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German Pages 216 Year 2003
Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
Jochen Strähle (Hrsg.)
Interkulturelle Mergers & Acquisitions Eine interdisziplinäre Perspektive
Verlag Wissenschaft & Praxis
Interkulturelle Mergers & Acquisitions
Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation herausgegeben von: Prof. Dr. Jürgen Bolten, Universität Jena Prof. Dr. Peter Oberender, Universität Bayreuth
Band 7
Jochen Strähle (Hrsg.)
Interkulturelle Mergers & Acquisitions Eine interdisziplinäre Perspektive
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 3-89673-165-3
© Verlag Wissenschaft & Praxis
Dr. Brauner GmbH 2003 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094
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Vorwort Eine fortschreitende Globalisierung und Internationalisierung führt zu einer immer intensiveren Zusammenarbeit von Menschen verschiedener Kulturen. Mergers & Acquisitions (M&A) sind dabei eine Entwicklung, die aus dem Wirtschaftsalltag nicht mehr hinwegzudenken ist. Auch wenn der groß e Boom in der M&A-Branche erst einmal vorbei zu sein scheint, so bleibt Deutschland nach einer Studie von KPMG immer noch das Zielland Nr. 3 nach den USA und Gro ß britannien.1 Unter diesem und unter dem Aspekt fortwä hrend hoher Miß erfolgsquoten ist jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik weiterhin angebracht. Insbesondere bei globalen M&A zeigen sich die Grenzen einer „ klassischen“ Betriebswirtschaftslehre. Eine Betrachtung harter Fakten allein garantiert keinen Erfolg bei einer Fusion oder Ü bernahme, vielmehr wird vom modernen Management ein groß es Maß an Fingerspitzengefühl verlangt. Dabei stellen interkulturelle M&A aufgrund ihrer hohen Komplexitä t groß e Anforderungen, da es zahlreiche Faktoren zu beachten gilt. Eine interdisziplinä re Perspektive erscheint hierfür angebracht. Ziel des Bandes ist es, auf die mannigfaltigen Probleme bei interkulturellen M&A hinzuweisen und den Stand der wissenschaftlichen Forschung verschiedener Disziplinen darzulegen. Basierend auf den Phasen eines M&A (Analyse-, Transaktions-, Integrationsphasen) werden unterschiedliche relevante Aspekte beleuchtet. Somit soll dieser Band sowohl für den wissenschaftlichen Leser als auch für den Praktiker als Denkanstoß und Gestaltungshilfe für interkulturelle M&A zu verstehen sein. Weiterführende Informationen zur interkulturellen M&A-Forschung finden sich im Internet unter www.straehle.net. Bedanken mö chte ich mich zunä chst bei allen Autorinnen und Autoren für die vorliegenden Beiträ ge, insbesondere bei Prof. Dr. Bolten, der mich zu diesem Band ermutigt hat und nicht zuletzt bei meinen Eltern für ihre fortwä hrende Unterstützung meiner akademischen Laufbahn. Jena, im November 2002
1 Vgl. KPMG Pressemeldung vom 24.06.02
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Inhalt I.
Internationale Mergers & Acquisitions – Eine interkulturelle Einführung
Das Kommunikationsparadigma im internationalen M&AProzeß. Due Diligences und Post-Merger-Management im Zeichen der „ Zweiten Moderne“ Jürgen Bolten, Jena
II.
10
Von der Vorbereitung zur Transaktion – Interkulturelle Erfolgsfaktoren
Der Einfluß von Unternehmenskultur auf den Erfolg von Mergers & Acquisitions – Eine empirische Untersuchung zur Identifikation von Risikofeldern Jochen Strä hle, Jena
38
How to deal with individual culture fit? Zur Bedeutung „ Interkultureller Handlungskompetenz“ als Kriterium in Management Audits im Kontext von Mergers & Acquisitions Christian Johann Eberhardt, Wien
59
Wissensmanagement im Spannungsfeld interkultureller Mergers & Acquisitions Mike Bartholomä i, Jena
III.
100
Interkulturelle Aspekte bei der Transaktionsphase
Fusion gut, alles gut? Zur wirtschaftsethischen Relevanz von Mergers & Acquisitions Annette Kleinfeld, Hamburg & Alexander Schlegel, Mainz
122
Wiring (Corporate) Cultures – Begleitung interkultureller Mergers & Acquisitions durch eLearning Jan Fleckenstein, Jena
139
6
IV. Erfolgreiche Integrationsgestaltung bei interkulturellen Mergers & Acquisitions Identity und Branding bei internationalen Fusionen Klaus Schmidt, London
154
Eine Intergruppenperspektive auf Unternehmensfusionen Steffen Giessner, Jena
168
Die Integration der Informationsverarbeitung bei internationalen Mergers & Acquisitions Carsten Mä rkisch, Berlin
195
Autorinnen und Autoren
213
7
I. Internationale Mergers & Acquisitions Eine interkulturelle Einführung
9
Das Kommunikationsparadigma im internationalen M&A-Prozeß. Due Diligences und PostMerger-Management im Zeichen der „ Zweiten Moderne“ Jürgen Bolten, Jena
