 6.7 – isolierende Betrachtungsweise 6.17 – Kapitalvermögen 6.20 – kaufmännische Leitung 6.2 – Kapitalertragsteuer 6.23 – Kapitalgesellschaft 6.7 – Land- und Forstwirtschaft 6.17 – Liquidationsbesteuerung 6.30, 6.41 f. – nichtrechtsfähige Personenvereinigung 6.14 – Niederlassungsfreiheit 6.7, 6.12 – Organgesellschaft 6.3, 6.13, 10.177 – Pauschalbetrag 8.13 – Privatvermögen 6.39 – Quellensteuer 6.23 – Rechtsfähigkeit 6.14 – SCE 6.29 f. – SE 6.29 f. – Sitz 6.4 f. – Sitztheorie 6.7, 6.28 – Sitzverlegung, grenzüberschreitend 6.29 – statutarischer Sitz 6.4 – Steuerabzug 6.23 ff., 15.211 – Steuerbefreiungen 6.11 – Steuerentstrickung 6.28 ff. – Steuersatz 6.26 – Steuersubjekt 6.14 – Steuerverstrickung 6.49 ff. – Stiftung 6.7 – Subjektqualifikation 6.7 – Tagesgeschäft 6.2 – Territorialitätsprinzip 6.42 – treaty overriding 6.38 – Trust 6.7 – Typenvergleich 6.15, 6.49 – unbeschränkte Steuerpflicht 6.1 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.6, 15.20, 15.27, 15.32, 15.151 ff. – Veranlagung 6.21 ff. – Veräußerungsgewinnbesteuerung 6.39 – Verwaltungssitz 6.29 – Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht 6.28 ff. – Wegzug, formwechselnder 6.29 f. – Wegzugsbesteuerung 6.28 ff. – Welteinkommensprinzip 6.8, 6.42 – Wohnsitzprinzip 6.1

Stichwortverzeichnis – Zuordnung Wirtschaftsgüter 6.33 – Zuzug 6.28, 6.47 ff. – Zweigniederlassung 6.13 Kollisionsnorm 1.1, 1.3, 14.1 f., 14.5 s. Normen, kollisionsauflösende und Normen, kollisionsbegründende Kollisionsregel 16.197, 16.200, 16.202 ff., 16.511 Kollisionsstufe 16.203 ff., 16.206 ff. Kommissionär – Einkünftezuordnung 18.58 – ständiger Vertreter 5.156 – Warenlieferung 18.151, 18.153 Kompensationszahlung 16.341 Kondominium – deutsch-luxemburgisches 5.33, 16.187 Konfliktregel 1.1, 1.3 Konkurrenzverbot 16.428 Konsultationsverfahren – abstraktes 16.108 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.108 f. – konkretes 16.108 – Verwaltungsabkommen 16.109 Kontrolle 18.159 Kontrollkosten – Betriebsstätte 16.278, 18.45 Kontrollmeldeverfahren 5.277 ff., 16.377, 19.122 Kontroll- und Regieleistungen 18.158 f. Kontroll- und Koordinationsstelle 16.250, 18.166 Konzern – Bilanzrichtlinie 3.79 – Billigkeitsmaßnahmen 18.124 – captives 10.84 – Dividenden 16.350 – Einkaufsstellen 16.259 – europäisches Konzernsteuerrecht 3.65 – Fremdkapital 18.174 ff. – Fremdvergleich 16.299, 18.143, 18.163, 18.166, 18.311 – Führung 18.159 – grenzüberschreitend 4.33, 5.211, 16.250, 16.320, 16.357, 16.371, 17.4, 18.140, 18.171, 19.53 – Jahresabschluss 10.379, 10.382 – konzerninterne Vorgänge 10.86, 10.93, 10.101, 10.140, 10.142, 15.187, 18.121, 18.144, 18.163 – Marke 18.185

– mehrstufiger Aufbau 14.33, 15.168, 16.545, 18.177 – Name 1 6.374, 18.159 – Rückhalt 18.159, 18.179 – Steuerung 18.59, 18.62 – Umlage 18.163 – Zuordnung von Einkünften 18.80 Konzernbilanzrichtlinie 3.79 Konzernführung 18.159 Konzernname 16.374, 18.159 Konzertdirektion 5.169, 5.172, 5.174 Koordinierungsstelle 16.250, 16.311, 18.45, 18.59 Korrekturregeln – Berichtigung von Einkünften 18.104 ff. – verdeckte Einlage 18.95 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung 18.82 ff. Korrekturmaßstäbe 18.125 ff. Korrespondenzprinzip 15.152 f. – verdeckte Einlage 18.99 – verdeckte Gewinnausschüttung 18.90 Kostenaufschlagsmethode – Verrechnungspreise 16.306, 16.310, 18.65, 18.128 f., 18.134 f., 18.137, 18.139, 18.143, 18.145, 18.150 f. 18.166, 18.171, 18.180 Kostentragfähigkeitsprinzip 18.167 Kostenumlage 16.276, 16.312, 18.161, 18.167 f. – Umlagevertrag 18.168 f. Kostenverursachungsprinzip 18.167 Krankenversicherungsgesellschaft 15.164, 15.186 Kreditinstitut 7.32, 10.82 ff., 15.23, 15.162, 15.186, 18.41, 19.22 – Begriff 10.83 Kreditwesengesetz 10.83 Kulanzauskunft 19.57 f., 19.76, 19.106 ff. Kulturaustausch 16.454 Künstler und Sportler – Begriff 16.456 – Berufssportler 16.455 – beschränkte Steuerpflicht 5.171 ff., 5.182, 5.197, 5.237 – Darbietungen 5.137, 5.169 ff., 5.174 f., 5.176 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.453 ff. – Kulturaustausch 16.454 – Künsterverleihgesellschaft 5.169, 5.181, 6.17, 16.131, 16.458

1183

Stichwortverzeichnis – – – – –

Managementgesellschaft 16.458 Quellensteuer 5.201 Sponsoren 16.457 Sportlerverleihgesellschaft 16.458 Steuerabzug 5.46, 5.211, 5.243, 5.256, 5.267 – Tätigkeitsstaat 16.453 – Umsatzsteuer 9.44, 9.46 – Verwertung der Tätigkeit 16.457 – Werbevergütungen 16.457 – Zauberkünstler 5.176 Künsterverleihgesellschaft 5.169, 5.181, 6.17, 16.131, 16.458 Kürzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG 10.200, 15.233 ff. Küstengewässer 9.26, 16.186 Küstenmeer 5.30, 16.186 Kuxe 16.330 Land- und Forstwirtschaft s. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Länderrechtliche Theorie 16.57, 16.64 Lasten – Gemeindelasten 8.1 – Inlandsvermögen 7.50, 7.64 Leasing – Bankgeschäft 10.83 – Doppelbesteuerung 15.163 – Fremdvergleich 18.171 – Gebühr 16.375 – Immobilienleasing 5.237, 16.228 Leasing-Gesellschaft 10.102, 10.109 Lebensversicherungsgesellschaft 15.164, 15.186 Lehrling 16.466, 16.469 Leibrente 5.234 Leistungsentsprechungsprinzip 18.167 Leistungsfähigkeitsprinzip – Anrechnungsbegrenzung 14.30, 15.101 – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.114, 5.298 – Doppelbesteuerung 2.6, 14.9 f., 14.19, 15.74, 15.122, 16.101 – Einkünfteberichtigung 18.105 – Gesamtleistungsfähigkeit 5.58, 5.122 – Gleichheitssatz 4.9 f., 5.264, 18.26 s. auch Gleichheitssatz – Hinzurechnungsbesteuerung 10.122 – Korrespondenzprinzip 18.100 – Realisationsprinzip 17.15 ff. – Rechtsprechung des BVerfG 2.5 f.

1184

– Verlustausgleichsbeschränkung 5.89, 16.533 – Welteinkommensprinzip 5.58 ff., 14.8 f., 14.12, 14.17, 14.25, 15.112 Leistungsumlage 18.165 Leitung, kaufmännische 6.2 Lenkungsnormen – Gleichheitssatz 4.10 Lex-Fori-Klausel 16.54 Liefergewinnbesteuerung 4.48, 5.191, 5.348, 15.19, 15.131, 18.58 Lieferpreis 18.162 Lieferung – an Bord von Schiffen und Flugzeugen 9.24 – Ausfuhrlieferung 9.75 f. 9.77 ff., 9.84, 9.97, 9.106 ff. – eingeführter Gegenstände 9.59, 9.101 – Fahrzeuge 9.70 f. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.75, 10.90, 10.92 f. – im Inland 9.6, 9.10 ff. – innergemeinschaftliche 9.3 f., 9.11, 9.61 ff., 9.86 ff., 9.118 – Ort der 9.7, 9.12 ff. – Versendungslieferungen 9.14, 9.68 f. – Werklieferung 9.79, 9.116 Lieferschwelle 9.23 Liquidation 5.218 f., 10.12, 10.120, 11.27, 16.342, 16.345, 16.379, 16.400 Liquidationsbesteuerung 6.30, 6.41 f., 15.30, 15.33, 15.177, 15.233, 16.45, 16.332 f. 16.337, 16.365, 16.387 Lizenzgebühren – Begriff 16.372 ff. – Beratung 16.373 – Betriebsstättenvermögen 16.370 – Betriebsstättenvorbehalt 16.370 – Computer-Software 16.374 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.369 ff. – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5.232 – Entwicklungsländer, begrenzte Quellensteuer 16.369 – Erstattungsverfahren 16.377 – Franchisevertrag 16.373 – Freistellungsverfahren 16.377 – geheime Formeln 16.374 – Know-how 16.370, 16.374 – Kontrollmeldeverfahren 16.377 – Konzernname 16.374 – Leasinggebühr 16.375

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – –

Marke 16.370, 16.374 Modell 16.374 Muster 16.374 Patent 16.370, 16.372, 16.374 Plan 16.374 Quellenstaat 16.376 ff. Sonderbetriebsvermögen 16.370 Steuerabzug 5.263, 5.267 technische Dienstleistung 16.373 treaty shopping 16.376 unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.187 ff. – Urheberrecht 16.372, 16.374 – Verfahren 16.374 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff., 16.369 Lohn 16.422 Lohnveredelung 9.81 ff. Luftfahrt 5.160 ff. – Beförderungsgewinn 16.282 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.11, 16.13, 16.280 ff., 16.394 f. – Geschäftsleitung, tatsächliche 16.281, 16.286 – Umsatzsteuer 9.90 Luftfahrzeug 5.32, 5.137, 5.160 ff., 5.205, 5.213 – Umsatzsteuer 9.8, 9.24, 9.53, 9.90, 9.92, 9.97 Luftraum 5.31 Makler 5.129, 5.157 f., 9.41, 9.50, 9.52, 10.84, 16.262, 18.59 Managementgesellschaft 16.458 Managementleistung 18.160 Marke 7.42, 16.370, 16.373 f., 18.44, 18.162, 18.185 Markenregister 5.227 Markterschließung 18.152 f. Marktstand 5.144 Matching credit 16.566 Mehrfachbelastung 16.545 Mehrfachbesteuerung – Mutter-Tochter-Richtlinie 3.65 Mehrfachwohnsitz 2.4, 13.5 Menschenrechte 4.1 Methode, direkte s. Betriebsstättengewinn Methode, indirekte s. Betriebsstättengewinn Methodenstetigkeit – direkte, indirekte Methode 16.271 Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 3.86 ff.

Meistbegünstigungsklausel – Diskriminierungsverbote, DBA 4.63 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.11, 16.44, 16.46 Minderbesteuerung 12.10, 13.8, 16.525 Mindestbeteiligungsquote 16.351 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten – Abkommensmissbrauch 14.26 – Basisgesellschaften 2.15, 10.21 ff. 10.30 ff., 10.69 – Bekämpfungsregeln 10.6 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.36, 16.133 ff., 16.150 ff. – Missbrauchsbekämpfung 16.168 – Missbrauchsklauseln 3.68, 16.36, 16.133 ff. – Missbrauchsklauseln, nationale 16.150 ff. – Quellensteuerreduktion 2.20 – Verbot 3.14, 3.71 Missbrauchsklauseln 3.68, 16.36, 16.133 ff. – nationale 16.150 ff. Mittelpunkt – geschäftliche Oberleitung 6.2 – Lebensinteressen 5.366, 5.7, 16.205 f., 16.511 – wirtschaftliche Interessen 5.7 Mitunternehmerschaft – ausländische 8.12, 15.144, 15.185 – Bezüge 15.223, 15.225, 18.75 – Einkünftezuordnung 18.66 – Entstrickung 5.364 – Formwechsel 17.184 – Hinzurechnung 10.54 – Inlandsinteressen 5.308, 5.342 – land- und forstwirtschaftliche 18.74 – Personengesellschaft 15.59, 15.81, 15.156, 15.185, 15.225, 17.76, 17.185, 18.69 – Steuersubjekt 5.151 – treaty overriding 18.72 – unilaterale Maßnahme 15.156 – Unternehmensgewinne 16.332, 16.334 – Wegzug 5.345, 5.364 Mitwirkungspflichten – allgemeine 19.7 ff. – Aufbewahrung von Büchern 19.41 – Auskunftsverlangen 19.16 – Auslandsbeziehung 19.40 – Benennungsverlangen 19.46, 19.49

1185

Stichwortverzeichnis – – – –

besondere 19.38 ff. Beweismaßreduzierung 19.9 Beweismittel 19.7 Beweismittelbeschaffungspflicht 19.10 – Datenzugriff 19.43 – Dokumentationspflichten 19.24 ff. s. auch Dokumentationspflichten – eidesstattliche Versicherung 19.19, 19.21, 19.52 – elektronische Bücher 19.42 – Empfängerbenennung 19.45 – Empfangsbevollmächtigter 19.39 – erweiterte 19.10 ff. – Fiskalvertreter 19.39 – gesteigerte 19.19 ff. – nicht kooperative Jurisdiktion 19.19 – Schätzung 19.9, 19.14, 19.23 – Schmiergeldzahlung 19.48 – tax information exchange agreement 19.12 – Unmöglichkeit, rechtliche 19.11 – Unmöglichkeit, tatsächliche 19.13 – Untersuchungspflicht 19.7 – Verweigerungsrecht 19.8 – Verzögerungsgeld 19.44 – Vollmacht 19.19 – Zwangsmittel 19.8 – Zwischengesellschaft 19.15 Mitwirkungsverweigerungsrecht 19.8 Montage 5.143, 5.147 ff. – Bohrinsel 5.148 – Schwimmbagger 5.148 Musterabkommen 16.14 ff. Muttergesellschaft – ausländische 5.277, 6.23, 15.172, 16.322 – Dienstleistungen 18.160 – Gewinnabgrenzung 16.289 – Gewinnausschüttung 3.65, 15.172 f., 15.242, 18.89 f. – inländische 10.133, 14.33, 16.550, 18.105, 18.124 – internationales Schachtelprivileg 16.546 f. – Mindestbeteiligungsquote 15.351 – Tochtergesellschaft 16.243, 16.260, 18.102, 18.113 Mutter-Tochter-Richtlinie 3.65 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 14.6, 16.48 – europäisches Konzernsteuerrecht 3.65 – Harmonisierung in der EU 3.65 ff.

