262 59 2MB
German Pages 298 Year 2014
Helmut Kohlert Internationales Marketing für Ingenieure
Weitere empfehlenswerte Titel BWL für Ingenieure, 4. Auflage Marion Steven, 2011 ISBN 978-3-486-70686-4, e-ISBN 978-3-486-71826-3
Innovationsmanagement für Wirtschaftsingenieure Karsten Löhr, 2012 ISBN 978-3-486-71262-9, e-ISBN 978-3-486-71986-4
Entrepreneurship for Engineers Helmut Kohlert, Dawud Fadai, Hans-Ulrich Sachs, 2013 ISBN 978-3-486-73298-6, e-ISBN 978-3-486-76972-2
Enterprise Resource Planning, 3. Auflage Norbert Gronau, 2014 ISBN 978-3-486-75574-9
Marketing für Ingenieure, 3. Auflage Helmut Kohlert, 2013 ISBN 978-3-486-70790-8, e-ISBN 978-3-486-71994-9
Helmut Kohlert
Internationales Marketing für Ingenieure 2. Auflage
Autor Prof. Dr. Helmut Kohlert Postfach 1149 73747 Ostfildern [email protected]
ISBN 978-3-11-035500-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-035501-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039655-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Ein Unternehmen von Walter De Gruyter GmbH, Berlin/Boston Lektorat: Dr. Gerhard Pappert Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: © Comstock Images Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Die Wirtschaft ist in vielen ausländischen Märkten stabil, zukunftsorientiert und interessiert an innovativen Marktangeboten. Dieses Buch stellt das Know-how zusammen, das Techniker für ihre tägliche Praxis brauchen und anwenden können. Es verzichtet auf Darstellungen von Konzepten und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, wann z.B. bei einem Unternehmen von international tätig gesprochen werden darf. Dies ist für den Praktiker in technisch orientierten Unternehmen wenig hilfreich für die Lösung seiner Probleme. Er bzw. sie braucht Input zur Begegnung der Herausforderungen im internationalen Geschäft. Dieses Buch gibt Technikern und Wissenschaftlern Anregungen und Tipps bei der Entscheidung, mit welchen Besonderheiten im Markt, im Wettbewerb und bei Kunden sowie der besonderen Rolle des Marketings sie im ausländischen Markt zu rechnen haben. Es folgt ein Einblick in das Verständnis über kulturelle Unterschiede. Kulturelle Unterschiede haben einen viel größeren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im internationalen Geschäft als allgemein angenommen. Daran schließt sich die Erarbeitung der eigenen Markteintrittsstrategie und die Annahme der Herausforderung, das eigene Unternehmen auf diesem Markt erfolgreich zu positionieren. Die Führung und die Zusammenarbeit, die Motivation von Mitarbeitern, die Organisation, die Produktentwicklung, das Marketing und natürlich die Kommunikation zwischen Partnern und mit Kunden beeinflussen den Erfolg der eigenen Aktivitäten. Internationales Marketing für Ingenieure hilft Technikern, ein Gefühl für Marketingprobleme im internationalen Kontext zu entwickeln und eine Welt zu verstehen, aus der sie nicht kommen, mit der sie aber oftmals konfrontiert werden, sich darin wieder finden und zurecht kommen müssen. Dieses Buch konnte nur durch die Unterstützung verschiedener Unternehmen entstehen. Neu hinzugekommen ist die Balluff GmbH aus Neuhausen a.d.F. Hier möchte ich mich bei Herrn Jörg Alber, Vice President Marketing, ganz herzlich für die Bereitschaft bedanken, Informationen für dieses Buch zur Verfügung zu stellen. Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeitern des Oldenbourg Verlages, die dieses Buch möglich gemacht haben. Esslingen
Helmut Kohlert
Inhalt Vorwort
V
1
Internationalisierung der Wirtschaft
1
1.1
Dynamische Faktoren in der Wirtschaft..................................................................... 1
1.2 1.2.1 1.2.2
Herausforderungen durch die Globalisierung ............................................................ 8 Begriff der Globalisierung ......................................................................................... 8 Treibende und hemmende Kräfte der Globalisierung .............................................. 14
1.3 1.3.1 1.3.2
Unternehmenswachstum durch Internationalisierung .............................................. 18 Beweggründe für ein Auslandsengagement ............................................................. 18 Praxisfall: Beweggründe von technischen Unternehmen......................................... 24
2
Internationalisierung der Unternehmen
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
Der Weg in den Auslandsmarkt................................................................................ 27 Vom nationalen zum internationalen Markt ............................................................. 27 Internationalisierung der Unternehmen als Prozess ................................................. 30 Erwartungen und Fehler beim Gang in den Auslandsmarkt .................................... 34
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt ........................................... 39 Entwicklung einer globalen Perspektive des Unternehmens ................................... 39 Grundorientierungen des Managements .................................................................. 43 Strategische Relevanz des Markteintritts ................................................................. 47
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
Entscheidungsprozesse im Unternehmen................................................................. 51 Grundlegende Entscheidungen im Unternehmen..................................................... 51 Grundsatzfragen im eigenen Unternehmen vor dem Internationalisierungsprozess 53 Entscheidung über den Zielmarkt ............................................................................ 56 Realistische Vorstellungen über den Markteintritt ................................................... 59 Definition der Geschäftsfelder ................................................................................. 62
2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4
Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt ..................................................... 64 Vorbereitungsmaßnahmen im Unternehmen ............................................................ 64 Entscheidungskriterien für die Markteintrittsoption ................................................ 67 „Screening“ der relevanten Marktangebote ............................................................. 70 Auswirkungen auf das Unternehmen im Marketing ................................................ 75
27
VIII
Inhalt
3
Interkulturelles Management
79
3.1
Geschichte als Grundlage der Kultur ........................................................................79
3.2
Relevante Umfelder im Geschäftsleben ...................................................................81
3.3 3.3.1 3.3.2
Der Faktor Kultur im Geschäftsleben .......................................................................85 Werte als zentraler Bestandteil der Gesellschaft .......................................................85 Relevante Werte im Geschäftsleben .........................................................................91
3.4 3.4.1 3.4.2
Erklärungsversuche kultureller Unterschiede .........................................................100 Kulturdimensionen nach Hall & Hall .....................................................................100 Organisationstheoretischer Ansatz von Hofstede ...................................................102
3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3
Handeln im neuen kulturellen Umfeld....................................................................107 Keine Übertragbarkeit eigener Erfahrungen ...........................................................107 Erwartung der Andersartigkeit ................................................................................109 Lernen aus kulturellen Unterschieden als Quelle der eigenen Entwicklung ........... 112
4
Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5
Auswahl von Auslandsmärkten .............................................................................. 115 Checklist-Verfahren zur Vorauswahl ...................................................................... 115 PEST-Analyse ......................................................................................................... 116 „Scoring“ und „Screening“ bei der Auswahl von Auslandsmärkten ......................120 Strategie und Wettbewerb bei der Länderauswahl ..................................................122 Länderrisiko als kritische Größe .............................................................................127
4.2
Länderauswahl unter Berücksichtigung der Marktsegmente ..................................134
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
Standortspezifische Entscheidungen.......................................................................139 Generelle Einflussfaktoren auf die Standortentscheidung ......................................139 Standortspezifische Nutzwertanalyse .....................................................................140 Praxisfall: Standortwahl am Beispiel von Mercedes-Benz .....................................142
4.4 4.4.1 4.4.2
Marktforschung im internationalen Kontext...........................................................144 Prozess der Marktforschung ...................................................................................144 Desk Research und Field Research im Auslandsmarkt...........................................147
4.5
Identifikation der ersten Kunden ............................................................................149
5
Going-International Strategien
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
„Business is People“ – der erste Schritt im Auslandsmarkt ....................................153 Kontaktpflege als Managementaufgabe..................................................................153 Der Statthalter vor Ort im neuen Markt ..................................................................154 Anforderungen an Führungskräfte ..........................................................................157 Expatriates ..............................................................................................................159
115
153
Inhalt
IX
5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3
Markteintritt durch Dritte....................................................................................... 161 Gründe für diese Form des Markteintritts .............................................................. 161 Export .................................................................................................................... 161 Lizenzierung .......................................................................................................... 167
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3
Markteintritt durch Kooperationen ........................................................................ 170 Gründe für diese Form des Markteintritts .............................................................. 170 Auftragsfertigung ................................................................................................... 175 Strategische Allianz ............................................................................................... 176
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6
Markteintritt durch Direktinvestitionen ................................................................. 179 Gründe für diese Form des Markteintritts .............................................................. 179 Praxisfall: Kriterien für Direktinvestitionen für Automobilzulieferer.................... 182 Vertriebsniederlassung ........................................................................................... 183 Joint Venture .......................................................................................................... 187 Gründung einer eigenen Fertigungsstätte .............................................................. 189 Akquisition – Kauf einer Auslandsgesellschaft ..................................................... 192
5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4
Praxisfall: Markteintritt durch die CIBER Novasoft AG by Opportunity .............. 195 Erkennen und Nutzen einer Gelegenheit für den Markteintritt .............................. 195 Konkrete Umsetzung des Markteintritts ................................................................ 196 Das Statthalterprinzip als Garant des Erfolges....................................................... 196 Die Lerneffekte ...................................................................................................... 197
6
Being-International Strategien
6.1 6.1.1 6.1.2
Strategiekonzepte für die Internationalisierung ..................................................... 199 Wichtige Bestandteile bei der Internationalisierung .............................................. 199 Umgang mit Unsicherheiten bei globalen Strategien ............................................. 201
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4
Aufbau globaler Marketing-Strategien .................................................................. 203 Ausgangspunkt Umfeldfaktoren ............................................................................ 203 Eigene Ressourcen als Basis .................................................................................. 208 Schrittweises Vorgehen .......................................................................................... 210 Gleichmäßige internationale Expansion ................................................................ 212
6.3
Veränderungen der Schwerpunkte von Strategien im Zeitablauf ........................... 216
6.4
Formulierung einer globalen Marketing-Strategie ................................................. 219
7
Strategieumsetzung im internationalen Kontext
7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5
Globale Marktangebote.......................................................................................... 223 Klassifizierung von Marktangeboten ..................................................................... 223 Standardisierung versus Differenzierung von Marktangeboten ............................. 226 Bedeutung des Herkunftslandes ............................................................................. 230 Markenbildung auf internationaler Ebene.............................................................. 232 Globale Marktangebote und globale Preise ........................................................... 235
199
223
X
Inhalt
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
Globales Vertriebsmanagement ..............................................................................240 Schlüsselfaktoren bei der Auswahl von Vertriebswegen ........................................240 Rechtliche Herausforderungen ...............................................................................243 Globale Kommunikation ........................................................................................245
7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3
Praxisfall: Internationaler Vertrieb am Beispiel der Balluff GmbH ........................246 Positionierung als Spezialist für Automatisierungstechnik .....................................246 Internationalisierung durch den Kunden.................................................................248 Ausblick für Balluff ................................................................................................252
7.4 7.4.1 7.4.2
Führung international tätiger Mitarbeiter ...............................................................253 Mitarbeiter im Auslandseinsatz ..............................................................................253 Anforderungen an Führungskräfte im Ausland.......................................................256
7.5
Organisation der internationalen Aktivitäten ..........................................................260
7.6
Tipps aus der Praxis ................................................................................................264
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
267
Literaturverzeichnis
277
Stichwortverzeichnis
283
1
Internationalisierung der Wirtschaft
Don’t forget the past But put it down And don’t pick it up anymore.
1.1
Dynamische Faktoren in der Wirtschaft
In der Literatur werden unter dem Begriff „Internationalisierung“ unterschiedliche Phänomene verstanden: Die Spanne reicht von bestimmten Formen des Markteintritts in neue Ländermärkte bis zur Führung international tätiger Unternehmen. So ist er für Krystek & Zur ein Sammelbegriff, der zahlreiche Aktivitäten und Prozesse umfasst. Dazu werden die folgenden Indikatoren für die Messung des Internationalisierungsgrades von Unternehmen herangezogen:1 die im Ausland erbrachten Umsätze bzw. die Wertschöpfung die Anzahl der Mitarbeiter im Ausland die Beteiligung von Ausländern an der Führung die Anzahl der ausländischen Auslandsgesellschaften die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen der Exportanteil Der Begriff „Internationalisierung“ soll hier weiter gefasst werden und das Folgende verstanden werden: Unter Internationalisierung versteht man die Ausweitung sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf neue Ländermärkte, motiviert sowohl durch die Möglichkeit neue Absatzmärkte zu finden, sowie Kostenvorteile in der Fertigung zu erzielen, als auch durch die Erweiterung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Die Internationalisierung umfasst das Unternehmen als Ganzes und kann nicht isoliert auf die beiden Funktionen Absatz und Fertigung eines Unternehmens verstanden werden. Selbst wenn dies die primären Motivatoren für die Miteinbeziehung ausländischer Märkte sind, haben diese beiden funktionalen Systeme eines Unternehmens Querschnittscharakter, d.h. sie beeinflussen alle anderen Funktionen im Unternehmen, wie etwa die Finanzen oder das Controlling, und sie haben sicher auch Auswirkungen auf die Auswahl von neuen Mitarbeitern. 1
Vgl. Krystek/Zur, S. 5.
2
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Daher ist im international tätigen Unternehmen eine funktionsbereichsspezifische Betrachtung länderübergreifender Aktivitäten nicht angebracht.1 Auf die Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur, ab welchem Grad des Auslandsengagements eine Unternehmung als international gelten kann, wird verzichtet, da sie hier nicht zielführend ist. Es wird auf die entsprechende Literatur verwiesen.2 60 % der Weltbevölkerung waren vor dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und in der Sowjetunion sowie der ökonomischen Neuausrichtung von China an der Weltwirtschaft beteiligt. Nach dem Zusammenbruch kamen rund 3 Milliarden Menschen hinzu, die schnell einen bestimmten Standard erreichen möchten. Damit stieg die Dynamik in der Weltwirtschaft sprunghaft an. Auf diese drastischen Veränderungen stellten sich auch die international tätigen Unternehmen ein und berücksichtigten die neu aufkommenden Märkte rasch in ihren strategischen Überlegungen. Im Folgenden werden die Kräfte dargestellt, die seit den beginnenden 90er Jahren eine Dynamik hervorgerufen haben, die unter dem Begriff „Globalisierung“ eine drastische strukturelle Veränderung der traditionellen Unternehmenslandschaften herbeiführen sollte: plötzliche Ausweitung des Marktes und Intensivierung des Wettbewerbs
Standort
durchschlagende Entwicklungen im Bereich Technologie
Standort Restrukturierung nationaler Volkswirtschaften Restrukturierung international tätiger Unternehmen
Veränderungen der Kundenanforderungen und Kundenbedürfnisse
Restrukturierung und Deregulierung von Märkten Abb. 1.1:
Dynamik erzeugende Faktoren in der internationalen Wirtschaft
Die Veränderungen der Kundenanforderungen und Kundenbedürfnisse ergeben sich aus den demografischen Veränderungen in vielen traditionellen Industrieländern, zu nennen ist hier in erster Linie der wachsende Anteil älterer Käuferschichten. In anderen Ländern wiederum steigt der Anteil von mit Kaufkraft ausgestatteten jungen potenziellen Käufern stetig an. In den ehemals kommunistischen Ländern entwickelt sich so etwas wie ein Mittelstand, zwar langsam, aber stetig. Die Entwicklung von neuen Kundenbedürfnissen macht nicht mehr an 1 2
Vgl. Gerybadze/ Meyer-Kramer/Reger, S. 9. Vgl. Schmidt, Spalte 964 ff.
1.1 Dynamische Faktoren in der Wirtschaft
3
den Grenzen von einzelnen Ländern, ja nicht einmal mehr vor Kontinenten, halt. Durch die extensive Reisetätigkeit, Studienaufenthalte etc. werden die Bedürfnisse globaler, d.h. sie gleichen sich zumindest bei Menschen gleichen Alters global an. In regionalen Märkten wie Europa besteht eine ansteigende Überlappung von Werbung über nationale Grenzen hinweg. Die Mobilität der Kunden erzwingt geradezu eine einheitliche Aussage der Werbebotschaften und eine gleiche Positionierung. Es wird zunehmend schwieriger, eine Marke in zwei Ländern unterschiedlich zu positionieren. Da die Kunden beiden Kommunikationsmaßnahmen ausgesetzt sind, würde es sie irritieren. Die Restrukturierung und Deregulierung von Märkten erfolgte zunächst einmal vor allem in den westlichen Industrieländern. Aus unterschiedlichen Motiven heraus werden staatliche Unternehmen privatisiert und anschließend in der Regel mehrmals kurz hintereinander restrukturiert, bis die optimale Organisation gefunden sein könnte. Dadurch entstehen neue Betätigungsfelder sowohl für diese als auch für andere Unternehmen, bis hin zur Gründung von neuen Dienstleistern, die hier neue Geschäftsmöglichkeiten finden.1 In den ehemaligen kommunistischen Ländern wurden viele Unternehmen privatisiert, teilweise unter chaotischen Umständen, wenn man einmal an die Ära Jelzin in Russland denkt. China geht hier einen sehr vorsichtigen Weg, der bislang sehr erfolgreich ist. Die doch eher kontinuierliche Entwicklung von neuen Technologien erhielt Mitte der 90er Jahre durch die Entwicklung der „emerging technologies“, ausgehend vom Internet, völlig neue Impulse. Sie ermöglichten neue Geschäftsmodelle und veränderten ganze Branchen komplett, denkt man nur einmal an die Auswirkungen von amazon.com auf den Bucheinzelhandel oder den Onlinebanken auf das traditionelle Bankgeschäft mit vielen Filialen! Erst durch das Internet wurde das „Filialnetz als Schnittstelle zum Kunden“2 in Frage gestellt und erst das Internet verleitete die Kunden, mehr als nur eine Bankverbindung zu unterhalten. All das vergrößerte den Wettbewerbsdruck auf die etablierten Banken erheblich und wird in der Zukunft zu weiteren drastischen Veränderungen führen. Die Ausweitung des Wettbewerbs durch die anhaltende Liberalisierung des Welthandels, die zunehmende Präsenz weltweit operierender Unternehmen sowie das Aufkommen neuer Wettbewerber aus den ehemaligen Schwellenländern machen eine statische Planung des Unternehmensgeschehens zunehmend unmöglich. Sie forcieren geradezu die stetige Auseinandersetzung mit der Fragestellung, wie sich das Unternehmen auf dem selbst ausgewählten Markt präsentieren soll:
mit welchen Marktangeboten3, auf welchen Märkten, unter welchen Wettbewerbsbedingungen.
1
Vgl. dazu die Beispiele in: Gerybadze/Kohlert. Kohlert/Mertz, S. 30. Unter einem Marktangebot versteht man eine Kombination aus Produkten und Dienstleistungen, die, aufeinander abgestimmt, die Aufgabenstellung eines spezifischen Kundenproblems, so weitgehend wie möglich, erfüllen. Vgl. dazu Kohlert, 2013, S. 9.
2 3
4
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Heute bedeutet Geografie nicht mehr, physische Grenzen zu überwinden. Die zu überwindenden Grenzen bestehen aus Widerständen bei der Interaktion aufgrund von Sprachbarrieren, kulturellen Unterschieden und rechtlichen Hindernissen, wie etwa Zölle, nationaler Gesetzgebung etc. Umso wichtiger werden in einer solchen Situation die Auswahl der besten Ländermärkte und der dortigen Standorte des Unternehmens. Unternehmen können bereits aufgrund ihrer geografischen Lage natürliche Vorteile haben, etwa Vorteile im Zugang zu verschiedenen Ressourcen, seien es Rohstoffe oder günstigere Arbeitskräfte. Besserer Zugang zu Ressourcen eröffnet die Möglichkeit für einen höheren Grad an Spezialisierung und damit höheren „Economies of Scale“. Unter „Economies of Scale“ versteht man die Beziehung zwischen der Größenordnung und der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Bei wachsender Unternehmensgröße steigen die Möglichkeiten der Kostensenkung in Beschaffung, Absatz, Fertigung etc. Die Fertigungskosten pro Stück eines Produkts sinken, wenn die Ausbringungsmenge steigt. Je größer das Unternehmen ist bzw. je mehr es produziert und verkauft, umso eher kann es die „Economies of Scale“ für sich nutzen. Es ist im Zuge der fortschreitenden Globalisierung allerdings eher nicht zu erwarten, dass diese geografischen Vorteile bestehen bleiben.1 Durch diese Veränderungen wandelte sich die „internationale Jagdlinie“2 der Wirtschaftsregionen. Nun stellt sich wieder die ehedem beantwortete Frage, wer jagt wen? Während vor diesen Veränderungen der Reihe nach in der Linie die Entwicklungsländer, dann die Schwellenländer, am Ende der Kette, die Triade, d.h. die westlichen Industrieländer und Japan standen, ist diese „Jagdlinie“ nun ein Relikt vergangener Zeiten, kaum mehr auszumachen, wo die Gegner heute lauern und morgen „zuschlagen“ können. Die traditionellen Industrieländer können der gewandelten „Jagdlinie“ nur durch eine starke Innovationskraft enteilen, um von ihr nicht eingeholt zu werden. Die sog. „old rich countries“ haben höhere Kostenstrukturen und stärkere Währungen und könnten nicht gegen niedrige Preise konkurrieren. Ihre Geschäftsgelegenheiten bestehen in der Herstellung von Spezialitäten und hochwertigen innovativen Marktangeboten. Europäische Fachkompetenzen und Fertigungsfähigkeiten für saubere und effiziente Energie, den öffentlichen Verkehr, Wasserbewirtschaftung, Biotechnologie, Präzisionstechnik und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind die heutigen Wettbewerbsvorteile und können exportiert werden.3 Doch neben der Innovationskraft spielen die Preise eine immer gewichtigere Rolle bei den Kaufentscheidungen. Die Unternehmen sind daher auf der Suche nach kostengünstigen Fertigungsmöglichkeiten, bei der insbesondere bei schweren Gütern auch die Entfernung eine gewisse Rolle spielt. Mittlerweile hat jedes der traditionellen Industrieländer, West-Europa, USA und Japan („Triade“), ihren „Hinterhof“ mit günstigen Fertigungsmöglichkeiten:
1 2 3
Vgl. Bryan/Fraser, S. 70 ff. Perlitz, S. 725. Vgl. Management Centre Europe, S. 12.
1.1 Dynamische Faktoren in der Wirtschaft
5
LateinAmerika
USA
WestEuropa
Abb. 1.2:
Japan
Traditionelle Triade und ihre „Hinterhöfe“
Doch „Hinterhöfe“ müssen nicht immer hinten anstehen, schon längst greifen sie in die „Töpfe“ der traditionellen Industriestaaten, wie die Entwicklung der letzten zehn Jahre zeigt: IBM verkaufte im Dezember 2004 das PC-Geschäft an die chinesische Lenovo-Gruppe, der deutsche Mittelständler Putzmeister GmbH wurde durch den chinesischen Wettbewerber Sany übernommen. Überhaupt sind chinesische Unternehmen seit nunmehr zehn Jahren im Mittelstand präsent: „Chinesen retten Schorndorfer Firma Kelch“ lautete im Jahr 2005 ein Artikel in der Presse.1 Der schwäbische Werkzeughersteller wird von der chinesischen Staatsholding „Harbin Measuring & Cutting Tool Group“ aus der Insolvenz gekauft und soll weitgehend selbständig weitergeführt werden. Für den chinesischen Konzern stellt diese Übernahme einen „Ankerplatz in Europa“ dar, über den die Chinesen die Standardtechnik in Europa verkaufen wollen und den Verkauf der High-Tech-Geräte von Kelch über deren Vertriebsnetz in China ermöglichen. So profitieren beide Seiten davon. Diese Verschiebungen bestehen bereits seit über zehn Jahren! Die traditionellen und uns lieb gewordenen Strukturen werden sich weiter verschieben und die Möglichkeiten von Kostenvorteilen weiter ausgeschöpft werden, bis es letztendlich über die Jahrzehnte zu einer Angleichung der Lebenssituationen in den relevanten Ländern kommt. Wie eine Studie des Management Centre Europe darlegt, sind im Jahr 2010 33 der Top 299 Unternehmen aus den „new rich countries“, z.B. China, Russland, Indien. In den nächsten zehn Jahren wird 80 % des wirtschaftlichen Wachstums aus den „new rich countries“ erwartet.2 1 2
Vgl. Stuttgarter Nachrichten, vom 01.04.2005, S. 15. Vgl. Management Centre Europe, S. 5.
6
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Das geht einher mit einer Verschiebung der Schwerpunkte der Marktpräsenz. So lagen im Jahr 1980 die Schwerpunkte des Werkzeugmaschinenbaus in Europa, USA, Brasilien, Japan. Dementsprechend war ein Unternehmen mit seinen Vertriebsniederlassungen aufgestellt, hier am Beispiel der Balluff GmbH:12
Abb. 1.3:
Schwerpunktmärkte im Werkzeugmaschinenbau 1980
Im Laufe der letzten Jahre verschoben sich die relevanten Märkte und es kamen neue Märkte hinzu. Entsprechend erhalten vormals bereits bestehende kleinere Niederlassungen eine Aufwertung, neue Vertriebsniederlassungen werden zukünftig hinzukommen:3
1 2 3
Vgl. Kap. 7.3. Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung). Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung).
1.1 Dynamische Faktoren in der Wirtschaft
Abb. 1.4:
7
Schwerpunktmärkte im Werkzeugmaschinenbau 2014
Veränderungen in den Märkten, die niemals abgeschlossen sind, sondern sich über die Jahre entwickeln, werden antizipiert. Werden sie vom Unternehmen frühzeitig erkannt, dürfte es einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen darstellen. In der Studie vom Management Centre Europe werden weitere grundlegende Veränderungen in den nächsten Jahren genannt:1
1 2 3
Eine drastische Zunahme des Ressourcenbedarfs ausgelöst durch die Emanzipation der „Emerging Markets“; in denen 1 Milliarde Menschen in die „Mittelklasse“ aufsteigen. Die entscheidende Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien („ICT2”), die neue Formen der Zusammenarbeit über Ländergrenzen ermöglichen, fördern und entwickeln, stellt auch für niedrig entwickelte Länder („LDC3“) eine Möglichkeit dar, mit innovativen Marktangeboten zu entwickeln. Das bisherige Wachstumsmodell basierte auf „billigem Geld” und billigen Fertigungsmöglichkeiten in China. China investiert allerdings vermehrt in Qualität, dadurch verteuern sich die Fertigungskosten und „billiges Geld“ wird es nicht auf Dauer geben. Die Regierungen werden versuchen, durch höhere Abgaben Umweltschäden zu reduzieren, Fertigungen wieder näher an das eigene Land heranzuholen, um die Transportkosten zu reduzieren („nearshoring“). Vgl. Management Centre Europe, S. 6 f. information and communication technologies. low developed countries.
8
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Durch die gegebenen älter werden Gesellschaften in den „old rich markets“ wird eine höhere Produktivität und ein Ausbau im Bereich „healthcare“ benötigt. Auch wird die Nachfrage nach Dienstleistungen zunehmen. Ältere Mitarbeiter, noch ältere Ruheständler und Familien, bei denen beide Elternteile arbeiten, haben besondere Bedürfnisse nach Dienstleistungen. Die Kunden werden noch wertbewusster, kaufen über unterschiedliche Vertriebswege, was die Unternehmen zur Erreichung einer Kundenloyalität vor erhöhten Aufgaben stellt.
Heute geht es nicht mehr nur darum, mit der Fertigung in ein paar Billiglohnländer auszuweichen, oder in einem fremden, weit entfernten Land einen neuen Markt zu entdecken, diese Bestrebungen gab es schon immer. Heute geht es um die vielleicht bedeutendste Umgestaltung der letzten Jahrhunderte, an dessen Ende die politischen und ökonomischen Verhältnisse nicht mehr die gleichen sein werden.
1.2
Herausforderungen durch die Globalisierung
1.2.1
Begriff der Globalisierung
Die Frage nach dem Neuen bei der „Globalisierung“ ist nicht so klar zu beantworten. Es gibt Wissenschaftler, die die Aussage treffen, dass es Globalisierung schon immer gab, z.B. zu Zeiten des Kaufmanns Francesco di Marco Datini im 14. Jahrhundert, der Handel in der gesamten damals bekannten Welt betrieb und dessen Motto „Im Namen Gottes und des Geschäfts“ wurde1: In dieser Zeit wich der „bedingungslose Glaube des Mittelalters (…) allmählich dem skeptischen, forschenden Geist der Renaissance.“2 Marco Datini wird hier beschrieben als jemand, der dem neuen Geist angehört und zwar durch „seinen Unternehmungsgeist, seine Geschäftsmethoden, seine internationalen Handelsverbindungen (…) und auch durch seinen ausgesprochenen Individualismus.“3 Ohne Zweifel war er im damaligen Maßstab global tätig. Aber was ist denn nun das wirklich Neue an der Globalisierung? Internationalisierung und Globalisierung sind zwei Begriffe, die meist synonym verwendet werden. Beide Begrifflichkeiten weisen darauf hin, dass nationalstaatliche Grenzen an Bedeutung verlieren, dies stellt allerdings keinen konstanten Prozess dar, wie die politischen Entwicklungen immer wieder zeigen. Während die Globalisierung eher als gesellschaftliches Phänomen wahrgenommen wird, fokussiert die Internationalisierung mehr auf die Bedeutung für Unternehmen und Wirtschaft. Nach Scheunpflug zufolge sind die aktuellen Globalisierungsphänomene durch die folgende Merkmale gekennzeichnet:4 1 2 3 4
Vgl. Origo. Ebenda, S. 16. Ebenda. Vgl. Scheunpflug, S. 160 f.
1.2 Herausforderungen durch die Globalisierung
9
Zwar haben geografische Räume als individuelle Bezugsgrößen immer noch eine wichtige Rolle, jedoch hat sich der Raum durch die neuen Informations- und Kommunikationsmedien verändert. Vor allem das Internet trägt dazu bei, dass der Raum in gewisser Hinsicht seine Bedeutung verliert, da Menschen an Ereignissen teilnehmen können, ohne tatsächlich vor Ort anwesend sein zu müssen. Er spricht dabei von der Entgrenzung des Raums. Durch die neuen Medien hat sich das Kommunikationsverhalten verändert und gleichzeitig beschleunigt. Dies betrifft in großem Umfang auch den Alltagsrhythmus der Menschen. Im Zuge der Globalisierung entstehen neue soziale Problemlagen im Bereich der Einhaltung der Menschenrechte, die Verringerung von Disparitäten innerhalb und zwischen Staaten und sozialen Gefügen. Doch was ist jetzt das Neue an der Globalisierung für die Unternehmen? Das Neue kann anhand der Unterschiede bei Unternehmen im „geschlossenen Modell“ sowie im „offenen Modell“ eines globalen Marktes dargestellt werden:1 Unternehmen im „geschlossenen Modell“ eines traditionellen Marktes
betrachten Globalisierung als Bedrohung
erkennen in der Globalisierung die vielen neuen Gelegenheiten für das Unternehmen
gehen vom Heimatmarkt aus, d.h. Entscheidungen im Unternehmen sind sehr zentralisiert
Investitionen werden getätigt, um überall ein „Insider“ zu werden, man hat „Augen und Ohren“ in allen Märkten, ob nationale oder internationale Märkte
nehmen die vorherrschenden Geschäftsmodelle als gegeben hin
kreieren neue Geschäftsmodelle, um neue Wettbewerbsvorteile zu schaffen und für das Unternehmen zu nutzen
präferieren den Ausbau des Unternehmens auf der Grundlage eigener Stärken
bauen das Unternehmen zusammen mit Partnern und Netzwerken aus
versuchen den lokalen Marktanteil zu maximieren
versuchen den globalen Marktanteil zu maximieren
Abb. 1.5:
1
Unternehmen im „offenen Modell“ eines globalen Marktes
Das Neue an der Globalisierung
Vgl. Fraser/Oppenheim, S. 178.
10
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Somit ist das Phänomen der „Globalisierung“ nicht unbedingt neu, allerdings die Geschwindigkeit, mit der sie fortschreitet. Während sich in früheren Zeiten die Globalisierung eher inkrementell, d.h. sich mit kleinen Schritten, in Branchen vollzog, die sehr stark durch die Erhöhung der „Economies of Scale“ getrieben wurden, hat sich dies heute auf nahezu alle Branchen ausgeweitet. Dazu kommt, dass es sich um eine fundamentale Transformation in der Geschäftswelt handelt, wie man sie vorher noch nicht erlebt hat, nämlich die Integration der globalen Kapitalmärkte, die zunehmende Bedeutungslosigkeit nationaler Grenzen und die fortschreitende Möglichkeit, einmal vorhandenes Know-how durch die neuen Kommunikationstechnologien global einzusetzen.1 Für jeden Einzelnen kann der Begriff der „Globalisierung“ greifbar gemacht werden: Globalisierung liegt vor, wenn jemand seinen Arbeitsplatz in Frankfurt verliert, weil sein Unternehmen, eine Geschäftseinheit eines französischen Konzern, von einem US-amerikanischen Unternehmen aus New York gekauft worden ist, das entschieden hat, die Fertigung aufgrund der geringeren Lohnkosten und der geringeren Sicherheitsstandards in Indien fertigen zu lassen. Globalisierung bedeutet auch, dass man seinen Computer in Deutschland mit dem Internet verbindet und Informationen über Unternehmen aus China findet, die auf der Suche nach deutschen Partnern sind, um in Europa Fuß zu fassen. Globalisierung trifft grundsätzlich auf Branchen zu, die Vorteile aus einer internationalen Produktstrategie ziehen können und Möglichkeiten zur Standardisierung ihrer Marktangebote haben:
1
Vgl. Fraser/Oppenheim, S. 169 f.
niedrig
Vorteile einer internationalen Strategie in einem Markt: • Kundenbedürfnisse im Markt sind homogen und können einheitlich bearbeitet werden • Unternehmen kann die weltweite Bekanntheit seiner Marktangebote nutzen („Macht der Marke“) • Einsatz von Technologien ist möglich und notwendig, um internationale Strategien auch flächendeckend umzusetzen
hoch
1.2 Herausforderungen durch die Globalisierung
11
multi-national
global
lokal
multidomestic
niedrig
hoch
Möglichkeiten der Standardisierung: • Kundenbedürfnisse sind in den verschiedenen Märkten nicht differenziert, d.h. ein „Marktangebot für alle“ ist möglich • nationaler Wettbewerb bzw. starke nationale Wettbewerber bestehen nicht • politische, rechtliche, sonstige nationale Handelshemmnisse sind nicht vorhanden Abb. 1.6
Globale Marktangebote
Die Frage, welches die bessere Strategie ist, ist nicht eine Frage der Meinung, sondern der Notwendigkeit, wie es Levitt zu treffend ausdrückt.1 Erfolg in einem Markt mit homogenen Kundenbedürfnissen verlangt die Suche nach neuen Vertriebsmöglichkeiten in ähnlichen Marktsegmenten um die Globus, um die notwendigen „Economies of Scale“ zu realisieren und um im Wettbewerb zu bestehen.2 Die Ausrichtung auf Umsatzwachstum ist demnach systembedingt gegeben. Wie global eine Branche wirklich ist, kann nach Farrell, Leiterin des McKinsey Institute, gemessen werden als das Verhältnis vom Wert der global gehandelten Güter (Zwischenprodukte und Endprodukte) zum Wert der Verkäufe in der Branche insgesamt, jeweils auf ein Jahr bezogen. Verhältniszahlen über 100 % zeigen dann an, dass die Branche sehr global ist. So bedeutet z.B. ein Wert von 118 %, dass für die Branche 18 % mehr Wert aus dem Handel mit globalen Geschäftspartnern resultieren als aus dem Verkauf an Endkunden. Legt man
1 2
Vgl. Levitt, S. 92. Vgl. ebenda, S. 95.
12
1 Internationalisierung der Wirtschaft
diese Maßzahl der Globalisierung für einige Branchen zugrunde, so kommt man zu dem folgenden Ergebnis:1
IT Outsourcing
1%
33%
Stahl
Automobil
42%
77%
Kleidung
118%
Heimelektronik
0%
Abb. 1.7:
20%
40%
60%
80%
100%
120%
140%
Grad der Globalisierung in verschiedenen Branchen
Zur zentralen Aussage, warum manche Branchen eher zur Globalisierung neigen als andere, lassen sich die Faktoren ableiten, die eine Globalisierung begünstigen:2
1 2
Heimelektronik ist klein, leicht, großvolumige Transporte sind damit preisgünstig und sie ist ohnehin leicht zu transportieren. Wenn Standardteile in mehreren Marktangeboten enthalten sind, kann man sehr hohe „Economies of Scale“ realisieren. Zollschranken bestehen sehr wenige, so dass diese Marktangebote schnell und ohne größere Kosten global vertrieben werden können. Die Kleidungsbranche ist ebenfalls ziemlich global aufgestellt. Dies hauptsächlich aus zwei Gründen: Erstens sind die Arbeitskosten die Haupteinflussgröße bei den Herstellkosten, so dass es sich für Hersteller lohnt, die Fertigung in Länder mit geringen Lohnkosten auszulagern. Zweitens sind die Marktangebote relativ leicht, was die Transportkosten weit unten hält und einen Transport an jeden Ort der Welt zu vertretbaren Kosten ermöglicht. Allerdings bestehen internationale Vereinbarungen wie das „Multifiber Arrangement“, das Länderquoten festlegt und Importrestriktionen auferlegt. Dies verteuert die Kleidungsstücke spürbar.
Vgl. Farrell, S. 84 ff. Vgl. ebenda, S. 84 f.
1.2 Herausforderungen durch die Globalisierung
13
Bei Automobilen sind hingegen die einzelnen Komponenten noch nicht so weit standardisiert und die meisten Teile sind schwer, d.h. nur mit größeren Kosten zu transportieren. Auch in dieser Branche wird mit Handelshemmnissen versucht, Einfluss auf Industrieansiedlungen auszuüben, etwa durch Zölle, Anreize von Staaten für die Industrieansiedlung vor Ort. In der Stahlindustrie ist der Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten relativ gering, die Transportkosten sehr hoch und durch starke Eingriffe der einzelnen Staaten gekennzeichnet. Bei Dienstleistern ist immer noch die Kundennähe das ausschlaggebende Argument, so dass sich hier nur sehr große Konzerne global aufstellen können.
Danach handelt es sich um eine globalisierbare Branche, wenn „Economies of Scale“ realisiert werden können, tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse nicht bestehen, Transportkosten aufgrund des Gewichts relativ gering sind, die Teilkomponenten eines Marktangebots standardisierbar sind, die Kundennähe keine Rolle spielt, da die Marktangebote standardisiert sind, und die Arbeitskosten die Haupteinflussgröße auf die Herstellkosten darstellen. Oftmals wird man die unterschiedlichen Elemente der Globalisierung und der Lokalisierung in Einem vereinen, wie z.B. in der Automobilindustrie, in der es bis heute keine „global cars“ gibt. Mit dem Begriff „Glokalisierung“ bezieht sich Scheunpflug auf die Erkenntnisse von Robertson1 und beschreibt eine gleichzeitige Zunahme der Bedeutung sowohl des Lokalen als auch des Globalen aufgrund neu entstehender Strukturen, die nicht mehr unbedingt an nationalstaatliche Grenzen gebunden sind.2 Die Glokalisierung als gleichmäßige Entwicklung des Globalen und des Lokalen hat Auswirkungen auf die Managementorientierung von Unternehmen:
1 2
Vgl. Robertson. Vgl. Scheunpflug, S. 160 f.
14
1 Internationalisierung der Wirtschaft Auslandsniederlassung B
Auslandsniederlassung A
Stammhaus
Auslandsniederlassung D Abb. 1.8:
Auslandsniederlassung C
Auslandsniederlassung B
Auslandsniederlassung A
Stammhaus
Auslandsniederlassung D
Auslandsniederlassung C
Expansion vom Stammhaus aus versus Denken aus den Auslandsmärkten heraus
Es stellt sich die Frage, inwieweit wirklich global agierende Unternehmen nicht nur aus dem Stammhaus heraus ihre Expansion auf dem Weltmarkt betreiben, sondern Denken aus den Auslandmärkten zulassen. Das hängt vermutlich auch stark von den Funktionen ab. So werden aus Risikoerwägungen F&E-Aktivitäten eher vom Stammhaus geführt, andere weniger sensible Aufgaben sind besser von der Perspektive der Auslandsniederlassungen zu forcieren, weil sie die Expertise haben. Das erfordert dann allerdings ein „Loslassen“ des Stammhauses und geht mit einem Machtverlust der Zentrale einher. Es widerspricht allerdings auch dem Gedanken der Globalisierung, der von einer starken Zentrale ausgeht.
1.2.2
Treibende und hemmende Kräfte der Globalisierung
Die Globalisierung stellt keinen stetig verlaufenden Prozess dar, sondern es gibt immer wieder Schübe aber auch Gegenbewegungen. Als die vier zentralen Triebfedern der Globalisierung, auch treibende Kräfte der Globalisierung genannt, gelten die folgenden Faktoren:
1.2 Herausforderungen durch die Globalisierung
15
Marktbedürfnisse gleichen sich global an
Wertschöpfungsketten werden neu konfiguriert
treibende Kräfte der Globalisierung
universale Technologien ermöglichen eine großflächige Marktbearbeitung
Wettbewerber und Komplementatoren fördern oder ermöglichen erst eine Ausweitung neuer Marktangebote Abb. 1.9:
Treibende Kräfte der Globalisierung
In einem Markt können immer mehr Marktangebote verkauft werden, die nicht mehr lokal angepasst werden müssen, d.h. jede Branche, die universell Gültiges definieren kann, ist ein Kandidat für die Globalisierung. Die Kundenbedürfnisse werden immer ähnlicher, entweder generell oder in den einzelnen Marktsegmenten ohne nationale Unterschiede. Die Werbekampagnen für ein globales Marktangebot können möglicherweise mit einer einzigen globalen Kampagne ausgeführt werden. Erfolgreiche globale Strategien basieren auf einer globalen Funktion oder einem globalen Bedürfnis. Die meisten globalen Märkte existieren nicht von Natur aus; sie werden durch Bemühungen im Marketing geschaffen. De Beers forcierte z.B. die Sitte, seiner Frau bei der Verlobung einen Diamantring zu schenken, durch massive Werbemaßnahmen. Damit konnte diese Sitte auch in Ländern eingeführt und etabliert werden, die diese aus ihrer Kultur eigentlich gar nicht kennen, wie z.B. Japan. In der Wertschöpfungskette der Unternehmen besteht ein steigender Druck nach geringeren Kosten und höherer Effizienz, d.h. nach der Realisierung von mehr „Economies of Scale“. Nach einer Studie von KPMG wird sich dies insbesondere im unteren Bereich der Wertschöpfungskette noch beschleunigen, dabei werden insbesondere China und Osteuropa als sehr attraktive Standorte eingeschätzt. Im oberen Bereich der Wertschöpfungskette, d.h. Leistungen mit einer hohen Wertschöpfung, werden die traditionellen Industriestaaten profitieren. Problematisch dürfte es bei allen Ländern werden, die den Sprung auf die höhere Wertschöpfungsebene nicht schaffen, da sie auf mittlerem technologischen Niveau stehen geblieben sind.1 Einzelne Komponenten der Marktangebote werden zunehmend standardisierter, z.B. gleichen sich auch die Qualitätsanforderungen global an. Das geht einher mit einer Angleichung der Strukturen und Prozesse in der Distribution und dem Marketing in den 1
Vgl. KPMG, S. 2 f.
16
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Unternehmen. Erworbenes Vertriebs-Know-how kann damit multipliziert werden, d.h. in anderen Ländermärkten angewandt werden. Dies bringt gegebenenfalls eine komplette Neukonfiguration der Wertschöpfungskette mit sich, insbesondere dann, wenn sich bedingt durch den Einsatz neuer Technologien die Geschäftsmodelle ändern. Technologien werden auch in der Zukunft das Bild der Wirtschaft prägen und die Frage wird nicht nur sein, wer sie entwickelt, sondern auch wer neue Anwendungen daraus generieren und auf dem globalen Markt platzieren kann. Man kann sich schwerlich eine globalisierte Welt ohne E-Mail vorstellen. Die Kommunikationstechnologie wurde ein universeller, uniformer und ein konsistenter Faktor über nationale und kulturelle Grenzen hinweg. Dasselbe gilt für andere Technologien: Wenn ein Unternehmen weiß, wie man Technologie in einem Land einsetzt, kann es dieses Wissen überall in der Welt gleichermaßen anwenden. Diese Uniformität kann die Kosten für Forschung und Entwicklung über Grenzen hinweg senken. Der Druck hin zur Globalisierung kann für neue Marktangebote immens sein, wenn diese neuen Marktangebote größere Investitionen verlangen und längere Entwicklungszeiten haben, z.B. in der Informationstechnologie, in der Biotechnologie und in der Pharmaindustrie. Bereits in seinem Artikel von 1983 bezeichnet Levitt die Kommunikationstechnologien übrigens als den Treiber für die Globalisierung!1 Eine Gruppe von Wettbewerbern dominiert in jedem größeren Ländermarkt. Es sind immer die selben Unternehmen, die in diesen Märkten anzutreffen sind. Längst werden Marktsegmente nicht mehr regional definiert, sondern nur durch eine globale Präsenz können „Global Economies of Scale“ realisiert werden. Komplementatoren runden das Marktangebot der Hersteller durch unterstützende Marktangebote ab oder ermöglichen sie gar erst! Mit ihrer Unterstützung ist ein Unternehmen in der Lage, die Kundenbedürfnisse vollständiger zu erfüllen als vorher. Oft wird bei dieser Betrachtung vergessen, dass es aber auch hemmende Kräfte der Globalisierung gibt, die eine Globalisierung erschweren oder gar unmöglich machen, gelegentlich wird man dann völlig überrascht darauf gestoßen:2
1 2
Vgl. Levitt, S. 92. Vgl. Keegan/Green, S. 27 f.
1.2 Herausforderungen durch die Globalisierung
17
Marktunterschiede mit starken nationale Markennamen
Kurzsichtigkeit des Managements; vor allem bei starkem nationalen Managementteams in den Auslandsniederlassungen
hemmende Kräfte der Globalisierung
gesellschaftliche Werte und Historie wiegen mitunter schwer
bestehende tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse Abb. 1.10:
Hemmende Kräfte der Globalisierung
Selbstverständlich bestehen weiterhin Marktunterschiede: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind mitunter immer noch so hoch, dass Anpassungen in den Marktangeboten der einzelnen Länder getätigt werden müssen. Unternehmen, die diese Unterschiede ignoriert haben, die versucht haben, eine globale Strategie zu fahren ohne auf diese Unterschiede einzugehen, waren erfolglos. Ein lokaler Markenname kann eine unterschiedliche Marketingstrategie in jedem Land erforderlich machen. Falls eine Marke in einem Land bereits etabliert ist, kann es unmöglich sein, eine andere Positionierung zu erreichen. Die Historie wiegt teilweise schwer. Es bestehen Stereotypen zwischen verschiedenen Ländern, die nicht schnell abgebaut werden können. Diese basieren oft noch aus Kriegen vergangener Jahrhunderte.1 Auch die oftmals fehlende Offenheit für internationale Themenstellungen der Bevölkerung hemmt die Globalisierung. Wenn nur 25 % aller US-Amerikaner einen Reisepass haben, d.h. die USA verlassen dürfen, dann lässt das schon Zweifel dahingehend aufkommen, wie bereit die Bevölkerung für eine globale Welt wirklich ist. Es erfordert den Weitblick des Managements: In vielen Fällen erkennt das Management nicht das globale Potenzial ihres eigenen Marktangebots. Hält ein Unternehmen die Führerschaft in einem expandierenden Markt nicht aufrecht, wäre das ein denkbar schlechter Zeitpunkt für den Beginn einer Globalisierungsstrategie. Globales Marketing funktioniert nicht mit einem starken lokalen Team, das die Marktangebote den lokalen Gegebenheiten anpasst. Einiges spricht daher für die Zentralisierung von ausgewählten Aufgaben, dies ist jedoch oft kurzfristig nicht möglich.
1
Vgl. Kap. 3.1.
18
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Jedes Land beschützt seine nationalen Unternehmen und Interessen, in dem es Kontrollen für den Marktzugang unterhält. Handelshemmnisse bestehen daher noch in vielfältiger Form, oft sind sie auf den ersten Blick nicht erkennbar, wie etwa die non-tarifären Handelshemmnisse.1
1.3
Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
1.3.1
Beweggründe für ein Auslandsengagement
Die Frage, warum fortlaufend neue Märkte gefunden werden müssen, lässt sich allgemeingültig erklären: Das Marktvolumen im traditionellen Markt wird, da Märkte im Allgemeinen einem Lebenszyklus unterliegen, im Zeitablauf vermutlich abnehmen, d.h. das Basisgeschäft wird geringer. Ersichtlich wird dies auch durch die folgende Darstellung:2 Umsatz
Entwicklungsgrenze
Neugeschäft
Basisgeschäft
Das strategisches Gap kann geschlossen werden durch: • neuer Marktangebote • neue Märkte • Diversifizierung
Das operative Gap kann geschlossen werden durch: • Marktdurchdringung • effizientere Abwicklung • Erhöhung der Kundenloyalität Zeit
Abb. 1.11:
„Gap“ zwischen Basisgeschäft und Entwicklungsgrenze im internationalen Geschäft
Die Umsätze im Basisgeschäft sinken unaufhaltsam durch das Aufkommen neuer Wettbewerber, Veralterung der Marktangebote etc. Dabei entsteht im Unternehmen das „operative Gap“ aus der Differenz zwischen Basisgeschäft und potenziellem Basisgeschäft (entspricht dem bestehenden Marktpotenzial). Dies kann durch eine stärkere Marktdurchdringung, d.h. Erhöhung des Marktanteils, hinausgeschoben werden.
1 2
Vgl. Kap. 4.1.5. Vgl. Kohlert, 2013, S. 216.
1.3 Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
19
Ein wirkliches Unternehmenswachstum kann es allerdings nur geben, wenn das Unternehmen in der Lage ist, Neugeschäft zu generieren. Es ist essenziell für ein Unternehmen, neben einigen anderen Maßnahmen, ob es ihm gelingt, dieses „strategische Gap“ durch den Gang in neue Ländermärkte zu schließen:1
Schaffung neuer Geschäftsmöglichkeiten durch innovative Marktangebote Komplettierung bestehender Marktangebote durch Zusatznutzen für den Kunden, die wiederum eine Erhöhung der Preise rechtfertigen Identifizierung neuer Märkte, entweder neue Branche, die das Marktangebote benötigen oder neue Ländermärkte Gang in neue Märkte mit neuen Marktangeboten im Sinne einer Diversifizierung des Unternehmens Warum Unternehmen international tätig werden, erschließt sich im Wesentlichen anhand zweier Beweggründe, die wiederum auf ein paar wenige Größen heruntergebrochen werden können:
Erstens die klassischen Beweggründe, nämlich entweder neue Absatzmärkte oder kostengünstige Fertigungsmöglichkeiten zu finden. Zweitens entstanden neue Beweggründe, nämlich entweder die eigenen Stärken ganz bewusst auch auf anderen Auslandsmärkten zu nutzen, oder ganz einfach einem bestehenden Kunden zu folgen und letztendlich neue Stärken durch den internationalen Austausch zu entwickeln. Die neuen Beweggründe als Argument für die internationale Geschäftstätigkeit ergänzen die klassischen Beweggründe, oder lösen sie sogar ab:
1
Vgl. Kohlert, 2013, S. 216.
20
1 Internationalisierung der Wirtschaft Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
klassische Beweggründe • Beschaffung von Ressourcen • Auffinden von neuen Märkten • Suche nach kostengünstigen Fertigungsstandorten • signifikante Transportkosten • hohe Abschreibungen bei den Kosten für Forschung und Entwicklung • Erzielung von „Economies of Scale“ in der Fertigung, in der Logistik etc. • Anpassungen des Marktangebots an die Ansprüche des Kunden im jeweiligen Land sind notwendig • Ähnlichkeiten, z.B. gemeinsame Sprache • einen guten „Draht“ zu den Kunden • Wechselkursvorteile ermöglichen Preisvorteile • positives Bild des Landes, in das man expandieren möchte Abb. 1.12:
und oder
neue Beweggründe • Begleitung von bestehenden Kunden in einen Auslandsmarkt • Entwicklung neuer Stärken, die erst durch den internationalen Austausch ermöglicht werden • verstärkte „Global Sourcing“Projekte • Präsenz auf Kernmärkten, vor allem auf Hoffnungsmärkten, um an vermuteten positiven Marktentwicklungen zu partizipieren • kürzer werdende Produktlebenszyklen erfordern eine schnelle Marktdurchdringung, um überhaupt Gewinne zu erzielen • nur durch eine branchenübergreifende Nutzung von neuen Technologien amortisieren sich die hohen Investitionssummen
Beweggründe für das Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
Konkret beinhalten die klassischen Beweggründe für das Wachstum durch Internationalisierung das Folgende:
Beschaffung von Ressourcen, die entweder schwer erhältlich oder in anderen Ländern kostengünstiger angeboten werden Auffinden von neuen Märkten zur Ausweitung des Absatzes, die das Marktangebot bislang nicht kannten oder benötigten oder Suche nach neuen Kundenkreisen in internationalen Märkten Auffinden von günstigen Fertigungsmöglichkeiten, aufgrund geringerer Lohnkosten oder sonstiger Kosteneinsparungen, wie z.B. steuerliche Vorteile, geringere Baukosten Kostenintensität des Transports der Marktangebote macht eine Fertigung vor Ort erforderlich hohe Abschreibungen bei den Kosten für Forschung und Entwicklung erfordern eine Aufteilung auf eine höhere Fertigungsmenge zur Realisierung der „Economies of Scale“
1.3 Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
21
Erzielung von „Economies of Scale“ in der Fertigung, in der Logistik und/oder im Marketing, im Verkauf etc. durch höhere Kapazitätsauslastung; z.B. sind die Vertriebsstrukturen aufgrund ihrer Anforderungen effizient nicht aufrechtzuerhalten, wenn sie nicht eine bestimmte kritische Größe erreichen Ähnlichkeiten, z.B. gemeinsame Sprache oder vermeintlich gleiche Kultur des Kunden, lassen den Markteintritt einfach erscheinen Erfolg eines lokalen Partners oder eines lokalen Managers, der einen guten „Draht“ zu den Kunden hat aufgrund einiger Begegnungen besteht ein positives Bild des Landes, in das man expandieren möchte, oftmals gepaart mit einer starken persönlichen Motivation des Unternehmers Konkret beinhalten die neuen Beweggründe für das Wachstum durch Internationalisierung das Folgende:
Notwendigkeit, bestehende nationale Kunden auf dem internationalen Markt zu begleiten, da sich etwa eine ganze Branche internationalisiert und das eigene Unternehmen ohne internationale Expansion nicht mehr marktfähig ist. Bestehende Vorteile gegenüber dem weltweiten Standard, d.h die Stärken des Unternehmens sind eindeutig vorhanden, sind durchhaltbar und können international genutzt werden. Entwicklung neuer Stärken durch den internationalen Austausch von Informationen und Erfahrungen in einer Vielzahl von Märkten und unterschiedlichen Kunden. Verstärkte „Global Sourcing“-Projekte eigener nationaler Kunden erfordern eine eigene internationale Präsenz, um mit den Kostenstrukturen der Wettbewerber konkurrieren zu können. Die Präsenz auf zukünftigen Kernmärkten, die gemeinhin als Hoffnungsmärkte bezeichnet werden, quasi identisch mit den so genannten „Emerging Markets“, stellt eine große Motivation dar. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, wenn man nicht in einem bestimmten Markt präsent ist, möchte man vermeiden. Sobald die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind, möchte man als Unternehmen mit dem aufstrebenden Markt wachsen. Hierbei mag der „First-Mover Advantage“ eine Rolle spielen, nämlich einfach früh genug auf dem Markt präsent zu sein, um als Erster die richtigen Kontakte zu machen, die wichtigsten Kunden zu bekommen, kurzum, den Markt zu dominieren. Kürzer werdende Produktlebenszyklen machen eine schnelle Marktbearbeitung notwendig, da Marktangebote heute schneller altern. Damit verfallen die Gewinnmargen zügiger und Marktangebote müssen früher aus dem Markt genommen werden. Sie müssen daher rasch auf allen möglichen Märkten platziert werden, um die höchstmögliche Rendite zu erzielen. Erst eine weite Nutzung von neuen Technologien rechtfertigt die höheren Investitionen in diesen Technologien. Oft lassen sich nur durch den Einsatz auf breiter Ebene Vorteile in der Kommunikation oder der Logistik erzielen. Allerdings müssen neue Technologien häufig zuerst auf gegenwärtigen Schlüsselmärkten eingeführt werden, um dann mit dieser Referenz die anderen Märkte bedienen zu können.
22
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Eine Studie des „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“ aus dem Jahr 2004 bei 4.400 international tätigen Unternehmen über die Erfahrungen und Perspektiven der deutschen Wirtschaft im Auslandsgeschäft kommt zu den folgenden Resultaten:1 erfüllt
persönliche Beweggründe / zufällige Kontakte niedrige Personalkosten / Sachkosten Kundenwunsch / Nähe zum Kunden Wettbewerbssituation / spezieller Markt für mein Produkt Erschließung neuer Märkte / Einkauf
nicht erfüllt
20,36% 9,15% 24,88% 8,12% 38,77% 44,81% 39,72%
Erschließung neuer Absatzmärkte / Verkauf
Abb. 1.13:
9,03% 10,99% 16,78% 79,48%
12,62%
Erwartungen an das Auslandsengagement in der Praxis
Der Schwerpunkt der Erwartungen an das Auslandsengagement in der Praxis liegt auf den klassischen Beweggründen, nämlich der Erschließung neuer Absatzmärkte. Die nächsten fünf Erwartungen sind jedoch eher den neuen Beweggründen zuzurechnen. Es zeigt sich auch, dass die Erwartungen befragten Unternehmen sehr oft erfüllt worden sind. Das trifft vor allem auf die Erschließung neuer Absatzmärkte zu. Nur durch den Gang in neue Märkte lässt sich ein Unternehmenswachstum gewährleisten. Schon Schumpeter sagte in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, dass Unternehmen, die neue Märkte schaffen, erstens wachsen und zweitens in diesen auch dominieren werden: Diese Pioniergewinne, die sie dort erzielen, sind der Lohn für ihre innovative Grundhaltung, z.B. frühzeitig in neuen ausländischen Märkten zu investieren.2 Die Veränderung zu den „neuen Beweggründen“ zeigt sich auch in der Einbeziehung und der Ausweitung der Beschaffung, die einher mit dem Ausbau der Aktivitäten mit dem Markteintritt geht. Dieses parallele Vorgehen von Marktbearbeitung und Nutzung der lokalen Ressourcen bezeichnet Kuemmerle als „gleichmäßige internationale Expansion“3. Die meisten Unternehmer erkennen zuerst die Geschäftsgelegenheit und denken danach darüber nach, wie sie auch die dort vorhandenen Ressourcen nutzen können. Die wichtigste Fähigkeit des Unternehmers ist jedoch, Marktgelegenheiten und im Auslandsmarkt vorhandene Ressourcen 1 2 3
DIHK, S. 15. Vgl. Kohlert, 2013, S. 223. Vgl. Kuemmerle, 2005b, S. 42 ff; vgl. Kap. 6.2.4.
1.3 Unternehmenswachstum durch Internationalisierung
23
ständig gegeneinander abzuwägen, aufeinander abzustimmen und die gesamte Strategie optimal zu gestalten.1 Aktivitäten Exporte ausländische Montagewerke komplette Auslandsfertigungen Entwicklung/Design/Fertigung im Ausland komplette Wertschöpfung (incl. F&E) im Ausland globales Angebot mit Netz von „Centers of Competence“ Abb. 1.14:
Beschaffungsmärkte
+ + + + + +
vorwiegend national orientierte Beschaffung mit wenigen Ausnahmen selektive lokale Beschaffung verstärkte lokale Beschaffung, bestehende Zulieferer gründen Auslandstöchter vorwiegend lokale Beschaffung, Einsatz lokaler Entwickler/Designer vollständiges „Sourcing“ in allen lokalen Beschaffungsmärkten globale Beschaffung mit internationalem Einsatz der Ressourcen
Internationalisierung aus der Beschaffungsperspektive
Typische Beschaffungsziele der Unternehmen sind heute die drastische Reduzierung von direkten Lieferanten und Konzentration auf einige wenige Komponentenlieferanten („First Tier“2), die Standardisierung von Teilen durch Reduzierung der Teilevielfalt und der Vereinheitlichung, d.h. vermehrter Einsatz von Standardkomponenten, die Bündelung von Beschaffungsvolumen sowie die Implementierung eines „Global Sourcing“, d.h. Anfragen bei Lieferanten, die irgendwo auf der Welt zu Hause sind. Dies setzt die traditionellen Zulieferer unter Zugzwang, ihre Unternehmensaktivitäten ebenfalls global auszurichten. Im Rahmen einer Studie in Deutschland stellten Haussmann et al. fest, dass die mittelständischen Unternehmen in Bezug auf ihren Internationalisierungsgrad in zwei Gruppen eingeteilt werden können, nämlich in diejenigen Unternehmen, nur in einem geringen Maß international aktiv sind, sowie in Unternehmen, die im internationalen Rahmen sehr erfolgreich sind und zu den mittelständischen Weltmarktführern gezählt werden können. Letztere haben sich vorwiegend auf spezielle Marktsegmente spezialisiert und sind daher nicht so sehr in der Öffentlichkeit bekannt, sie werden auch „hidden champions“ genannt.3 In der Betrachtung der BRIC4-Staaten spielen bei den mittelständischen Weltmarktführern in allen vier Staaten die Absatzmärkte eine dominierende Rolle, d.h. die klassischen Beweggründe dominieren, 1 2
3 4
Vgl. Kuemmerle, 2005a, S. 84. Insbesondere in der Automobilzuliefererindustrie unterschiedet man zwischen so genannten „First Tier“-, „Second Tier“- und „Third Tier“-Lieferanten. „First Tier“ sind Systemanbieter, „Second Tier“ sind Komponentenhersteller, die die „First Tier“ beliefern, und die „Third Tier“ sind Teilelieferanten, die wiederum an die „Second Tier“ beliefern. Vgl. Haussmann/Holtbrügge/Rygl, S. 479. Brasilien, Russland, Indien und China als die herausragenden Märkte der Zukunft.
24
1 Internationalisierung der Wirtschaft
allerdings sind bei den anderen Wertschöpfungsaktivitäten erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern zu erkennen:1 Brasilien
Russland
Indien
China
Beschaffung
40,0 %
8,2 %
37,7 %
59,7 %
F&E
22,2 %
4,1 %
11,8 %
19,4 %
Fertigung
48,9 %
10,2 %
35,3 %
64,5 %
Marketing & Vertrieb
66,7 %
65,3 %
56,9 %
59,7 %
Abb. 1.15:
Wertschöpfungsaktivitäten mittelständischer Weltmarktführer in den BRIC-Staaten im Vergleich
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass von den mittelständischen Marktführern im Jahr 2009 alle BRIC-Märkte als bedeutende Absatzmärkte angesehen, was sich aus den Aktivitäten Marketing und Vertrieb ergibt. Die teilweise erheblichen Unterschiede bestehen in der unterschiedlichen Nutzung der Beschaffung, der Forschung und Entwicklung sowie der lokalen Fertigung.
1.3.2
Praxisfall: Beweggründe von technischen Unternehmen
In einer empirischen Untersuchung wurden die Ambitionen und Möglichkeiten mittelständischer Unternehmen des Maschinenbaus und der Automobilzulieferer und ihre Aktivitäten in Russland ermittelt. Basis der Untersuchung waren 27 Interviews mit Unternehmen, die eine Affinität zum russischen bzw. ukrainischen Markt haben, d.h. entweder dort bereits präsent sind oder einen Markteintritt planen und bereits die ersten Erfahrungen gesammelt haben. Zusätzlich wurde die Untersuchung mit drei Experteninterviews aus dem Umfeld Automobil/Mittelstand/Russland angereichert. Die Brancheneinteilung erfolgte nach dem Schwerpunkt der Tätigkeit. Dabei wurde zwischen Unternehmen des Maschinenbaus, einschließlich Werkzeugbau, sowie den Automobilzulieferern unterschieden.2 Die Automobilzulieferer unterscheiden sich durch unterschiedliche Beweggründe für den Gang nach Russland:3
1 2 3
Haussmann/Holtbrügge/Rygl, S. 491. Vgl. Kohlert/PwC, S. 36 ff. Vgl. ebenda, S. 51.
1.3 Unternehmenswachstum durch Internationalisierung „Getriebene“
„Abgeholte“
„Abwartende“
Kostendruck bei den Automobilzulieferern, ausgelöst durch die weltweit operierenden Automobilhersteller
„Pull Prinzip”, d.h. die Automobilhersteller errichten Fertigungswerke und erwarten, dass die Automobilzulieferer mitziehen
Modernisierung der lokalen russischen Automobilhersteller
Motiv: Kosten
Motiv: Kunde
Motiv: Markt
Suche nach kostengünstigen Standorten mit guter Anbindung an das europäische Straßennetz
Suche nach einem Standort in der Nähe des bereits bestehenden Kunden
Suche nach einem guten Standort mit guter Logistik zu den neuen Kunden
Standortfaktoren: • niedrige Löhne • rechtlich sicher • gute Anbindung an das europäische Straßennetz Abb. 1.16:
25
Standortfaktoren: • Logistik (Straße, Bahn, Fluss) • lokale Zulieferer mit durchhaltbarer Qualität, Just-in-Time-Lieferung • lokale Dienstleister
Unterschiedliche Beweggründe für den Markteintritt bei Automobilzulieferern
Für Automobilzulieferer kommen in Russland fast nur Direktinvestitionen in Frage, mit denen sie entweder die nationalen Werke lokaler oder ausländischer Automobilhersteller beliefern oder ihre Komponenten kostengünstig fertigen können und die Automobilhersteller in Westeuropa damit beliefern. Unter Direktinvestitionen versteht man im Ausland getätigte Vermögensanlagen durch ausländische Investoren mit dem Ziel der Einflussnahme auf die unternehmerische Tätigkeit.1 Man unterscheidet zwischen verschiedenen Direktinvestitionen wie „Grüne-Wiese“-Direktinvestition, d.h. Errichtung eines neuen Fertigungswerks im Ausland, Beteiligungen bei über 10 % Anteil am gezeichneten Kapital, sowie Übernahmen im Ausland. Bei Aufbau eines Montagewerkes rechnet man mit Direktinvestitionen in Höhe von € 1–3 Mio. Es ist das Geld, was einen Mittelständler schmerzt, aber unter Umständen ist es weniger als der Zeitverlust, falls ein direkter Wettbewerber den Automobilhersteller von einem sicheren und damit besser gewählten Standort beliefern kann.2
1 2
Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. 5.4. Vgl. Kohlert/PwC, S. 51 f.
26
1 Internationalisierung der Wirtschaft
Maschinenbauer unterscheiden sich durch unterschiedliche Beweggründe für den Gang nach Russland:1 „Abwartende“
„Suchende“
Modernisierung der lokalen russischen Automobilhersteller sowie der Gang westlicher Automobilhersteller mit großen Fertigungswerken
Bereits heute bestehende Gelegenheiten auf dem Markt werden gesucht, dafür teilweise auch neue Marktangebote kreiert
Motiv: Markt
Motiv: Kunde
Beobachtung der Automobilindustrie
Suche nach Marktsegmenten
Abb. 1.17:
Unterschiedliche Beweggründe für den Markteintritt bei Maschinenbauern
Einige Maschinenbauunternehmen sind bereits seit den 70iger Jahren mit ihrem Markennamen in Russland bekannt. Sicherlich bedeutet ein hoher Bekanntheitsgrad nicht zwangsläufig auch erzielbare Umsätze, da die Entscheidungswege lang sind und der Markt auch dann intensiv bearbeitet werden muss, aber es ist ein Anfang. Manche Maschinenbauer warten auf eindeutige Entwicklungen bzw. Entscheidungen bei ihren potenziellen Kunden in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie und planen, diesem zu folgen. Sobald der „Ruf der Automobilindustrie“ ertönt und die ersten signifikanten Schritte nach Russland tun, werden diese Maschinenbauer folgen. Dies gilt aber erst dann, wenn die Automobilhersteller signifikante Fertigungen aufbauen, d.h. über 100.000 Einheiten pro Jahr. Erst dann kann das für das eigene Unternehmen interessant werden, da diese dann die Maschinen nachfragen. Auf der anderen Seite operieren jedoch auch deutsche Maschinenbauer unabhängig von dem Blick auf die Automobilhersteller in Russland. Von Fall zu Fall können auch russische Automobilhersteller interessant sein. So fand ein deutsches Unternehmen heraus, dass Lada heute noch Maschinen nutzt, die es in den 50iger Jahren auslieferte. Dabei könnten Themen wie Modernisierung, Ersatzteilgeschäft ins Spiel kommen. Die Modernisierung bestehender Anlagen, durchaus auch anderer Fabrikate, wie ein deutscher Maschinenbauer bemerkte und genau das anbietet, da dazu das Know-how vorhanden ist, kann eine interessante Geschäftsmöglichkeit darstellen.2
1 2
Vgl. Kohlert/PwC, S. 64. Vgl. ebenda, S. 63 ff.
2
Internationalisierung der Unternehmen
You loose the big picture When you focus on every narrow piece. Therefore, keep the main thing the main thing.
2.1
Der Weg in den Auslandsmarkt
2.1.1
Vom nationalen zum internationalen Markt
Besteht in einer immer globaler werdenden Welt eigentlich ein Unterschied zwischen nationalem Marketing und internationalem Marketing? In einem globalisierten Markt sind tatsächlich kaum Unterschiede zu erkennen, aber noch gibt es wenige Beispiele von Märkten, die wirklich sehr global ausgerichtet sind. Oft sind sie es nur in Teilbereichen, in vielen Bereichen aber nicht. So lange Unterschiede zwischen den Rechtssystemen, den Werten in den Gesellschaften etc. noch bestehen, wird es notwendig sein, sich mit internationalen Fragestellungen im Marketing zu beschäftigen. Dabei treten im internationalen Marketing zwei grundsätzliche Betrachtungsfelder auf:
Management des Markteintritts („Marketing-to“) Management der „Marketing Operations“ in mehreren Ländern („Marketing-in“)
Daraus können im internationalen Marketing drei grundlegende Betrachtungsfelder abgeleitet werden:
Das Umfeld mit der Souveränität der Staaten, dem Geldsystem, dem politischen Umfeld, dem kulturellen Umfeld sowie dem makroökonomischen und dem mikroökonomischen Umfeld. Dahinter verbergen sich in praxi ganz konkrete Fragen, z.B. wie „Wie muss ich die Werbung der Kultur im Auslandsmarkt anpassen?“ und „Welche kulturellen Unterschiede bestehen bei den Kunden?“ Beim Übergang von nationalen Grenzen spielt die entsprechende Markteintrittsstrategie eine große Rolle, des Weiteren wird die Marketingplanung den neuen Gegebenheiten angepasst. Konkret werden z.B. die folgenden Fragen beantwortet: „Wie setze ich die internationale Marketingplanung im Unternehmen um?“ und „Wie soll der Markteintritt in einen Auslandsmarkt erfolgen?“ Marketing in zwei oder mehr Ländern zur selben Zeit erfordert Entscheidungen darüber, inwieweit die verschiedenen Marktangebote standardisiert werden und inwieweit sie den lokalen Bedürfnissen angepasst werden müssen. Ein Auge sollte auch auf die Anpassung der Geschäftsprozesse und der Organisationsstrukturen geworfen werden,
28
2 Internationalisierung der Unternehmen
die an die komplexer werdenden Bedingungen durch die erstmalige oder weitere Expansion in ausländische Märkte angepasst werden müssen. Durch die neuen Umfelder erweitert sich das Aufgabenspektrum im internationalen Marketing:1 ausländisches Umfeld („uncontrollables“)
Politik, Ökonomie Rechtssystem inländisches Umfeld
(„uncontrollables“)
Kulturen Politik, Rechtssystem
Unternehmensumfeld („controllables“) Preis
7
Marktangebot
Geografie und Infrastruktur
Wettbewerbsstruktur Wett„uncontrollables“ Promotion bewerbsim Ländermarkt A struktur Vertriebswege
ökonomisches Klima
„uncontrollables“ im Ländermarkt B Technologie
„uncontrollables“ im Ländermarkt C
Distributionsstruktur
Abb. 2.1:
Aufgabenspektrum im internationalen Marketing
Das einzige Element im Marketing, das ein Unternehmen ausgestalten kann, ist das Marketing-Mix mit dem Marktangebot, der Preisgestaltung, der Auswahl seiner Vertriebswege und der Promotion. Nur diese unterliegen einzig und alleine seiner Entscheidung. Dieses kann daher als für das Unternehmen „controllable“ bezeichnet werden. Zusätzlich wird das Unternehmen in seinem Heimatland mit Variablen konfrontiert, die es zwar kennt, aber größtenteils nicht beeinflussen kann, sondern als Faktum hinnehmen muss. Dazu gehören Faktoren wie die Wettbewerbsstruktur, die es z.B. durch Unternehmenskäufe beeinflussen kann. Das gelingt aber nicht mehr beim Geschäftsklima oder den politischen/rechtlichen Rahmenbedingungen, die als gesetzt gelten können. Geht das Unternehmen in neue Ländermärkte, kommen noch verschiedene andere Faktoren hinzu, die meist nicht verändert werden können, sondern als neue Rahmenbedingungen verstanden werden müssen. Diese werden als „uncontrollables“ bezeichnet:
1
Vgl. Cateora/Graham, S. 8 f.
2.1 Der Weg in den Auslandsmarkt
29
Die Wettbewerbsstruktur im neuen Ländermarkt ist oftmals nicht so durchsichtig, es erscheint, wenn man die internen Verhältnisse nicht so gut kennt, schwer erkennbar, welche Kooperationen und welche Familienbanden vorherrschen, die sich auf den Wettbewerb auswirken. Die Nutzung der Technologie mag Unterschiede aufweisen, etwa in der Nutzung von Informationen, die ein Unternehmen über das Internet dem Kunden vorhält. Ist er es gewöhnt oder bevorzugt er die persönliche oder schriftliche Ansprache, wird man dies zusätzlich dem Kunden bieten müssen. Die Distributionsstrukturen sind unterschiedlich und müssen bei den Entscheidungen in Betracht gezogen werden. Insbesondere in Flächenstaaten wie Russland, China, USA kann es sehr schwierig sein, einen gewissen Abdeckungsgrad zu erreichen. Manchmal fehlen dazu oft noch die vertrauten Strukturen, wie z.B. Handelsvertreternetzwerke, national tätige Distributoren. Die Geografie und die vorhandene Infrastruktur mag eine Standortentscheidung nachhaltig beeinflussen. Straßenverbindungen, Schifffahrtswege, Flughäfen und die Flugverbindungen spielen für international aufgestellte Unternehmen mit intensiver und v.a. regelmäßiger Reisetätigkeit eine enorme Rolle. Das Wertesystem des Landes wirkt sich auf die Motivationsstrukturen der Mitarbeiter, ihre Einstellung zur Arbeit und ihre Loyalität zum Unternehmen aus, um nur einige Wirkungsbereiche zu nennen. Die politischen und rechtlichen Kräfte erscheinen einem Außenstehenden oftmals weniger verständlich, weil sie dem Einzelnen weniger geläufig sind. Steueränderungen, Gesetze und Verordnungen, Deregulierung und die Verlässlichkeit darauf stellen eine wichtige Größe dar. Die allgemeine wirtschaftliche Situation eines Landes setzt schlechthin einen Rahmen.
30
2 Internationalisierung der Unternehmen
2.1.2
Internationalisierung der Unternehmen als Prozess
Zur Internationalisierung kommt ein Unternehmen durch eine gewisse kontinuierliche Entwicklung seiner Aktivitäten:
Domestic Marketing
Export Marketing
• vorwiegend national tätige Nischenanbieter • geringe Unternehmensgröße • keine Anpassungen der Marktangebote an ausländische Kunden • Internationalisierung oft durch Gelegenheiten auf dem Auslandsmarkt initiiert • Vertrieb über Intermediäre oder direkt an den Kunden
• Anpassungen der Marktangebote an lokale Kundenbedürfnisse International Marketing • Präsenz vor Ort mit Vertrieb, Service, Montage, später Fertigung vor Ort
Multinational Marketing
Global Marketing
Abb. 2.2:
• standardisiertes Marktangebot für unterschiedliche Regionen • meist mit Fertigung in der Region • standardisiertes Marktangebot • Marktsegmentierung über Ländergrenzen hinweg bis hin zu globalen Marktsegmenten
Internationalisierung als Prozess
Zu Beginn ist das Unternehmen dabei, seinen lokalen Markt abzuschöpfen. Man spricht dabei vom „Domestic Marketing“. Viele Jahre konnten Unternehmen, die in inländischen großen Märkten operierten, sehr erfolgreich „Domestic Marketing“ praktizieren. Heute gibt es immer weniger Branchen, in denen dies aufgrund des Marktvolumens überhaupt noch möglich ist. Schon daraus ergibt sich eine Notwendigkeit, in ausländische Märkte zu expandieren. Nicht jedes Unternehmen wird sein Heil im Auslandsmarkt finden, es spricht auch vieles dafür, insbesondere für das kleinere mittelständische Unternehmen, seine gewählte Nische im Heimatmarkt weiter zu festigen und auszuschöpfen. Ist es bereit, den Weg der Internationalisierung zu gehen, wird es meist mit dem Export beginnen. Die meisten Unternehmen starten zunächst mit „Export Marketing“. Dies zielt auf Marktgelegenheiten außerhalb des Heimatlandes ab. Der Fokus liegt auf der Übertragung von im Inland hergestellten Marktangeboten und gemachten Erfahrungen auf ausländische Märkte. In der Regel werden immer Stärken eines Marktangebots ins Ausland exportiert. Bei vorhandenen Stärken eines Marktangebots im Inland besteht eine gewisse Chance, diese auch im Ausland bereitstellen zu können und die notwendige Wertschätzung zu finden. Das Unternehmen hängt von der inländischen Fertigung und seinen bestehenden Lieferanten ab. Beim Export spricht man von zwei Arten, dem indirekten und dem direkten Export:
2.1 Der Weg in den Auslandsmarkt
31
Der indirekte Export liefert an Intermediäre, die dann wiederum den eigentlichen Kunden bedienen. Unter „Intermediäre“ versteht man Vertriebsmittler, die beauftragt werden, den Absatz und die Distribution von Marktangeboten durchzuführen, z.B. Handelsvertreter, Distributoren. Beim direkten Export beliefert der Hersteller den Kunden direkt ohne Zwischenstufen. Die internationalen Aktivitäten des Unternehmens werden vom Heimatmarkt heraus bestimmt. Für die einzelnen Teile der Wertschöpfungskette lässt sich das wie folgt darstellen:
F&E
Beschaffung
Fertigung
inhaltliche Ausrichtung
einheitlich für alle Marktangebote und Märkte
einheitlich für alle Marktangebote und Märkte
Differenzierung ist gering, nur in den Ländern, in denen gesetzliche Regelungen Anpassungen erfordern
regionale Abwicklung
Inland
Inland
Inland
Abb. 2.3:
Vertrieb
Vertrieb ist in nationale und internationale Bereiche gegliedert
Inland
Exportstrategie aus Sicht der Wertschöpfungskette
Das „International Marketing“ geht weiter als der Export, das Unternehmen wird stärker in das Marktumfeld des Landes involviert, in dem es seine Geschäfte tätigt. Der Fokus liegt auf der Übertragung von Marktangeboten und aufgebauten Kompetenzen. Das Unternehmen ist weniger abhängig von den Intermediären und beginnt, direkte Beziehungen zu den Kunden in den neuen Ländermärkten zu etablieren. Dies erfolgt oft in der Form von Vertriebsniederlassungen, die in der Folgezeit deutlich ausgebaut werden können. Mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, wird das Unternehmen vom Umfeld immer mehr als lokales Unternehmen wahrgenommen. Neben dem Vertrieb übernimmt es bald den Service für ausgelieferte Maschinen, es folgen Montagetätigkeiten etc. und wird so immer größer. Jeder Auslandsmarkt hat in dieser Phase seine eigenen ausländischen Unternehmenseinheiten, die relativ unabhängig voneinander agieren und an die Zentrale im Heimatland berichten.
32
2 Internationalisierung der Unternehmen
F&E
Beschaffung
Fertigung
Vertrieb
inhaltliche Ausrichtung der Marktangebote
einheitlich für alle Märkte und Marktangebote
einheitlich für alle Märkte und Marktangebote
Differenzierung nach Kundenbedürfnissen
differenziertes Marketing-Mix, angepasst an die lokalen Bedürfnisse
regionale Abwicklung
Inland
Inland/Ausland
Inland/Ausland
Ausland
Abb. 2.4:
Internationales Marketing aus Sicht der Wertschöpfungskette
Im „Multinational Marketing“ liegt der Fokus auf der Übertragung von Erfahrungen und Marktangeboten in bestimmten Regionen. Bei den Regionen kann es sich auch um multinationale Zusammenschlüsse handeln, wie etwa regionale Kooperationen, Freihandelszonen („Free Trade Area“), Zollunion („Customs Union“) etc. In aller Regel wird in der Region für den regionalen Bedarf auch eine eigene Fertigung unterhalten. Das Marketing des Unternehmens wird an die besonderen Bedürfnisse der Kunden der Zielregion angepasst. Die internationalen Aktivitäten des Unternehmens werden in jeder Marktregion eigenständig definiert.
F&E
Beschaffung
Fertigung
Vertrieb
inhaltliche Ausrichtung der Marktangebote
Grundlagenentwicklung ist national, Anwendungen differenziert in den Regionen
Beschaffung ist differenziert, ausgerichtet auf regionale Fertigung
differenzierte Fertigung, ausgerichtet am regionalen Bedarf
differenziertes Marketing-Mix, angepasst an die regionalen Bedürfnisse
regionale Abwicklung
Ausland
Ausland
Ausland
Ausland
Abb. 2.5:
Multinationale Strategie aus Sicht der Wertschöpfungskette
Schließlich liegt im „Global Marketing“ der Fokus auf der Übertragung von Erfahrungen und Marktangeboten auf dem globalen Markt. Die Marktangebote sind so standardisiert wie möglich und werden Besonderheiten des jeweiligen Marktes so weit wie notwendig angepasst. Die kulturellen Gemeinsamkeiten und die Besonderheiten des Marktes werden in den Marktangeboten und ihrer Umsetzung berücksichtigt, allerdings wird sehr stark nach globalen Gemeinsamkeiten gesucht. Einer der großen Vorteile eines globalen Unternehmens ist,
2.1 Der Weg in den Auslandsmarkt
33
dass das Unternehmen simultan in mehr als einem Land arbeiten kann, d.h. Erfahrungen und Systeme können übertragen, „Economies of Scale“ realisiert, Ressourcen gemeinsam genutzt und globale Strategien eingeschlagen werden. Die internationalen Aktivitäten des Unternehmens betrachten den Weltmarkt als Ganzes. Dies wird ermöglicht durch die Tatsachen, dass:
in jedem Markt eine steigende Anzahl von Marktangeboten besteht, die nicht im Land hergestellt wurden, sich die Kundenbedürfnisse entweder generell oder in den einzelnen Marktsegmenten angleichen und global agierende Kunden immer mehr und damit immer bedeutender für die Lieferanten werden.
F&E
Beschaffung
Fertigung
Vertrieb
inhaltliche Ausrichtung der Marktangebote
standardisiert
standardisiert
standardisiert
geringfügige Differenzierung bei Besonderheiten im Ausland
regionale Abwicklung
Inland/Ausland
Inland/Ausland
Inland/Ausland
Inland/Ausland
Abb. 2.6:
Globale Strategie aus Sicht der Wertschöpfungskette
Insgesamt wird in all diesen Betrachtungen unterstellt, dass die verschiedenen Formen der internationalen Unternehmenstätigkeit in einer sachlichen und zeitlichen Beziehung zu einer wachsenden Internationalisierung stehen, so dass verschiedene Stufen der Internationalisierung unterschieden werden können. Allerdings soll auch erwähnt werden, dass es völlig unterschiedliche Empfehlungen gibt, wie sich Unternehmen entwickeln sollen, die Spanne reicht von inkrementellen Internationalisierungsschritten, d.h. ausgehend vom „Export Marketing“ bis hin zu sofortigen Direktinvestitionen, d.h. Fokus auf „Global Marketing“.1 Damit können keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden, wie man Unternehmen internationalisieren soll. Dieser Prozess der Internationalisierung bedeutet nicht, dass ihn alle Unternehmen in dieser Reihenfolge durchlaufen müssen. Dies wäre für ein Start-up-Unternehmen aus der Biotechnologie unmöglich, in dieser Branche müssen sie oft schnell nach globaler Präsenz abzielen, um die Früchte ihrer Arbeit ernten zu können, da die Zeitspanne sehr limitiert sein kann. Die nächste Weiterentwicklung steht bereits bei einem Wettbewerb an. Für viele Unternehmen ist es jedoch ratsam, internationale Erfahrungen Schritt für Schritt zu sammeln und die gemachten Erfahrungen, z.B. im Vertrieb, im Umgang mit anderen Kul1
Vgl. Macharzina/Oesterle, S. 297.