1. Internationale Mergers – ein gescheitertes Experiment? Aktuelle Statistiken zur internationalen Entwicklung von M&A-Prozessen belegen übereinstimmend einen klaren Negativtrend: Bezogen sowohl auf den Merger-Wert als auch auf die absolute Zahl von Neuengagements ist die Tendenz bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen seit 2001 stark rücklä ufig. Je nach Branche wird der Rückgang von M&A-Transaktionen zwischen -28% und -40% angegeben.1 Damit dürfte auch die fünfte der sog. „ M&A-Wellen“ des 20. Jahrhunderts unwiderruflich beendet sein.2 Ü ber die Gründe lä ß t sich vielfä ltig spekulieren: Die anhaltende Baisse an den internationalen Bö rsen spielt hier sicherlich eine Rolle, genauso dürften die Ereignisse des 11.September 2001 oder im Einzelfall kartellrechtliche Hindernisse nicht ohne Auswirkungen geblieben sein. Verschiedene, unter anderem von Booz Allen & Hamilton, McKinsey, KPMG und A.T.Keamey vorgelegte Erfolgsstudien zu internationalen Akquistionen belegen allerdings, daß auch viele Probleme „ hausgemacht“ sind. Demzufolge müssen zwischen 34% und 58% der Ü bernahmen unter der Rubrik „ Miß erfolg“ verbucht werden, weil Koordinationsprobleme, Miß verstä ndnisse in der internen Kommunikation oder Tendenzen zur Bürokratisierung als Zeichen des „ Merger-Syndroms“ letztlich zum Scheitern der Kooperationen geführt haben.3 Trotz allem wä re es vorschnell geurteilt, wollte man internationale Mergers als ein generell gescheitertes Experiment bezeichnen. Ein dem Grundsatz nach negativer Befund wä re auch deswegen unzutreffend, weil es unbestreitbar ist, daß die Internationalisierung der Mä rkte fortschreiten wird. Ö konomischer Erfolg dürfte
1 Vgl. Lebert (2002); Webmergers.com M&A Survey (2001) 2 Vgl. Müller-Stewens (2000), S. 41; Müller-Stewens unterscheidet die folgenden Wellen: 1. Trustaufbau (1897-1904), 2. Vertikale Integration (1916-1929), 3. Konglomerate vornehmlich in den USA (1965-1969), 4. Strategische M&A-Transaktionen (1984-1990), 5. Globale Mega-Deals (seit 1994) 3 Vgl. Gut-Villa (1997), S. 121
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künftig in noch viel ausgeprä gterer Form an internationale Kooperationen gebunden sein. Dementsprechend werden M&A-Prozesse zweifellos auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen - ihre Realisierung wird allerdings notgedrungen anderen Mustern folgen müssen als es gegenwä rtig der Fall ist. 1.1 Von der Ersten zur Zweiten Moderne - oder: Das Aufbrechen der Monaden im Netz Warum die bisherigen Denk- und Handlungsmuster nicht mehr in dem Maß e erfolgreich sind wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren, und was dementsprechend anders zu handhaben ist, soll nachfolgend anhand der Darstellung von Paradigmenverä nderungen diskutiert werden, die sich derzeit im Rahmen der Globalisierung sehr rasch und teilweise auch unbemerkt vollziehen. In den Sozialwissenschaften wird dieser Wandel im Kontext der Globalisierungsdebatte hä ufig als „ Weg von der Ersten zur Zweiten Moderne“ beschrieben. Für Ulrich Beck signalisiert der Globalisierungsprozeß die Endphase der bisherigen „ Moderne“ und gleichzeitig den Beginn eines neuen Denkens, eben das der „ Zweiten Moderne“ : „Globalisierung stellt eine Grundprä misse der Ersten Moderne in Frage, nä mlich die Denkfigur, die A.D.Smith 'methodologischen Naturalismus' nennt: Die Konturen der G esellschaft werden als weitgehend deckungsgleich mit den Konturen des Nationalstaats gedacht. Mit Globalisierung in all ihren Dimensionen entsteht demgegenüber nicht nur eine neue Vielfalt von Verbindungen und Querverbindungen zwischen Staaten und Gesellscha ften. Viel weiter gehender bricht das Gefüge der Grundannahmen zusammen, in denen bisher Gesellschaften und Staaten als territoriale, gegeneinander abgegrenzte Einheiten vorg estellt, organisiert und gelebt wurden. Globalitä t heißt: Die Einheit von Nationalstaat und Nationalgesellschaft zerbricht; es bilden sich neuartige Macht- und Konkurrenzverhä ltnisse, Konflikte und Ü berschneidungen zwischen nationalstaatlichen Einheiten und Akteuren einerseits, transnation a4 len Akteuren, Identitä ten, sozialen Rä umen, Lagen und Prozessen andererseits.“
Mit dem Zerbrechen der Einheit von Nationalstaat und Nationalgesellschaft werden automatisch auch alle anderen monadisch geprä gten Denkweisen in Frage gestellt, die -geprä gt durch diese Einheitsvorstellungen und -zwä nge - über Jahrhunderte hinweg Einfluß auf individuelle und soziale Selbstverstä ndigungsprozesse genommen haben. Quer durch oft willkürlich gesetzte und aufmerksam gehütete bzw. verteidigte Grenzen hindurch werden plö tzlich wechselseitige Zusammenhä nge sichtbar oder geschaffen, die einen tiefgreifenden Wandel der Vergesellschaftung offenkundig werden lassen.