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– Hinzurechnungsbesteuerung 10.200 – Mehrfachbesteuerung 3.65 – Missbrauchsklausel 3.68 – Quellensteuerreduktion 3.67 – Richtlinienshopping 3.68 – unilaterale Maßnahme 15.164, 15.172 Nachforderungsbescheid 5.274 Nachlass s. Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer Nachlasssteuer 7.2, 7.4, 7.9, 15.249, 16.18, 16.498 s. auch Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer Nachtragsausschüttung 16.341 Nationalitätsprinzip – Einkommensteuer 5.2 – Erbschaftsteuer 7.12 NATO-Hauptquartier 9.79 NATO-Streitkräfte – Umsatzsteuer 9.104 NATO-Truppenstatut 5.34 f., 9.79 Negativer Progressionsvorbehalt 16.537 f. – Nettoeinkünfte 16.531, 16.556 – nicht selbständige Arbeit 16.523 – Nichtbesteuerung 16.525 – Niederlassungsfreiheit 14.5 – objektives Nettoprinzip 14.25 – ordinary credit 14.29 – Organschaft 16.536, 16.551 – overall limitation 16.562 – Pauschalierungsmethode 14.36 f. – per country limitation 14.31, 16.562 – Progressionsvorbehalt 14.27 f., 16.534 ff. – Qualifikationskonflikt 16.525 – Quellenstaat 16.512, 16.540 – Verlustausgleichsbeschränkung 5.74 Nennkapital – Rückzahlung 5.187 – verdecktes 16.339 Nettobesteuerung 16.326 Nettoeinkünfte 16.531, 16.556 Nettoprinzip – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.27, 7.50 – objektives s. Objektives Nettoprinzip – subjektives s. Subjektives Nettoprinzip Nettomargenmethode 16.312, 18.140 f.

Stichwortverzeichnis Nettovermögen 7.27, 16.488, 16.559 Nicht kooperative Jurisdiktion 16.164, 19.19, 19.36 Nicht selbständige Arbeit s. Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit Nicht verrechenbare Leistung 18.159 Niederlassungsfreiheit 3.20 s. auch Grundfreiheiten – AEUV 3.20, 4.15, 4.17, 4.20, 4.27, 4.29 ff., 4.43 – Anwendungsreihenfolge 4.20 – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.124, 15.25 – Beschränkungsverbot 4.33 – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.105 – Diskriminierungsverbot 4.15 – Doppelbesteuerung 14.5 – Einkünftezuordnung 18.28 – Erbschaftsteuerpflicht 7.24 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.293 – Freizügigkeit 4.29 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.133, 10.138 – Körperschaftsteuer 6.7, 6.12 – Sofortversteuerung 18.28 – Spaltung 17.147 – Umwandlung 17.70 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.25, 15.101, 15.112 – Verlustausgleichsbeschränkung 5.75 – Verschmelzung 17.91 – Wegzug 4.33 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff. Niedrigbesteuerung – Basisgesellschaft 10.26 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.60, 7.66 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.283, 5.296, 5.298 ff., 5.334 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.67, 10.147 ff. Niedrigsteuerland 2.10, 2.12, 5.140, 5.233 ff., 5.296, 5.307, 5.318, 5.341, 5.362, 7.55, 7.60, 10.1 f., 10.85 f., 10.148, 16.131 Nießbrauch 5.135, 7.49, 7.63. 10.51, 12.4, 15.60, 16.228 Normengruppen 2.1 ff. – Aufteilungsnormen 2.7, 16.34

– Fiskalzwecknorm 2.1 – kollisionsauflösende Normen 2.3 ff. – kollisionsbegründende Normen 2.3 ff. – Lenkungsnormen 4.10 – Normenhierarchie 3.21 ff. – Sozialzwecknormen 2.1, 2.21 ff. – Steuerfluchtnormen 2.17 – Vereinfachungszwecknormen 2.1 – Vermeidungsnormen 2.10 f., 2.14, 2.20, 15.151, 16.172, 16.512 ff. – Verteilungsnormen 10.201, 15.175, 16.211 ff. – Verzichtsnormen 16.34 – wirtschaftslenkende Normen 2.21 ff. Normen, kollisionsauflösende – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.1 f. – Doppelbesteuerungsabkommen 2.7, 16.202 ff. – Gleichheitssatz 4.10 – Universalitätsprinzip 2.8 Normen, kollisionsbegründende – Doppelwohnsitz 2.4 – Gleichheitssatz 4.10 – Mehrfachwohnsitz 2.4 – Universalitätsprinzip 2.8 Normenhierarchie 3.21 ff. – Europarecht 3.28 ff. – innerstaatliches Recht 3.43 – Völkerrecht 3.23 ff. – völkerrechtliche Verträge 3.24 ff. Normenkonkurrenz – Doppelbesteuerungsabkommen 16.37 ff. Notifizierungsverfahren – wirtschaftslenkende Norm 2.23 Nullbesteuerung 12.10 Nutzungsberechtigte 16.37 Nutzungsort 9.34, 9.51 Nutzungsrecht – Inlandsvermögen 7.49, 7.63 – Übertragung 5.179 Nutzungsüberlassung – Abrechnung 18.181 ff. – Betriebsstättengewinn 18.42 ff. – verdeckte Einlage 18.96 Obergesellschaft, ausländische – Hinzurechnungsbesteuerung 10.14, 10.43, 10.144, 10.174, 10.178 f., 10.211, 10.216 ff. Objektqualifikation – Erbschaftsteuer 7.15 ff.

5.211,

1187

Stichwortverzeichnis Objektsteuer – Gewerbesteuer 8.1 f., 15.223, 16.191 Objektsteuercharakter – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.106 ff. Objektives Nettoprinzip – beschränkte Steuerpflicht 5.111, 5.117, 5.119, 5.121 – Einkommensteuer 5.69 – Doppelbesteuerung 14.25 OECD 16.14 OECD-Kommentar 16.75 OECD-Musterabkommen 16.14 ff. OEEC 16.14 Offshore-Steuerabkommen 9.80 Offshore-Steuergesetz 3.9 On-call-Leistungen – Verrechnungspreise 18.173, 18.186 Option – Aktien 16.422 – Anleihen 16.362 – Anwendung IFRS 3.82 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.172 – Optionsrechte 18.114 – Optionsscheine 16.363 – Personengesellschaft 16.336 – Steuerabzug 15.14 f. – Steueranrechnung 16.533 – Umsatzsteuer 9.23 Ordinary credit 14.29 Ordnung, öffentliche 19.87, 19.105, 19.112 Ordre public 19.87, 19.105, 19.112 Öffentlicher Dienst – Kassenstaatsprinzip 16.462, 16.465 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.462 ff. – WÜD 16.463 – WÜK 16.463 Ordinary credit 14.29, 15.6, 15.112 Organgesellschaft 6.3, 6.13, 8.9, 9.122 Organschaft – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.536, 16.551 – Gewerbesteuer 8.9 – Körperschaftsteuer 6.3, 6.13 – Umsatzsteuer 9.122 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.61, 15.155, 15.203 Organträger 6.3, 6.13, 8.9, 9.122, 10.73

1188

Ort der Geschäftsleitung – Basisgesellschaft 10.33 – Bordpersonal 5.213 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.11, 16.201, 16.209, 16.281, 16.286 f. 16.394, 16.420, 16.439, 16.442, 16.489 – Drittstaat 6.41, 10.136 – Erbschaftsteuer 7.29 – Familienstiftung 11.9 – Geschäftsleitung 6.2 – Körperschaftsteuer 15.154 – Wegzug 6.29 ff. – Zuzug 6.47 ff. Ort der Lieferung 9.7, 9.12 ff. Ort der sonstigen Leistung 2.9, 3.90, 9.24, 9.36 ff., 9.48, 9.50, 9.54 f. Outsourcing 10.29 Overall limitation 15.115, 16.562 Pächter 5.156 Parallelabkommen 16.78 Paraphierung 16.20 Partiarische Darlehen – Dividende 16.335 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.46 ff. – Verlustausgleichbeschränkung 5.83 – Zinsen 16.366 Passiver Erwerb – Betriebsstätteneinkünfte 16.151 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.240 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.9, 10.40, 10.67, 10.72 ff. Patent 5.201, 5.227, 5.230, 7.41, 16.158, 16.265, 16.370 ff., 16.385, 16.490, 18.43 f., 18.61, 18.181, 18.185 f. Patentverwertungsgesellschaft 10.26, 10.102, 16.128 Patronatserklärung 18.179 Pauschalbesteuerung 5.281 f., 16.176 Pauschalierungserlass 15.135, 15.144 ff. Pauschalierungsmethode 14.36 f., 15.10 Pauschbesteuerung 5.281 f. Pensionsfonds 5.240 Pensionskasse 5.240 Per country limitation 5.73, 14.31, 15.69, 15.114 f., 15.122, 15.128, 15.145, 16.534 16.562 Per item limitation 15.73, 15.111

Stichwortverzeichnis Person – nahe stehende 15.183, 10.90 ff., 10.109, 18.95, 18.168, 19.33 Personengesellschaft – Abkommensberechtigung 16.178 ff. – Abspaltung von Personengesellschaften 17.65 – Aufspaltung von Personengesellschaften 17.65 – Betriebsstätte 5.151 ff., 16.243, 19.40 – Diskriminierungsverbot, DBA 4.61 ff. – divergierende Qualifikation 18.71, 18.74 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.175, 16.177 ff., 16.237, 16.243 – doppelstöckig 15.225 – Einkunftsartenzuordnung 18.69 ff. – Einkünftezuordnung 18.66 ff. – Formwechsel 17.3 – Gewerbesteuer 8.5 – Gewinnermittlung 17.8 – Gewinnrealisierung 17.19, 18.77, – Hereinverschmelzung 17.91 ff., 17.137 ff. – Hinausverschmelzung 17.75 ff., 17.132 ff., 17.142 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.54 f. – Qualifikationsverkettung 18.74 – Sitzverlegung 17.184 – Sonderbetriebsvermögen 18.74 – Sondervergütung 18.70, 18.72 ff. – Subjektsqualifikation 18.70 ff. – übereinstimmende Qualifikation 18.74 – Umwandlung 17.25 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.59, 15.81, 15.204 – Unternehmensgewinn 16.237, 16.243, 18.71 – Veräußerungsgewinn 16.388 – Verschmelzung 17.26 ff., 17.75 ff., 17.191 ff. Personenvereinigung, nichtrechtsfähige 5.269, 5.271, 6.7, 6.9, 6.14 ff., 6.47, 7.13, 10.39, 11.13, 11.13, 15.20, 15.27, 15.30, 15.154, 15.177, 15.230, 16.171, 16.260, 16.549 Pflichtauskunft 19.76, 19.78 ff Poolabkommen – Betriebsstätte 5.166 ff. – beschränkte Steuerpflicht 5.137

Poolumlage 18.163 Praktikant 16.447, 14.466, 16.469 Preisvergleich – äußerer 16.307 – innerer 16.307 Preisvergleichsmethode 16.306 f., 16.310, 18.128, 18.135, 18.171 Progressionsvorbehalt – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.27 f., 16.534 ff. – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.325 – negativer 5.74, 16.537 f. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.54 – Veranlagung 5.251 Prokurist 5.211 Protokoll – Doppelbesteuerungsabkommen 16.20, 16.24 f., 16.29 ff., 16.73 f. Prüferrichtlinie 3.79 Qualifikation – divergierende 18.71, 18.74 – übereinstimmende 18.71, 18.74 Qualifikationskonflikt 12.10 – divergierende Qualifikation Personengesellschaft 18.71, 18.74 – Doppelbesteuerungsabkommen 12.10, 16.82 ff., 16.525 – negativer 16.132, 16.159 – Verkettung 18.74, 15.157 – Verweisung 16.225 – übereinstimmende 18.74 Quellenprinzip – Einkommensteuer 5.2, 5.55, 5.57 Quellenstaat – Besteuerungsbefugnis 5.239 – Dividende 16.346 ff., – Doppelbesteuerungsabkommen 16.346 ff., 16.512, 16.540 – Doppelbesteuerungsverbot 13.3, 14.5 f. – Durchbrechung des Nettoprinzips 5.88, 5.119, 5.122 – Entwicklungsländer, begrenzte 16.369 – Freistellung 14.26 f. – kollisionsbegründende Besteuerung 5.253 f. – Lizenzgebühren 16.376 ff. – nachrangige Besteuerung 16.199 – Steueranrechnung 14.30, 14.32 – Steuerberechtigung 16.219 – Welteinkommen 2.6 f., 5.56 ff.