34
2 Internationalisierung der Unternehmen
turen, möglichst schnell auf andere Länder zu übertragen. Das geht jedoch nur, wenn man bei Markteintritten eine bestimmte Systematik erarbeitet, die bei einem nächsten Markteintritt kopierbar ist. Sucht ein Unternehmen ein paar Kontaktpersonen mit direkten Kundenkontakten, die gegen Provision ihre Marktangebote möglichst schnell verkaufen, hat dies mit einer systematischen Markteintrittsstrategie nichts zu tun. Ein Markteintritt ohne Ressourcen und ohne ein gewisses Risiko ist nicht möglich und kann höchstens kurzfristig zum Erfolg führen. Die fehlende Nachhaltigkeit wird diesen Aktionismus schnell an die Grenzen führen.
2.1.3
Erwartungen und Fehler beim Gang in den Auslandsmarkt
Die Frage, wie groß ein Unternehmen sein sollte, um den Weg in den ausländischen Markt zu suchen, lässt sich nicht generell beantworten. Man kann die These aufstellen, dass Unternehmen, je größer sie sind, einen umso höheren Exportanteil aufweisen. Der durchschnittliche Exportanteil im verarbeitenden Gewerbe, ergibt sich aus dem Umsatz mit Abnehmern im Ausland sowie dem Umsatz mit deutschen Exporteuren bezogen auf den Gesamtumsatz in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden mit 50 und mehr tätigen Personen, ist seit Jahren mit knapp unter 50 % konstant hoch.1 Die Exportquote nach dem Außenhandelskonzept stellt das Verhältnis der Exporte zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Der Trend ist seit Jahren positiv, d.h. die Exporte als Indikator für die Internationalisierung von Unternehmen, steigen von knapp über 20 % im Jahr 1995 auf nunmehr über 40 % im Jahr 2012 an.2 Der Trend ist ungebrochen, so dass mit einem weiteren Anstieg in der Zukunft gerechnet werden kann. Export ist für alle Größenordnungen von Unternehmen ein Thema und in Zeiten gesättigter Inlandsmärkte ein Muss, neue Ländermärkte zu suchen. Gründe, Märkte im Ausland zu suchen, gibt es vielfältige. Steigende Gewinne sind ein erster Motivator, denn Unternehmen die international tätig sind, wachsen schneller und haben höhere Gewinne als die nur national tätigen Unternehmen. Diese Korrelation zwischen einem Auslandsengagement und dem Unternehmensentwicklung im Inland korrelieren vermutlich aufgrund der der Lerneffekte, die man auch im Inland nutzen kann, positiv und ist auch empirisch belegbar, wie die Studie der DIHK zeigt:3
1 2 3
Vgl. Statistisches Bundesamt, 2013. Vgl. ebenda. Vgl. DIHK, S. 56.
2.1 Der Weg in den Auslandsmarkt
Umsatz Gewinn Personalbestand
gestiegen gleich geblieben 0%
Abb. 2.7:
35
50%
100%
gefallen
Zusammenhang zwischen dem Auslandsengagement und der Unternehmensentwicklung im Inland
Durch ein verstärktes Auslandsengagement konnten Umsätze und Gewinne signifikant erhöht werden, es wirkte sich mindestens neutral oder gar positiv auf den Personalbestand aus. Die These, dass Unternehmen, die im Ausland expandieren, scheint ohnehin widerlegt zu sein, wenn man einmal von sehr fertigungsintensiven Unternehmen absieht. Die zentralen Zielsetzungen für ein Auslandsengagement lassen sich meist auf vier Faktoren zurückführen: • Verteilung der Gemeinkosten auf eine größere Absatzmenge („Economies of Scale“) • Ausgleich saisonaler Schwankungen im Absatz • Schaffung neuer Märkte impliziert höhere Umsätze, Gewinne etc. • Ausschöpfen von Steuervorteilen
Faktor #1: finanzielle Vorteile
• • • •
geringere Arbeitskosten längere Arbeitszeiten längere Maschinenlaufzeiten günstige Beschaffungsquellen
Faktor #2: Vorteile bei den Fertigungskosten
• • • •
Volumen und Wachstum des Auslandsmarkts Sicherung eines künftigen Kernmarktes Erreichbarkeit eines dominanten Marktanteils Vorteile durch Kundennähe, z.B. schneller Adaption von Marktangeboten an die Kundenbedürfnisse
• technologische Vorteile • herausragender Kundendienst • Übertragung von Erfahrungen auf Auslandsmärkte ist möglich • finanzielle Ausstattung ermöglicht es, weiterhin in Stärken zu investieren und sie auszubauen Abb. 2.8:
Faktor #3: Attraktivität des Marktes
Faktor #4: durchhaltbare Stärken werden transferiert und vielfältig genutzt
Ermittlung der zentralen Beweggründe für ein Auslandsengagement
36
2 Internationalisierung der Unternehmen
Durch verstärkte Auslandsaktivitäten kommen auf die Unternehmen neue Herausforderungen zu. Sie liegen im Allgemeinen darin, dass ohne eine Marktforschung keine gesicherten Maßnahmen mehr möglich sind, denn aus einem Bauchgefühl heraus lassen sich, wie oft noch im Heimatmarkt möglich, den man kennt, keine seriösen Entscheidungen treffen. Das Risiko nimmt zu, wenn man nur einmal an die Wechselkursschwankungen denkt, Anpassungen der Marktangebote an die verschiedenen Kundenbedürfnisse werden zur Normalität, die Anforderungen an die Fähigkeiten des Managements weiten sich aus. Die Fehler, die Unternehmen im Auslandsmarkt oft machen, sind meist sehr ähnlich:
Zum einen ist es die grundsätzliche Einstellung zu neuen Marktangeboten, d.h. man erkennt nicht die Notwendigkeit von neuen Angeboten, die in einem neuen Markt oftmals fortlaufend präsentiert werden müssen, wenn man einmal an den USamerikanischen Markt denkt. Dort wird davon ausgegangen, dass man Marktangebote fortwährend verbessert, wohl auch, weil oftmals mit noch nicht ausgereiften Marktangeboten der Markteintritt vorgenommen wird, um der Erste zu sein. Die Furcht vor Fehlschlägen bzw. Misserfolgen hemmt die Entwicklung. Selbstverständlich wird es bei jeder Expansion Rückschläge geben, der wahrhaft Erfolgreiche begreift sie als Chance, um sein Angebot besser den Kundenerwartungen anzupassen. Die Unternehmensleitung ist von der Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung bei der Produktneueinführung nicht überzeugt und bevorzugt den Markteintritt durch „trial and error“. Diese Strategien sind selten Erfolg versprechend, da erstens Geld falsch eingesetzt wird und zweitens wertvolle Zeit gegenüber dem Wettbewerb verloren geht. Ein Mangel an Wissen über den Markt und den Wettbewerb, fehlende „Marketing Intelligence“ führen bei Unternehmen zu falschen Entscheidungen. „Marketing Intelligence“ beinhaltet die Beschaffung von Informationen aus verschiedenen externen Quellen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, um die strategischen Stoßrichtungen relevanter Wettbewerber zu erkennen. Eine extreme Erwartungshaltung in beide Richtungen führt zu völlig unrealistischen Zielsetzungen, die ohnehin meist nur vage formuliert werden. Es kommt vor, dass ein Markteintritt unter selbst erzeugtem Zeitdruck erfolgt und in aller Eile Verträge mit den falschen Partnern abgeschlossen werden, diese sind später kaum mehr zeitnah auflösbar. Ein ausländischer Markt ist nicht nur eben ein anderer Markt, sondern er erfordert einen internationalen Marketingplan, der oftmals fehlt. Internationalisierung ist als Lösung lokaler Schwierigkeiten ganz sicher der falsche Weg. Zunächst einmal wird Geld investiert, bevor man die Ernte einfahren kann. Keine Anpassung an die lokalen Geschäftsgepflogenheiten: „When in Rome, do as the Romans do!“ Eine mangelnde Bereitschaft, das eigene Marktangebot dem neuen Markt anzupassen sowie ein fehlendes Servicebewusstsein komplettieren die Liste mit häufigen und kostspieligen Fehlern, auf die man immer wieder trifft. Zu letzterem eine kleine Geschichte: Ein deutscher und ein asiatischer Geschäftsmann treffen sich zu einem Arbeitsessen. Der Deutsche fragt „Welche ist für Sie die wichtigste Welthandelssprache?“ Der asiatische Geschäftsmann erwidert, „die wichtigste Sprache im Welthan-
2.1 Der Weg in den Auslandsmarkt
37
del ist die Sprache, die mein Kunde spricht“. Eine wichtige, oft die einzige, Möglichkeit, sich vom Wettbewerber positiv abzuheben, ist der Service. In den USA wird der Service als elementarer Bestandteil eines erfolgreichen Marketings angesehen. Der Kunde und seine Bedürfnisse werden in den Mittelpunkt des Geschehens im Unternehmen gestellt. Im Rahmen des Risikomanagements ist es daher von Bedeutung, die möglichen konkreten Risiken für ein bestimmtes Vorhaben darzustellen und deren Bewertung hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß vorzunehmen. Welche Risiken auf den Einzelfall bezogen, überprüft werden können, wird durch die folgende Grafik deutlich: • politische Stabilität, vor allem nach Wechsel oder Veränderungen in der Regierung • Stabilität der Gesetzgebung, Vorhersagbarkeit bei der Anwendung der Gesetze und Rechtssicherheit • Stabilität und Ausmaß der Wirtschaftsreformen („Emerging Markets“!) • bürokratische Hemmnisse • Umgang mit Eigentumsrechten wie Markenrechte, Patente
Risiko-Faktor #1: Planungssicherheit
• Finden des „Ersten Mann vor Ort“ („Statthalter“) • geforderte Qualifikation der Mitarbeiter im Managementbereich • Motivation der Mitarbeiter im gewerblichen Bereich • Zuverlässigkeit und Produktivität der Mitarbeiter • Entwicklung des Qualitätsbewusstseins
Faktor #2: Personal
• Wechselkursentwicklung und Stabilität der lokalen Währungen gegenüber dem EURO • Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Situation • Entwicklung der Rohstoffpreise (Öl, Gas)
Faktor #3: (Wirtschafts-) Politik
• Entwicklung der Infrastruktur • Entwicklung von Zuliefererstrukturen und lokalen Dienstleistern • Bereitstellung von Teilen bzw. Leistungen der Zulieferer und Dienstleister mit durchhaltbarer Qualität
Faktor #4: Qualität und Logistik
• • • •
Kriminalität Korruption Verständigungsschwierigkeiten kulturelle Unterschiede
Abb. 2.9:
Faktor #5: Kultur und Kommunikation
Zentrale Risikodimensionen beim Eintritt in den ausländischen Markt
38
2 Internationalisierung der Unternehmen
Ein Unternehmen entscheidet auf der Grundlage von Fakten. Dazu kann ein Kriterienkatalog dienen, der die Vorteile eines Auslandsengagements darlegt. Er wird oft auch dazu genutzt, mehr über das eigene Unternehmen herauszufinden, was davor oft nur unausgesprochen oder gar vage vorhanden war. Auch ein gewisses „Bauchgefühl“ sollte nicht außer Acht gelassen werden, vor allem wenn es auch Erfahrungswerte widerspiegelt. Ansonsten sollte man damit wohldosiert umgehen, denn auch wenn das „Bauchgefühl“ im vertrauten Inland selten trügt, kann es im unbekannten Ausland zu Fehlurteilen führen. Parallel dazu werden auch die Unwägbarkeit skizziert. Um den Gesamtmarkt zu bewerten empfiehlt sich der Blick in die Zukunft: 1. Entwicklung des Marktes in den letzten und in den nächsten fünf Jahren 2. Erkennen der kritischen Variablen („business driver“) des Marktes, die den Erfolg oder Misserfolg determinieren 3. vorhandene Marktsegmente und deren Potential für globale Marktangebote 4. Besonderheiten des eigene Markangebots, heute und morgen 5. erwartete Preislage im ausländischen Markt, ggf. Stand im Produktlebenszyklus 6. Situation in den Vertriebswegen, z.B. sind sie vorhanden, eventuell von Wettbewerbern blockiert
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
39
2.2
Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
2.2.1
Entwicklung einer globalen Perspektive des Unternehmens
Die Entwicklung einer globalen Perspektive beeinflusst alle Funktionsbereiche eines Unternehmens: Personal: • interkulturelle Kommunikation • interkulturelle Managementfähigkeiten
Kernmarkt
Hoff- Gelegennungsheitsmarkt markt
globale Perspektive
Quellen der Wettbewerbsvorteile Markt: • Kundenbedürfnisse • Branche und Wettbewerb • Normen und Standards • Technologie • Vertriebswege
Stärken und Strategien: • intensivere Wettbewerbsstrategien • globale Organisation • Diversity Management Abb. 2.10:
Entwicklung einer globalen Perspektive
Die globale Perspektive, die jetzt gefordert ist, muss das Unternehmen entwickeln und in der Lage sein, diese vom Top-Management bis in die operativen Einheiten auch umzusetzen. Unternehmen reagieren unterschiedlich auf die neuen Herausforderungen. Die einen versuchen, ihre Kapazitäten den neuen Wettbewerbsanforderungen nach unten anzupassen, d.h. Kapazitäten abzubauen, die anderen suchen nach neuen Märkten, um in diesen eine dominante Position zu erlangen. Hier zeigt es sich wieder einmal, dass es sich bei Ängstlichkeit um ein Produkt der Wohlfahrtsgesellschaft handelt. Die Auswahl der möglichen Länder wird im ersten Schritt nach Attraktivitäten geordnet. Dazu eignet sich die Unterteilung in Kern-, Hoffnungs- und Gelegenheitsmarkt am besten. Mit der PEST-Analyse1 wird das Unternehmensumfeld im jeweiligen Land unter politischen, ökonomischen, sozio-kulturellen und technologischen Bedingungen durchleuchtet, das erleichtert die Auswahl und die Priorisierung der in Frage kommenden Auslandsmärkte.
1
Vgl. die ausführliche Darstellung der PEST-Analyse in Kap. 4.1.2.
40
2 Internationalisierung der Unternehmen
Mit einer globalen Perspektive wird das Unternehmen international aufgestellt, seine Stärken und Strategien überdenken und gegebenenfalls anpassen, wie in der folgenden Grafik dargestellt: nationale Geschäftstätigkeit Kostenführerschaft
versus
• zielgruppengerechter Marketing-Mix • Wettbewerbsvorteil ist die Einzigartigkeit der Produkte
• homogenes Marketing-Mix • „Economies of Scale“ • Wettbewerbsvorteil ist der Preis
Standardisierung
Qualitätsführerschaft
versus
Differenzierung
internationale Geschäftstätigkeit Abb. 2.11:
Strategische Neuausrichtung der Unternehmen durch die Internationalisierung
Die strategische Neuausrichtung von Unternehmen in globalisierten Märkten bedeutet im Einzelnen:1
Marktangebote werden völlig standardisiert angeboten. Dies ist bislang noch lange nicht wirklich umgesetzt, wohl aber in Teilbereichen, z.B. globales Design, globale Positionierung, globale Werbung etc. Unternehmen benötigen damit signifikante Marktanteile in größeren Märkten. Sie können es sich nicht leisten, zentrale Märkte auszuschließen, denn ist dieser erst einmal vom Wettbewerb besetzt, hat man es als „late comer“ schwer. Der Wettbewerb wird nicht mehr Land-per-Land geführt, sondern global. Marktangebote können Erfolg durch Differenzierung haben. Dabei sind sie nahe an der Maximallösung des Problems für des Kunden. Spätestens wenn der richtige Markt gefunden ist, fällt der Blick auf das Personal. Internationale Fähigkeiten müssen in der Regel trainiert werden oder sie sind aufgrund einer internationalen Ausbildung der Mitarbeiter schon bei Einstellung als Grundlage vorhanden, auf die aufgebaut werden kann. Je schneller man Mitarbeiter in den internationalen Einsatz senden kann, umso eher und effektiver kann das Unternehmen global agieren. Auch werden sich Mitarbeiter darauf einstellen, dass Arbeitsteams zunehmend nicht nur interdisziplinärer, sondern vor allem interkultureller besetzt werden.
1
Vgl. Yip, S. 33.
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
41
Das Unternehmen Fuchs Petrolub AG stand auf diesem Weg einigen grundlegenden Veränderungen gegenüber, die im Wandel des Rollenverständnisses sichtbar werden:1
Die Menschen müssen über den deutschen „Tellerrand“ hinausschauen und offen für den europäischen und globalen Markt sein bzw. werden. Das Unternehmen selbst entwickelte sich zu einem integrierten europäischen und globalen Unternehmen anstatt einer Addition von Ländergesellschaften und Bereichsegoismen. Die Holding wurde von der Finanzholding zur strategischen Holding und zur operativen Holding, aber nur so zentral wie nötig und so dezentral wie möglich. Der Unternehmer entwickelte sich vom Eigentümerunternehmer und „Alleinherrscher“ zum Führungsteam und zur geteilten Verantwortung. Durch den eingeschlagenen Weg der Globalisierung ergaben sich für die Fuchs Petrolub AG weitere notwendige Veränderungen:2
Die Transparenz sowie der Wettbewerbsdruck des europäischen Binnenmarkts als auch des globalen Markts erlauben keine lokalen „Fürstentümer“ mehr und lassen keinen Raum für Duplizierungen, Ressourcenverschwendung und eine Zersplitterung der Kräfte. Ein global tätiges Unternehmen braucht eine globale Basis-Strategie, d.h. ein weltweit gültiges Geschäftsmodell. Der globale Markt ist in den meisten Bereichen allerdings kein homogener Markt, so dass die globale Basisstrategie durch marktgerechte regionale Strategien ergänzt bzw. umgesetzt werden muss. Hier gilt globales Denken, aber lokales Handeln! All das wird umringt von Quellen von Wettbewerbsvorteilen. Miller & Dess legen dar, wie sie unter der globalen Perspektive zu einer Veränderung von Entscheidungen führen:3
1
2
3
Eine Quelle der Wettbewerbsvorteile war seit jeher eine hohe Differenzierung um die Einzigartigkeit seines Marktangebots hervorzustellen und das Marktangebot an die Bedürfnisse eines jeden Landes anzupassen. Globale Marktangebote werden für den Weltmarkt entwickelt und sind dementsprechend standardisierbar. Für den Maschinenbauer bedeutet dies etwa, dass er vermehrt Standardkomponenten verwendet, die die Gesamtkosten sinken lassen und sich nur noch in einigen wenigen, aber für den Kunden bedeutsamen Merkmalen gegenüber seinem Wettbewerber differenzieren. Das ist allerdings nicht überall möglich! Während früher zur Vermeidung von Zöllen und Transportkosten die Fertigung vor Ort aufgebaut wurde, erfolgt in einer globalisierten Welt eine zentralisierte Massenproduktion, um die „Economies of Scale“ zu realisieren.
Die Aussagen basieren auf einem Vortrag von Dr. Manfred Führung eines transnationalen Unternehmens mit Sitz in der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Die Aussagen basieren auf einem Vortrag von Dr. Manfred Führung eines transnationalen Unternehmens mit Sitz in der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Vgl. Miller/Dess, S. 313 f.
Fuchs anlässlich des Kolloquiums „Fragen zur EU“ am 23. November 2004 an der Deutschen Fuchs anlässlich des Kolloquiums „Fragen zur EU“ am 23. November 2004 an der Deutschen
42
2 Internationalisierung der Unternehmen
Um eine schnelle Reaktion vor Ort zu gewährleisten, wurden „Joint Ventures“ mit lokalen Partnern formuliert um auf lokale Veränderungen rasch reagieren zu können und um Verzögerungen beim Markteintritt zu vermeiden. In einer globalen Ökonomie werden „Joint Ventures“1 gegründet um neue Technologien für die weltweiten Geschäftsprozesse zu nutzen und schneller zu sein als die ebenfalls global agierenden Wettbewerber. Die Kontakte zur lokalen Regierung wurden früher unter dem Aspekt gesehen, einen „goodwill“ aufzubauen, um eventuelle Probleme vor Ort schneller lösen zu können. In der Globalisierung sind diese Kontakte wichtig, um Handelsrestriktionen eines Landes durch Involvierung von Partnern im Netzwerk oder Auslandsgesellschaften in der globalen Ökonomie umgehen zu können. Eine oftmals diskutierte Fragestellung ist, inwiefern man Vorteile hat, wenn man zu den Ersten gehört, die in einen Markt eintreten. Suarez & Lanzolla erarbeiteten dazu Vorschläge, die an der Branchensituationen festmachen und Unternehmen damit unterschiedliche Ansätze bieten, den „First-Mover Advantage“ zu nutzen:2 Situation aus Sicht des eigenen Unternehmens
„First-Mover Advantages“ kurzzeitig
ruhiges Wasser
unwahrscheinlich: Vorteile sind meist nicht groß.
sehr wahrscheinlich: Der „Erste“ gewinnt meist.
• Schaffung eines Markenbewusstseins
Dominanz des Marktes
sehr wahrscheinlich: Auch wenn das Unternehmen nicht in alle Kategorien dominieren kann, so bleibt ihm oft eine bestimmte Kundenbasis erhalten.
sehr wahrscheinlich: Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, alle Marktsegmente zu bedienen.
• intensive Promotion • Vertriebswege • hohe Fertigungskapazitäten
Dominanz der Technologie
sehr unwahrscheinlich: Sich schnell entwickelnde Technologien in sich langsam entwickelnden Märkten sind der Feind von Gewinnen.
unwahrscheinlich: Schnelle Entwicklungen geben den Wettbewerbern eine Vielzahl von Möglichkeiten, den „First-Mover“ zu attackieren.
• starkes F&E • starke Neuproduktentwicklung • Finanzkraft
wahrscheinlich: Eine „Quick-in/Quick-out“unruhiges Wasser Strategie ist hier zu empfehlen, so lange man nicht sehr finanzkräftig ist.
Abb. 2.12:
1 2
durchhaltbar
erforderliche Schlüsselressourcen
sehr unwahrscheinlich: Es bestehen nur geringe Chancen für einen langfristigen Erfolg.
„First-Mover Advantages“ in Abhängigkeit von der Branchensituation
Vgl. Kap. 5.4.4. Vgl. Suarez/Lanzolla, S. 126.
• intensive Promotion • Vertriebswege • hohe Fertigungskapazitäten • starkes F&E
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
43
In Abhängigkeit von der Branchensituation wägt hier das Unternehmen ab, ob „First-Mover Advantages“ bestehen. Unternehmen der ersten Stunde, den sog. Pionierunternehmen, die Märkte schaffen, werden auch hohe „Pioniergewinne“ in Aussicht gestellt, die Risiken sind allerdings auch beachtlich. Daher benötigt das „Pionierunternehmen“ eindeutige Vorteile auf den Gebieten Lieferanten, Kostenstrukturen, Informationen über den Markt, Qualität des Marktangebots, sowie über die Vertriebswege, wenn es von Beginn an erfolgreich sein will. Der Zeitpunkt des Markteintritts kann eine Rolle spielen, insbesondere dann, wenn der „First-Mover Advantage“ eine Auswirkung auf den Erfolg im neuen Markt hat. Das Unternehmen hat dann die Möglichkeit mit dem Markt zu wachsen, dass eine komfortable Situation darstellt. Hier schließt sich die Frage an, wie schnell die globale Option wahrgenommen werden kann oder abhängig von der Branche sogar wahrgenommen werden muss.
2.2.2
Grundorientierungen des Managements
Die Entscheidung, Wachstumsstrategien im Ausland einzuschlagen, verändert die Orientierung des Unternehmens, nicht nur im Auslands-, sondern auch im Heimatmarkt. Marketing erfährt eine Aufwertung innerhalb des Unternehmens, das bedeutet, dass der eigene Fokus vom Marktangebot sich in Richtung Kunden verschiebt und letztendlich in einer Neuausrichtung der Art und Weise, wie Geschäfte gemacht werden, münden kann, dem so genannten „Geschäftsmodell“ („Business Model“). Unter einem Geschäftsmodell versteht man eine modellhafte Beschreibung eines Geschäftes, bestehend aus den drei Komponenten (versprochene) Kundenwerte, Gestaltung der Wertschöpfungskette, Darstellung der Gewinnaussichten. Es sagt konkret aus, wie die Geschäfte zwischen Unternehmen und Kunden getätigt werden.1 Die Managementorientierung in einem Unternehmen beschreibt diese Triebfeder, die sein Verhalten beeinflusst, Werte setzt, die Art und Weise wie man Geschäfte macht determiniert und sich bis zu den Anforderungsmerkmalen fortsetzt, die beim „recruiting“ neuer Mitarbeiter zu Rate gezogen werden. Die Frage, die sich hier stellt ist, inwieweit die Basisorientierung zum Unternehmen, seinem Marktangebot, seinem Markt und seinem Wettbewerbsumfeld passt. Es können vier verschiedene Basisorientierungen unterschieden werden, die darlegen, wie das Unternehmen die Welt betrachtet:2
1 2
Vgl. dazu die Ausführungen in Kohlert, 2013, S. 85 ff. Vgl. Keegan/Green, S. 15 ff.
44
2 Internationalisierung der Unternehmen
ethnozentrisch: Unternehmen betrachtet die eigenen Marktangebote als hochwertig und unterstellt, dass andere Länder diese ebenfalls benötigen.
polyzentrisch: Unternehmen betrachtet jedes Land mit seinen lokalen Unterschieden separat und geht in jedem Land unterschiedlich vor. Verhalten, Werte, „ways of doing business“, Rekrutierung etc.
regiozentrisch: Unternehmen erkennt Unterschiede und Gemeinsamkeiten in einzelnen Regionen in der Welt und unterteilt danach den Markt. Abb. 2.13:
geozentrisch: Unternehmen betrachtet den Weltmarkt und fokussiert auf die vielen Gemeinsamkeiten, beachtet auch die Unterschiede.
Basisorientierungen im Management
Bei der ethnozentrischen Managementorientierung betrachtet das Unternehmen die eigenen Marktangebote als hochwertig und unterstellt, dass andere Länder diese ebenfalls benötigen. Mit dieser Grundorientierung erkennt das Unternehmen die Gemeinsamkeiten im Markt und glaubt, dass seine im Heimatmarkt erfolgreichen Marktangebote auch in anderen Ländern erfolgreich sein werden. Damit wird das Marketing auf dem Heimatmarkt unverändert auf Auslandsmärkte übertragen. Demzufolge kann die Organisation das Unternehmen im Heimatmarkt sehr komplex sein, in den Auslandsmärkten sucht man jedoch sehr einfache Konstellationen. Entscheidungen über Aktivitäten im Auslandsmarkt werden zentral im Heimatland getroffen. Die Gründe für ein ethnozentrisches Vorgehen können in zwei Richtungen liegen:
Es besteht die Annahme, dass die nationalen Marktangebote des Heimatmarktes in unveränderter Form auf den internationalen Märkten eine positive Wirkung entfalten. Diese unveränderte Übernahme beruht auf der Grundeinstellung, dass prinzipiell keine Anpassung an die Auskunftsmärkte gewünscht ist. Dies wird auch als „ethnozentrische Standardisierung“ der Produktpolitik bezeichnet.1 Es erfolgt keine weitere Anpassung oder Adaption von Marketingmaßnahmen, weil das Auslandsgeschäft nicht von ausreichender Bedeutung ist, als dass eine Lokalisierung von Maßnahmen sinnvoll wäre bzw. ihm wird keine ausreichende Bedeutung beigemessen. Die ethnozentrische Vorgehensweise ist deshalb nur dann geeignet, wenn die Charakteristika der ausländischen Märkte hinsichtlich der jeweils relevanten Kriterien, z. B. Kommunikationsanforderungen, Distributionsstrukturen, Verwendungsmöglichkeiten für die Marktangebote etc. zumindest grundsätzlich mit denen des Heimatmarktes vergleichbar sind. Die Stan-
1
Vgl. Bolz.
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
45
dardisierung wird nicht nur bezogen auf den Kern des Marktangebots, sondern auf alle weiteren Bestandteile angestrebt, also auch auf die Verpackung, Marke, Dienstleistungen, sofern es nicht Veränderungen aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften oder abweichenden technologischen Standards in den verschiedenen Ländern erfordert. Sind die heimatbezogenen Konzeptionen des Marktangebots nicht ohne größere Änderungen auf internationale Märkte übertragbar, so kann dies dazu führen, dass ein Markteintritt in solche Länder nicht erfolgt. Bei der polyzentrischen Managementorientierung betrachtet das Unternehmen jedes Land mit seinen Unterschieden separat und geht in jedem Land unterschiedlich vor. Es herrscht der Glaube vor, dass jedes Land außergewöhnlich ist und daher die Marktbearbeitung eine unterschiedliche Vorgehensweise erfordert, jeder Auslandsmarkt wird daher mit einem spezifischem Marketing-Mix bearbeitet. In den ausländischen Märkten werden Niederlassungen etabliert, die weitgehend autonom voneinander arbeiten. Bei der regiozentrischen Managementorientierung werden die einzelnen Weltregionen, die homogene Märkte darstellen, zusammengefasst und mit einem standardisiertem Marketing-Mix bearbeitet. Bei der geozentrischen Managementorientierung betrachtet das Unternehmen den Weltmarkt und bearbeitet ihn so standardisiert wie möglich. Entscheidungen werden in der Zentrale des Unternehmens getroffen, die Gesellschaften in den einzelnen Auslandsmärkten sind nur die Ausführenden eben dieser Entscheidungen. Der Fokus liegt auf den vielen Gemeinsamkeiten, beachtet werden jedoch auch die Unterschiede, soweit notwendig.
46
2 Internationalisierung der Unternehmen ethnozentrisch
polyzentrisch
geozentrisch
Organisation des Unternehmens
komplex im Heimatland, einfache Lösungen auf den Auslandsmärkten
zunehmende Komplexität und wechselunterschiedlich und unabhängig je Auslands- seitige Abhängigkeiten zwischen den Auslandsunternehmen unternehmen
Entscheidungsfindung
starke Stellung der Zentrale
starke Stellung der Auslandsunternehmen
starke Stellung der Zentrale
Standards des Heimatlandes
lokale Standards
universelle Standards, lokal anwendbar
mitunter starke „Länderfürsten“
Fokus auf Erreichung globaler Zielsetzungen
Vielzahl von Varianten des Marktangebot geringer Informationsaustausch zwischen Heimatland und Auslandsunternehmen et vice versa, gering zwischen den Auslandsfirmen Nationalität des Auslandsunternehmens Mitarbeiter des Auslandsunternehmens für viele Führungspositionen
standardisiertes Marktangebot
Controlling
hoch im Heimatland, Belohnungen und gering in den AuslandsAnreizsysteme unternehmen Marktangebote
standardisiertes Marktangebot
Kommunikation viele Informationen vom und Heimatland an AusInformationsfluss landsunternehmen
Identifikation der Mitarbeiter
Nationalität des Mutterunternehmens
Personalpolitik
Mitarbeiter des Heimatunternehmens für alle Führungspositionen
Abb. 2.14:
Informationsaustausch zwischen Heimatland und Auslandsunternehmen, u.U. auch zwischen den Auslandsunternehmen internationales Unternehmen mit nationalen Interessen Einsatz der Mitarbeiter unabhängig von ihrer Nationalität
Basisorientierungen und deren Auswirkungen
In den Organigrammen der Unternehmen spiegelt sich die Basisorientierung wider. In ethnozentrisch geprägten Unternehmen ist die Organisationsstruktur in der Regel sehr funktional, d.h. unter der Geschäftsleitung finden sich die verschiedenen Leiter der Abteilungen Fertigung, Finanzen, Personal etc. wieder. Der Export Manager stellt eine weitere Funktion dar oder ist dem Vertriebsleiter unterstellt. Auch im Falle von Produktverantwortlichen stellt der Export Manager das Bindeglied zu den Auslandsmärkten dar. In polyzentrisch geprägten Unternehmen stellt das Auslandsunternehmen schlichtweg einen weiteren Standort dar, während in geozentrisch geprägten Unternehmen die einzelnen Produktgruppen weltweit aufgestellt sind, d.h. eine „Abteilung“, die ein Marktangebot betreut, alle Kunden weltweit bedient. Wie so oft im Marketing sind die verschiedenen Basisorientierungen nicht als gut oder schlecht zu interpretieren, sondern die Frage ist erstens, ob sie zum Unternehmen in seiner Branche und seinem Umfeld passt. So kann ein sehr ethnozentrisch ausgerichtetes Unter-
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
47
nehmen damit sehr gut leben, wenn dies von den Kunden geradezu erwartet wird. Zweitens stellt sich die Frage, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Basisorientierung an sich hat und was überwiegt. Somit wird jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden, wie es sich sieht, allgemein gültige Ratschläge können keine gegeben werden. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit sie im Rahmen des „Change Management“ weiterentwickelt werden könnte.
2.2.3
Strategische Relevanz des Markteintritts
Zur Formulierung der strategischen Relevanz des Markteintritts kann sich das Unternehmen an einem Strategieraster ausrichten. Jedenfalls wird es im Zuge der Internationalisierung neu ausgerichtet. Es beinhaltet die folgenden vier Schwerpunkte:1
einheitliche oder differenzierte Positionierung: • Auswahl von: - Ländern - Geschäftsfeldern - Marktsegmenten • Stärken gegenüber den Wettbewerbern • Kommunikation der Stärken im Markt
Abb. 2.15:
ggf. Anpassung der Ambitionen: • Vision und Mission • Zielsetzungen • Kernstrategien
Strategie
Investitionen in Schwerpunktregionen: • Wichtigkeit und Dringlichkeit • Bereitstellung von Ressourcen • Aufbau von spezifischen „Assets“ und Kompetenzen • Aufbau eines Images
einheitliche oder differenzierte Organisation: • Strukturen und Geschäftsprozesse • Systeme, z.B. im Vertrieb, Entgelt
Strategieraster
Welche Ambitionen hat das Unternehmen in der betreffenden Region? Was will es in einem strategischen Zeithorizont qualitativ (Visionen, Ziele, Kernstrategien) als auch quantitativ (Marktanteile, Gewinne etc.) erreichen? Die Spanne kann vom Aufbau eines Vertriebsbüros bis hin zur Errichtung einer Fertigungsstätte mit Fokus auf bestimmte Branchen im ausländischen Markt reichen.
1
Vgl. Schütte/Lasserre, S. 19 f.
48
1
2 Internationalisierung der Unternehmen Wie soll die Positionierung der geschäftlichen Aktivitäten erfolgen? In welchen Ländern wird mit welchen Geschäftsfeldern in welchen Marktsegmenten durch welche Stärken Geschäft generiert, weil diese die Wettbewerber schlecht bedienen? Können die Stärken des Unternehmens im Markt verständlich kommuniziert werden? Oder müssen sie dem Kunden aufwendig erklärt werden?1 Investitionen müssen getätigt werden, um ein Geschäft aufzubauen. Dazu gehören mitunter nicht nur die Betriebsgebäude und Maschinen, sondern auch die Investition in den Aufbau eines Markennamens durch verstärkte Werbemaßnahmen, Aufbau von Kompetenzen im Personalstamm, vor allem den Mitarbeitern mit Kundenkontakt, etwa dem Servicepersonal. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass in die Stärken eines Unternehmens immer wieder investiert werden muss, denn sie werden permanent von Wettbewerbern herausgefordert, das gilt umso mehr in einem Markt, in den man als „newcomer“ eintritt und auf bestehenden Wettbewerb trifft. Inwieweit spielt hier die Zeit eine kritische Rolle, etwa das erste Unternehmen zu sein, das ein bestimmtes Marktsegment besetzt oder das ein bestimmtes Marktangebot als erster in den Markt einführt? Dies ist insbesondere bei Neuentwicklungen eine entscheidende Frage, von daher wird man versuchen, das „time-to-market“ zu minimieren. Die Organisation ist zu klären, um das Arbeiten über die Grenzen hinweg ohne Reibungsverluste zu gewährleisten. Dazu gehören auch Konfliktregelungsmechanismen, Anreizsysteme, Anpassungen der Unternehmenskultur an die Anforderungen der Region bzw. des Landes. Dies wird bereits auf mittlere Sicht bedingt durch den Austausch von Personal auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur der Muttergesellschaft haben. In dieser Phase kann die Organisation auch kein statisches Gebilde sein, sondern wird sich über eine gewisse Zeit laufend ändern und anpassen, bis der optimale Zustand erreicht ist.
Ein schönes Beispiel für die Darstellung des Kundennutzens bei einem erklärungsbedürftigen Produkt stellt die Einführung des ESP von Bosch dar. Vgl. dazu Kohlert, 2013, S. 339 ff.
2.2 Strategische Bestandsaufnahme vor dem Markteintritt
49
Bei der Strategieentwicklung sollte man heute an das Morgen denken, für den Fall, dass sich die Strategieschwerpunkte verschieben könnten:
going international
Kernziele
Rolle des Unternehmens im Markt
Profil des lokalen Managers
Abb. 2.16:
being international
global integration
• Fokus auf das Geschäftsmodell: Markteintritt dominiert über alle anderen betriebliche Funktionen • lokale Präsenz und Lerneffekte
• Expansion im Markt und Erreichen eines signifikanten Marktanteils • Etablierung im Markt • Erreichen der Gewinnschwelle
• Verzahnung der Aktivitäten der Auslandsgesellschaften mit denen der Muttergesellschaft und ggf. anderen Auslandsgesellschaften
• Etablierung des Unternehmens im Markt mit sichtbarer Präsenz
• Markenbewusstsein schaffen • Etablierung des Unternehmens im Umfeld
• Integration der Aktivitäten in die globale Strategie des Unternehmens
• Entrepreneure, die kreativ und flexibel sind • Erfahrungen im Aufbau
• starke Bindung zum Mutterhaus • Erfahrungen im Management komplexer Strukturen
• Fähigkeit, mit verschiedenen Geschäftseinheiten gleichzeitig zu arbeiten
Phasen der internationalen Tätigkeit
Der Begriff des „going international“ (Markteintritt) beschreibt den erstmaligen Eintritt in einen ausländischen Markt. In dieser Phase stehen das Verstehen des Marktes, der unterschiedlichen Marktangebote, des Marktvolumens, des Wettbewerbs, die richtigen Leute zu finden im Vordergrund. In der Anbahnungsphase steht die Erweiterung des Marktes im Vordergrund, um die ersten Kunden im entsprechenden Land zu bedienen. Das Ziel ist es, Beweise dafür zu finden, dass der Markteintritt erfolgreich umgesetzt werden kann: Schneller Umsatz und Aufbau einer möglichst breiten Kundenbasis, um keine Abhängigkeiten von Einzelkunden aufzubauen, falls überhaupt möglich. Manche Unternehmen treten in einen Auslandsmarkt auch nur mit einem Kunden ein. Dann wird an der Erweiterung der Kundenbasis zügig gearbeitet. Der Begriff „being international“ (Marktbearbeitung) umfasst die Bearbeitung eines bereits bestehenden Marktes. Nach dem erfolgten Markteintritt steht die Gewinnung von neuen Kunden an, also die Erhöhung der Marktanteile und ggf. in die Region zu expandieren, falls der neue Markt als Sprungbrett in andere benachbarte Auslandsmärkte genutzt werden kann. In der dritten Phase beginnt dann die „global integration“ (globale Integration) der verschiedenen Länderaktivitäten, in der Strukturen und Geschäftsprozesse, aufeinander abgestimmt, an der Optimierung der Leistungserbringung des Unternehmens arbeiten. Ein weiterer Ausbau der Marktanteile geht einher mit der Kostenreduktion.
50
2 Internationalisierung der Unternehmen
Die Form des Markteintritts wird daher im Zeitablauf nicht der Form der Marktbearbeitung entsprechen. Sie wird sich vermutlich im Zeitablauf den veränderten Gegebenheiten anpassen. Oftmals wird vergessen, dass die Entscheidung in der Phase des „going international“ auch „No Go“ lauten kann. Die Auseinandersetzung mit der strategischen Relevanz kann manchmal auch bedeuten, zu verzichten oder aufzugeben. Die Gründe können in den zu hohen laufenden Kosten liegen, der Höhe der erforderlichen Investitionen, der mangelnden Kompetenz des Personals oder auch darin, dass der Technologietransfer zu riskant erscheint, da man dem Schutz des geistigen Eigentums in dem Land nicht traut etc. Diese Aspekte werden in der Euphorie des „going international“ mitunter vergessen, vor allem dann, wenn die verantwortlichen Manager nicht ihr eigenes Geld, sondern das Geld andere Leute „verwalten“. Manchmal traut man sich auch nicht, einer unbequemen Wirklichkeit ins Auge zu schauen um zu erkennen, ob ein Markt, in den alle hineindrängen, auch wirklich die Zukunftsaussichten für das eigene Unternehmen bietet, die man sich verspricht. Die Erwartungen an den Markt müssen sich erst noch als real erweisen. Eine Triebfeder für den Eintritt in einen ausländischen Markt kann häufig auch von bestehenden Kunden ausgehen, die eine Betreuung an einem neuen ausländischen Standort einfordern. Der Zulieferer folgt in der Regel gerne. Diese Kunden, die bereits im Ausland tätig sind, von denen man lernen kann, die die ersten Kunden im Auslandsmarkt sein könnten, können das eigene Unternehmen „Huckepack“ mit in den Auslandsmarkt nehmen. Denkt man nur einmal daran, wie viele Automobilzulieferer die Errichtung einer Fertigung von Mercedes-Benz in den USA als Chance genutzt haben. In der Literatur wird dieses Verfahren als „piggyback partnering“1 beschrieben. Als „piggyback partnering“ versteht man in dem Zusammenhang den Gang in einen Auslandsmarkt „auf dem Rücken“ eines anderen Unternehmens, das dort vor Ort bereits tätig ist und einen ersten Auftraggeber darstellt oder als „Steigbügelhalter“ mit seinen Kontakten, Erfahrungen etc. für den Markteintritt des eigenen Unternehmens im Auslandsmarkt dient. Offensichtliche „piggyback partner“ sind:
Hersteller, deren Marktangebote durch das eigene Marktangebot komplementiert oder erweitert werden können bestehende Lieferanten Unternehmen in der eigenen Branche, die keinen Wettbewerb darstellen Unternehmen in der eigenen Branche, die einen Wettbewerber darstellen, aber die kritischen Marktangebote nicht exportieren Bevor man einen potenziellen „piggyback partner“ kontaktiert, muss dieser analysiert werden, so dass man mit seinen Marktangeboten und internationalen Aktivitäten vertraut ist. Bereits diese Analyse wird zeigen, ob Möglichkeiten bestehen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn der potenzielle „piggyback partner“ nicht mit „piggyback partnering“ vertraut ist und dem Gedanken, auch fremde Marktangebote international zu vermarkten, nicht aufgeschlossen ist. Auf Einwände muss man bei Verhandlungen vorbereitet sein.2
1 2
Frei übersetzt „Huckepackverfahren“. Vgl. Foley, S. 166 f.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
51
2.3
Entscheidungsprozesse im Unternehmen
2.3.1
Grundlegende Entscheidungen im Unternehmen
Das Unternehmen hat eine Vision, wo es in fünf Jahren stehen will. Es hat eine Vorstellung darüber:
in welchen Märkten (Ländern, Branchen) es präsent und aktiv sein möchte mit welchen Marktangeboten es dann in diesen Märkten agieren wird welche Herausforderungen des Kunden es dann besonders gut löst
Wo steht das Unternehmen heute?
interne Analysefelder: • Leistungserstellung Stärken • Leistungsangebot und (Marktangebot) Schwächen • Leistungswahrnehmung (Positionierung) externe Analysefelder: • Markt und Kunde • Wettbewerb • Umfeld Abb. 2.17:
Chancen und Risiken
Wo soll das Unternehmen morgen stehen?
Strategien • in Zielmärkten incl. Auslandsmärkten • mit Partnern Umsetzung • Mitarbeiter und Partner für den Markteintritt
Erkennen der Märkte von Morgen – Strategien als Brücke zur Zukunft
Aus den Zielsetzungen ergeben sich unterschiedliche strategische Implikationen. Daher ist es notwendig, die realen Ziele zu formulieren. Ist Klarheit über diese Fragestellungen eingetreten, wird das Unternehmen einige Grundsatzentscheidungen treffen. An dieser Stelle handelt es sich um sehr generelle Entscheidungen, die später spezifiziert werden:
52
2 Internationalisierung der Unternehmen
Entscheidung, dass ins Ausland gegangen werden soll
• unternehmenspolitische Entscheidung • Wachstumsstrategie Ausland versus Inland • Überprüfung der vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen für den Schritt in den Auslandsmarkt
Entscheidung, in welche Märkte gegangen werden soll
• „Fit“ zwischen Marktangebot, Markt, Kunden und Wettbewerb • Entscheidung für Kern- oder Hoffnungsmärkte für den Einstieg
Entscheidung, wie in diese Märkte eingetreten werden soll
• Wahl der richtigen Markteintrittsform • Entscheidung über eigene Aktivitäten oder Partnersuche • Bestimmung der erfolgversprechensten Marktangebote als „Speerspitze“
Entscheidung über die einzelnen Maßnahmen im Marketing
• Ausgestaltung des Marktangebots an den Erwartungen der lokalen Kunden • Bestimmung der Preislage • Finden der richtigen Vertriebswege • Kommunikation an die Kunden
Entscheidung, wie die Organisation erfolgt
Abb. 2.18:
• Einbindung der neuen Aktivitäten in die Organisation und in die Geschäftsprozesse das Mutterunternehmens • Bestimmung der Handlungsfreiheit für die Mitarbeiter vor Ort
Grundlegende Entscheidungen des Unternehmens
Zunächst stellt der Gang in Auslandsmärkte immer eine unternehmenspolitische Entscheidung dar, da sich die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens verändern wird. Oft werden Wachstumsmöglichkeiten im Ausland gesucht, wenn der Inlandsmarkt bereits penetriert wurde und neue Impulse nicht mehr vermutet werden. Eine gewisse zeitliche Überlappung sei jedoch angemahnt, denn der Gang in den ausländischen Markt kann nicht vollzogen werden, wenn finanzielle Ressourcen fehlen und auch Zeitdruck wäre mehr als hinderlich.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
2.3.2
53
Grundsatzfragen im eigenen Unternehmen vor dem Internationalisierungsprozess
In dieser ersten Phase der Entscheidungsfindung sollte sich das Unternehmen einige Grundsatzfragen zur ehrlichen Bewertung der eigenen Situation stellen: Grundsatzfrage #1
Kann es das eigene Unternehmen schaffen?
• Was spricht dafür? • Was spricht dagegen? • Ist der jetzige Zeitpunkt der Richtige?
Grundsatzfrage #2
Was will das eigene Unternehmen damit erreichen? • Kurzfristiger Erfolg oder dauerhafte Etablierung? • Bestehen Ziele für die nächsten Jahre?
Grundsatzfrage #3 Sind die notwendigen Ressourcen (Geld und Mitarbeiter) dafür „übrig“? • Ist das Unternehmen bei einem Scheitern existenziell gefährdet?
Abb. 2.19: Grundsatzfragen im eigenen Unternehmen vor dem Internationalisierungsprozess
Die Grundsatzfrage #1 lautet: Global oder lokal – Kann es das Unternehmen schaffen? Dazu können die folgenden Aspekte betrachtet werden:1
Sind die Vorteile größer als die Kosten? Wird das Unternehmen von einer Internationalisierungsstrategie profitieren? Funktioniert das eigene Marktangebot im Heimatmarkt? Export ist keine Ausweichstrategie für ungelöste heimische Probleme. Sind die Managementkapazitäten und -fähigkeiten dafür vorhanden? Ein Drittel der Zeit des Geschäftsführers sollte dafür veranschlagt werden. Damit müssen andere Verantwortlichkeiten an Geschäftspartner abgegeben werden. Wie ist die finanzielle Ausstattung und ist die Zeit für dieses Vorhaben vorhanden? Zehn bis dreißig Monate dauert es, bis erste Umsätze realisiert werden. Die Kosten für die Entwicklung, die Partnersuche, die Formalitäten etc. müssen bis dahin vorfinanziert werden. Welche Eigenschaften sollte ein Markt haben, der am besten zum eigenen Unternehmen passt. Hier werden Prioritäten gesetzt. Einen „roll-out“ in mehreren Ländern gleichzeitig realisieren nur Konzerne, keine Mittelständler. Wie soll der Start im Auslandsmarkt gestaltet werden. Dabei geht nichts über selbst gemachte Erfahrungen auf dem neuen Marktplatz. Wie können etwaigen Risiken reduziert werden, z.B. durch Vorkasse beim Kunden. Zu der ersten Grundsatzfrage gehört auch die Diskussion, ob das Unternehmen für die Internationalisierung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt bereit ist?1 1
Vgl. Karkowski/Kary, S. 72.
54
2 Internationalisierung der Unternehmen Kriterien
Kontrollfragen
Ergebnisse von empirischen Studien
Zeit
• Hat das Unternehmen genügend Zeit, um, ein Internationalisierungsprojekt gründlich vorzubereiten?
Ein Internationalisierungsprojekt benötigt im Schnitt 30 Monate, bis die Gewinnschwelle erreicht ist. Sonderfall China: + 2 Monate
Personal
• Hat das Management genügend Zeit für Auslandsprojekte? • Droht Ablenkungsgefahr durch operative Probleme wie Umsatzoder Gewinneinbruch, Restrukturierung etc.? • Gibt es genügend qualifizierte Mitarbeiter, die bereit sind, ins Ausland zu gehen?
Führungskräfte der ersten Ebene verbringen im Schnitt 30 % ihrer Zeit im Ausland, um die Mitarbeiter vor Ort zu unterstützen. Erfolgreiche Unternehmen haben einen Expatriate-Anteil von 50 % beim Markteintritt. Meist sind es 5–6 Mitarbeiter.
Geld
• Hat das Unternehmen genügend Geld, um das Auslandsprojekt zu finanzieren? • Kennt das Unternehmen seine direkten und indirekten Kostenbestandteile?
Bis zum ersten Umsatz investierte das Management der befragten Unternehmen durchschnittlich € 2,5 M. Der Kapitalbedarf liegt bis break-even bei € 4,5 M.
Auslandserfahrung
• Verfügt das Unternehmen über ausreichend Auslandserfahrung?
Unternehmen mit vorhandener Auslandserfahrung sind erfolgreicher. Fehlt die Erfahrung dann a) längere Durst-strecke, oder b) mehr externe Experten
Führung
• Ist das Unternehmen bereit, Entscheidungskompetenzen ins Ausland zu verlagern?
Wenn die Mitarbeiter Entscheidungen selbst beeinflussen können, steigen die Motivation und die Erfolgschancen.
Abb. 2.20:
Bereitschaft zur Internationalisierung
Die Grundsatzfrage #2 lautet: Was will das Unternehmen? In welchem Umfang möchte das Unternehmen im Auslandsmarkt aktiv werden? Will das Unternehmen
1
Kosten reduzieren und sucht einfach eine günstige Fertigungsstätte, dann ist der nationale Market für sie mitunter nicht wichtig, wie z.B. Automobilzulieferer, die eine Fertigungsstätte in der Ukraine errichten? den eigenen Markt durch Markteintritte im Ausland insgesamt vergrößern? tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse eliminieren und setzt damit auf die Senkung seiner Kosten? eine Gelegenheit nutzen, seinen Lagerbestand schnell zu reduzieren, stellt dies eine kurzfristige Maßnahme dar, ohne jegliche strategische Implikationen? den Markteintritt im Auslandsmarkt, da es eine globale Strategie eingeschlagen hat und eine Präsenz in der Kernmärkten verfolgt? Vgl. Leitl, S. 10.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
55
für den Anfang erste Wirtschaftsbeziehungen aufbauen, d.h. ohne rechtliche Präsenz im Auslandsmarkt, in Form einer Repräsentanz? in der Perspektive die Fertigung verlagern oder einzelne betriebliche Funktionsbereiche? eine Neugründung tätigen oder plant es den Erwerb eines ganzen Betriebes? eine ausländische Zwischenholding etablieren? die Konzernspitze verlagern?
Die Frage, welche Zielsetzungen das Unternehmen im ausländischen Markt verfolgt, ist zentral. Aus der Antwort leitet sich die weitere Vorgehensweise ab. Die Grundsatzfrage #3 geht auf die finanzielle Situation ein: Wie kann das Engagement im Auslandsmarkt finanziell ausgestaltet werden?
Die Strukturierung der Investition ist abhängig davon, ob Gewinne im Ausland oder im Inland thesauriert werden sollen, ob an eine Finanzierung von Investition gedacht ist, wie eine eventuelle „Exit-Strategy“ gestaltet werden könnte, z.B. Fragen wie Versteuerung des Veräußerungsgewinns, Investition über Zwischenholding in Drittland und auch die Wahl der Rechtsform Darstellung der Finanzierungsmöglichkeiten und der steuerlichen Gestaltungsaspekte Steuerliche Behandlung des Kaufpreises beim Erwerb einer Auslandsbeteiligung Transfer von im Ausland realisierten Gewinnen in das Inland (Quellensteuern, Gewinnausschüttungen, Entnahmen etc.) Besonderheiten der laufenden Besteuerung, z.B. Sonderwirtschaftszonen, häufig nicht absetzbare Betriebsausgaben, besondere Dokumentationsvorschriften, Verrechnungspreisproblematik Erst nach der Beantwortung der drei Grundsatzfragen und der Entscheidung, dass das Unternehmen durchaus in der Lage ist, in einen neuen Auslandsmarkt einzutreten, erfolgt die zweite Entscheidung, nämlich in welchen Auslandsmärkten sich das Unternehmen engagieren sollte. Aus den Zielsetzungen können sich unterschiedliche strategische Implikationen ergeben. Daher müssen die realen Ziele bekannt sein. Es soll auch nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Märkte nicht nach den Planungen im Management richten. Gelegenheiten zu erkennen und zu bewerten, z.B. mit welchem Absatzvolumen das Unternehmen zum angestrebten Zeitpunkt vermutlich rechnen kann, ist ebenso von Bedeutung wie der richtige Zeitpunkt des Markteinstiegs. Diese Gelegenheit ist nicht für immer geöffnet, sondern nur für eine bestimmte Zeit. Sie wird daher gerne mit „window of opportunity“ umschrieben. Allerdings muss das Unternehmen für das Nutzen von Gelegenheiten auch bereit sein. Nach Foley sind die Voraussetzungen für global tätig werdende Unternehmen die Folgenden:1 1. „Commitment“ des Managements, d.h. das Management ist von der Entscheidung überzeugt und stellt die Ressourcen einschließlich einem „Ressourcenpolster“ zur Verfügung.
1
Vgl. Foley, S. 11.
56 2. 3. 4.
2 Internationalisierung der Unternehmen Tiefe Einblicke, Kenntnisse und Erfahrungen mit den eigenen Marktangeboten liegen vor, d.h. es hat sich bereits in einem anderen Markt, am besten dem Heimatmarkt, bewiesen. Adäquater „Cash Flow“ ist im Unternehmen vorhanden, d.h. mit finanziellen Engpässen ist in der nächsten Zeit nicht zu rechnen. Vorhandene Kapazitäten und Fähigkeiten, internationale Marktangebote herzustellen bzw. anzubieten, nicht vorhanden.
2.3.3
Entscheidung über den Zielmarkt
Es ist selbst für große Unternehmen unmöglich, eine Expansionsstrategie überall umzusetzen, sondern es werden Schwerpunkte gebildet. Bei der Entscheidung, in welchen Zielmarkt gegangen werden soll, spielt einerseits die Intuition eines Einzelnen oft eine sehr große Rolle. Bestimmte Vorlieben oder Abneigungen für oder gegen ein Land, einen privaten Kontakt, den man geschäftlich nutzen kann, sind nicht selten die erste Basis für den Gang in einen neuen Ländermarkt. Ein russisches Sprichwort lautet: „Hundert Freunde sind besser als hundert Rubel!“ Auf der anderen Seite wird man immer Märkte suchen, auf denen man schnell Erfolge verbuchen kann, vor allem wenn man noch nicht allzu viele Erfahrungen auf dem Auslandmarkt hat. Da viele Parameter in jedem einzelnen Auslandsmarkt existieren, gibt es keine standardisierte Vorgehensweise, sondern unterschiedliche Lösungen. Die Entscheidung über den Zielmarkt stellt daher keinen Entscheidungsprozess dar, sondern gibt Hinweise, welchen Faktoren die eigene spezifische und eigenständige Entscheidung unterliegen kann. Gemeinhin kann konstatiert werden, dass die Entscheidung für einen Eintritt in einen Auslandsmarkt von der Attraktivität des Auslandsmarktes sowie eigenen, dort realisierbaren Wettbewerbsvorteilen abhängt. Es soll dazu bemerkt werden, dass grundsätzlich drei Formen von Attraktivität für den Auslandsmarkt bestehen:1
Marktattraktivität mit der Beurteilung der Nachfrageentwicklung, Wettbewerbsintensität, Segmentierung Ressourcenattraktivität mit der Verfügbarkeit von notwendigen Ressourcen, z.B. Rohstoffe, Personal, Finanzen, Qualität und Kosten der Ressourcen, Zuliefernetzwerke, allgemeine Infrastruktur Politische und operative Attraktivität etwa die Währungsstabilität, politische Stabilität, Flexibilität Eine Einteilung nach Attraktivität ist immer ein momentaner Status und muss fortlaufend überprüft werden. In vielen Ländern kann sich die Attraktivität quasi über Nacht ändern. Ein Portfolio, das die beiden Dimensionen Marktattraktivität und relative2 Wettbewerbsvorteile der eigenen Marktangebote zusammenführt, kann wie folgt gestaltet werden: 1 2
Vgl. Schütte/Lasserre, S. 27. Relativ zu ausgewählten Wettbewerbern, nicht zum Gesamtmarkt! Bei letzterem könnten kaum Aussagen getroffen werden.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
57
hoch Hoffnungsmarkt
Kernmarkt
Abstinenzmarkt
Gelegenheitsmarkt
Marktattraktivität
niedrig niedrig
hoch relativer Wettbewerbsvorteil
Abb. 2.21:
Marktattraktivitäts/Wettbewerbsvorteils-Portfolio zur Auswahl von neuen Ländermärkten
Es wird unterstellt, dass sich in einem hoch attraktiven Markt in der Anfangsphase des Lebenszyklus noch keine wirklichen Wettbewerbsvorteile herauskristallisieren können, da es in dieser Phase der Marktentwicklung noch eher um die technische Lösung als um Feinheiten geht. Diese Märkte können nach dieser Definition als Hoffnungsmärkte bezeichnet werden. Da sie allerdings ein Potenzial für die Zukunft haben, etwa ein ansteigendes Marktvolumen erwartet wird, wird der Markteintritt frühzeitig gesucht, um dann mit einer vorhandenen Position im Markt mit diesem mit zu wachsen. Hier kann man noch Spielregeln, nach denen z.B. ein Geschäft abzulaufen hat, gestalten, sofern man früh genug dabei ist oder eine Krise im Auslandsmarkt durchgestanden hat. Insbesondere in den „Emerging Markets“ kann für eine gewisse Zeit nicht erkennbar sein, wann die „ökonomischen Aufräumarbeiten“ abgeschlossen werden, die für eine kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung so notwendig sind. Hier möchte das Unternehmen oft frühzeitig dabei sein und die „Kontakte schmieden“, um dann, wenn es soweit ist, durchstarten zu können. Unter „Emerging Markets“ versteht man Märkte mit einem großen Marktvolumen, das heute bereits vorhanden ist oder sich in der nahen Zukunft entwickeln kann. Sie haben eine signifikant große Bevölkerung und es bestehen große Märkte für eine ganze Reihe von Marktangeboten. Sie haben bereits heute hohe Wachstumsraten oder zumindest das Potenzial für hohe Wachstumsraten und sie haben signifikante Programme zur Reform der Wirtschaft unternommen. Für ihre Region sind sie politisch wichtig, sie sind oder haben das Potenzial zum „Regional Economic Driver” (Wirtschaftslokomotive) und eignen sich für die Expansion in benachbarte Märkte (Sprungbrettfunktion). Typische große „Emerging Markets” sind ASEAN1, China, Indien, Südkorea, Mexico, Argentinien, Brasilien, Südafrika, Türkei.2 Das ist selbstverständlich eine Frage der Zuordnung und der Begründung derselben. Die BRIC-Märkte galten jahrelang als die typischen „Emerging Markets“, wenngleich sie dieser 1 2
Association of South-East Asian Nations. Vgl. Cateora/Graham, S. 242.
58
2 Internationalisierung der Unternehmen
Rolle heute entschlüpft sind. Fondanbieter, wie Union Investment, teilen die Schwellenländer, übrigens ein Synonym für „Emerging Markets“, selbst wie folgt ein. Eine einheitliche Definition scheint aufgrund der enormen Unterschiede nicht machbar:1 Die Soliden China Israel Süd-Korea Philippinen Taiwan
Die Kontrollierbaren
Polen
Thailand Tschechien
Die Fragilen Fünf
Indien Türkei
Die Makro-Chaoten
Ukraine
Rohstoffexporteure
Bahrain Malaysia Russland
Chile Kolumbien Mexiko Peru
Brasilien Indonesien Südafrika
Argentinien Venezuela
zunehmendes Länderrisiko Abb. 2.22:
Einteilung der Schwellenländer
Legende: = Länder mit sozialen Unruhen
Es stellt sich die Frage, ob sich ein Engagement, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zeitpunkt lohnt und zwar:
in welchen „Subsidies Forever2“-Ländern in welchen „Emerging Markets“
Es herrscht bei der Beurteilung der „Emerging Markets“ eine gewisse Furcht bei den Unternehmen vor dem „zu spät kommen“. Das kann zu einem zu frühen Markteintritt verleiten. Ist die Marktentwicklung fortgeschritten, gibt es eine Vielzahl von Kunden, die nicht mehr von den technischen Lösungen überzeugt werden müssen, jedoch besteht dann auch ein durchaus stärkerer Wettbewerb. Wettbewerbsvorteile sind die Voraussetzung dafür, sich in diesen sehr wettbewerbsintensiven Märkten durchzusetzen und Gewinne zu realisieren. Da diese Märkte aufgrund ihres Umsatzvolumens und ihrer Gewinnträchtigkeit sehr bedeutend sind, können sie als Kernmärkte definiert werden. Kernmärkte stellen Märkte dar, in denen das Unternehmen bereits präsent ist oder sein sollte. Aufgrund der dort erzielbaren Preise und Gewinnmargen sowie des Marktvolumens und der Marktstabilität, sind diese Märkte unverzichtbar für den Erfolg des 1 2
Vgl. Jesch, S. 42. Unter „Subsidies Forever“-Ländern versteht man Staaten, die bis auf weiteres am Tropf von internationalen Kapitalgebern, z.B. der Weltbank, der EU, hängen.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
59
Unternehmens. Es wird versucht, in diesen Kernmärkten eine dominante Position zu erlangen, entweder auf dem Gesamtmarkt oder durch Nischenstrategien in den Teilmärkten. Typische Kernmärkte sind etwa für die Automobilindustrie die USA oder Westeuropa. Kernmärkte weisen keine oder nur geringe Markteintrittsbarrieren und eine so hohe Attraktivität auf, dass sie langfristig und intensiv bearbeitet werden. Diese Länder eignen sich dann auch sehr gut als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten in den Nachbarländern. Kernmärkte gehören zu den ersten Prioritäten bei der Länderauswahl. Gelegenheitsmärkte stellen Märkte dar, auf denen kurzfristig Umsätze erzielt werden können, die aber nicht nachhaltig entwickelt werden können. Dies kann z.B. an der politischen Instabilität oder der fehlenden Kaufkraft am Markt liegen, die sich mittel- bis auch langfristig nicht verändern wird. Aufgrund ihrer geringen Attraktivität werden sie nur sporadisch bearbeitet. Bei Gelegenheitsmärkten wird im wahrsten Sinne des Wortes die Gelegenheit, die sich auftut, das „window of opportunity“, ergriffen. Der Aufwand dazu muss allerdings begrenzt, Risiken dürfen damit keine verbunden sein. Dazu gehören Länder, die nicht explizit bearbeitet werden, zumindest solange die Arbeiten in den Kernmärkten nicht abgeschlossen sind. Abstinenzmärkte sind schließlich so unattraktiv und die Erschließungsmöglichkeiten so gering, dass seitens des Unternehmens keine Aktivitäten erfolgen. Ländereinteilungen sind immer branchenspezifisch. So kann z.B. die Türkei in einer Branche als Gelegenheitsmarkt betrachtet werden, in der Baubranche als Kernmarkt, weil die Türkei als Ausgangspunkt weiterer Aktivitäten in den benachbarten Ländern betrachtet wird. Der Markteintritt in Kernmärkten wird grundsätzlich schnell erfolgen, da hier die Besetzung und die Dominanz von Marktsegmenten erfolgt, während sie in den Hoffnungsmärkten durchaus schrittweise vonstatten gehen kann.
2.3.4
Realistische Vorstellungen über den Markteintritt
Es ist notwendig, sich sehr frühzeitig mit möglichen Formen des Markteintritts zu beschäftigen. Das Unternehmen kommt dann sehr schnell „back to reality“ und eliminiert unrealistische Vorstellungen aus seiner Betrachtung. Ob der Auslandsmarkt durch eigene Mitarbeiter bearbeitet wird, oder ob man sich Partner sucht, ist eine strategische Entscheidung, die später nur schwer, d.h. mit hohen Kosten, wieder korrigierbar ist. Der Beginn erfolgt meist mit Vertretungen auf Basis eines Handelsvertretervertrages, die Gründung von Vertriebsniederlassungen erfolgt vor allem dann, wenn die Marktangebote erklärungsbedürftig sind oder eine kurzfristige Lieferfähigkeit gewährleistet werden muss. Entscheidet sich ein Unternehmen zunächst aus Kostengründen für den Markteintritt durch Dritte, z.B. Handelsvertretern („Sales Representatives“) vor Ort, lokalen Distributoren und Importeuren und entschließt sich dann in ein paar Jahren, die Aktivitäten neu zu strukturieren, kann eine Neuausrichtung teuer wenn nicht sogar unmöglich werden. Eine Trennung von Handelsvertretern kann teuer, sogar de facto (nicht de jure) unmöglich gemacht werden.
60
2 Internationalisierung der Unternehmen
Bevor über den Markteintritt entschieden werden sollte, lohnt sich daher der Blick auf den Wettbewerber und dessen eventuelle Bemühungen Markteintrittsbarrieren für den „newcomer“ aufzubauen.1 Markteintrittsbarrieren hindern potenzielle neue Wettbewerber am Eintritt. Sie werden von bereits im Markt aktiven Unternehmen aufgebaut, um potenzielle neue Wettbewerber vom Marktzutritt abhalten. Die Barrieren zeigen sich in Form von verschiedenen Variablen, wie etwa Produktdifferenzierung, Kostenvorteilen, Zugang zu Vertriebswegen, Kapitalbedarf, Reaktionen der etablierten Marktteilnehmer. Bei hohen Eintrittsbarrieren werden tendenziell weniger Unternehmen in diese Branche einsteigen als bei niedrigen.2 hoch
Marktattraktivität
niedrig niedrig
hoch Zugängigkeit des Auslandsmarktes auf Basis von Markteintrittsbarrieren
Abb. 2.23:
Marktattraktivitäts/Zugängigkeits-Portfolio zur Auswahl von Auslandsmärkten
Ein Aspekt beim Markteintritt sind immer die Ressourcen eines Unternehmens, allen voran die Finanzen, auf die es allerdings nicht beschränkt sein sollte, wenn man einmal an die „Human Resources“ denkt. Sie können auch dafür verwendet werden, Markteintrittsbarrieren zu beseitigen oder zu umgehen, in dem man z.B. bei blockierten Vertriebswegen eigene Vertriebswege aufbaut. Die Handlungsempfehlungen lauten:
dass Unternehmen mit geringen Ressourcen eher einen Markteinstieg über Importeure, Distributoren in Erwägung ziehen das Unternehmen mit höheren Ressourcen durchaus die Kunden direkt bedienen können, etwa über eigene Reisende, eine eigene Verkaufsniederlassung Es sollte immer hinterfragt werden, ob das Unternehmen den Markteintritt auch finanziell verkraften kann. Denn bis es zu Rückflüssen kommt, muss zunächst einmal alles vorfinanziert werden. Mitunter ist ein Markteintritt von der Kostenseite recht gut zu ermitteln, wie das folgende Beispiel am Markteintritt USA zeigt:
1 2
Vgl. dazu die Ausführungen über Eintrittsbarrieren in Kohlert, 2013, S. 105 ff. Vgl. ebenda, S. 106.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen No. Kostenposition 1 2 3 4 5
Kosten in US$ p.a.
Verkaufsingenieur einschließlich Firmenwagen Assistentin, halbtags Büromiete bei einem Office-Service-Unternehmen einschließlich Telefonanlage und Telefonservice Reisekosten des Verkaufsingenieurs Promotionmaßnahmen einschließlich Internet, Visitenkarten, Broschüren Ermittelte direkte Kosten p.a. =
6 7 8 9 10
11 12 13 14
61
$160.000 $30.000 $20.000 $20.000 $20.000
$250.000
Geschäftsführer Deutschland reist in die USA, 10 x $30.000 Hotelkosten, Reisekosten, jeweils eine Woche = 50 Tage $10.000 unternehmensabhängig Unbedingt notwendige Produktanpassungen Neueinstellung englischsprachiges Personal in Deutschla $100.000 Veränderungen in der Rechnungswesenabteilung durch unternehmensabhängig Umgang mit ausländischen Währungen, Wechselkursabsicherungen Kosten der Marktforschung $50.000 Kosten der Rechtsberatung $50.000 Kosten für Unternehmensberatung $50.000 unternehmensabhängig Veränderungen in der Fertigung bedingt durch Produktanpassungen Ermittelte indirekte Kosten p.a. =
$350.000
15 Erfahrungswerte von anderen Unternehmen beim Eintritt in Auslandsmärkte: 100% Sicherheitspolster
$600.000
Gesamtbudget für den Markteintritt USA Abb. 2.24:
$1.200.000
Kalkulation Markteintritt, am Beispiel USA
Vor allem die indirekten Kosten, die sich durch das Auslandsengagement ergeben, werden immer wieder unterschätzt. Sie sind im Allgemeinen deutlich höher, als die direkten Kosten, durchaus auch um den Faktor 2!
62
2 Internationalisierung der Unternehmen
Viele Unternehmen beenden die Kostenschätzung bei der Ermittlung der direkten Kosten. Sie vergessen dabei, dass es noch eine Vielzahl von Ressourcen aus dem Mutterunternehmen bedarf, um einen Markteintritt erfolgreich werden zu lassen. Das „Sicherheitspolster“ ist übrigens ein Wert, der in Gesprächen mit Praktikern immer wieder fällt: „Ermittle sorgsam Dein erforderliches Budget, vergesse nicht die indirekten Kosten und dann verdopple die Summe!“
2.3.5
Definition der Geschäftsfelder
Basierend auf der Marktsegmentierung werden die Geschäftsfelder des Unternehmens bestimmt, in denen es beabsichtigt, tätig zu sein. Es gibt drei zentrale Kriterien für Geschäftsfelder:
Ein Geschäftsfeld bedient ein oder mehrere Marktsegmente. In jedem Marktsegment ist die Zielgruppe mit ihren spezifischen Bedürfnissen eindeutig definiert. Ein Geschäftsfeld bietet ein oder mehrere Marktangebote an, mit denen die Bedürfnisse der Zielgruppe im definierten Marktsegment befriedigt werden. Einem Geschäftsfeld kann eine bestimmte Anzahl von identifizierbaren Wettbewerbern zugeordnet werden, die vergleichbare Marktangebote oder gegebenenfalls Substitutionsprodukte anbieten.
Damit ist ein Geschäftsfeld ein nach Technologie, Markt, Wettbewerb und sonstigen Kriterien abgrenzbares Betätigungsfeld eines Unternehmens, für das eine relativ unabhängige Strategie geplant und durchgesetzt werden kann. Die Zielsetzungen der einzelnen Geschäftsfelder hängen von den Zielen des Gesamtunternehmens ab. Grundsätzlich aber kann davon ausgegangen werden, dass die Zielsetzung auf der Geschäftsfeldebene in der Maximierung des Geschäftsfeldwerts besteht. Üblicherweise werden bei der Berechnung des Geschäftsfeldwerts Verbundeffekte mit anderen Geschäftsfeldern herausgerechnet, um den „stand-alone value“ zu erhalten. Somit kann dann der jeweilige Wertbeitrag gesondert ermittelt werden. Nach Rappaport lässt sich der Geschäftsfeldwert wie folgt ermitteln:1
1
Vgl. Rappaport, S. 78.
2.3 Entscheidungsprozesse im Unternehmen
63
Wert des Geschäftsfelds
Cash-Flow aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit
Dauer der Wertsteigerung
Umsatzwachstum, Gewinnmarge
Kapitalkosten
Investitionen in Anlageund Umlaufvermögen
Eigenkapitalkosten
Fremdkapitalkosten
Werttreiber Abb. 2.25:
Werttreiber des Geschäftsfeldwerts
Unter einem Werttreiber versteht man einen Umstand, der die einzelnen Faktoren des Geschäftsfeldwerts maßgeblich beeinflusst. Die in der obigen Abbildung genannten Werttreiber stellen damit nur Beispiele dar, wie sie auch von Rappaport genannt werden.1 Während in der ersten Phase mögliche Geschäftsfelder im Hinblick auf ihre Attraktivität analysiert werden2, erfolgt die Auswahl der attraktiven Geschäftsfelder nach eigenen festgelegten Kriterien. In diesem Portfolio würde sich das Unternehmen auf Geschäftsfelder konzentrieren, in denen die Profitabilität hoch und der „strategische Fit“, d.h. die Übereinstimmung mit der Unternehmensstrategie, gut ist:
1 2
Vgl. Rappaport, S. 55 ff. Vgl. zur Attraktivität von Märkten die Ausführungen in: Kohlert/Fadai/Sachs, S. 140 ff.
64
2 Internationalisierung der Unternehmen
gut schrumpfen / abstoßen
investieren
schrumpfen / abstoßen
ernten / schrumpfen / abstoßen
strategischer „Fit” mit der Unternehmensstrategie
schlecht hoch
niedrig Profitabilität des Geschäftsfeldes Abb. 2.26:
Bewertung der einzelnen Geschäftsfelder
In praxi würde man für beide Dimensionen Kriterienkataloge zusammenstellen, um die Einordnung der einzelnen Geschäftsfelder treffender vornehmen zu können. Selbstverständlich können auch andere Kriterien herangezogen und für die Auswahlentscheidung genutzt werden.
2.4
Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
2.4.1
Vorbereitungsmaßnahmen im Unternehmen
Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen den Eintritt in einen neuen Auslandsmarkt möglichst gut vorbereitet unternimmt und so viele Arbeiten wie möglich im Vorfeld von zu Hause aus erledigt. Dies senkt nicht nur die Kosten, sondern dank der besseren Vorbereitung später auch die Fehlerquoten. Zu den Vorbereitungsmaßnahmen vor dem Markteintritt gehören im Einzelnen die folgenden Maßnahmen:
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
65
Kennen der eigenen Stärken
Test der Marketing-Konzeption
Überprüfung des vorhandenen Werbematerials
Kenntnisse über die Kundenerwartungen
Vorbereitungsmaßnahmen vor dem Markteintritt
Kalkulation und Preisgestaltung
Marktsegmentierung, Zielgruppenbestimmung, Positionierung
Kenntnisse über die Wettbewerber
Kenntnisse über die Wettbewerbsgesetzgebung
Abb. 2.27:
EXIT
Vorbereitungsmaßnahmen im Unternehmen vor dem Eintritt in den Auslandsmarkt
Bereits im Unternehmen vorhandene Kenntnisse über die Wettbewerber werden zusammengestellt und ausgewertet. Dabei wird auf Aktualität geachtet; Informationen die älter als ein Jahr sind, sind in der Regel wertlos. Informationen über die wichtigsten Wettbewerber sollten sich nicht nur auf Namen, Marktangebote und Preise beschränken, sondern auch Aussagen über deren strategische Stoßrichtungen auf dem Markt zulassen: Fahren die Wettbewerber eine Strategie der Kostenführerschaft, differenzieren sie ihre Marktangebote sehr stark, betrachten sie sich als Experte für bestimmte Branchen etc. Die Wettbewerbsgesetzgebung und vor allem Durchsetzung ist in den einzelnen Ländern auch höchst unterschiedlich. Während es in Deutschland erst ab einer gewissen Größenordnung der Unternehmen in praxi greift, kann es in den USA sehr früh bei verschiedenen Sachverhalten einsetzen, sobald eben ein direkter, substanzieller und vorhersehbarer Effekt auf US-Unternehmen vorhanden ist und zwar bei Mergers & Acquisitions ebenso wie bei Vertriebsvereinbarungen, Joint Ventures, Lizenzverträgen und sogar bei Beschaffungsverträgen und Konzessionen. Aber nicht nur formale Vereinbarungen, sondern auch informelle Schreiben, Faxe, E-Mails, mündliche Absprachen „am Biertisch“ sind unter Umständen dafür relevant. Kenntnisse über die Kundenerwartungen sind notwendig, um den Kunden etwas anzubieten, das so auf dem Markt noch nicht geboten wird. So genannte „Me-too“-Marktangebote lassen keine eigenen Stärken und damit auch keine Argumente für höhere Preise als die der Wettbewerber zu. Um den besonderen Kundennutzen zu erreichen, werden die Marktangebote an die Erfordernisse der Kunden angepasst; erste Kostenschätzungen möglicher Anpassungen aus heutiger Sicht bewerten die Machbarkeit. Einige notwendige Anpassungen lassen sich mitunter bereits im Heimatland absehen und einbeziehen. Das Kennen der eigenen Stärken ermöglicht es dem Unternehmen, einen besonderen Kundennutzen anzubieten, der besser als der der Wettbewerber ist, also auch die Anforderungen der Kunden trifft.
66
2 Internationalisierung der Unternehmen
Die Marktsegmentierung, Zielgruppenbestimmung und Positionierung kann auch schon bei der Planung erfolgen. Zumindest ist es hilfreich, eine Vorstellung darüber zu haben, in welche konkreten Märkte im Auslandsmarkt expandiert werden soll. Sonst wäre jeder Weg das Ziel! Positionierung impliziert nicht nur eine bestimmte Wahrnehmung durch die Nachfrager, sondern ist immer mit einer entsprechenden Stellung im Wettbewerb verbunden. Der Test der Marketing-Konzeption erfolgt noch vor dem eigentlichen Markteintritt, um die Akzeptanz des Marktangebots zu ermitteln. Hier werden z.B. Gespräche mit potenziellen Kunden, Partnern, Händlern geführt und die Ergebnisse systematisch aufbereitet. Nach diesem Test besteht ein guter Überblick über die Erfolgsaussichten. Das „Test Marketing“ erfolgt nicht am Ende der Planung, sondern kann parallel dazu verlaufen, um für Veränderungen bei der Erarbeitung der Marketingstrategie noch flexibel zu bleiben. Das Risiko beim „Test Marketing“ besteht darin, dass man den vorhandenen Wettbewerbern im Auslandsmarkt sein Kommen quasi ankündigt. Es ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass diese Aktivitäten bei aufmerksamen Wettbewerbern unerkannt bleiben. Daher ist zu empfehlen, das „Test Marketing“ nur sehr kurz vor dem eigentlichen Markteintritt durchzuführen, um die Reaktionszeit der Wettbewerber zu minimieren. Die Überprüfung des vorhandenen Werbematerials stellt sicher, dass die vorbereiteten Materialien, z.B. Standardpräsentationen, die bei Bedarf nur noch angepasst werden müssen, aber auch Firmenname und Firmenlogo, Prospekte und der Internetauftritt auch im neuen Auslandsmarkt angenommen werden. Besondere Vorsicht ist hier bei den visuellen Gestaltungselementen walten zu lassen: Farben haben in manchen Ländern eine andere Bedeutung als im eigenen Land, z.B. weiß als Farbe der Trauer in China. Das Logo der AllianzVersicherung wirkt in Japan wie ein Wappen einer ehrwürdigen Familie. Das hat das Unternehmen sicherlich nicht beachtet, als es das Firmenlogo bestimmte. Somit hatte es schlichtweg Glück, dass es als sehr positiv aufgenommen wird. Die Kalkulation und Preisgestaltung sollte von vornherein mit realistischen Kosten planen. Veränderungen des Preises nach dem erfolgten Markteintritt sind kaum noch möglich, zumindest keine Anpassungen nach oben. Preisnachlässe dagegen machen Fehler in der Kalkulation erst recht sichtbar. Es ist immer zu empfehlen einen Mehrwert zu geben, anstatt einen Preisnachlass. Denn nur wer keinen Nutzen bieten kann, verkauft Rabatte. Diese machen einen Kunden in der Regel nicht zufriedener! In empirischen Studien zeigte sich, dass die Mehrzahl der Marktaustritte reaktiv erfolgt1, der Wissensbedarf darüber enorm ist, auch deswegen, weil die Marktaustritte aufgrund der höheren Dynamik auf den Weltmärkten naturgemäß ansteigen. Die Auswirkungen eines Marktaustritts können sich intern und extern vielfältig niederschlagen:
Mögliche interne Effekte nach dem „Exit“: – finanzielle Verluste – Veränderungen in der Strukturen, ggf. auch in den Geschäftsprozessen
1
Vgl. Dranikoff/Koller/Schneider.
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
67
–
plötzlich vorhandenen Überkapazitäten erfahrener Führungskräfte, die „geparkt“ oder freigesetzt werden müssen – „Stau“ in den Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund der Überkapazitäten von Führungskräften Mögliche externe Effekte nach dem „Exit“: – negative Effekte auf andere Ländermärkte im Falle von wechselseitigen Abhängigkeiten – Beschädigung der eigenen Marke Verwiesen sollte in dem Zusammenhang auch, dass möglicherweise Austrittsbarrieren bestehen, die einen Marktaustritt unmöglich oder zumindest sehr teuer werden lassen. Sie verhindern den Austritt aktueller Anbieter aus einem Markt. Sind sie sehr hoch, so steigt für das Unternehmen das Risiko erheblich und damit fällt die Motivation, sich in dieser Branche zu engagieren. Sie spielen demnach für das Risikomanagement beim Eintritt in eine neue Branche eine nicht unerhebliche Rolle. Die folgenden Austrittsbarrieren, im Prinzip die Abwägung der internen und externen Effekte, könnten relevant sein:1
Sehr spezialisierte Betriebsanlagen und -einrichtungen, die hohe Transfer- und Umstellungskosten mit sich bringen, müssen angeschafft werden und könnten im „worst case“ nicht wieder ohne Weiteres „versilbert“ werden. Die Fixkosten des Austritts sind hoch, z.B. weil für freigesetzte Mitarbeiter Sozialpläne aufgestellt werden müssen. Strategische Interdependenzen, z.B. Gemeinsamkeiten mit anderen Geschäftseinheiten, verhindern einen Austritt aus dem Markt. Emotionale Barrieren, z.B. der eigene Stolz oder der ramponierte Ruf, können auch Barrieren sein, die ein Unternehmen einen Austritt als sehr teuer empfinden lassen.
2.4.2
Entscheidungskriterien für die Markteintrittsoption
Es gibt verschiedene Wege, in einen ausländischen Markt zu expandieren. Jedes Unternehmen wählt seine Kriterien und untersucht damit die zur Auswahl stehenden Markteintrittsoptionen. Dazu können die folgenden Kriterien gehören:
1
Vgl. Kohlert, 2013, S. 108.