4 Vgl. Beck (1997), S. 46f.
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Richard Münch zufolge führt dieser Prozeß „ von geschlossenen zu offenen Rä umen, ebenso von konkreten zu abstrakten Identitä ten, von exklusiven zu inklusiven Formen der Vergemeinschaftung, von homogenen Kollektiven zu differenzierten Netzwerken individueller Akteure“ .5 Daß es sich dabei um einen Entwicklungsprozeß handelt, der auf schö pferischer Zerstö rung im Schumpeterschen (1950/1993) Sinne beruht, liegt auf der Hand. Die Ausmaß e der für die Etablierung der „ Zweiten Moderne“ notwendigen Zerstö rung 'monadischer' Denkmuster werden allerdings zumeist verkannt und unterschä tzt, genauso wie die Agenten der Zerstö rung und die Baumeister der „ Zweiten Moderne“ überschä tzt werden, weil sie natürlich unter den Bedingungen des Denkens der „ Ersten Moderne“ sozialisiert sind und davon auch nicht gä nzlich abstrahieren kö nnen. Zugrunde liegt diesem Denken das seit dem Beginn der frühen Neuzeit vor allem bildungsgeschichtlich verankerte und tradierte Bestreben nach klaren Kategorisierungen, nach eindeutiger, wenn nicht gar „ absoluter“ Erkenntnis. Was es heute so schwierig gestaltet, interdisziplinä r zu arbeiten, nationalstaatliche und ethnische Grenzen im Alltagshandeln zu verflüssigen oder sich an Prozessen statt an Strukturen zu orientieren, ist im wesentlichen das hartnä ckige Fortbestehen dieser zu Separierung und Ab- bzw. Ausgrenzung neigenden Denktradition. Sie lä ß t sich anhand eines Bildes exemplifizieren, das Herder 1774 in seiner Schrift „ Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ verwendet hat. Er bezeichnet dort unter anderem Kulturen und Nationalstaaten als „ Kugeln“ , die den „ Mittelpunkt der Glückseligkeit in sich“ tragen.6 Kugeln haben bekanntlich einen konstanten Schwerpunkt, sind klar abgrenzt, vermessen mit der Bestimmung des „ Eigenen“ immer auch das Terrain des Anderen, „ Fremden“ und sind hinsichtlich Grö ß e und Inhalt mathematisch exakt erfaß bar. Wo sie oder andere vergleichbare „ Einheits“ metaphern als Konstituenten der Wirklichkeitskonstruktion verwendet werden, kollidiert dies offenkundig mit Merkmalen, die für aktuelle Globalisierungsvorgä nge signifikant sind. Interaktionen verlaufen heute quasi aus allen Richtungen quer durch die Kugeln hindurch und lassen sie zu Netzwerkbestandteilen auseinanderfallen, die mit „ geschlossenen“ Kategorien in dem oben beschriebenen Sinn nicht mehr erfaß bar sind. Insofern lä ß t sich der „ Weg von der Ersten zur Zweiten Moderne“ metaphorisch auch als das Aufbrechen monadischer Kugeln im Netzwerk verstehen. Verhä ngnisvoll am Ü bergang von der Ersten zur Zweiten Moderne ist die Tatsache, daß wir uns in einer Phase des Nicht-Mehr monadischer bzw. geschlossener 5 Vgl. Münch (2001), S. 291 6 Vgl. Herder (,1967), S. 44
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Wirklichkeiten aber auch des Noch-Nicht ausgereifter prozeß - und netzwerkorientierter Interpretationsverfahren befinden. Dies gilt auch und vermutlich in besonders prä gnanter Weise für die Theorie und Praxis internationaler M&As: Aus kommunikations-, verkehrs- und informationstechnologischer Perspektive und nicht zuletzt auch unter wirtschafts- und sozialpolitischen Gesichtspunkten sind in den vergangenen Jahren Raumö ffnungen bzw. Zeitentgrenzungen mö glich geworden, die durch ein Denken in weitgehend geschlossenen Einheiten, durch funktionalistisches Ingenieursdenken, Dogmentradierungen, Abgrenzungen, win-lose- und andere entweder-oder-Strategien allerdings immer wieder ausgebremst werden. Die mit Mergerbildungen angestrebten Potentialvernetzungen werden hierbei von den Schatten monadischer Selbstbehauptung verdeckt, womit auch die Gesamtheit des Handlungszusammenhangs leicht aus dem Blick gerä t. Die Folge sind falsch kalkulierte „ fits“ bzw. übersehene „ misfits“ , die sich auf die Erfolgschancen von M&As mittelfristig negativ auswirken.
2. Grundsä tze eines ganzheitlichen M&A-Managements Will man aus diesem Befund Handlungskonsequenzen ableiten, so bedeutet das in erster Linie eine Anpassung und Neuformulierung von Denkmodellen, die einerseits noch dem Kugelprinzip verpflichtet sind, die andererseits aber trotzdem verwendet werden, um Mergers und Netzwerkrealitä ten zu gestalten.7 In diesem Sinne existieren auch im Rahmen des M&A-Managements eine Reihe von Denkmustern, die sich bei genauerem Hinsehen als Relikte der „ Ersten Moderne“ entlarven. Einige dieser Denkmuster sollen im folgenden thematisiert und diskutiert werden, wobei nicht geleugnet werden soll, daß in letzter Konsequenz auch noch die damit verbundene Kritik an „ alten“ Denkmustern diesen selbst in gewisser Weise verpflichtet bleibt.
7 Wie schwierig es ist, sich von diesen Traditionen zu lö sen, veranschaulicht neben der Resistenz des tayloristisch-fordistischen Organisationsdiskurses beispielsweise die halbherzige Verabschiedung des Qualitä tssiegels „ Made in Germany“ . Dessen Ersetzung durch z.B. den Slogan „ Made by Volkswagen“ trä gt zwar der Internationalisierung des Unternehmens (über mehrere Lä nder verteilte Produktionsstandorte) Rechnung, nicht aber seiner Vernetzung, die sich u.a. in einer inzwischen derart geringen Fertigungstiefe dokumentiert, daß die meisten Bauteile eines Volkswagen eben gerade nicht „ Made by Volkswagen“ sind. Strenggenommen entlarvt sich das neue Qualitä tssiegel damit als Euphemismus.