1189

Stichwortverzeichnis – Zinsen 16.365 ff. Quellensteuer – Befreiung 16.356 – Berechtigung 17.37 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.152 – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.223 – Körperschaftsteuer 6.23 – Reduktion 3.67 – Satz 16.324 Quellensteuerreduktion – Mutter-Tochter-Richtlinie 3.67 Quellensteuersatz 16.324 Quintettsituation 16.129 Ratifikation 1.7, 3.8, 3.52, 3.74, 16.20 Realisationsprinzip – Durchbrechung 17.15 – Legitimation 17.14 – Steuerentstrickung 5.349 Realteilung 16.389 Rechte – Liefergewinn 5.191 – Veräußerung 5.191 ff. – Vermietung 5.191 ff. – Verpachtung 5.191 ff. Rechteüberlassung 5.230 Rechtsfähigkeit 6.14 Rechtsformneutralität – gewerbesteuerliches Schachtelprivileg 15.221 Rechtsgrundsätze – allgemeine 3.4, 3.12, 3.14 ff. Rechtshilfe – Gewährung 19.70 ff. – Inanspruchnahme 19.1, 19.56 ff., 19.62 ff. Rechtsmissbrauch s. Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Rechtsordnung – innerstaatliche 3.23 f., 3.37, 339 – Normengefüge 3.21 – Unionsrechtsordnung 3.50 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts 3.1 ff. – Europäisches Steuerrecht 3.15 ff. s. auch Europäisches Steuerrecht – Gesetz 3.1 – Gesetzmäßigkeit der Besteuerung 3.2 – innerstaatliches Recht 3.43 ff. – Normenhierarchie 3.21 ff.

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– supranationale Normen 3.15 ff. s. auch Europäisches Steuerrecht – Völkerrecht 3.4 ff. Rechtssetzungsgleichheit 4.8 Rechtssicherheit, Grundsatz – Rückwirkungsverbot 3.33 Rechtsverordnungen 3.43 Regelungshomogenität 16.52 f., 16.65, 16.148, 18.16 Regelungssouveränität 16.49 ff. Reihengeschäft 9.17 f., 9.116 Reisekosten 5.265, 5.268 REIT-AG – Hinzurechnungsbesteuerung 10.64 ff. – unilaterale Maßnahme 15.55 Remittance-base-Prinzip 16.349 Repräsentationstheorie 10.3 Resale price method s. Wiederverkaufspreismethode Reserven, stille 5.291, 5.337, 5.344, 6.41, 10.173, 15.174, 17.19, 17.78, 17.95, 18.27, 18.30, 18.35 Reverse-Charge-Verfahren – Steuerabzug 5.265 – Umsatzsteuer 9.116 Revision – Doppelbesteuerungsabkommen 16.12, 16.14, 16.24 f. Revisionsprotokoll 16.24 Richtlinien der EU 1.7, 3.16, 3.46 – Auslegung 3.34 ff., 3.54 ff. – Harmonisierung in der EU 3.58 ff. – Normenhierarchie 3.29 f. – Rückwirkungsverbot 3.33 – Staatshaftung 3.31 – Vorrang 3.31 Richtlinienkonforme Auslegung 3.34 ff., 3.54 ff. Risikoanalyse 19.28 Rohrleitungen 5.144 Routineauskunft 19.15 ff. Rückfallklausel s. subject to taxKlausel Rückhalt – im Konzern 18.159, 18.179 Rückkehrabsicht – Wegzugsbesteuerung 5.381 Rücklagen 10.117, 10.122, 10.178, 15.20, 15.174, 16.34 f., 17.36 ff. Rücksichtnahme, internationale 14.7 Rückwirkung – Advanced Pricing Agreements 16.106

Stichwortverzeichnis – Doppelbesteuerungsabkommen 16.21 – Richtlinien der EU, Verbot 3.33 – Verbot 3.33, 16.21 Ruhegehalt – Doppelbesteuerungsabkommen 16.459 ff. – private 16.460 – Wohnsitzprinzip 16.459 Rule-shopping 16.130, 16.158 Sachaufklärung, grenzüberschreitende 19.1 ff. – Amtsermittlungsgrundsatz 19.1 – Außenprüfungen, koordinierte 19.3 – auslandsbezogene Sachaufklärungsmaßnahmen 19.3 – Grundsatz 19.1 ff. – Hoheitsgebiet, fremdes 19.2 – Informationsaustausch 19.53 ff. s. auch Informationsaustausch, internationaler – Mitwirkungspflichten 19.1, 19.7 ff. s. auch Mitwirkungspflichten – Postzustellung, förmliche 19.2 – Simultanprüfung 19.3 – Untersuchungsgrundsatz 19.1 Sachdividende 16.341 Sacheinlage 17.51, 1758 Sachinbegriff – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5.232, 10.103 – Liefergewinn 5.191 – Veräußerung 5.191 ff. – Verlustausgleichbeschränkung 5.84 – Vermietung 5.191 ff. – Verpachtung 5.191 ff. – Verluste 5.71, 5.82, 5.84 Sachverhalte, internationale – auslandsbezogene 1.4 – grenzüberschreitende 1.5 Saving clause 16.172 SCE – Europäisierung, Umwandlungssteuerrecht 3.61 – Körperschaftsteuer 6.29 f. Schachteldividende 16.324, 16.350 Schachtelprivileg – abkommensrechtliches 15.153 – Dividende 16.324 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.545 ff. – gewerbesteuerliches 15.232 ff. – internationales 10.135, 16.153, 16.324, 16.350, 16.545 ff., 18.94

Schachtelstrafe 15.153, 16.546 Schadensersatzleistung – andere Einkünfte 16.474 Schätzung 19.31 Schattenveranlagung – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.303 ff., 5.329 Scheingeschäft 10.27 Schenkung – unter Lebenden 7.14 f., 7.17 Schenkungsteuer s. Erbschafsteuer/ Schenkungsteuer Schiedsgerichtshof, Internationaler 16.93 Schiedsklausel 16.312, 16.328 Schiedsverfahren – Advanced Pricing Agreements (APAs) 18.188 – Auslegungskonflikt 16.110 – Schiedsspruch 16.111 – Verständigungsverfahren 16.89, 16.93, 16.110 ff. Schiedsverfahrenskonvention 3.10, 3.74 ff. – beratender Ausschuss 16.122 f. – dealing at arm’s length-Prinzip 3.76 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.114 ff. – Einigungsverfahren 16.123 – Einkünfteberichtigung 3.75, 16.115 – Gegenberichtigung 16.116 – Gewinnberichtigung 3.74 – Harmonisierung in der EU 3.74 ff. – Schlichtungsverfahren 16.122 – Steuerhinterziehung 3.78 – Steuersouveränität 3.78 – verbundenes Unternehmen 3.74, 16.115 – Verrechnungspreiskorrektur 3.75 – Verständigungsverfahren 3.75, 16.120 – Vorverfahren 16.119 – wirtschaftliche Doppelbesteuerung 16.115 Schifffahrt – bare boat-charter 16.284 – Beförderungsgewinn 16.282 f. – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.160 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.11, 16.13, 16.280 ff., 16.394 f. – dry lease 16.284 – Geschäftsleitung, tatsächliche 16.281, 16.286 – Heimathafen 16.287

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Stichwortverzeichnis – Inland 5.33 – Umsatzsteuer 9.90 Schlichtungsverfahren 16.118 f., 16.121 f., 16.320 Schlussbesteuerung – Wegzug 6.41, 6.43 f. Schmiergeldzahlung 19.48 Schrankenwirkung 13.1, 16.5 f., 16.39, 16.43 ff., 16.172 ff., 16.211 ff., 16.376 ff. Schriftsteller 5.174, 5.199 Schulden 7.50, 7.64, 15.244, 16.276, 16.483, 16.499, 19.50 Schwimmbagger 5.148 SE – Europäisierung, Umwandlungssteuerrecht 3.61 – Körperschaftsteuer 6.29 f. Seeschiff 5.160 ff. s. auch Schifffahrt Selbständigkeitsfiktion – Betriebsstätte 16.267, 18.23, 18.26, 18.38 Selbstbestimmung, informationelle 19.49, 19.66, 19.123 Self-executing-Normen 3.26, 3.28, 14.23, 16.32, 16.41, 16.169, 16.266, 16.291 Server 5.144 SEStEG 3.61 Sicherheit, dingliche – Kapitalvermögen 5.219 Sicherheitsleistung – Wegzugsbesteuerung 5.360, 5.382 f., 5.388 Sitz 6.4 ff., 16.201 Sitztheorie 6.7, 6.28, 17.5, 17.182 Sitzverlegung, grenzüberschreitende – Formwechsel 17.71, 17.182 – Fusionsrichtlinie 3.61 – Kapitalgesellschaft 5.190, 6.29 ff., 17.183 – Personengesellschaft 17.184 f. – Steuerentstrickung 6.29 Sollzinsen – Verrechnungspreise 18.175 Sonderausgaben 5.49, 5.106, 5.109, 5.122, 5.234, 5.242, 5.247, 5.261, 15.118 f. Sonderbetriebseinnahme – Doppelbesteuerungsabkommen 16.237 Sonderbetriebsvermögen 5.152, 5.376, 10.196, 16.237, 16.243. 16.392, 16.477, 17.170 f., 18.74

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Sondervergütungen – Doppelbesteuerungsabkommen 16.237 – Einkünftezuordnung 18.70 – Personengesellschaft 18.70, 18.72 ff. – Schiedsverfahrenskonvention 16.237 – Unternehmensgewinn 16.237 – Zinsen 16.358 Sonstige Einkünfte – Abgeordnetenbezüge 5.236 – Altersvorsorgevertrag 5.240 – Auslandsrentner 5.240 – beschränkte Steuerpflicht 5.233 ff. – Darbietung, unterhaltende 5.237 – Direktversicherung 5.240 – Know-how-Überlassung 5.237 – Leibrente 5.234 – Nutzung beweglicher Sachen 5.237 – Pensionsfonds 5.240 – Pensionskasse 5.240 – privates Veräußerungsgeschäft 5.235 – Subsidiaritätsklausel 5.237 – Überbesteuerung 5.238 – unilaterale Maßnahmen 15.99 Sozialzwecknormen 2.1, 2.21 ff. Spaltung – Abspaltung Kapitalgesellschaft 17.65 – Abspaltung Personengesellschaft 17.65 – Aufspaltung Kapitalgesellschaft 17.65 – Aufspaltung Personengesellschaft 17.65 – Einbringung 17.65 – Entstrickungsklausel 17.65 – Formwechsel 17.68 f. – Fusionsrichtlinie 3.61 – grenzüberschreitend s. Spaltung, grenzüberschreitende – Inlandsspaltung 17.65 – Teilübertragung 17.67 – Vermögensübertragung 17.67 – Vollübertragung 17.67 Spaltung, grenzüberschreitende 17.147 ff. – Abspaltung 17.151, 17.161 ff., 17.170 ff., 17.180 – Anteilstausch 17.152 – Aufspaltung 17.148 ff., 17.159 f., 17.169, 17.176 ff.