68
2 Internationalisierung der Unternehmen finanzielle Ressourcen und personelle Möglichkeiten
sich bietende Gelegenheiten
Offenheit des ausgewählten Landes für die Form des Markteintritts
Faktoren, die die Auswahl der Markteintrittsalternative im Auslandsmarkt beeinflussen
Kontroll- bzw. Steuerungsmöglichkeiten, Abhängigkeiten Abb. 2.28:
vorhandene Erfahrungen und Kompetenzen sowie Übertragbarkeit
Zielsetzungen und verfolgte Strategien der Unternehmen
Beeinflussende Faktoren bei der Auswahl der Markteintrittsoption im Auslandsmarkt
Am Anfang stehen oft die finanziellen Ressourcen und die personellen Möglichkeiten des Unternehmens. Insbesondere die Frage nach der Kapitalintensität, d.h. die Frage, wie viel Kapital durch einen Markteintritt gebunden wird. Diese ist bei einer Vertretung durch Dritte in der Regel recht gering und steigt bei Kooperationen bis hin zu Auslandsgesellschaften stark an. Vergessen werden sollten jedoch nicht die personellen Möglichkeiten, denn Strategien müssen später auch im Markt umgesetzt werden. Man muss sich dabei auch auf vorhandenes Personal stützen können, neue Mitarbeiter sind nicht so schnell mit den internen Gegebenheiten im eigenen Unternehmen vertraut zu machen. Ein weiterer Aspekt ist die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit durch das Mutterhaus. Hier wird die jeweilige Markteintrittsform gesondert betrachtet. Schon beim Export zeigen sich Unterschiede: Beim direkten Export ist die Kontrollmöglichkeit sehr hoch, da man mit dem Kunden in direktem Kontakt ist. Beim indirekten Export fehlt der Kundenkontakt meist völlig, der vom Distributor gehalten und gepflegt wird. Dasselbe gilt für Lizenzvereinbarungen, bei denen man von der Leistungsfähigkeit des Lizenznehmers abhängig ist. Die Abhängigkeit von einem oder mehreren Partnern ist bei Kooperationen sehr groß, bei der Lizenzierung kommt es auf die jeweilige Vereinbarung und die Handhabung der Exklusivität an. Bei eigenen Auslandsgesellschaften ist diese wiederum sehr hoch. Ob sie nur für den Vertrieb oder die Montage zuständig ist oder ob es sich um eine mit allen Funktionen ausgestaltete Niederlassung handelt, was im Gegensatz zur Verkaufsniederlassung meist der Fall ist, die Kontroll- bzw. Steuerungsmöglichkeit ist stets hoch. Grundsätzlich besteht eine positive Korrelation zwischen den Controlling-Fähigkeiten und der Ressourcenbeanspruchung. Das Unternehmen muss für sich entscheiden, wie viel ihnen ein Mehr an Controlling zu welchem Zeitpunkt wirklich wert ist:
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
69
hoch
Greenfield Akquisition Tochtergesellschaft
Markteintritt durch Direktinvestitionen
Fertigungsstätte Minderheitsbeteiligung Joint Venture
ControllingFähigkeit
Vertriebsniederlassung Strategische Allianz Auftragsfertigung
Markteintritt durch Kooperationen
Franchising Lizenzierung niedrig
Export niedrig
Ressourcenbeanspruchung
geringes Engagement im Ausland Abb. 2.29:
Markteintritt durch Dritte hoch hohes Engagement im Ausland
Markteintrittsoptionen und Kontrollmöglichkeiten
Vermutlich wird es insbesondere in der Anfangszeit von Nöten sein, auch Managementleistungen für die Aktivität im Ausland bereitzustellen. Sofern im Management auf vorhandene Erfahrungen und Kompetenzen zurückgegriffen werden kann, die übertragbar sind, ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Auswahl der Markteintrittsalternativen. Daraus ergibt sich auch die Organisation, die aufgebaut werden muss, sie ist ein weiteres Kriterium für die Wahl der Markteintrittsform. Diese ist bei allen Auslandsgesellschaften recht umfangreich. Eine Markteintrittsentscheidung stellt in der Regel eine strategische Entscheidung dar, d.h. sie ist nicht mehr ohne Weiteres umkehrbar. Sie wird daher mit den vorhandenen Zielsetzungen und verfolgten Strategien des Unternehmens konform sein oder gegebenenfalls wird die Gesamtausrichtung verändert. Bestehen hier unklare Aussagen, kann es passieren, dass ein Unternehmen plötzlich feststellt, dass der neue Auslandsmarkt momentan von über 250 Importeuren, freien Handelsvertretern etc. bedient wird, die alle das eigene Unternehmen unterschiedlich in der Marktöffentlichkeit darstellen und somit ein einheitliches Bild des Unternehmens nach außen verhindern. Das Unternehmen benötigt allerdings ein einheitliches Auftreten nach außen, insbesondere wenn es seinen Markennamen etablieren möchte. Die Offenheit des ausgewählten Landes für die Form des Markteintritts kann bestimmte Markteintrittsstrategien ausschließen. So wird es etwa der US-amerikanische Kunde kaum wertschätzen, wenn jemand versucht, diesen Markt ohne nationale Niederlassung, wenigstens eine Verkaufsniederlassung, von Europa aus zu bearbeiten.
70
2 Internationalisierung der Unternehmen
Last but not least sind sich bietende Gelegenheiten oft auch ein Faktor für eine bestimmte Form des Markteintritts. Hier spielen die Gelegenheiten auf Messen eine Rolle, viel mehr aber noch persönliche Kontakte, die in dem neuen Auslandsmarkt bereits vorhanden sind und die man geschäftlich nutzen kann. Eine Entscheidung für eine bestimmte Form des Markteintritts ist somit immer ein Mix aus all den genannten Faktoren, die abgewogen werden müssen. Wie auch in anderen Entscheidungssituationen wird eine optimale Entscheidung selten möglich sein, wahrscheinlicher ist ein Kompromiss, bei dem man die einzelnen Vor- und Nachteile abwägt. Zu vermeiden ist allerdings der Fokus auf nur einen oder einige wenige Faktoren, die eine Entscheidung über die Form des Markteintritts bestimmen. Konkret werden die folgenden drei Fragestellungen durchgegangen: 1. Welche Möglichkeiten des Markteintritts bestehen grundsätzlich und sollten vor der Realisierung geprüft werden? 2. Welche Faktoren im ausländischen Markt haben Einfluss auf die Priorisierung verschiedener Markteintrittsoptionen? 3. Welche betrieblichen Bedingungen führen zur einen oder anderen Markteintrittsoption? Auch ist, gleich welche Entscheidung getroffen wird, nichts auf Dauer angelegt und kann jederzeit wieder verändert werden, teilweise allerdings mit erheblichen Kosten. Trotz allem Optimismus beim Gang in einen neuen Markt gehört auch die Planung einer „Exit Strategy“ dazu, worauf bereits hingewiesen wurde.
2.4.3
„Screening“ der relevanten Marktangebote
Ein „Screen“ dient in diesem Zusammenhang als Checklist für den Einstieg in einen Markt. Ein “Screen” muss für jede Aufgabe gesondert entwickelt werden. In aller Regel besteht die Aufgabe darin, zu prüfen, ob ein Marktangebot bereits Marktreife besitzt. Diese Marktreife und damit die Chancen für ein Produkt, sollen möglichst frühzeitig ermittelt werden. Dies geschieht mit einer bewährten Fragetechnik, mit der die relevanten Fragestellungen behandelt werden. Das Ziel des „Screening” besteht damit in der Vermeidung von Vorbereitungen für den Markteintritt, obwohl schon in einem sehr frühen Zeitpunkt erkennbar war, dass der Markteintritt nicht bzw. nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erfolgreich verlaufen kann. Man kann einen „Screen“ kaum allgemein darstellen, da er immer für sehr konkrete Vorhaben erstellt wird. Üblicherweise werden jedoch immer die drei Komplexe:
Marktkriterien Produkt- und Technologiekriterien finanzielle Kriterien
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
71
abgefragt.1 Es empfiehlt sich, einen Screen in mehreren Phasen darzustellen, die alle durchlaufen werden müssen. Damit verhindert man, dass man Prüfungen vornimmt, obwohl schon klar erscheint, dass das Angebot für den Markt nicht geeignet ist. Die beiden ersten Phasen müssen absolviert werden, um in die dritte Phase zu gelangen. In dieser werden bereits die formellen Voraussetzungen für den Markteintritt festgelegt. Erst wenn alle drei Phasen erfolgreich durchlaufen worden sind, kann mit einer gewissen Sicherheit von einem erfolgversprechenden Marktangebot ausgegangen werden. Ein „Screening“, z.B. für den Eintritt in den US-Markt, könnte wie folgt gestaltet werden:2
1
Profil des Marktangebots
• • • •
2
Profil des Unternehmens
• Unternehmensgröße, Strukturen und Prozesse • Stärken/Schwächen-Profil des Unternehmens • finanzielle Situation des Unternehmens
Marktfähigkeit
• • • • •
Phase 1 3
Abb. 2.30:
1 2
4
Geschäftsgelegenheit
5
Eigentumsrechte
6
Rechtliche Barrieren
Beschreibung von Technik und Leistungen Beschreibung des Marktangebots Stärken/Schwächen-Profil Wie erfolgreich am Heimatmarkt?
Preis/Leistungs-Verhältnis klar definiertes Marktsegment deutlich bessere Problemlösung durchhaltbare Vorteile gegenüber dem Wettbewerb kommunizierbare Positionierung
• Menge und Wert (Absatzvolumen) • Wann ist das richtige Timing? • Bedrohung dieser Gelegenheit? • Marken und Patente • Welche Barrieren sind vorhanden? • Wie lange dauert die Überwindung?
Beispiel eines „Screening des Marktangebots“ – Phase 1
Profil des Marktangebots: Hier erfolgt die technische Beschreibung sowie die Beschreibung des Marktangebots und sein Stärken/Schwächen-Profil. Ein Indiz für unverwechselbare Stärken ist gegeben, wenn das Marktangebot bereits im Heimatmarkt erfolgreich war und dort seine Stärken unter Beweis gestellt hat. Profil des Unternehmens: Die Unternehmensgröße und Kenntnisse über die Strukturen und Geschäftsprozesse sind wichtig für eine spätere Zusammenarbeit zwischen Mutterund Tochterunternehmen im Ausland. Eventuell müssen Unternehmensstrukturen und Geschäftsprozesse im Hinblick auf die Expansion im Ausland geändert bzw. den neuen Bedingungen angepasst werden. So kann es z.B. erforderlich sein, den Maschinenpark zu erweitern, weil die vorhandenen Kapazitäten vielleicht nicht ausreichen, die geVgl. Kohlert, 2013, S. 96 ff. Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 49 ff.
72
1
2 Internationalisierung der Unternehmen wünschten Mengen zu fertigen, oder Anpassungen der Marktangebote vorgenommen werden müssen, die mit dem vorhandenen Maschinenpark nicht vollzogen werden können. Die finanziellen Ressourcen müssen einen Markteintritt zulassen; der Gang in neue Märkte ohne Budget ist nicht möglich. Marktfähigkeit: Die Qualitätsanforderungen der Kunden bzw. des Marktes werden mit den eigenen Preiserwartungen konfrontiert und daraus die Konsequenzen gezogen. Diese können beispielsweise so lauten, dass die Positionierung des Marktangebots aufgrund des niedrigen Preisniveaus und der hohen Qualität noch einmal überdacht wird. Es wird geprüft, ob das Marktangebot in einem klar definierten Marktsegment liegt und ob es einzigartig ist. Bestehen durchhaltbare strategische Wettbewerbsvorteile, oder nur ein kurzfristiger Vorteil gegenüber den Marktangeboten der Wettbewerber aufgrund eines marginalen technischen Vorsprungs? Die Betonung liegt hier auf dem „durchhaltbar“. Es geht nicht darum, kurzfristige Vorteile ausspielen zu können, sondern um strategische Erfolgspositionen, die auf eine gewisse Zeit aufgrund eines besonderen Knowhows etc. gehalten werden können. Um das wirklich beurteilen zu können, müssen die entsprechenden Informationen über den Wettbewerber vorliegen, wie z.B. seine Preise, Vertriebswege, Stärken. Die Stärken müssen in einem Markt auch kommunizierbar sein. Das fängt damit an, dass die Stärken im Heimatmarkt auch im ausländischen Markt als solche aufgefasst werden müssen; dies stellt aber keine Selbstverständlichkeit dar und erfordert eine Überprüfung. Geschäftsgelegenheit: Besteht gerade eine gute Gelegenheit für den Markteinstieg? Mit welchem Volumen und welchem Wert kann man voraussichtlich rechnen? Diese kann man in der Regel nicht vom Unternehmen vorgeben und steht leider in keinem Zusammenhang zur internen Unternehmensplanung, sie wird vom Markt aufgezeigt. Man spricht hierbei gerne vom „window of opportunity“, welches sich zu einem bestimmten Zeitpunkt öffnet. In der Zeit, in der das Fenster offen ist, d.h. eine günstige Gelegenheit für einen Markteintritt gegeben ist, muss er erfolgen, ansonsten schließt sich das Fenster wieder, d.h. die Gelegenheit verschwindet ungenutzt. Geschäftsgelegenheiten können nur dann Bestand haben, wenn man Bedrohungen und Risiken eingrenzen kann. So stellt sich etwa bei neuen Technologien die Frage, ob sich diese im Wettbewerb der neuen technologischen Lösungen auch durchsetzen werden. Eigentumsrechte: Eine weitere Bedrohung und ein Risiko liegt in der Akzeptanz und in der Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten, wie Patenten und Marken. Ist dieses zweifelhaft, wird sich das Unternehmen scheuen, neueste Marktangebote auf den Auslandsmarkt zu bringen. Rechtliche Barrieren: Es sollte frühzeitig abgeklärt werden, ob noch weitere rechtliche Barrieren bestehen und welcher Zeitraum benötigt wird, diese Barrieren zu beseitigen bzw. ihre Bedingungen zu erfüllen. Dies können z.B. Normen oder technische Standards sein, aber auch informelle Regelungen, die allerdings ohne lokale Unterstützung durch „Statthalter“1 nicht zu ermitteln sind.
Vgl. Kap. 5.1.2.
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
7
Markteintrittsstrategie
8
Start-up Phase
Phase 9 2 10
Abb. 2.31:
1
Zusatznutzen Zeit
73
• direkter oder indirekter Export • Lizenzierung • ... • • • •
Bekanntheit des Marktes Identifikation von möglichen Referenzkunden konkrete Geschäftsgelegenheiten vorhanden? existierende Distributionskanäle
• Unterscheidungsmerkmale zu den bestehenden Marktangeboten • richtiger Zeitpunkt des Markteintritts? • Risikobewertung und Risiko-Management • „Exit Strategy“
11
Risiko
12
Mögliche Schwierigkeiten
• größere Veränderungen • Verzögerungen
13
Kundenanalyse
• Kundenbedürfnisse und Erfüllung der Bedürfnisse • Einkaufsverhalten in den jeweiligen Segmenten • erforderlicher Kundenservice
Beispiel eines „Screening des Marktangebots“ – Phase 2
Markteintrittsstrategie: Wie könnte der Markteinstieg erfolgen? Es muss hier mit bestehenden vorgefassten Meinungen und Vorstellungen unterschiedlichster Art gerechnet werden. Wichtig ist in dieser Phase, nämlich in der Vorbereitungsphase, sich nicht jetzt schon auf eine vermeintlich optimale Lösung zu stürzen, sondern die Breite der Möglichkeiten zunächst durchzugehen und im zweiten Schritt wenn möglich bereits Prioritäten zu setzen. Oft stellt sich bei dieser Frage heraus, dass bereits im Management Uneinigkeit darüber besteht, die vielfach nicht offen diskutiert wurde. Häufig wird angenommen, dass alle Verantwortlichen einer Meinung sind und man stellt dann mit Erstaunen fest, dass grundsätzliche Unterschiede bestehen. Start-up Phase: Für jedes neue Projekt ist wichtig, möglichst schnell zu erfahren, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet. Das bedeutet, dass man möglichst rasch darüber Rückschlüsse ziehen möchte, ob das ausgewählte Land, die ausgesuchten Marktsegmente und die gewählte Form des Markteintritts erfolgreich sein können. Daher sollte der Markteinstieg sehr konkret erfolgen, d.h. mit dem Markteinstieg kennt man bereits potenzielle Kunden und wie sie erreicht werden können. Möglicherweise haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Im Grund genommen will man hier eine einzige Frage beantwortet wissen, „nämlich woher die ersten zwanzig Kunden kommen“1. Hingewiesen werden sollte noch einmal auf die hohe Bedeutung der Referenzkunden. Sind dies bekannte Unternehmen, wirken sie als „Turbo für den Markteintritt“! Zusatznutzen („Added Value“): Das bereits diskutierte Profil des Marktangebots wird noch einmal vertieft. Hier wird herausgearbeitet, wie der Zusatznutzen konkret aussehen kann, der den neuen Kunden angeboten werden soll. Dazu muss man wissen, dass es Vgl. Kohlert/Fadai/Sachs, S. 90.
74
1
2 Internationalisierung der Unternehmen insbesondere dann, wenn das Marktsegment bereits durch Wettbewerber besetzt ist, nicht ausreicht, geringfügig besser zu sein, als der Wettbewerber. „Das eigene Marktangebot sollte zwei Mal schneller, zwei Mal besser und zwei Mal billiger sein als das des Wettbewerbers, der den Kunden heute bedient. Das eigene Marktangebot muss anders, das eigene Unternehmen anders, die Mitarbeiter anders, die Preise anders und die Dienstleistungen anders sein, als bei den Wettbewerbern.“1 Zeit: Wann könnte der richtige Zeitpunkt für die Markteinführung sein? Gibt es eine Konferenz, Messe etc. auf der man das neue Marktangebot schnell einem großen Publikum präsentieren kann? Risiko: Der Eintritt in einen neuen Markt stellt immer ein bestimmtes Risiko dar. Selbstverständlich wird versucht, dieses in der Anfangsphase so niedrig wie möglich zu halten. Jede Markteintrittsstrategie sollte auch mit einer „Exit Strategy“ versehen werden, die für den schlimmsten Fall einen kostengünstigen Ausstieg aus dem Markt ermöglicht. Dies gilt auch für Partnerschaften, die oft eingegangen werden, um auf dem Markt Fuß zu fassen. Es kommt vor, dass hier Verträge mit einer langen Laufzeit geschlossen werden und das Unternehmen bereits nach dem ersten Jahr, nachdem es den Markt besser kennt, feststellt, dass die falsche Partnerschaft eingegangen worden ist. Hier sind die so genannten „Exit“-Klauseln Gold wert. Mögliche Schwierigkeiten: Technologische Durchbrüche können zu größeren Veränderungen führen, allerdings sind sie einschätzbar, insbesondere wenn man in der betreffenden Branche „zu Hause ist“. Anders sieht es mit Verzögerungen aus, die sich durch lokale Gesetzgebungen oder Gepflogenheiten ergeben. Diese treffen ein Unternehmen trotz allem oft unvorbereitet. Kundenanalyse: Es erfolgt die Ermittlung der Kundenbedürfnisse und die Erfüllung durch das eigene Marktangebot mit dem entsprechenden Zusatznutzen, den der Kunde so noch nicht auf dem Markt erhalten hat. Im B2B-Markt spielt die Struktur des „Buying Center“ eine große Rolle. Unter einem „Buying Center“ versteht man das Einkaufsgremium im Unternehmen, auch „decision making unit“ genannt, es umfasst alle am Beschaffungsprozess beteiligten Personen im Unternehmen. Die Zusammensetzung variiert je nach – Rolle der Person im Unternehmen, z.B. Verwender, Einkäufer, Beeinflusser, Entscheider – den Tätigkeitsfeldern, z.B. Unternehmensleitung, technisches Personal, Einkauf, Finanzwesen – der Art der Kompetenz, z.B. Personen mit Machtkompetenz oder Personen mit Fachkompetenz
Vgl. Kohlert/Fadai/Sachs, S. 154.
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt 14 Phase 15 3 16 Abb. 2.32:
Verhandlungen Verträge Regelung über Kooperationen
75
• Festlegung der Rahmenbedingungen • weitere Vorgehensweise bei den Verhandlungen • Vertraulichkeitserklärung • vertragliche Vereinbarung • Abwicklung der Zusammenarbeit • kritische Meilensteine • Häufigkeit der Treffen
Beispiel eines „Screening des Marktangebots“ – Phase 3
Verhandlungen: Die Verhandlungen mit dem ausländischen Partner, Großhändler etc. werden vorbereitet. Dabei ist es die Aufgabe des Unternehmers, die Rahmenbedingungen des Vertrags festzulegen, z.B. Laufzeit des Vertrags, Vertragsbeginn, Aufgaben einer jeden Partei, Provisionssätze etc. Dabei empfiehlt es sich, einen Lokalen mitzunehmen, dem man vertraut und der die Gepflogenheiten vor Ort kennt: „The natives have the maps“. Verträge: Spätestens hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt, der die Vereinbarungen abschließend begleitet und die Ergebnisse in einen rechtlichen Rahmen gießt. Regelung über Kooperation: Nach der Vertragsunterzeichnung beginnt jedoch dann erst die eigentliche Arbeit: Wie die Zusammenarbeit zu erfolgen hat, kritische Meilensteine werden vereinbart, Treffen terminiert.
2.4.4
Auswirkungen auf das Unternehmen im Marketing
Durch die globale Standardisierung des Marketing-Mix können Kosten gespart, aber auch einmal gemachte Erfahrungen dupliziert werden. Zur Erinnerung noch einmal eine kurze Darstellung des Marketing-Mix: Die Umsetzung der Strategie erfolgt über das MarketingMix, das in einzelnen Maßnahmenbündeln Entscheidungen zum Marktangebot, Preis, Vertriebswege und Promotion trifft:1
1
Vgl. Kohlert, 2013, S. 34.
76
2 Internationalisierung der Unternehmen Marketing-Mix
Zielgruppen (= definierte Marktsegmente)
Marktangebot
Produktmerkmale Qualität Design Markenname Verpackung Serviceleistungen Differenzierung Neuprodukte
Abb. 2.33:
Preis
Preisgestaltung Nachlässe Zahlungs- und Lieferbedingungen Garantieleistungen Kreditgewährung Werbekostenzuschuss (WKZ)
Vertriebswege
Abdeckungsgrad Standort(e) Lagerhaltung Logistiksysteme
Promotion
Sales Promotion persönlicher Verkauf klassische Werbung Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) Direct Marketing Sponsoring Messen Konferenzen
Grundstruktur des Marketing-Mix
Bei der Entwicklung von Marketingstrategien wird von den Unternehmen die gesamte Breite der Möglichkeiten im Marketing-Mix ausgeschöpft, um ein Marktangebot auf dem Markt zu positionieren und erfolgreich zu vermarkten. Die Faktoren im Marketing-Mix sind für das Unternehmen beeinflussbar, daher werden sie „controllables“ genannt, im Gegensatz zu den bereits zitierten „uncontrollables“ wie Wettbewerbsstruktur, Technologieniveau, Infrastruktur, kulturelle Kräfte, politisches System im ausländischen Markt. Für das Unternehmen ist es wichtig, die Rahmenbedingungen und ihre Wirkung auf die eigenen unternehmerischen Entscheidungen zu erkennen und die eigenen Planungen darin einzufügen. Der Schwerpunkt der Vereinheitlichung einzelner Marketingelemente liegt in der Markenbildung und der Positionierung. Hier wird eine global identische Kommunikation der Stärken des Marktangebots angestrebt. Sobald direkter Kundenkontakt besteht, wiegen die kulturellen Unterschiede noch schwerer, das fängt bei der Werbung an, die in jedem Land an die vorhandenen Umfelder angepasst werden muss. Dasselbe gilt für den Verkauf, der vor allem bei hochwertigen Marktangeboten immer noch sehr stark auf die lokalen Gegebenheiten eingehen muss. Wie im Folgenden dargestellt, verändern sich durch die Globalisierung auch die Kundenbedürfnisse:1
1
Vgl. Crain Communications, S. 11.
2.4 Operative Vorbereitungen vor dem Markteintritt
globale Integration
hohe Qualität
niedrige Preise Abb. 2.34:
1 2
77
globale Dienstleistungen
Kundenbedürfnisse
lokale Differenzierung
weltweites Innovationsmanagement
Veränderte Kundenbedürfnisse durch die Globalisierung
Eine hohe Qualität ist notwendig um „global recalls“ zu vermeiden. Globale Rückrufaktionen aufgrund z.B. defekter O-Ringe sind der Alptraum eines jeden Herstellers. Das kann nur durch eine sehr hohe und eine durchhaltbare Qualität vermieden werden. Massenproduktion impliziert niedrige Preise, da jeder Kunde hohe „Economies of Scale“ vermutet. Das heißt aber auch, dass hohe Margen nur noch bei Marktangeboten erzielbar sind, die eindeutige Stärken haben. Es besteht kein Zweifel darin, dass Unternehmen in diesen „Nischen mit hohen Margen“ ihre Leistungsfähigkeit fortlaufend unter Beweis stellen müssen und nur durch erhöhte Innovationen diese verteidigen können. Das weltweite Innovationsmanagement ist nicht mehr auf das eigene Heimatland bezogen, sondern man versucht die lokalen Stärken durchaus zu nutzen und später zusammenzufügen („globale Integration“), wenngleich die zentralen Kernkompetenzen gerne im Mutterhaus gehalten werden, um eine gewisse Sicherheit zum Schutz der eigenen „Intellectual Property“ zu haben. Lokale Differenzierungen werden trotz der eingeläuteten Globalisierungstendenzen noch lange Zeit notwendig sein, denn „people don’t change that much“1. Die globale Integration erfordert einen erhöhten Koordinierungsaufwand. So lagen bereits 1997 in den USA die Interaktionskosten für die Koordinierung der globalen Aktivitäten bei 51 % der gesamten Arbeitskosten.2 Durch die größere Auswahl für die Kunden werden die Anforderungen an globale Dienstleistungen durch die Kunden steigen, um mehr Kundenwert für gleiche oder gar fallende Preise zu erhalten. Für die Unternehmen stellt es andererseits eine Möglichkeit dar, ihre Marktangebote stärker zu differenzieren. Während sich die Kosten für Fertigung, Mitarbeiter etc. und auch die Qualität global angleichen, werden Marken, gewerbBuckingham/Coffman, S. 57. Vgl. Bryan et al.
78
2 Internationalisierung der Unternehmen liche Schutzrechte, Ressourcen im Netzwerk an Bedeutung gewinnen, d.h. eher die weicheren Faktoren.1
Foley schlägt als die wichtigsten sechs Fragen, die ein Unternehmen vor der Entwicklung der internationalen Strategie beantworten muss, die Folgenden vor:2 1. Wer sind die Endkunden und warum benötigen sie das Marktangebot? Das erfordert ein demografisches Profil des Kunden, sowie die Identifizierung der Rolle, die das Marktangebot für den Kunden spielt. 2. Was ist die Grundlage der Wettbewerbsvorteile des eigenen Unternehmens? Was für eine Rolle hat jeder der folgenden Faktoren im Wettbewerb, wie Preis, Produkteigenschaften, Qualität, Kundenservice, Marken- und/oder Unternehmensimage, Technologie? 3. Was ist der effektivste Vertriebsweg für das eigene Marktangebot, z.B. Handelsvertreter, Großhändler, Direktverkauf? 4. Wo sind die Schwerpunkte in der eigenen Wertschöpfungskette? Welches sind die Aktivitäten, die zusätzliche Werte schaffen? Welches sind von den folgenden Funktionen diejenigen, die selbst im Unternehmen gehalten werden, und welche werden outgesourct, z.B. Forschung und Entwicklung, Produktion, Einkauf, Marketing & Vertrieb, Personal, Kundenservice, Technologie? 5. Wurde eine Branchenanalyse durchgeführt und die Gewinnmargen untersucht? Die Durchführung der Porters’s 5-Forces-Analysis bietet sich hier an! 6. Wann und wie wollen sie wissen, dass die internationale Expansion entweder gestoppt oder zurückgestuft werden soll? Welches Investment in Zeit und Ressourcen (Geld) sind erlaubt, bevor sich das Unternehmen von der internationalen Strategie wieder verabschiedet („Exit Strategy“)?
1 2
Vgl. Bryan/Fraser, S. 77. Vgl. Foley, S. 15 f.
3
Interkulturelles Management
Be comfortable with differences. Accept people with differences. Don’t try to change them.
3.1
Geschichte als Grundlage der Kultur
Die Historie des Staates setzt den Rahmen; ihre Relevanz für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft ist nicht zu übersehen.1 Einblicke in die Historie eines Landes sind insbesondere dann wichtig, wenn man Einstellungen, Beweggründe und daraus resultierende Handlungsweisen einer Regierung oder auch eines Unternehmens eines bestimmten Landes verstehen will. Auch die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, die Quellen der Autorität sowie die Einstellungen gegenüber ausländischen Unternehmen fußen letzten Endes auf historischen Grundlagen und Erfahrungen. Ein Verständnis für die Geschichte des Landes hilft, das Selbstverständnis eines Landes und seiner Menschen zu verstehen:2
Welches Verhältnis hat es zu seinen Nachbarn? Wie sieht es seinen Platz in der Welt? Wie sieht es sich selbst? Was sind die Quellen seines Stolzes?
Die Antworten der Menschen in diesem Land auf diese Fragen ergeben ein Bild darüber, was ihnen besonders wichtig erscheint, es spiegelt ihre Werte und Normen wieder, die sich wiederum auf das Verhalten im Geschäft auswirken. Die Antworten darauf sind die Klammer, die eine Gesellschaft zusammenfügt, wenn sie mehr oder weniger von allen Mitgliedern dieser Gesellschaft geteilt werden.3 Im Laufe der Zeit kann so ein „überindividuelles Gebilde“4 entstehen, das auch eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln kann. Dieses Gebilde ist die Basis für viele Erklärungen und Erkenntnisse, warum Unterschiede zum eigenen Land bestehen. Im Folgenden werden dazu einige Beispiele gegeben, wie sich die Historie eines Landes auf dessen Geschäftsleben auswirkt. Die Einstellung der Menschen zur Religion hat ihren Ursprung in der Geschichte. Während in den USA die Trennung von Kirche und Staat unterschiedliche Glaubensrichtungen zugelassen hat, verband in Europa die Kirche geistige und weltliche Macht. Noch heute ist die 1 2 3 4
Vgl. Hauser, S. 16. Vgl. Cateora/Graham, S. 77. Vgl. Jacques, S. 251. Spranger, S. 44.
80
3 Interkulturelles Management
Queen offizielles Oberhaupt der „Church of England“! Dieser Einfluss der Kirche wurde in Europa spätestens mit der Französischen Revolution nach und nach verdrängt und soziale Funktionen an den Staat delegiert, während diese sozialen Funktionen in den USA weitgehend bei den Kirchengemeinden verblieben.1 Damit wird Kirche in den USA sehr ernst genommen, das muss sich auch auf das Geschäftsleben auswirken. So können in den USA Rauchen, Alkoholgenuss, Übergewicht etc. als negativ für eine Zusammenarbeit empfunden werden. Nicht selten werden sie als Charakterschwäche ausgelegt. Selbstverständlich ist das abhängig von den Menschen, auf die man trifft. Allerdings kann man ihnen die Einstellung nicht ansehen! Es hilft immer, mit Wissen über die wichtigsten Daten der Geschichte des jeweiligen Landes zu glänzen. Das zeugt von Informiertheit und Interesse an dem Land. Oder wie würde der deutsche Unternehmer reagieren, wenn der japanische Gast, zum ersten mal in Deutschland, im Gespräch mit ihm die Eckpfeiler der deutschen Geschichte einfließen lässt: Schlacht im Teutoburger Wald (9), die Krönung Karl des Großen (800), Luthers Thesen an der Schlosskirche (1517), 30-jähriger Krieg (1618–1648) und die Krönung von Wilhelm I. zum deutschen Kaiser und Einigung des Reiches (1871)? Würde der Japaner damit nicht sein „Commitment“ und sein wirkliches Interesse an einer geschäftlichen Aktivität in Deutschland dokumentieren? Denn wer macht sich sonst schon die Mühe, sich mit solchen „Nebensächlichkeiten“ zu beschäftigen? Die Geschichte wirkt sich auch auf das Nationalbewusstsein seiner Bürger aus. Denkt man nur einmal an den „eingezogenen Kopf“ vieler Deutscher, die sich nach 70 Jahren für die Schrecken des zweiten Weltkriegs verantwortlich fühlen, oder wie es der französische Ministerpräsident Clemenceau schon 1919 sagte: „Die Deutschen kennen keine Mittellinie, sie sind maßlos. In guten Tagen verherrlichen sie ihre Ideale bis zur Selbstaufopferung, nach der Niederlage aber beschmutzen sie ihr eigenes Nest, nur um anderen zu gefallen.“ Letzteres gibt es in anderen Ländern nicht, denkt man an das Selbstbewusstsein der Franzosen für ihre „Grande Nation“ oder den puritanischen Geist, der die USA in weiten Teilen des Landes heute noch prägt. Bei der Mondlandung 1969 sollen sich übrigens zahlreiche US-Bürger bei US-Fernsehsendern beschwert haben, dass die US-Flagge nicht gut genug sichtbar war. So etwas wäre in Deutschland sicherlich nicht zu erwarten gewesen. Selbstverständlich sind die Bürger der USA für „buy American“-Kampagnen empfänglicher als Deutsche für eine „buy German“-Kampagane. Die Wurzeln des Wertesystems liegen ebenfalls jeweils in der Geschichte des Landes. Die Werte in Deutschland gehen zurück auf die Traditionen des Humanismus und auf die preußischen Werte. Sie gehen zurück auf die langen Traditionen des Sozialstaates, begonnen schon unter Bismarck, der nach dem 2. Weltkrieg noch weiter ausgebaut wurde. Des Weiteren ließ die prekäre geografische Lage inmitten Europas ohne natürliche Grenzen Deutschland immer wieder zu einem Schlachtfeld werden, wenn man nur einmal an den 30-jährigen Krieg denkt, der Deutschland schrecklich verwüstete. Auch die historische Erfahrung der Kleinstaaterei und der erst relativ späten Gründung des Nationalstaates, die Erfahrung zweier
1
Vgl. Gersemann/Methfessel/Schmidt.
3.2 Relevante Umfelder im Geschäftsleben
81
verlorener Weltkriege und die Besetzung haben Deutschland geprägt. Dies alles hatte seinen Einfluss auf die Entwicklung eines moderaten Kapitalismus, der in Deutschland vorherrscht.1 Wie das eigene, versteht man auch das andere Land besser, wenn man nach den Gründen sucht, warum etwas so ist. Diese findet man immer in der Historie eines Staates. Beschäftigt man sich mit der Geschichte des Landes, betrachtet nicht nur die Kaufkraft, sondern zeigt auch Aufgeschlossenheit und Interesse an den dort lebenden Menschen, zeugt das von einem wirklichen Interesse und dem Bestreben, etwas gemeinsam mit den Menschen dort zu erreichen. Das kann die Ziele eines Geschäftsaufbaus nur positiv beeinflussen.
3.2
Relevante Umfelder im Geschäftsleben
Die Historie eines Landes bildet das Übergeordnete, darunter finden sich dann die konkreten Umfelder, in denen sich ein Unternehmen bewegt. Für die meisten Unternehmen sind sie als feste Daten („uncontrollables“) vorgegeben, wie etwa welche Technologien in einer Gesellschaft durch gesetzliche Vorschriften gefördert oder blockiert werden oder durch eine bestimmte Verfügbarkeit und Verbreitung von technischen Neuerungen.2 Die Aufgabe der Umfeldanalyse besteht nun darin, Informationen über die aktuellen und potenziellen Veränderungen im Umfeld zu sammeln und den Rahmen für strategisches Handeln zu setzen. Durch die Gegenüberstellung mit den Leistungspotenzialen der Unternehmung können die unternehmensspezifischen Chancen und Risiken abgeschätzt werden. Im Folgenden soll auf die Umfelder eines Unternehmens im ausländischen Markt eingegangen werden, dabei stellt die Historie des Ziellandes den Rahmen, denn sie beeinflusst alle Bestandteile des Umfeldes im Auslandsmarkt:3
1 2 3
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 96 f. Vgl. Kohlert, 2013, S. 106. In Anlehnung an: Terpstra, S. 14.
82
3 Interkulturelles Management
Schulsystem:
Religion:
• Allgemeinbildung
• Glauben und Normen
Rechtssystem:
• Rolle der Naturwissenschaften
• Werte
• „Common Law“ versus „Code Law“
• Wert eines Hochschulabschlusses
• Feiertage
• Bedeutung der Rechtsanwälte
• Gebet • Rituale
Einstellung zu: • Zeit • Arbeit • Wohlstand
• Kartellgesetzgebung
• Veränderung
• Gesetzgebung
Umfelder
• Risikobereitschaft
Politik:
Kommunikation:
• Nationalismus
• Wirtschaftssprache
• Durchsetzung nationaler Interessen • Ideologien • politische Risiken
Abb. 3.1:
Historie des Landes
• Small Talk Technologie:
Soziale Beziehungen:
• non-verbal
• Transportsystem
• Rolle der Familie
• Gesprächspausen
• Energie
• autoritäre Strukturen
• Instinkt
• Kommunikation
• Interessengruppen
• Einstellung zu Innovationen
• soziale Mobilität • Statussymbole
Bestandteile der Umfelder eines Unternehmens im Auslandsmarkt
Das Rechtssystem ist entweder dem „Common Law“ angelehnt, d.h. Entscheidungen werden auf der Basis von vergangenen Fällen getroffen (Fallrecht), oder dem „Code Law“, d.h. es bestehen geschriebene Gesetzestexte, auf die man sich im Zweifel oder wenn keine Regelungen im Vertragstext erfolgt sind, zurückziehen kann. Oft ist das Unternehmen im Auslandsmarkt schon froh, wenn die Gesetzeslage nachvollziehbar und konstant ist. Das ist insbesondere in den „Emerging Markets“ nicht immer der Fall. Aber auch in anderen Märkten dürfte es ohne juristischen Beistand unmöglich sein, sich zurecht zu finden und die Unterschiede zu erkennen. So ist z.B. das den Deutschen vertraute „Treu und Glauben“ kein Rechtsprinzip in angelsächsischen Ländern. Ganz im Gegenteil, in den USA heißt es dazu: „The assumptions will kill you – never assume anything!“ Die „Belästigung des Unternehmers mit unbegründeten Klagen“ ist in den USA ein gesellschaftliches Korrektiv der unternehmerischen Freiheit. So muss man in Ländern mit dem „Common Law“ mit noch mehr rechtlichen Unwägbarkeiten leben, als das in Ländern mit „Code Law“ ohnehin schon der Fall ist. Durch die Nichtauslegbarkeit der Verträge ist die vertragliche Gestaltung so präzise wie möglich vorzunehmen. So wird man in den USA der Rechtsanwalt, in der Funktion eines geschäftlichen Beraters, an geschäftlichen Verhandlungen teilnehmen und auch ggf. in die Unternehmensplanung einbezogen, während das in Deutschland eher unüblich ist. Das Rechtssystem kann in manchen Ländern auch grundsätzlich ganz anders umgesetzt werden: So sind aus westlicher Sicht Verträge Dokumente, die die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien darlegen. Anders in China, dort ist der Vertrag weniger vollkommen und endgültig und stellt ein erstes Ergebnis zum Aufbau einer soliden Vertrauensbasis dar, die
3.2 Relevante Umfelder im Geschäftsleben
83
weiter zu entwickeln ist, aber auch wieder verändert werden kann.1 Mitunter stößt man auch auf Unerwartetes. So wurde das deutsche bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zuerst, nämlich 1898, in Japan eingeführt, freilich in japanischer Übersetzung. Die Technologie ist direkt damit verbunden, wie eine Gesellschaft ihre ökonomischen Aktivitäten organisiert. Es zeigt sich in der Verfügbarkeit der Infrastruktur wie Transportsystem, Energieversorgung, Kommunikationsnetz. Dies wirkt sich auf die Art der geforderten Marktangebote aus. Über die Technologie werden Länder auch wahrgenommen: Mit den USA verbindet man Spitzenleistungen im Bereich Computerindustrie, das Automobil und der Maschinenbau stehen für Deutschland. Die Politik hat ihren Schrecken vergangener Jahrzehnte verloren, Maßnahmen wie Konfiszierung, Enteignung und Verstaatlichung kommen kaum noch vor. Abgesehen von Dingen wie politischen Sanktionen, Gewalt, Bürgerkrieg sowie politischen Vergeltungsakten liegen die Risiken heute eher im wirtschaftspolitischen Bereich. Das Schulsystem spielt eine gewaltige Rolle darin, wie Kultur weiterverbreitet und die enthaltenen Werte von allen geteilt werden. Setzt ein Land seine Schwerpunkte in der technischen Ausbildung, kann man davon ausgehen, dass neue Technologien als etwas Positives betrachtet werden. Selbstverständlich beeinflusst dies auch die Gestaltung der weiteren Fortbildung, etwa an den Universitäten oder in der Industrie und hat einen Einfluss auf die Anforderungen der Personalentwicklungsprogramme im Unternehmen. Die verbale Kommunikation ist der Spiegel der Kultur. Dabei ist die Sprache mehrschichtig, nämlich welche Worte verwendet werden, wie diese Worte ausgesprochen werden und schließlich durch die Gestik interpretiert werden müssen. Oftmals erweist sich das Verstehen aller drei Komponenten als sehr schwierig und erfordert viel Erfahrung. Es zeigt sich auch, dass innerhalb einer Sprache Dinge anders verstanden werden können. Das amerikanische Wort „tabling a proposal“ bedeutet, dass die Gesprächspartner aus den USA eine Entscheidung herauszögern wollen, während der Brite versteht, dass sofort gehandelt werden muss! Das zeigt, dass Kommunikation mit Kultur zu tun hat, denn das „technische“ Verständnis der Sprache gewährleistet noch nicht, dass die Kommunikation effizient erfolgt. Eine erfolgreiche Kommunikation, etwa bei Verhandlungen, erfordert Einsichten in die eigene und die fremde Kultur, um das Gegenüber wirklich zu verstehen. Dazu kommen unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Kommunikation etwa bei Präsentationen. Robert Eaton, der ehemalige CEO von Chrysler sagte dazu einmal „The Germans have a penchant for coming to all meetings armed with tons of overhead transparencies and colored charts. It’s an absolute information overkill!” Dieses Beispiel zeigt, dass die größte Barriere für den Erfolg nicht die Sprache, sondern die Kultur darstellt, innerhalb derer die Sprache interpretiert wird. Auch die Sprachenhierarchie mag eine Rolle spielen. So können Geschäftssprache und Alltagssprache in einem Land durchaus auseinander fallen. Diese kann gegebenenfalls auch einer sozialen Schicht zugeordnet werden. Mit der non-verbalen Kommunikation müssen Manager vertraut werden, wenn sie den anderen wirklich verstehen wollen. Aus ihr lässt sich im Gespräch sehr oft herausfiltern, worum es im Gespräch wirklich geht bzw. was wirklich gesagt wird, die so genannte „hid1
Vgl. Glagow/Eckstein, S. 230.
84
3 Interkulturelles Management
den agenda“. Sie ist aber auch die Quelle vieler Missverständnisse. Wenn z.B. ein Amerikaner nach dem erfolgreichen Abschluss eines Geschäfts mit seiner Hand das „okay“-Zeichen macht, meint man in den USA, dass es der positive Abschluss Erfolg versprechender Verhandlungen war. In Südfrankreich sagt es aus, dass sie wertlos waren, während man gerade in Japan nach einer kleinen finanziellen Zuwendung fragt und den Brasilianer zutiefst beleidigt hat! Forschungen lehren uns, dass die Kommunikation in der Hauptsache nicht verbal erfolgt, sondern zu 80 % bis 90 % die Informationen über die non-verbale Kommunikation transportiert werden. Die sozialen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft beeinflussen die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen. Sie definieren auch den Umgang zwischen den sozialen Schichten innerhalb einer Gesellschaft und die soziale Mobilität, also inwiefern es für Einzelne möglich ist, durch eigene Leistung in eine höhere Schicht aufzusteigen. Wichtig ist daher in einer Kultur immer, die ideale Referenzgruppe für das eigene Marktangebot zu erfassen und kennen zu lernen. Diese idealen Kunden bereiten die Werte und Einstellungen zu dem jeweiligen Marktangebot auf und gelten als Vorbild für andere. Damit beeinflussen sie das Kaufverhalten von potenziellen Kunden. Soziale Beziehungen sind jedoch nicht zwangsläufig nur als instrumentell zu betrachten. So ist die chinesische Gesellschaft auch heute noch stark durch die Philosophie des Konfuzianismus gekennzeichnet. Die Harmonie innerhalb einer Gesellschaft ist dabei der Kerngedanke und findet seinen „Ausdruck in der Festlegung strenger Hierarchien, die die Interaktionen zwischen Individuen vorhersehbar machen und die Stabilität der Gesellschaft gewährleisten sollen.“1 Durch sie sind die Position und die Rollen in einer Gesellschaft eindeutig festgelegt. Der ethnologische Gottesbeweis geht nach Thomas von Aquin von der Tatsache aus, dass es, wie er meinte, kein Volk auf der Welt ohne Verehrung einer Gottheit gibt. Damit erklären die meisten Kulturen durch Gott das Geschehen in der Natur und der Welt. Sie unterscheiden sich dadurch, inwieweit sie durch den Prozess der Säkularisierung (Verweltlichung) Gott und Religion immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben und zur Erklärung der Welt verbannt haben. Jedes Land hat dabei seine eigenen religiösen Profile. In den USA hat die Religion eine hohe Bedeutung. Die USA betrachten sich als christliche Nation, als „one nation, under God“. Auf ihren Centmünzen erinnert der Aufdruck „In God we trust“ an die Beweggründe vieler in Europa aus religiösen Gründen Verfolgter, sich in dem neuen Land niederzulassen. Es muss sich auch auf das Denken und Verhalten der Amerikaner und ihre Verhaltensweisen im Geschäftsleben auswirken. In einem Artikel wird das prägnant zusammengefasst: „So propagieren die protestantischen Kirchen, die in Amerika seit langem den Ton angeben, eine puritanisch-calvinistische Ethik harter Arbeit, die mit wirtschaftlichem Aufstieg belohnt wird. Die calvinistische Lehre von der innerweltlichen Askese mit ihrer negativen Einstellung gegenüber Konsum, Luxus und Vergnügen und der göttlichen Erwählung durch rastlose Arbeit hat die Basis gelegt für den amerikanischen Wohlstand.“2 Die Religion beeinflusst auch die verwendeten Ausdrücke in Gesprächen, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen,
1 2
Glagow/Eckstein, S. 228. Gersemann/Methfessel/Schmidt, S. 21.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
85
die ihren Ursprung alle in der Bibel haben und immer wieder in vielen Lebenssituationen ihre Anwendung finden:1
„No man can serve two Masters“ spielt darauf an, dass sich eine Person entscheiden muss und nicht auf allen Hochzeiten tanzen kann. „Don’t let the sun go down upon your wrath“ erinnert an die Notwendigkeit, auch in Zeiten von Ärger und Anspannung positiv in die Zukunft zu gehen. „I have set my face like flint“ meint, Fokussierung auf ein Ziel, um es auch zu erreichen. „Pleasant words are as honeycomb, sweet to the soul, and health to the bones” als Appell, mit Menschen, ob Kunden oder Lieferanten, höflich umzugehen, da man mit freundlichen Worten mehr erreicht als im Ärger. „And the rain decended (…), and beat upon the that house; and it fell not, for it was founded upon a rock“ ist ein Plädoyer dafür, dass ein Unternehmen auf sicheren Grundlagen stehen soll. „Faithful are the wounds of a friend, but the kisses if an enemy are deceitful“ appelliert an die Fähigkeit, gut gemeinte Ratschläge von Freunden annehmen zu können. „Have no fellowship with the unfruitful works of darkness“ warnt vor geschäftlichen Partnerschaften mit Menschen, die sich nicht an die Gesetze des Landes halten. Zwar widerspricht das dem Bild von Amerikanern als konsumfreudigen und neuer Technik aufgeschlossenen Menschen, das man üblicherweise hat. Nach Konsistenz darf man in einer meist heterogenen Gesellschaft, wie z.B. der der USA, aber auch in anderen Gesellschaften, nicht suchen. Jedenfalls hat diese Lehre in den USA zur Konsequenz, dass Themenstellungen wie eine 35-Stunden-Woche erst gar nicht aufkommen, jemand der vier Wochen oder gar mehr Urlaub benötigt, eher reif für die Kur als für das Berufsleben ist.
3.3
Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
3.3.1
Werte als zentraler Bestandteil der Gesellschaft
Alles im Geschäftsleben, insbesondere im internationalen Umfeld, ist kulturell konditioniert. Marktangebote, Service, Führungsstil, Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sowie zwischen Männern und Frauen im Unternehmen, Beziehungen zu Lieferanten, Kunden und zu Wettbewerbern, sind alle kulturell erlernt. Kultur wird oft mit einem Wertesystem gleichgesetzt. Werte sind die Standards, durch die Menschen „gut“ und „schlecht“ definieren.
1
Entnommen aus: The Holy Bible, King James Version.
86
3 Interkulturelles Management
Unter Werten versteht man „grundlegende Einstellungen, Urteile und Überzeugungen an welchen sich Menschen bei ihrem Verhalten orientieren und aufgrund derer sie Zustände und Ereignisse beurteilen.“1 Nach Wiswede bilden Werte „den Bezugsrahmen für die soziale Organisation der Kultur.“2 Werte sind damit auch emotional besetzte Prioritäten, die die Menschen an das erinnern, was ihnen wert und wichtig ist, wie sie es von den Eltern gelehrt bekommen haben. Indem man ihre Werte offenlegt, lernt man viel über die Menschen. Ihre Werte unterlegen Präferenzen, leiten sie bei der Entscheidungsfindung und sind ein Indikator dafür, was sie in ihrem Leben als wichtig erachten.3 Dadurch, dass Werte internalisiert und mit Prioritäten versehen werden, ergibt sich ein Wertekonzept. Ein Wertesystem bildet sich aus der Summe aller internalisierten Werte, die untereinander in Interdependenz stehen.4 Es entwickelt sich aus den Werten der einzelnen Mitarbeiter, diese bilden aggregiert das Wertesystem. Ein Wertesystem besteht damit aus unterschiedlichen Ebenen, die aufeinander aufbauen:5 Wertesystem erklärend
beschreibend
Ursachen des Verhaltens
beobachtbares Verhalten
Ergebnisse des Verhaltens
mentale Kultur
soziale Kultur
materielle Kultur
• Werte • Normen • Einstellungen
• Sitten • Sozialstruktur • Rituale
Abb. 3.2:
• Architektur • Kleidung • Wortwahl
Wertesystem als Summe verschiedener Werteebenen
Die Beschäftigung mit der Kultur verführt dazu, universale Werte zu suchen, die in jeder Kultur vorhanden sind. Dies fällt sehr schwer, dennoch können verschiedene Faktoren dargestellt werden, auf die bei der Einschätzung einer Kultur geachtet werden sollte.
1 2 3 4 5
Hauser, S. 31. Wiswede, S. 182. Vgl. Henslin, S. 40. Vgl. Hauser, S. 31. Vgl. Müller/Gelbrich, S. 69.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
87
Im Folgenden sollen die relevanten Werte dargestellt werden, die in der Gesellschaft eine besondere Relevanz haben: Helden Gleichheit
Vermögen
Zeitorientierung
Ästhetik
Individualismus relevante Werte in der Gesellschaft Abb. 3.3:
Relevante Werte in der Gesellschaft
Werte werden dadurch, wen die Gesellschaft als „Helden“ bezeichnet, erlebbar gemacht. Helden gelten nicht selten als Vorbilder für eine ganze Generation. Doch wer wird als Held definiert? Aus dem Umfeld der Helden entstehen dann auch die Quellen des Stolzes eines Landes. Amerikaner haben Unternehmensführer als Helden, ebenso wie Größen in Sport und Musik, aber auch aus dem Militär. Aus dem Sport resultieren viele Ausdrücke, die mittlerweile auch im Geschäftsleben gebräuchlich sind und Analogien zum Sport herstellen. Bei den Deutschen kommen Helden eher aus dem Sport, die Russen verehren ihre Dichter und Komponisten. Interessant ist hier, aus welchen „Branchen“ die Helden eines Landes kommen, die durch ihre Vorbildfunktion einen gewissen Einfluss bis zur Auswahl der Ausbildung nehmen können: Kommen sie aus dem Sport, oder sind es Unternehmen, die durch Innovationen Großes erreicht haben? In den USA ist der Held meistens ein Amerikaner, fast nie ein Team, sondern eine Person, selten ein Europäer, fast nie ein Asiate.1 Wie die Definition von Leistung ist die Definition von Vermögen kulturell gebunden. Deutsche wie Amerikaner sind materialistisch eingestellt, aber Deutsche tragen es gewöhnlicherweise nicht zur Schau. Amerikaner lieben es, über materielle Dinge zu reden. In Deutschland und Japan gilt dagegen der englische Grundsatz: „You have it – but you don’t talk about it!“ Für Deutsche ist Vermögen nicht ein Wert für sich. US-Amerikaner suchen mehr die Gelegenheiten nach einer Vermehrung des Vermögens und sind stolz darauf, wenn sie es erreicht haben. Für viele Deutsche ist es auch wichtig, wie jemand zu Vermögen kam und nicht nur, wie in den USA, dass er es besitzt. Dabei ist es für Amerikaner auch unumgänglich, besser als andere dazustehen, auch als die Nachbarn, mit denen man sich direkt vergleichen kann. Die Redewendung „keeping up with the Johnsons“ beschreibt dabei sehr trefflich den Wett1
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 102.
88
3 Interkulturelles Management
bewerb zwischen den Familien um den „visible success“. Ein US-Amerikaner kauft einen Porsche, um seinen Mitmenschen zu zeigen, dass er es im Leben zu etwas gebracht hat. Vermögen hat hier einen anderen Stellenwert, im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen die Leistungsträger mit Neid kämpfen müssen.1 Der Gedanke der Gleichheit spielt in manchen Kulturen eine große Rolle. Nach amerikanischem Selbstverständnis sind die USA ein Land, in dem alle Menschen gleich sind, d.h. unabhängig von Geschlecht, Religion und Hautfarbe die gleichen Rechte und Pflichten untereinander und gegenüber dem Land haben. In Frankreich werden die so genannten Intellektuellen geachtet, in Japan ist man sehr offen für Exzentriker, d.h. Menschen mit stark abweichenden Gedanken. Nicht so in den USA; in den USA hat man das Recht, „so zu sein, wie alle anderen auch“. Diese Uniformität zeigt sich in allen Bereichen: Welche Kleidung man trägt, den geregelten Ablauf am Sonntag, angefangen mit dem Kirchgang, die Wahl der Worte im Gespräch. Wenn jemand in einer egalitären Gesellschaft lebt und gewohnt ist, in ihr zu handeln, hat er ein Problem, in anderen Kulturen etwa bei Verhandlungen herauszufinden „who is who?“ Amerikaner haben oft diese Schwierigkeit, zu erkennen, wer im Unternehmen welchen Einfluss auf eine bestimmte Entscheidung hat. Daher spielt die Visitenkarte eine große Rolle. Dort steht in der Regel zunächst einmal der korrekte Name, den man immer einfacher aussprechen kann, wenn man ihn vor sich liegen hat, und der Titel im Unternehmen.2 In den USA sind viele deutsche Unternehmen von der Autorität eines amerikanischen „General Manager“ beeindruckt. Das ist in Russland ähnlich. Früher ging es in Russland sogar soweit, dass die Sekretärin gefragt wurde, ob es ratsam wäre heute oder doch lieber erst morgen mit ihm zu sprechen. Auch heute vertreten russische Mitarbeiter noch die Meinung, dass man über gute Führungskompetenz verfügt, wenn man die Arbeit gut weiter delegieren kann, konkrete Anweisungen gibt und seine Mitarbeiter streng führt.3 Seit jeher ist die russische Gesellschaft hierarchisch gegliedert, das wird sich trotz anderer Vorzeichen auch heute nicht so schnell ändern. Somit stellen sich die Arbeitsbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in diesem kulturellen Umfeld wie folgt dar:4
1 2 3 4
Die hierarchischen Strukturen in russischen Unternehmen sind in erster Linie vertikal organisiert. Es gibt wenig Kommunikation zwischen den Bereichen. Berufliche Beziehungen zwischen den Arbeitskollegen beruhen auf Zusammenarbeit. Das Konkurrenzdenken ist bislang wenig ausgeprägt. Mobbing ist in Russland praktisch unbekannt. Formale persönliche Kritik von Vorgesetzen gegenüber seinen Mitarbeitern ist sehr direkt und für Westeuropäer sogar verletzend. Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sind ansonsten eher distanziert.
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 118 f. Vgl. hierzu bei weiterem Interesse die Ausführungen bei Kohlert/Delany/Regier, S. 105 ff, in denen Vergleiche zwischen den USA, Deutschland und Frankreich gezogen werden. Vgl. Yoosefi/Thomas, S. 27. Vgl. Baumgart/Jänecke, S. 222 f; vgl. Bundesagentur für Außenhandelsinformationen, S. 10.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
89
Das hierarchische Denken ist als Überbleibsel sowjetischer Zeiten in Russland noch stark ausgeprägt. Früher waren alle Betriebe hierarchisch und zentralistisch ausgeprägt, was auch heute noch oft der Fall ist. Es besteht noch immer die Hoffnung, dass eine „starke Hand“ regieren wird. Diese Denkweise lässt sich ebenso auf Organisationen übertragen. Somit hat der Generaldirektor im Unternehmen immer die absolute Entscheidungsbefugnis. Der Mitarbeiter wird zwar nach seiner Meinung gefragt, trifft aber selbst keine Entscheidung und übernimmt somit auch keine Verantwortung. Was der Generaldirektor beschließt, ist immer richtig und es wird auch nie in Frage gestellt. Kritik folgt immer nur von oben nach unten.1 Unter Individualismus versteht man in den USA, dass jeder Mensch seinen eigenen Platz in der US-amerikanischen Gesellschaft hat. Die Leute besitzen die Fähigkeit zu träumen, nämlich ihren individuellen „American dream“ zu erreichen; dies ist die Aufgabe eines jeden Einzelnen. Der wirtschaftliche Erfolg liegt nur bei dem Einzelnen, er ist nicht abhängig von den Rahmenbedingungen in der Gesellschaft oder Ähnlichem. Dies führt im „business“ zu der Konsequenz, dass man viele desillusionierte Leute trifft, die es eben „nicht geschafft haben“, die ihren Job machen und versuchen, so viel Geld wie möglich herauszuholen, weil sie keinerlei Perspektive haben. In Japan dagegen profiliert sich eine Führungskraft nicht nur durch Leistung, sondern vor allem durch das gute Klima, das sie in der Gruppe schafft. Gewohnt auf engstem Raum zu leben, jeder ist auf den anderen angewiesen, zählt das konfliktfreie Miteinander.2 In diesem Zusammenhang soll auch auf drei Begrifflichkeiten zum Thema Abhängigkeit hingewiesen werden, das die kulturellen Unterschiede gut darstellt:
„Dependence“ bedeutet, voneinander abhängig zu sein. Dies ist z.B. in Japan der Fall, wo man eine starke Abhängigkeit zwischen den Personen im Unternehmen und in der Gesellschaft unterstellt. Bei den US-Amerikanern besteht eine Abhängigkeit von Maschinen oder Technologie, nicht aber von Menschen. Letzteres würde man dort als Schwäche verstehen. „Interdependence“ heißt eine gewisse wechselseitige Abhängigkeit. Dies ist z.B. in Deutschland der Fall, etwa im Generationenvertrag der Rentenversicherung. „Independence“ bedeutet die völlige Unabhängigkeit, nur eine Verpflichtung gegenüber sich selbst. So sieht sich der Amerikaner. Abhängig zu sein betrachtet er als einen Mangel, von dem sich die Leute früher oder später zu lösen versuchen. Dass sie es noch nicht erreicht haben, liegt daran, dass sie eben noch zu schwach sind, um unabhängig zu werden. Kulturen unterscheiden sich in ihrer Zeitorientierung, der Betonung bzw. Gewichtung der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Verschiedene Kulturen haben jeweils ein anderes Verhältnis dazu. In Frankreich wird Zeit eher als eine Momentaufnahme betrachtet und nicht als eine Ressource die gemanagt werden muss, wie es die Amerikaner begreifen. Die Japaner scheinen es dagegen zu lieben, die Frustration ihrer westlichen Gesprächspartner zu erkennen, wenn diese wieder einmal die Zeitvergeudung brandmarken. Nach Konzessionen bei einer Vereinbarung wird am liebsten dann gefragt, wenn die westlichen „Partner“ gerade die Zeiten für ihren Rückflug bestätigt bekommen haben. US-Unternehmen sollten 1 2
Vgl. Kohlert/PwC, S. 88. Vgl. o.V., S. 322.
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3 Interkulturelles Management
mit Referenzen über die Vergangenheit verschont werden. Die Leistungsfähigkeit muss fortlaufend neu bewiesen werden. Während in Deutschland Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichberechtigt erscheinen, fokussiert man sich in den USA sehr stark auf die Zukunft. In praxi hat dies zur Folge, dass sich z.B. in den USA Präsentationen sehr stark damit beschäftigen, wie die Zukunft gestaltet werden kann, die Gegenwart oder gar die Vergangenheit dagegen nur am Rande beachtet werden. Deutsche sind berüchtigt dafür, bei Präsentationen zunächst einmal bei „Adam und Eva“ zu beginnen, bevor sie nach langen oft ermüdenden Ausführungen zum eigentlichen Punkt kommen. In anderen Ländern kann man auch Entscheidungen, die die Zukunft beeinflussen, treffen, ohne vollständige Kenntnis der Vergangenheit zu haben. Marktangebote, die den gleichen Zweck erfüllen, wie z.B. Autos, sehen in dem einen Land etwas anders aus als in dem anderen. Die bevorzugten Farben, Marketingstrategien, Werbespots, das alles ist kulturell konditioniert. Jede Kultur hat eine eigene Vorstellung über die Ästhetik, d.h. wie sie „einen guten Geschmack“ definiert. Dies drückt sich in der Kunst, in verschiedenen Farben, in den Formen und in der Musik aus. Die Unterschiede kommen etwa zum Tragen, wenn das Unternehmen Werbemaßnahmen, z.B. Anzeigen oder TV-Spots, schaltet. Werte determinieren auch die Etikette, die in einem Land üblich ist. Ist man damit nicht vertraut, wirkt man schnell unvorbereitet und nicht ernsthaft an einem Geschäft interessiert.1 Dazu gehören z.B. Dinge wie Kleidung zu welchem Anlass, Inhalte beim „Small Talk“, die einen schließen persönliche Dinge aus, die anderen ein! In fast allen Kulturen gehört die gemeinsame Essensaufnahme, genannt „Arbeitsessen“, zu den wichtigsten Faktoren, um persönliche Nähe zu entwickeln. In manchen Ländern, wie Russland, werden viele Geschäfte in der Sauna angebahnt, in den USA auf dem Golfplatz. Beim Essen ist in manchen Kreisen in den USA Alkohol verpönt, in Russland der Wodka vor, während und nach dem Essen fast eine Voraussetzung dafür, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen.2 Hier erfolgt eine kurze Auflistung von Formalitäten, auf die man in einem anderen Land achten sollte:3
1 2 3
Wie erfolgt die Begrüßung und die Anrede? Welche Rolle spielen hierbei die Visitenkarten? Welche Formalität wird erwartet und wie drückt sich dies im Kleidungsstil aus? Inwieweit werden Gastgeschenke ausgetauscht und welche gelten als annehmbar? Gibt es Gastgeschenke, die Tabuzonen verletzen oder den Gesprächspartner in eine ungewollte Verlegenheit bringen? Welcher Körperkontakt wird bei der Begrüßung erwartet? Ist direkter Augenkontakt höflich oder unhöflich, oder wird das Nichteinhalten eines Augenkontakts gar als ein Merkmal für Unehrlichkeit angesehen? Werden Gefühle gezeigt und falls das bejaht wird, in welchem Umfang?
Vgl. Kohlert, 1995, S. 36 f. Das gilt vor allem außerhalb von Moskau und St. Petersburg, wengleich ein guter Wein Wodka abzulösen droht. Gänzlich ohne Alkohol würde man als ungewöhnlich erachten. Vgl. Sebenius, S. 8.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
91
Wie wird mit Ruhepausen („Alles ist stumm“) bei Besprechungen umgegangen? Auch hier besteht die gesamte Palette an Möglichkeiten von unangenehm bis erwartet. Wie ist das Ritual des Essens? Werden bestimmte Getränke etc. erwartet bzw. nicht serviert? Gibt es etwas, was man bei der non-verbalen Kommunikation unbedingt beachten sollte, weil etwa bestimmte Gestiken als sehr unhöflich gelten. Inwieweit ist Pünktlichkeit ein Wert für sich? Wie stark sind die Geschäftsleute üblicherweise eingeplant, etwa alle halbe Stunde ein neuer Termin oder sind sie flexibler? Gibt es Zahlen, die vermieden werden sollen, da sie in der Kultur Unglück bringen? Die Zahl „7“ symbolisiert in Kenia Unglück, dieselbe Zahl stellt in der Tschechischen Republik dagegen eine Glückszahl dar. Die Zahl „10“ bedeutet in Korea Unglück, während die Zahl „4“ in Japan für den Tod steht. Welche Farben sollten vermieden werden, da sie für bestimmte Aussagen in der Kultur belegt sind? So steht etwa in vielen afrikanischen Ländern die Farbe „rot“ für den Medizinmann.1 Gibt es Formen, die gegen die guten Sitten verstoßen? Das Dreieck wird z.B. in Hong Kong, Korea und Taiwan als ein negatives Zeichen verstanden.
3.3.2
Relevante Werte im Geschäftsleben
Im Folgenden werden die Werte dargestellt, die im Geschäftsleben eine besondere Relevanz haben: Information und Kommunikation Veränderungen Entscheidungsfindung
Loyalität Risikobereitschaft
Qualität
Leistung relevante Werte im Geschäftsleben Abb. 3.4:
1
Relevante Werte im Geschäftsleben
Vgl. zur Farbe als kulturspezifisch interpretiertes Verpackungsmerkmal die Ausführungen in Müller/Gelbrich, S. 614 ff.
92
3 Interkulturelles Management
Die Definition von Leistung ist kulturell bestimmt. Die Leistungsbereitschaft ist in vielen Ländern sehr hoch. Was sie voneinander unterscheidet, ist die Rolle der Belohnung für eine Leistung, nämlich des Geldes. In den USA ist Geld ein Wert an sich und zwar nicht nur zum persönlichen Nutzen, sondern auch ein offenes Zeichen der Leistungsfähigkeit und der Macht („the business of America is business“). Gewinn ist für sie nichts „Unanständiges“, sondern der „Sauerstoff des Unternehmens“ und Wettbewerb um erzielbare Gewinne ist nur natürlich! So können Mitarbeiter nicht nur wegen schlechten Leistungen gekündigt werden, sondern auch wegen fehlenden Potenzials, denn sie sind bei fehlendem Potenzial nicht in der Lage, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens weiterzubringen. Zudem können nichtfinanzielle Zeichen eine bestimmte Rolle spielen. Auch in Deutschland ist die Rolle des Geldes nicht unwichtig, hat aber eine ähnlich große Rolle wie Prestige, Anerkennung. Die Belohnung der Leistung zeigt sich am besten in der Analyse von Karrieren: Gilt das Senioritätsprinzip oder kann der Einzelne durch individuelle Leistungen seine Karriere beschleunigen? Die Entscheidungsfindung kann sehr hierarchisch vollzogen werden. Die Unternehmensleitung trifft Entscheidungen und geht davon aus, dass die unteren Ebenen diese sofort ausführen. Japaner verfahren hier nach dem so genannten „Ringi“-System, d.h. ein Vorgehen durch Konsultation, bei dem jeder Betroffene in eine Entscheidung eingebunden werden muss. Sie dürfen alle mitreden, und zwar so lange, bis ein Konsens gefunden ist. Das wirkt sich natürlich später auf die Umsetzung von Veränderungen sehr positiv aus, weil kaum „Bremser“ bei der Umsetzung hervortreten. Auch russische Mitarbeiter bevorzugen traditionell den kollektiven Weg der Entscheidungsfindung. Ein russischer Partner trifft deshalb so gut wie nie eine sofortige Entscheidung, ohne sich vorher mit einem Stab von Kollegen beraten zu haben. Der Vorteil besteht darin, dass sich mehr oder weniger an einen Beschluss gehalten wird. Daher sollte man nicht auf eine offene Entscheidungsfindung in formellen Meetings hoffen, die protokollarisch festgehalten wird und zur Umsetzung mit einem Zeitplan versehen wird. Generell wird auf die Meinung von Menschen gehört, denen man vertraut.1 Verschiedene Kulturen gehen mit Veränderungen unterschiedlich um. Die Einstellung zu Veränderungen hat etwas damit zu tun, inwieweit Kulturen sich den neuen Herausforderungen anpassen können und wollen. Grundsätzlich ist in den USA Veränderung sehr positiv belegt und gleichbedeutend mit Fortschritt. Veränderungen herbeizuführen kann in Ländern sehr schwierig sein, die mit Veränderung negative Assoziationen verbinden. Deutsche trachten nach Stabilität, aber sie unterstützen eine persönliche oder organisatorische Entwicklung. Damit muss jeder Wandel in Deutschland sehr sorgfältig geplant und kommuniziert werden. Dies ist in den USA ganz anders. Kurswechsel in Unternehmen erfolgen schnell und oft. Fehler sind dabei möglich und werden toleriert. Auch die Franzosen stehen Veränderungen sehr zögerlich gegenüber, aber im Gegensatz zu den Deutschen lieben sie die Revolution. Loyalität zum Unternehmen ist nicht überall gegeben. Für den Amerikaner dürfte es ein Fremdwort sein. Allerdings gelten Klatsch und Tratsch als illoyal und meist als Zeitverschwendung, denn sie schädigen das Team. Das Unternehmen handelt nicht loyal, der Mitarbeiter ist nicht loyal zum Unternehmen, sondern nur zu sich selbst. Das kann zur Folge ha1
Vgl. Baumgart/Jänecke, S. 219.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
93
ben, dass ein Arbeitsverhältnis ohne erkennbare Vorwarnungen aufgelöst wird, wenn er eine bessere Chance für sich selbst sieht. Damit verbunden ist auch die Frage des Gebrauchswerts persönlicher Beziehungen. Persönliche Beziehungen, die die Basis Vertrauen haben, mögen in Russland wichtig sein, auch noch in Deutschland, in den USA haben sie nicht die Bedeutung. Der Nutzwert einer sozialen Beziehung kann sich schnell ändern, so dass langjährige persönliche Beziehungen plötzlich einschlafen, um dann nach Jahren wieder reaktiviert zu werden. Das sieht in Russland völlig anders aus. Die menschliche Komponente im Geschäftsverkehr ist besonders wichtig, ebenso wie der persönliche Eindruck. Emotionen und Gefühle spielen in Geschäftsbeziehungen eine größere Rolle und werden stärker eingebracht als in Westeuropa oder gar den USA. Geschäftliche Beziehungen beruhen auf einer Vertrauensbasis. Daher ist es oft sehr schwierig, eine einmal gestörte Beziehung wieder auf eine rein geschäftsmäßige, emotionsfreie Basis zurückzuführen.1 Der persönliche Kontakt wird in Russland einem weitaus anonymeren Telefon, Fax oder E-Mail vorgezogen. Öffnet ein russischer Partner Türen zu Behörden, Institutionen oder Unternehmen, sollte man dem eine große Bedeutung beimessen. Es beweist großes Vertrauen; dieses sollte man nicht verletzen, da es ein persönlicher Gesichtsverlust für den russischen Partner wäre. Jedenfalls kostet es sehr viel Zeit und Geduld, um Kontakte zu russischen Partnern herzustellen und diese auch zu halten.2 Kommunikation ist Höchstleistung, denn in der Regel geht es um die Verfügung oder Erreichung bestimmter Ziele. Es kommt daher auf die richtige Dosierung der Informationen an, da viele Leute ein Problem damit haben, die richtigen Informationen aufzunehmen. Dies liegt in hohem Maße an dem „information overload“, dem viele ausgesetzt sind und dann ihre Mühe haben, die eigentlich wichtigen Informationen herauszufiltern.
1 2
Vgl. Baumgart/Jänecke, S. 126. Vgl. ebenda, S. 127.
94
3 Interkulturelles Management
Vorbereitung auf Gespräche
Eigenschaften guter Informationen
wichtige Dinge mündlich/ persönlich besprechen
Kommunikation ist Höchstleistung, denn man will dabei etwas erreichen: Kommunikation ist zielgerichtet. • Wer nimmt alles teil? Welche Positionen haben die Personen? Welche Interessen vertreten sie? • Selbstvertrauen „tanken“ ist sehr wichtig! • • • •
relevant für die Aufgabenstellung in verständlicher Form übermittelt notwendig, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen gut getimt, d.h. zum richtigen Zeitpunkt
• Das verhindert ein „Nein“!
Geschriebenes ist wie eine „steinerne Mauer“
• Nur schriftlich, wenn reine Informationen und damit persönlicher Kontakt überflüssig, z.B. bei Referenzmaterial • Aber: Mitschreiben als Möglichkeit, seine Gedanken zu strukturieren und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen
Erkennen der „power line“ und der Netzwerke
• Ist die Kommunikation instrumentell oder affektiv? • Informationen folgen immer der „power line“ • Hierarchie: Wer hat die Macht? Dies kann sich über die Zeit schnell ändern! • Medium der Kommunikation: Nicht nur was, sondern über welches Medium wurde was gesagt? • Wichtigkeit der Netzwerke, z.B. „old boys network” in Großbritannien
Abb. 3.5:
Gute Vorbereitung bei zielgerichteter Kommunikation im interkulturellen Kontext
Beim Sprechen ist das Folgende im interkulturellen Kontext zu beachten:
Langsam sprechen um Missverständnisse zu vermeiden. Kurze Sätze, für jedes Argument ein separater Satz, erleichtern die Aufnahme der Information. Analogien und bildliche Sprache sollten mit einer gewissen Vorsicht verwendet werden. So kommen etwa im „American English“ viele Analogien aus Sportarten wie „baseball“ und „American football“. Da den Deutschen die Sportarten nicht geläufig sind, verstehen sie die Analogien auch nicht. Umgekehrt gibt es das sicherlich auch in Deutschland und ist nur im Kontext Deutschland für andere verständlich. Es muss beachtet werden, dass Witze sehr schnell das Empfinden des Gegenübers beeinflussen können: „Jokes don’t travel well!“ Es sollten klare Worte gewählt werden, auch kritische Punkte sollten klar angesprochen werden, das verhindert Enttäuschungen aufgrund unerfüllter bzw. unerfüllbarer Erwartungen. Die meisten Menschen erwarten auf klare Fragen auch direkte Antworten.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
95
Sollte etwas nicht verstanden worden sein, ist sofortiges Nachfragen zu empfehlen, z.B. mit „Are you saying that …?”, „Let me summarize …”. Es empfiehlt sich die manchen Kulturen, wie in den USA, keine Problembeschreibung ohne mögliche Lösungsmöglichkeit darzustellen. Ewige Problematisierer sind nicht beliebt. Oftmals spielt es nicht unbedingt eine große Rolle, wie etwas kommuniziert wird, sondern durch was eine Botschaft kommuniziert wird, d.h. durch welches Kommunikationsmedium. Es ist hilfreich, sich vor allem im interkulturellen Kontext auch deutlich zu machen, welche Medien angebracht sind: So mag es in einem US-amerikanischen Unternehmen durchaus nichts Ungewöhnliches sein, eine Gehaltserhöhung per Fax zu bekommen. Arbeitet dieser Mitarbeiter allerdings für die Auslandsgesellschaft in Japan und nimmt dort die Sekretärin diese Botschaft in Empfang, dürften die Auswirkungen anders sein. Dazu könnte die folgende Aufstellung hilfreich sein:
Projekt A
persönVideoliches Telefon KonfeMeeting renz
Brief
E-Mail
Fax
Planungsfragen Follow-up technische Probleme Veränderungen in Unternehmenspolitik Veränderungen Verzögerungen Konferenz mit Agenda Protokolle Präsentation der Ergebnisse vertrauensbildende Maßnahmen Abb. 3.6:
Wahl des Kommunikationsmediums
Dabei dürfte es nicht so bedeutend sein, sich hier strikt an die Vorgaben zu halten, wenn man nur berücksichtigt, dass immer dann, wenn es um die Kommunikation von organisatorischen Veränderungen, die die Mitarbeiter in der Regel direkt betreffen und immer wenn es um vertrauensbildende Maßnahmen, z.B. bei neuen Kunden geht, nichts ein persönliches Gespräch ersetzt. Zur Kommunikation gehören auch Gesprächspausen. Nicht nur US-Amerikaner deuten eine Pause im Gespräch als Zweifel über die Güte des Angebots und sehen sich veranlasst, weitere Argumente oder gar Konzessionen zum Preis nachzuschieben. Dabei ist das einfach nur ein Teil dessen, wie etwa Japaner kommunizieren: Weniger Augenkontakt, weniger negative Gestik und mehr Pausen im Gespräch. Deutlich wird dies auch durch die unterschiedlichen Aspekte beim „talk“: Der USAmerikaner pflegt den „tough talk“, der Franzose den „brilliant talk“, der Deutsche den
96
3 Interkulturelles Management
„strong talk“ und der Japaner den „non talk“.1 Dazu gehört auch die Frage, wie es die Menschen gewohnt sind, sich auszudrücken. Werden die Dinge beim Namen genannt oder höflich umschrieben? Wird aus einem „Blinden“ jemand mit „Sehproblemen“ und aus einem „Verrückten“ jemand, der „mentally challenged“ ist? Wie hier am Beispiel USA werden die Dinge oft nicht beim Namen genannt, sondern umschrieben. In manchen Ländern Europas wird die „Selbstkritik“ praktiziert, in den USA wäre diese Person vermutlich eher ein Fall für die Psychiatrie. Unter dem schönen Begriff „Small Talk“, der auch in Deutschland sehr verbreitet ist, verbindet man sehr oft viele Worte um nichts. Vielen ist es einfach lästig, weil man nicht zur Sache kommt und sich „über Gott und die Welt unterhält“. Andere halten es für Zeitvergeudung. Der „Small Talk“ muss aber nicht „small“ sein, sondern kann sehr wohl eine bestimmte Funktion erfüllen. So dient er etwa der Einstimmung auf einen Gesprächspartner, etwa kurz vor einer Besprechung, um mit seinem Tonfall, Stimme, Ausdrucksweise, Gestik, „where he is coming from“ etc. bekannt zu werden. Informationen erhält man selbst nur dann, wenn man sich daran erinnert, dass durch Fragen ein Gespräch geführt wird. Denn jeder der antwortet, erzählt auch etwas über sich selbst: In der Art wie er formuliert, welche Worte er verwendet, wie er Sachverhalte darstellt. Dies heißt, ein „small talk“ lässt sich wunderbar nutzen, um Informationen über Land und Leute zu bekommen. Man stellt die richtigen Fragen und hört zu. Amerikaner lieben es zu erzählen und Erfolge darzustellen. Wenn, wie schon bemerkt, diese Informationen diskontiert werden, hat man das, was man wissen möchte. Dies ist auch die sicherste Art, in einer anderen Kultur nicht in ein „Fettnäpfchen“ zu treten. Daher sollte man auch eigene „statements“ meiden. Eigene Aussagen machen angreifbar. Auf alle Fälle sollte man keine Reizthemen von sich aus anschneiden, wie Politik, Religion, Fragen bezüglich Minoritäten. Sobald man sich besser kennen lernt, werden beim „Small Talk“ oft kleinere sehr persönliche, aber geschäftlich irrelevante, Informationen in das Gespräch eingebaut, um zu testen, ob sich bereits eine gewisse persönliche Nähe etabliert hat. Unter dem Ausdruck „where he is coming from“ versteht man in den USA meist seinen „background“, z.B. in welchem Ort er bzw. sie wohnt, welche „high school“ und welche Universität er bzw. sie besucht hat und nicht unbedingt was er bzw. sie studiert hat. Mit diesen Informationen kann man versuchen, sich rasch ein Bild vom Gegenüber zu machen. Für einen Außenstehenden gilt dies nur dann, wenn er die Antworten auch richtig einordnen kann. Sollte der Amerikaner diese Fragen einem Deutschen stellen, fängt er mit den Antworten wenig an. Wenn der deutsche Geschäftsmann ihm erzählt, dass er an der Universität Hohenheim studiert hat, wird er wohl nur mit den Schultern zucken. Wenn der Deutsche es mit „castle“ Hohenheim umschreibt, dürfte die Reaktion schon besser sein, denn mit „Schloss“ verbindet der US-Amerikaner eine gute Ausbildung. Wenn man aber ganz darauf verzichtet und aufgrund der räumlichen Nähe Universität Stuttgart sagt, wird er auch diese oftmals nicht kennen: Stuttgart in Arkansas? Die Rettung bringt nun die ganze Industrie, die in der Nähe präsent ist. Wenn er hört, dass Unternehmen wie Daimler, Bosch und Porsche ihre „headquarters“ in Stuttgart haben, dann ist er sich sicher, dass es sich bei Stuttgart um eine
1
Vgl. o.V., S. 344.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
97
erstklassige Universität handeln muss. Von der Finanzkraft der Unternehmen wird in den USA auf die Leistungsfähigkeit der Universitäten geschlossen, da in den USA Unternehmen diese oft finanzieren. Hier überträgt er seine US-Instinkte eins zu eins auf Deutschland und ist sich sicher, dass die jungen Leute an dieser Universität sehr viel für das Leben lernen. Daher gilt: Misstrauen Sie im Auslandsgeschäft Ihrem Instinkt. Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Gegenüber genauso denkt wie Sie, genauso plant und genauso handelt.1 Die menschliche Komponente im Geschäftsverkehr ist z.B. für die Russen besonders wichtig, ebenso wie der persönliche Eindruck. Emotionen und Gefühle spielen in Geschäftsbeziehungen eine größere Rolle und werden stärker eingebracht als in Westeuropa. Es stellt sich jetzt auch die Frage, wie Vertrauen überhaupt geschaffen werden kann. Der einfachste Weg ist, Einblicke in das Private zuzulassen, d.h. die Geschäftsbeziehung darf privater werden. Das stellt den Unterschied zwischen einem spezifischem und einem diffusen Kulturtyp im Geschäftsleben dar:2 spezifische Geschäftsbeziehung
Freunde
Freunde
&
&
Bekannte
Bekannte Be-
Sport
rufs-
&
leben
Freizeit
Person A
Privatleben
Berufsleben
Sport
Privatleben
öffentliches
öffentliches
Engagement
Engagement
(Gemeinde, Vereine)
& Freizeit
(Gemeinde, Vereine)
Person B
diffuse Geschäftsbeziehung
Abb. 3.7:
Spezifischer und diffuser Kulturtyp im Geschäftsleben
Um Vertrauen zu schaffen, muss Diffusität zugelassen werden. Wie selbstverständlich werden im Gespräch Themen aus dem privaten Umfeld mit aufgenommen. Manchmal ist es auch erwünscht, die eigene Ehefrau bzw. den eigenen Ehemann mit in das Geschehen aufzunehmen.
1 2
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 135. Vgl. Müller/Gelbrich, S. 99.
98
3 Interkulturelles Management
Ein Thema bei der Kommunikation ist die Präsentation, etwa bei der Vorstellung eines Marktangebots bei einem neuen Kunden. Es wird generell viel Wert auf die Darstellung gelegt. Sie muss schnell, einleuchtend, plausibel und vielversprechend hinsichtlich der Leistungen sein und die Wettbewerbsvorteile betonen. Sie dauern selten länger als zwischen zehn und zwanzig Minuten, länger ist die Aufnahmefähigkeit ohnehin nicht gegeben. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie man mit Schwächen umgeht. Stärken und Schwächen werden nüchtern offen gelegt. Keine Schwächen zu haben gilt als suspekt. Schwächen werden akzeptiert, sofern sie nicht die wesentlichen Wettbewerbsvorteile außer Kraft setzen. Durch eine gute Präsentation kann man unter Umständen ein mittelmäßiges Marktangebot gut verkaufen sowie ein gutes Marktangebot durch eine schlechte Präsentation nicht an den Mann bekommen. Dabei ist die Reihenfolge auch geklärt: Vom guten „SelfMarketing“ wird auf ein gutes Marktangebot eines guten Unternehmens geschlossen. Bei Präsentationen im Unternehmen muss man wissen, dass nicht in allen Ländern eine ausführliche Analyse der Probleme geschätzt wird. Viele interessieren sich für Lösungen, nicht für Probleme: Die Präsentation umfasst daher eine knappe Definition des Problems und einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Werden schriftliche Informationen ausgetauscht, ist zu beachten, dass „Geschriebenes wie eine steinerne Mauer“ ist, unveränderbar selbst dann, wenn sich alle Rahmenbedingungen geändert haben! Daher sollten schriftliche Informationen vor allem in Verhandlungsprozessen nur dann gegeben werden, wenn es sich um reine Informationen handelt und damit persönlicher Kontakt überflüssig ist, es sich um Referenzmaterial handelt oder als Beweis der eigenen Leistungsstärke, Qualität des Marktangebots etc. notwendig erscheint. Wichtige Dinge sollten mündlich besprochen werden und erst beim Abschluss schriftlich fixiert werden. Zwischenzeitlich werden oft so genannte „Memorandum of Understanding“ (MoU) formuliert, die verschiedene Parameter eines Vertrages fixieren sollen. Diese sollte man besser allgemein belassen, denn was hier steht, ist in praxi meist unverrückbar. Verhandlungen sind einfach im eigenen Land, mit Leuten, deren Sprache man kennt und mit deren Geschäftspraktiken man vertraut ist. Mitunter wird seinen Instinkten vertraut und darauf, dass sich die Gesprächspartner genauso verhalten, wie man es kennt.1 Verhandlungen stellen aber einen gewichtigen Teil der Kommunikation dar. Wie breit hier die Palette dessen sein kann, was praktiziert wird, zeigt der Vergleich zwischen den US-Amerikanern und den Japanern. Während die US-Amerikaner eine Verhandlung als ein Spiel mit festen Regeln in der Verfolgung einer Gewinnerzielung betrachten, sehen es die Japaner als eine Vereinbarung, die auf dem Vertrauen der Beteiligten basiert, um etwas gemeinsam zu bewegen.2 Die eigentliche Überzeugungsarbeit erfolgt nicht am Verhandlungstisch, sondern „im Hinterzimmer“. Dabei werden Konzessionen beim Vertragsgegenstand nur zum Schluss gemacht, nicht aber innerhalb des Verhandlungsturnus. Damit ist für die US-Amerikaner ein Fortschritt in der Verhandlung schwer messbar und sie haben das Gefühl, als würde man sich auf der Stelle bewegen. Was bei russischen Managern allerdings überhaupt nicht ankommt, ist der als „typisch amerikanisch" empfundene Verhaltensmix aus einer großen Portion Lockerheit
1 2
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 134 f. Vgl. Shimizu, S. 51.