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2.1 Vom Trugschlußder Unterscheidung in „ harte“ und „ weiche“ Faktoren betriebswirtschaftlichen Handelns Zu den populä rsten betriebswirtschaftlichen Kategorisierungsmustern zä hlt sowohl in der Theorie als auch in der Praxis die Differenzierung in „ harte“ und „ weiche“ Faktoren. Daß diese Unterscheidung keineswegs wertneutral ist, sondern eher als das Verhä ltnis von „ hartem“ Zentrum und „ weicher“ Peripherie verstanden werden muß , ist aus Verteilungskä mpfen, Prioritä tensetzungen, Posten- und Budgetrangeleien hinreichend bekannt. „ Weiche“ Faktoren wie Kommunikationspolitik, Personalentwicklung oder Werbung werden, gerade weil ihr Erfolg nur schwer oder auch gar nicht meß bar ist, vor allem in konjunkturellen Schwä chephasen hintangestellt. Obwohl selbst ein hartgesottener Investmentbanker weiß, daß eine Unternehmensbewertung nicht nur an eindeutig quantifizierbaren Grö ß en wie der Bilanz, der G&V oder an der Analyse des Produktportfolios orientiert sein darf, sondern „ auch weniger prä zise Dinge [...] wie Selbstverstä ndnis, Organisations- und Umgangsformen der Mitarbeiter, Firmentradition, Standortbindung, Umfeldbezüge“ 8 einschließ en muß , steht auß er Frage, daß im Entscheidungsfall immer die „ harten“ Faktoren obsiegen. Selbst Verfechter einer „ Cultural Due Diligence“ beugen sich in der Regel dem argumentativen Axiom, daß harte Faktoren weiche dominieren. Zumindest dort, wo Due Diligence und Cultural Due Diligence als zwei Seiten einer Münze betrachtet werden, was den sprichwö rtlichen Nachteil birgt, daß man zur Zeit den Blick immer nur auf eine der Seiten richten kann und sich dementsprechend wieder zwischen „ hart“ und „ weich“ entscheiden muß . In der Geschichte des betriebswirtschaftlichen Diskurses um das Verhä ltnis von „ harten“ und „ weichen“ Faktoren hat diese Denkweise zu unnö tigen Kontradiktionen, Frontenverhä rtungen und letztlich zu Gegensatzkonstruktionen geführt, die faktisch nicht existieren. Denn beide Aspekte stehen im Sinne von „ Inhalt“ und „ Beziehung“ faktisch in einem permanenten Wechselverhä ltnis, das sich analog zu der Bestimmung des interaktionalen Kommunikationsbegriffs bei Watzlawick wie folgt darstellt: „ Der Inhaltsaspekt vermittelt die 'Daten', der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind“ 9. In Abwandlung der viel zitierten Form-/Inhalt-Bestimmung bei Kant bedeutet dies, daß kommunikatives Handeln und damit letztlich auch unternehmerisches Handeln ohne (harte) Daten „ leer“ wä re, ohne eine hinreichende Beachtung der (weichen) Beziehungsebene aber „ blind“ bliebe. Oder anders gesagt: das eine bliebe ohne das andere Fragment. 8 Vgl. Jordan/Bickmann (2000), S. 11 9 Watzlawik (1990), S. 11
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Das asymmetrische Verhä ltnis von „ harten“ Inhalts- und „ weichen“ Beziehungsaspekten hat wiederum sehr viel mit dem technizistisch und funktionalistisch geprä gten Weltbild der Ersten Moderne zu tun: Wenn man mit abgegrenzten Einheiten oder wie in unserem Beispiel - bildlich gesprochen - mit Kugelvorstellungen arbeitet, liegt die Mö glichkeit einer (mathematischen) Berechenbarkeit von Handlungen auf der Hand. Betrachtet wird der „ Inhalt“ einer solchen Kugel oder einer anderen geometrisch gedachten organisationalen Realisierungsform. Dies geschieht in weitgehend isolierter Form, weil die Beziehungen zu anderen Einheiten nur als Appendix interpretiert und nicht zum „ eigentlichen“ Betrachtungsgegenstand gezä hlt werden. In diesem Sinn werden die mit M&A Transaktionen erwarteten Unternehmenswertsteigerungen auch in erster Linie in einer eindeutig bezifferbaren Vergrö ß erung von Marktanteilen gesehen. Gleiches gilt in Hinblick auf die eingesetzten Mittel wie beispielsweise Economics of Scale, globale Prä senz, horizontale Integration im Markt, vertikale Integration entlang der Wertschö pfungskette, Forschungsallianzen etc.. Die These lautet nun, daß wir im Rahmen der zunehmenden internationalen Verflechtung lä ngst über den Punkt hinausgekommen sind, an dem eine klare „ inhaltliche“ Abgrenzung von Mä rkten, Produkten, Unternehmensfeldern etc. mö glich wä re. Unternehmerischer Erfolg entscheidet sich gerade vor dem Hintergrund der kommunikationstechnologischen Innovationen des vergangenen Dezenniums in immer grö ß erer Abhä ngigkeit von den Netzwerkbeziehungen des jeweiligen Unternehmens. So hä ngen Geschä ftsbeziehungen z.B. zwischen einem Systemzulieferer und einem Komponentenzulieferer „ in Netzwerken wesentlich von weiteren Beziehungen zwischen Endproduktherstellern, system- und Komponentenzulieferern und vor allem von den Beziehungsgeflechten ab, in denen die Unternehmungen agieren“ 10. Im Gegensatz zu abgeschlossenen geometrischen Modellen drä ngt sich bei Netzwerkkonstruktionen der Gedanke oder Wunsch nach mathematischer Erfaß barkeit gar nicht erst auf. Anders gesagt: Je stä rker unternehmerisches Handeln in Netzwerke eingebunden ist, desto grö ß er ist die Abhä ngigkeit von sozialen Interaktionsbeziehungen und desto illusorischer ist seine mathematische Erfaß barkeit. Der „ Wert“ eines Unternehmens bestimmt sich (und das weiß man nicht erst seit dem Worldcom-Desaster) eben nicht allein über die harten Fakten seiner Bilanz, sondern genauso über seine Beziehungen zu anderen Netzwerkpartnern, die in ihrem unberechenbaren Zusammenwirken in Bezug auf Auftragseinholung, Marketing, Vertrauensbildung, Produktionsabwicklung etc. letztlich direkten Einfluß auf die 10 Wendler (2001), S. 36