Stichwortverzeichnis – Ausgliederung 17.157, 17.168, 17.175, 17.181 – beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.166, 17.173, 17.178 – Betriebsstättenvermögen, inländisches und ausländisches 17.152 ff., 17.162 ff., 17.171 ff., 17.177 ff. – DBA, Schrankenwirkung 17.153 – Doppelbesteuerung 16.387, 16.400 – Einbringungsgewinn I 17.165, 17.171, 17.174 – Einziehung eigener Anteile 17.152 – Erwerb eigener Anteile 17.165 – Gewinnrealisation 17.152, 17.155 – Hereinspaltung 17.148, 17.154, 17.160, 17.164, 17.169, 17.172, 17.179 – Hinausspaltung 17.148, 17.151, 17.159, 17.161, 17.169 f., 17.176 – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.158 ff. – Kapital- auf Personengesellschaft 17.148 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.169 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.176 ff. – Teilbetrieb 17.149, 17.159 – unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.166, 17.173, 17.178 – Wegzug 17.150 – Wertansatzwahlrecht 17.165 – Zentralfunktion des Stammhauses 17.152, 17.155 – Zuordnungswechsel, Wirtschaftsgüter 17.152, 17.155 – Zuzug 17.154, 17.160, 17.167 Sparbuch 5.220 Sparguthaben 7.32 Spediteur 5.156 Spendenabzug 5.247 Spendenabzug 5.247 Sperrpatent 18.186 Splitting – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.329 – Tarif 5.329 – Veranlagung 5.248, 5.252 Sponsor 16.460 Spontanauskunft 19.59, 19.77, 19.115 ff. Sportler s. Künstler und Sportler Sportlerverleihgesellschaft 16.458

Staatsangehörigkeit – Diskriminierungsverbot, DBA 4.51 ff. – Diskriminierungsverbot, europarechtliches 4.12 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.207 – Doppelstaatsangehörigkeit, Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.17 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.12, 7.24 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.291 ff. – EWR-Staatsangehörige 5.48 – Gleichheitssatz 4.11 Staatsangehörigkeitsdiskriminierung 4.51 ff. Staatshaftung – Richtlinienumsetzung, fehlende 3.31 Stammhaus – Doppelbesteuerungsabkommen 16.265 – inländisches 5.345 – Vermögen 16.486 – Zentralfunktion 17.152, 17.155 Stammrecht 15.193, 16.139, 16.370, 16.543, 18.74 Standardmethoden – Verrechnungspreise 16.306, 16.31 f., 18.128 f., 18.134 ff., 18.171, 18.188, 18.190 Ständiger Vertreter – Agent 5.156 – Bankier 5.156 – beschränkte Steuerpflicht 5.137, 5.154 ff. – Geschäftseinrichtung 5.154 – Handelsvertreter 5.156 – Kommissionär 5.156 – Pächter 5.156 – Spediteur 5.156 – unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.82 – weisungsgebundener 5.157 Stätte der Geschäftsleitung 5.143 Steinbruch 5.143 Stellungnahmen der EU 3.18 Steuerabzug – Abgeltungswirkung 5.255 ff. – Abzugsverfahren 5.273 ff. – Anordnung 5.271 f. – Arbeitnehmerpflichtveranlagung 5.261

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Stichwortverzeichnis – – – – – – – –

Aufsichtsratvergütung 5.266 Ausnahmen 5.257 ff. beschränkte Steuerpflicht 5.244 ff. Betriebsausgaben 5.267 Bruttobasis 5.255, 5.263 ff. BZSt 5.262, 5.267, 5.274, 5.276 directive overriding 5.276 Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.34 f. – Einkommensteuer 5.255 ff. – Erstattungsverfahren 5.276 – Freistellungsverfahren 5.277 ff. – Grundfreiheiten 5.258 – Haftungsbescheid 5.274 – Haftungsschuldner 5.267 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.175 ff. – inländische Betriebsstätte 5.258 – Kapitalertragsteuer 5.276 – Kaskadeneffekt 5.270 – Kontrollmeldeverfahren 5.277 ff. – Körperschaftsteuer 6.23 ff. – Lizenzvergütung 5.263, 5.267 – Nettobasis 5.267 ff. – Reisekosten 5.265, 5.268 – Reverse-Charge-Verfahren 5.265 – Sicherstellung Steueranspruch 5.271 – Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG 15.127 ff. – Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG 15.130 ff. – Steuerfestsetzung 5.275 – treaty overriding 5.276 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.7, 15.14, 15.122 ff., 15.211 ff. – Vergütungsschuldner 5.267 – Vorbehalt der Nachprüfung 5.275 – Wechsel unbeschränkte/beschränkte Steuerpflicht 5.260 – Werbungskosten 5.267 Steueranrechnung – bilaterale 16.552, 16.556 – direkte 14.33, 15.6, 15.98, 15.201 ff., 15.215 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.512, 16.517, 16.552 ff. – Einkommensteuer 5.203, 5.290. 5.353, 15.69, 15.74, 15.80, 15.105, 15.114 ff. 15.119, 15.122 ff., 15.127 ff., 16.405 – fiktive 16.324, 16.566 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 5.336, 10.13, 10.202 ff.

1194

– indirekte 14.33, 15.172 – Körperschaftsteuer 15.65, 15.107, 15.151, 15.194 ff., 15.200, 15.207 – persönliche Voraussetzungen 15.57 ff. – Veräußerung 16.381, 16.385, 16.402 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 2.7., 3.26, 3.65, 5.84, 5.290, 14.16, 14.19, 14.25, 14.30, 15.6, 15.56 ff., 15.194 ff., 15.243, 16.93, 16.100, 16.123, 16.141, 16.151, 16.198, 16.213, 16.217, 16.512, 16.517 f. – zwischengeschaltete Auslandsgesellschaft 5.336 Steuerbefreiung – Ausfuhr 3.93, 9.4 – Betriebsstätten 16.448, 16.506, 16.543 ff. – Diplomaten 5.63 f., 5.66 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.5, 16.10, 16.198, 16.212 f., 16.216 ff., 16.512 ff., 16.525 ff. – Erbschaftsteuer 16.502 – Gewerbesteuer 15.220 ff. – innerstaatliches Recht 5.90 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.64, 10.119, 10.179 ff., 10.235 – Körperschaftsteuer 6.27., 15.151 ff., 16.550 – Missbauchsvorbehalt 3.71, 16.141, 16.151, 16.153 – Umsatzsteuer 9.6, 9.53 f., 9.62 ff., 9.74 ff., 9.108 ff. – Veräußerungsgewinn 15.49, 16.381 ff. – Vermeidung der Doppelbesteuerung 14.6, 14.26, 15.20 ff., 15.133, 15.141 ff., 16.441 – Zinsen 3.69, 15.187 Steuerberechtigung – Doppelbesteuerungsabkommen 16.194 ff., 16.219 – Quellensteuerberechtigung 17.37 Steuerentstrickung – Anrechnungsbetriebsstätte 5.350 – ausländische Betriebsstätte 5.345, 5.350 – Betriebsvermögen 5.349 ff., 6.33 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.268 – Einkünftezuordnung 18.26, 18.48 ff. – Entstrickungsklausel 17.11 ff., 17.19, 17.27, 17.41, 17.46, 17.61 – Entstrickungskonzeption 5.346, 5.348

Stichwortverzeichnis – fiktive Entnahme zum gemeinen Wert 5.345 – finale Entnahme 5.346 – Freistellungsbetriebsstätte 5.350 – gemeiner Wert 5.348 – Gewinnrealisierung 5.345 ff. – grenzüberschreitender Betriebsvermögenstransfer 5.348 – Grundfreiheiten 5.351 – inländisches Stammhaus 5.345 – Kapitalgesellschaften 6.29 ff. – Konzeption 5.346, 5.348 – Körperschaftsteuer 6.28 ff. – objektbezogene 5.342 – Realisationsprinzip 5.349 – Reichweite 5.37 ff. – Sitzverlegung, grenzüberschreitende 6.29 – Statuswechsel 5.347 – subjektbezogene 5.341, 5.357 f. – Theorie der finalen Betriebsaufgabe 5.346 – Theorie der finalen Entnahme 5.346 – Vermeidungsnormen 2.11 – Vorsichtsprinzip 5.349 – Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht 5.337 ff. – Wegzug 5.357 f., 6.29 ff. – Wohnsitzwechsel 5.338 Steuererlass 5.281 f., 15.132 ff., 15.140 ff., 15.216 Steuerermäßigung – Einkommensteuer 15.107, 15.120 – bei Erbschaftsteuerbelastung 15.146 ff. – Vermeidung der Doppelbesteuerung 14.17, 16.512 ff. Steuererstattung – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.270, 5.276 – Kapitalertragsteuer 6.23, 6.25, 15.170. 15.173 – Quellensteuer 16.152, 16.178, 16.377 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 14.29, 6.27, 15.112, 15.122 Steuerflucht 2.16 ff., 15.5 Steuerfreistellung – Doppelbesteuerungsabkommen 5.86, 14.22 ff., 16.219, 16.230, 16.512, 16.517, 16.521 ff. – Freistellungsbetriebsstätte 5.353, 16.543 f., 17.29

– unilaterale Maßnahmen 15.20 ff., 15.152 ff. – Unternehmensgewinn 16.230 – Welteinkommensprinzip 5.86 ff. Steuergeheimnis 19.58, 19.67 f., 19.87, 19.99, 19.110 Steuergerechtigkeit 4.5, 5.57, 14.11, 14.40, 19.108 ff. – Verteilungsgerechtigkeit 16.35, 16.314, 16.523, 18.59 Steuergut 2.7, 16.33, 16.36, 16.52, 16.57, 16.147, 16.194, 16.211 ff., 17.100, 19.108, 19.111 Steuerhinterziehung – Schiedsverfahrenskonvention 3.78 steuerliches Einlagekonto 16.344 Steuerneutralität – Fusionsrichtlinie 3.61 Steuerobjekt – Identität 12.3 f., 10.112, 10.181, 15.41, 15.149, 16.104 Steuerpauschalierung – Gleichheitssatz 4.7 – Doppelbesteuerungsabkommen 14.36 f. – unilaterale Maßnahmen 15.132 ff., 15.144 ff., 15.216 Steuerpflicht – beschränkte s. Beschränkte Steuerpflicht – erweiterte beschränkte s. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht – erweiterte unbeschränkte s. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht – fingierte s. fingierte unbeschränkte Steuerpflicht – unbeschränkte s. Unbeschränkte Steuerpflicht Steuerrecht, Europäisches s. Europäisches Steuerrecht Steuerrecht, Internationales s. Internationales Steuerrecht Steuersatzeinkommen 16.535 Steuersubjektidentität 6.18, 6.29, 6.49, 12.4 f., 15.22, 15.46, 15.59, 15.61 f., 15.64, 15.95, 15.139, 15.149, 15.179, 15.203, 16.557, 17.68, 17.86, 17.97, 17.182, 17.185 Steuerteilung 16.320 Steuerumgehung s. auch Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten – Basisgesellschaft 10.27, 10.139, 10.212

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Stichwortverzeichnis – Doppelbesteuerungsabkommen 16.124 ff. s. auch Doppelbesteuerungsabkommen, Steuerumgehung – Vermeidungsnormen 2.11 Steuerverstrickung – Betriebsstätte 17.56, 18.42, 18.53, 18.55, 18.60, 18.63 – Doppelwohnsitz 5.355 – Einkommensteuer 5.337 ff. – Einkünftezuordnung 18.53 – Formwechsel 17.186 – Freistellungsbetriebsstätte 5.353 – fiktive Einlage 6.50 – grenzüberschreitender Warenverkehr 18.63 – gemeiner Wert 5.353, 6.50 f. – Hereinverschmelzung 17.130 – Import stiller Reserven 5.353 – Kapitalgesellschaft 6.47 ff. – Körperschaftsteuer 6.49 ff. – Steuerfolgen 5.353 ff. – stille Reserven 5.337, 5.353 – Typenvergleich 6.50 – Umwandlung 17.54 – Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht 5.337 ff. – Wohnsitzwechsel 5.344 – Zuzug 5.337 ff., 17.97, 17.130 Steuerverzicht 2.7 – einseitiger 5.157 f., 14.22 – gegenseitiger 16.5 Steuerzuschlag 19.34 Stifter 11.2, 11.9, 11.19 ff. Stiftung 6.7 s. auch Familienstiftung Stiftungskapital 11.19 Stille Gesellschaft – Verlustausgleichbeschränkung 5.83 Stille Reserven – Fusionsrichtlinie 3.61 – Import 5.353 – Steuerentstrickung 5.337 – Steuerverstrickung 5.337, 5.353 – Wegzugsbesteuerung 5.358 Stock options 5.206, 16.422 Streubesitzdividende 16.324 Student – Ausbildungsvergütung 16.468 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.466 ff. – Lehrling 16.466 – Praktikant 16.466 Stundung – erweiterte 5.385 – Umwandlungssteuerrecht 17.22

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– Wegzugsbesteuerung 5. 361, 5.382 ff. – Widerruf 5. 386, 5.389 Subject to tax-Klausel – Dividende 16.349 – Doppelbesteuerung 12.8, 13.9 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.515, 16.522 ff., 16.526, 16.544, 16.552 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.9, 16.79, 16.85 f., 16.141, 16.215, 16.349 – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 16.441 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.218 Subjektives Nettoprinzip – beschränkte Steuerpflicht 5.112, 5.122 – Einkünftezuordnung 18.1 Subjektsqualifikation – ausländische Kapitalgesellschaft 6.7 – ausländische Personengesellschaft 6.7, 17.14 f., 18.20, 18.71, 18.74 Subsidiaritätsprinzip – Amts- und Rechtshilfe 19.63 – beschränkte Steuerpflicht 5.134 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.236, 16.294 – Gewinnabgrenzung 16.294 – Grundsatz in der EU 3.58 – Informationsaustausch, internationaler 19.63 – isolierende Betrachtungsweise 5.134 – Kapitalvermögen 5.216 – sonstige Einkünfte 5.237 – umgekehrtes 16.233 – Vermietung und Verpachtung 5.225 Subsidiaritätsregeln – Doppelbesteuerungsabkommen 15.68, 15.76, 16.236 – isolierende Betrachtungsweise 5.131 ff. Subsumtionskonflikt 16.60, 16.81 Summe der Einkünfte 16.559 Supranationale Normen s. Europäisches Steuerrecht Suspensionsklausel 16.352 Switch over-Klausel – Doppelbesteuerung 13.9 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.525, 16.552

Stichwortverzeichnis – Doppelbesteuerungsabkommen 16.87, 16.140 – Umwandlung, inländische mit Auslandsbezug 17.43 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.18 Symmetriethese 5.88, 14.24, 16.236, 16.532 Systemrichtlinie 3.92 ff. Tafelgeschäft 5.218 Tage – 183 Tage-Regelung 16.429 Tantieme 5.206 Tätigkeitsort – Doppelbesteuerungsabkommen 16.424 ff. – Geschäftsleitung s. Ort der Geschäftsleitung – Lieferung 9.7, 9.12 ff. – selbständige Arbeit 16.413 – sonstige Leistung 2.9, 3.90, 9.24, 9.36 ff., 9.48, 9.50, 9.54 f. Tausch – Anteile an Kapitalgesellschaften 5.187, 5.189, 16.387, 16.400, 17.7, 17.154 f., 17.199 – Anteile an Personengesellschaften 17.156, 17.186 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.120 – Tauschgeschäfte 15.194, 16.379 – Verschmelzung 17.105 Tax matching credit – Doppelbesteuerungsabkommen 16.566 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.108 – wirtschaftslenkende Norm 2.21 Tax sparing credit – Doppelbesteuerungsabkommen 16.566 – unilaterale Maßnahmen 15.108 – wirtschaftslenkende Norm 2.21 Technische Dienstleistungen 16.373 Teileinkünfteverfahren – Dreieckssachverhalt 5.93 – Trennungsprinzip 5.90 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.20 ff., 15.55 – Welteinkommensprinzip, Durchbrechung 5.90 ff. Teilwertabschreibung – Abzugsverbot 16.542