3.3 Der Faktor Kultur im Geschäftsleben
99
mit viel Humor. Für Russen sind Verhandlungen eine ernste Sache, und so verhalten sie sich auch.1 Der Teamgedanke kommt aus den USA. Das Team ist dazu da, mit ihm zusammen Dinge zu erreichen, die der einzelne so nicht schaffen könnte. Nach Erreichung des Ziels löst sich das Team dann allerdings wieder auf, hat also keinen Wert an sich, sondern ist nur zweckgebunden.2 Dieses Team wollen US-Amerikaner überzeugen und jeden Einzelnen auf das Ziel einschwören. Das hat jedoch nicht mit Belehrung zu tun, sondern dient eher dem „Corps d’Esprit“, der vonnöten ist, um schwere Ziele im Team zu erreichen. Der Amerikaner zeigt gerne individuelle Erfolge. Das erkennt man schon bei der Betrachtung seines Büroraums. Neben den Urkunden der Universitätsabschlüsse sieht man an der Wand verschiedene Bilder wie „Michael beim Fischen“, „Michael beim Golf“ etc. unübersehbar platziert. Dies sollte nicht als Angabe fehlinterpretiert werden, sondern es ist die Art des US-Amerikaners, seine Individualität nach außen zu kommunizieren. Er liebt diese Art der Selbstdarstellung. Darunter versteht man, dass sie Freude und Leid sehr klar zum Ausdruck bringen und nicht versuchen, es zu verbergen. Dies führt im „business“ dazu, dass sie starke Persönlichkeiten sind ebenso wie sehr gute Verhandler. Die „negotiating skills“ werden ihnen bereits frühzeitig antrainiert wie auch die Fähigkeit zu verkaufen. Die Amerikaner stehen dem Risiko viel offener gegenüber als die Deutschen und halten sich an das Motto des Deutschen Friedrich Schiller „Um alles zu gewinnen, müssen wir alles riskieren“. Sie suchen die Chancen bei einem bewertbaren Risiko um zu gewinnen, während viele Deutsche versuchen, das Risiko zu vermeiden und nichts zu verlieren. Viele Entscheidungen werden heute nicht mehr getroffen, weil Mitarbeiter versuchen, sich in alle Richtungen abzusichern. Amerikaner gehen mit dem Risiko sehr offen um und versuchen, zu bewerten, ob ein Risiko zu einem vertretbaren Preis vorliegt. Auch in der Personalführung kann in den USA der größeren Risikobereitschaft der Mitarbeiter Rechnung getragen werden. Ein erhöhtes Risiko wird meistens mitgetragen, wenn es bekannt ist und kalkulierbar erscheint. Eine hohe Risikobereitschaft geht einher mit einer gewissen Bereitwilligkeit, Fehler zu akzeptieren. Sie spiegelt sich aber auch wieder in der Sicherheit des Arbeitsplatzes oder wie Entlassungen ausgesprochen werden: „Hi Mike. Dies ist Paul. Ihr Nachfolger. Sie sind entlassen“. Die Einstellung zur Qualität ist unterschiedlich. Die US-Amerikaner haben die ständige Furcht, sie könnten zu spät dran sein, während die Deutschen Angst davor haben, dass die Qualität nicht ausreichend ist. In den USA wird ein Produkt vom Markt akzeptiert, wenn es mitunter nur einen Teil der wünschenswerten Leistungsmerkmale erfüllt. Hauptsache, die gelieferte Leistung weist Vorteile gegenüber dem Vorhandenen der Wettbewerber auf. Der Umgang mit dem „good enough window“ fällt den Deutschen schwer. Das führt zur unterschiedlichen Vorgehensweise bei der Produktentwicklung:
1 2
Vgl. Frank, 2003. Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 102 f.
100
3 Interkulturelles Management
100% US-amerikanischer Entwicklungszyklus
Qualität perfekter Entwicklungszyklus
deutscher Entwicklungszyklus
0% 0
Abb. 3.8:
Zeit
Fokus auf Zeit oder Qualität in der Produktentwicklung
Qualität ist auch eine Einstellungsfrage. Während in China Qualität immer als relativ betrachtet wird und eine so hohe Qualität wie notwendig angestrebt wird, ist diese in Deutschland ein absoluter Wert und man trachtet danach, so viel Qualität wie möglich zu realisieren. Diese zu diesen Preisen dann zu verkaufen, fällt natürlich schwerer. Die Japaner haben hier eher eine qualitätsorientierte Einstellung mit präzisen und perfekten Marktangeboten, während die US-Amerikaner eher auf „Effizienz durch Menge“ mit einer gewissen Einfachheit der Marktangebote achten.
3.4
Erklärungsversuche kultureller Unterschiede
3.4.1
Kulturdimensionen nach Hall & Hall
Hall & Hall gehen davon aus, dass sich Kulturen „in der Direktheit, mit der ihre Angehörigen untereinander und mit Fremden kommunizieren“1 voneinander unterscheiden. Kommunikation kann nur dann richtig gedeutet werden, wenn sie aus dem Kontext heraus erschlossen wird. Die Kommunikation muss nach Hall & Hall mit der in den Ländern gepflegten „silent language“ kulturspezifisch gedeutet werden. Dabei handelt es sich um die Informationen einer kommunikativen Botschaft, die zumeist unbewusst mitgeliefert wird, dem Kontext.2 Das Konzept der „high and low context cultures“ ist eine Möglichkeit, kulturelle Unterschie-
1 2
Müller/Gelbrich, S. 81. Vgl. Hall, 1976b, S. 102.
3.4 Erklärungsversuche kultureller Unterschiede
101
de zu verstehen und kulturelle Orientierungen zu unterscheiden und einzuordnen. Es unterscheidet zwischen dem hohen („high context“) und dem niedrigen Kontext („low context“):1 Faktoren des „context“
„high context“
„low context“
Rechtsanwälte
weniger wichtig
mehr wichtig
verlässlich, da eine persönliche Beziehung besteht
unbedeutend, da es ohnehin schriftlich erforderlich ist
langsamer Prozess, ein wichtiger Bestandteil ist das Kennenlernen
schneller Prozess, ein wichtiger Bestandteil ist die Effizienz
wird von der höchsten Ebene übernommen
wird nach unten weiter geschoben
Japan, Südamerika, China
USA, Großbritannien
persönliche Zusagen Verhandlungen Verantwortlichkeit bei Fehlern Beispiele Abb. 3.9:
Konzept der „high and low context cultures“
In „high context cultures“ wird sehr stark implizit kommuniziert. Dabei spielt die „Tiefe der zwischenmenschlichen Beziehung“ eine herausragende Rolle. Ohne diesen Kontext zu verstehen, kann keine erfolgreiche Kommunikation erfolgen. In „low context cultures“ wird explizit kommuniziert. Zwischenmenschliche Beziehungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. In einer „high context“-Kommunikation haben die Personen ein intensives, gut etabliertes und informelles Kommunikationsnetzwerk. Sie sind zu jeder Zeit untereinander sehr gut informiert; sie warten nicht auf die Information. Sehr wichtig sind für sie die Leute im Netzwerk und die Beziehungen zu ihnen. Das bedeutet, dass Geschäfte mit Leuten getätigt werden, die man persönlich gut kennt. Eine Person mit einem „low context“ wird es immer sehr schwierig haben, in einer Gesellschaft mit einem „high context“ zu überleben. So wäre es nicht geschickt, einen deutschen Manager nur unzureichend vorbereitet in ein Land zu schicken, sei es als General Manager oder als Verhandler („negotiator“), das als „high context“ angesehen wird. Es überrascht sicher nicht, dass technisch orientierte Personen mehr als kaufmännisch orientierte Personen einen starken „low context“ haben. Dies sollte auch bei Auslandseinsätzen berücksichtigt werden, so etwa im erweiterten Trainingsbedarf im Hinblick auf den neuen Standort. Im „low context“ wird man eher bei Verhandlungen zum Punkt kommen: „Give me the message. Don’t give me the rest!“ In der Dimension Zeit können die Menschen in zwei verschiedene Kategorien eingeteilt werden, nämlich ob sie verschiedene Tätigkeiten eher hintereinander, auch monochronische Kulturen genannt, oder parallel, auch polychronische Kulturen genannt, erledigen können. In
1
Vgl. Hall, 1976a, S. 66 f.
102
3 Interkulturelles Management
Kontexten, wo „Zeit Geld ist“, dominiert der Terminkalender in hohem Maße die Zeitplanung. Wenn der Kontext „weniger zeitbewusst“ ist, spielen die menschlichen Beziehungen und Gespräche die wichtigste Rolle und stehen vor der Terminplanung, die kaum eingehalten wird. Viele Dinge scheinen auf einmal aufzukommen, das ist auch kein Wunder, weil bei allen Besprechungen immer viele Personen beteiligt sind, Unterbrechungen der „meetings“ sind daher normal. Deutsche sind wie die Amerikaner eher dem Bereich monochronisch zuzuordnen, „doing one thing at a time“. In dem Zeitempfinden sind sich die Amerikaner und die Deutschen, übrigens auch die Schweizer, sehr ähnlich. In diesem Fall scheinen alle die Ergebnisse desselben Sozialisationsprozesses zu sein. Die räumliche Distanz ist eine Art von Territorium. Jede Person hat um sich herum eine Seifenblase, in der sie lebt und die sich in der Größe verändert. Dies ist abhängig von der Beziehung zu der anderen Person, dem emotionalen Band, kulturellen Hintergrund. In den USA lieben die Menschen eine sehr große Seifenblase, genauso wie in Deutschland, aber ganz anders ist es in Südeuropa. Dies hat auch historische Ursachen. Die Amerikaner sind sehr mobil in geografischer, aber auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Dadurch haben sie die Notwendigkeit entwickelt, schnell mit Fremden ins Gespräch zu kommen, müssen aber dennoch eine gewisse Distanz wahren, weil man sich nicht näher kennt. Deutsche haben generell eine größere Distanz zueinander als die Amerikaner. Ihre Häuser werden durch Zäune, Wände, Hecken voneinander abgegrenzt. Häuser werden für die nächsten Generationen gebaut: „My home is my castle“. Ganz anders die Amerikaner. Die Frage „Where did you meet your wife?“ ist eine normale und zulässige Frage in einer sozialen Kommunikation. Ebenso wie die Frage „What do you do for living?“. Dies zeigt schon die sehr aufgeschlossene Haltung, mit der man auf Fremde zugeht. Unter „action chain“ versteht man den „Aktionsablauf, der bei A anfängt und bei Z aufhört. Er ist die direkte, gerade Verbindung zwischen Start und Ziel.“1 Amerikaner glauben, dass die „action chain“ effizienter in „low context“-Umgebungen ist. Sie sind trainiert, Ziele auf dem kürzesten und damit direktesten Weg zu erreichen; Umwege entmutigen sie daher. In „Corporate America“ gibt es die Vorstellung, dass es notwendig ist „to finish the job at any cost“ oder in anderen Worten „to complete action chain“. Veränderungen und Überprüfungen des eingeschlagenen Weges werden als notwendige Unbequemlichkeiten toleriert, weniger aber als neue Gelegenheiten gesehen, Dinge zu optimieren.
3.4.2
Organisationstheoretischer Ansatz von Hofstede
Alle Gesellschaften werden mit verschiedenen Grundproblemen konfrontiert. Sie unterscheiden sich jedoch in der Entwicklung von Lösungsstrategien, um diese Probleme zu überwinden. Basierend auf einer großen empirischen Untersuchung von IBM-Mitarbeitern in 72 Niederlassungen in 53 Ländern mit 116.000 Befragten reduzierte Hofstede diese auf fünf Dimensionen, nach denen Kulturen unterschieden werden können:2
1 2
Kohlert/Delany/Regier, S. 129. Vgl. Hofstede, 1980; vgl. Hofstede 1983.
3.4 Erklärungsversuche kultureller Unterschiede
103
Machtdistanz, d.h. Umgang mit Ungleichheiten Individualismus, d.h. der Umgang mit unterschiedlichen Auffassungen über seine bzw. ihre Rolle in der Gesellschaft Maskulinität, d.h. dem Umgang mit Gefühlen, Grad an Rationalität etc. Langzeitorientierung, d.h. Umgang mit der Dimension „Zeit“ Vermeidung von Ungewissheit, d.h. Umgang mit Neuem
Die Machtdistanz drückt die „sozialen Beziehungen zwischen höher gestellten und ihnen nachgeordneten Personen aus der Perspektive der Untergebenen“1 aus. Je größer die Ungleichheiten empfunden und akzeptiert werden, umso höher ist die Machtdistanz:2 Machtdistanz = Umgang mit Ungleichheiten = Ausmaß, in dem die ungleiche Verteilung von Macht durch weniger mächtige Personen akzeptiert wird eher akzeptiert Kultur mit großer Machtdistanz • Privilegien für die Mächtigen • Demonstration der eigenen Macht • Akzeptanz von Privilegien und Statussymbolen
Abb. 3.10:
eher nicht akzeptiert Kultur mit geringer Machtdistanz • gleiche Rechte für Alle • bagatellisieren der eigenen Macht • Argwohn gegenüber Statussymbolen
Machtdistanz
Der Individualismus drückt aus, „in welchem Maße der Einzelne seine Identität aus sich selbst heraus entwickelt oder aber aus der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft ableitet.“3 Je höher die Bedeutung der Gruppe, umso kollektivistischer ist eine Gesellschaft organisiert:4
1 2 3 4
Müller/Gelbrich, S. 128. Vgl. Hofstede 1980; vgl. Hofstede 1994, S. 37, 43. Hofstede 1994, S. 115. Vgl. Hofstede 1980; vgl. Hofstede 1994, S. 67, 73.
104
3 Interkulturelles Management Individualismus = Ausmaß der sozialen Integration in eine Gruppe = Umgang mit der Rolle in der Gesellschaft
schwache Integration
starke Integration
individualistische Kultur • Identität erwächst aus dem Individuum • Kinder lernen, als „Ich“ zu denken • Dominanz eigener über kollektive Interessen • Persönliche Freiheit vor Gleichheit • Primat der Selbstverwirklichung
Abb. 3.11:
kollektivistische Kultur • Identität erwächst aus dem sozialen Netzwerk • Kinder lernen, als „Wir“ zu denken • Dominanz kollektiver über eigenen Interessen • Gleichheit vor persönlicher Freiheit • Primat von gesellschaftlicher Harmonie und Konsens
Individualismus
Die Maskulinität umfasst die „Dualität der Geschlechterbeziehung.“1 „Je unterschiedlicher eine Gesellschaft die Geschlechterrollen definiert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine maskuline Gesellschaft handelt“:2 Maskulinität = Ausmaß, in dem sich die Geschlechterrollen unterscheiden = Umgang mit Gefühlen, Grad an Rationalität Mann = bestimmt, hart, erfolgsorientiert Frau = bescheiden, zärtlich, um Lebensqualität bemüht maskuline Kultur • Wichtigkeit von materiellem Erfolg und Fortschritt • Leistung als Ideal • Vorzugstellung des Mannes
Abb. 3.12:
1 2
Maskulinität
Müller/Gelbrich, S. 145. Vgl. Hofstede 1980; Hofstede 1994, S. 96, 103.
Überlappung der Geschlechterrollen feminine Kultur • Wichtigkeit von Schutz und Obhut für andere • Wohlfahrt als Ideal • Komplementarität der Geschlechter
3.4 Erklärungsversuche kultureller Unterschiede
105
Die Langzeitorientierung umfasst das Ausmaß, in dem man sich an der Zukunft orientiert:1 Langzeitorientierung = Ausmaß, in dem man sich an der Zukunft orientiert = Umgang mit der Dimension „Zeit“ an der Zukunft orientiert, Ausdauer und Sparsamkeit wichtig Langzeitorientierung • Adaption von Tradition an modernen Kontext • Sparsamkeit, hohe Sparquote, großer Stellenwert von Investitionen • Ausdauer/Beharrlichkeit im Hinblick auf spätere Ergebnisse
Abb. 3.13:
an der Gegenwart/ Vergangenheit orientiert, Respekt für Tradition und Stabilität Kurzzeitorientierung • Respekt für Tradition • bei Bedarf „overspending“, geringe Sparquote, kaum Investitionen • Erwartung sofortiger Ergebnisse
Langzeitorientierung
Die Vermeidung von Ungewissheit gibt an, „bis zu welchem Grad eine Kultur ihre Mitglieder darauf einstimmt bzw. vorbereitet, sich in unstrukturierten, d.h. neuartigen, unbekannten Situationen wohl bzw. unwohl zu fühlen.“2 Je wichtiger das Befolgen von Werten und Normen in einer Gesellschaft ist, umso eher wird sie danach trachten, Ungewissheiten zu vermeiden:3 Ungewissheitsvermeidung = Umgang mit Neuem = Ausmaß, in dem unsichere Situationen als bedrohlich wahrgenommen werden bedrohlich Kultur mit starker Unsicherheitsvermeidung
2 3
Kultur mit schwacher Unsicherheitsvermeidung
• Andersartigkeit als Gefahr • geringe Ambiguitätstoleranz
• Neugier auf Andersartigkeit • große Ambiguitätstoleranz
• Widerstand gegenüber Innovation • negative Einstellung gegenüber jungen Menschen
• Aufgeschlossenheit für Innovationen • positive Einstellung gegenüber jungen Menschen
Abb. 3.14:
1
nicht bedrohlich
Vermeidung von Ungewissheit
Vgl. Hofstede 1980; vgl. Hofstede 1994, S. 173. Müller/Gelbrich, S. 136. Vgl. Hofstede 1980; vgl. Hofstede 1994, S. 125, 134.
106
3 Interkulturelles Management
Der Ansatz von Hofstede bringt für das Geschäftsleben im internationalen Kontext die folgenden Erkenntnisse:
Die vorhandene Machtdistanz im ausländischen Markt sollte als unverrückbar aufgefasst werden, sie zu verändern kann zu Autoritätsverlust der Führungskräfte führen, insbesondere dann, wenn die Mitarbeiter klare Anweisungen erwarten oder mit Eigenständigkeit nicht umgehen können. Macht kann auch zementiert werden, etwa durch einen geplanten Zugang zu Hierarchien über Eliteschulen, meist verbunden mit der Entwicklung eines bestimmten „Corps d’Esprit“, um das „networking“ innerhalb dieses Kreises zu fördern. Während der Individualismus eher in der Tradition europäischer Philosophen stand wie Hobbes („homo oeconomicus“), Smith („Wealth of Nations“) hat der Kollektivismus einen asiatischen Ursprung, der auf Konfuzius zurückgeht, in welchem dem Individuum wenig Verantwortlichkeit beigemessen wird. Wie weit das gehen kann, zeigt das Beispiel Koreas: Anfang 1998 war das Land durch Währungsverfall und Devisenmangel in einer finanziellen Krise. Das staatliche Fernsehen und eine Bank riefen zu Spenden auf. Innerhalb kurzer Zeit trugen die Koreaner mehrere Tonnen Goldschmuck zu Sammelstellen. Dieses wurde eingeschmolzen und gegen Dollar verkauft. Diese unterschiedlichen Auffassungen und Erwartungen können bei Gemeinschaftsunternehmen und Auslandsniederlassungen zu Problemen führen. Die Maskulinität wirkt sich dahingehend aus, dass in diesen Gesellschaften Leistung, Karrierestreben, Konkurrenzkampf und Zielerreichung eine größere Rolle spielen als in femininen Gesellschaften. Die Vermeidung von Ungewissheit zeigt sich in der Bevorzugung kurzfristiger Unternehmensziele in risikobereiten Ländern wie den USA, langfristige Zielsetzungen bei risikoaversen Ländern wie Japan. Basisinnovationen werden von Ländern zunächst einmal gerne abgelehnt, da sie oft gravierende Einschnitte in das gewohnte Leben mit sich bringen.
3.5 Handeln im neuen kulturellen Umfeld
107
3.5
Handeln im neuen kulturellen Umfeld
3.5.1
Keine Übertragbarkeit eigener Erfahrungen
Beim Handeln im neuen kulturellen Umfeld müssen unterschiedliche Werte, Normen und Verhaltensweisen berücksichtigt werden, die nur begrenzt sichtbar sind:1 Verhaltensweisen: • Sprache(n) • Umgangsformen • Kleidung • Nutzung von Technologien Werte und Normen: • Mythen, Helden und Legenden • Verhaltensrichtlinien • Führungsgrundsätze • Ideologien Basisannahmen: • Beziehungen zur Umwelt • Bedeutung des Menschen • soziale Beziehungen • Verhältnis zu Zeit und Raum Abb. 3.15:
sichtbar und bewusst
teils sichtbar, teils unbewusst
zunehmender Interpretationsbedarf
unsichtbar, meist unbewusst
Interpretationsbedarf im kulturellen Umfeld
Wie auch bei der Diskussion um die Werte kann man Handeln nur dann verstehen, wenn man die dem Handeln zugrunde liegenden Werte erkennen kann und die Basisannahmen, die in dem Land vorherrschen, versteht. Viele Umgangsformen haben ihre Ursache in tief verankerten Wertesystemen, die nicht ohne tiefer gehende Beschäftigung mit dem Land für einen Außenstehenden ersichtlich sind. Das „Self-Reference Criterion“ (SRC) ist bei der Entscheidungsfindung ein unbewusstes Verhalten von Menschen, die sich ihre eigenen kulturellen Werte, Erfahrungen und ihr Wissen als Basis für die Entscheidung zurechtlegen. Dies behindert die Fähigkeit eines Menschen, eine Situation im Ausland in seiner wirklichen Gestalt zu erkennen. Werden Menschen mit neuen Informationen konfrontiert, reagieren sie spontan auf der Basis ihres vorhandenen Wissens, dass sie in ihrem Leben angesammelt haben: Die Interpretation der neuen Situation ist ein Produkt der eigenen persönlichen Geschichte, die mit der Realität in einem ungewohnten Umfeld meist nichts zu tun hat. Das „Self-Reference Criterion“ behindert die Fähigkeit, einen ausländischen Markt in seiner wirklichen Gestalt zu erkennen. Für einen US-Amerikaner ist der Wert Geld wichtig. Offensichtlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass für alle anderen auch das Geld die 1
Vgl. Schein, S. 38.
108
3 Interkulturelles Management
wichtigste Rolle spielt. Für den Deutschen ist die Sicherheit ein wichtiger Wert, für den Japaner die Harmonie. Japaner werden negative Aussagen vermeiden, da diese die Harmonie stören. Um Fehlurteile solcher Art zu vermeiden, müssen SRC-Einflüsse ausgeschaltet werden. Dazu sind die folgenden vier Schritte zu beherzigen:1 1. Definition des Problems oder der Zielsetzung unter Berücksichtigung bzw. Einbeziehung der kulturellen Gewohnheiten, Eigenheiten, Werte und Normen des eigenen Landes. Dabei sollten Werturteile vermieden und von der Benotung von Menschen („to label“) abgesehen werden. Menschen sollten so aufgefasst werden, wie sie sind, wie sie sich in der Realität darstellen. 2. Definition des Problems oder der Zielsetzung unter Berücksichtigung bzw. Einbeziehung der kulturellen Gewohnheiten, Eigenheiten, Werte und Normen des Ziellandes. 3. Isolation von SRC-Einflüssen in der Problemdarstellung und Darstellung, wie SRCEinflüsse ein Problem noch komplexer erscheinen lassen, d.h. das eigentliche Problem wird von seinen kulturellen Besonderheiten „befreit“. 4. Neue Definition des Problems ohne SRC-Einflüsse und Suche nach einer optimalen Problemlösung. Der Grund, warum kulturelle Faktoren von Managern oft ignoriert werden, liegt darin, dass sie ihnen in der Regel verborgen sind. Kultur ist gelerntes Verhalten, das von Generation zu Generation weitergereicht wird und für einen unerfahrenen und in dieser Kultur ungeübten Außenseiter schwer zu erfassen ist. Es gibt verschiedene Fakten, die die Fähigkeit, von anderen Kulturen zu lernen, stark beschleunigen:2
1 2
Der deutsche Manager hat zu akzeptieren, dass er selbst niemals Menschen aus anderen Kulturkreisen komplett verstehen können wird. Menschen sind zu komplex, um sie zu erfassen und sich vollständig in ihre Gefühlswelt hineinversetzen zu können. Ein guter Test, z.B. der eigenen englischen Sprachkenntnisse sowie das Verständnis für die Kultur des Landes ist, ob man in der Lage ist, ein Gedicht in englischer Sprache zu verstehen. Die meiste Energie wird dafür verwendet, die eigenen Wahrnehmungen zu managen. Wenn ein bizarres Verhalten wahrgenommen wird, steht sicher etwas hinter diesem Verhalten, z.B. bestimmte kulturelle Werte, die der Beobachter so nicht kennt und daher das gesamte Verhalten falsch interpretieren kann. Fremdartiges Verhalten sollte daher nur sehr vorsichtig gedeutet werden. Möchte man in einer anderen Kultur effektiv tätig sein, muss es einem gelingen, die Einstellungen, Motive und Werte der anderen Kultur zu erfassen. Dies erfordert eine offene Einstellung, eine, die nicht die eigene Kultur auf das andere Land zu übertragen versucht.
Vgl. Lee, S. 106 ff. Vgl. Jung, S. 228.
3.5 Handeln im neuen kulturellen Umfeld
109
Interessant ist dabei auch, wie sich Menschen in ihrem eigenen Land selbst sehen und wie sie andere betrachten, hier am Beispiel der Russen:1, 2
• • • • • •
Wie sehen die Russen sich selbst?
Wie sehen die Russen die Deutschen?
großzügig und gastfreundlich lernbereit, bereit Neues zu entdecken herzlich und hilfsbereit mutig, aber auch misstrauisch kümmern sich um alles selbst tiefe Verbeugung vor der Autorität, man möchte den Erwartungen der Autorität gerecht werden
• pünktlich, diszipliniert und fleißig • kann sehr gut organisieren • denkt immer noch über den 2. Weltkrieg nach • ist Individualist und baut keine Nähe auf • beschwert sich gerne • lebt, um zu arbeiten
Abb. 3.16:
Eigenbild und Deutschlandbild der Russen
Diese Antworten der Menschen erschließen ein Bild darüber, was ihnen besonders wichtig erscheint, es spiegelt ihre Werte und Normen wieder, die sich wiederum auf das Verhalten im Geschäftsleben auswirken. Insgesamt ist das Deutschlandbild der Russen sehr angenehm. Es kann passieren, dass der deutsche Kunde seine Äpfel auf einem Moskauer Markt kostenlos bekommt, wenn die ukrainische Bäuerin am Stand mitbekommt, das man aus Deutschland kommt. Solche Vorkommnisse zeigen schon die enorme Herzlichkeit, die aus den Menschen heraus kommt. Das muss sich auch auf das Geschäft auswirken: Die Russen verbinden mit Deutschland und seinen Produkten fast nur positive Eigenschaften.3 Die Schaffung eines globalen Bewusstseins bedeutet Objektivität und Rationalität sowie Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden. Sie erfordert Kenntnisse von Kulturen, Geschichte der betreffenden Länder, Potenzialen der Weltmärkte, Rollen bei der Globalisierung und Erkennen von sozialen Trends.
3.5.2
Erwartung der Andersartigkeit
Im Geschäftsleben ist es üblich, den Erfolg oder Misserfolg der geschäftlichen Aktivitäten in Zahlen zu messen. Man stellt qualifizierbare Ziele und quantifizierbare Ergebnisse in den Vordergrund. Es werden Fakten bevorzugt, keine weichen interpretierbaren nicht eindeutig definierbaren Informationen. Dabei übersieht man häufig, dass es einen immensen Erfolgsfaktor in jedem Geschäft gibt, der nicht ohne weiteres bestimmbar, messbar, sichtbar ist und 1 2 3
Diese Aussagen wurden in zahlreichen Workshops in der Industrie in Russland in den Jahren 2001– 2005 ermittelt. Die Teilnehmer der Workshops waren nahezu ausschließlich Ingenieure aller Altersstufen. Vgl. Kohlert/PwC, S. 24 f. Vgl. ebenda, S. 25.
110
3 Interkulturelles Management
der doch einen enormen Einfluss auf die „bottom line“ des Unternehmens ausübt: Kultur, oder besser gesagt die kulturellen Unterschiede. Wer nun gerne wissen möchte, wie sich für einen Amerikaner, Franzosen, Japaner, Russen etc. die Welt, in der er lebt, darstellt, sollte einmal das Magazin, das seine nationale Fluggesellschaft in der Tasche am Sitzplatz des Flugzeuges mit sich führt, hineinschauen. Dort ist entweder die USA oder Chicago, Deutschland oder Frankfurt, Frankreich oder Paris, Russland oder Moskau das Zentrum der Welt: Hier laufen alle Fäden zusammen und von hier geht alles aus.1 Der Grund, warum kulturelle Unterschiede für ein global tätiges Unternehmen eine Herausforderung darstellen, liegt darin, dass kulturelle Faktoren oft nicht ohne weiteres sichtbar sind. Kulturell bedingtes Verhalten wurde in drei Phasen gelernt, die sich wie einzelne Schichten überlagern. Für einen „outsider“ ist es oft schwer zu erkennen:2
national culture
business culture
corporate culture Abb. 3.17:
1 2
Schichten von verschiedenen Kulturen
Die „national Culture“ wird von Anbeginn etwa bis zum 18. Lebensjahr aufgenommen. In dieser Zeit lernt man, welche Werte wichtig sind. Man erhält, wie man in der EDV sagen würde, das „basic operating system“. Die Werte werden in semireligiöser Weise vermittelt, angenommen und praktisch nicht mehr angetastet. Diese Werte umfassen z.B. Dinge wie Pünktlichkeit, Einstellung zur Nation, Loyalität etc. Nirgendwo steht geschrieben, dass Pünktlichkeit ein Wert ist, aber er wird in manchen Kulturen bereits dem Heranwachsenden als Wert vermittelt, bis er ihn schließlich internalisiert und danach praktisch nicht mehr in Frage stellt. In den USA z.B. lernt man danach, wie man Geschäfte macht, die so genannte „business culture“ beginnt dann im Laufe der beruflichen Ausbildung. Man lernt alles über „the ways of doing business“, ethische Regeln (aus der Sicht der jeweiligen Kultur), Umgang mit Kunden und den Wettbewerbern. Es folgt die „corporate culture“, die dem Mitarbeiter im Unternehmen vorgelebt wird, in das er eintritt und die er verinnerlicht. Die Unternehmenskultur „speichert Orientie-
Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 74. Vgl. ebenda, S. 77 ff.
3.5 Handeln im neuen kulturellen Umfeld
111
rungsdaten und prägt damit das Set zukünftiger Strategien und Strukturen“1 eines Unternehmens. Sie wirkt damit stabilisierend auf das gesamte Unternehmen. Traditionell ausgeprägte Werte einer starken Unternehmenskultur und Wandlungsfähigkeit stehen hier in keinem Widerspruch.2 Am Ende des dreifachen Prozesses („brain-, heart- and soul washing“) steht also der typische nationale Geschäftsmann. Genauso ergeht es dem deutschen Geschäftsmann. Eltern, Lehrer, Lehrmeister, Vorgesetzte haben dem jungen Menschen zu einer Zeit, in der er ungefragt und selbst weitgehend unkritisch alles in sich aufgesogen hat, das Herz, die Seele und das Gehirn gewaschen. Am Ende steht der „typische Deutsche“ oder der „typische US-Amerikaner“ etc. Beide sind kulturell dreimal gebunden. Man darf daher nicht viel Flexibilität erwarten. Die beiden Personen treffen jetzt im Geschäftsleben aufeinander. Ihre jeweiligen dreifachen Bindungen sind total unterschiedlich.3 Mit diesen Unterschieden muss das Unternehmen im Auslandsmarkt umgehen können. Aber auch im Inland müssen sich Mitarbeiter darauf einstellen, dass Arbeitsteams zunehmend nicht nur interdisziplinärer, sondern vor allem interkultureller besetzt werden. Dieser Aufgabenbereich wird mit „Diversity Management“ umschrieben. Das Konzept des „Diversity Management“ hat seinen Ursprung in der Anti-Diskriminierungs-Bewegung in den USA. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es die Faktoren Kultur und Diskriminierung berücksichtigt. Kenntnisse im Umgang mit „diversity“ sind überall dort hilfreich, wo Menschen, die sich in Wertvorstellungen und Kulturen unterscheiden, miteinander leben und arbeiten. Es geht davon aus, dass das Potenzial für mehr Umsatz und mehr Gewinn in der Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter liegt. Mitarbeiter, die den gleichen Stallgeruch haben, bringen weniger Leistung als Arbeitsgruppen, die bunt gemischt sind. So argumentieren viele Verfechter des „Diversity Management“ und führen Zahlen an, die diese These stützen sollen. Die alte amerikanische Weisheit, „wenn zwei immer dieselbe Meinung haben, dann ist einer zu viel“ fließt so in die Anschauungen des „Diversity Management“ mit ein. Es wird allerdings auch darauf verwiesen, dass nur eine langfristige Ausrichtung mit der „diversity“ in einem Unternehmen Mehrwert generieren kann.4
1 2 3 4
Hauser, S. 21. Vgl. ebenda, S. 15. Vgl. Kohlert/Delany/Regier, S. 82. Vgl. Wheeler, S. 3.
112
3 Interkulturelles Management
Im täglichen Leben ist es wichtig, auch plakativ vereinfacht, hier am Beispiel Russland und Deutschland, kulturelle Faktoren zu erkennen, die verbinden zu nutzen, die unterscheiden zu vermeiden:1 Identifizierung der richtigen Entscheidungsträger, sowie mangelnde Entscheidungsfreude und lange Entscheidungsprozesse
Faktoren, die unterscheiden
Passivität weit verbreitet, dazu können Motivationsprobleme bei den gewerblichen Mitarbeitern auftreten
Abb. 3.18:
Entscheidungen durch Finanzinvestoren
Loyalität der gewerblichen Mitarbeiter ist relativ gering, „Job Hopping“, weit verbreitet mangelndes Bewusstsein für Qualität
zeigen, was man hat, der gelebte Stolz auf Erreichtes
großes Interesse an Technik
Gastfreundschaft ist sehr groß
Risikobewusstsein vorhanden: Gutes darf mehr kosten!
Vertragstreue
sehr gute Qualifikation und hoher Informationsstand der Mitarbeiter
Faktoren, die verbinden
Gemeinschaftsgefühl („Wir“) wird bei Russen gelebt und von den Deutschen geschätzt
Faktoren, die unterscheiden und verbinden – am Beispiel Russland
In Zeiten der verstärkten Auslandstätigkeit von Unternehmen ist es ein Erfordernis, der Diversität auch in der Personalstruktur Rechnung zu tragen. Lokale Mitarbeiter werden nicht nur in den Auslandsniederlassungen benötigt, sondern auch in der Zentrale des Heimatlandes. Oftmals stellen sie das Bindeglied zur ausländischen Gesellschaft dar und oftmals sind nur sie in der Lage, Verhalten der dortigen lokalen Manager richtig zu interpretieren und für das Unternehmen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
3.5.3
Lernen aus kulturellen Unterschieden als Quelle der eigenen Entwicklung
Interkulturelles kann als Hort eigenen Lernens verstanden werden. Nicht umsonst sagt der Volksmund „Reisen bildet“. Im Ausland als gut verstanden, versucht man die Erkenntnisse zu Hause umzusetzen. Die folgende Übersicht soll als Beispiel verstanden werden, in welchen Bereichen die neuen Erkenntnisse angetroffen werden können:
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 107 ff.
3.5 Handeln im neuen kulturellen Umfeld Führungsstil
• Es ist nicht der Job einer Führungskraft, die Aufgaben der eigenen Mitarbeiter zu erledigen, wenn er bzw. sie nicht weiterkommt. Führungskräfte helfen immer, wenn der Mitarbeiter mit Lösungsvorschlägen kommt. • Die Akzeptanz von Problemen ohne Ideen ist nicht effektiv: Keine Problemdarstellung ohne mögliche Lösungen.
Informationen sind fast immer eine Holschuld
• Die relevanten Informationen müssen aus der Fülle ausgewählt, analysiert und priorisiert werden.
Überzeugungsarbeit
• Eigene Mitarbeiter müssen überzeugt und auf das gemeinsame Ziel eingeschwört werden. Das hat nichts mit Belehrung zu tun. • Dafür werden gute Argumente benötigt.
Akzeptanz eines ausländischen • Um als fremdes Unternehmen akzeptiert zu werden, hilft ein eigenständiges Unternehmen im Unternehmens ausländischen Markt. • Es sollte Funktionen wie Marketing und Vertrieb sowie Entwicklung beinhalten. • Sonst wird das Unternehmen nicht als echtes lokales Unternehmen wahrgenommen. Dies hat mitunter Konsequenzen für die Kapital- und Personalbeschaffung. Abb. 3.19:
Lernen aus kulturellen Unterschieden – Teil 1
113
114
3 Interkulturelles Management
eigene Zielsetzungen
Zeitorientierung
Qualitätsanforderungen
Mitarbeiter als wichtigste Ressource
Abb. 3.20:
• Eine Frage der Einstellung: - Suche nach Chancen oder der Versuch, Risiken zu vermeiden? - Begeht man ein Spielfeld, um nicht zu verlieren oder um zu gewinnen. • Fehler sind normal, aber: „To make a mistake once is human, to make it twice is a crime”. • Vorsicht mit Aussagen „Etwas rechnet sich ernst in einiger Zeit“, meist trifft es nicht ein! • „Das Jahr ist vergangen, der Bonus ist bezahlt und morgen ist morgen”, denn „für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts • Fehlerbehebungen werden in manchen Märkten innerhalb von 24 Stunden erwartet. • Ein Produkt wird in manchen Märkten akzeptiert, wenn es nur einen Teil der wünschenswerten Leistungsmerkmale erfüllt: Wie groß ist das „good enough window“? • Einstellung ist mitunter: „Hauptsache die gelieferte Leistung weist Vorteile gegenüber dem Vorhandenen der Wettbewerber auf!“ • Momentane Leistungen der Mitarbeiter und das Potenzial der Mitarbeiter bringen das Unternehmen weiter, keine vergangenen Lorbeeren! • Planzahlen werden gemeinsam festgesetzt; danach braucht man allerdings schon gute Gründe, ein Nichterreichen zu erklären.
Lernen aus kulturellen Unterschieden – Teil 2
Lernen aus kulturellen Unterschieden bedeutet nicht, kritiklos zu übertragen und auf den Erfolg hoffen. Der kritiklose Übertrag ist in beide Richtungen nicht zu empfehlen. Es gilt aber, die zahlreichen Anregungen aufzunehmen und auf die eigenen Belange zu adaptieren und ggf. zu übernehmen, wenn es erfolgversprechend ist.
4
Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
A wise man investigates a matter Before he makes a judgement.
4.1
Auswahl von Auslandsmärkten
4.1.1
Checklist-Verfahren zur Vorauswahl
Beim Checklist-Verfahren werden alle in Frage kommenden Auslandsmärkte auf den Erfüllungsgrad derjenigen Kriterien hin überprüft, die als Mindestvoraussetzung für eine weitergehende Prüfung eines Engagements in diesem Auslandsmarkt angesehen werden. In der Regel liegt eine Entscheidungssituation vor, in der eine begrenzte Anzahl von Alternativen mit endlich vielen Kriterien besteht, die berücksichtigt werden sollen. Klassischerweise erfolgt das Checklist-Verfahren zur Länderauswahl in drei Schritten:1 Aufstellen einer Reihe von relevanten Kriterien Überprüfung der Kriterienerfüllung für jedes Land Ausschluss solcher Länder von der weiteren Analyse, die diese Kriterien nicht erfüllen Es besteht des Weiteren keine exakt festgelegte Vorgehensweise, dieses Verfahren kann in unterschiedlicher Weise gehandhabt werden. Die Vorteile des Verfahrens liegen in der schnellen, einfachen und kostengünstigen Handhabbarkeit, die Nachteile in der häufig sehr subjektiv gefärbten Kriterienwahl sowie in der Gefahr, dass sich die Kriterien entweder überschneiden oder voneinander abhängig sind. Im Folgenden wird ein Beispiel für das Checklist-Verfahren gezeigt. In diesem Fall wurde für jedes einzelne Kriterium ermittelt, in welchem Land dieses am besten erfüllt wird:
1
Vgl. Berndt/Fantapié/Sander, S. 108.
116
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Land
relevante Kriterien
1 A B
2
3
4
5
X X
6
7
X X
X
C
X
D E Abb. 4.1:
X Beispiel für das Checklist-Verfahren
Anhand dieses Beispiels kann jetzt die Aussage getroffen werden, dass das Land B besonders günstig ist, das Land D besonders ungünstig. Dieses Verfahren stellt damit eine systematische Analyse von Länderalternativen dar und führt zur Ausklammerung „unmöglicher“ Alternativen und damit zur Einengung des Entscheidungsfeldes. Es differenziert allerdings nicht in der Bewertung und stellt keine Basis für eine eindeutige Entscheidung dar. Daher wird es nur für die Vorauswahl eingesetzt.
4.1.2
PEST-Analyse
Die PEST-Analyse ist der Ausgangspunkt einer umfassenden Analyse zur Auswahl der relevanten Ländermärkte. Die PEST-Analyse erläutert die externe Umgebung des Unternehmens und der in dem jeweiligen Land wirkenden Triebkräfte:
Politische („political“) Einflussfaktoren, wie die globalen politischen Entwicklungstendenzen, die parteipolitischen Konstellationen und mögliche Veränderungen, die Wirtschaftspolitik und die Handlungsfreiheit der Unternehmen stellen den übergeordneten Rahmen dar und dienen als Grundlage für die Ermittlung des Länderrisikos. Wirtschaftliche („economical“) Einflussfaktoren, wie die derzeitige konjunkturelle Situation, Wechselkursentwicklung, die vorhandene oder die zu erwartende Investitionsneigung und die Entwicklung der relevanten Wirtschaftssektoren sind die Grundlage für die Einschätzung der Attraktivität des Marktes. Sozio-kulturelle („social“) Einflussfaktoren, wie die vorhandene Einstellung zur Leistung, Bedeutung der Teamarbeit, Bedeutung der Arbeit für das persönliche Wohlbefinden, Bildungsstand zeigen auf, mit welchem Trainingsbedarf das Unternehmen für welche Aktivitäten zu rechnen hat. Technologische („technological“) Einflussfaktoren, wie der Stand der Technologie, Ideen für Innovationen sowie die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen geben Aufschluss darüber, mit welchen Entwicklungen in dem Land zu rechnen ist und inwieweit
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
117
es nur unter dem Aspekt billige Arbeitskräfte eingeordnet werden kann: Je größer die Verbreitung von Technologien, umso höher sind tendenziell die Arbeitskosten. Die PEST-Analyse kann im Detail wie folgt ausgestaltet werden, z.B. werden die folgenden Faktoren im Laufe der Analyse untersucht. Diese Auflistung stellt nur ein Beispiel und keine „Checklist“ dar und ist je nach Situation des eigenen Unternehmens und des ausländischen Zielmarktes erweiterbar bzw. wird angepasst. Political • politisches System • Wettbewerbsaufsicht • gesetzliche Bestimmungen • steuerliche Behandlung • politische Stabilität • tarifäre und nontarifäre Handelshemmnisse • Sicherheitsvorgaben und Subventionen • EU-Bestimmungen, z.B. CENormen, andere Kennzeichnungspflichten
Abb. 4.2:
Economical • Wirtschaftswachstum • Inflation • Zinsentwicklung • Entwicklung des Bruttosozialprodukts (BSP) • Entwicklung der Wechselkurse • Arbeitslosigkeit • Verfügbarkeit von Ressourcen • Qualitätskriterien und -standards • Abhängigkeit von Weltmarktpreisen • Branchenstruktur • Marktgröße und -trends • Wettbewerbsstruktur • vorhandene Lieferanten
Social • Werte und Lebensstil • soziale Trends • soziale Schichtung • demografische Einflüsse • Einkommensverteilung • Bildungsstand • Bevölkerungswachstum • Sicherheit im Zielland • Anspruch an die Qualitätsanforderungen • Trends, wie Wellness • Bedeutung, z.B. von religiösen Festen
Technological • Forschung • technologische Entwicklung • Neuproduktentwicklung • Produktlebenszyklen • staatliche Forschungsausgaben • Innovationen • billigere Substitute • neue Prozessabläufe
PEST-Analyse
Man kann das Modell der PEST zur Analyse von einzelnen Unternehmen, Branchen oder ganzen Nationen heranziehen. Wichtig ist, dass stets nur externe Einflussfaktoren aufgenommen werden, auf die das Unternehmen bzw. die Branche keinen direkten Einfluss hat („uncontrollables“). Die Ergebnisse der PEST-Analyse geben Antworten auf die folgenden Fragestellungen:
Welche Umfeldfaktoren umgeben unser Geschäftsfeld? Welche dieser Faktoren werden sich zu welchem Zeitraum verändern? In welchem Ausmaß ist die Dynamik bereits zum heutigen Zeitpunkt erkennbar? Welche dieser Faktoren wirken sich in welcher Weise auf das eigene Geschäftsfeld aus?
118
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Um wirklich aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, reicht es jedoch nicht aus, wenn man die PEST als bloße Auflistung von Einflussfaktoren ansieht. Sie ist vielmehr lediglich der Ausgangspunkt für weiterführende Analysen in der externen Umgebung, in denen sich das Unternehmen Herausforderungen gegenübersieht und die Entwicklungen auf diesen Feldern verfolgt. Dann können z.B. die Reduzierung von Handelsbarrieren, die Verbesserung der Kommunikationstechnologie, der wachsende Wettbewerbsdruck auf einheimischen Märkten oder zunehmende Konvergenz der Bedürfnisse von Verbrauchern Triebkräfte für den Markteintritt in diese Märkte sein. In der Praxis wird die PEST-Analyse oft als Ausgangspunkt genommen, um eigene Checklisten zu entwickeln. Am Beispiel von Mercedes-Benz vor dem Gang auf den US-Markt lässt sich dies wie folgt darstellen:1 ökonomische Stabilität • • • •
Wechselkursrisiko Inflationsrate Industriestruktur natürliche Ressourcen • öffentliche Verschuldung • Bankensystem und Kapitalverkehr • allgemeine ökonomische Entwicklung
Abb. 4.3:
1
politische Stabilität • außen- und innenpolitisches Konfliktpotenzial • Kontinuität der Regierung • Unterstützung durch Regierung incl. „Incentives“ • Zuverlässigkeit der Verwaltung • Investitionsbestimmungen
Infrastruktur
Arbeitsmarkt
• Straßennetz (Dichte, Qualität, Anschluss) • Eisenbahnnetz • Wasserwegenetz • Flughäfen und Fluglinien • Telekommunikationsnetz • Versorgung (Gas, Wasser, Strom) • Entsorgung (Abfall)
• Anzahl und Knowhow der Hochschulabsolventen, Facharbeiter, Angelernten • sprachliche und kulturelle Barrieren • Industrieerfahrung incl. 3-SchichtBetrieb, 7-TageWoche • Motivation und Lernbereitschaft • Mobilität und Flexibilität
Länderspezifische Kriterien – am Beispiel von Mercedes-Benz und dem US-Markt – Teil 1
Vgl. Rentschler, S. 45.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
Lieferantenmarkt • Anzahl und Verfügbarkeit qualifizierter Lieferanten • „local content“Vorschriften • Import/Exportzölle • „just-in-time“Versorgungssicherheit
Abb. 4.4:
Auswirkungen auf das Image • Image des eigenen Landes im ausländischen Markt • Image des eigenen Unternehmens im ausländischen Markt • Image der eigenen Marke(n) im ausländischen Markt • durch die Kunden empfundene Leistungsfähigkeit und Stärken der eigenen nationalen Wettbewerber
119
Personalkosten • effektive Arbeitskosten • Arbeitsproduktivität
Länderspezifische Kriterien – am Beispiel von Mercedes-Benz und dem US-Markt – Teil 2
120
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
4.1.3
„Scoring“ und „Screening“ bei der Auswahl von Auslandsmärkten
Sind die Vorentscheidungen bzgl. der in Frage kommenden Länder und der relevanten Kriterien bereits getroffen, kann der Entscheidungsprozess mit dem „Scoring-Modell“ weiter geführt werden. Die Vorgehensweise erfolgt in den folgenden Schritten: relevante Umweltfaktoren für die Entscheidungsfindung
Faktoren zur Makroumwelt
Faktoren zur Mikroumwelt Σ Abb. 4.5:
Gewichtung (in %)
Politik: • Stabilität • …
5%
Rechtssystem: • Verträge • Markteintritt • …
10%
Wirtschaft: • Inflation • …
15%
Kultur: • Arbeitswerte • …
15%
• Markttrends • Wettbewerb • …
20% 10% …
Land A
Land B
Land C
100%
„Scoring“-Modell bei der Auswahl von Ländermärkten
Zunächst werden die Bewertungskriterien festgelegt, die für das Unternehmen und seine spezifische Situation eine besondere Wichtigkeit darstellen. Dies sind meist makroökonomische Kriterien. Davon finden sich in der Regel immer einige Ansatzpunkte. So ist die politische Stabilität im Land unabhängig von der Branche für jedes Unternehmen wichtig, das sich dort niederlassen möchte. Andere Kriterien wiederum können unternehmensspezifisch sein. Besteht etwa die Absicht, künftig im Land selbst zu fertigen, spielt die Verfügbarkeit von entsprechenden Zulieferern eine wichtige Rolle. Dann erfolgt die Bewertung der einzelnen Kriterien für die jeweils in Frage kommenden Länder. Die Bewertung kann auch in Form einer Rangfolge geschehen. Diese einzelnen Kriterien werden dann nach der Bedeutung für das Unternehmen gewichtet, da vermutlich nicht alle die gleiche Bedeutung haben.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
121
Multipliziert man Bewertung und Gewichtung, erhält man als Ergebnis den Erwartungswert, d.h. die gewichtete Bewertung der einzelnen Kriterien. Die Summe der Erwartungswerte ergibt dann das Ergebnis. Das Land mit dem höchsten Ergebnis („Score“) erhält den Zuschlag. Die einzelnen Länder erhalten für jeden relevanten Faktor einen Punktwert, von 5 (sehr gut) bis 1 (sehr schlecht), der Ländermarkt mit der höchsten Punktzahl wird dann als besonders attraktiv bewertet. Ein „Scoring“-Modell kann auch verkürzt dargestellt werden:1
Bewertungskriterien politische Stabilität Inflation bürokratische Hemmnisse Wirtschaftswachstum Durchsetzbarkeit von Verträgen Arbeitskosten & Arbeitsproduktivität Verfügbarkeit von Lieferanten Verfügbarkeit der Kommunikationsmittel Verfügbarkeit von lokalen Arbeitskräften Möglichkeit lokaler Finanzierungsquellen
Bewertung (1 – 5)
Gewichtung (1 – 10)
Erwartungswert
3 4 2 1 4 2 3 4 4 5
10 7 2 5 5 5 7 9 10 5
30 28 4 5 20 10 21 36 40 25
5 = sehr vorteilhaft, 1 = ungeeignet Abb. 4.6:
Ergebnis („Score“) = 219
Verkürztes „Scoring“-Modell bei der Länderauswahl
Das „Screening“ dient in diesem Fall als Checkliste für die Auswahl von Ländern. Das „Länder-Screening“ führt die Betrachtungen des Checklist-Verfahrens weiter. Hier soll jetzt grob sondiert werden, welche Chancen für dieses Marktangebot in dem jeweiligen Land bestehen um dann auf dieser Basis eine Länderauswahl treffen zu können. Es ähnelt von der Aufgabenstellung dem „Scoring-Modell“, allerdings nutzt das „Länder-Screening“ eher mikroökonomische Kriterien und wird damit entsprechend de Aufgabenstellung konkreter. Auch bei dem Verfahren handelt es sich um ein mehrstufiges Vorgehen:
1
Vgl. Meffert/Althans, S. 78.
122
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
alle möglichen Länder
• eigene (harte) Schlüsselkriterien, die bei der Auswahl des Erfolg versprechensten Auslandsmarktes relevant sind • ggf. Nutzung der Ergebnisse des ChecklistVerfahrens oder des „Scoring“-Modells
Checklist-Verfahren: grobe Auswahl anhand eigener vorgegebener Muss-Kriterien
potenzielle Länder
• momentane Marktgröße, Marktwachstum und Marktentwicklung sowie besondere Trends im Markt • Kaufkraft (B2C-Markt), vorhandene Budgets (B2B-Markt) zur Ermittlung der Preisbereitschaft
Bewertung von Marktpotenzial und Marktentwicklung
interessante Länder
• Stärken im Heimatland sind möglicherweise auch Stärken im Zielland (Überprüfung!) • Wettbewerbssituation und -umfeld (Wettbewerbsintensität, Rentabilität in dem Wettbewerbsumfeld) • Finden des richtigen Zeitpunkts für den Markteintritt • Klärung der Eigentumsrechte, z.B. Marke, Patente • Klärung der lokalen Vorschriften, v.a. die sich auf die Kostenstruktur auswirken
Bewertung des erreichbaren Marktanteils
Zielländer
Abb. 4.7:
• Marktsegmentierung, Zielgruppenbestimmung, Differenzierung und Positionierung • Vorgaben bei der Form des Markteintritts • Risikobewertung und „Exit Strategy“
Bewertung der konkreten Bedarfe der Kunden
Länder-Screening von Zielmärkten
Viele Unternehmen streben eine dominante Position in ihrem Marktsegment an. Sie werden sich nur auf Segmente konzentrieren, in denen sie die erste Position, d.h. Marktführerschaft, erzielen können oder die zweite Position, allerdings nur mit guten Chancen aufzusteigen. In der Praxis wird immer die Anzahl von ein bis drei Unternehmen genannt, die in einem wohl definierten Marktsegment erfolgreich operieren können. Als dominante Position in einem Marktsegment werden in der Praxis mindestens 30 % Marktanteil genannt.
4.1.4
Strategie und Wettbewerb bei der Länderauswahl
Eine zentrale Frage, die sich Unternehmen bei der Auswahl eines neuen Ländermarktes stellt, ist, in welchen Ländermärkten es seine Stärken bezogen auf das Unternehmen oder bezogen auf das Marktangebot optimal einsetzen kann bzw. in welchen Ländermärkten diese
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
123
Stärken wertgeschätzt werden. Dafür ist die SWOT-Analyse einsetzbar. Sie ist ein Werkzeug, um die eigenen Stärken, d.h. die strategischen Wettbewerbsvorteile zu erkennen und auf dieser Basis nach Geschäftsgelegenheiten zu suchen.1 Die ermittelten Schwächen werden im Hinblick auf mögliche Bedrohungen untersucht. Für den Fall eines neuen Ländermarktes kann die SWOT-Analyse z.B. das Folgende ergeben: • verlangt nach • bietet nur technisch Standardkomplexen lösungen an Lösungen Markt
Wettbewerb Fokus auf
Stärken („Strengths“)
Marktgelegenheiten („Opportunities“)
• technische Kompetenz • Markennamen • finanzielle Ressourcen
• Premiumanbieter für Kunden, die die technische Kompetenz wertschätzen
Schwächen („Weaknesses“) • Mangel an Marktkenntnis • Koordination zwischen Headquarters und den Vertriebsniederlassungen • hohe Kosten
Abb. 4.8:
Bedrohungen („Threats“) Strategien der Wettbewerber • „buy national“Strategien • schnelle Reaktion auf Veränderungen in den Kundenpräferenzen • Fokus auf preisgünstige Lösungen
• Erkennen der wirklichen Kundenbedürfnisse • langsame Reaktion auf Veränderungen in den Kundenpräferenzen
SWOT-Analyse bei Auswahl von neuen Ländermärkten
Wie Kohlert darstellt, ist „eine Stärke (…) dann gegeben, wenn a) der Markt diese Stärke als Alleinstellungsmerkmal anerkennt, sie wertschätzt und bereit ist, dafür einen Premiumpreis zu bezahlen, b) der Wettbewerber diese Stärke nicht hat und nicht so schnell erwerben kann.“2 Bei dieser Fragestellung müssen die möglichen Stärken eines Unternehmens erneut
1 2
Vgl. Kohlert, 2013, S. 160. Ebenda, S. 159.
124
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
behandelt werden, da einige neue Aspekte hinzukommen. Stärken des Unternehmens könnten in den folgenden Bereichen liegen:1
Qualität wird nur insofern als Stärke akzeptiert, als der Markt auch wirklich bereit ist, für die erhöhte Qualität einen Mehrpreis zu bezahlen. Dies ist nicht selbstverständlich, deutsche Marktangebote haben oft auch den Ruf des Überteuerten. Eine gesonderte Prüfung ist auf alle Fälle notwendig. Auch sollte überprüft werden, welche Qualität als Standard erwartet wird und ob eine höhere Qualität einen höheren Preis rechtfertigt und um wie viel. Das wird abhängig vom jeweiligen Auslandsmarkt sein! Es muss dem neuen Markt ein Marktangebot unterbreitet werden, das er so noch nicht kennt, d.h. es wird sich um eine Innovation handeln bzw. auf dem Markt wirklich neu erscheinen. Dies steht oft in Verbindung mit neuen Technologien, mit denen das Unternehmen in der Lage ist, ein bestimmtes Problem besser zu lösen als die Wettbewerber. Fähigkeiten der Mitarbeiter können eine Stärke sein, wenn diese gewohnt sind, im interkulturellen Kontext zu arbeiten. Dies gilt insbesondere für die Dienstleistungen, die in fast jedem Marktangebot eine große Rolle spielen. Eine hohe Flexibilität ist ebenfalls gefordert, da immer wieder neue Erkenntnisse ein Überdenken bestehender Vorgehensweisen notwendig machen. Wenn für den Kunden im neuen Ländermarkt nachgewiesen werden kann, dass mit einem neuen Marktangebot seine Kostensituation verbessert wird, „Economies of Scale“ realisiert werden können, stellt dies ebenfalls eine Stärke dar. Die Stärken müssen die Bedürfnisse des Kunden genau treffen, d.h. auch nicht übertreffen. Für einen Mehrnutzen über den Erwartungen ist der Kunde in der Regel nicht bereit, mehr Geld zu bezahlen, für eine perfekte Lösung schon! Die SWOT-Analyse eignet sich auch, wie das folgende Beispiel zeigt, um Sachverhalte zu strukturieren2, wie das folgende Beispiel zeigt:
1 2
Vgl. Kohlert, 2013, S. 161 f. Diese SWOT-Analyse wurde von Techn. Dipl. Betriebsw. (FH) Helen Pecurovska im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule Esslingen in Zusammenarbeit mit der EMAG Maschinenfabrik GmbH, Salach, erstellt und durch den Autor dieses Buches überarbeitet.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
125
Stärken
Gelegenheiten
guter Standort
• über die Ostsee leichter Zugang zu den skandinavischen und den Nordseehäfen • Brücke zum russischen Markt
zunehmende Produktionsmenge
• steigende Gewinne durch „Economies of Scale“ • Kapital für Investitionen steigt
niedriges Lohnniveau
• geringe Arbeitskosten lassen auch lohnkostenintensive Arbeiten zu
hohe Arbeitslosigkeit
• hohes Arbeitskräftereservoir
Schwächen
Bedrohungen
hohe Arbeitslosigkeit
• Schwächung der Kaufkraft kann sich auf den B2B-Markt auswirken
Finanzlage des Staates
• hohe Staatsverschuldung schädigt Geschäftsklima • Nachfrage kann sinken
Bürokratie
• Gerichtsprozesse ziehen sich in die Länge • Steuerbehörden behandeln Sachverhalte unterschiedlich, erschwert die Planung
schlechte Verkehrsinfrastruktur
• Gefahr, dass Güter beschädigt, später, oder gar nicht ankommen
Abb. 4.9:
SWOT-Analyse – am Beispiel des polnischen Marktes
Eine weitere zentrale Frage bei der Auswahl eines neuen Ländermarktes ist, wie sich die Wettbewerbsverhältnisse im Ländermarkt darstellen. Man wird versucht sein, sehr wettbewerbsintensive Länder zu vermeiden bzw. sie sehr intensiv zu analysieren, bevor eine Markteintrittsentscheidung getroffen wird. Die „Porter’s 5-Forces Analysis“ ist eine Methode zur Beschreibung des gesamten Wettbewerbsumfeldes, in dem sich ein Unternehmen bewegt. Das Ziel der Analyse ist es, die Bereiche („Kräfte“) zu erkennen, die für das eigene Unternehmen als besonders kritisch angesehen werden können. Jede Branche kann nach Porter durch fünf verschiedene Kräfte beschrieben werden:12
1 2
Vgl. Porter, 1998b Vgl. Kohlert, 2013, S. 113 ff.
126
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten Neue Wettbewerber: Bedrohungen?
Lieferanten: Verhandlungsmacht?
Wettbewerber in der eigenen Branche: Intensität der Rivalität zwischen den Herstellern
Kunden: Verhandlungsmacht?
Substitutionsprodukte: Bedrohungen? Abb. 4.10:
1
Beherrschende Kräfte des Wettbewerbs nach Porter („Porter’s 5-Forces Analysis“)
Die Analyse der vorhandenen Wettbewerber in der eigenen Branche („alte“ Wettbewerber) erfolgt, um zu erkennen, mit welchen Marktangeboten und Preisen diese auf dem Markt agieren, Entwicklung der Gewinnmargen, Umsatzentwicklung, Kapazitätserweiterungen etc. und auch, um ein Gefühl für die Besonderheiten der Branche im neuen Ländermarkt zu erhalten: Wie entwickelt sich die Branche als Ganzes, gibt es Anzeichen für einen drohenden Niedergang, für einen drastischen Aufschwung? Haben mögliche Lieferanten in diesem neuen Ländermarkt eine Verhandlungsmacht, etwa weil es nur wenige gibt, welche Alternativen gibt es gegebenenfalls, wer sind die Hauptgesellschafter der Lieferanten? Mitunter stellt sich heraus, dass bestehende Wettbewerber Anteile an Lieferanten gekauft haben. Solche Informationen sollte man vor dem Markteintritt haben. Unter Kunden sollen hier solche Abnehmer verstanden werden, „die bei einem bestimmten Anbieter mit einem gewissen Maß an Regelmäßigkeit ihren Bedarf decken.“1 Dazu gehören im B2B-Markt Kunden, die das Marktangebot weiterverarbeiten, aber auch Vertriebsunternehmen. Die Struktur der Kunden beeinflusst ebenfalls den Wettbewerb, etwa die Anzahl und die jeweilige Unternehmensgröße, deren Kaufvolumen, die Kosten des Anbieterwechsels, auch hier kann es passieren, dass bestehende Wettbewerber Kunden bzw. Vertriebswege aufkaufen, oder sich zumindest daran beteiligen. Mitunter soll es vorkommen, dass Unternehmen einen fünfjährigen Exklusivvertrag mit einem Importeur abschließen, um dann später festzustellen, dass ihr größter Wettbewerber auf dem Markt Mehrheitsgesellschafter des Importeurs ist. Da von allen einschlägigen Unternehmen der Branche ständig neue Marktangebote entwickelt und alte verbessert werden, muss mit entsprechenden Substitutionsprodukten immer gerechnet werden. Substitute sind Problemlösungen, die vom Kunden als Alternative in Betracht gezogen werden können. Auch wenn das Unternehmen dies anders
Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, S. 40.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
127
sieht, ist doch die Meinung des Kunden entscheidend. Sobald eine andere Problemlösung für ihn subjektiv eine Alternative darstellt, stellt es ein Substitutionsprodukt dar. Inwieweit entdecken auch andere neue Wettbewerber diesen interessanten Ländermarkt? Sie treten immer dann auf, wenn die Gewinnaussichten in einem Land sehr gut sind oder in der Zukunft sehr gut werden könnten. Neue Unternehmen treten bisweilen äußerst aggressiv in den Markt ein, um möglichst schnell einen bestimmten Marktanteil zu erreichen, der für den erfolgreichen Einstieg aufgrund der kritischen Betriebsgröße als unabdinglich angesehen wird.
Für das Unternehmen bringt die „5-Forces Analysis“ eine ganze Reihe von Vorteilen: Sie stellt sicher, dass im Vorfeld der Strategieformulierung alle wichtigen Bereiche angesprochen und analysiert werden, die den Wettbewerb beeinflussen. Zusammen mit der SWOTAnalyse können die Stärken betonter genutzt und Schwächen besser beachtet werden.
4.1.5
Länderrisiko als kritische Größe
Durch die Ausweitung der Geschäftstätigkeit in internationale Märkte entstehen zusätzliche Risiken, diese gilt es zu identifizieren und zu quantifizieren. Sie können unterteilt werden in Makro-Risiken und Mikro-Risiken. Die Makro-Risiken im internationalen Geschäft können in politische und wirtschaftliche Risiken unterteilt werden:
Politische Risiken sind etwa das Enteignungsrisiko, das heute nicht mehr so akut ist wie noch vor 60 Jahren, wo wegen der Verstaatlichung unter Nassar der Nahostkrieg von 1956 geführt worden ist. Politische Sanktionen gegen bestimmte Länder, Bürgerkriege und politische Vergeltungsakte gehören zu weiteren politischen Risiken, die man aber recht gut einschätzen kann. Die wirtschaftlichen Risiken haben auch heute noch eine sehr große Bedeutung. Die einzuschlagende Marketingstrategie hängt entscheidend von den Markteintrittsbarrieren ab, die geschaffen werden. Es bestehen eine ganze Reihe von möglichen Markteintrittsbarrieren, wie die folgende Grafik zeigt:
128
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
tarifäre Handelshemmnisse
• • • •
non-tarifäre Handelshemmnisse
• nicht direkt monetär wirksam • indirekter Einfluss ggf. sehr hoch
institutionelle Markteintrittsbarrieren durch
Markteintrittsbarrieren als wirtschaftliche Risiken
Zölle & Gebühren Zollklassifikationen Mengenzoll und Wertzoll Anforderungen an Dokumentationen
• Präferenzen der Nachfrager Markteintritts- • Sprache als Waffe barrieren • Distributionsstrukturen vom Markt • administrative Hemmnisse kulturelle Markteintrittsbarrieren durch • Verfügbarkeit von MarkteintrittsInformationen barrieren vom • Kurzsichtigkeit des Unternehmen Managements
Abb. 4.11:
Markteintrittsbarrieren im internationalen Geschäft
Tarifäre Handelshemmnisse, wie etwa Zölle, spielen im Zeitalter von GATT und der Nachfolgeorganisation WTO heute nicht mehr die Rolle wie in der Vergangenheit. Das „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT) (Welthandelsabkommen) war eine Sonderorganisation der UNO, die die Rahmenbedingungen des Welthandels festlegte. Das GATT war keine internationale Organisation, sondern ein Vertrag, weshalb seine Mitglieder auch als Vertragsparteien angesprochen wurden. Von 1947 bis 1994 wurden in mehreren Verhandlungsrunden Zölle und andere Handelshemmnisse Schritt für Schritt abgebaut. Die „World Trade Organization“ (WTO) Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf wurde am 1. Januar 1995 als Nachfolgeinstitution für das GATT ins Leben gerufen. Die wichtigsten WTOVereinbarungen sind über den freien Güterverkehr (GATT – General Agreement on Tariffs and Trade), die Dienstleistungen (GATS – General Agreement on Trade in Services) und das intellektuelle Eigentum (TRIPS – Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Die WTO verfügt im Gegensatz zu den Vereinten Nationen über ein Streitbeilegungsverfahren. Verstöße gegen das WTO-Recht können darüber eingeklagt werden.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
129
Dasselbe gilt jedoch nicht für die non-tarifären Handelshemmnisse. Darunter versteht man gesetzliche Regelungen, die zwar nicht ausdrücklich den Import bestimmter Güter erschweren, aus deren Anwendung jedoch ein Handelshindernis für ausländische Exporteure folgt:1
quantitative Restriktionen wie Quoten, Embargos auf Importe Importlizenzen, z.B. durch restriktive Lizenzvergebungspraktiken Gebrauch von nationalen anstatt internationalen Produktstandards, Tests, Auszeichnungen, Zertifikaten unnötige Berücksichtigung von Umweltstandards, Nicht-Anerkennung der Selbstzertifizierung der Hersteller zur Bestätigung der Produktstandards Exportfinanzierung zu begünstigen Konditionen, Agrarsubventionen für eigene Marktangebote, die Exporte von Drittwelt-Ländern erschweren bei staatlicher Beschaffung bestehende „buy national“-Richtlinien, „closed bidding“, d.h. Begrenzung der Unternehmen, die am Bieterprozess um einen Auftrag teilnehmen dürfen Mangel an Schutz des geistigen Eigentums wie Verstoß gegen Copyright, unangemessener Patentschutz, Fälschung von Handelsmarken Barter-Vereinbarungen, Tauschgeschäfte Ware gegen Ware werden von den ausländischen Regierungen verlangt als Voraussetzung um Importe zuzulassen Dienstleistungsbarrieren wie Importverbote, Quoten für ausländische Filme, Erfordernis, dass Importe von inländischen Unternehmen ausgeführt bzw. diese beteiligt werden müssen Limitationen bei ausländischen Anteilseignern „local content“-Bestimmungen, die einen bestimmten Anteil vorsehen, der im Inland gefertigt wird Devisenbewirtschaftung, d.h. Transfer von Gewinnen und Kapital ins Ausland ist streng reglementiert Regierungen versuchen oft über „local content laws“ die Fertigungen nationaler Unternehmen zu schützen, indem sie die ausländischen Unternehmen verpflichten, nationale Lieferanten zu wählen. Obwohl dies heute unter den WTO-Richtlinien nicht mehr möglich ist, finden diese Staaten dennoch Wege, es über andere Handelshemmnisse umzusetzen. Der Erfolg ist jedoch zweifelhaft: China hat etwa keine „local content laws“ für Heimelektronik und dennoch entwickelte sich die nationale Zuliefererindustrie dafür sehr stark, so dass sie heute fast die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Nachdem Mexiko die „local content laws“ für Automobilhersteller einstellte, arbeiten heute in Mexiko siebenmal mehr Menschen in der Zuliefererindustrie als in der Montage von Automobilen. Durch „local content laws“ werden damit Ineffizienzen aufrecht erhalten, von denen bereits mittelfristig niemand einen Nutzen hat.2 Dumping bezeichnet den Verkauf von Waren oder Leistungen unter den eigenen Kosten. Im internationalen Kontext liegt hier eine Form der geografischen Preisdifferenzierung vor, bei welcher der Preis für ein bestimmtes, standardisiertes Gut im Ausland (wesentlich) niedriger 1 2
Vgl. Czinkota/Ronkainen, S. 38. Vgl. Farrell/Remes/Schulz, S. 32.
130
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
ist als im Inland. Selbst wenn eine derartige Preisdifferenzierung gerechtfertigt sein kann, z. B. aufgrund unterschiedlicher Markt- und Wettbewerbsbedingungen, steht dies internationalen Richtlinien entgegen. Beim Dumping werden in Abhängigkeit des jeweils verfolgten Ziels unterschiedliche Formen unterschieden:
ein möglichst schneller Eintritt in Auslandsmärkte sein („penetration dumping“) Verdrängung bestehender Wettbewerber („predatory dumping“) Abschreckung potentieller Konkurrenten („defensive dumping“) Ausgleich zyklischer Nachfrageschwankungen („cyclical dumping“). unbewusst („unintentional dumping“)
Wie diese Handelshemmnisse sich etwa auf die Dienstleistungen auswirken können, zeigen die folgenden Beispiele:1 Typ
Beispiel
Auswirkungen
tarifäre Maßnahmen
Zoll auf importierte Werbung
Diskriminierung ausländischer Werbeagenturen
Zoll auf IT-Dienstleistungen
Preise der ausländischen IT-Dienstleister werden höher als die der inländischen Anbieter
höhere Studiengebühren für Reduktion der ausländischen ausländische Studierende Studierenden non-tarifäre Maßnahmen „buy national”-Kampagnen Verbot der Einstellung ausländischen Personals direkte Einflussnahme der Regierung Verknappung der Ressourcen Restriktionen bei Dienstleistungen bei Anbietern oder Nachfragern Abb. 4.12:
Regierung kauft nur von inländischen Anbietern
Diskriminierung ausländischer Anbieter
Priorität bei Arbeitsplätzen für Inländer
kann Zulieferer abhalten, Niederlassungen in dem Staat zu errichten
staatliches Monopol in Industrien
Dienstleistungen müssen an den Staat vermarktet werden.
zu wenige ausgebildete lokale Fachkräfte
limitiert das Angebot an Dienstleistungen
Limitierung der Touristen, die in ein Land dürfen
limitiert die Entwicklungsmöglichkeiten in einer Branche
Auswirkungen von tarifären oder non-tarifären Maßnahmen auf den Export von Dienstleitungen
Ein Länderrisiko aus wirtschaftlicher Sicht bezeichnet auch das Risiko des Lieferanten, „trotz Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Importeurs aufgrund eines vom Importstaat verursachten Umstandes einen Verlust seiner Forderung zu erleiden.“2 Diese Risiken können 1 2
Vgl. Czinkota/Ronkainen, S. 536. Hermes Kreditversicherungs-AG, Information Nr. 212, April 1995.
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
131
in zwei Kategorien aufgeteilt werden, nämlich erstens in die Risiken für das Liefergeschäft. Diese entstehen durch ein Kriegsrisiko mit der Folge, dass Waren durch ausländische Stellen beschlagnahmt oder vernichtet werden etc. Hierzu zählt das Embargorisiko als politisch motiviertes Verbot auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsverkehrs sowie das Beschlagnahmerisiko durch Verstaatlichungen. Zweitens bestehen Risiken für den Zahlungsfluss. Sie entstehen durch das Konvertierungs- und Transferrisiko durch verzögerte Konvertierung bzw. Transfer aufgrund eines Devisenmangels beim Schuldner im Land seiner Währung, durch Zahlungsverbot- und Moratoriumsrisiko aufgrund gesetzgeberischer Maßnahmen des Schuldnerlandes, durch das Wechselkursrisiko im Falle von Abwertungen der vereinbarten Landeswährung des Schuldners sowie durch die politisch bedingte Insolvenz infolge Abwertung der eigenen Landeswährung. Dies führt zu Insolvenzen bei einheimischen Unternehmen, die in einem anderen Land verschuldet waren, gegenüber dessen Währung abgewertet wird.1 Wechselkursschwankungen können abgefedert („hedging“) werden. Es bestehen die folgenden Lösungsmöglichkeiten zur besseren Planbarkeit von Gewinnmargen: Fakturierung in eigener Währung Preis in fremder Währung wird an einen Referenz-Wechselkurs gekoppelt „Hedging“ des Währungsrisikos durch Optionen auf Währungen Bei den politischen Risiken können zur Risikominderung die folgenden Maßnahmen in Betracht gezogen werden:2
Bei einem „Joint Venture“ mit einem inländischen Partner wird das Unternehmen nicht mehr als „so ausländisch” angesehen. Bei einer Erweiterung der Investitionsbasis wird die Verhandlungsmacht gegenüber der inländischen Regierung umso größer, je mehr Unternehmen und Banken an einer Investition beteiligt sind. Die Kontrolle über die Vertriebswege, insbesondere in internationalen Märkten, schützt oft vor der Verstaatlichung. Man würde den Zugang zu den Märkten verlieren. Bei der Lizenzierung wird das Know-how an ein lokales Unternehmen verkauft. Das politische Risiko ist hier minimal. Die Mikro-Risiken werden im Rahmen des Risiko-Managements im Unternehmen für ein bestimmtes Vorhaben dargestellt. Es bestehen die folgenden Risikobereiche:3
1 2 3
Vgl. Hermes Kreditversicherungs-AG, Information Nr. 212, April 1995. Vgl. Cateora/Graham, S. 158 f. Vgl. Kohlert, 2013, S. 247.
132
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten Verstehen der Risikobereiche
Technologierisiken
Marktrisiken
Wird das innovative Marktangebot funktionieren? • Ist es technisch möglich, die erwarteten Eigenschaften des Marktangebots umzusetzen?
Gibt es Kunden? • Werden die Zielgruppen wirklich das neue Marktangebot akzeptieren? • Haben sie bestehende Alternativen zur Problemlösung? • Kann die Zielgruppe leicht erreicht werden? • Ist die Zielgruppe so groß wie gedacht?
Wie ist der Zustand der Anlagen? • Besteht eine Veralterung von bestehenden Maschinen und Anlagen? • Wurden Investition in neue Technologien getätigt, die sich noch nicht in der Breite durchgesetzt haben?
Abb. 4.13:
Was werden die Wettbewerber tun? • Werden sie „ihren Markt“ verteidigen? • Mit welchen Maßnahmen ist zu rechnen? • Sprechen sie die selben Zielgruppen an? • Welche Stärken werden sie hervorheben? • Wie werden sie ihren Kundenwert vermarkten? • Ist der Markt ein „Winner takes it all”-Markt?
Unternehmensrisiken
Kann das eigene Unternehmen gleichzeitig entwickeln, fertigen und verkaufen? • Hat das Unternehmen das Talent zu entwickeln? • Hat es die Fähigkeiten, effizient zu fertigen? • Hat es die Kenntnisse, ein gutes Marketing zu betreiben? Hat das Unternehmen die Kapazitäten oder müssen neue aufgebaut werden? • Müssen in naher Zukunft Investitionen in die Erweiterung oder den Ersatz getätigt werden?
Verstehen der einzelnen Risikobereiche
Weiterhin sind noch weitere Risikobereiche zu beachten:
Das Liquiditätsrisiko ist vor allem bei jungen Unternehmen hoch. Ein Risiko besteht darin, dass im Falle eines Nachfragerückgangs infolge eines veränderten wirtschaftlichen Umfeldes die im Vorfeld getätigten Investitionen und damit verbundenen Fixkosten (z.B. Abschreibungen, Personalkosten) bzw. Liquiditätsabflüsse (z.B. Kredittilgungen) sich nicht oder nur in geringem Maße reduzieren lassen. Das Rechtsrisiko beinhaltet, dass bestimmte Geschäfte bzw. Verträge rechtlich aufgrund unzureichender Dokumentation bzw. Form nicht oder nur teilweise durchsetzbar sind. Dies tritt vor allem bei unzureichender juristischer Beratung auf. Nachdem die Risikobewertung abgeschlossen wurde, werden die Risiken mit adäquaten Risikostrategien gesteuert, indem die Risiken durch gezielte Maßnahmen beeinflusst werden. Dabei sollen mögliche Gefahren, Verlust- und Schadenspotenziale kontrolliert werden. Es
4.1 Auswahl von Auslandsmärkten
133
gibt folgende Strategien zur Risikosteuerung: Vermeidung, Verminderung, Begrenzung, Abwälzung und Übernahme:1 vermeiden vermindern
Gesamtrisiko
begrenzen überwälzen
Restrisiko
selbst tragen
Abb. 4.14:
Strategien der Risikosteuerung
Risikovermeidung wird nur in Fällen angewendet, wenn diese existenzielle Risiken für das Unternehmen bergen. In diesen Fällen werden die Geschäfte vermieden, was zur Folge hat, dass mögliche Chancen nicht wahrgenommen werden können. Bei der Risikoverminderung ist das Ziel, sowohl die Schadenshöhe als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit zu vermindern. Bei der Risikobegrenzung wird das Gesamtrisiko auf mehrere unabhängige Einzelrisiken aufgeteilt. Bei der Risikoabwälzung werden Risiken durch Übertragung auf Dritte abgewälzt. Somit werden Risiken an sich in keiner Weise beeinflusst, sondern an andere weitergegeben. Eine Risikoübernahme findet nur statt, wenn der Aufwand für die anderen Risikostrategien und deren Maßnahmen mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist. Dabei wird bewusst auf Steuerungsmaßnahmen verzichtet und die Konsequenzen werden somit in Kauf genommen und getragen. Dafür werden entsprechende Risikoreserven gebildet. Außerdem ist eine realistische Risikoanalyse entscheidend für eine solche Strategie, sonst kann ein Risiko, dessen Ausmaß als schwach bewertet wurde, durch eine Fehleinschätzung das Unternehmen in ernste Gefahr bringen.2 Möglichkeiten zur Reduzierung der Mikro-Risiken sind die Vorkasse als das gebräuchlichste Sicherungsmittel, aber auch der Tauschhandel („countertrade“) und die Forfaitierung der Ausfuhrforderung. Bei der Forfaitierung wird die Einzelforderung aus einem Exportgeschäft an einen so genannten Forfaiteur mit den angehefteten Sicherheiten verkauft. Dazu 1 2
Vgl. Reichmann, S. 628 ff. Vgl. ebenda, S. 634 f.
134
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
kommt die Möglichkeit, eine staatliche Ausfuhrgewährleistung durch den eigenen Staat zu erhalten. Frühzeitig sollten Zielsetzungen im Auslandsmarkt fixiert werden. Wichtig wäre hier, die richtigen Messgrößen zu formulieren, die für das Unternehmen relevant sind. Neben Umsatz und Gewinn bzw. maximalem Verlust im ersten Jahr können das jedoch auch Ziele wie die Akquisition von einem bedeutenden Referenzkunden sein. Dieser Referenzkunde ist im ersten Jahr möglicherweise wichtiger als ein Umsatz.
4.2
Länderauswahl unter Berücksichtigung der Marktsegmente
Zusätzlich zur Auswahl der Ländermärkte werden auch Informationen zu den Marktsegmenten mit einbezogen. Diese Vorgehensweise verfeinert im Prinzip die Informationen, die sich aus dem Mikroumfeld des Unternehmens ergeben, indem es Wettbewerber in den jeweiligen Ländermärkten in der Auswahlentscheidung berücksichtigt. Die internationale Marktsegmentierung unterscheidet sich vor allem in der Grundorientierung des Managements und in der erhöhten Komplexität durch den internationalen Bezug. Eine internationale Marktsegmentierung bezogen auf die Ländermärkte macht immer dann Sinn, wenn das Unternehmen eine
polyzentrische Grundorientierung besitzt und eine differenzierte Marktbearbeitung verfolgt.
Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der richtigen Marktsegmente in internationalen Märkten kann wie folgt dargestellt werden:
IST-Analyse Markt
Abschätzung der Marktentwicklung
Bestimmung der Einflussfaktoren auf die Marktattraktivität
Festlegung der attraktivsten Marktsegmente
Segmentierung des Marktes
IST-Analyse Wettbewerb Abb. 4.15:
Festlegung der attraktiven Marktsegmente
Bestimmung der eigenen Stärken
Bestimmung der Stärken der Wettbewerber
Vorgehensweise bei der Ermittlung der relevanten Marktsegmente
Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition
4.2 Länderauswahl unter Berücksichtigung der Marktsegmente
135
Im ersten Schritt erfolgt die Marktsegmentierung, um die potenziellen Kunden festlegen zu können.1 Diese kann nach den folgenden Kriterien erfolgen:
Art der Unternehmen, z.B. Handelsunternehmen, Industriekunden; dies sagt auch etwas über die Vertriebswege im Land aus. Unternehmensgröße, um Aussagen über Struktur und Kaufkraft treffen zu können; wichtige Größen sind hier die Mitarbeiteranzahl und der Umsatz. Wie eine Marktsegmentierung gestaltet werden kann, zeigt das Beispiel des Unternehmens Fuchs Petrolub AG.2 Das Unternehmen bietet Schmierstoffe für hunderte von Anwendungsgebieten, darunter Schmierstoffe für Auto- und Motorradfahrer, Gütertransport, Personenverkehr, Stahlindustrie, Bergbau, Fahrzeug- und Maschinenbau sowie die Bauwirtschaft und den Agrarbereich. Die Produkte umfassen ein Programm von Schmierstoffen und Spezialitäten. Die Spezialitäten haben einen hohen Technologiegehalt und unterliegen einem erheblichen Innovationstempo. Schmierstoffe sind kein homogenes Produkt. Das Produkt ist sehr gut segmentierbar, wie die folgende Grafik zeigt: 0,9%
100%
7.9%
90%
4,7% 13,4%
Davon träumen alle !
80% 70% 60% 79,6%
50%
79,1%
40%
Höchstleistungsschmierstoffe: Höchstwertige Produkte
30%
Spezialitäten: Hochwertige Produkte
20%
Standardschmierstoffe: Mittelwertige Produkte Commodities: Niedrigwertige Produkte
10% 0%
Abb. 4.16:
11,6%
Menge
2,8%
Rohertrag 3
Segmentierung des Weltschmierstoffmarkts nach „Wertigkeitsklassen“
Ausgehend von der Konvergenztheorie von Levitt betrachtet die integrale Marktsegmentierung die Welt als homogenen Gesamtmarkt und versucht, globale Marktsegmente zu finden.4 Dies ist in B2C-Märkten schwieriger als in B2B-Märkten, in denen die technischen Bedürfnisse sich nach gleichen Grundmerkmalen ausrichten. Das Unternehmen ihren Markt in globale Marktsegmente einteilen, findet man heute immer öfters. 1 2
3 4
Bei der Marktsegmentierung wird hier auf die Literatur verwiesen, z.B. Kohlert, 2013, S. 179 ff. Die Aussagen einschließlich der Grafik basiert auf einem Vortrag von Dr. Manfred Fuchs anlässlich des Kolloquiums „Fragen zur Führung eines transnationalen Unternehmens mit Sitz in der EU“ am 23. November 2004 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Grafik übernommen von der Fuchs Petrolub AG (mit freundlicher Genehmigung). Vgl. Levitt.