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Ertragslage eines Unternehmens haben - oder wie Barth/Kiefel (2002) kürzlich formulierten: „ Der Unternehmenskultur, der Identitä t, den informellen Netzwerken, die sich tä glich reproduzieren und das Verhalten der Unternehmensmitglieder konditionieren, sind wahrscheinlich grö ß ere Wirkungen auf ö konomische Grö ß en zuzuschreiben als bisher“ 11. In welchem Ausmaß „ weiche“ Faktoren die „ harten“ ö konomischen Grö ß en beeinflussen, lä ß t sich freilich genau so wenig exakt bestimmen, wie die Rückwirkung der ö konomische Situation eines Unternehmens auf seine Netzwerkbeziehungen. 2.2 (Cultural) Due Diligence: Kulturen und „ cultural fits“ sind nicht meßbar Geht man in diesem Sinne davon aus, daß sich „ harte“ und „ weiche“ Faktoren der Unternehmenswirklichkeit wechselseitig durchdringen, bestä tigt sich selbstredend das Paradigma der neueren Unternehmenskultur- und Wirtschaftskommunikationsforschung, demzufolge Unternehmen keine Kultur haben, sondern eine Kultur sind.12 Die damit eingeforderte Ganzheitlichkeit der Betrachtungsperspektive schließ t allerdings auch eine methodische Trennung zwischen „ faktenorientierter“ Due Diligence und „ beziehungsorientierter“ Cultural Due Diligence aus. Wie gesagt: die Ertragslage eines Unternehmens lä ß t sich langfristig nicht von den Bedingungen trennen, die sie herbeiführen. Demzufolge ist es unerlä ß lich, eine Due Diligence von vornherein als Cultural Due Diligence durchzuführen. Hierbei stellt sich zunä chst die Frage nach einem angemessenen analytischen Zugang zum Gegenstandsbereich „ Kultur“ : Was ist eine Unternehmenskultur? Lä ß t sie sich quantitativ bestimmen und als feste Grö ß e in die Bestimmung des Unternehmenswertes integrieren oder nicht? (2.2.1) In welchem Zusammenhang stehen Unternehmenskulturen und Nationalkulturen? (2.2.2) Lassen sich „ cultural fits“ prognostizieren? (2.2.3). 2.2.1 Die Prozeßfalle In der neueren Unternehmenskulturforschung besteht weitgehend Konsens darüber, daß selbst bei kleineren Unternehmen nicht von einer einheitlichen (individuenunabhä ngigen) und in diesem Sinne abstrakten Kultur ausgegangen werden kann, sondern daß es sich um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener sozia-
11 Barth/Kiefel (2002), S. 22 12 Vgl. Dülfer (1991), S. 6; Baecker (1999), S. 110
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ler Interaktionsnetzwerke handelt, das seinerseits „ Standards (Grundmuster) der Realitä tswahrnehmung und -bewertung“ konstituiert.13 Unternehmenskulturen stellen sich auf diese Weise dar als bis in den Bereich dyadischer Interaktion hineinreichende (Selbst-) Verstä ndigungsgemeinschaften, die im wesentlichen dadurch charakterisiert sind, daß sie gemeinsam Realitä tskonstruktionen vornehmen. Hierzu zä hlen Strategieplanungen ebenso wie die Definition und Durchführung von Arbeitsablä ufen, Formen der Konfliktbewä ltigung, private Pausengesprä che, aber auch Reaktionen auf Darstellungen des Unternehmens in der Ö ffentlichkeit etc.. Die dabei entstehende Unternehmenswirklichkeit konstituiert im Sinne von Habermas14 den gemeinsam geteilten Wissensvorrat der Interaktionsbeteiligten. Er bestimmt im Sinne eines sozialen Gedä chtnisses15 deren weiteres Handeln, reproduziert sich darin zumindest teilweise, um dann ein neues, erweitertes gemeinsames Wissen entstehen zu lassen. Dieses wiederum bildet beim nä chstfolgenden Interaktionsgeschehen den Ausgangspunkt einer weiteren hermeneutischen Spiralbewegung usw.. Je frequenter derartige Interaktionswege bzw. Wege gemeinsamer Realitä tskonstruktion sind, desto „ eingefahrener“ ('plausibler', 'normaler', stabiler weil geregelter) ist an dieser Stelle das soziale Netz bzw. die „ Kultur“ der Beteiligten. Deren in diesem Sinn „ unternehmenskulturelles“ Selbstverstä ndnis verhä lt sich nun keineswegs zwangslä ufig affirmativ zu der „ Unternehmenskultur“ , wie sie in Leitlinien, Führungsgrundsä tzen oder auch in architektonischen Gestaltungselementen dokumentiert ist. Wä re dem so, würde kein Wandlungsprozeß stattfinden kö nnen. In diese Prozeß falle geraten grundsä tzlich Ansä tze einer Cultural Due Diligence, die sich an Unternehmensleitbildern, Führungsgrundsä tzen oder PR-Aussagen zur „ Corporate Identity“ orientieren, um cultural fits zwischen den MergerUnternehmen zu bestimmen. Wichtig ist die Einbeziehung individueller Positionierungen in die Analyse16, was allerdings voraussetzt, daß man die Ergebnisse nicht anschließ end grobrastrigen und im o.g. Sinne „ geschlossenen“ Unterneh-
13 Vgl. Pfohl/Buse (1997), S. 267; vgl. auch das Schichtenmodell bei Dülfer (1991a) sowie die perceptas/conceptas-Differenzierung bei Dormayer/Kettern (1987), Schein (1995) 14 Vgl. Habermas (1981), S. 2, 201ff. 15 Vgl. Assmann (1994) 16 Vgl. Pfohl/Buse (1997)