– Anteile 15.164 – außerbilanzielle Korrekturposten 18.24 – negative Einkünfte 5.72 – Verlustausgleichbeschränkung 5.82, 5.84 f. Territorialitätsprinzip 2.8 – Anknüpfungspunkt für die Einkommensteuer 5.2, 5.103 ff. – beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.103 ff. – beschränkte Körperschaftsteuerpflicht 6.42 – Doppelbesteuerungsabkommen 13.1, 14.18 f., 14.22 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.7 – Gewerbesteuer 8.1 – Umsatzsteuer 9.2 – Verlustausgleichsbeschränkung 5.76 Theorie der finalen Betriebsaufgabe – Steuerentstrickung 5.346 Theorie der finalen Entnahme – Steuerentstrickung 5.346 Thesaurierungsgesellschaft 16.176 Tie-breaker-rule 16.197 Tochtergesellschaft 16.243, 16.260, 18.102, 18.113 s. auch Muttergesellschaft Tonnagebesteuerung – Wirtschaftslenkung 2.21 Totalitätsprinzip s. Welteinkommensprinzip Transferentschädigung 5.230 Transferpaket 18.146 Transparenzprinzip – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.107 – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.50, 15.55 Treaty overriding 3.26 – Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 18.108 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.35, 16.39, 16.48, 16.86, 16.162 – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 5.14 – Einkünftezuordnung 18.30 – Familienstiftungen 11.6 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.20, 10.201 – Körperschaftsteuer 6.38 – Steuerabzug 5.276

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Stichwortverzeichnis – völkerrechtlicher Vertrag 3.26 – Wegzugsbesteuerung 5.361, 6.38 Treaty shopping 16.347 f. Treaty-shopping-Klausel 2.20, 13.9 Trennungsprinzip – Betriebsstättengewinn 18.24 f. – Doppelbesteuerung 18.178 – Einkünftezuordnung 18.24 – Familienstiftung 11.7 – Kapitalgesellschaft 10.1, 10.27 – Teileinkünfteverfahren 5.90 Treueaktie 16.341 Treuhandschaft 5.331, 10.26 ff., 10.51, 10.57, 10.59, 11.5, 11.14, 12.4, 15.59, 16.176 Treu und Glauben 3.14 Trust – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.18 – Familienstiftung 11.14 – Körperschaftsteuer 6.7 Turnkey-Projekt 18.64 Typenvergleich – Hinausverschmelzung 17.100 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.116 – Kapitalgesellschaft 6.15, 6.49 – Steuerverstrickung 6.50 – Umwandlung 17.72, 17.188 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.27, 15.34, 15.154, 15.159 – Wegzugsbesteuerung 5.375, 6.49 Typisch stille Beteiligung – Dividende 16.333 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.333 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.46 – Zinsen 16.366 Typisierung 5.76, 5.158, 10.6, 10.135 Überbesteuerung – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.222 – Wegzugsbesteuerung 5.386 Übermaßverbot 19.33 Übertragungsgewinn – Hinausverschmelzung 17.102 – Umwandlung 17.26, 17.31, 17.53 f., 17.59 f. – Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.178 Umherziehende 5.296 Umlage 18.168, 16.276, 16.312, 18.161, 18.167 f.

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Umlagevertrag 18.161, 18.163, 18.168 ff. Umsatzsteuer – Abgangsort 9.35, 9.53 – Abholfall 9.78 – Ausfuhrlieferung 9.77 ff. – Ausfuhrnachweis 9.80, 9.85 – Auslagerung 9.111 – ausländische Streitkräfte 9.108 – Beförderung, grenzüberschreitende 9.91 ff. – Beförderungslieferung 9.14 ff. – Beförderungsort 9.35, 9.52 – Bestimmungslandprinzip 9.2, 9.58, 9.74 ff., 9.81, 9.98 – Buchnachweis 9.80, 9.85 – Diplomat 9.105 – Drittlandsgebiet 9.19 – Durchfuhr 9.63 – Einfuhr 9.19, 9.57 ff., 9.91 – Einfuhr, steuerfreie 9.108 ff. – Einfuhrumsatzsteuer 9.20, 9.57, 9.66 – Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 9.108 – Eisenbahnverkehr 9.100 – Elektrizität 9.112 – Empfängerort 9.25, 9.34, 9.39 f. – Erbringungsort 9.34 f., 9.44 ff. – Erdgas 9.112 – Erwerbsbesteuerung 9.22, 9.66 – Erwerbschwelle 9.67 – Exportumsatz, steuerfreier 9.74 – Fährverkehr Helgoland 9.102 – Fahrzeug 9.22, 9.70 f. – Fiskalvertreter 9.119 – freier Verkehr 9.57 – Freihafen 9.26, 9.92 – Gegenstandsentnahme 9.28 ff. – Grenzausgleich 9.59 – Grundstücksort 9.34, 9.41 f. – Güterbeförderung 9.94 – Harmonisierung 3.83 ff. – Identifikationsnummer 9.87 – Inland 9.7 ff. – innerbetriebliches Verbringen 9.11 – innergemeinschaftliche Lieferung 9.86 ff. – innergemeinschaftlicher Erwerb 9.61 ff. – innergemeinschaftlicher Erwerb, steuerfreier 9.106 f. – innergemeinschaftlicher Versandverkauf 9.21

Stichwortverzeichnis – innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft 9.18 – Kleinsendungen nichtkommerzieller Art 9.108 – Küstengewässer 9.26 – Lieferschwelle 9.23 – Lieferung 9.10 ff. – Lieferung eingeführter Gegenstände 9.101 – Lohnveredelung 9.81 ff. – Luftfahrt 9.90 – NATO-Hauptquartier 9.79 – NATO-Streitkräfte 9.104 – NATO-Truppenstatut 9.79 – Nutzungsentnahme 9.55 – Nutzungsort 9.34, 9.51 – Offshore-Steuerabkommen 9.79 – Option 9.23 – Organschaft 9.122 – Ort der Lieferung 9.12, 9.25 – Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs 9.73 – Personalzuwendung 9.31 – Reihengeschäft 9.17 f. – Reiseverkehr, nichtkommerzieller 9.114 – Restaurationsleistung 9.24 – Reverse-Charge-Verfahren 9.116 – Richtlinie 3.86 ff. – Seeschifffahrt 9.90 – sonstige Leistungen 9.33 ff., 9.94 – Speisen und Getränke auf Seeschiffen, Luftfahrzeugen, Eisenbahn 9.24, 9.103 – Steuerausgleich 9.3 – steuerbarer Umsatz 9.7 ff. – Steuerobjekt 9.6 ff. – Steuerschuldner 9.116 – Steuersubjekt 9.116 ff. – Teilunternehmer 9.118 – Territorialitätsprinzip 9.2 – Transportlieferung 9.17 – Übergabeort 9.34, 9.43 – Umsatzort 9.34, 9.50 – unentgeltliche Lieferung 9.32 – unentgeltliche sonstige Leistung 9.56 – Unternehmensort 9.34 ff., 9.54 f. – Unternehmer 9.117 ff. – Ursprungslandprinzip 9.5 – Verbrauchsort 9.25 – Verbrauchsteuercharakter 9.1 – verbrauchsteuerpflichtige Waren 9.22 – Verfügungsmacht 9.10

– – – – –

Verkehrsteuer 9.1 Vermittlung Exportumsatz 9.97 ff. Versendungslieferung 9.14 ff. Vorsteuer 3.98, 9.16, 9.20, 9.119 f. Vorsteuer-Vergütungsverfahren 9.120 – Werkleistung 9.84 – zwischenstaatliche Einrichtung 9.105 Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz 9.91, 9.93 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer 9.39 f., 9.49 ff., 9.63, 9.73, 9.87 Umsatzsteuer-Richtlinien 3.86 ff. Umschaltklausel s. switch over-Klausel Umwandlung, grenzüberschreitende 17.70 ff. – Anteilseinbringung 17.73 – Betriebseinbringung 17.73 – Drittstaat 17.72 – Einbringung 17.76 ff., 17.84 ff., 17.94 ff., 17.132 ff. – Ersatzkonstruktion 17.71 – Europäisierung 17.72 – Formwechsel 17.182 ff. – Grundfreiheiten 17.72 – Hereinverschmelzung 17.91 ff. s. auch Hereinverschmelzung – Hinausverschmelzung 17.75 ff. s. auch Hinausverschmelzung – Möglichkeiten 17.70 – Niederlassungsfreiheit 17.70 – Spaltung 17.147 ff. s. auch Spaltung, grenzüberschreitende – Typenvergleich 17.72 – vergleichbare Vorschrift 17.72 – Vergleichbarkeitsprüfung 17.72 – Verschmelzung 17.75 ff. s. auch Verschmelzung, grenzüberschreitend Umwandlung, ausländische mit Inlandsbezug 17.187 ff. – Betriebsstättenvermögen, ausländisches und inländisches 17.193 ff., 17.203 f., 17.206 f. – Einbringung 17.179, 17.203 – Formwechsel 17.209 ff. – Formwechsel, identitätswahrender 17.210 – Formwechsel, rechtsformübergreifender 17.211 – Gesellschafterebene 17.200 – Gesellschaftsebene 17.198 – Spaltung 17.208 – Typenvergleich 17.188

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Stichwortverzeichnis – vergleichbarer Umwandlungsvorgang 17.188 f., 17.211 – Vergleichbarkeitstest 17.188 f. – Verschmelzung 17.191 ff. – Verschmelzung, Vergleichbarkeit 17.198 – Wegzug 17.212 Umwandlung, inländische mit Auslandsbezug 17.25 ff. – Anrechnungsbetriebsstätte 17.29 – beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter 17.30, 17.38, 17.40, 17.48, 17.54 – Betriebsstättenprinzip 17.63 – Betriebsstättenvermögen, ausländisches und inländisches 17.26 f., 17.42 f., 17.47, 17.62 f. – Betriebsvermögenstransfer 17.61 – Bewertungswahlrecht 17.30 – Buchwertansatz 17.52, 17.56 – Buchwertfortführung 17.27 – DBA, Schrankenwirkung 17.49, 17.62 – Einbringung 17.51, 17.61 – Einbringungsgewinn 17.53 f. – Einbringungsgewinn I 17.58 f. – Einbringungsgewinn II 17.60 – Einlage von Anteilen 17.34 – Einlagefiktion 17.33 – Entstrickungsklausel 17.27, 17.41, 17.46, 17.61 – Freistellungsbetriebsstätte 17.29 – Formwechsel – Fußstapfentheorie 17.48 – gemeiner Wert 17.27, 17.56 – Gesellschafterebene 17.26, 17.45 – Gesellschaftsebene 17.26, 17.41 – Infizierungstheorie 17.48 – Inlandsverschmelzung 17.45, 17.51, 17.61 – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.41 ff. – Kapital- auf Personengesellschaft 17.26 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.50 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.61 ff. – Kapitalertrag 17.38 – offene Rücklagen 17.37 – Privatvermögen 17.34, 17.47 – Quellensteuerberechtigung 17.37 – Sacheinlage 17.58 – Spaltung 17.64 ff. – Steuerverstrickung 17.54

1200

– switch over-Klausel 17.43 – Übernahmeergebnis, zweistufige Ermittlung 17.36 – Übernahmegewinn 17.32, 17.44 – Übertragungsgewinn 17.26, 17.31, 17.53 f., 17.59 f. – unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.28, 17.48, 17.52 – Veräußerungsteil 17.39 – Verschmelzung 17.26 ff. – Wegzugsbesteuerung 17.60 – Zuordnungswechsel, Wirtschaftsgüter 17.41 Umwandlungsgewinne – Hinzurechnungsbesteuerung 10.128 ff. Umwandlungssteuerrecht 17.1 ff. – Amtshilferichtlinie 17.23 – Außensteuerrecht 17.3 – ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug s. Umwandlung, ausländische mit Inlandsbezug – Begriff 17.1 ff. – Beitreibungsrichtlinie 17.23 – Betriebsaufgabe 17.9 – Betriebsvermögenstransfer 17.16 – Doppelbesteuerungsrecht 17.7 – dogmatische Grundlagen 17.8 ff. – Entnahme 17.9 – Entstrickungsklausel 17.11 ff., 17.19 – Europäisierung 3.61 ff., 17.5 – europarechtliche Schranken 17.20 ff. – fiktive Entnahme 17.9 – fiktive Veräußerung 17.9 – Formwechsel 17.68 f., 17.182 ff., 17.209 f. – Fusionsrichtlinie 17.3 – Gewinnrealisierung 17.8 ff., 17.20 – grenzüberschreitend 17.70 ff. s. auch Umwandlung, grenzüberschreitend – Hereinverschmelzung 17.91 ff. s. auch Hereinverschmelzung – Hinausverschmelzung 17.75 ff. s. auch Hinausverschmelzung – Imparitätsprinzip 17.14 – inländische Umwandlung mit Auslandsbezug s. Umwandlung, inländische mit Auslandsbezug – internationales 17.1 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip 17.14 f., 17.19 – Markteinkommen 17.15