136
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Im zweiten Schritt erfolgt die Festlegung der Zielsegmente („Targeting“) in den möglichen Ländern. Was oft vergessen wird ist, dass „Targeting“ auch bedeutet, auf bestimmte Geschäfte bewusst zu verzichten. Das „No Go“ gehört im Prozess dazu, mit anderen Worten: „Was kostet es mich, es nicht zu tun?“ In den Zielsegmenten konzentriert das Unternehmen die vorhandenen Ressourcen gezielt auf einige ausgewählte homogene Gruppen von Kunden (Marktsegmente). In dieser Festlegung ist das Folgende bei der Marktsegmentierung zu beachten:
Hat dieses Marktsegment eine deutlich von anderen Segmenten abgrenzbare Gruppe von Kunden mit homogenen Anforderungen? Gibt es eine deutlich abgrenzbare Gruppe externer Wettbewerber im jeweiligen Marktsegment? Wirken sich Preisschwankungen nur auf dieses Marktsegment aus? Sind Synergien zu anderen Marktsegmenten im Unternehmen vergleichsweise gering? Ließe sich dieses Marktsegment aus dem Unternehmen ausgliedern, ohne dass andere Bereiche in Mitleidenschaft gezogen werden? Im nächsten Schritt erfolgt die Abschätzung der Marktentwicklung in jedem einzelnen Marktsegment:
Einflussfaktoren
Segmente S1, S2, ..., Sn Abb. 4.17:
Marktvolumen Marktwachstum
Rentabilität
Bewertung des Marktsegments
Prognose/ Szenario
Abschätzung der Marktentwicklung in jedem Marktsegment
Hier schließt sich die Marktanalyse an. Zu einem Teilgebiet der Marktanalyse gehört die Einschätzung der quantitativen Marktrelationen (Marktgröße/Marktaufnahmefähigkeit) sowie die Prognose seiner Entwicklung für die Zukunft. Dabei lassen sich die folgenden Größen unterscheiden:1
1
Höhe und Entwicklung des Marktpotenzials unterteilt nach freiem Marktvolumen, d.h. potenzielle Abnehmer und zur Zeit nicht mit Kaufkraft ausgestattete Bedarfsträger, bei denen man einen Anteil am Zuwachs des Marktpotenzials erwerben möchte. Höhe und Entwicklung des Marktvolumens, d.h. des erzielten Absatzvolumens des Wettbewerbs und des eigenen Unternehmens. Jahresbedarf der potenziellen Kunden, unterteilt nach Produktgruppen und Gegenüberstellung des möglicherweise zu realisierenden Umsatzes bei den einzelnen Kunden. Vgl. Kohlert, 2013, S. 119 f.
4.2 Länderauswahl unter Berücksichtigung der Marktsegmente
137
Hierbei handelt es sich um das so genannte „freie Marktvolumen“ einschließlich der bislang nicht mit Kaufkraft ausgestatteten Bedarfsträger. Ist das Unternehmen bereits auf dem Markt präsent, interessiert selbstverständlich auch sein Marktanteil. Der eigene Marktanteil stellt den erzielten Umsatz des eigenen Unternehmens im Verhältnis zu allen Wettbewerbern dar. Oftmals wird hier auf den relativen Marktanteil abgezielt, da nur die Betrachtung zu den direkten Wettbewerbern wirklich aussagekräftig ist. Auf der Basis der vorliegenden Informationen wird die Attraktivität des jeweiligen Marktsegments in jedem Auslandsmarkt bewertet. Mit diesen Informationen ist es möglich, sich ein umfassendes Bild über das jeweilige Marktsegment in jedem der möglichen Auslandsmärkte zu machen und die eigene relative Wettbewerbsposition zu ermitteln, d.h. welche Position hat das eigene Unternehmen im Vergleich zu seinen direkten Wettbewerbern: Gewichtung bzw. Summe
eigenes Untern.
Wettbewerber 1
relativer Marktanteil
100%
19%
20%
Stärken: • • •
40%
5
4
30%
3
4
30%
3
5
Bewertung der Stärken
100%
3,8
4,3
relative Bewertung • relativer Marktanteil • Stärken
60%
0,95
1,05
40%
0,88
1,13
gewichteter Durchschnitt
100%
0,92
1,08
stark/mittel/...
mittel
stark
Wettbewerbsposition Abb. 4.18:
Wettbewerber 2
Wettbewerber 3
Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition
Die Feinauswahl der relevanten Marktsegmente auf Basis der Wettbewerbsposition kann in einer Tabelle erfolgen, in der die relevanten Branchen in den jeweiligen Ländern aufgelistet werden. Der Stand der Aktivitäten in den Ländern wird in der Darstellung der IST-Situation kurz für jedes einzelne in Frage kommende Land gekennzeichnet. Dies stellt entweder die eigene Wettbewerbsposition dar, sofern schon Aktivitäten in der Vergangenheit getätigt worden sind, oder die gegenwärtige Marktsituation. Da man bei einem Markteintritt die „Früchte der Aussaat“ erst später ernten kann, spielt zudem die Prognose eine große Rolle:
Kann die eigene Wettbewerbsposition bei bereits vorhandenen Aktivitäten signifikant ausgebaut werden? Wohin entwickelt sich der Markt in der nächsten Zeit?
138
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Unternehmen fokussieren mitunter sehr stark auf das Entwicklungspotenzial der einzelnen Marktsegmente in den verschiedenen Ländern: Länder Marktsegmente
Land A IST
Prognose
Land B IST
Prognose
Land C IST
Prognose
Automotive, Maschinenbau Automobilhersteller Automobilzulieferer Maschinenbau Metallbearbeitung Energieversorgung Energieerzeugung Energieverteilung Transportwesen Straßenbau Eisenbahn Abb. 4.19:
Feinanalyse bei der Auswahl der Marktsegmente im Ländermarkt
Bei einer Grundsatzentscheidung der Länderauswahl wird zunächst einmal das Management eine Vorentscheidung darüber treffen, mit welchen Marktangeboten in welchen Branchen in welche Länder gegangen werden kann. Der Markteintritt erscheint aufgrund der gemachten Analysen machbar, auch das derzeitige Preisniveau wird berücksichtigt, d.h. es können aufgrund der Kaufkraft nur Maschinen in einer bestimmten Preislage verkauft werden. Die ersten potenziellen Kunden werden ermittelt und weitere Informationen aus diesen Gesprächen gezogen. Informationen darüber erhält man durch „Desk Research“ aber auch über Experten. Diese können durchaus auch aus potenziellen Anwenderunternehmen stammen, sollten dann aber gezielt unter Unternehmen ausgewählt werden, die sich schon intensiv mit der anstehenden Problematik/Lösung befassen. Es können jedoch auch Leute aus dem Top-Management anderer Unternehmen sein, Vordenker aus der Forschung und Entwicklung, Marketing-Strategen etc. Die Aussagen von Experten haben einen stark qualitativen Charakter im Sinne von Szenarien oder Bewertungen von Chancen und Risiken.
4.3 Standortspezifische Entscheidungen
139
4.3
Standortspezifische Entscheidungen
4.3.1
Generelle Einflussfaktoren auf die Standortentscheidung
Die Entscheidungskriterien für den endgültigen Standort sind sehr vielschichtig. Oftmals werden Entscheidungen trotz gemachter Analysen ad hoc auf rein emotionaler Ebene getroffen. Eine Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Standort hängt in der Regel von einer Vielzahl von Faktoren ab, einige werden im Folgenden dargestellt: Arbeitskosten
technische Erfordernisse
Tradition der Standorte
Steuern und Subventionen
Standortentscheidung
persönliche Prioritäten und Kontakte Abb. 4.20:
Kundennähe
Zeitverschiebung und Erreichbarkeit
Einflussfaktoren auf die Standortentscheidung
Die Kundennähe („close to the customer“) vermeidet hohe Transportkosten, macht das Unternehmen unabhängiger von Wechselkursschwankungen, sofern es vor Ort fertigt und lokale Lieferanten hat, und ermöglicht, vielleicht das Wichtigste, eine räumliche Nähe zum Kunden, um Veränderungen in den Kundenpräferenzen schneller erfassen und darauf reagieren zu können. Technische Erfordernisse, wie das Vorhandensein einer bestimmten Logistik, z.B. Überseehafen oder Arbeitskräfte mit einer bestimmten Ausbildung sind ein sehr triftiges Argument. Meist hängen sie von der Tradition der Standorte ab, d.h. wenn diese Branche bereits dort vertreten ist, ist davon auszugehen, dass dieses „cluster“ die erforderlichen Bedingungen für das Unternehmen auch anbieten kann. Der Begriff des „cluster“ basiert auf Porter. „Cluster“ sind kritische Größen an einem Standort, die in einem bestimmten Feld durch Konzentration und Komplementarität der Leistungen einen ungewöhnlichen Erfolg haben. Unternehmen können nicht existieren, wenn sie kein förderndes Umfeld haben, das die verschiedenen
140
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Ressourcen bereitstellt, etwa Teile, Dienstleistungen oder die ausgebildeten Arbeitskräfte.1 Ein „cluster“ wird bestimmt durch die Faktoren geografische Konzentration von Unternehmen, die in einem bestimmten Geschäftsfeld zusammenarbeiten, geografische Konzentration von Unternehmen, die Mitarbeiter mit ähnlichen oder gar gleichen Fähigkeiten benötigen sowie durch die Infrastruktur der Vertriebswege zu den Kunden.2 Die Zeitverschiebung und die Erreichbarkeit vom Heimatland aus spielt eine große Rolle. Gerade in der Anfangszeit muss von einer starken Reisetätigkeit des Managements des Mutterunternehmens sowie ggf. von Experten ausgegangen werden. Damit wird der Markteinstieg durch Besuche der Kunden und der eigenen Mitarbeiter gefestigt. Für den Kunden dokumentiert es ein starkes Interesse, wenn der Geschäftsführer extra aus dem Mutterhaus aus dem fernen Deutschland kommt, um ihn zu sehen. Für die eigenen Mitarbeiter ist es motivierend, Aussagen über die Zielsetzung und die Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens aus dem Munde des Chefs aus Deutschland zu hören. Dieser muss auch versuchen, die Herzen der Leute zu gewinnen, die für ihn arbeiten! Schon von daher lohnt sich der Besuch. Durch Steuern und Subventionen können Industrieansiedlungen vor Ort aus Sicht des Landes forciert werden, natürlich spielen sie in der Kalkulation der Unternehmen eine Rolle, sofern sie vorhersehbar sind, was nicht immer gegeben ist. Staaten liegen im Wettbewerb miteinander, um neue Unternehmen anzusiedeln, z.B. derzeit in Osteuropa. Dafür gewähren sie oft großzügige finanzielle Unterstützungen. Vorteile in den Arbeitskosten dürfen nicht überbewertet werden. In vielen Branchen liegt der Personalkostenanteil deutlich unter 10 %, der Materialanteil zwischen 50 % und 60 %. Demnach können es die Arbeitskosten alleine nicht ausmachen. Wenn sie aber einen Fabrikneubau innerhalb von drei bis sechs Monaten einschließlich Genehmigungsverfahren errichten können, sind dies auch Vorteile, die sich in der Kalkulation deutlich niederschlagen. Immer spielen auch die persönlichen Prioritäten und Kontakte eine Rolle. Positive wie negative Erfahrungen, oft einmalig, wirken sich auf die Einstellung der Entscheidungsträger und damit auf die Standortentscheidung aus. Der Wohlfühlfaktor spielt eine Rolle! Überhaupt stellt sich auch die Frage, ob eigene Mitarbeiter aus dem Mutterhaus bereit sind, vor allem in der Anfangsphase an diesem Standort zu arbeiten. Meist wird eine ganze Anzahl dafür benötigt, sei es einmalig in der Anfangszeit oder laufend.
4.3.2
Standortspezifische Nutzwertanalyse
Bei der standortspezifischen Nutzwertanalyse wird zunächst ein Standortfaktorenkatalog erstellt. Darunter versteht man die Identifikation aller betriebswirtschaftlich relevanten Merkmale des Orts der Leistungserstellung. Die Bedeutung der verschiedenen Standortfaktoren ist unternehmens- und situationsabhängig, damit besteht kein generell geeigneter Standortfaktorenkatalog.
1 2
Vgl. Porter, 1998a, S. 77 ff. Vgl. Kohlert, 2013, S. 225.
4.3 Standortspezifische Entscheidungen
141
Im Diamant-Ansatz von Porter ermittelte fünf Faktoren, von derem Zusammenspiel es abhängt, ob ein bestimmter Standort für ein Unternehmen als optimal erscheint:1
Zufall: • zufällige Entdeckungen • Kriege • technologische Durchbrüche
Unternehmensstrategie, Struktur und Wettbewerb: • Entwicklung von landesspezifischen Strategien und Strukturen
Faktorbedingungen: • Ausstattung eines Landes mit Produktionsfaktoren, insbes. die qualitative Ausstattung
Nachfragebedingungen: • Marktvolumen • Marktsegmente • Qualitätsniveau der Nachfrage
verwandte und unterstützende Branchen: • Zuliefererstrukturen • Anbieter komplementärer Dienstleistungen
Abb. 4.21:
1 2
Staat: • Steuern • Gesetze • Investitionen • Umweltauflagen
Der Porter’sche Diamant
Bei den Faktorbedingungen spielt weniger die Quantität die entscheidende Rolle als die Qualität, z.B. der Ausbildungsstand der Arbeitskräfte, Qualität der Universitäten. Für Porter ist ebenfalls weniger die Ausstattung mit den Produktionsfaktoren von besonderer Wichtigkeit, sondern wie damit umgegangen wird, z.B. wie durch geschickte Kombinationen Innovationen generiert werden. Unterschiedliche Ausstattungen können auch Innovationen anregen, diese Unterschiede im Zeitablauf kompensieren, etwa durch die Entwicklung von durchhaltbaren Wettbewerbsvorteilen.2 Die Nachfragebedingungen umfassen alle Größen, die einen Einfluss auf die Nachfrage haben, wie Marktvolumen, Markttrends, Präferenzen der Kunden, Bedeutung der Marken.
Vgl. Porter, 1991, S. 151. Vgl. Coyne.
142
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten Verwandte und unterstützende Branchen und das Zusammenspiel mit den Herstellern beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit. Anders sind etwa Qualitätsstandards gar nicht zu entwickeln und zu halten. Unternehmensstruktur, Struktur und Wettbewerb sind oft sehr länderspezifisch, etwa das Zusammenspiel zwischen Banken und Industrieunternehmen (in Deutschland), das Zusammenspiel zwischen Staat (MITI1) und Industrieunternehmen (in Japan), die Risikobereitschaft der Menschen und die Entwicklung von neuen Technologien (in den USA).
Die Hauptaussagen von Porter liegen in der Bedeutung des Zusammenspiels der einzelnen Standortfaktoren und nicht in deren bloßer Auflistung. Ausdrücklich hervorgehoben wird auch die Aussage, dass Standortfaktoren immer branchenspezifisch betrachtet werden müssen und dass sich innerhalb eines Landes „cluster“ bilden können, die die Entwicklung innerhalb einer Branche positiv verstärken.
4.3.3
Praxisfall: Standortwahl am Beispiel von Mercedes-Benz
In praxi werden die relevanten Standortkriterien selbst definiert. Eine Standortwahl kann sich am Beispiel von Mercedes-Benz in den USA wie folgt darstellen:2
1
2
Das MITI (Ministerium für Außenhandel u. Industrie) gilt als die geheimnisumwitterte Steuerzentrale japanischer Wirtschaftsoffensiven. Es erarbeitet auch heute noch Rahmenpläne, die bei privaten Unternehmen sorgfältig in die Unternehmensplanung einbezogen werden, wenngleich die Bedeutung heute abgenommen hat. Vgl. Rentschler, S. 47.
4.3 Standortspezifische Entscheidungen unternehmerisches Klima an Standorten • Professionalität/ Kompetenz der Behörden und der Gesprächspartner • lokale Entscheidungskompetenz • Industrieansiedlungen • Einstellung der Bevölkerung gegenüber Industrieansiedlungen in ihrer Gemeinde
Abb. 4.22:
Autobahnanschluss Seehafen Bahnanschluss Flughafen geplante Infrastruktur • Staudichte
Abb. 4.23:
Grundstücksgegebenheiten
Risiken/Termine/ Genehmigungen
• geologische Grunddaten, wie: - Fläche - Emissionen - Topografie - Art des Bodens - Belastungen des Bodens • besondere Gegebenheiten: - Nachbarschaft zu Wohngebieten - externe Belastungen wie Lärm, Geruch
• Umweltauflagen • Grundstückserwerb: - Anzahl Eigentümer - spezifische Rechtsverhältnisse • Baugenehmigung: - Voraussetzungen - beteiligte Ämter - Dauer • Stand der industriellen Erschließungsmaßnahmen
Ver-/Entsorgung, Kommunikation • • • • •
Elektrizität Energieversorgung Wasser/-art Erdgas Entsorgungssystem • Kommunikationseinrichtungen wie Post, Telekommunikation, Transport • vorhandene Dienstleistungen
Standortspezifische Kriterien am Beispiel von Mercedes-Benz und dem US-Markt – Teil 1
Verkehrsanbindung • • • • •
143
Aus-/Weiterbildungsmöglichkeiten
Arbeitsmarktpotenzial
• Universitäten • technische/kaufmännische Ausbildung • Einrichtungen wie Berufsschulen • Anlauf-/Schulungsprogramme
• Ausbildungsstand • Hochschulabgänger • Anteil technischer und kaufmännischer Fachkräfte • Anteil der deutschsprachigen Unternehmensgründungen
Lebensqualität • öffentliche Rahmenbedingungen: - Kindergarten - Schulen - Krankenhäuser - Kriminalität - regionale Sprache • Konsumbedingungen • Lebenshaltungskosten, Miete • Freizeitwert: - Sport - Kultur - Gastronomie
Standortspezifische Kriterien am Beispiel von Mercedes-Benz und dem US-Markt – Teil 2
144
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Am Beispiel der Mercedes-Benz AG auf der Suche nach einem Standort in den USA wurde nach der dargestellten Grundlagenarbeit in zwei Phasen vorgegangen:1
In der ersten Phase sollten „dog and pony shows“ vermieden werden, d.h. man wollte bei allen Gesprächen die gleichen Bedingungen vorfinden, d.h. ähnliche Gesprächspartner, Standorte besuchen, Genehmigungsverfahren vor Ort diskutieren etc. Nach dieser ersten Phase konnte unterschieden werden zwischen quantitativen und qualitativen Größen. Alle quantitativen Größen flossen in die so genannte „Operationskosten-Jahresrechnung“ ein, wie etwa Transportkosten, Arbeitskosten, Steuern. Alle qualitativen Größen, wie erwartete Fluktuation der Arbeitskräfte, Krankenstand, Flexibilität, Ausbildungsstand etc., wurden als Nutzwert zusammengefasst und flossen in die Jahresrechnung mit ein. In der zweiten Phase wurden mit drei Alternativen letzte Verhandlungen geführt, Probebohrungen unternommen und externe Gutachten eingeholt. Bekanntlich fiel die Wahl von Mercedes-Benz in den USA Mitte der 90er Jahre auf den Standort Tuscaloosa/Alabama, und zwar nicht, „weil Alabama bei bestimmten Kriterien am besten abgeschnitten hätte, (…) Tuscaloosa konnte mit den ausgewogensten Bedingungen aufwarten und war bei keinem entscheidenden Punkt nur Mittelmaß.“2 Als Instrumente für die Standortbewertung stehen einige zur Verfügung. Da sind zunächst einmal die monetär orientierten Verfahren zu nennen, wie sie auch Mercedes-Benz bei ihrer Standortentscheidung in den USA einsetzten. Sie basieren auf Gewinnvergleichsrechnungen, Kostenminimierungsverfahren und dynamischen Investitionsrechenverfahren oder auch auf Transportkostenminimierung. Qualitative Aspekte werden durch Checklisten erfasst und durch „Scoring“-Verfahren bewertet. Im Falle von Unsicherheiten können durch die Szenariotechnik mögliche zukünftige Zustände ermittelt werden. In praxi besteht die Standortbewertung in der Regel aus einem Mix verschiedener Verfahren, bei denen quantitative und qualitative Aspekte ermittelt und bewertet werden.
4.4
Marktforschung im internationalen Kontext
4.4.1
Prozess der Marktforschung
Die Erschließung ausländischer Märkte erfordert auch in der Marktforschung ein sorgfältiges Vorgehen und eine stärkere Unterscheidung zwischen Fakten und Meinungen, aus denen dann später eigene Einschätzungen gezogen werden. Der Anteil der „uncontrollables“ ist im Auslandsmarkt naturgemäß höher als auf dem vertrauten heimischen Markt, Adressen von möglichen Kunden stehen meist nur begrenzt zur Verfügung, die Vertriebswege können anders gestaltet als im Heimatland sein etc. Wirklich wichtige Informationen sind selten offen vorhanden; sie müssen erst gesucht und gefunden werden. 1 2
Vgl. Rentschler, S. 50 f. Ebenda, S. 51.
4.4 Marktforschung im internationalen Kontext
145
Aufgrund dieser Unterschiede zur nationalen Marktforschung sollen sie noch einmal zusammengefasst werden:
Das Erkennen und die richtige Bewertung der Umfeldfaktoren spielen bei dem Markteintritt in einen Auslandsmarkt eine herausragende Rolle. Die Besonderheiten eines Landes bezüglich der Charakterisierung der Kunden, den kulturellen Besonderheiten, unterschiedlicher Infrastruktur etc. erhöhen die Anforderungen an die Marktforschung. Der Entwicklungsstand der Datenquellen ist im ausländischen Markt unterschiedlich bzw. nicht mit dem nationalen Markt vergleichbar. Die Kosten der Marktforschung werden nicht in das Budget für den Markteintritt mit aufgenommen. Daher reicht es dann bei der Recherche meist nur für günstige oder kostenlose Angebote oder man unterlässt die erforderlichen Erhebungen gänzlich. Während allgemeine Länderinformationen meist einfach zu erhalten sind, bestehen zahlreiche Schwierigkeiten, Daten über die Marktstrukturen, Ausschreibungen, technische Vorschriften zu erhalten. Meist sind diese nur in der lokalen Sprache erhältlich. Die Selektion und Priorisierung von erhaltenen Informationen stellen oft Probleme dar. Wie bei allen Marktforschungsprojekten ist das Kernziel die Antizipation der Marktentwicklung. Dies beinhaltet die folgenden Betrachtungen:
Entwicklung des Marktes in den letzten und in den nächsten fünf Jahren Erkennen der entscheidenden Variablen für die Marktentwicklung („business driver“), die kritisch für den Erfolg im Markt sind bestehende Marktsegmente und Potenzial für globale Marktsegmente Unverwechselbarkeit der eigenen Marktangebote in dem neuen Kontext erwartete Preislage in dem neuen Auslandsmarkt eventuelle besondere Situationen in den Vertriebswegen, z.B. vom Wettbewerber blockierte Marktzugänge Der Prozess der Marktforschung ist, ob national oder international durchgeführt, überall derselbe. Er soll an dieser Stelle noch mal in Erinnerung gerufen werden:1
1
Vgl. Kohlert, 2013, S. 48.
146
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten bestehende Aufgabe, die Marktinformationen erfordert
Lösung:
Zieldefinition: Problemerkennung
Handlungsempfehlungen
entscheidungsrelevante Informationen
Daten aus: • Internetrecherche (Sekundärdaten) (Desk Research) • eigene Recherche (Primärdaten) (Field Research)
spezifische Feststellung des Informationsbedürfnisses
Marketing Information System (MIS) • Analyse • Lagerung
Abb. 4.24:
• Wiederfinden • Löschen
Prozess der Marktforschung
Zunächst erfolgt die eindeutige Problemdefinition, oft auf das Basis von Symptomen, die meist nur sehr oberflächlich eine mögliche Problemstellung beschreiben und allenfalls als Indikatoren für ein Problem dienen können.1 Der für den Markteintritt zuständige Projektleiter stellt spezifische Informationsbedürfnisse fest. Dazu wird die Frage präzise beantwortet, „Welche Informationen sind für den Erfolg des Eintritts in den Auslandsmarkt notwendig?“ Eine weitere Frage, die sich gerade im Ausland stellt, schließt sich hier an: „Können die relevanten Informationen in einem vertretbaren Kosten/Nutzen-Verhältnis ermittelt werden?“ Leider stellt sich der Nutzen der Informationen oft erst später heraus. Die Suche beginnt zunächst bei den vorhandenen Quellen, etwa im Internet oder im eigenen Hause, durch Eingabe der richtigen Suchbegriffe. Diese Suche wird „Desk Research“ genannt. Hat man sich hier einen Überblick verschafft, folgt der „Field Research“, der vielfältige Formen annehmen kann: von Interviews der potenziellen Kunden, Lieferanten bis hin zu Experten in diesem Land in dieser Branche. Aus diesen Informationsquellen, dem „Desk Research“ und dem „Field Research“ werden die für die Entscheidungen relevanten Informationen extrahiert, ausgewertet und bewertet. Eine Marktforschung endet mit konkreten Handlungsempfehlungen. Bei der Erweiterung der nationalen Aktivitäten in der Marktforschung um eine internationale Komponente, steigt in vielen Fällen der Bedarf nach qualitativen Informationen erheblich an. Das sind alles Informationen, die man nicht einfach über „Desk Research“, im günstigsten Falle aus dem Internet, beschaffen kann, sondern die im Regelfall vor Ort ermittelt werden müssen. Unternehmen führen dazu u.a das Folgende durch:2
1 2
Vgl. zur Darstellung der Problemstellung versus Symptome Kohlert, 2013, S. 54 ff. Vgl. Kohlert/Rempel.
4.4 Marktforschung im internationalen Kontext
147
Workshops mit Kunden auf Vorstandsebene der Kunden (mindestens Einkaufschef), um zu klären, welche Ausschreibungen kommen in der Zukunft, d.h. in den nächsten 1218 Monaten Kundentage „Customer Days“, um Verbesserungsvorschläge aus der Sicht der Nutzer zu erhalten Das Ziel ist es, das „Buying Center“ in den Unternehmen möglicher Kunden zu erfassen und so viele Informationen wie möglich über verschiedene Wege zu erhalten. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Marktforschung generell nicht um ein „Projekt“ handelt, das einen „Beginn“ und hoffentlich auch ein „Ende“ hat, sondern um einen fortlaufenden Prozess. Marktforschung ist eine Daueraufgabe und sollte fortwährend betrieben werden. Naturgemäß ist sie bei der Entscheidung über den Markteintritt intensiver, sie sollte jedoch auch wenn dieser erfolgt ist weiterhin betrieben werden. Alle wichtigen Entscheidungen im Unternehmen fußen auf Marktinformationen, wobei man sich im Auslandsmarkt aufgrund der Unkenntnis der Sitten und Gewohnheiten selten auf sein „Bauchgefühl“ verlassen sollte. Dem „Field Research“ kommt eine hohe Bedeutung zu. Sich nur auf Datenbanken zu verlassen wäre vermessen, es ist notwendig, sich ein eigenes Bild in der Region zu machen, auch über Einzelgespräche mit lokalen Entscheidern. Dazu können auch bestehender Kontakte, z.B. in Nachbarländern, genutzt werden, um möglichst viele im „Desk Research“ ermittelte Daten zu verifizieren.
4.4.2
Desk Research und Field Research im Auslandsmarkt
Üblicherweise beginnt man in der Marktforschung immer mit der Ermittlung der sekundären Daten, meist „Desk Research“ genannt, da sie vom Schreibtisch aus ermittelbar sind. Diese Daten sind bereits ermittelt worden und in irgendeiner Form Dritten zugänglich.
Internet
Zollbehörden
Informationsquellen
Banken
Literatur, z.B. auch Reiseführer, Historie Abb. 4.25:
OECD-Statistiken
www.cia.gov („The World Factbook“)
Informationsquellen beim „Desk Research“
148
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
Bei Daten, die durch „Desk Research“ ermittelt wurden, sollte grundsätzlich auf die Gültigkeit („Validität der Daten“) geachtet werden:1
Wer ermittelte die Daten und bestehen Gründe oder Anhaltspunkte dafür, dass sie bewusst falsch dargestellt worden sind, etwa um eigene, bereits vorhandene Meinungen zu belegen? Was war der Anlass, für den diese Daten ermittelt worden sind? Sind sie damit für den eigenen Anlass übertragbar oder anwendbar bzw. was muss bei der Interpretation berücksichtigt werden? Mit welcher Methodik wurden die Daten ermittelt? Ohne Zweifel beeinflusst die Methodik der Datenerhebung die Ergebnisse. Wann wurden sie veröffentlicht, wann erhoben? Informationen sind immer zeitkritisch. Sind die ermittelten Daten konsistent mit den Aussagen in der anderen Literatur oder anderen Untersuchungen, oder bestehen Unterschiede und wenn dies bejaht wird, wo bestehen diese und ist zu erkennen, warum diese bestehen? Das „Desk Research“ im Auslandsmarkt wird üblicherweise mit den Grunddaten zum Land beginnen:2 politische und kulturelle Faktoren
ökonomische Faktoren • • • • •
Marktgröße Markttrends Branchenstruktur Wettbewerbsstruktur Entwicklung des Bruttosozialprodukts (BSP) • technologische Entwicklung • rechtliche Besonderheiten • Besonderheiten in der Anwendung/Verwendung des Marktangebots Abb. 4.26:
1 2
• • • • • •
politisches System soziale Trends soziale Schichtung Lebensstile demografische Faktoren Einstellungen und Werte
Grunddaten zum Land durch „Desk Research“
Vgl. Cateora/Graham, S. 198. Vgl. Chisnall, S. 374.
kommerzielle Faktoren • Logistik • Vorhandensein von Lieferanten • Finanzierungsmöglichkeiten • Versicherungen
4.5 Identifikation der ersten Kunden
4.5
149
Identifikation der ersten Kunden
Ist über die Länder sowie die Standorte in den Ländern entschieden, steht jetzt der Weg frei zur Kundenanalyse. Eine alte Forderung in Geschäftsplänen ist, die ersten zehn Kunden bei einem Markteintritt zu benennen:1
Bestimmung des voraussichtlichen Steigerungspotenzials in Zahlen und die Festlegung der Maßnahmen zur Steigerung des Umsatzes pro Kunde Einordnung der Kunden nach ihrem Marktpotenzial mit Hilfe der ABC-Analyse
Die ABC-Analyse ist ein betriebswirtschaftliches Hilfsmittel, welches der Entscheidungsvorbereitung dient. Sie erfasst, welche Kunden wie stark zum Unternehmenserfolg beitragen. Die Identifikation von Schwerpunkten steht im Vordergrund. Die Vorgehensweise der ABCAnalyse ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vielfalt der Kunden in drei Klassen eingeteilt wird, nämlich A (wichtig, dringlich), B (weniger wichtig) und C (unwichtig, nebensächlich). Grundlage dieser Klassifizierung ist ein eindeutig zu quantifizierendes Wertkriterium, welches auch als Mengen/Wert-Verhältnis bezeichnet wird und worin die relative Bedeutung eines Kunden zum Ausdruck kommt.2 Bei der Identifikation von Referenzkunden sucht man denjenigen Kunden, auf den die Branche schaut und der eine Rolle als „Trendsetter“ wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann. Für das Unternehmen stellt das Auffinden und der Zugang zu diesen Referenzkunden einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar, besonders wenn er einen hohen Bekanntheitsgrad hat. Dann wird seine Meinung anerkannt und gesucht, um die Leistungsfähigkeit des Marktangebots richtig einschätzen zu können. Man braucht von ihm ein „Testimonial“, das gut ist und publiziert werden kann, dies wird oft auch „Hurrah-Statement“ genannt, mit dem der Kunde, als Zeichen für die erfolgreiche Implementierung einer neuen Technologie, die Öffentlichkeit informiert.3 Mit diesem Kunden wird auch vereinbart, dass man mit potenziellen neuen Kunden die Neuerwerbung im Betrieb besichtigen darf. Bei technischen Marktangeboten werden oftmals zunächst die so genannten „Techies“ ausfindig gemacht, die dann später als Referenz dienen und damit das Marktangebot für weitere Kundengruppen attraktiv werden lassen. Der „Techie“ wird von dem relevanten Marktsegment gemeinhin als „lead customer“ anerkannt und beobachtet. Von seiner Reaktion hängt sehr stark ab, ob weitere Anwender folgen.45 Auf dem Weg zum „mainstream“ sind diese Referenzkunden sehr wichtig. Der „mainstream“ kann nur erreicht werden, wenn die Kunden bereit sind, ein umfassendes und komplettes Marktangebot zu beziehen und ein solches vom Unternehmen angeboten werden kann. Sie bevorzugen dabei einen in der Branche bekannten Hersteller, der seine Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat. In aller Regel erfolgt die Marktdurchdringung nicht vollständig, sondern vollzieht sich in einzelnen Stufen. 1 2 3 4 5
Vgl. Kohlert/Fadai/Sachs, S. 9. Vgl. Kohlert, 2013, S. 151 f. Vgl. ebenda, 2013, S. 275. Vgl. Kohlert, 2005, S. 165. Das Konzept geht auf Moore zurück, vgl. Moore.
150
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten
kumulative Anpassung „mainstream market“ Pragmatiker
Konservative
Visionäre Skeptiker Techies
Zeit Innovatoren
Abb. 4.27:
frühe Anwender
früher Markt
später Markt
Nachzügler
Vom „Techie“ zum „mainstream“
Wenn die Analyse der potenziellen Kunden erfolgt, wird im B2B-Markt tiefer in die Details gegangen werden. Es wird herausgearbeitet, welche Vorteile der Kunde etwa beim Kauf der Maschine ableiten kann. Kunden erwarten oftmals eine klare Gegenüberstellung von Eigenschaften des Marktangebots und Kundennutzen, den sie dadurch erzielen. Man spricht hier vom „benefit selling“. Darunter versteht man die Ausrichtung in der Argumentation beim Verkauf oder bei der Erstellung eines neuen Marktangebots auf den Kundennutzen, die Kundenvorteile oder die persönliche Zufriedenheit, die ein Käufer von einem bestimmten Marktangebot erwarten kann. Dies gilt umso mehr in vielen ausländischen Märkten, aber mittlerweile auch in Deutschland. Dazu ein Beispiel von einer Pulverbeschichtungsmaschine, mit der Ferrite, Sensoren etc. beschichtet werden, um sie vor Feuchtigkeit etc. zu schützen:
4.5 Identifikation der ersten Kunden Merkmale
151 Nutzen für den Kunden
patentierte Technologie
• Gebrauchsmaterial reduziert sich um 20 % bis 30 % • Umrüstzeiten reduzieren sich um 50 % • Durchlaufzeit 50 % geringer als bei Maschinen der Wettbewerber
niedrige Höhe der Maschine
• erleichtert das Ein- und Ausräumen und erhöht die Sicherheit • Stufen sind nicht erforderlich, senkt die Unfallgefahr
modulare Konstruktion
• Größe der Beschichtungskammer kann je nach Bedarf (Größe, Menge) ausgewechselt werden
Scharniertüren erlauben einfachen • Service ist einfacher und billiger Zugang zu allen Komponenten • laufende Kosten sind geringer fusselfreie Kammer
Abb. 4.28:
• reduziert die Reinigungszeit und -kosten • reduziert die Menge des Gebrauchsmaterials • erhöht Einsatzzeit der Maschine
Nutzenargumentation in der Praxis
Diese Übersicht zeigt sehr deutlich, dass der Kunde im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Leider steht in vielen technisch orientierten Unternehmen nicht der Kunde, sondern das Produkt im Mittelpunkt, das heißt, die Vermarktung geht vom bloßen Produkt aus. Manche Unternehmen vertreten immer noch die Meinung, dass man allein durch Nennung der Funktionsweise und Vorteile den Kunden für sich begeistern könnte.1 Allerdings wird das Marktangebot als Ganzes vermarktet, um die Probleme des Kunden zu lösen und ihn bei seinen Bemühungen zu unterstützen, entweder Kosten zu senken oder einen höheren Preis, etwa durch eine höhere Qualität, zu erzielen. Es gibt zwei Arten, um mit Interessenten und potenziellen neuen Abnehmern Kundenkontakt aufzunehmen: dialogfrei und interaktiv. Zu der dialogfreien Kontaktaufnahme gehören klassische Kommunikationswege wie der Brief oder die Zeitschriften.2 Die neue interaktive Vorgehensweise basiert auf neuen Medien wie zum Beispiel dem Internet. Die Kontaktaufnahme kann also sehr vielfältig erfolgen:3
1 2 3
Vgl. Born, S. 52 ff. Vgl. Winkelmann, S. 392 f. Vgl. Lehmann, S. 24 f.
152
4 Auswahl und Bewertung von Auslandsmärkten Kontaktaufnahme über Public Relations
ungezielte Werbung
Direct Marketing
persönlicher Verkauf
Sales Promotion
Geschäftsberichte, Pressekonferenzen
Printmedien
Mailing
Kundenbesuche
Promotionmaterial (Kataloge, Broschüren)
Firmenbesuche, Ausstellungen, Events
Film, Funk, Fernsehen
E-Mailing, Newsletter
Einladungen
Beratungs- und Schulungsangebote
Medien- und Hochschulkontakte
Computer Online Media
Telefonmarketing
Treffen an drittem Ort
Vorführungen, Demonstrationen
Aus- und Weiterbildungsengagement
Außen- und Innenwerbung (Plakate, etc.)
positives Bild im Markt
Abb. 4.29:
Bewerbung von Marktangeboten in der Breite
Bewerbung von Marktangeboten durch gezieltes Ansprechen
Erreichen einer persönlichen Akzeptanz
Schaffung von Anreizen für den Kunden
Verschiedene Möglichkeiten der Kontaktaufnahme
Sind die Unternehmen identifiziert, die als mögliche Kunden in Frage kommen, müssen die richtigen Ansprechpartner ermittelt werden. Häufig entgehen nahe liegende Dinge besonders dann, wenn man Kontakt zu nur einem Ansprechpartner hat. Im täglichen Geschäft ist es notwendig, nicht nur die Anforderungen und Erwartungen des Service und des Einkaufs zu kennen, sondern auch die der anderen Bereiche wie der Geschäftsführung, Anwendung, Montage und vor allem der Konstruktion1, die sich allesamt im definierten „Buying Center“ wiederfinden.
1
Vgl. Marzian/Smidt, S. 11.
5
Going-International Strategien
To take advantage of the moment Seize the opportunity And change your plans To reach the goal.
5.1
„Business is People“ – der erste Schritt im Auslandsmarkt
5.1.1
Kontaktpflege als Managementaufgabe
Die Bedeutung und die Intensität der Kontaktpflege zu eigenen Mitarbeitern vor Ort und Kunden hängt sehr stark von der Branche ab. Bei den Automobilzulieferern handelt es sich um kein betreuungsintensives Geschäft, sofern nur die Kostenvorteile im Vordergrund stehen und keine lokalen Marktkontakte gesucht werden bzw. gar nicht vorgesehen sind. Demzufolge werden Kontakte in der Aufbauphase einer Fertigung gesucht, da vieles vor Ort bewerkstelligt werden muss. Die Betreuungsintensität ist im Maschinenbau schon aufgrund des marktnahen Geschäfts wesentlich höher. In einer empirischen Untersuchung berichteten die Unternehmen, dass der deutsche „Regional Manager“ mitunter schon auf zwanzig Reisen in den zu betreuenden Auslandsmarkt, in dem Fall Russland, kommt und dass bei ihnen ein bis zwei Mal pro Monat jemand vor Ort ist, jemand aus dem Finanzbereich, der IT-Abteilung, etc. Dabei wird die Kontaktpflege zu den eigenen Mitarbeitern vor Ort sehr verbessert. Auch wird genannt, dass das russische Management zu internen Veranstaltungen der deutschen Mutter mit eingeladen wird, um die Informationen auszutauschen, aber auch um die Unternehmenskultur zu pflegen.1 Es ist durchaus zu empfehlen, größere bzw. bedeutende Kunden direkt durch den Geschäftsführer des deutschen Unternehmens betreuen zu lassen. Das stellt für den Kunden eine enorme Wertschätzung dar, wenn die „deutsche Eiche“ extra kommt, um ihn zu treffen. Das ist nicht nur in Russland so. Im Folgenden werden, plakativ vereinfacht, einige Unterschiede zwischen Deutschen und Russen in der Zusammenarbeit dargestellt:
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 90.
154
5 Going-International Strategien
Deutschland • geschäftsbezogene Aktivitäten • z.B. auch über Verbände
Russland
Zusammenarbeits-Faktor #1: Geschäftskontakte
• geschäftsbezogene Aktivitäten • soziale Aktivitäten, z.B. über Sauna, Restaurantbesuch
Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3
Zusammenarbeits-Faktor #2: Arbeitsorganisation
Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3
• lange Vorbereitung • lange Entscheidungsfindung • langsame, aber stetige Umsetzung
Zusammenarbeits-Faktor #3: Entscheidungsfindung
• lange Vorbereitung • lange Entscheidungsfindung • schnelle Umsetzung
Geschäftskontakte (können werden zu) privaten Kontakten
Zusammenarbeits-Faktor #4: Prioritäten im Leben
private Kontakte (können werden zu) Geschäftskontakten
Abb. 5.1:
Zusammenarbeit zwischen zwei Kulturen – am Beispiel Russland und Deutschland
Benötigt werden Managementstrukturen, „die beide Welten verstehen“. Es hilft, die Unterschiede plakativ vereinfacht gegenüber zu stellen, um sie zu verdeutlichen.
5.1.2
Der Statthalter vor Ort im neuen Markt
„Ein Automobilzulieferer berichtete einmal, dass er jetzt auch einen Produktionsstandort in Nordamerika errichten musste, um das neue Werk von Mercedes-Benz in Alabama beliefern zu können. Auf die fast schon rhetorische Frage, ob er sein Unternehmen daher auch in Alabama errichtet hätte, antwortete er, dass er in Alabama praktisch vor den Toren von Mercedes-Benz ein Warenlager angelegt habe, die Produktion der Teile aber in Ontario, Kanada erfolgt. Warum um Gottes willen so weit vom Kunden entfernt? In Ontario hat er einen guten Fachmann gefunden, dem er vertraut. Dieser Mann ist nicht bereit, seinen Wohnsitz nach Alabama zu verlegen. Im Übrigen möchte er in Ontario seinen Alterswohnsitz einrichten.“1 Das genannte Beispiel zeigt, wie schwierig es sein kann, den „ersten Mann vor Ort“2 zu 1 2
Kohlert/Delany/Regier, S. 8 f. Selbstverständlich auch „erste Frau vor Ort“.
5.1 „Business is People“ – der erste Schritt im Auslandsmarkt
155
finden und zu etablieren. Der Kunde verbindet mit dem „ersten Mann vor Ort“ das eigene Unternehmen, er differenziert nicht, ob er ein freier Mitarbeiter ist, ob er nebenbei noch andere Unternehmen repräsentiert etc. Dieser „erste Mann vor Ort“ hat einen unheimlich anmutenden Gestaltungsspielraum, denn man kann ihn so gut wie nicht aus dem fernen Heimatland kontrollieren. Mit ihm bzw. ihr steht und fällt oft der Erfolg des Markteintritts. Ohne die Multiplizierung der eigenen Arbeitskraft wird es der deutschen Führungskraft nicht gelingen, entscheidende Impulse in ihrer neuen Position zu erringen. Daher empfiehlt es sich, im Zielland Vertraute zu finden, mit denen gemeinsam etwas aufgebaut werden kann. Was Unternehmen daher in einem neuen Markt möglichst von Beginn an benötigen, ist ein „gut verdrahteter Repräsentant vor Ort“, der hier „Statthalter“ genannt werden soll. Ein Statthalter ist ein Verwalter für eine bestimmte Region, der stellvertretend für seinen Vorgesetzten die Tagesgeschäfte regelt, da der Vorgesetzte zu weit weg ist, um effektiv im entsprechenden Markt zu regieren und auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Der „Erste Mann vor Ort“ zeichnet sich folgendermaßen aus: Er ist qualifiziert, spricht die Landessprache fließend, denn Sprachbarrieren stellen die Hauptursache für Kommunikationsprobleme dar. Er ist kulturell angepasst, kennt den Markt und ist sehr gut „verdrahtet“. Das sollte jedoch nicht so interpretiert werden, dass der Statthalter nur nach Sprachkenntnissen ausgewählt werden sollte, was oft getan und wovor oft gewarnt wird.1 Statthalter als „Mann vor Ort“ • Tagesgeschäft im Mittelpunkt seiner Tätigkeit • Vertrauensposition, die den deutschen Manager vor Ort entbehrlich macht • gibt Informationen „ungefärbt“, d.h. nahe an der Realität, weiter • neue Kunden identifizieren mit ihm das Unternehmen • prägt das Image des deutschen Unternehmens vor Ort Abb. 5.2:
Statthalter-Konzept – Eigenschaften und Funktionen des „ersten Manns“
Da er aus der Ferne praktisch nicht kontrolliert werden kann, ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Vorgesetzten und dem Statthalter umso wichtiger. Während „einfache“ Mitarbeiter ihren Vorgesetzten nach Möglichkeit nur mit guten Neuigkeiten konfrontieren, da es angenehmer ist als ihm schlechte Entwicklungen mitzuteilen, ist der Statthalter derjenige, von dem sein Vorgesetzter lernen kann, von dem er Informationen bekommt, die ihm kein anderer gibt, auch mit Problemen konfrontiert. Der Vorgesetzte kann den „Statthalter“ vor Ort nicht ersetzen, da er selbst zu Hause gebraucht wird. Er ist kaum in der Lage, hin und wieder für längere Zeit zu fehlen, da das ganze System auf den „Statthalter“ abgestimmt und zugeschnitten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Auslandsniederlassung in der Aufbauarbeit befindet und Strukturen neu geschaffen werden müssen. Der Einfluss des „Statthalters“ kann später nachlassen. 1
Vgl. Denz/Eckstein/Schmieder, S. 40.
156
5 Going-International Strategien
Es stellt sich die Frage, wie viel Freiraum den Mitarbeitern vor Ort überlassen werden sollte. Dabei zählt das Gegenargument für eine dezentrale Führung, nämlich das mangelnde Vertrauen, nicht. Denn Mitarbeitern, insbesondere dem „Statthalter“ muss man vertrauen können, er kann nicht aus der Ferne kontrolliert werden. Gerade in dieser ersten Phase hängt von dem „Statthalter“ viel ab: Er ist Ansprechpartner für die ersten Kunden, der Kunde identifiziert mit ihm bzw. ihr das Unternehmen. Es entscheidet sich hier, ob der neue Kunde dem Unternehmen über das Vehikel „Statthalter“ Vertrauen entgegenbringt. Eine solche Personalie kann jedoch nicht zentralisiert geführt werden. Vor-Ort-Entscheidungen sind notwendig und müssen oft schnell gefällt werden, noch ist nichts am Markteintritt Routine. Daher spricht vieles in der Anfangszeit, in der man den Markt nicht wirklich kennt und nicht einschätzen kann, für eine dezentrale Führung. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Man stelle sich vor, der Geschäftsführer in Deutschland bekommt einen Anruf von seinem russischen „Statthalter“, Geschäftsführer der russischen Auslandsgesellschaft. Er braucht „mal kurz“ € 100.000,–. Auf die Frage „für was denn“ antwortet der Russe „Na Du weißt schon!“ Wie sollte der deutsche Geschäftsführer in einer solchen Situation reagieren? Vertraut er ihm und ist sich sicher, dass er den Betrag zum Wohle des Unternehmens einsetzt, wird er den Betrag anweisen. Vertraut er seinem „Statthalter“ nicht, gibt er ihm den Betrag nicht und setzt ihn frei. Einem „Statthalter“ muss man vertrauen können, sonst ist er die falsche Person! Stellt sich die Frage, wie man einen „Statthalter“ findet? Für diese Aufgabe gibt es leider kein Patentrezept. Oftmals spielt das zufällige Zusammentreffen von Personen, die sich aus dem Stand heraus sehr gut verstehen, eine nicht unerhebliche Rolle. Wie im Vertrieb ist auch das Finden eines „Statthalters“ eine Frage der Quote von Neukontakten. Die Anzahl der Kontakte erhöht die Wahrscheinlichkeit des Findens. Es lässt sich auch erahnen, wie schwierig es sein kann, die richtigen Leute für die Auslandsaktivitäten zu finden, eben dann, wenn keine Zufälle auf einen zukommen, sondern man sich die Kontakte mühevoll suchen muss. Die Suche nach Personen, die zum Unternehmen passen und bereit sind, die Herausforderung Marktaufbau anzunehmen, ist nicht einfach. Mitarbeiter arbeiten lieber für ein Unternehmen, das bereits auf dem Markt ist, das man kennt und bei dem das Risiko zu scheitern nicht allzu hoch ist. Ohne einen lokalen Vertrauten vor Ort, dem Statthalter, ist der deutsche Entsandte nicht ersetzbar und kaum in der Lage, einmal längere Zeit zu fehlen, da das ganze System nach einer bestimmten Zeit nur auf ihn zugeschnitten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Auslandsniederlassung in der Aufbauarbeit befindet und Strukturen neu geschaffen werden müssen. Daher ist er bzw. sie die zentrale Person in der Anfangsphase.
5.1 „Business is People“ – der erste Schritt im Auslandsmarkt
5.1.3
157
Anforderungen an Führungskräfte
Es kann meist unterstellt werden, dass ein Reservoir an lokalen Führungskräften besteht. Es ist zu beachten, dass der akademische Grad an einer Universität oftmals mehr Spezialisten hervorbringt, denn Generalisten. Das deutsche Unternehmen braucht auf jeden Fall einen lokalen Manager mit den folgenden Anforderungen:1 Profil einer Führungskraft • einschlägige und nachvollziehbare Branchenkenntnisse • vorhandene Erfahrungen in einem vergleichbaren Tätigkeitsbereich • sehr gute deutsche, mindestens aber sehr gute englische Sprachkenntnisse • sehr gute Kontakte aus dem eigenen bestehenden Netzwerk zu potenziellen Kunden und im Umfeld Abb. 5.3:
Profil einer Führungskraft
Das deutsche Unternehmen sucht also einen Spezialisten auf einem bestimmten Fachgebiet mit den Merkmalen eines Generalisten, d.h. einen „Beziehungsmenschen“, den die Amerikaner so treffend „people’s person“ nennen, Sprachkenntnisse etc. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit, neben den stark steigenden Gehaltsansprüchen und der hohen Fluktuation innerhalb dieses Personenkreises. Die Konsequenzen aus Fehlern bei der Einstellung der ersten Führungskräfte sind katastrophal:2
erzielte Kundenkontakte „nehmen sie immer mit“, wenn sie das Unternehmen verlassen Fehlen der dringend notwendigen Kenntnisse über das tatsächliche Marktpotential Verlust von möglicherweise realisierbaren Umsätzen Wettbewerber könnten die Zeit nutzen, den Markt unter sich aufzuteilen Unsicherheit des Vorgesetzten steigt weiter an hohe Ausgaben für Gehalt und Reisespesen sowie erneute finanzielle und zeitliche Investitionen für eine neue Suche und schließlich Besetzung der Stelle
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 94. IHK Industrie und Handelskammer, S. 7.
2
158
5 Going-International Strategien
Grundsätzlich ist die Suche nach Führungskräften auf verschiedene Arten möglich:1 Personalsuche nach lokalen Führungskräften
eigene Personalabteilung Abb. 5.4:
regional tätige Verbände
lokale Personalberater
international tätige Personalberater
Personalsuche nach Führungskräften
Die eigene Personalabteilung ist überfordert, wenn die Suche aus dem Tagesgeschäft heraus organisiert werden soll, ohne sich ausführlich vor Ort mit den Gegebenheiten vertraut machen zu können. Auch die sich schnell verändernden Rahmenbedingungen (Arbeitsrecht, Auswahl der Werbeträger, Anzeigenabwicklung, Bewerbungsprüfung, Kandidatenauswahl) machen es dem verantwortlichen Personalreferenten schwer. Den Verbänden fehlen die Kenntnisse über das Unternehmen und den spezifischen Markt (Team-Umfeld, Betriebsablauf, Wettbewerb, Produktvorteile, Logistik, etc.), so dass eine Personalsuche nur standardisiert und über den Preis, d.h. ein hohes Gehalt, als einzigem Motivationsinstrument, erfolgen kann. Als Konsequenz daraus wird häufig ein Mitarbeiter gefunden, der zwar gut englisch oder sogar deutsch spricht, aber nur durchschnittliches Verkaufstalent und geringe Marktkenntnisse mitbringt. Alternativ besteht die Möglichkeit, einen internationalen Personalberater mit einer Niederlassung im Auslandsmarkt oder ein regional ansässiges Vermittlungsbüro zu beauftragen. Die Suche, Auswahl und Motivation geeigneter Kandidaten ist eine Aufgabe, die idealerweise selbst durch vor Ort erfahrene Personalberater durchgeführt werden sollte. Denn bereits die für eine gute Besetzung notwendige Übermittlung von Unternehmenszielen, Gegebenheiten und eigenen Vorstellungen stellt eine große Schwierigkeit dar. Hat der Personalberater nicht verstanden, worum es bei der Aufgabe vornehmlich geht, kann auch kein geeigneter, zum Team passender Mitarbeiter gefunden werden. Auch die häufig anzutreffende Situation, in der einem deutschen Vermittler die Zielsetzung zwar bekannt ist, dieser jedoch die Aufgabe nur telefonisch an die ausländische Niederlassung weitergibt, bringt keine guten, schon gar keine optimalen Ergebnisse. In der Zusammenarbeit mit Personalberatern wird im Ausland empfohlen, einen personalberater mit dem folgenden Profil zu identifizieren bzw. den folgenden Rahmen festzulegen:2
sehr gute Kenntnisse des lokalen Marktes eigene operative Vertriebserfahrung
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 95 f. Vgl. ebenda, S. 96.
2
5.1 „Business is People“ – der erste Schritt im Auslandsmarkt
159
Personalberater sollte die Möglichkeit haben, das beauftragende Unternehmen, die Marktangebote und die bereits bestehenden Führungskräfte im Auslandsmarkt kennen zu lernen Versicherung, dass der beauftragte Personalberater höchstpersönlich die Suche vor Ort begleitet und nicht nur einen vor Ort ansässigen Gehilfen beauftragt Garantie einer kostenlosen Wiederaufnahme der Suche durch den Personalberater, falls das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst werden sollte
Hat das Unternehmen einen Mitarbeiter erfolgreich installiert, muss es derzeit durch ein hohes Gehalt sicherstellen, dass sich der Mitarbeiter kurzfristig nicht wieder anders orientiert: „Never underpay key people“. Gerade in Märkten, die einer umfassenden Ausbildung und Einarbeitung bedürfen, macht es ferner Sinn, den Mitarbeiter durch „weiche Faktoren“, zum Beispiel regelmäßige Weiterbildung, variable Bezüge und eine sensible Führung optimal zu fördern. Dann gelingt auch die langfristige Bindung erfolgreicher Vertriebsmitarbeiter. Durch unklare und schwierige Kommunikationswege, lange Reisen und bürokratische Hürden ist es häufig nicht möglich, einen Mitarbeiter eng zu führen und zu kontrollieren.1
5.1.4
Expatriates
Auf die Möglichkeit von „Expatriates“ wird bei den untersuchten mittelständischen Unternehmen selten zurückgegriffen. Unter „Expatriate“ werden im allgemeinen Mitarbeiter für den Auslandseinsatz verstanden, die zeitlich befristet in einer Geschäftseinheit des Unternehmens im Ausland tätig sind. Sie werden entsandt, weil ein Bedarf an einem Transfer von Know-how besteht, da vor Ort die Fachleute fehlen. In manchen größeren Unternehmen wird der Auslandseinsatz auch als Teil der Karriereplanung betrachtet. Mitarbeiter entwickeln auf diese Weise internationale Kompetenzen, z.B. im Umgang mit anderen Kulturen, Arbeiten in interkulturellen Teams. Dadurch schaffen die Mitarbeiter auch ein persönliches und länderübergreifendes Beziehungsgeflecht, das die Informationsgewinnung und auch die Umsetzung von Strategien erleichtert.2 „Expatriates“ werden ohnehin, wenn nicht vermeidbar, nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt. Es ist schwierig, geeignete „Expatriates“ zu finden bzw. zu überzeugen. Dies liegt zum einen an den kulturellen Unterschieden und dann muss auch noch die Qualifikation stimmen: Sie müssen die Landessprache sprechen und eine interkulturelle Kompetenz haben. Wichtig ist auch eine positive Einstellung zum Auslandseinsatz und zum jeweiligen Land, eine familiäre Stabilität, sie sollten kontaktfähig, konfliktfähig und belastbar sein.3 Dies sind in vielen Fällen einfach zu viele Anforderungen. Die Problematik ist immer, die richtigen lokalen Führungskräfte im ausländischen Markt zu finden und zu binden. Mitunter sind die Gehaltsvorstellungen deutlich höher als im Heimat1 2 3
Vgl. Kohlert/PwC, S. 97. Vgl. Wirth, S. 258. Vgl. ebenda, S. 259.
160
5 Going-International Strategien
land, das gilt mitunter auch in den „Emerging Markets“. Das ist nicht unbedingt zu erwarten! Da die menschliche Komponente eine wesentliche Rolle im Geschäftsleben spielt und die kulturellen Unterschiede Auswirkungen auf die geschäftliche Kommunikation haben, stellt sich die Frage, ob es für ein westeuropäisches Unternehmen von Vorteil ist, Führungspositionen mit lokalen Mitarbeitern zu besetzen. Die Meinungen gehen hier durchaus auseinander:1 gute Erfahrungen mit der „Tandem-Lösung“, d.h. ein „Expatriate“ und ein „Lokaler“: • technischer und kaufmännischer Führungskraft • eine lokale Führungskraft und eine aus dem Stammhaus • finanziell relativ aufwendig Abb. 5.5:
?
gute Erfahrungen nur mit lokalen Führungskräften: • kostengünstiger, kennen die Besonderheiten des lokalen Marktes bereits • sehr gute deutsche oder englische Sprachkenntnisse sind allerdings Voraussetzung
Besetzung von Führungspositionen in der eigenen Auslandsgesellschaft
Die Vorteile lokaler Führungskräfte liegen auf der Hand: Zum einen ist eine solche Entscheidung kostengünstiger und zum zweiten kennt der Kandidat die lokalen Besonderheiten des Geschäfts. Allerdings sollte der ausgewählte Mitarbeiter selbständig arbeiten können, deutsch oder englisch beherrschen und das Wichtigste von allem, die Vorstellungen des Stammhauses kennen und umzusetzen wissen. Ein Nachteil könnte darin liegen, dass eine lokale Führungskraft Angriffspunkte für eine mögliche Erpressung im Falle festgefahrener Verhandlungen oder Meinungsverschiedenheiten bietet. Es könnte sein, das ein ebenfalls russischer Geschäftspartner Druck auf ihn ausübt, um bestimmte Zugeständnisse zu erzwingen. Ob jetzt über Andeutungen bis hin zu persönlichen verletzenden Angriffen, die man sich einem Ausländer gegenüber nie herausnehmen würde. Die soziokulturelle Prägung eines solchen Erpressungsversuchs besteht darin, dass es z.B. nach russischer Wertevorstellung ungehörig ist, einen Landsmann, der um eine „Gefälligkeit“ bittet, zurückzuweisen. Die endgültige Besetzung der Niederlassungsleitung muss nicht von vornherein festgeschrieben sein. Es kann auch über einen gewissen Zeitraum darauf hingearbeitet werden, allerdings mit klaren Perspektiven für die lokale Führungskraft.2 Es gibt Unternehmen, deren Mitarbeiter grundsätzlich keinen Standortvertrag haben. Damit sind sie auch ohne „Expatriate“-Status weltweit einsetzbar. Eine hohe Mobilität ist heutzutage notwendig, sehr gute englische Sprachkenntnisse Pflicht! Die Schulung auf der Management-Ebene erfolgt durch Entsendung. Fertigungsarbeiter werden „on the job" trainiert und zwar durch die Wissensweitergabe erfahrener Kollegen.3
1 2 3
Vgl. Kohlert/PwC, S. 88. Vgl. ebenda, S. 88 f. Vgl. ebenda, S. 89.
5.2 Markteintritt durch Dritte
5.2
Markteintritt durch Dritte
5.2.1
Gründe für diese Form des Markteintritts
161
Unter Markteintritt durch die Vertretung durch Dritte ist der Absatz eigener Marktangebote in einem Auslandsmarkt, z.B. durch einen Importeur, zu verstehen. Oftmals ist der Markteintritt durch Dritte eine Antwort auf eine zufällig erkannte Nachfrage. Oder das Unternehmen sucht eine Annäherung an einen neuen Markt mit geringstmöglichen Kosten. Somit überrascht es nicht, dass gerade der Markteintritt durch Dritte als Markttest gesehen wird. Allerdings wird bei einem Markttest von vornherein geplant, wie im Falle eines positiven Verlaufs der weitere Markteintritt vonstatten geht. Einem Dritten mittels eines entsprechenden Vertrags eine Lagerführung oder einen Kundendienst aufzuzwingen, dürfte nur einem Unternehmen mit einem starken Markennamen gelingen, bei dem sich der Dritte dennoch ein insgesamt lukratives Geschäft erhofft. Ist das jedoch nicht der Fall, stellt sich die Frage, inwieweit eine schnelle Reaktion auf Kundenwünsche, z.B. Lieferung der Marktangebote oder Zubehör sowie der Kundendienst eine essenzielle Rolle für den Erfolg im Markt darstellen und wie sie gewährleistet werden kann. Entscheiden sie jedoch über Erfolg oder Misserfolg, weil etwa alle Wettbewerber hier sehr leistungsstark sind, oder spielt der Markenname eine große Rolle, den man auch ruinieren kann, kommt der Markteintritt durch Dritte nicht mehr in Frage. Weitere Nachteile dieser Form des Markteintritts liegen in dem Verlust der absoluten (bei Einbeziehung von Importeuren) oder teilweisen (bei Einbeziehung von Vertragshändlern) Beherrschung des Marktes bezüglich der Vermarktungsbedingungen. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass sich etwa ein Importeur zum Zwecke der Risikodiversifizierung um eine gewisse Ausgeglichenheit zwischen den Unternehmen bemüht, d.h. nicht bedingungslos auf nur ein Unternehmen setzt und hofft, dass sich gerade dieses auf dem Markt durchsetzt. Unternehmen mit einer straken Marke, die im Auslandsmarkt auch bekannt ist, tun sich hier naturgemäß leichter. Das eigene Unternehmen ist von der Leistung des vertreibenden Vertragshändlers vor allem in der Anfangsphase vollständig abhängig! Gerade der Markteintritt durch Dritte kann als Markttest gesehen werden. Die Planungen im Falle eines positiven Ergebnisses liegen bereits vor. Durch diese Voraussicht vermeidet man Streitigkeiten, um aus Verträgen mit Importeuren wieder herauszukommen, das eigene Unternehmen sucht von vornherein den Kundenkontakt, den es dann später selbst weiter nutzen kann und gewinnt somit auch wertvolle Erfahrungen für die weiteren Planungen.
5.2.2
Export
Der Export ist die einfachste Strategie, einen Auslandsmarkt zu bedienen. Von allen Markteintrittsstrategien verlangt er am wenigsten Anpassungen im Marketing-Mix. Das Unternehmen fertigt die Marktangebote im Heimatland und exportiert diese in den ausländischen Markt. Die Marktangebote sind in der Regel genau dieselben wie im Heimatmarkt
162
5 Going-International Strategien
oder haben nur leichte Anpassungen an den ausländischen Markt. Dies ist für komplexe Marktangebote mit umfangreichen Dienstleistungen nicht geeignet. Zunächst können zwei grundsätzliche Formen des Exports unterschieden werden:
Gelegentlicher Export findet statt, wenn das Unternehmen aus eigenem Antrieb, z.B. bei Überproduktion auf dem Auslandsmarkt anbietet oder als Reaktion auf unvorbereitete Auslandsbestellungen exportiert. Beim aktiven Export hat sich das Unternehmen festgelegt, seine Marktangebote im Auslandsmarkt auszudehnen. Das Unternehmen produziert die Produkte im Heimatland und exportiert diese dann ins Ausland. Dabei sind die Produkte i.d.R. genau die selben wie im Heimatmarkt bzw. werden mit nur leichten, notwendigen Anpassungen an den ausländischen Markt geliefert. Es bestehen zwei Varianten des Exports: • direkter Export: Das inländische Unternehmen organisiert die gesamte Abwicklung bis zum Kunden im Auslandsmarkt selbst. • indirekter Export: Das inländische Unternehmen arbeitet mit Großhändlern, Importeuren etc. im Auslandsmarkt zusammen, die die Produkte einführen. Diese Variante wird gerne dann angewandt: - wenn das Unternehmen im internationalen Marketing relativ neu ist - wenn das Unternehmen den Auslandsmarkt testen möchte Vorteile von Export: • geringes Risiko, kurzfristige Verpflichtungen • Veränderungen sind jederzeit möglich • geringe Fixkostenbelastung • ersten Aktivitäten um Marktinformationen zu erlangen
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.6:
Nachteile von Export: • Marktanteil wird relativ gering sein • Marktdurchdringung ist kaum möglich • Produktanpassungen an die Anforderungen im ausländischen Markt sind praktisch nicht möglich, auch nicht vorgesehen
• administrative Abwicklung der Bestellungen • Beratung am Telefon, per Fax und E-mail • Produktinformationen müssen in der lokalen Sprache zur Verfügung gestellt werden • ggf. Unterstützung der Geschäftspartner im ausländischen Markt
Übersicht zum Export
5.2 Markteintritt durch Dritte
163
Die Ausgestaltung sowohl des direkten als auch des indirekten Exports kann unterschiedlich sein:1 indirekter Export Verkäufer
Vermittler/ Exporteur
Käufer
indirekter Export Verkäufer
Vermittler/ Exporteur
Vermittler/ Importeur
Käufer
direkter Export Verkäufer
Käufer
direkter Export Handelsunternehmen
Verkäufer
Inland Abb. 5.7:
Grenze
Käufer
Ausland
Direkter und indirekter Export
Der größte Vorteil des Exports ist, dass das Engagement im Falle von Misserfolgen verhältnismäßig schnell wieder beendet werden kann und der Markteintritt zu vergleichsweise geringen Kosten möglich ist. Beim indirekten Export arbeitet das Unternehmen mit Großhändlern, Importeuren etc. im Auslandsmarkt zusammen, die die Marktangebote einführen. Diese Variante wird gerne dann angewandt, wenn das Unternehmen im internationalen Marketing relativ neu ist. Allerdings lässt der indirekte Export die Erzielung hoher Handelsspannen nicht zu, da die beteiligten „Intermediäre“ hohe Vergütungen verlangen und dadurch entweder höhere, aber nicht marktfähige Preise nach sich ziehen oder die Gewinnmarge drastisch verringern. Der größte Nachteil des indirekten Exports ist aber wohl die Tatsache, dass das Unternehmen keine Erfahrungen im Ausland sammeln kann, denn es besteht meist kein Kontakt zu den Endkunden. Dies wirkt sich insbesondere bei einem Wechsel von der einen Form der Marktbearbeitung zur anderen aus; aufgrund der fehlenden Kundennähe können Kontakte zu Kunden verloren gehen. 1
Vgl. Berndt/Altobelli/Sander, S. 349.
164
5 Going-International Strategien
Oftmals beginnen die Unternehmen aus Kostengründen mit einem indirekten Export durch freie Handelsvertreter („Sales Representatives“). Sie sind Provisionsvertreter, die Marktangebote nicht selber kaufen, sondern für den Exporteur Aufträge gegen Provisionszahlung vermitteln. In manchen Staaten, wie in den USA, ist dabei zu beachten, dass aufgrund des Diskriminierungsverbots ohne sachlichen Anlass, z.B. höhere erzielte Umsätze, die Provisionssätze für „Sales Representatives“ nicht unterschiedlich sein dürfen. Wie immer liegt bei Vereinbarungen „der Teufel im Detail“, die ohne einen sachkundigen Juristen nicht getroffen werden sollten. Bei einer Vertragsvereinbarung mit einem Handelsvertreter („Sales Representative“) oder einem Distributor empfiehlt es sich, aus kaufmännischer Sicht auf die folgenden Punkte zu achten bzw. Regelungen zu formulieren:
Regelung zur Exklusivität, bezogen auf eine Region, bestimmte Kategorien von Kunden etc. Klärung der Provisionsansprüche bei Handelsvertretern, des Rabattes bei Distributoren Verpflichtungen, einen Kundendienst in bestimmten Umfang zu übernehmen Messebesuche bzw. -beteiligung Bestellung von Unter-Handelsvertretern bzw. Unterhändlern Benutzung von Markennamen und Warenzeichen Schutz der Betriebsgeheimnisse des Herstellers Dauer des Vertrags und Regelung zur Vertragsbeendigung, z.B. Abfindungsvereinbarung ggf. Wettbewerbsverbot anwendbares Recht und Gerichtsstand Streitbeilegungsmechanismus, z.B. internationales Schiedsgericht Beim direkten Export organisiert das Unternehmen vom Heimatmarkt aus die gesamte Abwicklung bis zum Kunden selbst. Es bestehen mehrere Arten der Durchführung des direkten Exports:
Eine angegliederte oder eigenständige Exportabteilung im Inland, die alle für den Export erforderlichen Aktivitäten ausführt, übernimmt alle Aufgaben. Eine unabhängige Exportgesellschaft als neues Unternehmen oder eine neue Sparte innerhalb des Unternehmens für das Auslandsgeschäft führt alle für den Export erforderlichen Aktivitäten durch und kann auch als Ausstellungs- und Kundendienstzentrale für ausländische Besucher dienen. Ein Exportvertreter, d.h. ein Mitarbeiter des Unternehmens, wird ins Ausland entsendet, der den Handel übernimmt. Marktangebote können an ausländische Händler (Distributoren) verkauft werden, die diese wieder weiter veräußern:
5.2 Markteintritt durch Dritte
165
Das Unternehmen vertreibt die Produkte im ausländischen Markt über einen oder mehrere Distributoren (Händler) auf Basis eines Händlervertrags oder auf Kommissionsbasis. Vor allem zu Beginn wird hier dem Distributor oftmals Exklusivität gewährt, was später zu Problemen führen kann. Vorteile von Distributoren: • weitergehend als nur Export, da eine Präsenz vor Ort besteht • geringes Risiko, nur kurz- bis mittelfristige Verpflichtungen • Veränderungen sind (fast) jederzeit möglich • geringe Fixkostenbelastung • Erlangen von Marktinformationen ist möglich • Marktdurchdringung ist möglich
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.8:
Nachteile von Distributoren: • höhere Anforderungen führen zu höheren Kosten • begrenzter Einfluss auf den Distributor • mögliche Konflikte bei mehreren Distributoren • mitunter beschützt der Distributor seine Kundenkontakte und verhindert den direkten Kontakt zum Hersteller • keinen wirklichen Zugriff auf den Distributor bei der Vermarktung
• administrative Abwicklung der Bestellungen • Beratung am Telefon, per Fax und E-mail • Produktinformationen müssen in der lokalen Sprache zur Verfügung gestellt werden • gemeinsame Kundenbesuche mit dem Distributor • Koordination und das Managen von Vertriebsnetzwerken: - Definition gemeinsamer Zielsetzungen - Harmonisierung der Preislisten zwischen den Distributoren und mit dem eigenen Unternehmen - Koordination zwischen den Distributoren und Lösung von Konflikten - gemeinsame Geschäftsbesprechungen
Übersicht zu Distributoren (indirekter Export)
166
5 Going-International Strategien
Typische Problemfelder beim Einsatz von Distributoren sind die Folgenden:1 Leistungshemmnisse
bewirken
Lösung könnte lauten:
verschiedene Eigentümer
• geteilte Loyalitäten • Käufer/EinkäuferAtmosphäre • unklare Zukunftsabsichten
• • • •
geografische und kulturelle Trennung
• Kommunikationshemmnisse • negative Einstellung gegenüber Ausländern • physische Distribution ist sehr aufwändig
• persönliche Treffen schaffen ein gutes Arbeits- und Kommunikationsklima, sowie Vertrauen
verschiedene Rechtssysteme
• vertikale Handelshemmnisse • Probleme bei Vertragsaufhebungen
• volle Beachtung der Gesetze • guter Vertrag mit dem Distributor mit Ausstiegsklauseln
Abb. 5.9:
1
Anbieten von „Incentives“ hilfreiche Formblätter Diskussion über Planungen, Suche nach Win/WinMöglichkeiten
Typische Problemfelder beim Einsatz von Distributoren
Es ist ein grundsätzliches Problem, dass sich der Distributor oft als „Markttester“ missbraucht sieht und sobald dieser positiv ausfällt, der Hersteller die weitere Marktbearbeitung in eigener Regie ohne den Distributor fortführt. Mit diesem Problem sollte offen umgegangen werden, d.h. mit dem Distributor sollten durchaus die weiteren Perspektiven durchgesprochen werden, so dass beide Parteien einen Nutzen davon haben. Wird dies versäumt, kann nicht erwartet werden, dass sich der Distributor voll für eine Markteinführung engagiert! Probleme, die aufgrund kultureller Unterschiede aufkommen, sind nur lösbar, wenn sich die beteiligten Mitarbeiter der Unternehmen treffen und eine gewisse Vertrautheit entwickeln. Das gilt nicht nur für die Manager der jeweiligen Unternehmen, sondern sollte auf die Arbeitsebene ausgedehnt werden. Wenn man jemanden kennt, fällt das „Nein“ schwerer! Zum Verständnis für das Rechtssystem ist die Zusammenarbeit mit einem Juristen dringend vonnöten. Es empfiehlt sich jedoch, einen Juristen zu beauftragen, der auch das Recht des Heimatlandes des Exporteurs kennt, um dann auch zu wissen, wo er ihn „abholen“ muss, um Verständnis für das andere Rechtssystem zu erhalten.
Vgl. Rosson, S. 91 ff.
5.2 Markteintritt durch Dritte
167
Distributoren müssen immer wieder hinnehmen, dass Kunden über Neuprodukteinführungen über andere Vertriebswege besser als sie selbst informiert sind. Darunter leidet das Vertrauen des Kunden in die Kompetenz des Distributors.1 Werden Distributoren nicht in die Einführung neuer Marktangebote eingebunden, bekommt das neue Marktangebot oft nicht die notwendige Aufmerksamkeit. Die Distributoren können die Vorzüge des neuen Marktangebots, d.h. seine Stärken, nicht angemessen vermitteln und können die neuen Marktangebote gegenüber denen der Wettbewerber nur über Preisnachlässe bestehen. Auf diese Weise beschleunigt das Marktangebot seinen Weg im Lebenszyklus und tritt viel früher als vorgesehen in den Preiswettbewerb ein.2 Nur beim direkten Export stellt das Unternehmen eine unmittelbare Beziehung zum Kunden her und erhält Einblicke in die „Welt der Kunden“, was sich bei einem Wechsel der Marktbearbeitungsstrategie positiv auswirkt, denn die Kunden können quasi mitgenommen werden. Allerdings kann die mangelnde Präsenz vor Ort vom Kunden auch als mangelndes Interesse ausgelegt werden, was möglicherweise zu Akzeptanzproblemen führen kann. Dies wiederum stellt eine Chance für lokale Wettbewerber dar, die genau darauf bei ihren Kunden hinweisen werden, indem sie die „lokale Karte“ ausspielen.
5.2.3
Lizenzierung
Bei der Lizenzierung („Licensing“) handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, bei der der inländische Lizenzgeber dem ausländischen Lizenznehmer die Nutzung von Vermögenswerten einräumt, in der Regel für einen bestimmten Zeitraum und für ein bestimmtes geografisches Gebiet. Als Vermögenswerte kommen üblicherweise Patente, Markenzeichen, Urheberrechte und technisches (aber nicht patentiertes) Know-how in Betracht. Der Schutz immaterieller Werte hat in der heutigen Geschäftswelt eine ständig wachsende Bedeutung. Die Lizenzierung kann exklusiv oder nicht-exklusiv erfolgen. Die Unterschiede in den nationalen Rechten müssen hier immer berücksichtigt werden. Lizenzierung ist einerseits als Form des Markteintritts in der Regel weniger profitabel, es erfordert aber auf der anderen Seite weniger Kapital und beinhaltet weniger Risiko. Auch wenn aus politischen Gründen ein Export nicht durchführbar ist, stellt es eine Möglichkeit dar, die Dinge im Auslandsmarkt unter Lizenz fertigen zu lassen. Dies kann möglicherweise die einzige Alternative sein. Der Lizenznehmer übernimmt damit auch die Marktbearbeitung und wird die dabei gewonnenen Erfahrungen akribisch hüten, denn sie sind sein Kapital.
1 2
Vgl. Belz/Schmidt, S. 69. Vgl. ebenda, S. 70.
168
5 Going-International Strategien
Bei einem Lizenzvertrag erlaubt ein Unternehmen (Lizenzgeber), einem anderen Unternehmer (Lizenznehmer), sein geistiges Eigentum im Austausch an eine Kompensation zu nutzen. Bei dem Lizenznehmer handelt es sich um ein unabhängiges Unternehmen, das den neuen Markt bearbeitet. Der Lizenznehmer bezahlt dem Lizenzgebern im Austausch für z.B. das Recht, den Namen des Lizenzgebers zu führen, seine Produkte anzubieten, sein geistiges Eigentum zu nutzen und erhält auch eine Unterstützung beim Aufbau des Geschäfts. Das geistige Eigentum kann Patente, Know-how, Gebrauchs- oder Geschmacksmuster oder Warenzeichen beinhalten. Vorteile von Lizenzierung: • tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse können umgangen werden • schneller Marktzugang, geringere Kapitalanforderungen und damit auch ein geringes Risiko ermöglichen eine vielfältige Umsetzung • Geschäftsrisiko ist erheblich geringer • kaum Anlaufkosten • vorhandene Kundennähe
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.10:
Nachteile von Lizenzierung: • Verlust von Know-how durch Übertragung auf den Lizenznehmer • in der Realität kaum Einfluss auf den Lizenznehmer • relativ geringe Wertschöpfung, nur Einnahmen aus dem Lizenzentgelt • Gewinn ist geringer • Qualitätsprobleme können aufkommen
• Einschätzen der eigenen Verhandlungsmacht für die Durchsetzung des Lizenzvertrags • Finden des richtigen Lizenznehmers • Planung der „Exit-Strategie“, falls die Auswahl des Lizenznehmers falsch war • Schutz der eigenen Patente und Markenrechte sollte gewährleistet werden
Übersicht zur Lizenzierung
Die Vorteile der Lizenzierung liegen in der schnellen Präsenz im Auslandsmarkt, ohne große finanzielle Verpflichtungen und gegebenenfalls unter Umgehung tarifärer und nontarifärer Handelshemmnisse. Die Nachteile der Lizenzierung sind, dass der Lizenznehmer Zugang zu sensiblem Know-how erhalten kann und somit zu einem potenziellen Wettbewerber heranwachsen könnte. Da nur geringe Einflussmöglichkeiten auf den Lizenznehmer seitens des Lizenzgebers bestehen, ist die Auswahl des richtigen Partners von entscheidender Bedeutung für den erfolgreichen Markteinstieg. Die Lizenzierung ist mit einer Kompensationsleistung des Lizenznehmers an den Lizenzgeber verbunden. Das Lizenzentgelt kann unterschiedliche Formen aufweisen:1
1
laufende Gebühren („royalties“), in der Regel bezogen auf den Umsatz, denkbar ist jedoch auch bezogen auf den Stückumsatz, den Input oder den Gewinn Pauschalgebühren wie einen Fixbetrag bei Erwerb der Lizenz oder periodisch wiederkehrende Pauschalgebühren, etwa einen Fixbetrag jedes Jahr Vgl. Macharzina/Oesterle, S. 610.
5.2 Markteintritt durch Dritte
169
Einnahmen aus dem Verkauf von Vormaterial, Maschinen und Ausrüstung an den Lizenznehmer Gebühren für Unterstützungs- und Serviceleistungen Rücklieferungen an den Lizenzgeber zu Sonderkonditionen Gebühren über eine Kapitalbeteiligung Lizenztausch („cross licensing“)
Durch „Überkreuz-Lizenzierung“ („cross licensing“) können möglicherweise komplementäre Ressourcen zusammengeführt und einer Nutzung zugeführt werden. Man sollte sich bei den Lizenzverhandlungen vor Augen führen, dass die beiden Parteien eines Lizenzvertrags völlig unterschiedliche Interessen haben: Lizenzgeber („Licensor“)
Lizenzvertrag
Interessen des Lizenzgebers: • Kostenkategorien für den Lizenzgeber, die gedeckt werden sollten: - Erstellungskosten - Transferkosten - Opportunitätskosten • Erstellungskosten werden anteilig über einen Einmalbetrag abgedeckt • Transfer- und Opportunitätskosten werden meist über ein laufendes, oft umsatzbezogenes, Entgelt („royalty”) geregelt Abb. 5.11:
Lizenznehmer („Licensee“)
Interessen des Lizenznehmers: • versucht seine Kosten zu minimieren, wird nicht unter den vermuteten Transferkosten des Lizenzgebers liegen • Preisobergrenze resultiert aus seiner Einschätzung des Marktvolumens • Interesse ist vorhanden, da keine eigenen Entwicklungskosten, keine Kosten für die Pflege der Technologie etc.
Interessen von Lizenzgeber und Lizenznehmer
Der Lizenzgeber wird immer versuchen, einen kalkulierten Teil seiner Entwicklungskosten sowie die Transferkosten über die Grundgebühr über die Lizenzzahlungen abzudecken. Selbst wenn die Lizenz durch den Lizenznehmer missbraucht wird, hat der Lizenzgeber damit einen Deckungsbeitrag erzielt. Sie gibt dem Lizenzgeber damit eine gewisse Sicherheit, dass der Lizenznehmer ernsthaft an der Verbindung interessiert ist. Gerade die Entwicklungskosten wird der Lizenznehmer lieber auf die „royalties“ beziehen und somit seine fixen Kosten durch die Lizenzierung senken. Verständlich sind die Erwartungen beider Seiten, lösen wird dies letztendlich eine Verhandlung, in der neben den üblichen „Spielarten“ insbesondere die Gewinnerwartungen des Lizenznehmers eine bedeutende Rolle spielen.
170
5 Going-International Strategien
Die Lizenzierung eignet sich insbesondere dann sehr gut, wenn direkte Investitionen in dem Auslandsmarkt rechtlich gar nicht zulässig, zu risikobeladen oder nicht profitabel sind. Außerdem kann auch eine Lizenzierung ggf. schneller expandiert werden. Es ist zu prüfen, inwieweit nicht eine ältere Version des Marktangebots lizenziert werden kann. Dadurch wird das Risiko gemindert und noch ein Deckungsbeitrag erwirtschaftet.
5.3
Markteintritt durch Kooperationen
5.3.1
Gründe für diese Form des Markteintritts
Im Unterschied zum Markteintritt durch Dritte setzen die nächsten Varianten eine Kooperation im engeren Sinne voraus. Bei Kooperationen handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung ohne Kapitalverflechtungen. Damit sind allerdings die Eigentumsverhältnisse mitunter nicht so klar geregelt, da die Grenzen der Kooperation oft fließend sind. Kooperationen sind in der Regel nicht auf Dauer angelegt.1 Die temporären Zielsetzungen von Kooperationen können sehr vielfältig sein:2
Zunächst ermöglicht eine Kooperation die Stärkung der Wettbewerbsposition durch eine Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen. Sie vergrößert das Know-how durch gemeinsames Lernen und den Transfer von Erfahrungswissen, reduziert die Kosten, insbesondere die Entwicklungskosten und ermöglicht Kostensenkungen durch eine Optimierung der Wertschöpfungskette. Dazu werden größere Investitionen durch Aufteilung der Lasten ermöglicht und Kostenvorteile im Verbund durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen erzielt. Die Expansionschancen in Märkten werden aufgrund gemeinsamen Auftretens und Zugang zu neuen Kunden und Märkten verbessert. Sie werden auch dadurch vermehrt, dass ein Verbund mit einem breiten Spektrum an Marktangeboten für neue Kunden attraktiver ist als ein einzelnes Unternehmen. Durch die Bündelung von Einkaufsvolumina können bessere Preise und Konditionen bei den Lieferanten erzielt werden. Es lassen sich Vergleiche mit den Kooperationspartnern anstellen und aus deren Vorgehensweisen und Denkweisen auf dem neuen Markt Lerneffekte für das eigene Unternehmen erzielen. Bei guten Kooperationen hat das Unternehmen auch eine „helping hand“ bei anderen Problemen, denn man kann sich mit den Mitarbeitern innerhalb der Kooperation austauschen. Die Expansionschancen in verschiedenen Märkten zu nutzen stellt oft die Hauptbeweggrund für Allianzen, aber auch für Akquisitionen, dar. Unternehmen empfinden es als zu-
1
Vgl. Perlmutter/Heenan, S. 137.
2
Vgl. Hägele/Schön, S. 66; vgl. Hirn.
5.3 Markteintritt durch Kooperationen
171
nehmend schwieriger, aus eigener Kraft Umsätze und Gewinne zu steigern.1 Bei allen Kooperationen muss jedoch eine Übereinstimmung („Fit“) in den verschiedenen Bereichen erwirkt werden, idealweise wird darauf bereits bei der Suche nach potenziellen Kooperationspartnern geachtet. Aufbau einer gemeinsamen Strategie basierend auf komplementären Stärken der Kooperationspartner strategisches Fit
kulturelles Fit
Wie ähnlich sind die täglichen Arbeitsprozesse? Welchen Herausforderungen steht man hier gegenüber? operatives Fit
Ressourcen Fit
Passen sie menschlich zusammen? Sind für die Beteiligten die gleichen Dinge wichtig? Abb. 5.12:
1
Welche Ressourcen (Geld, Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten) sind vorhanden? Passen sie zusammen?