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menstypologien wie „ tough guy macho“ vs. „ work hard play hard“ 17, „ Eiffelturm“ vs. „ Lenkrakete“ 18 zuordnet. Gerade im Vorfeld eines Mergers und erst recht in der Integrationsphase unterliegen die Interaktions- und Kommunikationsnetze eines Unternehmens (qua „ Unternehmenskultur“ ) einer erheblich hö heren Wandlungsgeschwindigkeit als dies üblicherweise der Fall ist. Reaktionen der Finanzmä rkte auf den bevorstehenden Merger leisten das ihrige, um die Normalitä t und Plausibilitä t der bisherigen Handlungswirklichkeit in Frage zu stellen. Schwankungen in den Selbst- und Fremdeinschä tzungen der direkt und indirekt beteiligten Akteure (Mitarbeiter, Aktionä re, Zulieferer, Kunden, Presse etc.) kö nnen erheblich sein. Wie sich eine solche „ Identitä tsvolatilitä t“ auf die Einschä tzung von Unternehmen (und damit natürlich auch auf deren „ Wert“ ) auswirkt, haben die Entwicklungen des Neuen Marktes Anfang dieses Jahrhunderts mehr als deutlich vor Augen geführt. Ein gutes Beispiel dafür, daß eine Due Diligence, die auch die Beziehungsebene focussiert, mit abstrakten Dokumentenanalysen nicht weiterkommt, dokumentiert der Verlauf einer Pre-Merger-Phase zwischen Renault und Volvo in den frühen neunziger Jahren: Vorgesehen war es, beide Unternehmen unter dem Namen "Renolvo" zusammenzuführen. Die Verhandlungen begannen 1992 zu einem Zeitpunkt, als Volvo einen Produktionsrückgang um über 25% zu verzeichnen hatte. Noch im Juli 1993, als der Fusionsvertrag vorgelegt wurde, war das schwedische Lob für Volvo-Chef Gyllenhammar uneingeschrä nkt, und das Svenska Dagbladet vom 6.7.93 resümierte nahezu ultimativ: „ entweder haben wir eine fusionierende Autoindustrie, oder wir haben überhaupt keine“ . Daß die VolvoAktionä re ihre Zustimmung zu dem Merger nicht erteilen würden, lag auß erhalb jeder Diskussion. Genau dies passierte jedoch und brachte die Fusionsplä ne zum Scheitern. Und zwar als Reaktion auf die Bekanntgabe des Oktoberergebnisses 1993, das für Volvo das beste der vergangenen zehn Jahre war, wä hrend Renault zur gleichen Zeit herbe Umsatzverluste zu verzeichnen hatte. Mit der Erstarkung des schwedischen Selbstbewuß tseins gekoppelt waren Ressentiments gegenüber Renault, dessen Management Volvo schwedischen Presseberichten zufolge „ Nicht als Partner, sondern als Eigentum“ betrachtete. Das auf schwedischer Seite in kurzer Zeit erheblich verä nderte Selbst- und Fremdbildverhä ltnis wurde auf franzö sischer Seite nicht früh genug bemerkt, so daß auch nicht entsprechend reagiert werden konnte. Die schwedische Aktionä rsversammlung fühlte sich angesichts
17 Deal/Kennedy (1983), S. 107 18 Trompenaars (1993), S. 230
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der verä nderten Krä ftesituation übervorteilt und versagte ihre Zustimmung zu der Fusion. Deutlich wird an diesem Beispiel nicht nur die Interdependenz von „ weichen“ und „ harten“ Faktoren, sondern auch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Prozeß beobachtung bereits in der Pre-Merger-Phase, zu der u.a. eine bestä ndige Ü berprüfung der Selbst-/Fremdbildbeziehung der Beteiligten zä hlen sollte. Welchen Weg man auch wä hlt, um die Interaktionsnetzwerke eines Unternehmens zu analysieren und verstä ndlich zu machen: Als feste und kalkulierbare Grö ß e sind sie aufgrund der ihnen eigenen Prozessualitä t nicht erfaß bar. 2.2.2 Zur Problematik der Verwendung von Kulturdimensionen Die Neigung, den Prozeß charakter von Unternehmenskulturen zu unterschlagen und statt dessen mit zwar übersichtlichen, aber dem „ Kugel“ denken verpflichteten Strukturen, Typologien und geschlossenen Rastern zu arbeiten, ist im Kontext international ausgerichteter Culture Due Diligences besonders verbreitet. Um einen Zugang zu der jeweils „ fremdkulturellen“ Unternehmenskultur zu erlangen, greift man hä ufig auf Ergebnisse der kulturvergleichenden Managementforschung zurück. Von überragender Bedeutung zumindest bezogen auf die beispiellose Rezeption sind in diesem Zusammenhang Hofstedes „ Kulturdimensionen“ , die er zuerst in seiner Studie „ Culture's Consequences“ entwickelt hatte.19 Die Arbeit faß t Ergebnisse einer in den spä ten 60er und frühen 70er Jahren unter 116.000 IBMMitarbeitern in 53 Lä ndern durchgeführten Befragung zusammen, in deren Rahmen Hofstede lä nderspezifisch Indexwerte zu den Untersuchungsdimensionen „ Power Distance“ , „ Uncertainty Avoidance“ , „ Individualism vs. Collectivism“ und „ Masculinity vs. Femeninity“ ermittelt und Durchschnittwerte für die untersuchten Kulturen errechnet hatte. Die Meß ergebnisse sind in Tabellenform ablesbar und in Diagrammen visualisiert, so daß auf einen Blick Relationen etwa hinsichtlich der Dimension „ Individualismus“ für Mergerunternehmen aus unterschiedlichen Lä ndern abgelesen werden kö nnen.20 Cultural Due Diligences, die mit dieser und ä hnlich klassifizierenden Untersuchungen21 arbeiten - und sei es auch nur, um sich enzyklopä disch eine Orientierung zu verschaffen - sind aus mehreren Gründen schlecht beraten: Zum einen kö nnen die Befunde allenfalls Aufschluß über die Meinung sehr spezifischer
19 Vgl. Hofstede (1984) 20 Vgl. Hofstede (1997), S. 26 21 z.B. Mole (1992), Trompenaars (1994)