Stichwortverzeichnis – – – –

Niederlassungsfreiheit 17.20 Normengefüge 17.3 ff. Realisationsprinzip 17.9, 17.14 f. Sicherstellung Steueraufkommen 17.20 – Sofortversteuerung 17.20 – Spaltung 17.64 ff. s. auch Spaltung – Stundungslösung 17.22 – Übermaßverbot 17.19 – Übertragung stiller Reserven 17.17 – ultima-ratio-Besteuerung 17.9, 17.19, 17.22 – Verschmelzung 17.26 ff. s. auch Verschmelzung – Verstrickung 17.13 – Wegzug 17.9 UN- Musterabkommen 16.16 Unbeschränkte Steuerpflicht – Doppelbesteuerung 14.1 – doppelte Anknüpfung bei Erbschaftsteuer 7.4 – Einkommensteuer 5.9 ff. – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.8 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.37 f. – Körperschaftsteuer 6.1 ff. – Wechsel zur beschränkten 5.337 ff., 6.28 ff. – Wohnsitz 5.12 ff. – Wohnsitzprinzip 5.9 ff. – Wohnung 5.14 ff. Unbewegliches Vermögen 5.192 ff. – Belegenheitsprinzip 5.192 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.219 ff., 16.381 ff. – Eintragung 5.192 – Veräußerungsgewinn 16.381 ff. – Verwertung 5.192 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Abgeltungswirkung 15.171 – Anrechnung Erbschaftsteuer 15.247 ff. – Anrechnung fiktiver Steuern 15.13 – Anrechnungseinkünfte 15.14 – Anrechnungshöchstbetrag 15.111 ff., 15.205 – Anrechnungsmethode 15.1, 15.3 – Anrechnungsüberhang 15.7, 15.117, 15.121 – Anrechnungsvolumen 15.72 – Ausgabenabzugsbeschränkung 15.161 – Auslandsbegriff 15.69

– Auslandsdividende 15.152 – Auslandssteuer, anrechenbare 15.100 ff. – Auslandstätigkeitserlass 15.135, 15.140 ff. – Avalprovision 15.84 – Basisgesellschaft 15.62 – Belegenheitsprinzip 15.75 – Betriebsausgabenabzug 15.153 – Betriebsstätte 15.80 – Billigkeitsmaßnahmen 15.136 – Bruttoertrag 15.241 – Bürgschaftsprovision 15.84 – capital gains tax 15.249 – carry back 15.116 – carry forward 15.116 – DBA, Konkurrenz 15.12 ff. – Dividende, steuerfreie 15.152 ff., 15.223 ff. – Drittstaatensteuer 15.101 – Durchschnittssteuerbelastung 15.113 – Einkommensteuer 15.1 ff. – Einlagerückgewähr 15.158, 15.179 – Erbanfallsteuer 15.249 – Erbschaftsteuer 15.146 ff., 15.243 ff. – Erbschaftsteuerabkommen 15.246 – Erlassmethode 15.10 – Ermäßigungsanspruch 15.107 – Finanzdienstleistungsinstitut 15.162, 15.186 – Freistellungsmethode 15.1 f. – Funktionsholding 15.238 – Gesamtoption 15.14 – Gewerbetrieb 15.77 ff. – Gewerbesteuer 15.217 ff. – Gewinnausschüttung 15.37, 15.40 ff. – Gewinnminderung 15.183 – Härteausgleich 15.148 – Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG 15.161, 15.224 – Hinzurechnungsbesteuerung 15.37 ff., 15.106 – Höchstbetrag, Erbschaftsteuer 15.252 – Investmentertrag 15.50 ff. – isolierende Betrachtungsweise 15.67 – Jahressteuerprinzip – Kapitalanteilsveräußerung 15.174 ff. – Kapitalexportneutralität 15.4, 15.122 – Kapitalimportneutralität , 15.133

1201

Stichwortverzeichnis – Kapitalverkehrsfreiheit 15.25, 15.112 – Kapitalvermögen 15.97 – Kaskadeneffekt 15.168 – Kassenprinzip 15.96 – Körperschaftsteuer 15.151 ff. – Körperschaftsteueranrechnung 15.207 ff. – Korrespondenzprinzip 15.152 f. – Krankenversicherungsgesellschaft 15.164, 15.186 – Kreditinstitut 15.162, 15.186 – Kürzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG 15.233 ff. – Land- und Forstwirtschaft 15.75 f. – Landesholding 15.238, 15.241 – Lebensversicherungsgesellschaft 15.164, 15.186 – Leistungsfähigkeitsprinzip 15.5, 15.108, 15.112, 15.122, 15.206 – Liefergewinnbesteuerung 15.19 – Lizenzgebühren 15.187 ff. – mittelbare Beteiligung 15.238 – Mitunternehmerschaft 15.156 – Mutter-Tochter-Richtlinie 15.164, 15.172 – Nachholeffekt 15.108 – Nachlasssteuer 15.249 – nichtselbständige Arbeit 15.95 f. – Niederlassungsfreiheit 15.25, 15.101, 15.112 – Nießbrauch 15.60 – ordinary credit 15.6, 15.112 – Organschaft 15.61, 15.155, 15.203 – overall limitation 15.115 – partielle Steuerfreistellung 15.21 – Pauschalierungserlass 15.135, 15.144 ff. – Pauschalierungsmethode 15.10 – per community limitation 15.115 – per country limitation 15.69, 15.114 f., 15.122, 15.128, 15.145 – per item limitation 15.73, 15.111 – Personengesellschaft 15.59, 15.81, 15.204 – Personengesellschaft, doppelstöckige 15.225 – Progressionsvorbehalt 15.54 – Qualifikationsverkettung 15.157 – REIT-AG 15.55 – Sachdividende 15.158, 15.179 – Schachtelprivileg, gewerbesteuerliches 15.218, 15.232 ff. – Schachtelstrafe 15.153 – selbständige Arbeit 15.86 ff.

1202

– sonstige Einkünfte 15.99 – ständiger Vertreter 15.82 – Steuerabzug 15.7, 15.14, 15.122 ff., 15.211 ff. – Steueranrechnung 15.6, 15.56 ff., 15.194 ff., 15.243 – Steueranrechnung, direkte 15.198, 15.201 ff. – Steuererlass 15.132 ff., 15.140 ff., 15.216 – Steuerflucht 15.5 – Steuerfreistellung 15.20 ff., 15.152 ff., 15.188 – Steuerpauschalierung 15.132 ff., 15.144 ff., 15.216 – Steuerobjektidentität 15.104 – Steuersubjektidentität 15.59, 15.64, 15.203 – subject to tax-Klausel 15.218 – switch-over-Klausel 15.18 – tax sparing credit 15.108 – tax matching credit 15.108 – Teileinkünfteverfahren 15.20 ff., 15.55 – Territorialitätsprinzip 15.217 – Transparenzprinzip 15.50, 15.55 – Treuhänder 15.59 – Typenvergleich 15.27, 15.34, 15.154, 15.159 – Übertragungsgewinn 15.178 – Veräußerungsgewinn 15.37, 15.48 ff., 15.91 ff., 15.174 ff. – Veräußerungsverlust 15.183 – verdeckte Gewinnausschüttung 15.152, 15.179 – Vermietung und Verpachtung 15.98 – Währungsverlust 15.71 – Welteinkommensprinzip 15.108, 15.125 – Welteinvermögensprinzip 15.243 – Wertaufholung 15.181 – Wertminderung 15.184 – Zins-und Lizenz-Richtlinie 15.187 – Zinsbegriff 15.190 – Zinsen 15.187 ff. – Zwischengesellschaft 15.37, 15.41, 15.46 Unionsbürger – fingierte unbeschränkte Steuerpflicht 5.48 Unionsrecht s. auch Europäisches Steuerrecht – AEUV 3.20 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 3.20 – Auslegung 3.36, 3.50 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – –

Beschluss 3.18, 3.47 Bilanzrichtlinie 3.79 ff. Binnenmarktrichtlinie 3.91 Dienstleistungsfreiheit 3.20 Empfehlung 3.18, 3.48 Energiesteuerrichtlinie 3.92 Fusionsrichtlinie 3.61 ff. Grundrechtsschranke 3.39, 3.41 Grundfreiheiten 3.20 Harmonisierung 3.58 ff. IFRS-Verordnung 3.82 Kapitalverkehrsfreiheit 3.20 Kompetenzschranke 3.42 Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 3.85 – Mutter-Tochter-Richtlinie 3.65 ff. – Niederlassungsfreiheit 3.20 – non self-executing 3.28 – primäres 3.20 – Richtlinie 1.7, 3.16, 3.46 – Schiedsverfahrenskonvention 3.74 ff. – sekundäres 3.15 ff. – Stellungnahme 3.18, 3.48 – Systemrichtlinie 3.92 ff. – Umsatzsteuer-Richtlinie 3.86 ff. – Verbrauchsteuer-Richtlinie 3.92 ff. – Verordnung 3.17, 3.45 – Vorrang ggü. innerstaatlichem Recht 3.38 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff. – Zinsrichtlinie 3.72 f. Unionsrechtskonforme Auslegung 3.36, 3.54 ff. – effet utile 3.57 Universalitätsprinzip s. Welteinkommensprinzip Unmittelbare Beteiligung 16.548 Unterbeteiligung – stille 10.52 Untergesellschaft – ausländische Zwischengesellschaft 10.14, 19.174, 10.217 f., 10.219 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.178 f., 10.237 ff. – Zurechnungsbetrag 10.220 ff. Unterkapitalisierung 10.16 Unterlassungsklage 19.61 Unternehmen, verbundenes – Doppelbesteuerungsabkommen 16.289 ff. – Schiedsverfahrenskonvention 3.74 ff. Unternehmensberater – beschränkte Steuerpflicht 5.139

Unternehmensgewinn – Begriffsabgrenzung 16.234 ff. – Betriebsaufspaltung 16.246 – Betriebsstättenbegriff 16.241 ff. – Betriebsstättengewinn 16.239 ff. – Betriebsstättenprinzip 16.230, 16.240 – Betriebsstättenstaat 16.230 – Betriebsstättenvermögen 16.264 – Betriebsstättenvorbehalt 16.233 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.229 ff. – eigengewerbliche Tätigkeit 16.236 – Einkünftequalifikation 16.236 – Freistellungsmethode 16.230 – Geschäftseinrichtung, feste 16.242 – Geschäftsstelle 5.143, 16.252 – Gewinnzuordnung 16.264 ff. – Kontroll- und Koordinierungsstelle 16.250 – Ort der Leitung 16.250 – passiver Erwerb 16.240 – Person 16.235 – Personengesellschaft 16.237, 16.243 – Sonderbetriebseinnahme 16.237 – Sondervergütung 16.237 – Subsidiaritätsprinzip, umgekehrtes 16.233 – Subsidiaritätsregel 16.236 f. – Symmetriethese 16.236 – Tochtergesellschaft 16.243 – Unternehmen 16.234 – Wohnsitzprinzip 16.229 Unternehmensort – Ort der sonstigen Leistung 2.9, 3.90, 9.24, 9.36 ff., 9.48, 9.50, 9.54 f. Unternehmensstiftung 11.19 Unternehmer 9.116 Untersuchungspflicht 19.7 Urheberrecht 5.192, 5.195, 5.201, 5.256, 7.63, 16.372, 16.374, 16.490 Ursachen der Doppelbesteuerung 13.1 ff. Ursprungslandsprinzip 9.114 Veranlagung – Antragsveranlagung 5.251 – außergewöhnliche Belastungen 5.249 – Ausland 5.253 – Betriebsausgaben 5.245 – beschränkte Steuerpflicht 5.244 ff. – Doppelbesteuerung, Vermeidung 5.253 – Einkommensteuer 5.244 ff.