Übereinstimmung in den grundlegenden Bereichen bei Kooperationen
Im strategischen „Fit“ besteht bei den Unternehmen Einigung über das Aufgabenfeld, in dem sie kooperieren. Dazu muss Einigkeit über die Zielsetzungen der beteiligten Unternehmen bestehen und sie müssen offenbart werden. Soll das „strategische Fit“ erfüllt sein, müssen die Zielsetzungen kompatibel und über einen bestimmten Zeitraum stabil sein. Dies ist dann von besonderer Bedeutung, wenn sie sich in anderen Geschäftsfeldern in einem Wettbewerb befinden, was meist der Fall ist. Der beidseitige Nutzen für beide muss eindeutig herausgearbeitet werden, ansonsten verliert ein Kooperationspartner schnell die Lust, sich weiter zu engagieren; dies teilt er im ungünstigsten Fall seinem Partner zunächst gar nicht mit! Im operativen „Fit“ geht es um das Tagesgeschäft, wie die Aufgaben differenziert werden und wie im Falle von Konflikten diese schnell gelöst werden. Dazu ist es hilfreich, Entscheidungs- und Kontrollmechanismen aufzubauen, die die Kommunikation und die Steuerung der Kooperation fördern.
Vgl. Dyer/Kale/Singh, S. 109.
172
5 Going-International Strategien
Im „Ressourcen Fit“ bestimmen die Kooperationspartner, welche entscheidungsrelevanten Ressourcen, „Assets“ und Kompetenzen eingebracht werden. Es empfiehlt sich meist, Kooperationen zwischen Unternehmen mit völlig unterschiedlichen Ressourcenausstattungen zu vermeiden. Dieses Ungleichgewicht führt nicht selten zu Störungen in der Beziehung. Im kulturellen „Fit“ wird eine gemeinsame Wertebasis gefunden („establishing a foundation of trust“). In der Regel sind mindestens die beiden Unternehmenskulturen unterschiedlich, dazu kommen unterschiedliche Kulturen in den beteiligten Ländern. Umso wichtiger ist es jedoch, einen Konsens für die Kooperation zu finden. Dies erleichtert vor allem Problemlösungen im Konfliktfall sowie neue Vorgehensweisen zur Bewältigung von neuen Aufgaben. Die US-amerikanische Unternehmensberatungsfirma McKinsey analysierte im Jahr 1991 die Ergebnisse von 49 Kooperationen. Dabei stellte sie fest, dass nur 51 % erfolgreich waren, d.h. eine Rendite erzielten, die über den Kapitalkosten der Kooperation lag. Diese Quote lag bei der nächsten Untersuchung im Jahr 2001 bei über 2.000 Kooperationen bei 53 %.1 Nach Ansicht der Autoren liegt der Grund für dieses schlechte Abschneiden in der Planung und im Management der Anlaufphase einer Kooperation. Die Anlaufphase einer Kooperation beginnt mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung und umfasst die Aktivitäten der ersten 100 Tage. Oftmals werden hier keine klaren Absprachen über Sinn und Zweck der Kooperation getroffen, dann wieder blockiert, Synergien nicht genutzt. Es sind die folgenden typischen Hürden bei Kooperationen, die sie so schwierig machen:2
1 2
Vgl. Bamford/Ernst/Fubini, S. 71. Vgl. ebenda, S. 72 ff.
5.3 Markteintritt durch Kooperationen Strategie
Problem
Lösung
Abb. 5.13:
Spielregeln
173 Abhängigkeiten
Organisation
• unterschiedliche Interessen, Ziele und Strategien der Kooperationspartner • Integration der unterschiedlichen Interessen ist aufwendig
• Teilung der Kontrolle erschwert die Entscheidungsfindung • Unterschiede in den Strukturen und den Geschäftsprozessen der Kooperationspartner
• Transferleistungen der Kooperationspartner • unterschiedliche Ansichten über die Verrechnung von Leistungen (Transferpreise) • Leistungen durch die beteiligten Unternehmen an die Kooperation wenig transparent
Management von unterschiedlichen: • Kulturen • Anreizsystemen • beruflichen Werdegänge der Mitarbeiter
• Offenlegung der Interessen der Kooperationspartner = Übereinstimmung mit den Zielen der Kooperation • Fixierung der Ziele für das erste Jahr der Kooperation
• keine enge Führung der Kooperation • Schaffung von Prozessabläufen für Entscheidungen
• Festlegung, welcher Kooperationspartner welche Leistungen erbringt • frühzeitige und gemeinsame Festlegung von Transferpreislisten
• Sicherung des Engagements wichtiger Mitarbeiter, vor allem durch das Mutterhaus
Typische Hürden bei Kooperationen
Die Alternative zur Kooperation stellt oft die Akquisition dar. In beiden Fällen werden von den Verantwortlichen die drei folgenden Faktoren analysiert, bevor es zur Einigung kommt:1
Die Ressourcen der beteiligten Partner zur Ermittlung der Möglichkeiten für Synergien, die Marktsegmente, in denen sie in Wettbewerb stehen, und gegebenenfalls die Auswirkungen durch eine Kooperation bzw. Akquisition und die Stärken der beteiligten Partner, Gemeinsamkeiten und Komplementarität. Bei den Ressourcen und Synergien, die durch eine Kooperation oder eine Akquisition erwartet werden, stellt sich immer die Frage nach den adäquaten Kombinationsmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen Ressourcen der beteiligten Unternehmen. Möglichkeiten können sich ergeben durch:
„Co-Branding“ im Bereich Markennamen
1
Vgl. Dyer/Kale/Singh, S. 110.
174
5 Going-International Strategien
Patente abgesicherter Technologien, physische Ressourcen wie Fertigungsstätten, Vertriebsnetze etc. finanzielle Lasten, die aufgrund einer Verbindung geteilt oder Risiken, die reduziert werden können Bei den verschiedenen Marktsegmenten, in denen eine Kooperation oder eine Akquisition stattfindet, sollte auch die Unsicherheit ermittelt werden, d.h. inwieweit können sich die Verbindung betreffende, für die Akquisition oder Kooperation fundamentale Annahmen verändern. Verschiedene Unsicherheiten können betrachtet werden, z.B. die Unsicherheit bezüglich einer eingesetzten Technologie, die sich nicht durchsetzen könnte. Erhöhte Unsicherheiten sprechen eher für eine Kooperation als für eine Akquisition. Vergessen werden sollte bei der ganzen Betrachtung auch nicht, dass Erfahrungen der Unternehmen für den Erfolg eine große Rolle spielen. Daher spricht vieles dafür, Strategien zu fahren, mit denen das Unternehmen bereits anderweitig Erfahrungen gesammelt hat. Es soll außerdem bemerkt werden, dass Unternehmen, die sowohl Kooperationen als auch Akquisitionen nutzen um sich weiter zu entwickeln, schneller wachsen als ihre Wettbewerber. Typisches Beispiel hierfür ist Cisco mit seinen 36 Unternehmensübernahmen in den letzten zehn Jahren sowie seinen über 100 Kooperationen im selben Zeitraum.1 Demnach stellt es keine „Entweder-Oder“-Entscheidung dar. Trotz aller Herausforderungen ist eine Kooperation für so manchen Mittelständler die einzige Möglichkeit, auf einem ausländischen Markt Fuß zu fassen. Die folgenden Empfehlungen für den Mittelstand können gegeben werden:
1
Mit direkten Wettbewerbern sollten keine Vertriebskooperationen eingegangen werden, auch wenn die Möglichkeit auf den ersten Blick noch so verlockend erscheint. Gute Kooperationen setzen auch wirtschaftlich stabile Situationen bei allen Beteiligten voraus. Wenn möglich sollten Kooperationen mit deutlich größeren Unternehmen oder Auslandsgesellschaften vermieden werden, wenngleich dies oft gar nicht möglich ist. Um in der Automobilzuliefererindustrie als Partner für die großen Automobilhersteller wahrgenommen zu werden, ist eine Verbindung zu einem „First Tier“, also einem direkten Zulieferer der Automobilhersteller, in der Regel ein sehr großer Zulieferer, notwendig. Das Eingehen einer Kooperation erfordert klare Zielsetzungen, die gemeinsam erreicht werden sollen. Diese Vereinbarung kann nur auf oberster Managementebene aller Beteiligten erfolgen. Ein „kurzer Draht“ sollte eingerichtet werden, um aufkommende Probleme, vor allem in der Anfangszeit, schnell zu lösen. Dazu sind „Paten“ auf jeder Seite notwendig, die Probleme, wenn es sein muss, per Telefon aus dem Weg räumen. Dazu bedarf es einer Entscheidungsmacht, was den Kreis derer, die als „Pate“ in Frage kommen, auf die oberste Leitungsebene beschränkt.
Vgl. Dyer/Kale/Singh, S. 115.
5.3 Markteintritt durch Kooperationen
175
Wann immer die beiden Möglichkeiten, Kooperation oder Akquisition betrachtet werden, stellt sich die Frage, durch welche Form die Ressourcen optimal eingesetzt und Synergien maximal erzielt werden können.1 Sind die Ressourcen eher reziprok, ist eine Akquisition vorzuziehen, ansonsten spricht es für eine Kooperation.
5.3.2
Auftragsfertigung
Als Auftragsfertigung bezeichnet man die Übertragung einzelner oder mehrerer Fertigungsstufen auf ein ausländisches Unternehmen. Diese Form des Markteinstiegs bezieht sich weitgehend auf die Beschaffung und Fertigung. Sie findet meist nur dann statt, wenn es sich um technisch und administrativ als einfach einzustufende Betriebe oder Aufgaben handelt, wie etwa die Metallbearbeitung. Bei der Auftragsfertigung übernimmt ein Fertigungsunternehmen im Ausland die Fertigung im Auftrag des eigenen Unternehmens, meist nur bei einfach einzustufenden Aufgaben. Sie kann auch zur Entlastung der einheimischen Fertigungskapazitäten beitragen. Es stellt ferner eine Möglichkeit zur Begrenzung des Risikos in einem Auslandsmarkt dar. Vorteile von Auftragsfertigung: • günstige Fertigungskosten • erhöhen des Bekanntheitsgrades vor Ort • geringe Kapitalanforderungen • tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse können ggf. umgangen werden
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.14
1
Nachteile von Auftragsfertigung: • Verlust von Know-how • Qualitätsprobleme können aufkommen • geringere Wertschöpfung • Schwierigkeit, geeignete Partner zu finden • Aufbau der eigenen Wettbewerber, sofern sie selbst den Marktzugang finden • Handelshemmnisse können ggf. nicht umgangen werden, sofern Vorprodukte importiert werden müssen
• Entscheidungsvorbereitung, welche Variante der Auftragsfertigung gewählt werden sollte • Finden des Auftragsfertigers (in Zusammenarbeit mit anderen Funktionen) • ggf. Pflege der Beziehung
Übersicht zur Auftragsfertigung
Vgl. Dyer/Kale/Singh, S. 111.
176
5 Going-International Strategien
Es gibt vier Varianten der Auftragsfertigung:1
Vorfertigung im Ausland, d.h. verschiedene Teile oder Komponenten werden an einen ausländischen Vertragsnehmer gegeben. Endfertigung im Ausland, d.h. die Endmontage wird an einen ausländischen Vertragsnehmer vergeben. Veredelung im Ausland, d.h. die inländisch hergestellten Marktangebote werden an einen ausländischen Vertragsnehmer gegeben, der sie weiterverarbeitet oder ausbessert. Komplettfertigung im Ausland, d.h. die vollständige Fertigung von Marktangeboten wird an einen ausländischen Vertragsnehmer gegeben. Die Vertragsfertigung kann zur Entlastung oder Erweiterung der inländischen Kapazitäten beitragen. Ferner bietet sie die Möglichkeit in Ländern präsent zu sein, in denen Unternehmen aus risikopolitischen Gründen keine Direktinvestitionen tätigen möchten. Diese Form des Markteintritts- bzw. der Marktbearbeitung wird noch genutzt, um Importrestriktionen im ausländischen Markt oder Vorschriften und Auflagen im eigenen Land zu umgehen. Allerdings ist die Vertragsfertigung nur für Produkte geeignet, die auch transportfähig sind. Sie kann ferner einerseits zu Qualitäts- und Imageprobleme führen, wenn sich der Partner nicht an die vereinbarten Standards hält, und andererseits zu einem Know-how-Abfluss, da sie die Weitergabe von Wissen mit sich bringt. Sofern das Partnerunternehmen die Vorproduktion übernimmt, entsteht eine hohe Abhängigkeit hinsichtlich der Lieferzuverlässigkeit und -pünktlichkeit. Das ausländische Partnerunternehmen muss in das eigene Netzwerk eingebunden werden, dies führt wiederum zu einem erhöhten Koordinationsaufwand beim inländischen Unternehmen.2
5.3.3
Strategische Allianz
Eine strategische Allianz, auch „Global Strategic Partnership“ (GSP) genannt, ist eine formelle, langfristig angelegte Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, ihre Fähigkeiten und Ressourcen zusammen einzusetzen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Unternehmen bleiben dabei rechtlich selbständig, sie teilen aber den Nutzen sowie die Kontrolle auf dem Gebiet der eingegangenen Allianz. Üblich und für alle sichtbar ist dies z.B. bei den Luftfahrtgesellschaften, die ihre Preise, Flugpläne etc. aufeinander abstimmen und schließlich vielleicht einmal sogar fusionieren werden. Die Gründe für strategische Allianzen liegen dort, wo ein „mutually beneficial exchange“ anstatt einmaliger Geschäftsmöglichkeiten realisiert werden kann, d.h. Vorteile müssen sich für alle Beteiligten gleichermaßen ergeben.
1
Vgl. Kutschker/Schmid, S. 845 f.
2
Vgl. ebenda, S. 848.
5.3 Markteintritt durch Kooperationen
177
Eine strategische Allianz ist eine formelle, langfristig angelegte Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, ihre Fähigkeiten und Ressourcen zusammen einzusetzen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, die sie alleine nicht erreichen würden. Die Gründe für strategische Allianzen liegen dort, wo gemeinsam Nutzen bringende Beziehungen anstatt einmaliger Geschäftsgelegenheiten realisiert werden können. Erfolgreiche strategische Allianzen zwischen zwei oder mehr Unternehmen können wie folgt beschrieben werden: • Sie beschließen, eine langfristige Strategie zu entwickeln, um die Führung auf einem Markt zu erreichen. • Jeder Partner besitzt spezifische Stärken, die es mit dem anderen Partner teilt: Beide profitieren („win/win“). • Die Beziehungen sind auf horizontaler Ebene organisiert, nicht nur vertikal. • In anderen Märkten außerhalb der Partnerschaft behalten die Unternehmen ihre Wettbewerbssituation. Vorteile von strategischen Allianzen: • tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse können umgangen werden • schneller Marktzugang, geringere Kapitalanforderungen und damit auch ein geringes Risiko ermöglichen eine vielfältige Umsetzung • vorhandene Kundennähe
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.15:
Nachteile von strategischen Allianzen: • Austausch von Daten und Informationen notwendig starker Kooperationspartner nutzt Position aus teilweises Aufgeben der Unabhängigkeit • Übereinstimmung bei grundsätzlicher strategischer Ausrichtung ist notwendig • Spezialisierung der Kooperationspartner in der Zusammenarbeit schafft ungewollte Abhängigkeiten
• Aufwand, den richten Partner zu finden • Erarbeitung einer „Exit-Strategie“ • Notfallplan für den Fall, dass die Vertrauensbasis zwischen Kooperationspartnern kann zerstört wird
Übersicht zur strategischen Allianz
Strategische Allianzen zu bilden ist ein Weg, eigene Schwächen abzufedern und die Wettbewerbsvorteile zu erhöhen. Die Gelegenheiten ergeben sich oft in neuen Märkten oder wenn der Zugang zu neuen Technologien erworben werden soll. Auch angestrebte Größenvorteile in der Fertigung sind oftmals ein Ausgangspunkt. Eine Allianz wird zwischen mindestens zwei Unternehmen eingegangen, die ein beidseitiges Interesse verfolgen und das Risiko aufteilen möchten. Die Voraussetzungen für funktionierende strategische Allianzen sind, dass:
ein gemeinsames Ziel besteht, die Schwäche des einen Partner durch die Stärke des anderen kompensiert wird, das alleinige Erreichen der Ziele zu teuer wäre und die Zusammenlegung ihrer Stärken Ziele erreichen lassen, die sonst nicht möglich gewesen wären.
178
5 Going-International Strategien
Bei erfolgreichen strategische Allianzen werden die folgenden Faktoren berücksichtigt:1
In der „Vision“ der Allianz sollten Win/Win-Situationen postuliert werden, die gemeinsame Interessen und Vorteile für die beteiligten Partner aufzeigen. Auch Allianzen müssen gemanagt werden. Nur so kann man vermeiden, dass mehrere eingegangene Allianzen eines Unternehmens zu Konflikten führen. Dies ist nur im Vorfeld möglich. Konsensorientierung ist zwischen den Partnern wichtig. Dabei sollten Partner als gleichwertig angesehen werden, auch wenn sie es durch reine betriebswirtschaftliche Größen beschrieben nicht sind. Wichtig sind beide, sonst wäre die Allianz nicht zustande gekommen! Die „persönliche Chemie“ ist ebenso wichtig wie die Entwicklung eines gemeinsames Wertesystems für die Allianz. Umso wichtiger ist es, dass die beteiligten Partner von vornherein zusammenpassen, denn so kann bei der Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur für die Allianz auf Vorhandenes zurückgegriffen werden. Innovative Strukturen und Geschäftsprozesse sind oft notwendig, um die Komplexität eines „Multi Country Management“ zu reduzieren. Die Entscheidungsfindung muss dargelegt werden: Gemeinsamkeiten, Beilegung von unterschiedlichen Ansichten, klare gemeinsame Aufteilung der Verantwortlichkeiten von allen Partnern. Leider treffen diese Empfehlungen für Allianzen in der Praxis oft nicht zu. Sie sind oft gekennzeichnet durch die folgenden Probleme von strategischen Allianzen:2
Sie sind oft rein vertragliche Vereinbarungen. Die Zuständigkeiten sind oft nicht so klar definiert. Diese Vereinbarungen sind meist zeitlich beschränkt. Oft Transfer von Technologie, weniger Aufbau neuer Niederlassungen, das notwendige Know-how fehlt oft.
1
Vgl. Perlmutter/Heenan, S. 137. Vgl. ebenda.
2
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
179
5.4
Markteintritt durch Direktinvestitionen
5.4.1
Gründe für diese Form des Markteintritts
Ausländische Direktinvestitionen sind im Ausland getätigte Vermögensanlagen mit dem Ziel der Einflussnahme auf die unternehmerische Tätigkeit, im Gegensatz zu Portfolioinvestitionen, die nicht auf eine Einflussnahme abzielen, sondern es als reines Finanzinvestment begreifen. Kosten der Fertigung
Kostenvorteile
Kosten des Controllings
Wahrnehmung als lokales Unternehmen
Kosten der Marktbearbeitung Marktgröße & Markttrends
Ursachen von Direktinvestitionen
Ergebnisse von Direktinvestitionen
Kundennähe Partizipation am Marktwachstum
Handelshemmnisse
höherer Gewinn
Wechselkursrisiken
Unabhängigkeit vom Wechselkurs
Abb. 5.16:
Beziehung zwischen exogenen Einflussfaktoren und zu erwartenden Ergebnissen
Grundsätzlich stehen bei Direktinvestitionen die folgenden Alternativen zur Verfügung:
„Grüne-Wiese“-Direktinvestition („green field“), d.h. Errichtung eines neuen Werks im Ausland Beteiligungen bei über 10 % Anteil am gezeichneten Kapital (darunter Portfolioinvestment) Übernahmen im Ausland Es gibt zahlreiche Faktoren, von denen eine Direktinvestition im Ausland abhängig gemacht wird:
180
5 Going-International Strategien
Marketing-Faktoren
• • • • • •
Marktgröße und Marktwachstum Erhaltung der Marktanteile Steigerung der Exporte Notwendigkeit des engeren Kontakts zum Kunden Unzufriedenheit mit den bisherigen Aktivitäten Erweiterung der Exportbasis
Kostenfaktoren
• • • • •
Nähe zum Lieferanten Verfügbarkeit von Arbeit, Rohstoffe, Kapital, Technologie geringere Arbeits- und Fertigungskosten geringere Transportkosten finanzielle Anreize durch die Regierung
Investitionsklima
• • • • • •
Einstellung zu ausländischen Investitionen politische Stabilität Limitationen in der Eigentümerstruktur Wechselkurs: Devisenbewirtschaftung, Stabilität der Kurse Steuer Kenntnisse des Landes
Handelsrestriktionen
• tarifäre und non-tarifäre Handelshemmnisse • Präferenzen der Kunden: „buy local”
erwartete Gewinne
• Gewinnerwartungen
Abb. 5.17:
Gründe für Direktinvestitionen
Im Ausland zu investieren hängt von vielen Faktoren ab. Diese Entscheidung kann Teil einer vorangehenden Unternehmensstrategie sein, wie die Sicherung bestehender Märkte bzw. Expansion, oder aber auch aus wettbewerblichen Gründen erfolgen. Die Nutzung von Kostenvorteilen ist oft nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Allerdings muss hier zwischen so genannten „First Tier“- und „Second Tier“-Lieferanten unterschieden werden. Jede Zuliefererebene hat, wie in der Automobilindustrie, unterschiedliche Aufgaben und trägt in ihrer Gesamtheit zur Bereitstellung des Moduls in der Montagelinie bei. Die Positionierung der Zulieferer entwickelt sich von der traditionellen Form der Zulieferer/Hersteller-Beziehung hin zu stärkeren vertikalen und auch horizontalen Verflechtungen. Dabei werden drei verschiedene Zuliefererebenen („Tiers“) unterschieden:
„First Tier“ sind Systemanbieter und Wertschöpfungspartner der Automobilhersteller. Sie bieten komplette Systeme und Module. „Second Tier“ sind Komponentenhersteller, die die „First Tier“ mit Komponenten beliefern. Das heißt, sie stehen nicht (mehr) in direktem Kontakt mit dem Automobilhersteller. „Third Tier“ sind Teilehersteller, die ihre Teile wiederum an die „Second Tier“ liefern.
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
181
Besonders deutlich wird der Wandel in der angestrebten Reduzierung der direkten Lieferanten („First Tier“) der Automobilhersteller. In einer Art Leistungsdifferenzierung wird es künftig nur noch zwei Arten von Zulieferunternehmen geben, nämlich „full-service firms“, die als Systemlieferanten mit den Automobilherstellern in direktem Kontakt stehen und „low-cost manufacturers“, die als Lieferant für die Systemlieferanten dienen. Die Systemlieferanten rücken dabei in den Mittelpunkt. Sie fertigen große Stückzahlen von montierten Komponenten oder individuellen Teilen. Das Motiv der Markterschließung ist bei den „First Tier“ stärker als bei den „Second Tier“, die wiederum großen Wert auf Kostenreduktion und Nähe zum Kunden legen, wie die Studie „Innovation in der Produktion“ von 2001 des Fraunhofer ISI zeigt.1 Direktinvestitionen sind auch eine Frage der Einstellung: Was treibt Unternehmen in einen ausländischen Markt an, sind es die eigenen Strategien oder die Kosten?2 Führen Investitionen zu Umsatz?
Führt Umsatz zu Investitionen?
• Service und Dienstleistungen können nicht aus der Ferne erbracht werden. • Eigene Mitarbeiter werden vom Kunden als Experten wahrgenommen; manche Kunden lehnen unabhängige Handelsvertreter bei technischen Marktangeboten ab.
• Risiko einer Fehlinvestition steigt ohne den vorab erbrachten Beweis, dass ein Markt heute vorhanden ist.
?
• Bewusstsein, dass bei einem Eintritt in einen neuen Markt „Spielgeld“ benötigt wird, dessen Verlust nicht weh tut, ist nicht vorhanden.
• Strategie des Unternehmens beruht auf Alleinstellungsmerkmalen im Markt; die Strategie wird systematisch umgesetzt.
• Strategie des Unternehmens beruht auf Umsatzgelegenheiten; sie ist aktionsgetrieben und wird ad-hoc umgesetzt bzw. wieder fallen gelassen.
Strategie als Treiber
Kosten als Treiber
Abb. 5.18:
Umsatz folgt Investition oder Investition folgt Umsatz?
Es gibt auch hier kein richtig oder falsch, sie finden in der Praxis beide Optionen, beide können erfolgreich sein. Die Entscheidung hängt sehr stark von der eigenen Unternehmenskultur als auch von denen in der Vergangenheit positiv gemachten Erfahrungen ab. Die Endkunden in den einzelnen Ländern profitieren sehr stark von den Direktinvestitionen. Dazu gibt es nach einer Studie von McKinsey viele Beispiele. So fielen die Preise für Autos in China um 30 % nachdem Unternehmen wie Ford, Honda etc. in den Markt 1 2
Vgl. Fraunhofer ISI. Vgl. Kohlert/PwC, S. 47.
182
5 Going-International Strategien
eintraten. Dies liegt vor allem daran, dass die Investoren die Branchen durch den Einsatz von neuen Technologien, besseren Ausbildungsstand der Mitarbeiter etc. effizienter gestalten und lokale Wettbewerber nachziehen oder aus dem Wettbewerb ausscheiden müssen.1
5.4.2
Praxisfall: Kriterien für Direktinvestitionen für Automobilzulieferer
Es gibt zahlreiche Faktoren, von denen ein Engagement durch Direktinvestition in Russland abhängig gemacht wird:2
Marktfaktoren: Modernisierung nationaler Hersteller und Aufbau neuer Fertigungskapazitäten
Kostenfaktoren: Standortkosten, signifikante Lohnkostenvorteile
Investitionsklima: politische Situation, ökonomische Aussichten, steuerrechtliche und rechtliche Vorhersagbarkeit Abb. 5.19:
Einflussfaktoren auf die Direktinvestitionen bei Automobilzulieferern
Geht ein Automobilzulieferer in ein Land, handelt es sich immer um größere Investitionen. Daher ist das Investitionsklima insgesamt ein sehr wichtiger Indikator. Dieses wird in Russland im allgemeinen als gut eingeschätzt, wenngleich es auch immer wieder Zweifel über die langfristige politische Stabilität und Probleme mit der russischen Vorhersagbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen gibt. Auch eine Studie der PNB Company zeichnet hier bei 107 befragten Investoren und 50 Unternehmen, die noch nicht investiert haben, ein sehr unterschiedliches Bild: 28 % der Unternehmen glauben, dass Russland in die richtige Richtung geht, 27 % glauben das nicht, sowie 45 % sagen aus, dass es einfach schwer zu beurteilen ist.
1 2
Vgl. Farrell/Remes/Schulz, S. 27. Vgl. Kohlert/PwC, S. 49 f.
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
183
Immerhin erwarten aber 54 % auch, dass es in den nächsten zwei Jahren besser wird, nur 21 % gehen von einer Verschlechterung des Investitionsklimas aus.1 Bei den Kostenfaktoren kommt es auf den Automobilzulieferer an. Ist die Fertigung sehr lohnkostenintensiv, spielen die Faktoren eine herausragende Rolle. Die Kostensituation ist aber dann kein Argument, wenn ein Großteil der Kosten auf Material und nicht auf Löhne entfällt; denkbar ist dann allerdings eine Auslagerung der Montage nach Russland um Zölle zu umgehen oder den „local content“ nachzuweisen. Hier könnten positive Kostenaspekte entstehen. Allerdings wird immer wieder der Qualitätsstandard in Russland bemängelt. Es dauert zu lange, um die gewohnten Standards durchhaltbar und nachhaltig umzusetzen. Es ist allerdings aus der Sicht Russlands keine Empfehlung, auf diese Möglichkeit weiter zurückzugreifen, denn der mittelfristige Erfolg dieser „local content laws“ ist bekannterweise zweifelhaft.2 Marktfaktoren wie Marktgröße sind sicherlich gegeben, wenn die russische Automobilindustrie modernisiert und ausländische Hersteller Werke errichten. Außerdem gilt Russland auch als Brücke zu den anderen Staaten in der GUS. Dies scheint aber bislang nicht die Rolle zu spielen, da der Modernisierungsprozess bei den russischen Automobilherstellern bei weitem noch nicht abgeschlossen ist.
5.4.3
Vertriebsniederlassung
Vertriebsniederlassungen sind rechtlich und wirtschaftlich in die Gesamtorganisation des Unternehmens eingebunden und verkaufen ihre Marktangebote direkt an den Kunden oder indirekt über von ihnen betreute Intermediäre, z.B. freie Handelsvertreter. Eine Vertriebsniederlassung ist die günstigste Form einer Direktinvestition. Mit ihr ist das Unternehmen vor Ort präsent und hat auch die Fachleute zur Verfügung. So können Beziehungen zu Kunden, Partnern etc. aufgebaut werden. Die Anwesenheit mit einer Vertriebsniederlassung auf dem ausländischen Markt erlaubt eine bessere und schnellere Reaktion auf Veränderungen sowie nationale Anpassungen der Marktangebote in einem gewissen Umfang, insbesondere bei den Dienstleistungsanteilen. Für den Kunden stellt das eine höhere Sicherheit dar und schränkt sein Risiko ein. Denn er sieht durch das stärkere Engagement des Unternehmens im Markt eine stärkere Ernsthaftigkeit und die Möglichkeit, eine längerfristige Beziehung einzugehen.
1 2
Vgl. PNB Company, S. 25 f. Vgl. Kap. 4.1.5.
184
5 Going-International Strategien
Eine Vertriebsniederlassung ist rechtlich und wirtschaftlich in die Gesamtorganisation des Unternehmens eingebunden und vertreibt ihre Marktangebote direkt an den Kunden oder indirekt über von ihr betreute Intermediäre. Vorteile von Vertriebsniederlassungen: Nachteile von Vertriebsniederlassungen: • Kundennähe • schwierigerer „Exit“ aus Imagegründen • eigenständige Präsenz am Markt • entwickeln oft Eigenleben, da sie aufgrund ihres zu Beginn geringen finanziellen • verbessert Image im Land und bei den Beitrags als nicht wichtig empfunden und Kunden weniger beachtet werden • Durchsetzung von Strategien nach eigenen Plänen • kein Know-how-Abfluss • höhere Umsätze, höhere Marktdurchdringung möglich
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.20:
• professionelle Führung von Verkaufsniederlassungen mit klaren „Reporting Lines“, Zuständigkeiten und Verantwortungsbereichen • Klärung über Eigenständigkeiten der einzelnen Vertriebsniederlassungen
Übersicht zur Vertriebsniederlassung
Die Entscheidung für eine Vertriebsniederlassung steht im Gegensatz zum indirekten Export. Hier empfiehlt es sich abzuwägen, welche Kaufkriterien des Kunden durch eine eigene Vertriebsgesellschaft besser erfüllt werden als z.B. durch einen Importeur:
Entscheidungskriterium
Abb. 5.21:
indirekter Export, z.B. über Distributor eigene Vertriebsniederlassung
Vergleich von Vertriebsniederlassung mit indirektem Export
Während die Automobilzulieferer diese Option gar nicht besitzen, denn bei ihnen geht es immer um den Aufbau neuer Fertigungskapazitäten, die von vornherein eine kritische Größe erreichen müssen, kann der Maschinenbauer durchaus sein Geschäft Schritt für Schritt aufbauen. In der Hoffnung, dass sich der Markt sehr statisch verhält, erfolgt ein phasenweiser
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
185
Eintritt in einen neuen Markt, die eigene Vertriebsgesellschaft ist der logische Endpunkt eines erfolgreichen Markteintritts:1
Export • direkter Export an vorhandene oder neue Kunden • Kontaktaufnahme durch verschiedene Maßnahmen, z.B. Messeauftritte
1
• Bearbeitung vorhandener Kunden erfolgt durch fremde Dritte vor Ort, ebenso die Akquisition
eigene Vertriebsgesellschaft • direkte Akquisition und Betreuung von Kunden • Anbieten von Serviceleistungen, Ersatzteile
• Zugang zu nur wenigen Informationen über Kunden, Markt und Wettbewerb
• Informationen über Kunden, Markt und Wettbewerb liegen vor
Initialphase
Testphase
Markteinstieg
Ingangsetzung
Überprüfung der Nachhaltigkeit
risikoreduzierendes Engagement
Abb. 5.22:
freie Vertreter, Handelsunternehmen
Phasenweiser Eintritt in den ausländischen Markt
Ein Export ergibt sich aus den ersten Kontakten, die oftmals über Messen, Handelskammern etc. generiert werden. Er erfolgt in der Regel direkt, wobei die Zollabwicklung „gerne“ dem lokalen Kunden überlassen wird. Gelegenheiten, Marktinformationen zu erhalten, bestehen nur, wenn die anfängliche Lieferbeziehung intensiviert wird und der persönliche Kontakt gesucht wird, sofern das in der Phase überhaupt möglich bzw. angestrebt wird. Der erste Auftritt auf dem ausländischen Markt erfolgt oftmals über einen Handelsvertreter oder ein Handelsunternehmen, das man idealerweise gleich auf Messen kennen gelernt hat; so muss man nicht lange suchen. Über diese erfolgt die Bearbeitung bestehender und die Akquisition von neuen Kunden. Allerdings erhält man so wenige Informationen über Kunden, Markt und Wettbewerb, da diese ja die Vermögensgegenstände der freien Vertreter und der Handelsunternehmen darstellen und diese natürlich versuchen, sich unentbehrlich bzw. im Falle einer Übernahme, teuer zu machen. Eine Teilung der Marktinformationen liegt nicht in ihrem Interesse. Erst wenn konstante Umsätze erzielt werden, wird über eine eigene Vertriebsgesellschaft nachgedacht, die dann das Ersatzteilgeschäft übernimmt, sowie Dienstleistungen im neuen Markt erbringen kann. Erst jetzt können Marktinformationen systematisch gesammelt und persönliche Kundenbeziehungen aufgebaut werden.
Vgl. Kohlert/PwC, S. 66 f.
186
5 Going-International Strategien
So oder so ähnlich erfolgt bei vielen Unternehmen der Markteintritt im Ausland. Oftmals ist eine kontinuierliche Präsenz wichtig, wie Unternehmen zu berichten wissen. Das Netzwerk sollte in der eigenen Hand behalten werden. Deutsche Unternehmen scheinen dazu zu tendieren, ein „Marktpotenzial bei überschaubarem Risiko“ zu suchen. Selbstverständlich spricht nichts gegen ein vorsichtiges Abwägen bei der Wahl der Markteintrittsstrategie, daher sollten die Vor- und Nachteile gegenübergestellt werden: freie Vertreter, Handelsunternehmen
Export
Vorteile
Nachteile
Abb. 5.23:
Vertriebsniederlassung
• geringes Risiko • niedriger Kapitaleinsatz • Abdeckung von kleinen Märkten wirtschaftlich vertretbar • Auffinden von Referenzkunden • Sammlung erster Erfahrungen auf dem Markt
• • • •
geringes Risiko niedriger Kapitaleinsatz schneller Markteintritt schnelle Strategieänderungen möglich • Marktdurchdringung möglich, da kein Kostenfaktor
• Aufbau eigener Vertriebsstrukturen • direkter Kundenkontakt, Kunde ist auf das eigene Unternehmen fixiert und nicht auf externe Dritte • eigenständige Präsenz verbessert Reputation am Markt (Markenbildung) • Entwicklung und Umsetzung von Strategien nach eigenen Vorstellungen • kein Know-how-Abfluss
• Logistik kann selbst nicht bewältigt werden • keine Flexibilität • fehlende Kundennähe • Anpassungen der Marktangebote praktisch nicht möglich • kein Einfluss auf den lokalen Vertrieb, kann das eigene Image beschädigen
• Risiko bei der Partnerwahl • Kundenkontakte sind auf Dritte fixiert • höhere Anforderungen an die Distributoren führen zu höheren Kosten • begrenzter Einfluss auf die Distributoren • Probleme bei Konflikten zwischen Distributoren, z.B. bei der Abgrenzung von Gebieten
• Kapitalbedarf ist sehr hoch • schwieriger „Exit“, da finanzielle Verpflichtungen eingegangen worden sind • Tochtergesellschaften können rasch ein Eigenleben entwickeln
kurzfristig
mittelfristig
langfristig
Vor- und Nachteile der einzelnen Markteintrittsstrategien
Ist die eigene Vertriebsgesellschaft gegründet, wird diese recht schnell mit weiteren Aufgaben betreut. Das Aufgabenspektrum kann schnell über den initialen Beweggrund Vertrieb hinausgehen:1
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 75.
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
Vertriebssteuerung: Aufbau von „Key Account Management“, effiziente Abwicklung von Routinen
Marktangebot: Anbieten von Dienstleistungen, die vorher nicht möglich waren
Abb. 5.24:
Service: kurze Reaktionszeiten von der Anforderung des Kunden, z.B. Ersatzteile, bis zur Lieferung
Mögliche Aufgaben einer eigenen Vertriebsgesellschaft
Kostenfaktoren: Erkunden möglicher Beschaffungsquellen, F&E-Kapazitäten etc.
187
Markenaufbau: einheitliches Auftreten auf dem ausländischen Markt über alle Vertriebswege
Kundennähe: Erkunden der Bedürfnisse, Bedeutung der Qualität, Bestehen von „good enough windows“
Neue Optionen durch die eigene Vertriebsgesellschaft
Mit einer eigenen Vertriebsgesellschaft im ausländischen Markt ist das Unternehmen dort wirklich angekommen. Wie in der Grafik ersichtlich, hat es eine ganze Reihe von weiteren Optionen, die sich durch die Vorort-Präsenz ergeben. Der Vertrieb wird ausgeweitet, die Wertschöpfung erhöht. Insbesondere Kundenkontakte zu möglichen Schlüsselkunden, die später als Referenz dienen können, sollten nicht ausschließlich dem lokalen Mitarbeiter vor Ort überlassen werden, sondern sie sollten auf das Unternehmen übertragen werden. Das liegt nicht unbedingt im Interesse des Mitarbeiters vor Ort, der damit einen Teil seiner Bedeutung für das Unternehmen abgibt. Aber auch ihm kann man dies vermitteln, indem man darstellt, dass der Erfolg für alle Beteiligten profitabel ist und es für den Kunden wichtig ist, das Unternehmen als Ganzes kennen zu lernen.
5.4.4
Joint Venture
Unter einem „Joint Venture“ versteht man Kooperationen von Gesellschaften, bei denen es zur Gründung einer neuen, rechtlich selbstständigen Geschäftseinheit kommt, an der beide Gründungsgesellschaften mit ihrem Kapital beteiligt sind. Ein Joint Venture ist durch zwei Aspekte gekennzeichnet, nämlich Kooperation und Autonomie. Die Gründungsgesellschaften bringen neben dem Kapital meist bestimmte Ressourcen ein, wie etwa Technologie, Schutzrechte, technisches Know-how etc. Durch diese Partnerschaft senken die Beteiligten das „risk of doing business abroad“ und bringen Erfahrungen in den neuen Markt mit ein. Der Nachteil liegt darin, dass der ausländische Joint Venture-Partner sich aus der Partnerschaft lösen und dann eventuell als Wettbewerber auftreten könnte. Bisweilen kam es auch schon vor, dass er die
188
5 Going-International Strategien
Partnerschaft dafür benutzte, den ausländischen Wettbewerber aus dem Markt heraus zu halten. Im schlimmsten Fall unternahm er gar keine Aktivitäten für das Joint Venture. Umso wichtiger ist ein vorgesehener „Exit“. Ein Joint Venture ist die gemeinsame Gründung eines neuen Unternehmens mit einem oder mehreren ausländischen Unternehmen. In dieses gemeinsame, neu errichtete Unternehmen, bringen die Partner ihre Erfahrungen etc. zum gemeinsamen Nutzen ein. Oftmals ist bereits zu Beginn geplant, den Joint Venture-Partner zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen. Vorteile von Joint Ventures: • bestehende Strukturen, Fertigungen, Mitarbeiter, Vertriebswege, Markennamen etc. • „risk of doing business abroad” sinkt deutlich
Aufgaben für die Marketing-Abteilung:
Abb. 5.25:
Nachteile von Joint Ventures: • Partner mit den bestehenden Strukturen etc. muss vorhanden sein, um die Vorteile nutzen zu können • die verschiedenen Unternehmenskulturen sollten kompatibel sein • ausländischer Joint Venture-Partner könnte sich aus der Partnerschaft lösen und dann eventuell als Wettbewerber auftreten
• Aufwand, den richten Partner zu finden • Koordination und Management von Netzwerken: - Definition gemeinsamer Ziele - Harmonisierung des Marketing-Mix - gemeinsame Besprechungen • Erarbeitung einer „Exit-Strategie“ • Vorabklärung von Fragen bei der Auflösung des Joint Venture: - Wie kann ein Joint Venture wieder aufgelöst werden? - Wer kann es ggf. zu 100% übernehmen? - Zu welchem Kaufpreis?
Übersicht zu Joint Ventures
Um Fehler zu vermeiden ist es meist notwendig, einen Blick nicht nur auf die neu gegründete Gesellschaft zu richten, sondern auch das dahinter stehende Beziehungsgeflecht der beteiligten Unternehmen zu beleuchten. Weitere Empfehlungen ergeben sich aus den Ausführungen über die strategische Allianz, die mit diesen identisch sind.1 „Joint Ventures“ spielen heutzutage in der Literatur eine große Rolle. Allerdings stellt sich die Frage, ob sie auch für den Markteintritt in einen ausländischen Markt geeignet sind. Nach Ansicht der befragten Unternehmen in einer empirischen Studie spielt ein „Joint Venture“ keine große Rolle mehr, denn die Bereitstellung von Land und Gebäuden hat ihren ursprünglichen Reiz verloren.2 Eine Studie der PNB Company zeichnet hier ein identisches Bild. Von 103 bestehenden Investoren bevorzugten nur 8 % ein „Joint Venture“ für den Markteinstieg
1 2
Vgl. Kap. 5.2.3. Vgl. Kohlert/PwC, S. 76.
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
189
in Russland, 56 % errichteten eine Tochtergesellschaft als Mehrheitsgesellschafter.1 Werden allerdings mögliche Investoren befragt, spricht sich von 45 befragten Unternehmen fast die Hälfte für einen Markteintritt über ein „Joint Venture“ aus, nur 13 % für eine Direktinvestition.2 Diese werden dann bei der Beschäftigung mit dem Markt ihre Erfahrungen machen und möglicherweise ihre Meinungen ändern. Konsortien sind Joint Ventures auf der Basis vieler Partner. Es dient weitgehend zur Risikostreuung in Märkten oder Projekten, die sehr risikobeladen sind. Auch wenn das Projekt sehr kapitalintensiv ist, wird aus Gründen der Kapitalbeschaffung oft an ein Konsortium gedacht. Das Joint Venture kann als Alternative zum Export betrachtet werden. Dabei kann das Unternehmen von den Marktkenntnissen des ausländischen Partners profitieren. Es können auch Vorhaben realisiert werden, die jeder Partner für sich alleine nicht hätte umsetzen können. Die geografischen Entfernungen bedürfen eines hohen Koordinationsaufwands und die Bündelung von Kompetenzen kann zu einem Know-how-Abfluss führen. Letztendlich kommt es hier sehr stark auf die Wahl des richtigen Partners an, sollen diese Gefahren vermieden werden.3
5.4.5
Gründung einer eigenen Fertigungsstätte
Eigene Fertigungsstätten stellen eine unmittelbare Präsenz im Gastland dar. Anders als bei den bisher genannten Formen des Markteintritts und der Marktbearbeitung bieten eigene Fertigungsstätten ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegenüber Dritten. Durch starke Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten lassen sie sich einerseits leichter in die Unternehmensstruktur einbinden und andererseits Unternehmensstrategien einfacher durchsetzen.
1 2 3
Vgl. PNB Company, S. 18. Vgl. ebenda, S. 23. Vgl. Kutschker/Schmid, S. 855 ff.
190
5 Going-International Strategien
Unter einer Fertigungsstätte im Ausland wird die Tochtergesellschaft eines Unternehmens verstanden, die nur zum Zwecke der Nutzung von Unterschieden in den Arbeits- und Fertigungskosten errichtet wurde, nicht oder nur eingeschränkt unter dem Aspekt der Kundennähe. Damit können Probleme wie Importhemmnisse umgangen, Steuervorteile erzielt, Zugänge zum weit billigeren Arbeitsmarkt geschaffen und Transportkosten gesenkt werden; mit dem Vorteil, dass keinerlei Unternehmensgeheimnisse mit den morgigen Wettbewerbern geteilt werden, wie etwa bei einem Joint Venture. Vorteile von eigenen Fertigungsstätten: • Geschäftsplanung entsteht nach eigenen Plänen • höhere Marktdurchdringung und damit höhere Umsätze, Gewinne können erreicht werden • bessere Akzeptanz im ausländischen Markt • Steuervorteile • Kostenvorteile, senkt die Transportkosten sofern ein Markt vorhanden ist • es werden keine Firmengeheimnisse an den Wettbewerber von Morgen weitergeben
Aufgaben für die Marketing-Abteilung: Abb. 5.26:
Nachteile von eignen Fertigungsstätten: • höheres Risiko, insbesondere wenn die politischen Verhältnisse unsicher sind • umfangreiche Investitionen sind erforderlich • Wechselkursrisiko zum Investitionszeitpunkt • volle Unterstützung des Stammhauses muss sicher sein • Kommunikationsprobleme zwischen der Muttergesellschaft mit der ausländischen Tochter • kulturelle Probleme, die meist in der Anfangszeit unterschätzt werden
• Auswahl des richtigen Standorts • Managementorientierung im Stammhaus muss sich verändern, sofern es die erste ausländische Fertigungsstätte ist
Übersicht zur Fertigungsstätte
Nach den Erfahrungen der beiden McKinsey-Berater Ritter und Sternfels zeigt es sich, dass zu viele Unternehmen die Einsparungen ausländischer Fertigungsstätten überbewerten und die neuen Probleme wie Wechselkursraten, Kosten des Lagerbestands und Überalterung nicht erkennen und nicht mit in das Kalkül ziehen. Seit langem fällt die Bedeutung der direkten Lohnkosten, sie liegen heute nur noch zwischen 7 % und 15 % der Gesamtkosten, während die Logistikkosten stark ansteigen können.1 Liegen die direkten Lohnkosten allerdings bei 40 % bis 50 % der Gesamtkosten, so wird eine ausländische Fertigungsstätte empfohlen.2 Hier empfiehlt sich, die Kostenvergleichsrechnung aufzustellen, bei der die Kosten der Kontrolle einer Fertigung im Ausland (Aufbau) mit den Kosten der Kontrolle einer Fertigung im Inland (Erweiterung) verglichen werden. Zusätzliche Kosten beim Aufbau einer Fertigung im Ausland entstehen durch die Koordination von Fertigung und Beschaffung. Auch Forschung und Entwicklung müssen aufeinander abgestimmt werden, wobei diese Bereiche meist im Inland verbleiben. Hinzu kommen die Vorbereitung und Durchführung von Kontrollprozessen,
1 2
Vgl. Ritter/Sternfels, S. 124 f. Vgl. ebenda, S. 127
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
191
z.B. zur Qualitätskontrolle und die Kontrolle potenzieller Know-how-Abflüsse, insbesondere bei ausländischen Niederlassungen: Position
Betrag in € K Veränderung Anteil an den der Kosten
Vollkosten
Fertigungslöhne im Stammwerk Aufschlag für verminderte Effizienz (in % von Herstellkosten) Reale Kostensenkung der Löhne Fracht- & Zollkosten-Mehraufwand (in % von Herstellkosten) Administrativer Mehraufwand im Stammwerk Technischer Kontrollaufwand im Stammwerk Reisen zur ausländischen Betriebsstätte Deutsches Personal bei ausländischer Betriebsstätte (p.a.) Zusätzlicher Verwaltungsaufwand im Stammwerk Eingesparter Verwaltungsaufwand im Stammwerk Investitionsbedarf bei Fertigung im Stammwerk Investitionsbedarf bei ausländischer Betriebsstätte Differenz Abschreibungen Steuervorteile Ergebnis Abb. 5.27:
Detaillierte Kostenbetrachtung bei Produktionsverlagerung
Dabei sollte der Führungsaufwand nicht unterschätzt werden. Fertigungsstätten erfordern über viele Jahre die Umsetzung von inländischen Managementkapazitäten in die ausländische Tochtergesellschaft, bevor diese nach und nach durch inländische Führungskräfte abgelöst werden.
192
5 Going-International Strategien
Abwägungen bei einer Entscheidung für eine Fertigungsstätte:1
einmalig wirksam
qualitativ wirksam
• • • • • • • •
Erschließungskosten Ausrüstungskosten Know-how-Transferkosten Produkt-Transferkosten Investitionskosten Verlagerungssteuern Vorlauffertigung für Verlagerung vertragliche Bindungen
• Widerstand in der Organisation • Komplexität der Verlagerungsprozesse • Know-how-Verlust • Lieferantenqualifikation
ständig wirksam
monetär wirksam
• • • • • • • • •
Lohnkosten Abschreibungen und Steuern Logistikkosten Kommunikationskosten Controllingkosten IT-Kosten Lagerhaltungskosten Kapitalkosten Flexibilität der Kapazitäten
• Markenbild • Koordinationsaufwand • Nähe von Entwicklung, Fertigung und Vertrieb • Bestellzeiten • Störanfälligkeit der internen Lieferbeziehungen • Möglichkeiten der Ausweichfertigung
Abb. 5.28:
Auswirkungen einer eigenen Fertigungsstätte
In einigen Ländern bestehen allerdings Investitionsrestriktionen, die den Aufbau von mehrheitlich oder voll beherrschten Fertigungsstätte erschweren oder nicht erlauben. Die Etablierung einer Auslandsgesellschaft wird als „Commitment“ gegenüber dem Gastland verstanden, da immer Arbeitsplätze geschaffen werden und damit das Image des ausländischen Unternehmens verbessert wird. Ein Rückzug ist dann viel schwieriger und kostenintensiver, z.B. durch die Bezahlung einer Abfindung bei Entlassungen.2
5.4.6
Akquisition – Kauf einer Auslandsgesellschaft
Eine Form der Etablierung einer Auslandsgesellschaft stellt die Schaffung der Auslandsgesellschaften durch Akquisition eines im ausländischen Markt bestehenden Unternehmens dar. Eine Akquisition liegt hier vor, wenn ein Unternehmen den Markteintritt dadurch vollzieht, dass es eine vollständige oder eine zumindest mehrheitliche Übernahme bezogen auf Stimmrechts- und/oder Kapitalanteile eines ausländischen Unternehmens realisiert. Die Übernahme einer bestehenden ausländischen Geschäftseinheit ermöglicht einen schnellen Zugriff zum 1 2
Vgl. Wiedemeier, S. 27. Vgl. Kutschker/Schmid, S. 872 f.
5.4 Markteintritt durch Direktinvestitionen
193
Markt und kann auf bestehende Kundenbeziehungen sowie ein bestehendes Umsatzvolumen aufbauen. Meist steht die Organisation damit auch schon, die nur noch angepasst werden muss. Dies erfordert oft viel Kapital und insbesondere in der Anfangszeit einen hohen Bedarf an international erfahrenen Mitarbeitern. Doch sollte auch diese Möglichkeit in der konzeptionellen Vorbereitungsphase eines Markteinstieges mit in Betracht gezogen werden. Wenn man es genau durchrechnet, kann ein Kauf auf die Jahre gerechnet kostengünstiger sein als eine Neugründung. Die Akquisition eines bestehenden Unternehmens ermöglicht es, sofort mit einer größeren Geschäftseinheit in einen Markt einzusteigen. Vorteile der Akquisition eines Unternehmens: • schneller Zugriff zum Markt und damit höhere Marktdurchdringung sowie höhere Umsätze, Gewinne • kann auf bestehende Kundenbeziehungen und auf ein bestehendes Umsatzvolumen aufbauen • Organisation besteht bereits, sie muss „nur“ noch in das eigene Unternehmen integriert werden • höhere Akzeptanz im ausländischen Markt • schnelle Rückzahlung der Investition ist möglich
Aufgaben für die Marketing-Abteilung: Abb. 5.29:
Nachteile der Akquisition eines Unternehmens: • relativ langer Vorlauf durch Suche, Bewertung und Verhandlungen mit den Kandidaten • hoher sofortiger Kapitaleinsatz beim Kauf • Kosten für die „post merger integration“ und dessen Dauer müssen berücksichtigt werden • erhöhtes Risiko, vor allem wenn die Umfeldbedingungen als unsicher erscheinen • hohe Managementkapazitäten vor allem in der Anfangszeit • „Exit-Strategie“ wird sehr teuer • „Übernommene“ ist oftmals demotiviert, nicht selten verlassen die guten Leute das Unternehmen • volle Unterstützung des Stammhauses ist notwendig
• Aufwand, den richten Partner zu finden • Post-Merger Integration ist ansich nicht Aufgabe der MarketingAbteilung, sie wirkt aber mit und fördert sie
Übersicht zur Akquisition
In diesem Zusammenhang spielt das vor Ort vorhandene Personal eine wichtige Rolle. Akquisitionen erlauben den Zugang zum Know-how, Fähigkeiten und Kompetenzen der akquirierten Unternehmung. Das akquirierte Unternehmen kann vom Image des akquirierenden Unternehmens profitieren. Allerdings kann der neue Führungsstil zu Unsicherheitsgefühlen und Demotivation bei den Mitarbeitern des akquirierten Unternehmens führen. Sehr unterschiedliche Landeskulturen und/oder Unternehmenskulturen bringen häufig Integrationsprobleme mit sich und können zu einem Weggang von Schlüsselpersonen führen. Erfahrun-
194
5 Going-International Strategien
gen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass etwas 50 % aller Akquisitionen aufgrund der soeben genannten Schwierigkeiten zu einem Misserfolg führen.1 Auch hier sollten die beiden alternativen Ansiedlungsformen, nämlich die Neugründung einer Auslandsgesellschaft („green field“) oder die Akquisition einer Auslandsgesellschaft, nüchtern verglichen werden:
Entscheidungskriterium
Abb. 5.30:
Neugründung einer Auslandsgesellschaft
Akquisition einer Auslandsgesellschaft
Neugründung versus Akquisition einer Auslandsgesellschaft
In manchen Ländern wird von Akquisitionen aufgrund typischer Schwächen grundsätzlich abgeraten bzw. nur nach ausführlicher „Due Diligence“. Unter „Due Diligence“ (gebührende Sorgfalt) versteht man die Prüfung des Übernahmekandidaten durch den Käufer und dessen Beauftragte. Dabei wird untersucht, ob das zu übernehmende Unternehmen den Gewährleistungen des Verkäufers und den Erwartungen des Käufers entspricht. Das Ziel ist, eine Vorstellung über die tatsächliche Ertragskraft des Unternehmens zu erhalten. Die Bereiche der „Due Diligence“-Prüfung erfassen das Folgende:
1
Wirtschaftliches „Due Diligence“ prüft die für das Unternehmen wichtigsten Märkte und deren Entwicklung, aber auch die Situation bezüglich Patenten und Markenrechten, sofern dies eine bedeutende Rolle spielt. Technisches „Due Diligence“ prüft den Maschinenpark, die Situation mit Genehmigungen durch die Behörden etc. Organisatorisches „Due Diligence“ spielt insbesondere dann eine große Rolle, wenn der Übernahmekandidat mit dem Erwerber verschmolzen werden soll. Hier wird die interne Organisation geprüft, auch die Altersstrukturen der Mitarbeiter, um die Aufwände bei einer Harmonisierung abzuschätzen. Rechtliches „Due Diligence“ prüft die vertraglichen Vereinbarungen, die der Erwerber mit übernehmen würde, etwa mit Mitarbeitern, Kooperationspartnern, Lieferanten etc. Steuerliches „Due Diligence“ prüft die Gefahr von Steuernachzahlungen, für die der Erwerber gegebenenfalls haftet. Finanzielles „Due Diligence“ prüft die finanziellen Auswirkungen durch die unterschiedlichen betrieblichen Planungen insgesamt, sei es für den Absatz oder die Fertigung.
Vgl. Kutschker/Schmid, S. 882 ff.
5.5 Praxisfall: Markteintritt durch die CIBER Novasoft AG by Opportunity
195
Die Problemfelder in Unternehmen in den Ländern können in den folgenden Schwächen liegen, die dann eher für eine Neugründung sprechen:1
Strukturelle Schwächen durch ungünstige Größenstrukturen, ungünstige Standortbedingungen, mitunter hohe vertikale Integration sowie oftmals unkalkulierbare Altlastenproblematiken. Leistungswirtschaftliche Schwächen durch ein ungünstiges Produktportfolio, veraltete Fertigungsanlagen und Technologien, eine mangelnde Marktorientierung, eine geringere Produktivität, die einen Teil der Arbeitskostenvorteile wieder reduziert sowie teilweise einer Überbesetzung mit Arbeitskräften. Finanzwirtschaftliche Schwächen durch Probleme mit dem Bilanzwert und der Kostenwahrheit sowie Liquiditätsengpässe, die dahingehend sichtbar werden, dass Löhne gar nicht oder nicht pünktlich ausgezahlt werden.
Aus analytischer Sicht wird die Kaufentscheidung in derselben Weise wie jede andere Investition in Anlagevermögen behandelt: Die anfänglichen Ausgaben für Investitionen erfolgen, um erwartete zukünftige Rückzahlungen („Cash Flow“) zu erzielen. Ein guter Kauf einer Auslandsgesellschaft wird größere Rückzahlungen nach sich ziehen als Investitionsausgaben erforderlich waren. Eine erfolgreiche Transaktion steigert sowohl den Wert des erwerbenden Unternehmens als auch des erworbenen Unternehmensteils.2
5.5
Praxisfall: Markteintritt durch die CIBER Novasoft AG by Opportunity3
5.5.1
Erkennen und Nutzen einer Gelegenheit für den Markteintritt
Als ein russisch-stämmiger Mitarbeiter des Unternehmens CIBER NOVASOFT von den großartigen Möglichkeiten für ein Unternehmen wie CIBER Novasoft auf dem russischen Markt schwärmte, erntete er hauptsächlich Skepsis. Man konzentrierte sich lieber auf die etablierten Märkte und erachtete Russland als zu „unerforscht“ und unsicher. Derselbe russische Mitarbeiter trat seinen Heimaturlaub in St. Petersburg an und kehrte nach zehn Tagen mit der sehr konkreten Anfrage einer russischen Einzelhandelskette zurück, die sich wenig später in einen Auftrag umwandeln ließ. Daraufhin wurde in Kürze ein gut ausgerüstetes Team zusammengestellt, um dieses Projekt schnell und effektiv umzusetzen. Nachdem ein weiteres Projekt gewonnen werden konnte, entschloss man sich ein Jahr später für den konsequenten Ausbau der Aktivitäten in Russland
1 2 3
Vgl. Müschen, S. 72 f. Vgl. Eayrs, S. 138. Die Unterlagen für den Praxisfall wurden von Herrn Wolfgang Lehmann, Geschäftsführer der russischen Niederlassung der CIBER Novasoft AG, Heidelberg, im Jahr 2005, zusammengestellt und durch den Autor dieses Buches überarbeitet.
196
5 Going-International Strategien
sowie die Gründung einer lokalen Gesellschaft und den Aufbau einer lokalen Beratermannschaft. Zu diesem Zwecke wurde ein Projektteam zusammengestellt, das sich mit klaren Zielsetzungen, klaren Terminen, klaren Verantwortlichkeiten und mit klaren finanziellen Rahmenbedingungen dieser Aufgabe annahm. Die pragmatische Vorgehensweise war einer der wesentlichen Faktoren für den schnellen, positiven Projektfortschritt.
5.5.2
Konkrete Umsetzung des Markteintritts
Um möglichst schnell eine funktionsfähige Gesellschaft auf die Beine zustellen, wurden zunächst die wichtigsten organisatorischen Schritte geplant:
Wahl des Makro-Standortes Wahl des Mikro-Standortes Wahl des Rechtsbeistandes Wahl der Hausbank Wahl des Steuerberaters
Gleichzeitig wurde der Vertrieb weiter vorangetrieben. Auch hat man darauf geachtet, parallel zu den bestehenden Aktivitäten den Aufbau einer funktionierenden Administration sowie einer kompetenten Beratermannschaft voranzutreiben. Um den Fortgang aller Maßnahmen effektiv und zeitnah steuern zu können, traf sich das Gründungsteam im monatlichen Turnus zu „Monitoring“-Besprechungen mit der folgenden Agenda: Soll/Ist-Vergleiche Darstellung der aktuellen „Cash-Flow“-Situation Stand in der Vertriebs-Pipeline Ständige aktive Anpassung der Planung an die aktuellen Marktbedingungen Diese pragmatische Vorgehensweise ermöglichte es, dass die russische Gesellschaft bereits nach vier Monaten ihre Geschäfte in neuen Büroräumen aufnehmen konnte, nach weiteren drei Monaten bereits die Gründungsinvestitionen amortisiert hatte und seitdem in der Gewinnzone operiert.
5.5.3
Das Statthalterprinzip als Garant des Erfolges
In einem Markt wie dem russischen stellt nicht nur die Sprache ein Kommunikationshindernis dar. Es ist auch die teilweise grundlegend unterschiedliche Mentalität im täglichen Geschäftsleben zu berücksichtigen. Die Etablierung eines Vertrauten vor Ort, auch „Statthalter“ genannt, ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Die Funktionen dieses Vertrauten sind vielfältig:
Die Organisation des täglichen (Geschäfts-) Lebens, wie die üblichen Preisverhandlungen mit den Taxifahrern, Auswahl geeigneter Restaurants für Geschäftsessen, Erläuterung der russischen Spezialitäten beim Restaurantbesuch etc. Da viele Russen kaum englisch geschweige denn deutsch sprechen, ist man fast immer und überall auf einen Dolmetscher angewiesen. Besonders bei Gesprächen und Ver-
5.5 Praxisfall: Markteintritt durch die CIBER Novasoft AG by Opportunity
197
handlungen mit potenziellen Partnern und Kunden ist es wichtig, dass diese Aufgaben von jemand übernommen werden, dem man vertrauen kann, da es hier häufig um vertrauliche Informationen geht. Die Beratung im Umgang mit den Geschäftspartnern ist notwendig. Die russische Mentalität und lokale Konventionen beeinflussen den Umgang von Geschäftspartnern, vor allem in Verhandlungen, in einem Ausmaß, dass es bei Unwissenheit bzw. Unkenntnis selbiger häufig zu nicht unerheblichen Missverständnissen kommt. Die Aufgabe des Vertrauten besteht darin, das Verhalten des Gegenüber zu interpretieren und zu erläutern, um sicherzustellen, dass auch die „Botschaften“ jenseits des Wortlautes richtig verstanden und beantwortet werden. Natürlich lassen sich die o.g. Aufgaben auch auf mehrere Personen verteilen. Idealerweise werden sie aber von ein und derselben Person wahrgenommen. Ein weiterer Grund dafür, warum man einen Vertrauten vor Ort haben sollte, sind die in Russland stark ausgeprägten „Graubereiche“, in denen sich das russische Geschäftsleben immer wieder mal bewegt. Gerade im Rahmen der Gründung einer neuen Gesellschaft in Russland ist man oftmals auf das Wohlwollen der unterschiedlichen amtlichen Stellen angewiesen. Umso wichtiger ist es, dass eben diese Aufgaben von einer Person gemanagt werden, der man uneingeschränkt vertraut und die es versteht dieses Wohlwollen zu gewinnen.
5.5.4
Die Lerneffekte
Im Nachhinein lässt sich konstatieren, dass der eher hemdsärmelige Ansatz des Markteintritts für die CIBER Novasoft genau der richtige Ansatz war. Zusammenfassend waren es vor allem folgende Faktoren, die den erfolgreichen Markteintritt ermöglicht haben:
Die Einbindung lokaler Mitarbeiter, denn die Unterstützung durch lokale Mitarbeiter, die den Markt und die Mentalität der Kunden kennen, ist unverzichtbar, um in einem Markt wirklich Fuß zu fassen. Die Pflege des deutsches Images hilft. Besonders in dem Bereich, in dem CIBER Novasoft operiert, der Beratung von aufstrebenden russischen Unternehmen bei der Einführung einer ERP-Software, hat es sich als richtig erwiesen, sich durch die Pflege eines westlichen Images von anderen lokalen Wettbewerbern abzugrenzen. Die Einsicht, dass Russland nicht Deutschland ist. Viele Mechanismen, die man aus westlichen Ländern kennt, gelten nicht für einen Markt wie Russland. Durchsetzungskraft und Durchhaltevermögen sind notwendig. Im russischen Markt weht ein rauer Wind. Neue Marktteilnehmer werden nicht unbedingt mit offenen Armen begrüßt. Es empfiehlt sich daher, sich „etwas wärmer anzuziehen“. Es gilt viel kleine und große Attacken zu überstehen. Dazu sollte man sich eine dementsprechende seelische Konstitution zulegen. Sei pfiffig, aber bleibe sauber: Man muss dafür offen sein, dass es viel mehr Bürokratie gibt, es aber gleichzeitig auch immer wieder „inoffizielle“ Wege gibt das gewünschte Ziel zu erreichen. Allerdings sei hier ganz deutlich davor gewarnt, als westliches Unternehmen den „Pfad der Tugend“ zu verlassen. Das würde bedeuten, sich auf ein „Spiel“ einzulassen, dass man nicht beherrscht und in dem man nur verlieren kann.
198
5 Going-International Strategien Um in einem sich schnell entwickelnden Markt wie Russland nicht hinterher zu laufen, muss man Vollgas geben. Wer zaudert und zögert wird die günstigen Gelegenheiten verpassen. Die Dynamik des Marktes begünstigt vor allem ein wendiges und flexibles Vorgehen basierend auf kurzen Entscheidungswegen mit ebenso schnellen Entscheidungen.
6
Being-International Strategien
Develop your specific core competencies And go into complementary partnerships.
6.1
Strategiekonzepte für die Internationalisierung
6.1.1
Wichtige Bestandteile bei der Internationalisierung
Die wichtigsten Bestandteile einer strategischen Konzeption des internationalen Marketings sind wie folgt: Situationsanalyse und Prognosen
bestehendes Unternehmenskonzept
Zielsetzungen zur Marktbearbeitung
Auswahl der relevanten Marktsegmente
Zeitpunkt
Markterschließung Marktbearbeitung („being international“Strategie)
Markteintritt („going international“Strategie)
Implementierung
Controlling Abb. 6.1:
Strategische Konzeption des internationalen Marketings
eventuelle Auswahl von Partnern
200
6 Being-International Strategien
Im Mittelpunkt steht die Markterschließung. Die konkreten Zielsetzungen wurden durch das Unternehmen klar definiert. Diese basieren auch auf dem Verständnis der bestehenden strategischen Position des Unternehmens sowie der Berücksichtigung von externen und internen Ressourcen und Kernkompetenzen und beinhalten das Verstehen des Umfelds und der Erwartungen und Einflüsse ihrer „shareholder“ bzw. ihrer „stakeholder“. Im Zuge der Strategieentwicklung werden die relevanten Marktsegmente ermittelt. In der Regel werden diejenigen Segmente ausgewählt, in denen die besten Gewinnmargen erzielt werden können und der geringste Wettbewerb besteht. Der richtige Zeitpunkt aus Sicht des Marktes, nicht des Unternehmens, wie oft irrtümlich von den Unternehmen angenommen wird, wird ermittelt. Meist wartet nicht eine Schlange von Kunden auf den Zeitpunkt, in dem das Unternehmen endlich auf ihrem Markt auftritt. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob der Markt zu dem Zeitpunkt reif für das neue Marktangebot mit den Preisen etc. ist oder ob ein späterer Zeitpunkt besser geeignet sein könnte. Dies hängt natürlich auch von den Strategien der Wettbewerber ab, insbesondere wenn „first mover advantages“ bestehen. Die konkrete Form des Markteintritts sowie der weitere Fortgang der Marktbearbeitung im nächsten Stadium sollten durch Entscheidungen im Unternehmen entschieden werden. Oft legt man sich mit der Entscheidung für eine bestimmte Markteintrittsstrategie („going international“) bereits auf die weitere Marktbearbeitung („being international“) fest. Ein typischer Fehler ist hier, beim Markteintritt zunächst mit freien Handelsvertretern zu beginnen, die in der Regel über eine Umsatzbeteiligung entlohnt werden. In die Kalkulation fließen dann als Vertriebskosten die Provisionszahlungen an den freien Handelsvertreter in Prozent des Umsatzes ein. Wird später eine Verkaufsniederlassung gegründet, stellt man häufig fest, dass trotz eines gesteigerten Verkaufsvolumens aufgrund höherer Gemeinkosten höhere Preise angesetzt werden müssten. Dies gelingt oft nicht mehr. Beim Markteintritt stellt sich vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen die Frage nach der Partnerwahl, mit denen man den Eintritt gemeinsam vollziehen kann um Kosten zu sparen, aber auch um Erfahrungen auszutauschen. Mit lokalen Partnern können insbesondere die „uncontrollables“ reduziert werden, da einige Fehler nicht begangen werden: „The natives have the maps“. Die Implementierung setzt die Strategien in organisatorische Veränderungen durch die entsprechenden Strukturen, die Ressourcenplanung und das Management des strategischen Wandels um. Eine Markterschließung muss durch das Controlling immer auch auf ihre Wirkung überprüft werden, um möglichst schnell Korrekturen vornehmen zu können. Im zweiten Planungsdurchlauf bestehen dann schon die wertvollen Erfahrungen, die die Risiken doch gleich deutlich mindern. Situationsanalyse und Vorhersagen werden jetzt durch die Erfahrungswerte wesentlich konkreter.
6.1 Strategiekonzepte für die Internationalisierung
201
Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Markterschließung immer ein Aufbruch ins Ungewohnte bedeutet und hier sehr oft neue Wege beschritten werden müssen. Neue Wege sind immer Umwege, ex post weiß man immer, was man alles anders, besser hätte machen können. Mit dieser Aufgabenstellung muss das Unternehmen mit Fehlern leben, um aus diesen zu lernen, denn es kann nur das gelingen, was auch scheitern darf, möglichst aber nur einmal. Oder wie es der chinesische Gelehrte Konfuzius ausdrückte: „Mein bester Schüler macht jeden Fehler nur einmal.“
6.1.2
Umgang mit Unsicherheiten bei globalen Strategien
Mit Unsicherheiten wird man immer leben müssen. Sie erscheinen fortlaufend in Form von technologischen Veränderungen, unerwarteten Schritten der Wettbewerber, Einführung von neuen Marktangeboten der Wettbewerber etc. und stellen die bestehende Strategie in Frage. Daher stellt eine Strategie in praxi immer einen Mix aus beabsichtigter Strategie und Reaktionen auf das veränderte Umfeld dar:1
geplante bzw. beabsichtigte Strategie des Unternehmens
eigentliche bzw. gegenwärtige Strategie des Unternehmens
Reaktionen auf die sich verändernden Umweltbedingungen
Abb. 6.2:
Gegenwärtige Strategie als Resultierende von Planung und Reaktion
Somit kann die eigentliche und gegenwärtige Strategie eines Unternehmens immer als Ergebnis von Planungen und Reaktionen auf Veränderungen betrachtet werden. Die Veränderungen, auf die das Unternehmen trifft, sind bei einem Markteinstieg in einen ausländischen Markt jedoch höher als im heimischen Markt, den das Unternehmen bereits sehr 1
Vgl. Thompson/Strickland, S. 6 ff.
202
6 Being-International Strategien
gut kennt. Selbst dort passieren jedoch Pannen. Es kommt selten vor, dass Unternehmen keinerlei Informationen über einen Markt haben, sondern es stellt sich eher die Frage, inwiefern diese ausreichen, um auf einer bestimmten Basis eine globale Strategie aufbauen zu können. Darin unterscheiden sich auch die Niveaus der Unsicherheit, sie können in vier Ebenen unterteilt werden:1
Zukunft ist deutlich
Unsicherheit ist irrelevant für die strategische Entscheidung. • Erkenntnisse der Marktforschung, Porters 5-Forces und SWOT-Analyse als Ausgangsbasis • bestehende Vorstellung über eine zukünftige Entwicklung
alternative Zukunftsszenarien
Die Zukunft kann durch unterschiedliche Szenarien beschrieben werden, sie hängen von den politischen Entscheidungen, den Wettbewerbsstrategien der anderen Unternehmen etc. ab. • Entwicklung von verschiedenen Szenarien • bestehende Vorstellungen über verschiedene zukünftige Entwicklungen
viele mögliche Zukunftsentwicklungen
Die Definition von Schlüsselfaktoren ist möglich, die Erstellung von alternativen Szenarien nicht. • Auffinden der wichtigen Schlüsselfaktoren • Darstellung der Entwicklungsrichtung der Schlüsselfaktoren • Umstellen des Geschäftsmodells • Überprüfung und ggf. Anpassungen des Geschäftsmodells an mögliche Entwicklungen, ggf. wird es wieder rückgängig gemacht
wahre Vieldeutigkeit
Definition von Schlüsselfaktoren ist nicht möglich. • Erarbeitung eines „Faktenkatalogs“ mit anschließender Gewichtung • Analogieschlüsse von Märkten, die ähnliche Entwicklungen machten • Warten auf den richtigen Zeitpunkt oder nur auf einmalige Gelegenheiten
Abb. 6.3:
1
Verschiedene Niveaus der Unsicherheit
Beim ersten Niveau der Unsicherheit ist das Unternehmen in der Lage, sich ein Bild über die Situation vor Ort durch verschiedene Analysemethoden zu verschaffen. Die globale Strategie wird an die Bedingungen im Auslandsmarkt angepasst. Das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens wird weitgehend auf den Auslandsmarkt übertragen. Beim zweiten Niveau der Unsicherheit wird versucht, aus den divergierenden Informationen eine Struktur zu gewinnen. Es werden unterschiedliche zukünftige Entwicklungen angenommen, die aufgrund der Datenbasis zu vertreten sind. Globale Strategien werden in diesen Märkten parallel entwickelt und implementiert, sobald die reale Entwicklung schließlich sichtbar wird. Das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens wird mitunter an die Bedingungen auf dem Auslandsmarkt angepasst, sobald eine stabile EntVgl. Courtney/Kirkland/Viguerie, S. 82 ff ; vgl. Courtney, S. 44 ff.
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
203
wicklung erkennbar ist. Es kann aber auch schon im Hinblick auf erwartete Entwicklungen erfolgen! Beim dritten Niveau der Unsicherheit werden Schlüsselfaktoren gesucht, die für die weitere Entwicklung des Auslandsmarktes relevant sein können. Basierend auf möglichen Entwicklungen der Schlüsselfaktoren werden unterschiedlich grobe Entwicklungsrichtungen dargestellt und bestehende Strategiealternativen auf ihre Robustheit bewertet. Dabei spielt auch die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen eine große Rolle. Diese Form der Unsicherheit ist typisch für Unternehmen in neuen Märkten. Das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens wird zumindest angepasst, mitunter komplett neu erstellt, da eine Kopie desselben nicht möglich ist. Mitunter können Elemente vom alten Geschäftsmodell übernommen werden. Beim vierten Niveau können an sich keine Strategien entwickelt werden. Anregungen für die Strategien werden aus Märkten mit einer ähnlichen Entwicklung geholt. Dieses Niveau wird bei größeren technologischen Durchbrüchen und drastischen politischen Veränderungen vorgefunden. Das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens wird komplett neu erstellt, da eine Kopie desselben nicht möglich ist. Hier bewegt sich das Unternehmen in Gänze auf einem neuen Terrain.
Der Grad der Unsicherheit wirkt sich auf die Vorhersagefähigkeit geschäftlicher Entwicklungen direkt aus. Es ist kaum wahrscheinlich, in einem durch Unsicherheit geprägten Markt eine sichere Marketing-Strategie zu entwickeln, eher ein Bündel von möglichen, alternativen Marketing-Strategien. Damit steigt der Aufwand in diesen Märkten erheblich an!
6.2
Aufbau globaler Marketing-Strategien
6.2.1
Ausgangspunkt Umfeldfaktoren
Die Entwicklung einer globalen Marketingstrategie kann vom Marktgeschehen und seinen Umfeldfaktoren angestoßen werden. Diese unterliegen den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie auf dem nationalen Markt, von daher ist die Vorgehensweise die gleiche, die Besonderheiten liegen, wie bereits mehrfach darauf hingewiesen, im Detail:
204
6 Being-International Strategien
Fakten & Annahmen
Marketingziele & Marketingstrategien
Makroprofil Branchentrends: • Entwicklungen • Stabilität
SWOTAnalyse
KundennutzenAnalyse
Umweltveränderungen: • Technologie Annahmen • Wertesystem über die • Politik Zukunft
Kunden: • Zielgruppen • Bedürfnisse Markt & Wettbewerb: • Marktvolumen • Wettbewerber
Mikroprofil
Abb. 6.4:
& Reflexion mit eigenen Ressourcen
Ziele
Außerökonomische Ziele: • Image • Bekanntheit • Qualität • Aufbau von Markteintrittsbarrieren
Porter’s 5 Forces Analyse
Marketing Mix
Feedback
Strategien: • Marktsegmente • Positionierung • Markteintritt • Basisstrategie: - Kostenführer - Differenzierung - Besetzung von Nischen
Ökonomische Ziele: • Umsatz • Deckungsbeitrag • Gewinn • Marktanteil
Aktionspläne: • Marketing-Mix - Marktangebot - Preis - Vertriebswege - Promotion Erfahrungen bei Umsetzung führen z.B. zu • Kauf von neuen Technologien • internationale Ausrichtung
Feedback
1
Entwicklung einer globalen Marketingstrategie im Unternehmen ausgehend von den Umfeldfaktoren
Die Formulierung der Marketing-Strategie beginnt mit einer Bestandsaufnahme der Fakten. Im Makroprofil der Branchensituation werden die Faktoren ermittelt, die eine bestimmte Relevanz für das Unternehmen haben (Branchentrends, Umfeldveränderungen). Es folgt die Ermittlung des Mikroprofils der Branchensituation mit meist direkten Auswirkungen auf den Erfolg des Unternehmens (Branche, Wettbewerb, Markt und Kunden). Die gesammelten Fakten kommen aus der Marktforschung des Unternehmens. Sie betreffen sein Makro- sowie Mikro-Umfeld und seinen anvisierten neuen Auslandsmarkt. Da viele Fakten qualitativer Natur sind und interpretiert werden können, ist es bei der Aufstellung der Zielsetzungen und der Entwicklung der Strategien von Bedeutung, dass die Annahmen über die zukünftige Entwicklung des Marktes von allen am Strategieentwicklungsprozess beteiligten Personen im Unternehmen gemeinsam getragen werden. Hier kommt das Niveau der Unsicherheit zum Tragen, die Vorhersagen erst ermöglichen oder eben fast unmöglich machen. Erst auf dieser Basis lassen sich dann Entscheidungen für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens treffen. Im Einzelnen können dies sein:
Aussagen über die Entwicklung in den infrage kommenden Märkten Prognosen über das Auftreten neuer Wettbewerber sowie das Verhalten existierender Wettbewerber
1
Schaubild entnommen aus: Kohlert, 2005, S. 150.
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
205
technologische Durchbrüche und deren Effekt auf die eigene Marktposition und auf die der Wettbewerber Wie wichtig die Annahmen sind, zeigt sich dann später in der Umsetzung. Um ein sinnvolles Ergebnis bei der Beschäftigung mit der eigenen Strategie zu erzielen, wird empfohlen, bei den Annahmen über die zukünftige Entwicklung einen Konsens der beteiligten Führungskräfte anzustreben. Herrscht darüber Uneinigkeit wird die spätere Umsetzung unmöglich. Es empfiehlt sich, diese Annahmen über die Zukunft mit den eigenen Ressourcen zu reflektieren, um unrealistische Zielsetzungen auszuschließen und sich am Machbaren zu orientieren. Bevor die Ziele im Unternehmen aufgestellt werden, die in ökonomische und außerökonomische unterteilt werden können, werden mit verschiedenen Analysen weitere Informationen gewonnen. Beispielhaft werden hier die folgenden Analysen genutzt:1
SWOT-Analyse für die Ermittlung der eigenen Stärken und die Erarbeitung einer Strategie auf dieser Basis „Porter’s 5-Forces Analysis“ zur Erfassung des Branchenumfelds und zur Ableitung der kritischen Faktoren aus dem Umfeld Kundennutzen-Analyse zur optimalen Erreichung und Befriedigung der Kundenbedürfnisse Dann werden die Zielsetzungen für die nächste Planungsperiode aufgestellt. Alle Zielsetzungen müssen messbar sein: „If you can’t measure it, you can’t manage it!“ Das gilt auch für die außerökonomischen Ziele! Bei der Entwicklung und Umsetzung der Marketingstrategien werden vorab die einzelnen Marktsegmente definiert, in die eingetreten werden soll. Die Positionierung und der eigentliche Markteintritt werden festgelegt. Von besonderer Wichtigkeit ist es im neuen Ländermarkt, dass das Marktangebot unter dem Gesichtspunkt der Einzigartigkeit, d.h. der Kunde braucht es, der Wettbewerber hat es nicht, dargestellt werden kann. Die Bereitstellung von außergewöhnlichen Stärken, die den Kunden zum Kauf zwingen, wenn sie ein bestimmtes Problem gelöst haben wollen, muss für den Kunden klar ersichtlich sein. Kein Kunde kauft ein für ihn neues Marktangebot, das immer mit einem gewissen Risiko behaftet ist, wenn die Stärken nur inkrementelle Verbesserungen gegenüber den Marktangeboten der Wettbewerber darstellen. Daher müssen die neuen Marktangebote billiger, besser und schneller sein. Das gilt insbesondere in hoch entwickelten Märkten, in denen man gegen andere Anbieter antritt. Dass die Priorisierung von Stärken von Region zu Region unterschiedlich sein kann, zeigt sich immer wieder. So kann es passieren, dass das eigene Unternehmen in Europa Marktführer, Technologieführer und bekannt als „first mover“ exzellente Leistungen zu höheren Kosten erbringt, die die Kunden auch wertschätzen. In Asien kann sich dasselbe Unternehmen in der Position des Herausforderers wiederfinden, das preissensitive Kundenkreise bedienen soll. Diesen Spagat zu bewältigen stellt das Unternehmen vor spannenden Aufgaben:
1
Zu Inhalten dieser Methoden wird auf die bestehende Literatur verwiesen, vgl. Kohlert, 2013, S. 85 ff.
206
6 Being-International Strategien Unternehmen in Europa
• Marktführer • „first mover“: Technologieführer • exzellenter Kundenservice Fokus der Kunden auf Steigerung der Effizienz
Unternehmen in Asien • Herausforderer des Marktführers • „later mover“: Technologieanpasser oder Technologiefolger • geringe Produktpalette und Schwächen in der Logistik Fokus der Kunden auf Kosten
• geografische Distanz • unterschiedliche Kundenbedürfnisse • ggf. unterschiedlicher Hintergrund der konkurrierenden Unternehmen
• unterschiedliche Ansätze • unterschiedliche Strategien • unterschiedliche Marktangebote Abb. 6.5:
Spagat zwischen Technologieführerschaft und Kostenführerschaft
Grundsätzlich hat der Kunde mit Technologieführerschaft positive Assoziationen, wie das Beispiel Fuchs Petrolub AG zeigt:1
Technologie-, Innovations-, Spezialisierungs- und Weltmarktführerschaft in strategisch bedeutsamen Geschäftsfeldern heißt für den Kunden, dass er die für ihn beste technische Lösung zu vernünftigen Preisen erhält. Der Vorteil des Kunden durch die Unabhängigkeit des Unternehmens ist seine Reaktionsfähigkeit, Schnelligkeit, Flexibilität und Nischenfähigkeit. Entscheidungen können schnell getroffen, Anpassungen an die Bedürfnisse des Kunden schnell vorgenommen werden. Eine konsequente Ausrichtung auf die eigenen Stärken optimiert die Infrastruktur im Sinne dieser Ausrichtung und begrenzt die Komplexität, da Geschäftsfelder, die nicht zu den Stärken gehören, nicht bedient werden. Die Strategien werden im Marketing-Mix umgesetzt. Im Laufe des „being international“ wird dieses fortlaufend optimiert, entweder indem es den lokalen bzw. regionalen Besonder-
1
Die Aussagen basieren auf einem Vortrag von Dr. Manfred Fuchs anlässlich des Kolloquiums „Fragen zur Führung eines transnationalen Unternehmens mit Sitz in der EU“ am 23. November 2004 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer.
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
207
heiten angepasst wird oder indem bei global existierenden Marktsegmenten das standardisierte Marketing-Mix optimiert wird. Da es viele Parameter in jedem Land gibt, existiert keine standardisierte Vorgehensweise, sondern unterschiedliche viele Lösungen. Auf welche Herausforderungen Unternehmen in der Marktbearbeitung treffen können, zeigt die folgende Grafik am Beispiel Russland:1
Informationen kommen vor Investitionen eigene oder fremde Mitarbeiter – was erwartet der Kunde
Entfernungen sind eine Herausforderung an die Logistik
Markteintritt Russland setzt Erfahrungen im Ausland voraus, am besten in kleineren Märkten des ehemaligen Ostblocks
Marktbearbeitung Sprachkenntnisse sind der Beharrlichkeit ist ein Schlüssel zur „russischen Schlüssel für den Erfolg und Seele“ und dokumentieren ein Gradmesser für die Interesse für Land und Leute Ernsthaftigkeit der Absichten des Unternehmens optimaler Kunden kaufen Einsatz der Maschine Lösungen ihrer Probleme und nicht beim Kunden liegt im Interesse des schön aussehende Anbieters Maschinen
Abb. 6.6:
1
Empfehlungen für die Marktbearbeitung
Vor der Investitionsentscheidung sollten alle Informationen gesammelt werden, die verfügbar sind. Dabei ist man durchaus aufgefordert, Informationen kritisch zu reflektieren und auf das eigene Unternehmen in der eigenen Situation zu übertragen. Marktstudien sind eine Basis für Entscheidungen. Manche Unternehmen neigen dazu, Entscheidungen „ins Blaue hinein“ zu treffen, weil man aus der Stimmung heraus „Potenzial“ sieht. Das reicht für so weitreichende strategische Entscheidungen nicht aus. Vor dem Markteintritt in einen großen Markt kann es hilfreich sein, zuerst Erfahrungen in kleineren Ländern gesammelt zu haben. Die Entfernungen in Flächenstaaten, wie Russland, sollten nicht unterschätzt werden. Daraus ergeben sich Herausforderungen an die Logistik. Länder wie Russland haben neun Zeitzonen!