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Individuen und Gruppen zu einem in der Regel relativ lange zurückliegenden Zeitpunkt geben. Zur Beurteilung eines aktuellen und konkreten Merger-Falls sind sie allerdings weitgehend unbrauchbar. Man braucht in diesem Zusammenhang nur an die Vehemenz sozialer Wandlungsprozesse denken, wie sie in den letzten dreiß ig Jahren beispielsweise für Japan charakteristisch war, um die Ü bertragbarkeit der Hofstedeschen Meß werte beurteilen zu kö nnen. Zum anderen wird hier und in fast allen anderen Arbeiten der kulturvergleichenden Managementforschung eine Identitä t von Unternehmens- und Nationalkultur suggeriert, die gerade im Zeitalter transnationaler Unternehmensbildungen aus mehreren Gründen so nicht existieren kann: Erstens existieren Nationalkulturen letztlich nur als Produkte von Wirklichkeitskonstruktionen der Ersten Moderne, mit deren Hilfe allerdings über Jahrhunderte hinweg erfolgreich nationalstaatliche Abgrenzungsstrategien tradiert werden konnten. Mit der zunehmenden Schaffung transnationaler Gemeinschaften beginnt dieses nationalstaatliche Denken gegenwä rtig allerdings an Bedeutung zu verlieren. Damit wird nicht nur „ eine zentrale Prä misse der Ersten Moderne umgestoß en, nä mlich die Vorstellung, in geschlossenen und gegeneinander abgrenzbaren Rä umen zu leben und zu handeln“ 22, sondern es wird auch deutlich, daß nationalkulturelle Containerkonstruktionen letztlich nur einer übersichtlicheren und „ griffigeren“ Strukturierung unseres Weltverstä ndnisses gedient haben (und immer noch dienen). Vermittelt über Sozialisationsprozesse hat dies tatsä chlich zu einer Verstä rkung und Zementierung dieser künstlichen Grenzen und zu langen Debatten über die Abgrenzbarkeit von Kulturen geführt23, so daß wir heute immer noch an derartige Konstrukte glauben und ihnen damit auch zur Existenz verhelfen.24 Zweitens führt der Globalisierungsprozeß sehr deutlich vor Augen, daß dieses Denken der Ersten Moderne nicht mehr stimmt, weil die Realitä t – und das gilt insbesondere für die ö konomische – lä ngst durch transkulturelle Handlungsfelder charakterisiert ist. So verfügt jedes grö ß ere international agierende Unternehmen über internationale Teams oder inzwischen auch über Formen der Prozeß organisation, die es ermö glichen, unter Ausnutzung der Zeitverschiebung und des Einsatzes neuer Medien an vollkommen unterschiedlichen Orten der Welt 24 Stunden mit Beteiligten aus unterschiedlichsten Lä ndern an einem gemeinsamen Projektziel zu arbeiten. Ebenso wenig wie hier noch Aussagen über ein „ Made in 22 Beck (1997), S. 44 23 Aus diesem Grund gibt es auch keine überzeugende Definition des Kulturbegriffs. Methodische Abgrenzungsversuche (Kulturen als „ Nationen“ , „ Lä nder“ , „ Sprachrä ume“ , geographische Rä ume etc. widersprechen sich letztlich gegenseitig; Bolten (2001), S. 15). 24 Vgl. hierzu Welsch (1995), (2002); Beck (1997); Münch (1998), (2001)
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[...]“ mö glich sind, ist es streng genommen legitim, von einem „ deutschen“ , „ franzö sischen“ oder in anderer Weise nationalstaatlich gebundenen Hersteller („ made by [....]“ ) zu sprechen. Symptomatisch für den nur sehr zö gerlichen Ü bergang zur „ Zweiten Moderne“ ist die Tatsache, daß derartige Realitä ten heute mit Vorliebe und in teils in euphemistischer Weise als „ virtuell“ und damit als „ bloß mö glich“ , bezeichnet werden. Genau das trifft allerdings nicht zu und fundamentiert wiederum Grenzen, wo es keine gibt: „ virtuelle“ Realitä ten sind genauso reale Konstituenten unserer Wirklichkeit wie nicht-virtuelle Realitä ten. Drittens darf man nicht vergessen, daß Nationalkulturen, so wie sie im Rahmen der kulturvergleichenden Managementforschung voneinander abgegrenzt werden, faktisch zu groß en Teilen das Produkt ihrer gegenseitigen Beeinflussung darstellen. Bedenkt man, wie stark Europa bis zum 14. Jahrhundert Einflüssen aus dem Orient ausgesetzt war, wie innereuropä ische Handelsbeziehungen der frühen Neuzeit bis heute ihre - meist unreflektierten - Spuren hinterlassen haben25 oder welche Konsequenzen seit Jahrtausenden Migrationsbewegungen gehabt haben 26, gelangt man unweigerlich zu dem Schluß , daß Kulturen im wesentlichen nur als Produkt interkultureller Prozesse verstanden werden kö nnen. 2.2.3 Cultural fits sind nicht bestimmbar Die Tatsache, daß Unternehmenskulturen nicht mit Nationalkulturen gleichgesetzt oder Befunde des einen Bereiches auf den anderen übertragen werden kö nnen, hat zunä chst nur zur Folge, daß man Kulturanalysen, die im Hofstedeschen Sinne auf eine Typisierung und „ Vermessung“ zielen, sinnvollerweise nicht für eine Due Diligence verwenden sollte. Es geht, um mit der mathematischen Chaostheorie zu sprechen, nicht mehr darum, Aussagen durch die Rückführung auf ein Axiom zu beweisen, sondern darum, diese Aussagen auf experimentellem Wege aufzufinden27 und damit prozeß orientiert zu arbeiten. Aus diesem Grund ist es durchaus mö glich, sich einen Eindruck von der „ Kultur“ , also den Interaktions- und Kommunikationsnetzwerken eines Unternehmens zu verschaffen. Vollstä ndigkeit ist hierbei allerdings zu keinem Zeitpunkt erreichbar, weil der Prozeß zu komplex verlä uft. Die Darstellung von Netzwerkbeziehungen zur Erleichterung der „ Aussagenfindung“ kann in diesem Zusammenhang sinnvoll und hilfreich sein. Vielfach werden hierbei allerdings Netzwerke aus der
25 Ein viel zitiertes Beispiel ist das englische Pfundzeichen, das sich aus dem italienischen „ Lira“ ableitet 26 Vgl. Sowell (1996) 27 Vgl. Zeitler/Neidhardt (1994), S. 2
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„ alten“ Denkperspektive heraus als geschlossene dargestellt, indem die vernetzten Punkte als Endpunkte gezeichnet werden: B A
C
D
E
F