1203

Stichwortverzeichnis – Entlastungsbetrag 5.248 – Grundtabelle 5.251 – Körperschaftsteuer 6.21 ff. – Progressionsvorbehalt 5.251 – Sonderausgaben 5.247 – Spendenabzug 5.247 – Splitting 5.248, 5.252 – Verlustausgleich 5.246 f. – Werbungskosten 5.245 – Wohnsitzstaat 5.254 Veranlassungsprinzip 9.114, 18.13 f., 18.34 f., 18.41, 18.65, Veräußerung – Hinzurechnungsbesteuerung 10.118 ff., 10.178 ff. – Kapitalgesellschaftsanteile 5.187, 5.216, 5.220 – Verlustausgleichbeschränkung 5.82 Veräußerungsgewinn 5.93, 5.96, 5.172, 5.206 ff., 5.226, 5.379, 10.152, 10.172 ff., 15.49 ff., 16.388 ff. – Belegenheitsprinzip 16.381 ff. – Betriebsstättenprinzip 16.385, 16.390 – bewegliches Betriebsvermögen 16.385 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.378 ff. – funktionale Betrachtungsweise 16.392 – Immobiliengesellschaft 16.382, 16.396 ff. – Kapitalgesellschaftsanteil 16.386, 16.400 – Luftfahrzeug 16.394 – Personengesellschaftsbeteiligung 16.388 – Schiff 16.394 f. – Sonderbetriebsvermögen 16.392 – Spaltung 16.387 – tatsächliche Zugehörigkeit 16.391 – übriges Vermögen 16.399 ff. – Umwandlung 16.386 ff. – unbewegliches Vermögen 16.381 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.48 ff., 15.91 ff., 15.174 ff. – Vermögensübertragung 16.387 – Verschmelzung 16.387 – Wegzugsbesteuerung 16.401 Veräußerungsverlust – unilaterale Maßnahme 15.183 – Wegzugsbesteuerung 5.378 Verbot der Doppelbesteuerung 2.5, 4.10

1204

Verbot des Rechtsmissbrauchs 3.14 Verbot extraterritorialer Besteuerung 16.353 ff. Verbrauchsteuer 3.84, 3.88, 3.93 ff., 4.48, 9.1, 9.22 f., 9.28, 9.55, 9.48, 9.58,. 9.69, 13.6, 16.92 Verbrauchsteuer-Richtlinien 3.92 ff. Verbundenes Unternehmen – Doppelbesteuerungsabkommen 16.289 ff. – Schiedsverfahrenskonvention 3.74 ff. Verdeckte Einlage s. auch Einlage – Dreiecksgestaltung 18.102 – Kapitalgesellschaftsanteil 5.187 – Korrespondenzprinzip 18.99 – Nutzungsüberlassung 18.96 – Rechtsfolge 18.98 ff. – Schwestergesellschaft 18.102 – Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns 18.95 – steuerliches Einlagekonto 18.98 Verdeckte Gewinnausschüttung – Abgeltungsteuer 18.93 – beherrschender Gesellschafter 18.87 – Dividende 16.341 – Dreiecksverhältnis 18.89 – Fremdvergleich 18.84 – Hinzurechnung auf Gesellschaftsebene 18.91 – Kapitalertragsteuer 18.93 – Korrespondenzprinzip 18.90 – Nutzungen und Leistungen 18.89 – ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter 18.84 – Rechtsfolge 18.91 ff. – Schwestergesellschaft 18.89 – Teileinkünfteverfahren 18.93 – Vereinbarung, von vornherein getroffene 18.87 – verhinderte Vermögensmehrung 18.84 – Vermeidungsnorm 2.11 – Vermögensminderung 18.84 – Vorteilsausgleich 18.85 – Vorteilsverbrauch 18.89 Verdecktes Nennkapital 16.339 Verein 7.5, 7.29, 10.53 Vereinfachungszwecknorm 2.1 Vereinte Nationen 16.16 Verfassungsbeschwerde – EuGH als gesetzlicher Richter 3.36 – Gleichheitssatz 4.12 Verfassungsrecht 3.43

Stichwortverzeichnis Verfügungsgewalt 16.417 Verfügungsmacht – Betriebsstätte 5.144, 16.242 – Verschaffung 9.10, 9.12, 9.61, 10.90 f. – Wohnung 5.15 – Zurechnung 11.47 Vergleich – innenbetrieblicher 16.309 f. – außenbetrieblicher 16.309 f. Vergleichbarkeit – direkte 16.301, 16.307 – indirekte 16.301, 16.307 Vergleichswertverfahren 7.35 Vergütungsschuldner – Steuerabzug 5.267 Verkaufsgesellschaft 10.26 Verkaufsförderung, gemeinsame 18.164 Verkaufsstand, fahrbarer 5.144 Verkehr – freier 3.83, 4.17, 423, 9.27, 9.57, 9.63, 9.93, 9.110 – gewerblicher 3.84 – innergemeinschaftlicher 3.93 – internationaler 5.165 – wirtschaftlicher 2.20, 4.17, 6.27, 9.3, 10.93 f., 10.101, 10.109 Verletzung von Dokumentationspflichten 19.31 ff. Verluste – Ausgleich s. Verlustausgleich – Beschränkung s. Verlustausgleichsbeschränkung – Doppelbesteuerung 16.532 Verlustausgleich – Beschränkung 5.69 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 5.89 – horizontaler 5.70 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.182 ff. – interperiodischer 5.70 – Veranlagung 5.246 f. – vertikaler 5.70 Verlustausgleichsbeschränkung – Auflösung 5.82 – Betriebsstätte 5.80 – Einkommensteuer 5.69 ff. – Entnahme 5.82 – Kapitalherabsetzung 5.82 – negativer Progressionsvorbehalt 5.74, 16.537 f. – Niederlassungsfreiheit 5.75 – partiarische Darlehen 5.83

– – – – – – –

per country limitation 5.73 Sachinbegriff 5.84 stille Gesellschaft 5.83 Teilwertabschreibung 5.82, 5.85 Territorialitätsprinzip 5.76 Veräußerung 5.82 Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens 5.84 – Welteinkommensprinzip, Durchbrechung 5.69 ff. Verlustberücksichtigungsverbot 16.532, 16.539 Vermeidungsnorm 2.10 ff. – Außensteuerrecht 2.11 – Doppelbesteuerung 16.512, 16.531 – Einkünfteberichtigung 2.11 – Einkünfteverlagerung 2.13 – Familienstiftung 2.12 – Hinzurechnungsbesteuerung 2.12 – Holdinggesellschaft 2.20 – Künstler- und Sportlergemeinschaft 2.20 – Steuerentstrickung 2.11 – Steuerflucht 2.16 ff. – Steuerumgehung 2.12 – treaty-shopping-Klausel 2.20 – verdeckte Gewinnausschüttung 2.11 – Vermögensverlagerung 2.13 – Wegzugsbesteuerung 2.11 Vermietung und Verpachtung s. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Vermittlungsleistung – Ort der sonstigen Leistung 9.50 – Umsatzsteuerbefreiung 9.97 Vermögen – Auffangklausel 16.490 – Belegenheitsprinzip 16.482 – Betriebsstättenprinzip 16.484 ff. – bewegliches Vermögen 16.484 – direkte Methode 16.488 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.478 ff. – funktionaler Zusammenhang 16.485 – Gewerbekapital 16.478 – Grundsteuer 16.478 – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.315 – Ort der Geschäftsleitung 16.489 – Stammhaus 16.486 – tatsächliche Zugehörigkeit 16.485 – unbewegliches Vermögen 16.482 – Vermögensteuer 16.478

1205

Stichwortverzeichnis – Vermögenswerte, Aufteilung 16.488 – Wohnsitzprinzip 16.490 ff. Vermögensanfall – Erbschaftsteuer 7.1, 7.4 ff., 7.26 ff. 7.31 Vermögensmehrung, verhinderte – verdeckte Gewinnausschüttung 18.84 Vermögensminderung – verdeckte Gewinnausschüttung 18.84 Vermögensübertragung – Doppelbesteuerungsabkommen 16.386 – internationale 17.67, 17.93, 17.118, 17.147, 17.164, 17.182, 17.211 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.20 Vermögensverlagerung – Empfängerbenennung 19.52 – Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer 7.55 – Vermeidungsnormen 2.13 Vermögensverwaltung 5.193, 9.18, 10.26, 16.165 Vermögenszuordnung 18.9, 18.15, 18.38, 19.94 Vermögenszuwachs – Wegzugsbesteuerung 5.357, 5.378, 16.192 Verordnungen der EU 3.17, 3.45 – Normenhierarchie 3.29 Verrechnung 18.161 Verrechnungspreisanalyse 18.138, 19.29, 19.32 Verrechnungspreise s. auch Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) – Bandbreite 18.128 – Bandbreite, Einengung 18.129 – Dokumentationspflicht 18.138 – Einigungsbereich 18.131 – Entrepreneur-Funktion 18.140 – Fremdvergleich 18.127 ff. – Fremdvergleich, hypothetisch 18.127, 18.131 – Fremdvergleich, tatsächlich 18.127 f. – Fremdvergleichswert, eingeschränkt vergleichbar 18.129 – Fremdvergleichswert, uneingeschränkt vergleichbar 18.128 – Funktionsanalyse 18.128, 18.131 f. – Funktionsverlagerung 18.144 ff. s. auch Funktionsverlagerung

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– Gewinnaufteilungsmethode 18.129, 18.140 f. – Gewinnaufteilungsmethode, globale 18.141 – Gewinnvergleichsmethode, globale 18.141 – gewinnorientierte Methoden 18.140 – Gewinnpotential 18.131 – Interquartil-Methode 18.129 – Kostenaufschlagsmethode 18.128, 18.135 – Lohnfertiger 18.140 – Median 18.130 – Methoden 18.134 ff. – Mittelwert 18.132 – Nettomargenmethode 18.141 – Palettenbetrachtung 18.141 – Preisvergleichsmethode 18.128, 18.135 – Routineunternehmen 18.141 – Schiedsverfahrenskonvention 3.75 – Standardmethoden 18.128 f., 18.134 ff. – transaktionsbezogene Methoden 18.129, 18.139 – Wiederverkaufspreismethode 18.128, 18.135 Versandhandel 9.68 Verschmelzung 17.26 ff. – Anrechnungsbetriebsstätte 17.29 – beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter 17.30, 17.38, 17.40, 17.48, 17.54 – Betriebsstättenprinzip 17.63 – Betriebsstättenvermögen, ausländisches und inländisches 17.26 f., 17.42 f., 17.47, 17.62 f. – Betriebsvermögenstransfer 17.61 – Bewertungswahlrecht 17.30 – Buchwertansatz 17.52, 17.56 – Buchwertfortführung 17.27 – DBA, Schrankenwirkung 17.49, 17.62 – Einbringung 17.51, 17.61 – Einbringungsgewinn 17.53 f. – Einbringungsgewinn I 17.58 f. – Einbringungsgewinn II 17.60 – Einlage von Anteilen 17.34 – Einlagefiktion 17.33 – Entstrickungsklausel 17.27, 17.41, 17.46, 17.61 – Freistellungsbetriebsstätte 17.29 – Fußstapfentheorie 17.48 – gemeiner Wert 17.27, 17.56

Stichwortverzeichnis – Gesellschafterebene 17.26, 17.45 – Gesellschaftsebene 17.26, 17.41 – grenzüberschreitend 17.75 ff. s. auch Umwandlung, grenzüberschreitend und Verschmelzung, grenzüberschreitend – Hereinverschmelzung 17.91 ff. s. auch Hereinverschmelzung – Hinausverschmelzung 17.75 ff. s. auch Hinausverschmelzung – Infizierungstheorie 17.48 – Inlandsverschmelzung 17.45, 17.51, 17.61 – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.41 ff., 17.99 ff., 17.196 ff. – Kapital- auf Personengesellschaft 17.26 ff., 17.75 ff., 17.191 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.50 ff., 17.131 ff., 17.201 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.61 ff., 17.142 ff., 17.205 ff. – Kapitalertrag 17.38 – offene Rücklagen 17.37 – Privatvermögen 17.34, 17.47 – Quellensteuerberechtigung 17.37 – Sacheinlage 17.58 – Steuerverstrickung 17.54 – switch over-Klausel 17.43 – Übernahmeergebnis, zweistufige Ermittlung 17.36 – Übernahmegewinn 17.32, 17.44 – Übertragungsgewinn 17.26, 17.31, 17.53 f., 17.59 f. – unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter 17.28, 17.48, 17.52 – Veräußerungsteil 17.39 – Wegzugsbesteuerung 17.60 – Zuordnungswechsel, Wirtschaftsgüter 17.41 Verschmelzung, grenzüberschreitend 17.75 ff. – Hereinverschmelzung 17.91 ff. s. auch Hereinverschmelzung – Hinausverschmelzung 17.75 ff. s. auch Hinausverschmelzung – Kapital- auf Kapitalgesellschaft 17.99 ff. – Kapital- auf Personengesellschaft 17.75 ff. – Personen- auf Kapitalgesellschaft 17.131 ff. – Personen- auf Personengesellschaft 17.142 ff. Versendungslieferung 9.14, 9.17, 9.68 f.

Versicherung, eidesstattliche 19.52, 19.21, 19.23, 19.38 Versicherungsgeschäft – Hinzurechnungsbesteuerung 10.82 ff. Verständigungsverfahren – Abhilfeverfahren 16.100 – Antragsbefugnis 16.94 – Antragsfrist 16.98 – Billigkeitsmaßnahme 16.103 – BZSt 16.96 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.79, 16.88 ff., 16.320 – Ermessensausübung 16.101 – Festsetzungsfrist 16.102 – Internationaler Schiedsgerichtshof 16.93 – Konsultationsverfahren 16.89, 16.108 f. – Leistungsfähigkeit 16.101 – Schiedsverfahren 16.89, 16.93, 16.110 ff. – Schiedsverfahrenskonvention 3.75, 16.89 – Streiterledigungsmittel, bilaterale 16.90 – Umsetzungsverfahren 16.99 – Verwaltungsabkommen 16.91 – Verwaltungsverfahren 16.90 – Vorprüfungsverfahren 16.100 – Wegzugsbesteuerung 5.361, 5.380 Verteilungsgerechtigkeit 5.57, 5.60, 16.35, 16.314, 16.325, 18.59 Verteilungsnorm 16.34, 16.83, 16.211 ff., 16.512, 16.531 Vertrag, völkerrechtlicher, s. völkerrechtlicher Vertrag Vertreter – abhängiger s. Abhängiger Vertreter – ständiger s. Ständiger Vertreter Vertreterbetriebsstätte 18.57 ff. Vertriebsgesellschaft 10.90, 10.93, 16.309, 16.374, 18.151 Verwaltungsabkommen 16.91, 16.109, 19.122 Verwaltungsratsvergütung s. Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütung Verwaltungssitz 6.29 Verwertung – künstlerischer oder sportlicher Tätigkeit 5.111, 5.137, 5.169, 5.172, 5.179 ff. 5.192, 16.57 – nichtselbständiger Arbeit 5.205, 5.208 f., 5.282, 15.95, 16.425