Vgl. Kohlert/PwC, S. 101.
208
6 Being-International Strategien Es ist zu prüfen, inwieweit die Kunden mit den Herstellern direkt und nicht mit Handelsunternehmen oder freien Vertretern zusammenarbeiten möchten. Die Entscheidung hängt davon ab, inwiefern Anpassungen an den Marktangeboten vorgenommen werden müssen oder eine ausführliche Beratung Teil des Marktangebots ist. In diesen Fällen spricht vieles für eigene Mitarbeiter und gegen Fremdunternehmen. Wie auch in Deutschland sollten keine Maschinen, sondern Lösungen verkauft werden. Man verkauft die Stärken, etwas besser zu können, als die Wettbewerber. Das setzt voraus, dass man sich der eigenen Stärken bewusst ist, nur dann sind sie gezielt einsetzbar. Gute Schulungen sind wichtig, denn sonst wissen die Kunden nicht, was die Maschine wirklich kann. Der Erfolg des Kunden muss z.B. durch den Maschinenbauer sichergestellt werden. Es empfiehlt sich für den deutschen Geschäftsmann, sich zumindest einige landessprachliche Höflichkeitsfloskeln und allgemeine Redewendungen anzueignen. Dies wird von den lokalen Geschäftspartnern hoch anerkannt. Es zeugt davon, dass der westliche Partner daran interessiert ist, Land, Leute und Kultur näher kennen zu lernen. Fehler werden toleriert, denn es zählt allein der gute Wille. Um auf dem Auslandsmarkt Erfolge zu erzielen, ist Beharrlichkeit und ständiges Insistieren sehr wichtig. Zum Beispiel ist für viele Russen die Beharrlichkeit, mit der der Partner für eine Idee oder einen Vorschlag eintritt, ein Gradmesser für seine Seriosität und für die Ernsthaftigkeit seiner Absichten.
Die Umfeldbedingungen determinieren die weitere Vorgehensweisen bis hin zum Marketing-Mix. Bereits bei der Erarbeitung der Markteintrittsstrategie ist eine detaillierte Kenntnis notwendig, da strategische Entscheidungen auch von Nuancen abhängig sein können.
6.2.2
Eigene Ressourcen als Basis
Eine globale Marketingstrategie kann auch von den eigenen Ressourcen her aufgebaut werden, indem gefragt wird, was das Unternehmen besonders gut kann und in welchen Märkten Bedarfe bestehen könnten:
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
209
Kosten/Nutzen einer globalen Strategie
grundlegende Ressourcen im eigenen Unternehmen bestehende Ressourcen: • Kernkompetenzen • Kapazitäten • Ressourcen im Netzwerk
grundlegende Werttreiber für die Internationalisierung Markt
Kosten
Wettbewerb
Kernstrategien im Auslandsmarkt: • Teilnahme am globalen Wachstum • Standardisierung der Marktangebote • Konzentration von Teilen der Wertschöpfungskette • uniformer globaler Marktauftritt • Erlangung von Wettbewerbsvorteilen Fähigkeiten der Implementierung von globalen Strategien
Abb. 6.7:
Entwicklung einer globalen Marketingstrategie ausgehend von den eigenen Ressourcen
Das Unternehmen ist sich über die eigenen bestehenden Ressourcen im Klaren und kann sein Potenzial hinsichtlich neuer Strategieoptionen im Auslandsmarkt einschätzen. Fertigungs- bzw. Personalkapazitäten stehen in geeigneter Form zur Verfügung und es bestehen Kontakte zu Geschäftspartnern mit komplementären Leistungen, die für eine Markterschließung im Ausland angesprochen werden können. Das Unternehmen kennt die Werttreiber, die die Markterschließung im Ausland sinnvoll erscheinen lassen. Die Kunden im Inland erwarten von ihren Zulieferunternehmen, dass sie sie auch im Auslandsmarkt bedienen können. Die Kostenvorteile im Auslandsmarkt etwa bei der Fertigung sind nicht zu übersehen, oder das von ihnen bediente Marktsegment wird zunehmend globaler, so dass auch Auslandsmärkte besetzt werden müssen, um Wettbewerbern zuvorzukommen bzw. mit ihnen bestehen zu können. Basierend auf diesen beiden Komponenten wird dann die Strategie für den Auslandsmarkt festgelegt, die sich hauptsächlich aus den Werttreibern ergibt. Ob sie erfolgreich sein wird, hängt von der Auswahl der Kernstrategie im Auslandsmarkt und von den Fähigkeiten diese zu implementieren ab. Oftmals wird bei großen Unternehmen das Ergebnis nicht wirklich gemessen, weil es sich um politisch gewollte Entscheidungen handelt. Oder hat schon ein Unternehmen einmal den Beweis erbracht, dass in China wirklich Geld verdient werden kann? Hier wird eher nach dem Motto verfahren „Dabei sein ist alles!“ Dies bestätigt auch eine Studie von McKinsey, bei der 61 % aller „Executives“ von 7.300 Befragten aus großen und kleineren Unternehmen quer durch alle Branchen
210
6 Being-International Strategien und Regionen der Welt den asiatisch-pazifischen Raum mit den höchsten Wachstumsaussichten in den nächsten Jahren auszeichneten, nur 8 % übrigens Europa.1
6.2.3
Schrittweises Vorgehen
Die Grundüberlegung im Uppsala-Modell lautet, dass der schrittweise Erwerb von Marktkenntnissen im Ausland mit einer zunehmenden Bindung von Ressourcen im Auslandsmarkt korrespondiert.2 Das gilt vor allem für die meisten mittelständischen Unternehmen, die eher schrittweise internationalisieren, d.h. sie lernen über die ausländischen Märkte und tasten sich nach und nach hinein, ganz im Sinne des Uppsala-Modells.3 Sicherlich ist dieses Herantasten in der Anfangsphase legitim, nur muss es baldmöglichst mit einer eindeutigen Entscheidung für oder gegen den Markteintritt beendet werden. Die Grundaussage lautet, dass der schrittweise Erwerb von Marktkenntnissen im Ausland mit einer zunehmenden Bindung von Ressourcen im Auslandsmarkt einhergeht. Daher wird der Markteintritt prozessual umgesetzt werden, da die vorhandenen regionalen bzw. Landeskenntnisse unterschiedlich sind und die Wissenslücken erst langsam abgebaut werden. Es werden in diesem Ansatz zwei verschiedene Richtungen des Internationalisierungsansatzes unterschieden, die Tätigkeitsstufen als Ausdehnung der eingesetzten Unternehmensressourcen sowie die Länderstufen als Ausweitung der Geschäftstätigkeit in immer weiter entfernte Länder. Die Tätigkeitsstufen von Unternehmen im Auslandsmarkt beziehen sich in der Anfangsphase immer auf unregelmäßig betriebene Geschäftsbeziehungen und münden später mit zunehmenden Marktkenntnissen in einer Verkaufsniederlassung bis hin zur eigenen Fertigung. Das „Commitment“ des Unternehmens für den Markt wird damit zunehmend mit dem Erwerb von Kenntnissen immer größer. Dabei kommt dem Erfahrungswissen die eigentliche Bedeutung zu. Während allgemeine Kenntnisse wie Methoden unabhängig vom Auslandsmarkt erwerbbar sind, können spezifische Kenntnisse, wie Bedürfnisstrukturen der Kunden hinsichtlich des eigenen Marktangebots, nur durch eigene Erfahrungen gewonnen werden.4
1 2 3 4
McKinsey & Company. Vgl. Johanson/Vahlne, S. 23. Vgl. Swoboda/Jager/Dabija, S. 10. Vgl. Johanson/Vahlne, S. 23.
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
211
Die Marktkenntnisse setzen sich dabei aus den folgenden zwei Faktoren zusammen:1
Marktkenntnisse
objektives Wissen, d.h. transferierbares und erlernbares Wissen Abb. 6.8:
Erfahrungswissen, d.h. nur durch eigenes Tätigwerden erfahrbares Wissen
Marktkenntnisse im Uppsala-Modell
Dabei kommt dem Erfahrungswissen die eigentliche Bedeutung zu. Während allgemeine Kenntnisse wie Methoden unabhängig vom Auslandsmarkt erwerbbar sind, können spezifische Kenntnisse, wie Bedürfnisstrukturen der Kunden hinsichtlich des eigenen Marktangebots, nur durch eigene Erfahrungen gewonnen werden. Der Internationalisierungsprozess ergibt sich durch das Zusammenspiel von statischen und dynamischen Einflussfaktoren:
Marktkenntnisse
Marktbindung
Intensität der Marktbearbeitung
laufende Aktivitäten
Abb. 6.9:
Internationalisierungsprozess im Uppsala-Modell
Die Marktkenntnisse beeinflussen zusammen mit der gegenwärtigen Intensität der Marktbearbeitung die Marktbindung und die laufenden Aktivitäten im Auslandsmarkt. Umgekehrt resultieren jedoch aus den laufenden Aktivitäten neue Marktkenntnisse, die sich wiederum auf die Marktbindung und die Intensität der Marktbearbeitung auswirken. Damit ergibt sich ein zirkulärer und interdependenter Zusammenhang.2 Der Ansatz geht davon aus, dass ein Marktmotiv vorhanden ist. Erfolgt dagegen der Markteintritt, um die geringeren Fertigungskosten zu nutzen oder Teile der Wertschöpfungskette auf1 2
Vgl. Johanson/Vahlne, S. 28. Vgl. ebenda, S. 11.
212
6 Being-International Strategien
grund von guten vorhandenen „Human Resources“ zu verlagern, ist dieser Ansatz nicht anwendbar. Es wird auch nicht berücksichtigt, dass Kenntnisse gegebenenfalls durch Kauf erwerbbar sind, etwa durch Anwerben der entsprechenden Mitarbeiter im Auslandsmarkt oder durch Unternehmenskauf. Da dies für kleine und mittlere Unternehmen aufgrund der finanziellen Ausstattung oft keine wirkliche Option darstellt, ist dieser Ansatz für solche Unternehmen besonders gut anwendbar, was durch Untersuchungen im Mittelstand belegt wurde.1 Die Länderstufen von Unternehmen im Auslandsmarkt gehen eher von den Auslandsmärkten aus, die benachbart sind, d.h. wo die Marktbedingungen denen des eigenen Landes ähneln. Mit der internationalen Erfahrung des Unternehmens kann dann die Bereitschaft, sich auf unterschiedliche Länder auszudehnen, steigen. An die beiden vorangehenden Modelle wird im Folgenden angeknüpft: Unternehmen, die versuchen, in benachbarten Ländern Fuß zu fassen, sind vermutlich erfolgreicher, als in entfernten Ländern. Bei Nachbarn sind die kulturellen Unterschiede oft geringer, mit den bestehenden Unterschieden ist man vertrauter etc. Von daher ist es sinnvoll, die Expansion in ausländische Märkte als Kontinuum zu verstehen. Dazu kommt der Umstand, dass Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung oft bereits bei der Schaffung eines neuen Marktangebots an ausländische Märkte denken.
6.2.4
Gleichmäßige internationale Expansion
Jedoch ist es nicht einfach, einen internationalen Expansionsplan aufzustellen, vor allem dann nicht, wenn sich ein Unternehmen oder ein neues Geschäftsfeld noch selbst im Entwicklungsstadium befindet. Kuemmerle ging der Frage nach, wie Unternehmen erfolgreich über Ländergrenzen hinaus expandieren und entdeckte Gesetzmäßigkeiten. Dabei kritisiert er den einseitigen Fokus vieler Unternehmen auf die Marktgelegenheiten, die sich in Auslandsmärkten bieten, ohne die dazu notwendigen und in der Regel bereits vorhandenen Ressourcen ausreichend zu beachten. Er empfiehlt, Ressourcen nicht nur auf Finanzen zu beschränken. Zwar sind andere Ressourcen weniger offensichtlich, so jedoch mindestens ebenso wichtig wie die „Human Resources“, die es später umsetzen.2 In seinem Modell stellt er daher auf die Beziehung zwischen den erkannten Gelegenheiten auf dem Markt und den dazu benötigten Ressourcen ab:3
1 2 3
Vgl. Kumar, S. 40. Vgl. Kuemmerle, 2005b, S. 42. Vgl. ebenda, S. 42 ff.
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
213
Gelegenheiten grenzüberschreitend (weltweit): • viele Länder • mehrere Kontinente • Netzwerk von Verkaufs- und Fertigungsniederlassungen grenzüberschreitend (regional): • wenige Länder • angrenzende Länder • primär Verkaufsniederlassungen
Zone der gleichmäßigen internationalen Expansion
lokal
lokal
grenzüberschreitend (regional): • wenige Länder • angrenzende Länder • einige Ressourcen
grenzüberschreitend (weltweit): • viele Länder • mehrere Kontinente • Einsatz vieler Ressourcen (Finanzen, F&E, Personal)
Ressourcen Abb. 6.10:
Matrix in der gleichmäßigen internationalen Expansion
In dieser Matrix können jetzt Entwicklungsrichtungen der Internationalisierung dargestellt werden, wie sich ein Unternehmen entwickelt und inwieweit dies ausgewogen und gleichmäßig ist. Jetzt stellen sich verschiedene Fragen:1
1
Von wo aus soll ein neues Unternehmen starten bzw. eine neue Geschäftseinheit entwickelt werden? Vieles spricht in der Tat dafür, zunächst auf lokaler Ebene mit lokalen Ressourcen zu beginnen und erste Erfahrungen zu sammeln und dann in benachbarte Länder zu expandieren, um dort die ersten Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Hier folgt man dem Uppsala-Modell. Ob überhaupt und wann soll die internationale Expansion beginnen, insbesondere wann sollen Ressourcen international eingesetzt werden? Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen und Branchen, deren Marktangebote nicht globalisierungsfähig sind. Unternehmen nutzen jedoch oft sich ergebende Gelegenheiten und stellen dann später fest, dass sie besser lokal tätig geblieben wären. Vgl. Kuemmerle, 2005b, S. 46.
214
6 Being-International Strategien Trifft die gleichmäßige Expansion für alle Unternehmen gleichermaßen zu, oder gibt es auch Unternehmen, die besser daran tun, so lange wie möglich nur ihre lokalen Ressourcen einzusetzen und von da aus zu expandieren? Wie kann der Expansionspfad des Unternehmens, momentan und in der Zukunft, beschrieben werden? Je weiter ein Unternehmen von der diagonalen Expansion abweicht, desto länger benötigt es, um zum Endziel der größtmöglichen Globalisierung zu kommen. Gelegenheiten
grenzüberschreitend (weltweit)
2
grenzüberschreitend (regional)
1
lokal
3
lokal
grenzüberschreitend (regional)
grenzüberschreitend (weltweit)
Ressourcen Abb. 6.11:
Pfade der internationalen Expansion
Pfad 1 stellt die ausgewogene Expansion dar. Ressourcen werden von vornherein in dem Grad eingeplant, in dem das Unternehmen von seinem lokalen Markt in neue Märkte vordringt. Pfad 2 beschreibt die Expansion, bei der sich Unternehmen sehr stark von Marktgelegenheiten leiten lassen. Das dürfte bei dem Gros der Unternehmen, die international tätig sind bzw. werden, der Fall sein. Zu Beginn versucht man mit einer geringen Beanspruchung von Ressourcen den Weg zu beschreiten, erst später, wenn der Beweis erbracht worden scheint, dass die eigenen Marktangebote in Auslandsmärkten verkaufbar sind, wird dort auch investiert. Pfad 3 beschreibt die Expansion, bei der sich Unternehmen sehr stark von Kostenvorteilen leiten lassen und zunächst in diejenigen Länder expandieren, in denen generell Vorteile bei den
6.2 Aufbau globaler Marketing-Strategien
215
benötigten Ressourcen realisiert werden können. Ein Beispiel dafür ist der Automobilzulieferer, der ein Werk in der Ukraine eröffnet, um von den dortigen geringen Arbeitskosten zu profitieren. Marktentwicklungen spielen dabei keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle. Die „Matrix in der internationalen Expansion“ eignet sich auch für PortfolioDarstellungen der eigenen Aktivitäten. Damit kann aufgezeigt werden, in welcher Phase sich die einzelnen Geschäftsfelder befinden. Da viele Unternehmen mit lokalen Ressourcen und einer lokalen Marktpräsenz beginnen, wären die Meisten in diesem Feld zu finden: Gelegenheiten
grenzüberschreitend (weltweit)
grenzüberschreitend (regional)
lokal
lokal
grenzüberschreitend (regional)
grenzüberschreitend (weltweit)
Ressourcen Abb. 6.12:
Portfolio-Darstellung der internationalen Expansion
Die Größe der Kreise stellt z.B. den Umsatz der einzelnen Geschäftsfelder zum Gesamtumsatz des Unternehmens dar oder den Deckungsbeitrag, den Gewinn etc. Hier kann dann die Frage diskutiert werden, ob das Portfolio ausgeglichen ist, ob die internationale Ausrichtung ausreicht oder mehr Ressourcen für die globale Expansion bereitgestellt bzw. beschafft werden müssen etc.
216
6.3
6 Being-International Strategien
Veränderungen der Schwerpunkte von Strategien im Zeitablauf
Der Markteintritt in den Auslandsmarkt erfolgt in der Regel mit bestehenden Marktangeboten im Inlandsmarkt, die mit entsprechenden eher geringfügigen Anpassungen in dem Auslandsmarkt eingeführt werden. In dieser Phase ist das Unternehmen noch sehr national ausgerichtet. Das zeigt sich dadurch, dass neue Marktangebote eher aus dem Inlandsmarkt generiert werden. Das Ziel lautet in dieser Phase, einen bestimmten Marktanteil, bestimmte Referenzkunden etc. zu akquirieren und den Beweis zu erbringen, dass ein Markteintritt möglich ist.
Auslandsmarkt
Internationalisierung durch Replikation bestehender Marktangebote
Markterweiterung und Innovation der Marktangebote im Ausland
Nationaler Markt als Basis für die Expansion im Auslandsgeschäft mit bestehenden Marktangeboten
Markterweiterung und Innovation der Marktangebote im Inland
Marktpenetration
Markterweiterung/ Produktentwicklung
Marketing-byOpportunities
Internationalisierungsgrad der Auslandsaktivitäten Inlandsmarkt
Abb. 6.13:
Diversifizierung
Entwicklung der globalen Strategien vom „going international“ bis zum „being international“
Die Phase „going international“ zum „being international“ wird überschritten, wenn die Aktivitäten im Auslandsmarkt eine Eigendynamik dergestalt entwickeln, dass sie beginnen, neue Marktangebote zu generieren oder bestehende Marktangebote mit komplementären Dienstleistungen anzureichern. In dieser Phase erfolgt der Ausbau der Position im Markt und die aktive Suche nach neuen Geschäftsgelegenheiten. Um in diese Phase eintreten zu können, empfiehlt es sich, alle „Sünden der Vergangenheit“ zu bereinigen, d.h. vor der weiteren Expansion auszumerzen. Dabei handelt es sich sehr oft um typische Fehler, die beim Markteintritt und kurz danach gemacht und auch in Kauf genommen werden, um „den Fuß hineinzubekommen“. Gegen Letzteres ist nichts einzuwen-
6.3 Veränderungen der Schwerpunkte von Strategien im Zeitablauf
217
den, wenn man sie nicht weiter bestehen lässt. Beispiele für typische Fehler beim frühen Markteintritt in den Auslandsmarkt sind:
1
Es beginnt bereits mit dem Namen des Unternehmens: Schockiert die Übersetzung in die fremde Sprache? Kann der Originalname weiterverwendet werden oder sind Anpassungen zu empfehlen oder gar notwendig? Dasselbe gilt für die Marke, die nicht automatisch auch im Zielland wohlklingend sein muss und nicht zu vergessen das Unternehmenslogo, dass auf Konformität mit dem Auslandsmarkt überprüft werden muss. Festlegung der richtigen Unternehmensform: Eine Überprüfung der Unternehmensform empfiehlt sich, da man beim Markteintritt oft eine einfache Lösung sucht, die später nicht mehr die richtige sein muss. Auswahl der richtigen Bankverbindung: Wie sicher ist die Bank? Kann es passieren, dass ein Mitarbeiter der Auslandsniederlassung eines Tages in einem Telefax dem Mutterhaus meldet „Our bank died“?1 Der Erhalt von Subventionen kann vom Gründungsdatum des Unternehmens abhängen. Der Zustand des Unternehmensgebäudes muss es ermöglichen, Kunden in einer angenehmen Atmosphäre einzuladen. Oft erkennt das Unternehmen erst dann, wenn es bereits im Auslandsmarkt ist, dass der Standort doch nicht optimal war. Kann diese Entscheidung überhaupt noch korrigiert werden, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Die Struktur und die Geschäftsprozesse im Ausland müssen darauf ausgerichtet sein, auf die Ansprüche der ausländischen Kunden präzise reagieren zu können. Dazu gehören auch gute Sprachkenntnisse, d.h. am besten das Einstellen mehrsprachigen Personals. Bestimmte Tätigkeiten sind sehr anstrengend und ermüdend. Viele Ausländer sind oftmals gezwungen wieder aufzulegen, weil sie sich nicht verständlich machen können. Das darf potenziellen Kunden im ausländischen Markt nicht so gehen. Eine gute Kondition und Gesundheit sind Voraussetzung um besser verhandeln zu können. Vorsicht vor „Me too”-Marktangeboten: Sollte ein Wettbewerbsvorteil bislang noch nicht herausgearbeitet worden sein, ist es jetzt höchste Zeit. Vermutlich sind Stärken des Marktangebots vorhanden, aber im Unternehmen und seinen Mitarbeitern unbekannt. Ansonsten wäre das Unternehmen nicht so weit gekommen, sich mit einem „being international“ zu beschäftigen. Sind die Stärken aber nicht bekannt, d.h. man weiß nicht, warum man erfolgreich ist, können diese auch nicht bewusst eingesetzt werden und die Unternehmensentwicklung wird eher zufällig getrieben. Stärken werden ebenfalls zur Verteidigung gegenüber dem internationalen Wettbewerb genutzt. Die Einhaltung der Eigentumsrechte ist ein Dauerthema und erfordert eine fortwährende Überprüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Situation. Es empfiehlt sich, Kontakte zu einer Vielzahl von Lieferanten zu suchen und letztendlich einige auszuwählen. Die ausgewählten Lieferanten müssen dann in der Lage sein, bedeutende Bestellungen ohne Lieferzeitverzögerungen zu gewährleisten.
Es soll daran erinnert werden, dass es die Einlagensicherung zum Schutz der Kunden vor dem Verlust ihrer Einlagen in Deutschland erst seit 1976 als freiwillige Verpflichtung der privaten Banken gibt.
218
6 Being-International Strategien
Die Eigenkapitalausstattung sollte überprüft werden, denn im Allgemeinen stellt man schon in der „going international“-Phase fest, dass die vorhandenen Mittel aus der Kalkulation des Markteintritts nicht ausreichen. Bei Insidern hört man hier immer wieder, dass die Kosten für den Markteintritt ausführlich kalkuliert werden und dann die Endsumme verdoppelt werden sollte. Sind also bislang noch keine finanziellen Engpässe aufgetreten, werden sie vermutlich demnächst kommen. Die folgende Übersicht stellt dar, wie sich die Fokussierung in jedem Unternehmen im Zeitablauf ändern kann. Damit sei bemerkt, dass Veränderungen der Ausrichtung keinen Ausnahme-, sondern einen Regelfall darstellen:
Fokus auf die Strategie Volumen
Marke
Qualität
Mix
Lösungen
Service
Netzwerke Reaktionen Flexibilität
Fokus auf die Geschäftsprozesse
Fokus des Managements
Abb. 6.14
Produktivität
Technologie
Transaktion
Kreativität
Kosten
Service
Kundenwert
Entwicklung der Fokussierung im Zeitablauf
In der Einführungsphase geht es immer um das Erreichen einer bestimmten kritischen Menge. In dieser Phase steht die Logistik noch nicht, so dass ein besonderes Augenmerk auf die Transaktion an sich gelegt wird. Bald werden dann andere Faktoren wichtiger, z.B. Qualität und Marke, die dann mit den entsprechenden Geschäftsprozessen sowie Technologie und Kreativität unterstützt, gewährleistet bzw. kommuniziert werden müssen. In dieser Phase spielen die Kosten eine Rolle. Danach können andere Faktoren wie das Mix der Marktangebote oder der Service wichtiger werden. Jetzt sind flexible Geschäftsprozesse gefragt, die schnell auf die Anforderungen des anspruchsvollen Kunden und seine Servicewünsche reagieren können. In der letzten Phase dreht sich alles um die Maximierung des Kundenwerts oder zumindest darum, einen höheren Kundenwert zu liefern als der Wettbewerber. Dies ist oft für ein einzelnes Unternehmen nicht mehr leistbar, so dass eine Wertschöpfung im Verbund mit anderen Unternehmen stattfindet, um optimale Lösungen für den Kunden zu bieten.
6.4 Formulierung einer globalen Marketing-Strategie
6.4
219
Formulierung einer globalen Marketing-Strategie
Die Formulierung der eigenen globalen Marketing-Strategie durchläuft verschiedene Schritte, die in der Folge dargestellt werden:1 Vision und grundlegende strategische Ausrichtung des eigenen Unternehmens
Grundsatzentscheidung Go/No-Go in einen neuen Auslandsmarkt („New Market“): • Fährt das eigene Unternehmen eine Internationalisierungsstrategie, weil sich daraus Vorteile ergeben? • Bestehen einsetzbare Stärken, die Kunden im „New Market“ wertschätzen? • Welches sind die Zielgruppen, die die bestehenden Stärken besonders wertschätzen? • Kann man mit den bestehenden Stärken den Wettbewerb dominieren?
Klärungsbedarf: • Erwartungen des Unternehmens an den „New Market“ • Informationsstand über den neuen Markt • Stand des Unternehmens in ein, zwei und fünf Jahren • Angestrebte Präsenz in welchen Branchen und Ländern • Stärken des Unternehmens heute und morgen
Entscheidung über den Zielmarkt
Welcher „New Market“ als Einstieg?
Klärungsbedarf: • Setzen von Prioritäten
InformationsMarkteintrittsalternativen: sammlung über • Darstellung der Möglichkeiten und erste mögliche konzeptionelle Bewertung ohne Entscheidung Optionen des Markteintritts und • Klärung, inwieweit damit bereits die weitere Form der Expansion determiniert wird über die mögliche weitere Expansion
Abb. 6.15:
1
Checklist – Strategieentwicklung I
In Anlehnung an: Kohlert/PwC, S. 113 ff.
Klärungsbedarf: • Wettbewerbsvorteile beeinflussen Form des Markteintritts • Aufbau eines RatgeberNetzwerks
220
6 Being-International Strategien
Entscheidung über die weitere Vorgehensweise
Erste Schritte in den „New Market“: • Erste Kontakte zu möglichen Kunden • Erste Kontakte zu Unternehmen, die bereits dort tätig sind • Erste Kontakte zu potenziellen „Statthaltern” • Vorüberlegungen zur Dringlichkeit und Wichtigkeit einer Vorort-Präsenz • Diskussion der Standortfrage
Klärungsbedarf: • Welches Kundenproblem löst das eigene Marktangebot besonders gut? • Standorte der Kunden (Entscheider!) • Auswahl und Einsatz des „Statthalters“
Strategische Analyse
Situationsanalyse in den „New Markets“: • SWOT-Analyse zur Entwicklung von Strategien basierend auf den eigenen Stärken • Porter‘s 5-Forces Analyse zur Betrachtung des Wettbewerbsumfelds und möglicher Störungen • Kundenwertanalyse zum besseren Verständnis des Kunden und Abstimmung der eigenen Angebote
Klärungsbedarf: • Ermittlung der Stärken des Marktangebots, die die neuen Kunden wertschätzen • Identifikation von Produkt/ Markt-Kombinationen, mit denen eine dominante Position erreicht werden kann
Abb. 6.16:
Checklist – Strategieentwicklung II
Geschäftsmodell Prüfung der Realisierungsfähigkeit: und • Darstellung des Geschäftsmodells für den „New Risikobetrachtung Market“ • Erkennen der Geschäftsrisiken und Aufbau von Gegenmaßnahmen zur Reduzierung bzw. Eliminierung des Risikos
Klärungsbedarf: • „Feasibility Study“, d.h. unter welchen Bedingungen ist das Vorhaben realisierbar • Maßnahmen zur Risikoreduktion
Zielsetzungen
Klärungsbedarf: • Ziele müssen spezifisch, messbar, ambitiös, realistisch, terminbezogen sein • Ermittlung des benötigten Budgets zur Zielerreichung
Abb. 6.17:
Setzen von Zielen: • Umsatz- und Gewinnziele • Break-even • Referenzkunden • Pilotprojekte • kritischer Marktanteil
Checklist – Strategieentwicklung III
6.4 Formulierung einer globalen Marketing-Strategie
221
Entscheidung über die weitere Vorgehensweise
Ausarbeitung der Strategien: • Sicherung und Ausbau der eigenen Position im Markt: Marktauftritt, Mitarbeiter • Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern in mehreren Dimensionen • Suche nach weiteren Gelegenheiten auf dem Markt und Erweiterung des eigenen Marktangebots
Klärungsbedarf: • Festlegung der Kernstrategien (Marktangebot, Zielkunden) • Kommunikation der Stärken bei den neuen Kunden
Umsetzung der Strategien im Markt
„First Line“ – Umsetzung der Strategien: • Ableitung von Maßnahmen für jede einzelne gewählte Strategie • Setzen von Meilensteinen als FeedbackMöglichkeit • Konkretisierung aller Maßnahmen mit Barrieren (z.B. Budgets, Vorgaben der Muttergesellschaft), Terminen und Verantwortlichkeiten • Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen
Klärungsbedarf: • Umsetzungskompetenz („Terminators“)
Abb. 6.18:
Checklist – Strategieentwicklung IV
In den Maßnahmen werden die Strategien über den Marketing-Mix im Markt umgesetzt. Aus den Erfahrungen im Markt ergeben sich dann Rückschlüsse für die eingeschlagenen Strategien oder sie motivieren zu weiteren, bislang noch nicht geplanten Maßnahmen, wie den Kauf neuer Technologien. Controlling
Aufbau eines Frühwarnsystems: • Kontinuierliche Überprüfung der eigenen Situation und des Fortschritts anhand weniger, relevanter Kennzahlen • Aufbau von Routinen im Falle von Korrekturen
Klärungsbedarf: • Vorgehensweise bei frühzeitigem Einleiten von Korrekturen bzw. Anpassungen von Strategien
Wahrnehmung als nationales Unternehmen deutscher Abstammung
Verankerung in „Corporate New Market“: • Einbindung lokaler Manager • Entwicklung einer eigenen Unternehmenskultur unter dem Dach der Unternehmenskultur des Mutterhauses • Marktdurchdringung im „New Market“
Klärungsbedarf: • Transformationsprozess von der deutschen Niederlassung zum Unternehmen vor Ort
Abb. 6.19:
Checklist – Strategieentwicklung V
222
6 Being-International Strategien
Bei der Aufstellung der Annahmen ist zu beachten, dass man sich eng an die Daten anlehnt: „Lass Fakten sprechen“. Zunächst einigt sich das Gremium, das die endgültige Strategie erarbeitet, auf den Trend, den Blick in die Welt. Dies ist dann die Basis für die Zielsetzung. Erst im nächsten Schritt wird die passende Strategie entwickelt. Diese Vorgehensweise hat den großen Vorteil, dass die Formulierung der Ziele und Strategien weniger strittig ist, wenn man sich auf eine gemeinsame Interpretation der zukünftigen Entwicklung geeinigt hat.
7
Strategieumsetzung im internationalen Kontext
You loose the big picture When you focus on every narrow piece.
7.1
Globale Marktangebote
7.1.1
Klassifizierung von Marktangeboten
Gegenstand der internationalen Leistungsprogrammpolitik ist die Bestimmung des jeweiligen Leistungsprogamms (Sortiments im Handel), d. h. die Entscheidung über Art und Anzahl der in den einzelnen Ländern anzubietenden Marktangebote. Dabei gibt es die folgenden Handlungsalternativen:
Eine Übertragung des unveränderten bisherigen Leistungsprogramms auf die Auslandsmärkte empfiehlt sich nur bei relativ homogenen Ländermärkten mit kulturfreien Marktangeboten mit einem vermutlich begrenzten Leistungsprogramm. Vermutlich hat das Unternehmen eine ethnozentrische Grundorientierung und konzentriert sich auf den Export. Es erfolgt eine Kürzung des Leistungsprogramms, d. h. das Angebot eines nach Breite und Tiefe im Vergleich zum Heimatmarkt reduzierten Programms. Oftmals konzentriert sich das Unternehmen auf ein „Star“-Produkt mit großen Wettbewerbsvorteilen und damit auf eine Marktnische. Es erfolgt eine Erweiterung des Leistungsprogramms, d. h. die Ausweitung des bisherigen Programms um länderspezifische Marktangebote, die mit einer internationalen Differenzierung der Marktangebote einhergeht. Vermutlich hat das Unternehmen eine polyzentrische Grundorientierung und konzentriert sich auf den Aufbau von Vertriebsniederlassungen im ausländischen Markt.
224
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Marktangebote können anhand einer Vielzahl von Kriterien klassifiziert werden. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, Marktangebote hinsichtlich ihres Potenzials für internationale Märkte zu unterteilen. Dabei ist das Marktangebot mit einem globalen Potenzial immer attraktiver als Marktangebote, die nur in einem lokalen Markt eingeführt werden können. Dadurch ergeben sich drei unterschiedliche Kategorien von Marktangeboten:1
Lokale Marktangebote haben nur das Potenzial für einen einzigen lokalen Markt. Auch wenn dieses Marktangebot profitabel ist, müssen dennoch die teilweise immensen „opportunity costs“ in Betracht gezogen werden. Diese resultieren daraus, dass Erfahrungen im Marketing, der Entwicklung etc. mit dem Marktangebot nicht multipliziert werden können, Erfahrungswissen kann auch nicht transferiert werden und die Mitarbeiter können das erworbene Wissen nur in dem Markt mit dem einen Marktangebot nutzen. Das sind einige Gründe, die gegen Investitionen in Marktangebote sprechen, die nicht international vermarktet werden können. Internationale Marktangebote haben das Potenzial, in einer Reihe von Auslandsmärkten eingeführt zu werden. Insbesondere in B2B-Märkten besteht hier großes Potenzial, da die Probleme der gewerblichen Kunden, anders als im B2C-Markt, doch sehr ähnlich sind. Globale Marktangebote treffen die Bedürfnisse eines einheitlichen Marktes, bei dem Marktangebote mit nur wenigen Anpassungen, im Idealfall mit keinen, eingeführt werden können. Diese Marktangebote werden gerne als „born to be global“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die von Beginn an eine globale Marketingstrategie verfolgen, die mit den vorhandenen Marktangeboten auch möglich ist. Diese Unternehmen findet man vor allem in der IT, z.B. Google und in der Biotechnologie. Wenn sich Branchen globalisieren, sind die darin befindlichen Unternehmen quasi gezwungen, ihre Marktangebote ebenfalls global auszurichten, da sie sonst von den global tätigen Wettbewerbern durch geringere Preise aufgrund größerer Fertigungsvolumen aus dem Markt gedrängt werden. Ein einzelnes Marktangebot ist sehr vielschichtig und umfasst eine Vielzahl von einzelnen Komponenten. In seiner Gesamtheit wird es zum Marktangebot, das dem Kunden angeboten wird. Um all die Möglichkeiten zu ermitteln, die bei der Anpassung eines Marktangebots an die lokalen Gegebenheiten eine Rolle spielen, ist es hilfreich, das Marktangebot in seine einzelnen Komponenten zu zerlegen. Dies wird in der Literatur als das „product component model“ beschrieben:2
1 2
Vgl. Keegan/Green, S. 403 ff. Vgl. Cateora/Graham, S. 368.
7.1 Globale Marktangebote
225
Komponenten der unterstützenden Dienstleistungen Reparatur und Instandhaltung
Installation
Warenzeichen Markenname
Gebrauchsanleitungen
Design
Verpackungskomponenten Kernkomponenten
1
Preis
Produktplattform Design funktionale Komponenten
Dienstleistungen
Abb. 7.1:
Lieferung
Garantieleistungen
Qualität
Verpackung
Ersatzteile
rechtliche Vorschriften
Das „product component model“
Die Kernkomponenten eines Marktangebots umfassen die Produktplattform an sich, die eine Vielzahl von Variationen eines Marktangebots anbietet, um es dann an die lokalen Erfordernisse anzupassen. Das Design muss die unterschiedlichen Geschmäcker der Menschen in verschiedenen Ländern treffen, ebenso die funktionalen Komponenten, die unter Umständen ebenfalls Unterschiede aufweisen. Die Verpackungskomponenten beinhalten den Stil, die Art der Verpackung, den Preis, Markenname, Qualitätsanforderungen und all die Elemente, die für den Kunden einen Wert darstellen. Die unterschiedliche Bedeutung von Farben in den verschiedenen Ländern impliziert Veränderungen in der Aufmachung und selbst beim Markennamen. In Ländern, in denen das Analphabetentum noch weit verbreitet ist, besitzt die Verpackung eine starke Kommunikationsfunktion und ist für die Kaufentscheidung ausschlaggebend. Bei der Namensgebung müssen auch exakte Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden. Ist dies nicht der Fall, können sehr lustige Lösungen entstehen, aber meist sind diese ungewollt. So lautet der Name für ein Haargel eines deutschen Herstellers „moon shine“. Man kann nur hoffen, dass dieser „moon shine“ nicht in die USA exportiert wird. Es gibt dort nur eine Bedeutung des Wortes „moon shine“, und zwar steht diese für einen in den Bergen von Tennessee illegal gebrannten Whisky!1 Vgl. Kohlert, 1997, S. 125. Das vermutlich beabsichtigte Wort für das deutsche „Mondschein“ ist in den USA übrigens „moon light“.
226
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext Unterstützende Dienstleistungen sind eine Notwendigkeit zur Abrundung des Marktangebots und nicht selten der Grund, wenn ein Marktangebot nicht erfolgreich in einen Markt eingeführt werden kann. Oftmals ist man dann den Erwartungen der Kunden nicht gerecht geworden.
Das „product component model“ eignet sich auch dafür, zu ermitteln, welche Anpassungen des Marktangebots an die lokalen Bedürfnisse vorgenommen werden müssen. Ein Marktangebot kann auf allen drei Ebenen sorgfältig untersucht und die notwendigen Veränderungen ermittelt werden. Es kann auch der Ausgangspunkt dafür sein, neue Marktangebote zu erweitern oder zu entwickeln. Neue Marktangebote können zwar attraktiv sein, aber für einige lokale Märkte entsprechen sie nicht den Bedürfnissen der Kunden.1
7.1.2
Standardisierung versus Differenzierung von Marktangeboten
Das Design eines Marktangebots ist eine sehr grundlegende und kritische Fragestellung für das Unternehmen, das über Erfolg und Misserfolg einer Markteinführung entscheidet. Die konkrete Fragestellung lautet: Soll für die Einführung eines neuen Marktangebots in einen neuen Auslandsmarkt eine Anpassung durch Differenzierung oder eine Standardisierung erfolgen? Zum einen können sich Unterschiede durch das Marktangebot aufgrund der unterschiedlichen Kulturgebundenheit der Marktangebote, ergeben, wie die folgende Grafik verdeutlicht:2 „frei von nationaler Kultur“ gering
Adaptionsanforderungen
hoch
high tech Computer-Hardware Luftfahrt Schwermaschinen, z.B. Papiermaschinen Werkzeugmaschinen Heimelektronik Computer-Software
Industriereiniger Haushaltsgüter Papierwaren Verlagsprodukte Textilien
1 2
Kulturgebundenheit und Standardisierungspotenzial von Marktangeboten
Vgl. Belz/Schmidt, S. 69. In Anlehnung an: Müller/Gelbrich, S. 555.
Standardisierungspotenzial
low tech
„gebunden an nationale Kultur“ Abb. 7.2:
hoch
niedrig
7.1 Globale Marktangebote
227
Es gibt Marktangebote, die für die Globalisierung prädestiniert sind, wie die folgende Darstellung zeigt:1 Globalisierung
Lokalisierung
wird gefördert durch
Investitionsgüter high-tech-Güter
Art des Marktangebots
Gebrauchsmaterial
stabil
politische Bedingungen
instabil
leicht
Handelbarkeit
schwer
leicht
Transportierfähigkeit
schwer
realisierbar
„Economies of Scale“
nicht realisierbar
Abb. 7.3:
Globalisierung versus Lokalisierung von Marktangeboten
Die weiteren Antworten auf diese Frage hängen von verschiedenen Faktoren ab:2
1 2
Die Kundenbedürfnisse sind teilweise sehr unterschiedlich. Ein Design, welches in Europa ansprechend ist, mag in den USA anders wirken. Groß und schwer werden in den USA als Qualitätsmerkmale empfunden, da sie Robustheit ausstrahlen, schwer haben es dann die eleganten und leichten Formen aus Europa. Die Kosten vor Ort spielen eine große Rolle, vor Übertragungen vom Heimatland auf andere Länder sei gewarnt: Die Tatsache, dass die Reparaturkosten im Heimatland hoch sind und bei einer Kaufentscheidung durchaus ins Gewicht fallen, heißt nicht, dass das in anderen Ländern auch so sein muss. Dort kann es nämlich genau umgekehrt sein; vor vorschnellen Schlüssen sei daher gewarnt. Gesetze und Verordnungen haben einen direkten Einfluss auf das Design von Marktangeboten, meist in Form von erhöhten Kosten. Andere technische Standards oder Richtlinien, die erfüllt sein müssen, verteuern die Marktangebote mitunter erheblich und verzögern nicht selten den Zeitpunkt des Markteintritts.
Vgl. Müller/Gelbrich, S. 561. Vgl. Czinkota/Ronkainen/Zvobgo, S. 298 ff.
228
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Die Kompatibilität mit vorhandenen Gegebenheiten muss gewährleistet sein, etwa unterschiedliche Stromspannung. Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die konkreten Einflussfaktoren auf das Marktangebot. Sie dient als Orientierungshilfe, das Marktangebot an die lokalen Verhältnisse anzupassen oder gegebenenfalls von einem Markteintritt abzusehen, wenn die Anpassungskosten zu hoch sind:1
regionale Besonderheiten • staatliche Vorschriften • non-tarifäre Handelshemmnisse • Erwartungen der Kunden • Einkaufsverhalten der Kunden • Wertesystem der Kunden • wirtschaftliche Verhältnisse im Land und der Kunden • Marktangebote der Wettbewerber • Klima, Geografie, Historie Abb. 7.4:
Unterschiede in den Anforderungen an das Marktangebot • • • • • • • • • •
Marktangebot Marke Verpackung Erscheinung, z.B. Größe, Stil, Farbe Funktionen, Eigenschaften Nutzungsart Haltbarkeit, Qualität Einfachheit der Installierung Wartung, AfterSales Service Bedeutung des Herkunftslandes
Politik des Unternehmens • Gewinnerwartungen • Bedeutung des Marktes, z.B. als Gelegenheitsmarkt
• Kosten der Anpassung • Unternehmenspolitik, z.B. Konsistenz, Gemeinsamkeiten • Organisation • Ressourcen
Entscheidungen, wie das originäre Marktangebot zu verändern ist, hinsichtlich: • Design • Qualität • Markennamen • Serviceleistungen
Einflussfaktoren auf Anpassungen des Marktangebots
Für eine Standardisierung der Marktangebote sprechen die folgenden Bedingungen:
1
Die Konvergenz der unterschiedlichen nationalen Marktangebote führt zu einem global gültigen Standard. Transnationale Marktsegmente heben nationale Marktsegmente bereits heute auf, dies wird sich in der Zukunft vermutlich weiter verstärken. Verbesserte Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten reduzieren Entfernungen nur noch zur Kostenfrage. Technische Standards ermöglichen die gleichen Marktangebote überall auf der Welt. In manchen Branchen wird ein internationales „listing“ durch den Kunden gefordert.
Vgl. Czinkota/Ronkainen/Zvobgo, S. 301.
7.1 Globale Marktangebote
229
Die positiven Konsequenzen der Standardisierung für das Unternehmen liegen in der Realisierung der „Economies of Scale“, internationale Produkteinführungen sind schneller umsetzbar, da keine nationalen Anpassungen mehr Zeit und Budget kosten, es ermöglicht einen weltweiten Wissenstransfer und eine effiziente Steuerung der internationalen Geschäftstätigkeiten. Für eine Differenzierung der Marktangebote sprechen die folgenden Bedingungen:
Die immer noch vorhandene Divergenz zwischen den verschiedenen Staaten mit ihren Besonderheiten im Wertesystem („Was ist wichtig?“), technische Standards etc. erfordert eine möglichst differenzierte Anpassung bestimmter Leistungen an die lokalen Gegebenheiten. Die interne Organisation des eigenen Unternehmens, z.B. in Sparten, fördert eigenständige Vorgehensweisen des Spartenmanagements. Dies ist mitunter aufgrund der lokalen Gegebenheiten sogar gewünscht. Die „mass customization” lässt die Differenzierung der Marktangebote je nach Kundenwünschen mit relativ einfachen Mitteln zu. In der Differenzierung liegen die einzigen Möglichkeiten für die Darstellung von Stärken gegenüber den Marktangeboten der Wettbewerber. Durch die Differenzierung kann eine extra Wertschöpfung generiert werden, indem zusätzliche Absatzmärkte erschlossen werden, höhere Preise für Leistungen realisiert oder die Kosten der Marktbearbeitung reduziert werden. Durch die Differenzierung anstatt Vereinheitlichung bestimmter interner Leistungen wird ein höherer Wertschöpfungsbeitrag erzielt, da die Kunden für die höhere Passgenauigkeit höhere Preise akzeptieren.
Die positiven Konsequenzen der Differenzierung für das Unternehmen liegen in der Gewinnung von zusätzlichen Marktanteilen in lokalen Märkten, in der Motivation einheimischer Manager, da sie sich mit den angepassten Marktangeboten stärker identifizieren können, sowie in der schnellen Reaktionsmöglichkeit auf Marktveränderungen. Wie schon dargestellt, werden Unternehmen nicht zu 100 % global ausgerichtet sein können. Es wird noch lange Zeit Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten geben müssen. Auf ein weiteres Paradoxon, das in diesem Zusammenhang bedacht werden kann, weist Mooij mit „Local markets are people, global markets are products“1 hin. Unternehmen, die im Ausland tätig sind oder sein werden, gehen von ihren Marktangeboten aus, ihre Zielmärkte dagegen bestehen aus Menschen mit kulturellen Hintergründen: Marktangebote können daher durchaus global sein, die Kunden und ihre Kaufmotive sind durchweg lokal.2 Daher werden sich Unternehmen intensiv mit der Frage befassen, was eher global und was eher lokal, mit allen Zwischenstufen, ausgerichtet sein sollte: 1 2
Vgl. Mooij, S. 5. Vgl. ebenda.
230
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Schlüsselkomponenten lokale Beschaffung
Grundlagenforschung
hoch
Montage Fertigung Entwicklung neuer Marktangebote
Integrationsaufwand
Marktangebote
Marketing
Preisgestaltung Verkauf & Services
Vertriebswege
niedrig hoch
niedrig
Promotion
Bedürfnis nach lokalen Anpassungen
Abb. 7.5:
7.1.3
Globalität und Lokalität von Unternehmen (Beispiel)
Bedeutung des Herkunftslandes
Schooler zeigte 1965 als erster auf, dass die Bezeichnung „Made in“ für das Herkunftsland des Marktangebots einen bedeutenden Einfluss auf die Wahrnehmung der Qualität durch Kunden haben kann.1 Später kamen die Bedeutung der Marke des Marktangebots sowie das nationale Image des Unternehmens dazu. Als „Country-of-Origin Effect“ (COE) wird jeglicher Einfluss bezeichnet, den ein Herstellungsland positiver oder negativer Art auf die Käufer ausübt. Wenn sich ein Käufer über den Ursprungsort des Marktangebots bewusst ist, gibt es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass dies das Image des Marktangebots beeinflusst. Insbesondere Konsumenten haben Stereotype gegenüber Produkten und Ländern; diese resultieren aus vergangenen Erfahrungen, Hörensagen, z.B. englischer Tee, französisches Parfüm, chinesische Seide, japanische Heimelektronik, deutsche Maschinen, deutsche Autos. Dazu einige Beispiele: Eine Studie fand heraus, dass Automobilhersteller in den USA unter dem schlechten Image der vergangenen Jahre noch immer leiden.2 Eine Studie zwischen Mexiko und Taiwan konstatierte heraus, dass Mikrowellenherde, hergestellt in Mexiko, als qualitativ minderwertig gelten, im Vergleich zu denen aus Taiwan. Für Jeans gilt das jedoch nicht, hier konnten keine Unterschiede festgestellt werden.3 1 2 3
Vgl. Schooler. Vgl. Strutton/Pelton/Lumpkin, S. 61 ff. Vgl. Witt/Rao, S. 105 ff.
7.1 Globale Marktangebote
231
Grundsätzlich bestehen drei verschiedene Wirkungsweisen des „Country-of-Origin Effect“:
Er kann eine Form des nationalen Stereotyps sein, den Kunden nutzen, um fehlende Informationen über ein Marktangebot zu kompensieren. Dabei verbinden sie zur Erklärung komplexer Systeme, wie einer Maschine, bestimmte Eigenschaften des Herstellungslandes, die sie auf das Marktangebot übertragen, z.B. die Maschine kommt aus Deutschland, damit muss sie gut sein. Wenn eine Kultur solche Schemata bereitstellt, entsteht für den Kunden „eine erhebliche Neigung, komplexe Sachverhalte auf diese Weise zu simplifizieren.“1 Er kann eine Form des Halo-Effekts sein. Der Halo-Effekt besagt, dass Menschen dazu neigen, von einem bestimmten Merkmal, z.B. eines Landes, auf andere Merkmale desselben Landes zu schließen. Damit werden bestimmten Ländern bestimmte Eigenschaften ungeprüft zugeordnet, die weder in Beziehung zu dem Land noch zu anderen bereits genannten Merkmalen stehen müssen. Er kann als ein weiteres Attribut des Marktangebots angesehen werden, das neben den anderen ein Kriterium für die Kaufentscheidung darstellt, ebenso wie vielleicht das Design, der Preis etc. Die Vorteile des „Country-of-Origin Effect“ können Unternehmen in vielfältiger Hinsicht nutzen:
Das Herkunftsland ist ein Bestandteil des Unternehmensnamens, z.B. Deutsche Bank, British Petroleum und erzeugt damit einen direkten Zusammenhang zwischen einem Marktangebot und einem Land. Direkte oder phonetische Hinweise im Markennamen, z.B. Volkswagen, bringen das Land und das Marktangebot dem Kunden zusammen. In der Optik, z.B. die weiß-blaue Flagge Bayerns als Logo von BMW, unterstützt die Verbindung zwischen Marktangebot und Land. Die globale Orientierung ist ebenso wie die ethnozentrische Orientierung durch eine Standardisierung der Marketing-Instrumente gekennzeichnet, wenngleich auch Marketing-Mix Unterschiede vorliegen.2 Der Unterschied der globalen Orientierung liegt darin, dass sie von Vorherein den Blick auf den Weltmarkt gerichtet hatte und nicht auf die unmodifizierten Übertragung der Heimatmarktkonzeption. In beiden Fällen können aber die „Country-ofOrigin“-Effekte relevant sein. Durch eine kleine Veränderung des Worte von „Made in“ in „Made by“ wird in der globalen Orientierung das Spektrum der Möglichkeiten weit geöffnet. Die Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf Auslandsmärkte kann dazu führen, dass das nationale Herkunftsimage der Produkte „verwischt“ wird, weil das Erzeugungsland der Produkte nicht mehr notwendigerweise mit der Markenherkunft übereinstimmt. Für ein international tätiges Unternehmen stellt sich dann die Frage, inwiefern es bei einer globalen Ausrichtung als „Made-in“ gelten kann oder möchte. Bei starker Cross-Border-Wertschöpfung besteht deshalb die Tendenz, das Firmenimage vom Länderimage zu lösen und die Produkte nicht 1 2
Wiswede, S. 119. Vgl. Abb. 7.4.
232
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
mehr mit „Made in“, sondern mit „Made by“ zu versehen.1 Eine solche Made-byAusrichtung setzt eine starke Marke voraus. Sie ist dennoch aber meist mit einem bestimmten Image des Herkunftslandes verknüpft. Durch die herausgehobene Darstellung des Unternehmensnamens („Engineered by BMW“) kann die Qualität des Namens auch in andere Bereiche wirksam transportiert werden. Im Zeitalter der Globalisierung mag sich der „Country-of-Origin Effect“ über die Jahrzehnte verschieben, da es immer schwieriger werden dürfte, die nationale Identität eines Marktangebots zu bestimmen. Es muss dabei auch berücksichtigt werden, dass sich die Images von Ländern innerhalb einiger weniger Jahre ändern können und auch in verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Wirkung haben können.
7.1.4
Markenbildung auf internationaler Ebene
Ein zentrales Entscheidungsfeld in der internationalen Produktpolitik stellt die internationale Markenpolitik dar. Die wesentlichen Entscheidungsfelder im internationalen Kontext sind die Folgenden:2 Die Festlegung der Markenreichweite bezieht sich darauf, welchen Anwendungs- und Gestaltungsbereich die Marke in geografischer Hinsicht einnehmen soll, z.B. regionale Marke, nationale Marke oder internationale Marke. Erfolgt die Ausrichtung auf den Weltmarkt oder auf große Teile des Weltmarktes wird häufig auch von globalen Marken („global brands“) gesprochen. Unter Positionierung der Marke wird die Stellung einer Marke am relevanten Markt verstanden. Die Positionierung grenzt das eigene Marktangebot von denen der Wettbewerber in wesentlichen Dimensionen durch die Marke ab. Im Vordergrund steht dabei die Wahrnehmung durch den Kunden, z.B. mit den sachliche bzw. funktionale Eigenschaften (Haltbarkeit, Funktionalität etc.) oder emotionale Eigenschaften (Exklusivität, Spaß etc.). Dabei können unterschiedliche Aspekte im Vordergrund stehen: – Positionierung neuer Marken (Neumarkenpositionierung) – Veränderung der Position bereits bestehender Marken Bei der Markenarchitektur werden die Rollen der Marke eines Unternehmens sowie ihre Beziehungen zueinander festgelegt. Es sind Strukturentscheidungen bezüglich des Markenspektrums eines international tätigen Unternehmens zu treffen, wie z.B. über eine Einzelmarkenstrategie, eine Mehrmarkenstrategie, ob nur eine Dachmarke genutzt wird oder eine Markenfamilienstrategie als Mischform zwischen Einzel- und Dachmarkenstrategie. Auch die Dehnbarkeit von Marken, d.h. für welche Marktangebote sie herangezogen werden können, stellt eine Fragestellung dar. Kann die Marke vom Auto bis zur Aktentasche verwendet, d.h. „gedehnt“ werden? Bekanntlich hat Porsche diese Frage erfolgreich mit „Ja“ beantwortet.
1 2
Vgl. Pries. Vgl. Homburg. S. 613 ff.
7.1 Globale Marktangebote
233
Das internationale Branding stellt die Basis für das Markenimage und damit auch die Durchsetzungsfähigkeit der Marke auf den jeweiligen Märkten dar. Unter „Branding“ werden alle Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, ein Angebot aus der breiten Masse hervorzuheben und die Zuordnung des Angebots zu einer konkreten Marke zu ermöglichen. Als wesentliche Anforderungen an das internationale Branding sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:1
Das „Branding“ soll dazu beitragen, die angestrebte Positionierung sowohl länderübergreifend als auch bezogen auf die Ländermärkte zu realisieren. Der Markenname und das Markenzeichen sollten prägnant gestaltet werden, sich also in Einfachheit und Kontraststärke auszeichnen. Dies soll zu einer leichteren Einprägsamkeit der Markenkennzeichen führen und die Wiedererkennung fördern. Markenname und Markenzeichen sollen diskriminationsfähig sein, also zu einer Differenzierung zu den Marktangeboten des Wettbewerbs beitragen. Dazu soll auch eine mögliche Verwechslungsgefahr mit Wettbewerbern vermieden werden. Der Markenname soll in den jeweiligen Sprachen leicht aussprechbar sein. Markenname und Markenzeichen sollen in allen relevanten Sprachen und Kulturen richtig interpretiert, verstanden und akzeptiert werden sowie international schützbar sein. Die Positionierung von Marktangeboten im internationalen Umfeld stellt die betroffenen Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Denn auf der einen Seite muss dem Kunden ein konsistentes und konstantes Bild vermittelt werden, auf der anderen Seite müssen durchaus noch lokale oder regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Diesen Spagat zwischen Standardisierung einerseits und Lokalisierung andererseits versuchen Unternehmen bewältigen, die Realität liegt vermutlich zwischen diesen beiden Extrempositionen, d.h. Unternehmen werden hier nach einem Optimum suchen und zunächst einmal die Einflussfaktoren für diese Entscheidung ermitteln. Wie unterschiedlich Positionierungen heute noch sein können, stellt Schwarz-Musch am Beispiel von Mercedes-Benz dar, wo man es vermutlich am wenigsten vermutet hätte:2 In Deutschland steht Mercedes-Benz für Qualität, Sicherheit und Prestige, in den USA für prestigeträchtige und luxuriöse PKW, in Taiwan für Besitzer mit hohem gesellschaftlichen Status und in Indonesien für Ähnliches wie in Deutschland. Zwar werden in allen Ländern die Autos mit Prestige assoziiert, aber in den Details unterscheidet sich die Wahrnehmung der Marke in den hier ausgewählten Ländern, zumindest in Nuancen. Daher wird das Unternehmen auf dem Pfad der Internationalisierung in punkto Markenbildung, sei es jetzt für die Marktangebote (Produktmarke) oder für das Unternehmen als Ganzes (Unternehmensmarke), einige zentrale Fragen beantworten:3
1 2 3
Vgl. Zentes/Swoboda/Schramm-Klein. Vgl. Schwarz-Musch, S. 29. In Anlehnung an: Kernstock/Schubiger, S. 4.
234
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext In welchen Ländern?
Mit welchem Markennamen?
Internationalisierung der Marke
Mit welcher Betonung des Heimatlandes? Abb. 7.6:
1 2
Mit welchem Marktangebot?
Mit welcher Positionierung?
Über welche Vertriebswege?
Entscheidungen bei der Internationalisierung von Marken
Aufgrund der Unterschiede in den Umfeldern spricht einiges dafür, sich in den Ländern zu engagieren, in denen man durch die Bündelung der unternehmensinternen Ressourcen einen größtmöglichen Erfolg erzielen kann und in denen die Marke identisch aufgebaut werden kann. Auf eine Fokusstrategie, vor allem für mittelständische Unternehmen weisen auch Tomczak et al. in einer Studie hin.1 Zwar wird versucht, Markennamen zu globalisieren, dies gelingt jedoch nur begrenzt. Oft ist zu überlegen, ob nicht der Fokus auf die Unternehmensmarke als Art Dach für alle anderen Marktangebote die Lösung des Problems sein könnte. Dagegen spricht aber der Umstand, wenn die Marktangebote bekannter als das eigene Unternehmen sind. Der Markenname steht in engem Bezug zur Positionierung, da über die Marke die Positionierung in einem Markt betrieben wird. Am einfachsten ist dies noch in neuen Märkten, in denen das Wertesystem sich noch in der Ausbildung befindet, da vieles neu geschaffen wurde. Die Betonung des Heimatlandes nutzt den „Country-of-Origin Effect“. Die gewählten Vertriebswege müssen mit der Positionierung im Einklang sein. Eine starke Marke beinhaltet einen exklusiven Service ebenso wie exklusive Vertriebswege im Sinne von einer limitierten Auswahl von Verkaufsstellen. Sobald die Marktangebote auch als Handelsware mit dem „label“ des Handelsunternehmens erscheinen, ist diese Exklusivität vorbei. Unternehmen sind oftmals aufgrund der Auslastung der Fertigung darauf bedacht, an Handelsunternehmen zu liefern.2 Das dürften sie jedoch später bedauern, da damit ihre Premiumprodukte nicht selten kannibalisiert werden und insgeVgl. Tomczak/Kernstock/Schubiger. Vgl. Kernstock/Schubiger, S. 5 f.
7.1 Globale Marktangebote
235
samt die erzielte Marge fällt, langfristig aber auch der Umsatz, da man sich plötzlich von einer exklusiven Nische kommend in einem Massenmarkt wieder findet. Dort ist der günstigste Preis aber das einzige wirkliche Kaufkriterium! Auf den meisten ausländischen Märkten spielt der Markenname eines Marktangebots eine herausragende Rolle. Allerdings sollte hier auf die jeweilige Sprache geachtet werden, denn der Markenname kann in einer anderen Sprache eine völlig andere Bedeutung haben als im Heimatland. Dafür gibt es mittlerweile vielfältige Beispiele: Der Name des Duftwässerchens „Irish Mist“ war für den deutschen Markt nicht geeignet. Ford unterlief bei dem Export des Lastwagens „Fiera“ der Fehler, nicht die spanische Bedeutung des Modelnamens überprüfen zu lassen. Dieser bedeutet nämlich übersetzt „hässliche alte Frau“. Chevrolet brachte einmal ein neues Modell mit dem Namen „Nova“ auf den Markt. Im Englischen bedeutet das so viel wie „neuartig“, „neuer Stern“. Im Spanischen wird es jedoch mit „no va“ in Verbindung gebracht, d.h. „funktioniert nicht“.1 Nach Eintritt in den englischsprachigen Markt wunderten sich die Manager des zweitgrößten japanischen Reiseveranstalters, der „Kinki Nippon Tourist Company“, über die ungewöhnlich hohe Nachfrage nach außergewöhnlichen Sex-Reisen. Nachdem ihnen bewusst wurde, dass ihr Firmenname übersetzt „Reiseagentur für perverse Japan-Touristen“ bedeutet, wurde dieser schleunigst geändert. Auch Pepsi blieben Erfahrungen nicht erspart: Die Übersetzung ihres Slogans „Come alive with the Pepsi Generation“ klang in der Landessprache Taiwans wie „Pepsi will bring your ancestors back from the dead“. Colgate führte in Frankreich eine Zahnpasta namens „Cue“ ein. Leider ist „Cue“ der Name eines in Frankreich sehr bekannten Pornomagazins.
7.1.5
Globale Marktangebote und globale Preise
Die Fragen der Preisfindung auf internationalen Märkten stellen sich insbesondere bei der Produktneueinführung. Sie sind aber auch bei der Einführung von Marktangeboten, die bereits in anderen Ländern etabliert sind, in neue Märkte zu klären. Den Ausgangspunkt der konkreten Preisentscheidung bildet die grundsätzliche internationale Preisstrategie:
Festlegung der generellen Preislage auf den jeweiligen Ländermärkten Bestimmung des preislichen Abstandes, der bei Unternehmen mit mehreren Produktlinien zwischen diesen liegen soll Festlegung des Preisgefüges innerhalb einer Produktlinie zwischen den unterschiedlichen Produkten bzw. –varianten Die angestrebte Preispositionierung auf den jeweiligen Ländermärkten stellt ein wesentliches Erscheinungsfeld dar, da sie grundsätzliche Vorgaben für die konkrete Preisfestsetzung gibt. Im Vordergrund stehen zumeist Preis-Leistungs-Überlegungen, zumindest wenn man zu einer nachfrageorientierten Preisfindung ausgeht. Die Kalkulationsverfahren aus der Kostenrechnung dienen vor allem zur Bestimmung der Preisuntergrenze.
1
Vgl. Arjona/Shah/Tinivelli/Weiss, S. 107.
236
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Das Ausmaß ökonomisch sinnvoller Differenzierung bzw. Standardisierung wird durch eine Reihe von Einflussfaktoren auf den Preis bestimmt:1 Einflussfaktoren bedingt durch
Nachfrager
Anbieter
Wettbewerber
Bedeutung Kaufkraft KundenArbitrageund Stärke von präferenzen neigung der Marke Kunden
Kostensituation
allgemeine vorhandene WettReimporte bewerbssituation
Abb. 7.7:
Umfelder
InflationsSteuerund differenzen Währungsrisiken
Unterschiede in den Vertriebswegen
Einflussfaktoren auf die Preisbildung
Nachfragebedingte Faktoren: – Von einer Preisdifferenzierung kann die Marke beeinflusst werden. Bietet ein Unternehmen die gleiche Leistung auf unterschiedlichen Ländermärkten zu deutlich voneinander abweichenden Preisen an und gelingt es dem Unternehmen nicht, die Preisunterschiede entweder vor dem Nachfrager zu verbergen oder aber plausibel zu machen, so kann es zu Verunsicherungen bei den Nachfragern und zu Imageschäden für das Unternehmen kommen.2 – Möchte ein Unternehmen in den verschiedenen internationalen Märkten ähnliche Kundensegmente ansprechen, liegt jedoch ein stark divergierendes Kaufkraftniveau auf den Ländermärkten vor, so kann sich eine Vereinheitlichung der Preissetzung als problematisch erweisen. Daher ist für eine Preisdifferenzierung das länderspezifische Kaufkraftniveau zu berücksichtigen. – Die Analyse der Kundenpräferenzen zielt lediglich auf die Zahlungsbereitschaft und damit auf die Frage ab, welchen Teil der zur Verfügung stehenden Kaufkraft die Kunden eines Ländermarktes für ein betrachtetes Produkt zu entrichten bereit sind. Daher können Kaufkraftniveau und länderspezifische Zahlungsbereitschaften zu verschiedenartigen Empfehlungen in Bezug auf die Preisdifferenzierung führen. – Die Arbitrageneigung eines Kunden ist die subjektive Neigung der Käufer, bei einem bestimmten Arbitragegewinn3 für ein bestimmtes Produkt die Beschaffung über den grauen Markt anstatt über den regulären nationalen Vertriebsweg des Herstellers vorzuziehen. Die Arbitrageneigung der Kunden hängt nicht nur von der in-
1
Vgl. Backhaus/Voeth, S. 152 ff. Vgl. Channon/Jalland, S. 282. Arbitragegewinn = Preisdifferenz – Transaktionskosten.
2 3
7.1 Globale Marktangebote
237
dividuellen Preissensibilität, sondern auch von Faktoren wie der Erklärungsbedürftigkeit oder dem Vertrauensgutcharakter des jeweiligen Produktes ab. Analog zur Ermittlung von Preisabsatzfunktionen kann die Arbitrageneigung über historische Marktdaten, Expertenbefragungen oder Kundenbefragungen bestimmt werden. Anbieterbedingte Faktoren: – Als Hauptargument für eine Preisdifferenzierung im Ausland wird mitunter angeführt, dass bei einer internationalen Geschäftstätigkeit höhere Preise zu fordern seien, weil bei Sachgütern die Transportkosten einen relativ hohen Anteil an den Gesamtkosten einnehmen würden. Die unterschiedliche Verfügbarkeit von Vertriebswegen oder aber starke Unterschiede in den landesüblichen Handelsmargen können in solchen Fällen z. T. für das Vorhandensein länderübergreifender Preisdifferenzierung verantwortlich sein. Richtet das Unternehmen allerdings eine Fertigung vor Ort ein, besteht kein Grund für länderspezifische Preise. Allerdings können Zölle für importierte Vorprodukte anfallen. Wettbewerbsbedingte Faktoren: – Das Ausmaß ökonomisch sinnvoller Preisdifferenzierungen auf internationalen Märkten wird zudem durch die in den zu erschließenden Ländermärkten vorherrschende Wettbewerbssituation beeinflusst. Grundsätzlich gilt dabei, dass sich immer dann Tendenzen zu einer stärkeren Preisdifferenzierung ergeben, wenn die Wettbewerbssituation auf den einzelnen Ländermärkten sehr unterschiedlich ist. – Je größere Preisdifferenzen von Herstellern implementiert werden und je höher die Arbitrageneigung der Nachfrager einzuschätzen ist, desto attraktiver wird es für ein Unternehmen, als Reimporteur aufzutreten. Das Vorhandensein von Reimporteuren wird neben dem tatsächlichen Ausmaß der Preisdifferenzierung und dem Einflussfaktor „Arbitrageneigung der Nachfrager“ vor allem auch durch die Reimportoder Arbitragekosten bestimmt. Umfeldfaktoren: – Inflations- und Währungskurseinflüsse haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Preisentscheidung. Die Relevanz ergibt sich zum einen aus den umrechnungskursabhängigen Erlösen, die auf Auslandsmärkten erzielt werden können und zum anderen aus dem Problem der Wechselkursabsicherung bei Geschäften in Fremdwährungen mit hinreichend großen Zeiträumen zwischen Einigung und Zahlungstermin(en). Veränderungen der Wechselkurse haben zudem unmittelbaren Einfluss auf die von den Arbitrageuren zu einem bestimmten Zeitpunkt durchsetzbaren Preisdifferenzen in einer entsprechenden Währung und somit auch auf die Preisentscheidung. – Steuersysteme und Berechnungsvorschriften zwischen verschiedenen Ländern weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Unterschiedliche Steuersätze oder das Vorhandensein von Zusatzsteuern wie z. B. spezielle Luxussteuern, Importzölle für Vorprodukte, zwingen Unternehmen zu differenzierten Nettopreisen. Dies ermöglicht jedoch Arbitrageuren die Nettopreis-Differenzen auszunutzen. Da bei einem Kauf eines Produktes in einem Land mit hohen Zusatzsteuern diese dann erstattet werden, wenn das Produkt für den Export bestimmt ist, hat der Arbitrageur in der Regel im Ursprungsland allein den Nettopreis zu entrichten. Erst bei Einfuhr des
238
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Produktes in das Zielland werden die dortigen, dann allerdings geringeren, Umsatzsteuern fällig. – Unterschiede in den Vertriebswegen: Schließlich ist zu beachten, dass die von den Endkonsumenten zu entrichtenden Preise das Ergebnis eines Prozesses darstellen, auf den normalerweise nicht allein der Hersteller, sondern zumeist auch die verschiedene Stufen von Vertriebswegen Einfluss nehmen. Da sich Hersteller nur selten in der (Macht-) Position befinden, landesübliche Handelsmargen innerhalb bestehender Vertriebswege zu beeinflussen, müssen sie diese im Rahmen der eigenen Preispolitik berücksichtigen. Grundsätzlich handelt es sich bei Preissetzungen um Entscheidungen strategischer Natur. Das Unternehmen legt sich mit ihnen für eine bestimmte Zeit fest, über den Preis wird auch eine Güte des Marktangebots in die Marktöffentlichkeit kommuniziert. Das bedeutet nicht, dass man an einem einmal festgelegten Preis starr festhält, selbstverständlich verändert er sich je nach Phase im Produktlebenszyklus, aber auch innerhalb der einzelnen Phasen besteht eine Spanne, innerhalb derer sich die Preisfindung bewegen kann. Es besteht immer noch die Vorstellung, dass Preise von der Marktsituation in der Region etc. abhängen und Kunden eine höhere Preisbereitschaft haben, die es abzuschöpfen gilt. Die Möglichkeiten der bloßen Preisdifferenzierung aufgrund von Unterschieden in den Kostenstrukturen der jeweiligen Länder geht dem Ende zu. Es ist eher eine Preisharmonisierung zu beobachten, d.h. die Kunden orientieren sich am billigsten Angebot des Lieferanten und setzen diesen als globalen Preis an. Um dem zuvorzukommen, muss das Unternehmen seine unterschiedlichen Preisniveaus in den einzelnen Ländern selbst steuern, d.h. in manchen absenken und in anderen erhöhen. Sicherlich bestehen noch Märkte, in denen eine lokale Preisdifferenzierung möglich ist. Aber schon die folgende Aufstellung zeigt, dass sich die Schwerpunkte auch in noch nicht betroffenen Märkten verschieben werden.1
1
Vgl. Belz/Reinhold, S. 156.
7.1 Globale Marktangebote
lokale Preisdifferenzierung
239
globale Preisharmonisierung
Lokalität ist Wettbewerbsvorteil (lokaler Vertrieb, Beschaffung etc.)
Globalität ist Wettbewerbsvorteil (globaler Vertrieb, Beschaffung etc.)
komplexe, an das Marktsegment angepasste Leistungen
transparente und international standardisierbare Marktangebote
international große Unterschiede in den Umfeldern
international einheitliche Umfelder
starke gewinnverantwortliche „Länderfürsten“
global aufgestellte Unternehmen mit zentralisierter Führungsstruktur
Abb. 7.8:
Problemfelder der Preisharmonisierung
Insgesamt zeigt die Diskussion, dass Preisgestaltung nicht isoliert auf einige Fragestellungen reduziert werden kann, sondern bis in die Führungssysteme eines Unternehmens reicht. Da zwischen Preisen und Leistungen ein sehr enger Zusammenhang besteht, könnte ein Schutz des differenzierten Preissystems die Möglichkeit sein, das Marktangebot über das Produkt zu differenzieren, indem z.B. einheitliche Marktgebote mit unterschiedlichen Qualitäten angeboten werden. Diese werden dann in unterschiedlichen Marktsegmenten, gegebenenfalls in verschiedenen Ländern, zu differenzierten Preisen angeboten. Allerdings muss man sich dann sehr intensiv mit der Frage von Re-Importen beschäftigen, die unter Umständen den Ruf des Unternehmens beschädigen können. Anzuraten sind hier der Aufbau anderer Markennamen, jedenfalls nicht die Nutzung des alten, mit dem der Kunde eine gewisse Güte verbindet.
240
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
7.2
Globales Vertriebsmanagement
7.2.1
Schlüsselfaktoren bei der Auswahl von Vertriebswegen
Im internationalen Marketing muss man sich der Distributionsmuster in den jeweiligen Ländern bewusst sein, die nirgendwo identisch sind. Allerdings ist die Generalisierung von Distributionsmustern ebenso schwer bzw. unzulässig wie die Generalisierung von Verhaltensweisen von Menschen:1
1 2
Nachdem die Entscheidung für einen Markteintritt oder eine intensivere Marktbearbeitung gefallen ist, stellt sich nun die Frage nach dem „Wie“. Jetzt ist es wichtig zu wissen, wie die Kunden im Auslandsmarkt ihre Geschäfte tätigen. Dies sollte der „erste Mann vor Ort“2 wissen, daher werden dafür oft Einheimische genommen, die sich nicht erst in die Gepflogenheiten einarbeiten müssen. Die Leistungen der Mittelsmänner beschränken sich nicht immer nur auf die physische Distribution der Marktangebote, sondern stellen oft auch die „Türöffner“ zum Kunden dar. Die Breite des Angebots, das von Großhändlern oder Einzelhändlern geführt wird, ist je nach Auslandsmarkt unterschiedlich. Die Kosten und die erwarteten Gewinnmargen variieren sehr stark von Land zu Land und dann noch einmal zwischen den unterschiedlichen Branchen. Sie hängen ab von der Intensität des Wettbewerbs, den in den Marktangeboten liegenden Dienstleistungen, ob „Economies of Scale“ realisierbar sind, der Marktgröße, der Einkaufsmacht des Kunden, der Tradition etc. Die Länge der Vertriebswege ist wiederum in jedem Land unterschiedlich. Normalerweise sind die Vertriebswege in B2B-Märkten immer kürzer, oft direkt vom Hersteller zum Kunden, als in B2C-Märkten. Auch in B2C-Märkten gilt grundsätzlich, je exklusiver die Marktangebote sind, umso kürzer die Vertriebswege. In vielen Ländern ist das System der bestehenden Vertriebswege nicht so ausgeprägt wie in Europa oder Nordamerika. Nicht-existierende Vertriebswege machen in den anderen Ländern mitunter den Vertrieb sehr aufwendig, da die Vertriebswege erst einmal aufgebaut werden müssen. Es besteht auch die Möglichkeit, auf blockierte Vertriebswege zu treffen, die Wettbewerber, die zuerst da waren, geschaffen haben, indem z.B. spärlich vorhandene Vertriebssysteme exklusiv gebunden oder gleich gekauft wurden. Aufgrund hoher Kosten, hohe Zinsen etc. sehen sich Händler veranlasst, die Lagerhaltung nur auf das nötigste zu beschränken. Entsprechend schnell sollte dann allerdings die Nachlieferung durch das exportierende Unternehmen erfolgen, ansonsten gehen Umsätze und Kunden an den verkaufsfähigen Wettbewerber. Die Machtverhältnisse in dem Auslandsmarkt sind ebenfalls zu analysieren, insbesondere dort, wo nur einige wenige Importeure bzw. Großhändler bestehen, die dann wiederum das Gros der Marktangebote über kleine Vertreter vertreiben. Vgl. Cateora/Graham, S. 416 ff. Selbstverständlich auch „die erste Frau vor Ort“.
7.2 Globales Vertriebsmanagement
241
In der Regel ergeben sich mehrere Möglichkeiten bei der Auswahl von Vertriebswegen. Selten besteht wirklich nur ein offener Weg, die Marktangebote in ein Land zu exportieren. Entscheidungen über die Vertriebswege setzen allerdings voraus, dass die „Hausaufgaben“ von dem Unternehmen gemacht worden sind, das den Markteintritt anstrebt:
Die spezifischen Zielgruppen sind innerhalb des Landes und zwischen den verschiedenen Ländern bei einem gleichzeitigen Eintritt in mehrere Auslandsmärkte definiert. Es bestehen klare Vorstellungen in punkto Marktvolumen und angestrebtem Marktanteil sowie den erzielbaren Gewinnmargen, die sich direkt auf die Preisgestaltung auswirken. Es stellt Ressourcen in der Form von Finanzen und Personal zum Auf- und später Ausbau der Vertriebswege zur Verfügung. Identifikation der üblichen Länge von Vertriebswegen, Unterteilung in änderbar und nicht änderbar, den Kosten eines jeden Vertriebsweges bzw. einer jeden Stufe im System der Vertriebswege und die Eigentumsverhältnisse bei den Vertriebswegen. Die Frage nach den Gesellschaftern von Großhändler, Importeuren etc. kann zu interessanten Ergebnissen führen, etwa dass sich dahinter ein Wettbewerber verbirgt! Konkret spielen die folgenden Kriterien für die Auswahl des Vertriebsweges eine Rolle:1
1
Die Höhe der laufenden Kosten ist je nach Vertriebsweg sehr unterschiedlich. Während sie bei einem freien Handelsvertreter üblicherweise einen Prozentsatz am erzielten Umsatz darstellen, sind sie bei zum eigenen Unternehmen gehörenden Verkaufsniederlassungen sehr hoch. Da die laufenden Kosten, z.B. übliche Höhe von Provisionen für Handelsvertreter, sehr stark differieren, ist eine spezifische Ermittlung im jeweiligen Land angeraten. Die Investitionen, die getätigt werden müssen, umfassen wiederum die gesamte Spannbreite. Beim Handelsvertreter sind sie minimal, bei eigenen Verkaufsniederlassungen sehr hoch. Dazu gehören nicht nur die Investitionen in Gebäude und Ausstattung, sondern auch in Lagerbestand, Anschubfinanzierung für Handelsunternehmen im Auslandsmarkt oder in Kommissionsware, die gestellt wird. Kommissionsware wird hier unter Investitionen verbucht, da sie in praxi aufgrund der hohen Kosten für Transport etc. nicht mehr zurücktransportiert wird und ohnehin im Land verbleibt. Die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten sind bei Handelsvertretern ohnehin sehr niedrig, in manchen Ländern aber noch geringer, in denen Handelsvertreter kurzfristig zum Wettbewerber überlaufen, nur weil er bessere Konditionen anbietet. Je länger die Struktur der Vertriebswege ist, umso weniger Möglichkeiten bestehen für das eigene Unternehmen, darauf Einfluss zu nehmen.
Vgl. Cateora/Graham, S. 436 ff.
242
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext Vertriebswege
Kriterien
freier Handelsvertreter
Importeur
Lizenznehmer
eigene Verkaufsniederlassung
…
laufende Kosten
Investitionen Kontroll- & Steuerungsmöglichkeiten Erreichung des angestrebten Abdeckungsgrads passend zum Unternehmen Gewährleistung von Kontinuität
Abb. 7.9:
Kriterien bei der Auswahl von Vertriebswegen
Das Erreichen eines angestrebten Abdeckungsgrads ist für das Unternehmen eine essenzielle Aufgabe, um die kritische Menge an Marktangeboten zu erreichen, um das Marktangebot zu vernünftigen Kosten zu fertigen und zu angemessenen Preisen zu verkaufen. Daher ist ein bestimmter, vorher zu definierender Marktanteil mit entsprechender Marktdurchdringung notwendig. Da dies in vielen Flächenstaaten gar nicht möglich ist, streben viele Unternehmen im B2C-Markt eine hohe Marktdurchdringung in ausgewählten Zentren mit vielen Menschen und hoher Kaufkraft des jeweiligen Landes an. Im B2B-Markt stellt sich dies oft einfacher dar, da die Industrien in der Regel geografisch konzentriert sind. Dennoch wird man auch hier nicht umhin kommen, mehrere Vertriebswege parallel zu nutzen, um einen bestimmten Abdeckungsgrad zu erzielen. Die Vertriebswege müssen zur Unternehmenskultur des Unternehmens passen, d.h. ein sehr serviceorientiertes Unternehmen dürfte sich mit freien Handelsvertretern als Vertriebsweg sehr schwer tun, da sie nicht den gewohnten und geforderten Service, z.B. eine gute Beratung, für den Kunden erbringen können. Das gilt insbesondere für freie Handelsvertreter, die mehrere Unternehmen repräsentieren, und das dürfte die Mehrzahl sein. Die meisten Unternehmen legen Wert auf Kontinuität der Vertriebswege. Dies ist bei freien Handelsvertretern nicht unbedingt gewährleistet. Es gilt auch zu beachten, dass die Kundenbeziehungen bei einem freien Handelsvertreter auf ihn bzw. sie und nicht auf das eigene Unternehmen ausgerichtet sind. Wechselt er zum Wettbewerber, nimmt er die Kunden nicht selten mit, geht er in den Ruhestand, verliert das Unternehmen nicht selten
7.2 Globales Vertriebsmanagement
243
den gesamten Umsatz in einer Region. Rührige Wettbewerber warten nur auf solche Gelegenheiten! Es sollte auch beachtet werden, dass mit der Auswahl des Vertriebsweges eine Botschaft in den Markt kommuniziert wird. Wird der Markt nur durch einen einzelnen Vertriebsweg bedient, etwa einen Großhändler etc. in einem Marktsegment, spiegelt das Exklusivität wider. Die Distribution durch jeden möglichen Vertriebsweg im Markt kommuniziert standardisierte Marktangebote. Die Auswahl der richtigen Vertriebswege ist immer ein Abwägen zwischen den verschiedenen Kriterien. Soll ein Wechsel im Zeitablauf erfolgen, sollte dieser von vornherein bereits beim Markteintritt mit in das Kalkül gezogen werden. Nicht selten wird bereits bei der Wahl der Markteintrittsstrategie die Marktbearbeitungsstrategie determiniert, aber zumindest ein Wechsel der Strategie erschwert.
7.2.2
Rechtliche Herausforderungen
Insbesondere in sich neu entwickelnden ausländischen Märkten spielt der Schutz des geistigen Eigentums keine herausragende Rolle. Fälschungen und Plagiate sind ein weit verbreitetes Phänomen. Unter einem Plagiat versteht man die Nutzung fremden geistigen Eigentums als eigenes oder Teil eines eigenen Werkes. Insofern ist es von immenser Bedeutung, sich im Rahmen der Möglichkeiten als Unternehmen davor zu schützen. Plagiate sind nicht nur auf Uhren und Markenkleidung beschränkt, sondern machen teilweise auch vor Medikamenten oder ganzen Fahrzeugen keinen Halt. Inwieweit dies gar staatlich geduldet wird, legt ein Zeugnis über die Qualität des Wirtschaftsrechts in dem jeweiligen Land in der Praxis ab. Intellectual Property Rights (Urheberrecht) bezeichnet zunächst das Recht auf den Schutz geistigen Eigentums. In den letzten Jahrzehnten gewann im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen es weitgehend nationales Recht war, d.h. die Rechte auch dort registriert werden mussten, die internationale Harmonisierung an Bedeutung. So wurde im Jahr 1994 ein Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum, das TRIPSAbkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) als eine internationale Vereinbarung auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte getroffen. Es legt minimale Anforderungen für nationale Rechtssysteme fest. Dies soll sicherstellen, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden.1 Bestechung und Korruption sind in vielen Ländern üblich als eine Bezahlung für einen Gefallen. Seit 1999 wurden die OECD-Richtlinien beschlossen, die sowohl die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern wie auch Zahlungen verbieten. Gleichzeitig hat die World Trade Organization (WTO) das Thema Bestechung zum ersten Mal auf ihre Agenda gesetzt. Die Möglichkeit, die so genannten „nützlichen Aufwendungen“ in Deutschland steuerlich abzusetzen, ist seit 1997 nicht mehr gegeben. Außerdem sind die deutschen Finanzbehören angewiesen, nach überhöhten Provisionszahlungen zu fahnden, in denen „Schmiergel1
Vgl. Czinkota/Ronjkainen/Zvobgo, S. 140 f.