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Stichwortverzeichnis – selbständiger Arbeit 2.9, 5.197, 5.200 ff., 15.86, 16.407 – Vermietung und Verpachtung 5.226, 5.229, 5.243 – von Rechten 16.408 Verzichtsnorm 16.34 Virtuelle Doppelbesteuerung 12.8, 16.216, 16.522 Völkerbund 16.14 Völkergewohnheitsrecht 3.11 ff. – Doppelbesteuerungsabkommen 16.76 – Normenhierarchie 3.23 – steuerrechtliches 3.13 Völkerrecht 1.6, 3.4 ff. – Diskriminierungsverbot 4.1 – Doppelbesteuerung, Verbot 2.5 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 14.3 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.19 – Gewohnheitsrecht 3.11 f. – Grundgesetz 3.25 – Normenhierarchie 3.21 ff. – Rechtsgrundsätze, allgemeine 3.14 ff. – Theorie 16.57, 16.64 – Verträge 3.6 ff. s. auch Völkerrechtliche Verträge Völkerrechtsfreundlichkeit 3.24 ff. Völkerrecht, Rechtsgrundsätze 3.14 ff. – Normenhierarchie 3.23 – Treu und Glauben 3.14 – Verbot des Rechtsmissbrauchs 3.14 Völkerrechtssitte 5.66 Völkerrechtliche Verträge 3.6 ff. – bilateral 3.9 – DBA 3.25 – europäisches Steuerrecht 3.49 – multilateral 3.10 – Normenhierarchie 3.24 f. – Paraphierung 3.8 – Ratifikation 3.8 – self executing 3.26 – treaty overriding 3.26 – Verletzungen 3.25 – Zustimmungsgesetz 3.8 Vorabausschüttung 15.27, 15.44, 15.233 Vorauseinnahmen – Betriebsstätte 18.35, 1837 Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH 3.50 Vorabverständigungsverfahren s. Advanced Pricing Agreements

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Vorbehalt der Nachprüfung – Steuerabzug 5.275 Vorbereitungstätigkeiten 5.146 Vorlageverfahren zum EuGH 3.35 f. Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren – Verständigungsverfahren 16.99 f. Vorrang des Unionsrechts – Anwendungsvorrang 3.38 f. – Grundrechtsschranke 3.39, 3.41 – primäres Unionsrecht 3.38 – sekundäres Unionsrecht 3.38 Vorstand 18.159 Vorstandsmitglied 5.211 Vorsteuer 3.98, 9.16, 9.20, 9.58, 9.119 f. Vorsteuer-Vergütungsverfahren 9.120 Vorteilsausgleich 16.313 ff., 16.318, 18.85, 18.118 ff. Vorteilsverbrauch 18.89 Vorverfahren 16.118 ff. Vorwegauskunft 18.188 Vorzugsbesteuerung – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.301 Wahlkonsul 5.65 Währungsverlust 15.71 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 16.218, 16.532 – umrechnungsbedingter 18.19 ff. Wandelschuldverschreibung 16.335 Warenlager 5.143 Warenkredit 18.178 Warenlieferung – Absatzmarkt 18.152 – Anlaufkosten 18.153 – Datenbankanalyse 18.151 – Deckungsbeitrag 18.153 – Eigenhändler 18.151 – Eigenproduzent 18.150 – Entrepreneuer 18.150 – Forschung und Entwicklung 18.155 – Funktionsanalyse 18.149 – Handelsspanne 18.151 – Handelsvertreter 18.151 – Kampfpreis 18.152 – Kommissionär 18.151, 18.153 – Kostenaufschlagsmethode 18.150 – Lohnfertiger 18.150 – Markterschließung 18.152 – Nebenleistung 18.155 – Preisvergleichsmethode 18.150 – Produktionsunternehmen 18.150 – Provision 18.151 – Risikoanalyse 18.149

Stichwortverzeichnis – Standardmethoden 18.149 – Strategieträger 18.150 – Vertriebsgesellschaft 18.152 – Währungsrisiko 18.156 – Werbung 18.154 – Zollwert 18.157 Warenverkehrsfreiheit 4.23 ff. s. auch Grundfreiheiten – Ausfuhrbeschränkung 4.23 – Diskriminierungsverbot 4.15, 4.23 – Einfuhrbeschränkung 4.23 – Wettbewerbsneutralität 4.24 – Zielrichtung und Schutzbereich 4.17 ff. Wechselkurs 16.564, 18.19, 18.156 Wechsel unbeschränkte/beschränkte Steuerpflicht 5.337 ff. – Steuerabzug 5.260 – Steuerentstrickung 5.337 ff. – Steuerverstrickung 5.337 ff. – Wegzugsbesteuerung 5.357 ff. Wegzug 5.357 ff. – Amtshilfe 5.384 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.192 – Drittstaat 5.382 – erweiterte Stundung 5.385 – EU-/EWR-Staat 5.383 ff. – gemeiner Wert 5.377 – gleichheitswidrig 5.359 – Grundfreiheiten 5.360 – Kapitalgesellschaft 6.29 ff. – Personengesellschaft 17.184 ff. – Rückkehrabsicht 5.381 – Steuerentstrickung, subjektbezogene 5.357 f. – stille Reserven 5.358 – Stundung 5. 361, 5.382 ff., 18.29 – treaty overriding 5.361, 18.30 – Typenvergleich 5.375 – Überbesteuerung 5.386 – ultima-ratio-Besteuerung 5.359, 17.09 – Umwandlungen 17.148 ff., 17.162, 17.167, 17.182 ff., 17.212 – Veräußerungsverlust 5.378 – Vermeidungsnormen 2.11 – Vermögenszuwachs 5.357, 5.378, 16.192 – Verständigungsverfahren 5.361, 5.380 – vorübergehende Abwesenheit 5.381 – Wegzugsbesteuerung 5.357 ff., 17.59 – Widerruf Stundung 5. 386, 5.389

– Zehnjahresfrist 5.366 Wegzugsbesteuerung 5.357 ff. Weisungsgebundenheit – abhängiger Vertreter 5.157 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.56 ff. – ständiger Vertreter 5.157 Welteinkommensprinzip – Auslandstätigkeiten 5.96 ff. – Doppelbesteuerung 13.1, 13.4, 14.17, 14.29, 16.514 – Durchbrechungen 5.61 ff. – Einkommensteuer 5.2, 5.53 ff. – Einkünftezuordnung 18.1 – Fiskalimmunität 5.62 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 5.94 f. – Körperschaftsteuer 6.8, 6.42 – Nettoeinkünfte 5.69 – Normen, kollisionsauflösende 2.8 – Normen, kollisionsbegründende 2.8 – Nutzentheorie 5.57 – Reineinkünfte 5.69 – Steuerentstrickung/Steuerverstrickung 5.337 – Steuerfreistellung durch DBA 5.86 ff. – Teileinkünfteverfahren 5.90 ff. – unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 15.108, 15.125 – Verlustausgleichsbeschränkung 5.69 ff. Weltvermögensprinzip 15.243 – Erbschaftsteuer 7.6, 7.8, 7.26 ff. Werbekosten 18.152, 18.155 Werbungskosten – Hinzurechnungsbesteuerung 10.192 – Steuerabzug 5.267 – Veranlagung 5.245 Werkbank, verlängerte 16.302 Werklieferung 9.79, 916 Werkstatt 5.143 Wert, gemeiner s. gemeiner Wert Wertaufholung 15.181 Wertminderung 15.184 Wertschöpfungsbeitrag 19.28 Wertzuwachs s. Wegzugsbesteuerung Wettbewerbsneutralität – Grundfreiheiten 4.24, 4.26 – Steuerabzug 14.34 – Steueranrechnung 14.17, 14.20, 14.26 – Umsatzsteuer 9.42., 9.60, 9.106 Wettbewerbsverbot 15.95, 16.428, 16.461

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Stichwortverzeichnis Wiederkehrende Bezüge – andere Einkünfte 16.474 Wiederverkaufspreismethode 16.306, 16.309, 18.128 f., 18.134 ff. Wiener Übereinkommen über Staatennachfolge 16.27 Willkürverbot 4.5 Wirtschaftliche Betrachtungsweise 10.27 Wirtschaftsgut – immaterielles 17.78, 18.47 ff., 18.56, 18.147 – Zuordnung 5.53, 6.33, 15.58 ff., 16.265, 16.268, 16.370, 16.392, 16.478, 17.87, 17.152, 17.155 Wirtschaftliche Doppelbesteuerung 12.1, 14.33 Wirtschaftslenkende Normen 2.21 ff. – Anrechnung fiktiver Steuern 2.22 – Beihilfe 2.23 – Gleichheitssatz 2.22, 4.10 – Leistungsfähigkeitsprinzip 2.22 – Notifizierungsverfahren 2.23 – Tonnagebesteuerung 2.21 – tax matching credit 2.21 – tax sparing credit 2.17 WKV – Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen 16.39 Wohnsitz 5.12 ff. Wohnsitzprinzip – Doppelbesteuerungsabkommen 16.490 ff. – Einkommensteuer 5.2, 5.9 ff. – Steuersubjekt 5.11 – Veranlagung 5.254 – Wohnsitz 5.12 ff. – Wohnsitzstaat 16.512 – Wohnung 5.14 ff. Wohnsitzstaat 16.512 Wohnsitzwechsel – Steuerentstrickung 5.338 – Steuerverstrickung 5.344 Wohnstätte, ständige 16.204, 16.511 Wohnung 5.14 ff. WÜD – Wiener Übereinkommen für diplomatische Beziehungen 5.62 ff., 16.463

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WÜK – Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen 5.64 ff., 16.463 WÜRV – Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge 16.19, 16.39, 16.63, 16.67 ff. Zeitbezugsverfahren 18.19 Zentralfunktion – Stammhaus 17.87, 17.152, 17.155, 18.61 f. Zinsen – Attraktivkraft der Betriebsstätte 16.358 – Begriff 16.361 ff. – beschränkte Steuerpflicht 5.216 ff. – Betriebsstättenvorbehalt 16.358 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.356 ff. – Dreiecksfall 16.367 – Einkünfte aus Kapitalvermögen 5.217 – Genussrecht 16.362 – Gewinnobligation 16.362 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.110 – Hypothekenzinsen 16.364 – Industrieobligation 16.362 – Investment-Zertifikate 16.362 – Nutzungsberechtigte 16.368 – Optionsanleihe 16.362 – Optionsschein 16.362 – partiarisches Darlehen 16.366 – Quellenstaat 16.365 ff. – Quellensteuerbefreiung 16.356 – Schuldverschreibung 16.362 – Sondervergütung 16.358 – Spareinlage 16.362 – Steuerteilung 16.356 – thin capitalisation rules 16.363 – typisch stille Beteiligung 16.366 – unilaterale Maßnahme 15.187 ff. – verdecktes Nennkapital 16.363 – Verrechnungspreise 18.38, 18.40, 18.75 ff. – Verzugszinsen 16.362 – Zerobonds 16.362 – Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff., 16.357 – Zinsbesteuerungsabkommen 16.357 – Zinsinformationsverordnung 16.357

Stichwortverzeichnis – Zinsrichtlinie 3.72 f., 6.357 Zinsinformationsverordnung 16.357 Zinsrichtlinie 3.72 f. – Amthilferichtlinie 3.73 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.357 – Harmonisierung in der EU 3.72 f. – Informationssystem, grenzüberschreitendes 3.72 – unilaterale Maßnahmen 15.187 ff. Zins- und Lizenzrichtlinie 3.69 ff. – beschränkte Steuerpflicht 3.69 – Doppelbesteuerung, Vermeidung 3.69 – Doppelbesteuerungsabkommen 16.357 – Harmonisierung in der EU 3.69 ff. – Missbrauchsvorbehalt 3.71 – unilaterale Maßnahme 15.187 Zinsschranke – Hinzurechnungsbesteuerung 10.168 Zollverwaltung – Übereinkommen über Amtshilfe 19.72 Zollwert 9.20, 18.157 Zubehör 16.225 Zufallsdestinatär 11.18 Zugriffsbesteuerung s. Hinzurechnungsbesteuerung Zuordnung – von Einkünften s. Einkünftezuordnung – von Vermögen s. Vermögenszuordnung Zurechnungsbesteuerung – erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht 5.336 – Familienstiftung 11.1 ff. – Zwischeneinkünfte 10.174 Zurechnungsdivergenz 12.4

Zurechnungskonflikt – Doppelbesteuerungsabkommen 12.10, 16.525, 16.82 Zurechnungsprinzip 16.415 Zusammenarbeits-Verordnung 19.106 Zusatzprotokoll – Doppelbesteuerungsabkommen 16.25 Zustimmungsgesetz 3.40, 16.20 – Prüfung durch BVerfG 3.40 Zuteilungsnorm 10.201, 15.175, 16.211 ff. Zuzug – Kapitalgesellschaft 6.47 ff. – Steuerverstrickung 5.353 – Formwechsel 17.97, 17.118, 17.130, 17.160, 17.167, 17.182 ff. Zweckvermögen 5.218, 6.7, 11.4 Zweckzuwendung 7.14 f. Zweigniederlassung 4.29, 5.143, 6.13, 8.9, 15.162, 16.251, 18.17 Zwischeneinkünfte – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.335 – Hinzurechnungsbesteuerung 10.161 ff. Zwischengesellschaft – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.316 f., 5.330 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 10.8, 10.216 ff. – Mitwirkungspflichten 19.15 – nachgeschaltete 10.14, 10.144 f., 10.216 ff., 10.237 ff. – weitere nachgeschaltete 10.237 ff. – Zurechnungsempfänger 5.333 Zwischengewinn 16.341 Zwölfmeilenzone 16.186 Zwölf-Monatsfrist – Bausausführung 16.257

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