244
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
der“ versteckt sein könnten. In den USA verbietet der „Foreign Corrupt Practices Act“ die Bestechung von ausländischen Regierungsmitarbeitern und stellt diese Fälle unter Strafe. Weltweit gelten die OECD-Richtlinien von 1997, die die Bestechung zur Auftragserlangung ächten. Die Non-Profit-Organisation „Transparency International“ (TI) unterstützt diese Arbeit und veröffentlicht ihre Bewertungen (TI-Index) der einzelnen Ländern.1 „Transparency International“ wurde 1993 gegründet und ist die einzige Nicht-Regierungsorganisation, die die Korruption in der Gesellschaft, dem Geschäftsleben und der Regierung global bekämpft. Sie deckt keine Einzelfälle auf, sondern versucht ein Problembewusstsein in dem jeweiligen Land zu schaffen und Reformen zu forcieren. Alljährlich stellt „Transparency International“ einen „Corruption Perceptions Index“ (CPI) auf. Dieser zeigt den Grad auf, inwieweit Korruption in dem jeweiligen Land wahrgenommen wird. Die Ergebnisse werden durch Untersuchungen und Umfragen ermittelt. Die Skala reicht von 0 (Höchstmaß an Korruption) bis 100 (Korruptionsfreiheit):2 Finnland lag mit einem Wert von 89 auf Platz 3, Deutschland mit einem Wert von 78 auf Platz 13, die USA mit 73 auf Platz 19, Polen mit 60 auf Platz 38, China mit 40 auf Platz 80 und der Irak mit einem Wert von 16 auf Platz 171.3 Dies kann die Tätigkeit in dem jeweiligen Land insofern beeinflussen, als das Unternehmen z.B. bei der Auswahl von Lieferanten darauf achtet, dass möglichst wenig Verflechtungen des lokalen Lieferanten mit staatlichen Institutionen bestehen. Auszuschließen ist es vermutlich in Ländern mit einem sehr niedrigen CPI gar nicht, wenn man nur einmal an die Zollabfertigung denkt. Es gilt aber, die Risiken soweit wie möglich zu minimieren. Das Thema Korruption ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern nach wie vor ein Problem, das gravierende wirtschaftliche Folgen nach sich zieht. Meist findet es „hinter den Kulissen“ statt, denn jeder weiß, dass es nicht statthaft ist. Das alte Sprichwort im internationalen Geschäft „When in Rome, do as the Romas do“ hat in diesem Zusammenhang keine Gültigkeit mehr. Stabile Geschäftsbeziehungen können auf Dauer nicht über Korruption aufgebaut werden. Man sollte auch bedenken, dass es in einer Branche nur wenige Geheimnisse gibt bzw. nur wenig geheim gehalten werden kann. In Zeiten vieler Privatisierungen können staatliche Mitarbeiter von Heute zu Unternehmern von Morgen werden. Spätestens das dürfte das Ende der Geschäftsbeziehung einläuten. Allerdings stellt sich gerade im Vertrieb die schwierige Frage nach der „Beziehungspflege“, dazu gibt es zwei Positionen, die in einer empirischen Studie ermittelt werden konnte:4
1 2 3 4
Vgl. Czinkota/Ronjkainen/Zvobgo, S. 141 f. Vgl. www.transparency.org (vom 15.05.2014) Werte vom Jahr 2013. Vgl. Kohlert/PwC, S. 85.
7.2 Globales Vertriebsmanagement
245
Beziehungspflege zwischen Politik und Wirtschaft:
Keine Beziehungspflege zwischen Politik und Wirtschaft:
• entscheidender Faktor für den Erfolg
• Politik ist ohnehin kein konstanter Faktor, mit einem Wechsel verliert man seine Kontakte
• Zuwendungen sind üblich, aber es gibt viele Möglichkeiten der Ausgestaltung! • z.B. werden soziale Einrichtungen oder Infrastruktur der Region unterstützt oder komplett finanziert
Abb. 7.10:
?
• Beziehungsaufbau nur durch Beziehungen: - entspricht nicht den OECDRichtlinien gegen Bestechung - eigenes Unternehmen wird erpressbar - Option über Klageweg steht dann nicht mehr offen
Beziehungspflege
Die Ethik im Geschäftsleben unterliegt mittlerweile Regeln! Mit den folgenden ethischen Verpflichtungen werden multinationale Unternehmen heute konfrontiert: Corporate Governance bezeichnet den Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen, der dafür Sorge zu trage hat, das Entscheidungen im Sinne aller „stakeholder“ getroffen werden. Die Kernelemente umfassen die Gesamtheit aller internationalen und nationalen Regeln, Vorschriften, Werte und Grundsätze, die für Unternehmen gelten und bestimmen, wie diese geführt und überwacht werden, z.B. der angemessene Umgang mit Risiken, Ausrichtung von Managemententscheidungen auf die langfristige Wertschöpfung, Wahrung der Interessen verschiedener Gruppen (der „stakeholder“).1 Sicherlich ist die Grenze zur Bestechung fließend und teilweise schwer abzugrenzen. Nicht jedes Geschenk ist eine Bestechung, obwohl auch dies beim Empfänger zumindest Wohlwollen erzeugt: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, Große verderben sie.“
7.2.3
Globale Kommunikation
Unter globaler Kommunikation versteht man den Transfer von grafischen Darstellungen, Botschaften, Fotografien, Geschichten, Filmen etc. von einem Land auf ein anderes. Diese Möglichkeit des Transfers ist bei einer weltweiten Kampagne kritisch für den Erfolg eines globalen Unternehmens.2 Dabei stehen die Tonalität, Bilder, Farben, Musik sowie Werbetexte im Vordergrund. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Werte, die in den Werbebotschaften thematisiert werden, der Informationsgehalt der Werbebotschaften sowie die Symbole, die bei der Vermittlung der Werbebotschaften eingesetzt werden, von Bedeutung,
1 2
Vgl. Czinkota/Ronjkainen/Zvobgo, S. 138. Vgl. Keegan, S. 554.
246
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
da sie im internationalen Kontext, z. B. in unterschiedlichen Kulturen oder Ländern wahrgenommen werden bzw. verschiedene Wirkungen erzielen können.1 In der globalen Kommunikation können die folgenden Probleme auftreten:2
Die Botschaft erreicht den Empfänger nicht. Dieses Problem resultiert meist aus dem Nichtwissen des Unternehmens über die richtigen Medien, um die Zielgruppe zu erreichen. Die Botschaft wird gar nicht oder missverstanden. Dieses Problem resultiert aus dem fehlenden Verständnis über das Niveau der Zielgruppe. Die Botschaft veranlasst die Zielgruppe nicht, zu kaufen. Dieses Problem resultiert aus Fehlern bei der kulturellen Bewertung der Zielgruppe. Die Effektivität der Botschaft wird durch externe Einflüsse eingeschränkt, z.B. durch Kampagnen der Wettbewerber, Verkäufer der Wettbewerber.
7.3
Praxisfall: Internationaler Vertrieb am Beispiel der Balluff GmbH3
7.3.1
Positionierung als Spezialist für Automatisierungstechnik
1921 in Neuhausen a.d.F. gegründet steht Balluff mit seinen 2.600 Mitarbeitern weltweit für innovative Technik, Qualität und maximale Kundenorientierung. Als führender Anbieter für die industrielle Automation bietet das Familienunternehmen ein Full-Range-Sortiment an hochwertigen Sensoren, System- und kundenspezifischen Lösungen an. Neben dem zentralen Firmensitz in Neuhausen auf den Fildern verfügt Balluff rund um den Globus über Produktions- und Entwicklungsstandorte sowie 56 internationale Niederlassungen und Repräsentanzen. Dies garantiert den Kunden eine schnelle weltweite Verfügbarkeit der Produkte und eine hohe Beratungs- und Servicequalität direkt vor Ort. Die Marktangebote umfassen:4
elektronische und mechanische Sensoren rotative und lineare Wegaufnehmer Fluid-Sensorik Identifikations-Systeme Netzwerk- und Verbindungstechnik für eine leistungsstarke industrielle Kommunikation
Umfangreiches Zubehörprogramm
1
Vgl. Müller/Gelbrich. Vgl. ebenda, S. 559. Die Informationen wurden der Balluff GmbH zur Verfügung gestellt und durch den Autor dieses Buches überarbeitet. Vgl. www.balluff.com (24.04.2014).
2 3 4
7.3 Praxisfall: Internationaler Vertrieb am Beispiel der Balluff GmbH
247
Die Positionierung der Balluff GmbH lässt sich mit den folgenden Begrifflichkeiten umschreiben:1
ausgereifte Technik
höchste Qualität
Abb. 7.11:
Anwendungserfahrungen von Experten
kontinuierliche Innovation
maximale Kundenorientierung
größte Zuverlässigkeit
Positionierung der Balluff GmbH
Die Positionierung kommuniziert die „Value Proposition“, das Versprechen eines bestimmten Nutzens an den Kunden, in die Marktöffentlichkeit. Durch das Nutzenversprechen erhält das Geschäftsmodell eine Beschreibung, welchen Nutzen Kunden oder Partner in der Wertekette aus der Verbindung mit diesem Unternehmen ziehen können:2
Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen seinen Kunden und seinen Partnern, z.B. durch eine intensive Zusammenarbeit? Welcher Kundenwert entsteht dadurch? Kann den Kunden oder den Partnern in den einzelnen Marktsegmenten genau das angeboten werden, was sie wünschen? Ist dies zum Marktpreis oder darunter möglich, so dass Wettbewerber nicht ohne weiteres die gleichen Angebote schaffen können oder bestehen andere Möglichkeiten, außer dem Preis, sich vom Wettbewerber abzuheben? Letzteres wäre eine nachhaltigere Form der Unterscheidbarkeit. Zusammen mit dem Ertragsmodell und der Architektur der Wertschöpfung finden sich diese einzelnen Elemente in der Gesamtschau wieder. Dazu eignet sich insbesondere die Darstellung des Geschäftsmodells nach Osterwalder & Pigneur, das eine exzellente Gesamtsicht auf das Geschäft eines Unternehmens bietet. Dabei ist es sehr verständlich und eignet sich besonders gut für diejenigen, die bislang das Geschäftsmodell („Business Model“) noch nicht als Methode zur Unternehmensentwicklung genutzt haben. Die „Value Proposition“ steht im 1 2
Vgl. www.balluff.com (24.04.2014). Vgl. Kohlert, 2013, S. 85 f.
248
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Mittelpunkt des Geschäftsmodells. Auf der linken Seite der „Value Proposition“ werden im Modell von Osterwalder & Pigneur die Inputfaktoren abgetragen, wie z.B. Schlüsselressourcen, auf der rechten Seite die marktnahen Aktivitäten, wie die ausgewählten Marktsegmente. Die „Value Proposition“ verbindet diese beiden Seiten zu einem Ganzen!1
7.3.2
Internationalisierung durch den Kunden
Das mittelständische Unternehmen ist ein „global player“. Mit einer Präsenz von 65 Ländern rund um den Globus kann es den Kunden in alle wichtige Märkte begleiten:2
Abb. 7.12:
Weltweite Präsenz der Balluff GmbH
Die Internationalisierung war bei Balluff getrieben durch die Internationalisierung des Vertriebs. Den Beginn machte die Forderung von deutschen Kunden nach einer Betreuung vor Ort im ausländischen Markt. Das Unternehmen begann in den ausländischen Märkten meist mit lokalen Handelsvertretern. Dort fußgefasst konnten auch andere lokale Unternehmen im ausländischen Markt von den Qualitätsprodukten „Made in Germany“ gewonnen werden. Spätestens dann erfolgt in diesen Märkten die Gründung eigener Vertriebsniederlassungen. Aus Sicht von Balluff haben Vertriebsniederlassungen die folgenden Vorteile:3
1 2 3
Vgl. Osterwalder/Pigneur, S. 18 ff. Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung). Auf die Möglichkeiten einer Vertriebsniederlassung im ausländischen Markt und die zusätzlich geschaffenen Vorteile bei der Marktbearbeitung wird an anderen Stelle vertieft hingewiesen; vgl. Kap. 5.3.3.
7.3 Praxisfall: Internationaler Vertrieb am Beispiel der Balluff GmbH
249
Erklärungsbedürftige Produkte benötigen qualifizierte Berater vor Ort. Das kann mit freien Handelsvertretern selten geleistet werden, denn sie sind mitunter nur auf den unmittelbaren Verkauf fixiert. Um auch eine kurzfristige Lieferfähigkeit zu gewährleisten, ist aus logistischen gründen eine lokale Präsenz unerlässlich. Die globale Marktbearbeitung setzt voraus, sich einerseits global zu bewegen, allerdings auch lokal zu verankern:1
Abb. 7.13:
Globale Marktbearbeitung bei Balluff
Die Balluff GmbH unterscheidet in der globalen Marktbearbeitung unter dem „Industry Management“, dem „Product Management“ sowie dem „Key Account Management“:2
1 2
Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung). Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung).
250
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Industry Management = vertikale Marktdurchdringung Vermarktung einer breiten Palette von Marktangeboten an die definierten Schlüsselbranchen des Unternehmens
Key Account Management = Marktdurchdringung durch Kundenfokus Vermarktung einer breiten Palette von Marktangeboten an globale Zielkunden und ihre Zulieferer, nochmals unterteilt in: • globale „Key Key Accounts“ Accounts • globale „Lead Accounts“
Abb. 7.14:
Product Management = horizontale Marktdurchdringung Vermarktung von Schlüssel Schlüssel-MarktMarkt angeboten an Kunden, die durch gemeinsame Charakteristiken gekennzeichnet sind und in verschiedenen Branchen zu Hause sind
Aufgabenabgrenzung bei Balluff
Die von Balluff definierten Schlüsselbranchen werden über das „Industry Management“ in ihrer Tiefe der Wertschöpfungskette durchdrungen. Das „Industry Understanding“ ist sehr hoch, das gilt auch für Details in der Branche. Das Unternehmen ist in diesen Branchen ein „insider“, eine Grundvoraussetzung für den Erfolg in einer Branche. In den weiteren Branchen, die einen starken Produktbezug haben, steht das „Product Management“ an vordringlichster Stelle. Steht aufgrund des Umsatzes oder der Bedeutung, z.B. als Referenzkunde, der Kunde im Vordergrund, wird dieser über das „Key Account Management“ (KAM) betreut. Das Unternehmen untergliedert hier noch einmal in „global key accounts“ und „global lead accounts“. Letztere sind in ihrer Branche führend und werden auch als Meinungsführer gesehen. Sie haben daher noch einmal eine spezielle Bedeutung für die Balluff GmbH.
7.3 Praxisfall: Internationaler Vertrieb am Beispiel der Balluff GmbH
251
Im folgenden Schaubild wird die Kundenstrukturierung dargestellt. Ab den „Global Special Accounts“ steht das Produkt im Vordergrund und wird über das „Product Management“ organisiert:1
Management eines globalen Key Accounts durch einen Key Account Manager mit KAM-Methoden
x Global Key Accounts x0
Management von wichtigen Leitkunden aus wichtigen Schlüsselbranchen durch einen Industry Manager mit KAM-Methoden
Global Lead Accounts
Koordination von globalen Verträgen und Projekten durch Großkundenbetreuer und Global Sales Support
Global Special Accounts
Bearbeitung der globalen Kundenbasis durch lokale Präsenz in den wichtigsten Märkten durch eigene Niederlassungen und Vertretungen
Abb. 7.15:
~x00
~x0.000 Global Customer Base
Globale Kundenstruktur bei Balluff
Die Kundenstruktur impliziert unterschiedliche Handhabungen der Vertriebsfunktion und macht eine differenzierte Marktbearbeitung erforderlich. Die Marktbearbeitung erfolgt differenziert mit „cross functional“-Teams:2
1 2
Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung). Grafik von Balluff GmbH (mit freundlicher Genehmigung).
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
neue Industrien und Produkte Entwicklung neuer Geschäftsfelder
Abb. 7.16:
7.3.3
Busin ness Deve evoplment
Produkt-Fokus Weiterentwicklung des globalen Produktportfolios
Pro oduct Mana agement
regionaler Fokus Si h t ll Sicherstellung, d dass alle ll wichtigen i hti Mä Märkte kt bearbeitet werden
Reg gional Coo ordination
globaler Zielmarkt-Fokus Sicherstellung, dass die definierten Zielmärkte konsequent in allen Ländern bearbeitet und eine maximale Ausschöpfung des Marktanteils und der cross selling“ erreicht wird Möglichkeiten des „cross
Industrry Manage ement
globaler Kunden-Fokus Management g von g global wichtigen g Schlüssel- und Leitkunden mit KAM Methoden; „cross selling“Möglichkeiten werden ermittelt und ausgeschöpft
KA AM
252
Differenzierung der Marktbearbeitung und der Aufgabengebiete am Beispiel Balluff
Ausblick für Balluff
Die Herausforderungen der Globalisierung sind enorm. Die Forderung nach globalen Standards, Verträgen und Preisen auf der einen Seite, einer geforderten Lokalisierung auf der anderen Seite, stellt eine Quadratur des Kreises dar, der man sich bekannterweise nur annähern kann. Eindringen in stärker geschnittene Marktnischen, Anbieten von zusätzlichem Kundenwert, um sich vom Wettbewerber abzuheben und lösungsbasierte Strategien in gesättigten Märkten gehen parallel mit der Forderung nach „good enough technologies“ in Entwicklungs- und Schwellenländern. Das stellt die Frage, wie Forschung und Entwicklung organisiert werden sollen: kleine, zentralisierte, spezialisierte und prozessoptimierte Entwicklungsabteilungen kleine und schnelle Entwicklungsteams mit großer Kundenähe Jedenfalls geht es einher mit, man ahnt es schon, komplexeren Organisationsformen. In den zunehmend vernetzten Strukturen müssen die Mitarbeiter immer noch motivierbar sein und das Gesamtunternehmen immer noch gesteuert werden können. Vergessen werde sollte hier auch nicht die Kommunikation, die bei einer Vielfalt der Kulturen zwar eine Bereicherung von Ideen darstellt, die aber zunächst auch bewältigt werden muss.
7.4 Führung international tätiger Mitarbeiter
7.4
Führung international tätiger Mitarbeiter
7.4.1
Mitarbeiter im Auslandseinsatz
253
Zunächst einige Worte zur Bedeutung dieser Thematik: Es sind immer wieder einzelne Personen, die Geschäfte nach vorne bringen, gute persönliche Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern zwischen den Ländern, die auch über Probleme hinweg Projekte nach vorne bringen. Dennoch werden die Fehler oft hier gemacht. Unbeherrschte Mitarbeiter aus dem Management des „Mutterhauses“ sagen dem ausländischen Mitarbeiter „was sie von ihm wirklich halten“, bei der Gelegenheit gleich „von seinem Land auch“, Führungspositionen werden bei manchen Unternehmen danach besetzt, wer im Netzwerk auf diese Position sollte, um dessen Loyalität zu belohnen etc. Dies muss nicht den Erfolg verhindern, aber die Effizienz der Auslandstochter steigert es sicher nicht. Das Folgende sollte beim Umgang mit den ausländischen Kollegen beachtet werden:
Anerkennung der außergewöhnlichen (und schwierigen) Rolle eines ausländischen Repräsentanten beim Marktaufbau. Das Marktangebot muss funktionieren, um die Erwartungen zu treffen. Eine gute Kommunikation zwischen den wichtigen Personen unterstützt die gesamte Arbeit. Keine offensichtlichen Diskriminierungen zwischen dem eigenen Land und dem Ausland in punkto Prioritäten in bestimmten Ländern. Eine dem Auslandsmarkt angepasste Preisgestaltung, sofern möglich, berücksichtigt die Unterschiede in der lokalen Kaufkraft. Gegenseitige Besuche, „meetings“ mit den internationalen Mitarbeitern fördern den „Corps d‘Esprit“. Kulturelle Sensitivität ist ein Muss für jeden Mitarbeiter im Auslandseinsatz! Unter einem Auslandseinsatz versteht man eine zeitlich befristete Tätigkeit in einer Geschäftseinheit des Unternehmens im Ausland. Dieser findet in beide Richtungen, d.h. sowohl von der Zentrale in die einzelnen Landesgesellschaften als auch von den einzelnen Landesgesellschaften in die Zentrale statt. Während früher das Ziel in dem Transfer von Know-how bestand, da vor Ort die Fachleute fehlten, kann heute der Auslandseinsatz als Teil der Karriereplanung betrachtet werden. Mitarbeiter entwickeln auf diese Weise internationale Kompetenzen, z.B. im Umgang mit anderen Kulturen, Arbeiten in interkulturellen Teams. Dadurch schaffen die Mitarbeiter auch ein persönliches und länderübergreifendes Beziehungsgeflecht, das die Informationsgewinnung und auch die Umsetzung von Strategien erleichtert. In Zeiten der Globalisierung werden Mitarbeiter mit Auslandserfahrungen zunehmend zu einem kritischen Erfolgsfaktor. Dies setzt jedoch voraus, einen Auslandseinsatz in einem Gesamtkonzept zu verankern, zu dem Auswahl und Vorbereitung, Integration während des Einsatzes und die Planung der Rückkehr gehören.1
1
Vgl. Wirth, S. 258.
254
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Bei der Auswahl der Mitarbeiter für den Auslandseinsatz, wird der Fokus auf die folgenden Eigenschaften empfohlen:1
positive Einstellung zum Auslandseinsatz und zum jeweiligen Land fachliche Qualifikation Potenzial zur Weiterentwicklung gesundheitliche Eignung familiäre Stabilität Sprachkenntnisse Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem Kontaktfähigkeit und Konfliktfähigkeit Belastbarkeit
Werden Mitarbeiter vom Mutterunternehmen an ihre Auslandsgesellschaft entsendet („Expatriates“), stehen diese immer wieder dem Problem der „doppelten Loyalität“ gegenüber: Wem gehört ihre Loyalität, der Auslandsgesellschaft oder dem Mutterhaus? Ein falscher Umgang damit kann zu Fehlern, Abbrüchen von Auslandseinsätzen, schlechten Ergebnissen, Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im Auslandsmarkt etc. führen. Daher ist eine Beschäftigung mit der wichtigsten Ressource im Auslandsmarkt so wichtig: dem eigenen Mitarbeiter. Black & Gregersen differenzieren verschiedene Formen, wie Mitarbeiter mit dieser Situation der „doppelten Loyalitäten“ umgehen:2
niedrig Mitarbeiter als „freie Geister“
Mitarbeiter als „Anpasser“
Mitarbeiter mit „Heimweh“
Mitarbeiter mit „zwei Herzen“
Loyalität zum Mutterhaus
hoch niedrig
hoch Loyalität zur Auslandsgesellschaft
Abb. 7.17:
1 2
Formen des Umgangs mit der „doppelten Loyalität“
Vgl. Wirth, S. 259. Vgl. Black/Gregersen, S. 62 ff.
7.4 Führung international tätiger Mitarbeiter
255
Mitarbeiter mit „Heimweh“ fühlen eine starke Loyalität zum Mutterhaus und ein gewisses Unverständnis für die lokalen Bedingungen und die Ansichten und Gewohnheiten der lokalen Kollegen im eigenen Unternehmen. Damit sind sie aber auch nicht in der Lage, die lokalen Problemstellungen zu erfassen und nach Lösungen zu suchen. Anpassungen an die lokalen Gepflogenheiten sind mit ihnen nicht zu machen. Aufgrund der Einstellung der Mitarbeiter ist nicht davon auszugehen, dass sie im Laufe der Jahre Lerneffekte realisieren werden. Mitarbeiter als „freie Geister“ sind ohnehin nur sich selbst gegenüber loyal und suchen permanent nach neuen Gelegenheiten innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens, die eigene Karriere voranzutreiben. Mitarbeiter mit „zwei Herzen“ gehören zu den wenigen Mitarbeitern, die zunächst einmal von ihren Unternehmen auf das Auslandsengagement durch Sprachkurse, Verhaltenstrainings und interkulturelles Training intensiv vorbereitet werden. Nur wenige Unternehmen haben eine eigene Personalabteilung für Entsandte. Diese ist in der Lage, die Zielsetzungen an die lokalen Bedingungen anzupassen, weil z.B. bedingt durch die größere Wichtigkeit der persönlichen Bekanntschaften in Japan Aufgaben langsamer bewältigt werden können als in den USA. Mitarbeiter als „Anpasser“ identifizieren sich sehr stark mit „ihrer“ Auslandsgesellschaft. Sie mögen die Kultur, Sprache, Werte etc. des Landes, in dem sie jetzt leben, und versuchen, sich möglichst gut anzupassen. Damit sind sie prädestiniert für die Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten und neuen Marktangeboten in dem Auslandsmarkt. Diese Mitarbeiter sind nicht notwendigerweise diejenigen, die in ihrer Muttergesellschaft auch gute Leistungen erbrachten et vice versa.1 Damit ist das Finden dieser Mitarbeiter alles andere als einfach. Doch was können die Unternehmen tun, um diese Situation zu verbessern? Dazu einige Vorschläge:2
1 2
Mitarbeiter mit „Heimweh“ benötigen Unterstützung bei der Gestaltung ihres persönlichen Umfeldes im Ausland. Gemeint ist damit jedoch nicht, ihnen alles abzunehmen, das entfremdet eher, sondern sie zu befähigen, Dinge selbst zu erledigen. Daher sollte auch die Familie in diese Trainings eingebunden werden, da sie zu einem großen Teil für das Befinden des Mitarbeiters im Ausland verantwortlich zeichnet. Während z.B. der Ehemann in das Unternehmen eingebunden ist, muss die Ehefrau mit Kinder den täglichen Alltag meistern. Unzufriedenheit und Probleme an dieser Stelle wirken sich sofort auf den Ehemann aus. Mitarbeiter mit „zwei Herzen“ müssen ihre Zielsetzungen und Rollen eindeutig kennen, dabei hilft es, eine Überschneidung von ehemaligem und ausscheidendem Stelleninhaber und dem neuen einzuplanen. Diese Mitarbeiter benötigen auch die Freiheit Dinge selbst zu entscheiden und sollten nicht eng geführt werden, will man ihr Engagement wirklich für das Unternehmen nutzen.
Vgl. Black/Porter. Vgl. Black/Gregersen, S. 69 ff.
256
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext Wenn auch die Mitarbeiter als „Anpasser“ keine große Loyalität zum Mutterhaus haben, sind sie gute Kandidaten für einen Auslandseinsatz. Durch ihre Fähigkeit, sich den lokalen Gegebenheiten anpassen zu können, verringern sie die Gefahr eines Misserfolges für das Mutterhaus. Allerdings empfiehlt es sich, diese Mitarbeiter vor einem neuen Auslandseinsatz wieder für eine Weile im Mutterhaus zu beschäftigen, um ihre Bindungen dazu wieder zu stärken. Ein „Postarrival Cross-Cultural Training“ sollte dann allerdings vorgesehen werden, denn die Verhältnisse im Heimatland sind dann nicht mehr dieselben wie vor dem Gang ins Ausland. Eine Rolle spielt auch die Zeitdauer, wie lange die Mitarbeiter bereits für das Unternehmen arbeiten. Mit der Zeitdauer steigt die Loyalität an, was sicher nicht überrascht.
7.4.2
Anforderungen an Führungskräfte im Ausland
Mitunter treffen auf die deutsche Führungskraft im Auslandseinsatz andere Anforderungen als im Heimatland. Vorhandene Autorität wird oft nicht nur erwartet, sondern auch der Einsatz befürwortet, etwa wenn einzelne Kollegen schlechte Leistungen erbringen und den Gesamtbonus gefährden. So wird z.B. in den USA nicht davon ausgegangen, dass Personalentscheidungen lange herausgezögert werden sollten, da dies nicht als fair empfunden wird. Anders sieht das sicherlich in Japan aus, in dem das Team Disharmonien nicht duldet. Auch sonst wird jedoch von Führungskräften erwartet, dass sie Probleme möglichst frühzeitig lösen: Ein „großes Problem ist vorhanden“ bedeutet im Klartext, dass man es nicht erkannt hat, so lange es klein war! Von Führungskräften wird erwartet, dass sie etwas glauben und in der Lage sind, diese Vision auch den Mitarbeitern zu kommunizieren. Konosuke Matsushita, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Matsushita Electrical Industrial Co., untersuchte einmal die Taten von außergewöhnlichen Führungskräften in ihrer Zeit, um von diesen zu lernen. Eine seiner Erkenntnisse war, dass die Philosophie eines Managers sein Rückgrat ist, es ermöglicht ihm, nicht fortlaufend nach Einzelfällen zu entscheiden, sondern die Mitarbeiter, die die Philosophie kennen, wissen, was von ihnen erwartet wird. So wird der Manager von den Tagesentscheidungen entlastet und kann sich um die wichtigen Belange kümmern. Nach Matsushita ist dies die wahre Stärke und eine Grundlage für das Wachstum von Unternehmen.1 Dazu gehört auch, dass die Führungskräfte Unternehmenskultur vorleben, nämlich die Werte, die sie von ihren Mitarbeitern erwarten! Oder welche Botschaft würde der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG oder ein Werksleiter eines großen Fertigungswerks der Daimler AG an die Mitarbeiter senden, wenn er seiner Frau zum Geburtstag einen Porsche Cayenne kaufen würde anstatt das Pendant M-Klasse von Daimler? Auch die Botschaft an potenzielle Kunden wäre sehr verwirrend. Von Führungskräften wird erwartet, dass sie zukünftige Entwicklungen antizipieren und die Konsequenzen für das eigene Unternehmen den eigenen Mitarbeitern erläutern können. Es wird auch erwartet, dass sich die Führungskraft um neue Entwicklungen kümmert und das Unternehmen darauf ausrichtet. Dazu ist es erforderlich, komplexe Sachverhalte plakativ zu 1
Vgl. Matsushita, S. 23.
7.4 Führung international tätiger Mitarbeiter
257
vereinfachen und den Mitarbeitern zu kommunizieren, denn nur von Sachverhalten, die klar sind, kann man anderen eindeutig mitteilen. Dazu bedarf es einer „Big Picture“-Perspektive, bei der man den Blick für das Ganze behält. Wenn man zu viel Zeit für Details verschwendet, wird das Unternehmen nicht prosperieren. Begründungen für schlechte Zahlen werden in Ländern wie den USA nicht sehr positiv aufgenommen („That’s not the way we do our business“). Besser wäre es da schon, einen Maßnahmenplan vorzulegen, wie diese negative Entwicklung schnellstmöglich umzukehren ist, wenn es dazu dann nicht schon zu spät ist. Auf alle Fälle lieben die Amerikaner den Fokus auf Lösungen und sind an den Problemdarstellungen nicht wirklich interessiert. Die Analyse eines Problems gilt nicht als Nachweis von Professionalität. Auch die Fehlerkultur ist im ausländischen Management mitunter eine andere. Während der Amerikaner gerne schnell und viel entscheidet und sich daher auch blamieren darf, versucht der Deutsche Entscheidungen abzusichern. Diese Denkweise, die kleine Fehler verbietet, führt zu großen Fehlern! Dann ist es in der Regel zu spät, das Positive aus Fehlern herauszunehmen. Verschleierungen sind kontraproduktiv, sie werden von Amerikanern schnell geahndet. Es gibt keine universal gültigen Motivationsfaktoren, sondern die Art und Weise zu motivieren muss an die bestehende Kultur angepasst werden. Erfolg ist es, was die Amerikaner motiviert, Zugehörigkeitsgefühl zu einem Team den Japaner und die Sicherheit den Deutschen. Erfolg wird in den USA immer als Erstes definiert („The winner takes it all“) und kann sehr treffend mit der folgenden Begebenheit dargestellt werden: Bei den Olympischen Spielen in Atlanta stand die Unternehmensspitze von Nike Kopf, da eine Athletin, die bei ihnen unter Vertrag stand, mit einem Satz, der für das Unternehmen verheerend war, zitiert wurde: „I did not win silver. I lost gold“.1 Generell kann untergliedert werden, welche Bedeutung die einzelnen Motivationsfaktoren für die einzelnen Mitarbeiter in den Ländern haben. Dazu gehören die folgenden Faktoren: Leistung Anerkennung Beförderung Interesse Verantwortung Autorität Eng verknüpft mit den Motivationsfaktoren ist auch die Frage der Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen bzw. wann sie daran denken, das Unternehmen zu verlassen und sich ein anderes Unternehmen zu suchen. Insbesondere in der Aufbauphase eines Unternehmens im Auslandsmarkt kommt dies sehr ungünstig. Wie unterschiedlich die Motivationen für einen Wechsel in ein anderes Unternehmen sein können, zeigen die Gründe für Mitarbeiter in den USA, einen „job hop“ vorzunehmen:
1
Vgl. Risch/Sommer/Wöhrle, S. 168.
258
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
langes Warten auf nächste Beförderung hoher „Marktwert” nach Erfolg, eine Wiederholung oder gar Steigerung im nächsten Jahr ist nicht sehr wahrscheinlich Mangel an Aufmerksamkeit, die Mitarbeiter empfinden nicht, dass ihre Tätigkeit zum Gesamterfolg des Unternehmens wirklich beiträgt Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sinkt, die ersten Mitarbeiter, die das merken, sind die Vertriebsleute, die die Marktangebote nur noch mit immer höher werdenden Rabatten verkaufen können Reorganisation oder neue Zielsetzungen, insbesondere, wenn diese gar nicht oder nur schlecht kommuniziert wurden im Zweifel gilt aber: „Don’t wait – hop“ Trotz aller Herausforderungen werden natürlich gute Mitarbeiter benötigt. Die folgenden Empfehlungen an die Personalpolitik im Auslandsmarkt, die aus einer empirischen Analyse basieren, werden gegeben:1 Aufbau lokaler Mitarbeiter, aber Werksleitung zu Beginn mit eigenen Leuten besetzen
Mitarbeiter darf man nicht enttäuschen und sie möchten Probleme klar angesprochen wissen
Personalpolitik
Sicherstellung der Kommunikation, alle Führungskräfte sollten deutsch oder englisch können. Abb. 7.18:
1
Von den eigenen Mitarbeitern lernen über deren Eigenarten, Kultur, Schwierigkeiten im täglichen Leben
Statthalter aufbauen, der auch eine eigene Präsenz nicht immer notwendig macht
Erste Kontakte müssen nicht die besten Kontakte sein, lokale Leute einzuschätzen dauert seine Zeit
Empfehlungen für die Personalpolitik im Auslandsmarkt
Der Aufbau lokaler Mitarbeiter ist wichtig, bevor sie auf der ersten Ebene eingesetzt werden können. Allerdings ist ihre Mitarbeit von Beginn an aufgrund ihrer Kenntnisse der Landeskultur und den Branchenkenntnissen unerlässlich. Eine besondere Rolle spielt dabei der „Statthalter“, der eigentliche Vertrauensmann und Bindeglied zur deutschen Muttergesellschaft, wie bereits an anderer Stelle dargestellt.
Vgl. Kohlert/PwC, S. 103.
7.4 Führung international tätiger Mitarbeiter
259
Die Auseinandersetzung mit der Eigenart und Kultur der Menschen ist notwendig, um die Menschen wirklich verstehen zu lernen. Menschen sollten im Zusammenhang mit ihrer Geschichte gesehen werden, um ihre Handlungsweisen besser verstehen zu können. Sind die Mitarbeiter im Ausland eher personen- oder prozessorientiert? Im Auslandsmarkt sind die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr wichtig: „Contacts make contracts“ und „business is people“. Alle auf der Führungsebene sollten die englische oder deutsche Sprachen beherrschen, sonst gibt es zu viele Missverständnisse und der Know-how-Transfer ist schwierig. Frühes Festlegen auf einen Geschäftspartner wird ebenso nicht empfohlen, wie ein vorsichtiger Umgang mit Exklusivität angemahnt. Das Einschätzen von lokalen Personen ist kulturabhängig, eigene gemachte Erfahrungen oder gar Instinkte sind nur sehr begrenzt einsetzbar. Niemand sollte an dem eigenen Unternehmen bzw. der Auslandsgesellschaft beteiligt werden, nur weil es sich im Moment anbietet. Vor allem der Transfer von eigenen Leute zu lokalen Mitarbeitern in Führungspositionen ist ein langwieriger, mitunter auch schwieriger Lernprozess, denn gegen Gewohnheiten anzukämpfen bedarf sehr viel Zeit. Dies gilt vor allem in vormals eher planwirtschaftlich organisierten Märkten. Jedoch führt das Beibehalten dieser „alten Strukturen“ zu Resistenz gegen Eigeninitiative und folglich auch gegen Verantwortungsübernahme. Gewünschte Veränderungen ergeben sich über Schulungen, regelmäßige Treffen auf Managementebene von unterschiedlichen Ländern zum Erfahrungsaustausch zwar langsam, aber beständig. Da die menschliche Komponente eine wesentliche Rolle im Geschäftsleben spielt und die kulturellen Unterschiede Auswirkungen auf die geschäftliche Kommunikation haben, stellt sich die Frage, ob es für ein Unternehmen von Vorteil ist, Führungspositionen mit lokalen Mitarbeitern zu besetzen? Die Meinungen gehen hier durchaus auseinander:1 gute Erfahrungen mit der „Tandem-Lösung“ • Besetzung der Leitung mit einer technischen und einer kaufmännischen Führungskraft • Besetzung der Leitung mit einer lokalen Führungskraft und einer aus dem Stammhaus („VierAugen-Prinzip“) • finanziell relativ aufwendig, setzt daher ein bestimmtes Umsatzvolumen bzw. eine gewisse Finanzkraft voraus Abb. 7.19:
1
gute Erfahrungen mit lokalen Führungskräften • kostengünstige Lösung • Mitarbeiter kennen die Besonderheiten des lokalen Marktes • sehr gute deutsche oder englische Sprachkenntnisse sind Voraussetzung, Auswahlkriterium für die Führungskraft sollte jedoch nicht darauf reduziert werden
Besetzung von Führungspositionen in der eigenen Auslandsgesellschaft
Vgl. Kohlert/PwC, S. 88.
260
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Die Vorteile lokaler Führungskräfte liegen auf der Hand: Zum einen ist eine solche Entscheidung kostengünstiger und zum zweiten kennt der Kandidat die Besonderheiten des Geschäfts im Ausland. Allerdings sollte der ausgewählte Mitarbeiter selbständig arbeiten können, deutsch oder englisch beherrschen und das Wichtigste von allem, die Vorstellungen des Stammhauses kennen und umzusetzen wissen.1 Ein Nachteil könnte darin liegen, dass eine lokale Führungskraft Angriffspunkte für eine mögliche Erpressung im Falle stagnierender Verhandlungen oder Meinungsverschiedenheiten bietet, die man sich einem Ausländer gegenüber nie herausnehmen würde.2 Die soziokulturelle Prägung eines solchen Erpressungsversuchs besteht z.B. in Russland darin, dass es nach russischer Wertevorstellung ungehörig ist, einen Landsmann, der um eine „Gefälligkeit“ bittet, zurückzuweisen.3 Die endgültige Besetzung der Niederlassungsleitung muss nicht von vornherein festgeschrieben sein. Es kann auch über einen gewissen Zeitraum darauf hingearbeitet werden, allerdings mit klaren Perspektiven für die lokale Führungskraft.
7.5
Organisation der internationalen Aktivitäten
Die Organisation des Unternehmens kann entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sein. So fanden z.B. Davidson & Harrigan eine Beziehung zwischen der Struktur eines Unternehmens und der Geschwindigkeit, mit der neue Marktangebote in den ausländischen Markt eingeführt werden, heraus:4
In funktional organisierten Unternehmen mit einer „international division” werden 40 % der Innovationen in den nächsten zwei Jahren auf ausländischen Märkten eingeführt. 6 % sind dies bei Unternehmen ohne eine „international division”. In Spartenorganisationen liegen die Zahlen bei 33 % und 18 %. In globalen Unternehmen werden 80 % aller Innovationen innerhalb von zwei Jahren und alle Innovationen innerhalb von fünf Jahren auf ausländischen Märkten eingeführt. Die Managementorientierung, d.h. ob ethnozentrisch, polyzentrisch oder geozentrisch5, schlägt sich auch in der Organisation der internationalen Aktivitäten eines Unternehmens nieder, ebenso wie auf die Markteintrittsentscheidung:
1 2 3 4 5
Vgl. Baumgart/Jänecke, S. 130. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. Davidson/Harrigan, S. 22. Vgl. Kap. 2.3.1.
7.5 Organisation der internationalen Aktivitäten Orientierung
261
Prinzip
Merkmale
ethnozentrisch
• Marketing auf dem Heimatmarkt unverändert auf Auslandsmärkte übertragen
Markteintritt über Exportabteilung
polyzentrisch
• jedes Land mit spezifischem Marketing-Mix bearbeiten
relativ autonome Auslandsgesellschaften
regiozentrisch
• homogene Weltregionen bilden und jeweils mit standardisiertem Marketing-Mix bearbeiten
Matrix-Organisation mit balancierter Entscheidungsfindung
geozentrisch
• einen Weltmarkt standardisiert bearbeiten
Entscheidungen in der Zentrale, Auslandsgesellschaften nur ausführend
Abb. 7.20:
Managementorientierung und Markteintrittsentscheidung
So komplex wie ethnozentrisch orientierte Unternehmen im Heimatland sind, umso einfacher sind sie in den Auslandsaktivitäten organisiert. Die Geschäftsprozesse, vom Controlling bis hin zur Kommunikation werden weitgehend vom Heimatland übernommen, das Management übernehmen eigene Mitarbeiter aus dem Mutterhaus. Die Organisationsstruktur ist oftmals sehr traditionell funktional ausgelegt, abhängig von einem oder mehreren Marktangeboten, kann sie wie folgt gestaltet sein: Geschäftsleitung Marktforschung
Leiter Fertigung
Leiter Finanzen
Leiter Personal
Leiter Marketing
Export Abb. 7.21:
Funktionale Organisation in ethnozentrisch orientierten Unternehmen mit einem Marktangebot
262
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext Geschäftsleitung Marktforschung
Leiter Produktgruppe 1
Leiter Produktgruppe 2
Finanzen
Leiter Produktgruppe 3
Export Abb. 7.22:
Funktionale Organisation in ethnozentrisch orientierten Unternehmen mit mehreren Marktangeboten
Bei einem polyzentrisch orientiertem Unternehmen sind die einzelnen Länderorganisationen sehr unabhängig voneinander, bis hin zur Entwicklung von „Lokalfürsten“. Das kann so weit führen, dass die Kommunikation weder mit dem Mutterhaus noch mit anderen Auslandsgesellschaften besonders gepflegt werden. Diese Unternehmen werden im Auslandsmarkt nach einer bestimmten Zeit als nationale Unternehmen von den Kunden wahrgenommen, insbesondere dann, wenn lokales Management und Mitarbeiter die Auslandsgesellschaft prägen. Die Organisation ist oftmals nach Sparten gegliedert, wobei die ausländischen Aktivitäten eine weitere Sparte darstellen: Geschäftsleitung Marktforschung
Leiter Produktgruppe 1 Abb. 7.23:
Leiter Produktgruppe 2
Leiter Produktgruppe 3
Leiter internationaler Markt 1
Finanzen
Leiter internationaler Markt 2
Spartenorganisation in polyzentrisch orientierten Unternehmen mit mehreren Marktangeboten
7.5 Organisation der internationalen Aktivitäten
263
Bei einem geozentrisch orientierten Unternehmen steigt die Komplexität und die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Auslandsgesellschaften aufgrund der immer stärker werdenden Arbeitsteilung stark an. Die Muttergesellschaft bekommt als das koordinierende Glied wieder eine stärker werdende Bedeutung, was bis zur Zentralisierung führen kann. Weltweit wird hier nach den besten Mitarbeitern, Standorten etc. gesucht. Jede einzelne Produktgruppe ist weltweit mit allen Funktionen aufgestellt, nur wenige Zentralbereiche bestehen am Unternehmenssitz, typischerweise aber die Finanzen. Geschäftsleitung Finanzen
Leiter Produktgruppe 1 weltweit Abb. 7.24:
Leiter Produktgruppe 2 weltweit
Leiter Produktgruppe 3 weltweit
Spartenorganisation in geozentrisch orientierten Unternehmen mit mehreren Marktangeboten
Ein global tätiges Unternehmen könnte konkret wie folgt organisiert sein: Sitz des Unternehmens Marketing Vertrieb
Marketing Vertrieb
Marketing Vertrieb
Marketing Vertrieb
Marketing Vertrieb
Finanzen Rechnungswesen EDV Personal Fertigung Beschaffung Mexiko
Abb. 7.25:
Ungarn
Deutschland
Aufbau eines global tätigen Unternehmens
Indien
Schweiz
264
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Während in jedem Land Marketing und Vertrieb mit den möglichen Standardisierungen betrieben wird, werden andere Zentralfunktionen des Unternehmens aus Ländern erbracht, die dafür die optimalen Bedingungen für das Unternehmen bieten. Auch der Sitz des Unternehmens wird unter ökonomischen Bedingungen an einem optimalen Standort gewählt. Dies stellt jedoch eine Konstellation dar, die den vorläufigen Endpunkt der Globalisierung kennzeichnet und so noch nicht verwirklicht worden ist, wenngleich Ansatzpunkte insbesondere bei großen Konzernen durchaus erkennbar sind. Grundsätzlich werden zur Organisation von Eintritte in Auslandsmärkten die folgenden Empfehlungen gegeben:1
Kauf eines Unternehmens: pro und contra
Berater sollten aus internationaler Gruppe kommen
stufenweiser Aufbau von Aktivitäten
Geduld mitbringen und Bürokratie akzeptieren Organisation
Kontakte zu Regierungsstellen, aber keine Korruptionsspielchen
Erfolgsfaktor einheitliche Unternehmenskultur Abb. 7.26:
7.6
Logistik aufbauen bei der Auslieferung
Verzollung im Werk (wenn möglich)
Anpassungen von Geschäftsprozessen an lokale Gegebenheiten; Menschen sind nicht standardisierbar
bei reinem Export an die MwSt denken, falls der Kunde die Ware selbst abholt
Empfehlungen zur Organisation
Tipps aus der Praxis
Finanzieren Sie Ihren Markteinstieg im ausländischen Markt solide, mit einem hohen Eigenkapitalanteil. Seien Sie darauf vorbereitet, dass mindestens zwei Mal mehr finanzielle Mittel benötigt werden als Sie in Ihren sorgfältig vorbereiteten Kostenplanungen ermittelt haben.
1
Vgl. Kohlert/PwC, S. 105.
7.6 Tipps aus der Praxis
265
Etablieren Sie ein Frühwarnsystem, das dem Unternehmen zeitnah Informationen in Form von einigen wichtigen Kennzahlen über eventuelle Schieflagen bzw. finanzielle Risiken, die den Erfolg des Markteintritts gefährden könnten. Stellen Sie sicher, dass Sie ausreichend Managementkapazitäten haben. Viele Aufgaben, wie der Kontakt zu wichtigen Mitarbeitern der ersten Stunde, Schlüsselkunden, sind „Chefsache“. Nach und nach müssen dann lokale Führungskräfte an die Aufgaben herangeführt und Verantwortung übergeben werden. Fördern Sie informelle Kontakte nicht nur auf den Leitungsebenen, sondern auch zwischen den Mitarbeitern vom Mutterhaus und den Auslandsgesellschaften. Wenn man die Leute kennt, die die Arbeit machen, fällt es schwerer, einmal „Nein“ zu sagen. Das hat dann einen hohen Wert, wenn einmal Dinge kurzfristig geregelt werden müssen. Achten Sie auf Kontinuität in den persönlichen Beziehungen. Ständig wechselnde Ansprechpartner sind für einen Markteinstieg alles andere als förderlich. Benchmarking sollte man die ganze Zeit betreiben. Zu beobachten, wie andere Unternehmen der eigenen aber auch aus anderen Branchen den Markteintritt betreiben und welche Schritte sie als Nächstes unternehmen. Etablieren Sie Beiräte („Boards“), in die Sie lokale Externe aufnehmen, die Sie in bestimmten Situationen beraten können. Sie sind rechtlich weder bindend noch zwingend und können schnell wieder verändert werden, wenn sich die Intensionen verändern. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter in der Auslandsgesellschaft. Seien es eigene Mitarbeiter vom Stammhaus oder lokale Mitarbeiter, lassen Sie sie nicht alleine. Zentralisieren Sie keine Aufgaben bis hin zur Lethargie der Mitarbeiter. Mitarbeiter brauchen nicht nur, aber vor allem in dieser Phase den „Geist des Entrepreneurs“. Suchen Sie nach Mitarbeitern, die 100 % in Ihr Unternehmen passen. Kompromisse rächen sich. Unterbezahlen Sie keine Mitarbeiter. Gute Mitarbeiter vergleichen ihre eigene Entlohnung fortlaufend mit anderen. Das Entgelt ist auch ein Zeichen dafür, dass Sie seine bzw. ihre Arbeit wertschätzen. Fühlen sich Führungskräfte unterbezahlt, sind sie offen für neue Angebote. Lob ist für viele Mitarbeiter wichtig. Dadurch spüren sie, dass ihre individuelle Leistung einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Ganzen darstellt. Das schwäbische Sprichwort „Nicht geschimpft ist schon gelobt“ sollte in ausländischen Märkten keine Geltung erfahren. Halten Sie Beziehungen persönlich. Es festigt die Bindungen und stärkt das Vertrauen. Vergessen Sie dabei nicht die Partnerinnen der Mitarbeiter bzw. Partner der Mitarbeiterinnen. Auch sie tragen zum Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter bei. Persönliche Angelegenheiten Ihrer Mitarbeiter betreffen Sie damit also auch, zumindest aber sollten Sie Anteil daran nehmen. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass aus den persönlichen Beziehungen der Statthalter resultiert, der als Vertrauter eine wichtige Funktion einnimmt. Insbesondere in geografisch weit entfernten Ländern ist Vertrauen zu Mitarbeitern eine Schlüsselkomponente für den unternehmerischen Erfolg.
266
7 Strategieumsetzung im internationalen Kontext
Respektieren Sie lokale Sitten und Gebräuche. Versuchen Sie nicht, die Menschen zu ändern oder wie Adenauer es einmal ausdrückte: „Man muss die Menschen nehmen wie sie sind, denn andere gibt es nicht.“ Machen Sie keine Kompromisse mit Schwächen bei wichtigen Faktoren, z.B. wenn Sie feststellen, dass ein Mitarbeiter nicht in das Team passt. Insbesondere Personalentscheidungen müssen immer sofort getroffen werden, Verzögerungen lassen sich nicht rechtfertigen. Insbesondere mittelständische Unternehmen rekrutieren immer, denn es ist immer Platz für neue Mitarbeiter, die eine wichtige Funktion im Unternehmen exzellent ausfüllen können. Transferieren Sie die Unternehmenskultur auch in Ihre Auslandsgesellschaft, damit die Teile ein ganzes Unternehmen darstellen. Beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Ethik und wie es sich in der Kultur Ihres Unternehmens niederschlägt. Auch müssen die Zielsetzungen der Auslandsgesellschaft mit den Leitgedanken des Unternehmens, der Vision, die sich auch in der Unternehmenskultur niederschlagen, übereinstimmen. Eine Marketingstrategie sollte mindestens jährlich den sich verändernden Rahmenbedingungen oder den neuen Erkenntnissen angepasst werden, insbesondere in der Anfangsphase.
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing ABC-Analyse
Hilfsmittel zur Priorisierung von Kunden, Marktangeboten etc. hinsichtlich Umsatz oder Deckungsbeitrag mit dem Ziel der Identifikation derjenigen Kunden, Produkte etc., die am meisten zum Unternehmenserfolg beitragen
Absatzpotenzial
Anteil am Marktpotenzial, das ein Unternehmen als maximal erreichbar betrachtet
Amortisation
Termingerechte Rückzahlung einer langfristigen Geldschuld in festgesetzten Raten; ein Prozess, in welchem die Anschaffungskosten eines bestimmten Anlagenobjektes durch die mit ihm erzielten Einnahmen gedeckt werden
Arbitrage
Ausnutzen von Preisunterschieden für gleiche Waren auf verschiedenen Märkten; die Preise passen sich in den verschiedenen Märkten einander an, so dass diese Unterschiede in der Regel nur eine bestimmte Zeit lang existieren
Assets
Dieser englische Begriff, übersetzt als Aktivposten, Anlagevermögen, Vermögensgegenstand, wird teilweise als Oberbegriff für die Vermögensgegenstände des Aktivvermögens verwendet; insofern spiegeln die Assets wieder, wie das vorhandene Kapital angelegt ist
Beirat
Gremium mit beratender Funktion; Beiräte haben oft wenig oder keine Entscheidungsbefugnisse und Kontrollfunktionen, sondern beschränken sich auf Beratungen und Empfehlungen
benchmarking
Vorgehensweise zum Vergleich von Marktangeboten oder Geschäftsprozessen mit den Wettbewerbern, um aus den Unterschieden Verbesserungsmöglichkeiten für das eigene Unternehmen zu generieren
268
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
best practices
Lernform, die man als Imitationslernen von herausragenden Beispielen bezeichnen kann, bei der Unternehmen versuchen, die Erfahrungen und das Wissen anderer Unternehmen aus der Realisierung von Spitzenleistungen zu nutzen und auf das eigene Unternehmen zu übertragen, um damit die eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern
bottom up-Prozess
Prozess der Planerstellung, der auf der untersten Planungsebene beginnt und anschließend auf den höheren Planungsebenen schrittweise zusammengefasst wird, bis als Endergebnis ein integrierter Gesamtplan entsteht
B2B-Marketing
Business-to-Business (B2B) bedeutet, Unternehmen verkaufen ihre Marktangebote an andere Unternehmen aus Fertigung und Handel, staatliche Stellen, Non-Profit-Organisationen
B2C-Marketing
Business-to-Consumer (B2C) bedeutet, Unternehmen verkaufen ihre Marktangebote direkt an den Konsumenten
Bruttosozialprodukt
Gesamte wirtschaftliche Leistung eines Staates innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, ausgedrückt in Währungseinheiten (z.B. EURO)
branding
Marktangebote werden mit eigenen Persönlichkeiten bzw. Marken ausgestattet, die eine bestimmte Aussage transportieren und dem Kunden leichter im Gedächtnis bleiben; Marktangebote werden so zu identifizierbaren Objekten gemacht
Buying Center
Alle am Einkaufsprozess in einem Unternehmen beteiligten Rollen wie Einkauf, Entscheider, Empfehler etc.
Cash-Flow
Saldo aus Ein- und Auszahlungen eines Unternehmens, er stellt damit eine Kennzahl für die Liquidität des Unternehmens dar
Change Management
Veränderungsmanagement mit allen Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderung z.B. zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse oder Verhaltensweisen in einer Organisation bewirken sollen
cluster
Kritische Größen an einem Standort, die in einem bestimmten Feld durch Konzentration und Komplementarität der Leistungen einen ungewöhnlichen Erfolg haben
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
269
Deckungsbeitrag
Anteil des Umsatzes nach Abzug der direkt zurechenbaren Kosten, der zur Deckung anderer Kosten zur Verfügung steht
Desinvestition
Rückgewinnung bzw. Freisetzung der in konkreten Vermögensgegenständen gebundenen finanziellen Mittel durch Verkauf, Liquidation und Aufgabe; die Desinvestition ist die Umkehrung der Investition
Desk Research
Suche und Auswertung von bereits erhobenen Daten
Differenzierung
Herausstellen von Unterscheidungsmerkmalen zu den Marktangeboten der Wettbewerber, um im Markt als unverwechselbar anerkannt zu werden
Direct Marketing
Direkte und gezielte Ansprache eines bestehenden oder potenziellen Kunden
Economies of Scale
Kostenvorteile in der Fertigung pro Stück, die sich aus einer erhöhten Fertigungsmenge ergeben
Economies of Scope
Geschäftsfelderweiterung auf Basis der bestehenden Geschäftsfelder in horizontaler oder in vertikaler Richtung
Entrepreneur
Unternehmerisch denkende und handelnde aktive Menschen in Unternehmen, die, durch Geschäftsgelegenheiten getrieben, auf eigenes Risiko handeln, also visionäre, innovative, auf Wachstum ausgerichtete Unternehmerpersönlichkeiten
Exit Strategy
Strategie, die es im Falle eines Misserfolgs ermöglicht, mit geringst möglichen Kosten eine fragwürdige Entscheidung wieder rückgängig zu machen
Experteninterview
Form der qualitativen empirischen Sozialforschung, bei der Experten aus der Industrie, Forschung etc. zu einem bestimmten Sachverhalt befragt werden
Field Research
Eigene Erhebung von bislang nicht publizierten Daten für einen bestimmten Zweck durch Beobachtung, Befragung oder Experimente
First Mover Advantage
Vorteile, die für ein Unternehmen daraus resultieren, dass es das Erste ist, z.B. bei der Nutzung einer neuen Technologie und bei der Definition eines neuen Marktes
270
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
Geschäftsmodell
Modellhafte Beschreibung eines Geschäftes, bestehend aus den drei Komponenten Kundenwerte, Gestaltung der Wertschöpfungskette, Darstellung der Gewinnaussichten
Geschäftsprozess
Menge miteinander verknüpfter Aktivitäten, welche in einer bestimmten Reihenfolge sequentiell und/oder parallel ausgeführt werden, um ein festgelegtes Ergebnis für einen bestimmten Kunden oder Markt zu erreichen
global sourcing
Beschaffungsstrategie bzw. Teilgebiet der strategischen Beschaffung, die im Gegensatz zur lokalen Beschaffung internationale Beschaffungsoptionen untersucht
goodwill
Firmenwert für immateriellen Vermögenspositionen, z.B. Marke, im Unternehmen, die durch den entgeltlichen Erwerb von anderen Unternehmen oder Unternehmensteilen entsteht (derivativer Firmenwert)
Handelsvertreter
Selbständiger, der im Auftrag eines oder mehrerer Unternehmen im Außendienst im fremden Namen Geschäftskontakte zu Kunden aufbaut und unterhält
Handlungsempfehlungen
Im kulturellen Kontext des Unternehmens gewichtete Schlussfolgerungen, die damit eine gewisse Subjektivität haben und sich am Umsetzbaren im Unternehmen orientieren
Hedging
Finanzgeschäft zur Absicherung einer Transaktion gegen Risiken wie z.B. Wechselkursschwankungen, Veränderungen in den Rohstoffpreisen durch das Eingehen einer weiteren Transaktion, die mit der zugrunde liegenden Transaktion gekoppelt ist, meist in der Form eines Termingeschäfts
listing
Aufnahme eines Produkts in das Sortiment eines Handelsunternehmens (gelistetes Produkt)
Image
Wahrnehmung eines Marktangebots oder Unternehmens in der Marktöffentlichkeit und die Verbindung mit bestimmten Attributen durch die Kunden
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
271
Innovation
Weiterentwicklung (kontinuierliche Innovation) eines bestehenden Produkts, die dem Kunden oft gar nicht auffällt und von ihm keine Verhaltensänderung erfordert oder Weiterentwicklungen, die vom Kunden eine Verhaltensänderung erfordern (diskontinuierliche Innovationen); für die Kunden sind Diskontinuitäten wichtig, da nur durch sie bahnbrechende Verbesserungen möglich sind
Innovationsmanagement
Transfer von Wissen in Nutzen bzw. Kundenwerte
Intellectual Property
Intellektuellen Eigentumsrechte eines Unternehmens, z.B. Marken und Patente
Intermediäre
Vertriebsmittler, die beauftragt werden, den Absatz und die Distribution von Marktangeboten durchzuführen, z.B. Handelsvertreter, Handelsunternehmen
Kernprodukte
Komponenten eines Marktangebots, die einen merklichen Wertbeitrag zu den Endprodukten leisten
Key Account Management
Organisation der Mitarbeiter im Verkauf nach großen Kunden bzw. Schlüsselkunden, denen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss
Kommission
Kommissionär erhält nicht das Eigentum, sondern lediglich der Besitz am Kommissionsgut durch den Kommittenten übertragen mit der Aufgabe, diesen zu verkaufen; der Kommittent zahlt die vereinbarte Provision an den Kommissionär, der im Gegenzug den Kaufpreis an den Kommittenten herausgibt
Kooperation
Zusammenarbeit von Unternehmen auf freiwilliger Basis unter Beibehaltung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit
Kundenwert
Differenz des vom Kunden empfundenen Nutzens von den Kosten des Marktangebots
lead customer
→ Referenzkunde
local content laws
Gesetz, das einen bestimmten inländischen Anteil (in %) von allen ausländischen Produkten fordert, die im Land verkauft werden
272
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
Marke
Ein Marktangebot oder Unternehmen mit stets gleichbleibender Aussage, etwa über Qualität und Design, das die Kunden dadurch im Gedächtnis behalten, wieder erkennen und mit bestimmten positiven Eigenschaften verbinden
Marketing
Auseinandersetzung mit dem Wettbewerber um Kunden
Marketing-Mix
Strukturierung des Marketing in Marktangebot, Preis, Vertriebswege und Promotion, die vom Unternehmen festgelegt werden, um die Marketingstrategien auf dem Markt umzusetzen
Marketingstrategie
Grundlegende Ausrichtung eines Unternehmens am Markt, z.B. als Kostenführer oder Technologieführer
Marktangebot
Kombination aus Produkten und Dienstleistungen, die, aufeinander abgestimmt, die Aufgabenstellung eines spezifischen Kundenproblems lösen
Marktanteil
Verhältnis des vom Unternehmen realisierten Umsatzes zum Marktvolumen
Marktforschung
Beschaffung und Analyse von Daten für die Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Lösung einer spezifischen Aufgabenstellung
Marktpotenzial
Aufnahmefähigkeit des Marktes
Marktsegmentierung
Aufteilung eines Gesamtmarktes bezüglich seines Kaufverhaltens in Untergruppen, die eine homogene, gegenüber anderen Untergruppen heterogene Struktur aufweisen
Marktvolumen
Absatzmenge, die von allen Anbietern realisiert wird
mass customization
Fähigkeit eines Unternehmens, einer großen Menge an Kunden gerecht zu werden und ihnen auf die jeweiligen spezifischen Bedürfnisse abgestimmte Marktangebote anzubieten, um die Erwartungen eines jeden einzelnen Kunden zu erfüllen
newcomer
Neu in einen Markt eintretendes Unternehmen
opportunity costs
Kosten bzw. entgangener Nutzen einer nicht gewählten Handlungsalternative
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
273
Plagiat
Nutzung eines fremden geistigen Eigentums als eigenes oder Teil eines eigenen Werkes
Portfolio
Modelle, die eine Aufteilung von Vermögensbestandteilen, z.B. Wertpapiere, strategische Geschäftseinheiten, auf verschiedene Anlageformen oder Märkte zum Zweck der Gewinnmaximierung und der Risikominimierung, sicherstellen sollen
Positionierung
Kommunikation von Marktangeboten durch das Unternehmen an die Zielgruppen, um einen bestimmten Platz in deren Wahrnehmung zu besetzen
Preiselastizität
Verhältnis der relativen Änderung der nachgefragten Menge eines Gutes in Bezug auf die verursachende Preisänderung dieses Gutes
Primärforschung
→ Field Research
Prognose
Auf Erfahrungen, Beobachtungen oder sonstigen Erkenntnissen beruhende Aussagen über zukünftige Ereignisse
Referenzkunde
Kunde, der zum Zweck der gemeinsamen Weiterentwicklung ein noch nicht ausgereiftes Marktangebot erhält, oft mit einem Preisabschlag verbunden, um es gemeinsam mit dem Anbieter zur Serienreife zu führen und weiteren potenziellen Kunden die Leistungsfähigkeit des neuen Marktangebots zu belegen
Return on Investment
Rückflüsse aus dem Markt an das Unternehmen aus einer getätigten Investition, z.B. interne Verzinsung; gemessen in % von der Investition
roll-out
Englischer Begriff, der so viel wie Einführung oder Markteinführung bedeutet
Rücklagen
Bestandteile des Eigenkapitals, die aufgrund von gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmungen oder freiwillig gebildet werden; in der Bilanz werden Rücklagen (so genannte offene Rücklagen) nur von Kapitalgesellschaften gebildet
274
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
Rückstellungen
Ausweisung von zukünftigen Verpflichtungen, die nach Grund, Höhe und/oder Zeitpunkt noch ungewiss sind; Voraussetzung für ihre Bildung ist, dass der Aufwand zwar nicht mit völliger Sicherheit, aber ausreichend sicher erwartet wird und nicht lediglich einzelne in der Bilanz ausgewiesene Vermögensgegenstände betrifft
Rückwärtsintegration
Kauf von Lieferanten eines Unternehmens mit dem Ziel der Sicherung von Zulieferungen
Sales Promotion
Maßnahmen, die den Absatz kurzfristig und unmittelbar stimulieren
Schlussfolgerungen
Schlüsse aus im Rahmen einer Marktforschung ermittelten objektiven Daten
Screening
Prozess der Entscheidungsfindung mit Hilfe einer Checkliste mit verschiedenen Fragestellungen
Segmentierung
→ Marktsegmentierung
Sekundärforschung
→ Desk Research
Service-Management
Aktive Nutzung von Serviceleistungen als Differenzierungsmerkmal für das eigene Marktangebot gegenüber dem der Wettbewerber
shareholder
Anteilseigner (Aktionär) am Grundkapital einer Aktiengesellschaft und damit mitgliedschaftlich an ihr beteiligt
Spin-off
Eine Unternehmensgründung erfolgt durch die Verselbständigung einer Teileinheit eines Unternehmens, durch deren Mitarbeiter, die einen Teil der Aktiva mitnehmen, die als Basis für das neue Unternehmen genutzt wird
stakeholder
Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes hat
Stärke
Vorgaben, die einem Unternehmen Wettbewerbsvorteile in einem Markt(segment) verschaffen
Strategien
Grundsatzregelungen von Unternehmen, die mittel- bis langfristig angelegt auf ein Ziel ausgerichtet sind und den Charakter einer Leitlinie haben
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
275
strategische Geschäftseinheit Ein nach Technologie, Markt, Wettbewerb und sonstigen Kriterien abgrenzbares Tätigkeitsfeld eines Unternehmens, für das eine relativ unabhängige Strategie geplant und durchgesetzt werden kann Substitutionsprodukte
Problemlösungen, die vom Kunden als Alternative in Betracht gezogen werden können
Szenariotechnik
Prognoseverfahren bei kalkulierbarer Unsicherheit, mit dessen Hilfe Konsequenzen für das Unternehmen unter verschiedenen zu erwartenden Zukunftsbildern abgeleitet werden
SWOT
Methode zur Erkennung der eigenen Stärken, steht für Strengths/Weaknesses und Opportunities/Threats
Technologie
Technologien sind die Verfahren und Prozesse, die einem Unternehmen zur Herstellung von Produkten grundsätzlich zur Verfügung stehen
Time-to-Market
Schnelligkeit, mit der innovative Marktangebote von der Entwicklung bis zur Markteinführung umgesetzt werden können
Transferpreis
Preis, der zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens oder zwischen verschiedenen Gesellschaften eines Konzerns für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen verrechnet wird; dieser Preis bildet sich nicht auf einem Markt durch das Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage, sondern wird vom Unternehmen im Rahmen des Zulässigen festgesetzt
Trend
Grundrichtung einer Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum hinweg, die aus vergangenheitsbezogenen Datenmengen abgeleitet wird
Unternehmenskultur
Persönlichkeit eines Unternehmens basierend auf seinen gewachsenen Wertestrukturen, die sich in bestimmten Denkschemata und Problemlösungsmustern ausdrücken
Vision
Vorgabe der grundlegenden Richtung, in die sich ein Unternehmen entwickeln soll
Vorwärtsintegration
Kauf von Vertriebsunternehmen eines Unternehmens mit dem Ziel der Sicherung von Vertriebswegen
276
Glossar über wichtige Fachbegriffe im internationalen Marketing
Wertschöpfungskette
Umfasst alle Tätigkeiten von strategischer Relevanz, die mit der Erstellung eines Marktangebots verbunden sind, von der Versorgung mit Rohstoffen über die Fertigung bis zur Auslieferung an den Kunden
Window of Opportunity
Plötzlich erscheinende Marktgelegenheit, die nur für einen bestimmten Zeitraum offen ist, den das Unternehmen nutzen muss, danach verschließt sich die Gelegenheit wieder
Win/Win-Strategie
Gemeinsame Strategie zweier Unternehmen, die aufgrund ihrer Abstimmung größeren Nutzen daraus erzielen als durch eine getrennte Umsetzung ihrer jeweiligen Strategie
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Stichwortverzeichnis A ABC-Analyse ............................................. 149 Abgeholte ..................................................... 24 Abhängigkeit................................................ 89 Abstinenzmärkte .......................................... 59 Abwartende .................................................. 24 action chain ................................................ 102 Added Value ................................................ 73 Akquisition ................................................ 192 Due Diligence ........................................ 194 Risiken ................................................... 195 Anpassungskosten ...................................... 228 Arbeitsbeziehungen...................................... 88 Arbeitskosten ............................................. 140 Attraktivität Formen .................................................... 56 Auftragsfertigung ....................................... 175 Varianten ............................................... 176 Auslandseinsatz ................................. 159, 253 Führungskraft ........................................ 256 Teil der Karriereplanung........................ 253 Auslandsgesellschaft .................... 68, 194, 259 Akquisition ............................................ 192 Expatriates ............................................. 254 Auslandsmärkte Fehlerquellen ........................................... 36 Gründe für Eintritt ................................... 34 Austrittsbarrieren ......................................... 67 Autorität ....................................................... 88
business culture .......................................... 110 Business Model .................................... 43, 247 Buying Center .............................................. 74 C cluster......................................................... 139 controllables ........................................... 28, 76 Corporate Governance ............................... 245 Country-of-Origin Effect ........................... 230 Vorteile .................................................. 231 Wirkungsweisen .................................... 231 Cross-Border-Wertschöpfung .................... 231
B benefit selling............................................. 150 Beschaffungsziele ........................................ 23 Beweggründe ............................................... 24 Beziehungen geschäftliche ............................................ 93 persönliche............................................... 93 Beziehungsmenschen ................................. 157 Beziehungspflege ....................................... 244 Bibel............................................................. 85 born to be global ........................................ 224 Branche Makroprofil ........................................... 204 Mikroprofil ............................................ 204 branding international ........................................... 233
E Economies of Scale ........................................ 4 Effizienz durch Menge ............................... 100 Einflussfaktoren auf den Preis anbieterbedingt ...................................... 237 nachfragebedingt ................................... 236 Umfeldfaktoren...................................... 237 wettbewerbsbedingt ............................... 237 Emerging Markets ........................................ 57 emerging technologies ................................... 3 Entgrenzung des Raums ................................. 9 Erster Mann vor Ort ........................... 154, 155 ethnozentrisches Vorgehen Gründe ..................................................... 44 Etikette ......................................................... 90
D Desk Research.................................... 147, 148 dezentrale Führung..................................... 156 Differenzierung .................................. 226, 229 Direktinvestitionen ....................... 25, 179, 189 bei Automobilzulieferern ....................... 182 Gründe ................................................... 179 Grüne Wiese ............................................ 25 Distribution Muster .................................................... 240 Distributoren .............................................. 164 Problemfelder ........................................ 166 Diversity Management .......................................... 111 Domestic Marketing..................................... 30 Due Diligence ............................................ 194 Dumping .................................................... 129
284 Exit externe Effekte ........................................ 67 interne Effekte ......................................... 66 Exit Strategy ................................................ 74 Exklusivität................................................ 259 Expatriate .................................................. 159 Export .................................................161, 185 direkter .....................................31, 162, 164 indirekter ..................................31, 162, 163 Export Marketing ........................................ 30 Exportanteil ................................................. 34 Exportquote ................................................. 34 F Faktorbedingungen .................................... 141 Fehlerkultur ............................................... 257 Fertigungsstätte Führungsaufwand .................................. 191 First-Mover Advantage ......................... 42, 43 Fokussierung ............................................. 218 Forfaitierung .............................................. 133 Formalitäten ................................................. 90 Führungskräfte lokale ..................................................... 260 Suche ..................................................... 158 Unternehmenskultur vorleben ............... 256 Führungspositionen Besetzung .............................................. 259 G GATT ........................................................ 128 Gelegenheitsmärkte ..................................... 59 Geschäftsfelder ............................................ 62 Auswahl attraktiver ................................. 63 Geschäftsfeldwert ........................................ 62 Geschäftsmodell .................................. 43, 247 Getriebene ................................................... 24 global brands ............................................. 232 Global Marketing ........................................ 32 global player .............................................. 248 globale Marktsegmente.............................. 135 globale Orientierung .................................. 231 globale Perspektive...................................... 39 Entwicklung ............................................ 39 globales Bewusstsein ................................. 109 globales Unternehmen Organisation .......................................... 263 Voraussetzungen ..................................... 55 Globalisierung ..................................... 2, 8, 39 gesellschaftliches Phänomen ..................... 8 Grad ........................................................ 11 hemmende Kräfte .................................... 16 Kundenbedürfnisse.................................. 76 Neigung ................................................... 12 treibende Kräfte....................................... 14 Triebfedern .............................................. 14
Stichwortverzeichnis Globalisierungsphänomene............................ 8 Glokalisierung ............................................. 13 good enough technologies ......................... 252 good enough window .................................. 99 Gott .............................................................. 84 green field .................................................. 194 Grundsatzentscheidungen ............................ 51 Grüne-Wiese .............................................. 179 H Halo-Effekt ................................................ 231 Handelshemmnisse non-tarifäre ............................................ 129 tarifäre ................................................... 128 Handelsunternehmen ................................. 185 Handelsvertreter ........................................ 185 Vertragsvereinbarung ............................ 164 Herzlichkeit ............................................... 109 hidden agenda .............................................. 84 hidden champions ........................................ 23 hierarchisches Denken ................................. 89 Hinterhof ....................................................... 4 Historie .................................................. 79, 81 Daten der Geschichte .............................. 80 Hoffnungsmärkte ................................... 21, 57 I Industry Management ................................ 250 Inflations- und Währungskurseinflüsse ..... 237 Instinkt......................................................... 97 Intellectual Property Rights ....................... 243 Intermediäre................................................. 31 internationale Expansion ........................... 215 internationale Jagdlinie .................................. 4 Internationales Marketing ............................ 31 Aufgabenspektrum .................................. 28 Konzeption ............................................ 199 Internationalisierung ................................ 1, 33 Absatzperspektive ................................... 30 Entwicklungsrichtungen ........................ 213 klassische Beweggründe ......................... 19 neue Beweggründe .................................. 19 von Marken ........................................... 233 Internationalisierungsgrad ........................... 23 Internationalisierungsstrategie Entwicklung ............................................ 78 Intuition ....................................................... 56 Investition ..................................................... 48 Investitionsklima ....................................... 182 J job hop ....................................................... 257 Joint Venture ....................................... 42, 187
Stichwortverzeichnis K Kaufkraftniveau ......................................... 236 Kernmärkte .................................................. 58 Key Account Management......................... 250 Kommunikation Gesprächspausen ..................................... 95 globale ................................................... 245 non-verbale .............................................. 83 Probleme ................................................ 246 Small Talk ............................................... 96 talk ........................................................... 95 verbale ..................................................... 83 Kommunikationsmedium ............................. 95 Konsortium ................................................ 189 Kontaktpflege Bedeutung und die Intensität ................. 153 Kontext ...................................................... 100 Geschäftsleben im internationalen ......... 106 high context cultures .............................. 101 low context cultures ............................... 101 Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit .......... 68 Kooperationen Fit .......................................................... 171 Hürden ................................................... 172 Zielsetzungen......................................... 170 Korruption.................................................. 244 Kostenfaktoren bei Automobilzulieferern ....................... 183 Kostenvergleichsrechnung ......................... 190 Kostenvorteile ............................................ 214 Kulturen Unterscheidung von ............................... 102 Unterschiede .......................................... 259 Kundenanalyse ........................................... 149 Kundenbedürfnisse ........................................ 2 Kundenkontakt ........................................... 151 Kundennähe ............................................... 139 Kundenpräferenzen .................................... 236 L Länderauswahl Checklist-Verfahren............................... 115 Grundsatzentscheidungen ...................... 138 Scoring-Modell ...................................... 120 Länder-Screening ....................................... 121 lead customer ............................................. 149 Lebenszyklus von Märkten ............................................ 18 Leistungsprogrammpolitik ......................... 223 Lizenzierung .............................................. 167 Entgelt ................................................... 168 Lizenzgeber ........................................... 169 Lizenznehmer ........................................ 169 Nachteile................................................ 168 royalties ................................................. 168 Verhandlungen ...................................... 169
285 Vorteile .................................................. 168 local content laws ....................................... 129 Loyalität ....................................................... 92 M Made by ..................................................... 231 Made in ...................................................... 230 mainstream ................................................. 149 Managementorientierung ..................... 43, 260 ethnozentrische ........................................ 44 geozentrische ........................................... 45 polyzentrische .......................................... 45 regiozentrische ......................................... 45 Mann vor Ort ............................................. 240 Marke ......................................................... 236 Dehnbarkeit ........................................... 232 globale ................................................... 232 Positionierung ........................................ 232 Markenarchitektur ...................................... 232 Markenname Fehlerquellen ......................................... 235 Markenpolitik............................................. 232 Markenreichweite ...................................... 232 Marketing Intelligence ................................. 36 Marketing-Mix ............................................. 75 Marketing-Strategie Formulierung ......................................... 219 Markt............................................................ 15 Marktanalyse .............................................. 136 Marktangebote ........................................... 223 globale ........................................... 224, 227 internationale ......................................... 224 kulturgebundene .................................... 226 lokale ..................................................... 223 Marktattraktivität ......................................... 56 Marktaustritte ............................................... 66 Marktbearbeitung Herausforderungen ................................ 207 Markteintritt ............................................... 197 durch Dritte.............................. 59, 161, 170 Entscheidung für Form ............................ 70 Kostenseite ............................................... 60 phasenweiser.......................................... 185 Ressourcen............................................... 60 typische Fehler....................................... 217 Vorbereitungsmaßnahmen ....................... 64 Markteintrittsbarrieren ................................. 60 Markteintrittsoption ..................................... 67 Markteintrittsstrategie Wahl ...................................................... 186 Marktentwicklung ...................................... 136 Antizipation ........................................... 145 Marktfaktoren bei Automobilzulieferern ....................... 183 Marktforschung .......................................... 145 Prozess ................................................... 145
286 Marktgelegenheiten ................................... 214 Marktreife .................................................... 70 Marktsegmente Entwicklungspotenzial .......................... 138 Marktsegmentierung .................................. 135 Feinauswahl .......................................... 137 integrale ................................................ 135 international .......................................... 134 Scoring-Modell ..................................... 134 Markttest.................................................... 161 Maßzahl der Globalisierung ........................ 12 Memorandum of Understanding .................. 98 Messen....................................................... 185 Me-too-Marktangebote ................................ 65 Mitarbeiter doppelte Loyalität ................................. 254 Loyalität ................................................ 257 Umgang mit anderen Kulturen .............. 253 Mittelsmänner............................................ 240 Motivationsfaktoren .................................. 257 MoU ............................................................ 98 Multinational Marketing ............................. 32 N Nachfragebedingungen .............................. 141 national culture .......................................... 110 Nationalbewusstsein .................................... 80 nearshoring .................................................... 7 Neuausrichtung strategische .............................................. 40 No Go .......................................................... 50 O old rich countries ........................................... 4 Organisation Eintritt in Auslandsmarkt ...................... 264 P people’s person .......................................... 157 Personal ....................................................... 40 Personalberater Auswahl ................................................ 158 Personalpolitik ........................................... 258 Personalsuche eigene Personalabteilung ....................... 158 internationalen Personalberater ............. 158 lokaler Personalberater .......................... 158 Verband ................................................. 158 persönlicher Kontakt ................................... 93 PEST-Analyse ........................................... 116 Ergebnisse ............................................. 117 piggyback partnering ................................... 50 Pioniergewinne ...................................... 22, 43 Plagiat ........................................................ 243 Politik .......................................................... 83 politische Stabilität .................................... 182
Stichwortverzeichnis Porter’s 5-Forces Analysis .................................. 125 Diamant-Ansatz .................................... 141 Positionierung .................................... 233, 247 potenzielle Kunden Analyse ................................................. 150 Präsentation ................................................. 98 Preis Einflussfaktoren .................................... 236 Harmonisierung ..................................... 238 lokale Differenzierung........................... 238 Nachlass .................................................. 66 Preisfindung............................................... 235 Ansätze.................................................. 238 Preispositionierung .................................... 235 Problemdefinition ...................................... 146 product component model ......................... 224 Product Management ................................. 250 Q Qualität ........................................................ 99 R Rahmenbedingungen .................................. 28 räumliche Distanz ...................................... 102 Rechtssystem ............................................... 82 Referenzkunde ........................................... 149 Regional Economic Driver .......................... 57 Reimporteur ............................................... 237 Religion ................................................. 79, 84 Risiken Makro .................................................... 127 Mikro .................................................... 131 Risiko ........................................................ 127 für das Liefergeschäft ............................ 131 für den Zahlungsfluss ............................ 131 Länderrisiko .......................................... 130 politisches ............................................. 127 wirtschaftliches ..................................... 127 Risikobereiche ........................................... 131 Risikobereitschaft ........................................ 99 Risikomanagement ...................................... 37 Risikosteuerung ..................................... 133 Rollenverständnis Wandel .................................................... 41 royalties ..................................................... 168 S Sales Representatives ................................ 164 schriftliche Informationen ........................... 98 Schulsystem ................................................. 83 Schwellenländer .......................................... 58 Scoring-Modell .......................................... 120 Screen .......................................................... 70 Screening von Marktangeboten................................ 70
Stichwortverzeichnis Selbstverständnis eines Landes .................... 79 Self-Reference Criterion ............................ 107 Sicherheitspolster ......................................... 62 Small Talk .................................................... 90 soziale Beziehungen..................................... 84 Standardisierung ................................ 226, 228 Möglichkeiten .......................................... 10 Standort ...................................................... 144 Bewertung ............................................. 144 Entscheidung ......................................... 139 Faktorenkatalog ..................................... 140 Tradition ................................................ 139 Standortvertrag........................................... 160 Standortwahl persönliche Prioritäten ........................... 140 Stärke des Unternehmens.................................. 124 Statthalter ................................... 155, 196, 258 Stereotyp .................................................... 231 Strategie ausgehend vom Umfeld ......................... 203 ausgehend von eigenen Ressourcen ....... 208 ausgehend von Lerneffekten .................. 210 internationale Expansion ....................... 212 Veränderungen im Zeitablauf ................ 216 Strategieraster .............................................. 47 Strategieschwerpunkte verschieben .............................................. 49 strategische Allianz .................................... 176 erfolgreiche ............................................ 178 Probleme ................................................ 178 Voraussetzungen.................................... 177 strategische Relevanz ................................... 47 Substitute ................................................... 126 SWOT-Analyse .......................................... 122 T Targeting .................................................... 136 Tätigkeitsstufen Unternehmen im Auslandsmarkt ........... 210 Team ............................................................ 99 Technologien ..................................... 3, 16, 83 Test Marketing ............................................. 66 Testimonial ................................................ 149 Tier............................................................. 180 First........................................................ 180 Second ................................................... 180 Third ...................................................... 180 Transparency International ........................ 244 Trendsetter ................................................. 149 Triade ............................................................. 4 U Umfeld ......................................................... 27 Analyse .................................................... 81 Faktoren ................................................. 203
287 im ausländischen Markt ........................... 81 uncontrollables ....................... 28, 81, 117, 144 Unsicherheit ............................................... 201 Niveau der ............................................. 202 Unternehmenskultur ................................... 110 Unternehmenspolitische Entscheidung ........ 52 Uppsala-Modell.......................................... 210 V Value Proposition....................................... 247 Verhandlungen ............................................. 98 Vertrauen Schaffung................................................. 97 Vertrauensverhältnis .................................. 155 Vertriebsgesellschaft .................................. 185 Aufgabenspektrum................................. 186 Vertriebsniederlassung ............................. 183 Vorteile .................................................. 248 Vertriebswege Abdeckungsgrad .................................... 242 Auswahl ................................................. 241 Entscheidungen...................................... 241 Kriterien................................................. 241 Vier Augen Prinzips ................................... 260 Vorgesetzte .................................................. 88 W Werte........................................ 80, 86, 87, 107 Ästhetik ................................................... 90 Entscheidungsfindung.............................. 92 Gleichheit ................................................ 88 Helden ..................................................... 87 im Geschäftsleben.................................... 91 in der Gesellschaft ................................... 87 Individualismus ............................... 89, 103 individueller Erfolg.................................. 99 Kommunikation ............................... 93, 101 Leistung ................................................... 92 Macht ..................................................... 103 Maskulinität ........................................... 104 Qualität .................................................... 99 Risiko....................................................... 99 universale................................................. 86 Unsicherheit ........................................... 105 Veränderungen ........................................ 92 Vermögen ................................................ 87 Zeit ........................................................ 101 Zeitorientierung ....................................... 89 Wertesystem................................................. 86 Wertschöpfungskette.................................... 15 Neukonfiguration ..................................... 16 Werttreiber ................................................... 63 Wettbewerb Ausweitung ................................................ 3 Wettbewerbsgesetzgebung ........................... 65 Wettbewerbsposition.................................. 137
288 relative .................................................. 137 Wettbewerbsvorteile durchhaltbare strategische ....................... 72 Quellen .................................................... 41 relative .................................................... 56 window of opportunity .....................55, 59, 72 World Trade Organization ......................... 128
Stichwortverzeichnis Z Zeitverschiebung ....................................... 140 Zielsegmente Festlegung ............................................. 136 Zielsetzungen............................................. 205 im Auslandsmarkt ................................. 134 Zuliefererebene .......................................... 180