G Was historisch vielleicht noch bei national konzentrierten Netzwerkkonstruktionen wie etwa den japanischen Konglomeraten in Ansä tzen zutreffen mag, stimmt unter den Vorzeichen der Globalisierung freilich nicht mehr: Analog zum WWW existieren hier keine Endpunkte. Vielmehr gehen von jedem Netzwerkteilnehmer neue Netzverbindungen aus: B A
D
C
E
F
G Je komplexer die Netzwerke der jeweiligen Teilnehmer sind, desto grö ß er ist logischerweise auch die Wahrscheinlichkeit, daß mit einem Merger weitere Unternehmensbeziehungen eingegangen werden, die über Dritte („ Knotenpunkte“ ) an eigene bestehende Netzwerke zurückgebunden werden. In der Phase einer Due Diligence kö nnen derartige Netzverbindungen durchaus inaktiv und damit der 22
perceptas auch nicht zugä nglich sein. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Unternehmensmitglied oder auch ein ganzes Unternehmen kann nach intensiven Geschä ftsbeziehungen zu einem anderen Unternehmen für dieses durchaus eine Zeitlang „ uninteressant“ sein, weil durch eine Verä nderung der Geschä ftsfelder, durch „ andere“ strategische Ausrichtungen, durch persö nliche Animositä ten o.ä . ein „ fit“ nicht mehr gegeben ist. Dies kann sich aufgrund einer unendlich groß en Anzahl von Ursachen (Wegfall der alten Bedingungen, Schaffung neuer Bedingungen, die plö tzlich einen qualitativ anderen „ fit“ ergeben), sehr schnell ä ndern, ohne daß jemand damit rechnen würde. Die aktuelle Neuauflage der Kooperationsverhandlungen zwischen Volvo und Renault nach dem oben beschriebenen „ misfit“ wä re ein Fall, der unter diesen Gesichtspunkten untersucht werden kö nnte (Selbstredend wird an dieser Stelle deutlich, warum unternehmerisches Denken heute gut beraten ist, win-win- statt win-lose-Strategien zu realisieren). Gerade weil (cultural) „ fits“ bzw. „ misfits“ verdeckt und einer Due Diligence dementsprechend nur partiell zugä nglich sind, sollte man entsprechende Prognosen mit grö ß ter Vorsicht behandeln. Ü berdies erweisen sich scheinbare „ fits“ als trügerisch, weil „ sich besonders grenzüberschreitend agierende Unternehmen an der Oberflä che durch gemeinsame Strategien, Strukturen und Systeme homogen zeigen, obwohl sie in der Tiefe unterschiedliche Strukturen aufweisen“ 28. Beispielsweise verweist die Bezeichnung Team im japanischen Verstä ndnis zumeist auf eine Gruppengesamtheit, wä hrend im westlichen Verstä ndnis eher eine Gruppe i.S. der Summe einzelner Individuen gemeint ist. Spä testens dann, wenn es um die Zuschreibung von Verantwortlichkeit z.B. bei Produktionspannen geht, offenbart sich die Tragweite der unterschiedlichen Konzepte: im einen Fall sind individuelle Schuldzuschreibungen mö glich, wä hrend im anderen eher das Team als gesamtes haften würde.
3. Merger-Kultur(en): Konsens nicht um jeden Preis Folgt man der neueren Merger-Management-Literatur, so wird vielfach davon ausgegangen, ein „ fit“ grundsä tzlicher Art liege vor allem dann vor, wenn Unternehmen über vergleichbare Strukturen29 verfügen. Abgesehen davon, daß ein solcher „ fit“ aus genannten Gründen nur unter grö ß ten Vorbehalten überhaupt benannt werden kann (und von daher auch die Bezeichnung „ Mergers of Equal“ kaum tragfä hig ist), muß man die grundsä tzliche Frage stellen, inwieweit Konvergenzen tatsä chlich positiv zu bewerten sind.
28 Schreier (2001), S. 73 29 Vgl. u.a. Bamberger (1994), S. 267ff.
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Aus der Sicht der interkulturellen Kommunikations- und Handlungsforschung ist dies gerade nicht der Fall, weil Gemeinsamkeiten auf der „ perceptas“ -Ebene konzeptuelle Differenzen verschleiern kö nnen. Wie bereits am Beispiel des „ Team“ -Begriffs gezeigt, werden faktische Miß verstä ndnisse auf diese Weise verdeckt, gerade weil man sie nicht bemerkt. Nach einiger Zeit ist eine Verstä ndigung nicht mehr mö glich, und es resultiert eine Art von Kommunikationsverweigerung, die die Dynamik des Interaktionsprozesses an dieser Stelle des Netzwerks zum Erliegen bringt. Dies ist auch der Grund dafür, daß ein Scheitern von Mergers in der Regel nicht in der ersten Phase der Zusammenführung, sondern erst nach einigen Jahren eintritt – dann, wenn es zu viele dieser kommunikativen „ misfits“ gibt. Inzwischen weiß man, daß die Aufrechterhaltung einer mö glichst hohen und von gegenseitigem Verstehen geprä gten Kommunikationsfrequenz am besten durch Thematisierungen des Kommunikationsprozesses gewä hrleistet werden kann. Diese metakommunikativen Prozesse sind allerdings zwangslä ufig viel hä ufiger anzutreffen, wenn Unterschiede auf der Wahrnehmungsebene offenkundig sind. Ä hnlichkeiten des Denkens und Handelns kann man dann nicht so leicht unterstellen: Differenzen werden bewuß t gehalten, und die Gefahr unbemerkter Miß verstä ndnisse ist geringer. Zumindest aus dieser Perspektive erscheint die Konvergenzthese fragwürdig. 3.1 „ Best of both“ als „ worst case” Vor allem im Rahmen der Post-Merger-Integration stellt sich hä ufig die Frage, wie eine „ gemeinsame“ Kultur der kooperierenden Unternehmen formuliert werden kann. Eine gern verwendete Methode besteht in der Entwicklung von „ best of both“ -Synthesen: Von den zusammenzuführenden Unternehmen werden die jeweils „ besten“ Merkmale z.B. in der Prozeß organisation, der Führungskultur, der betrieblichen Kranken- und Altersversorgung, der Mitbestimmungspraxis etc. im Rahmen einer Synthese zu einer Merger-Identitä t zusammengeführt. Eines der bekanntesten Beispiele für ein solches schematisch-synthetisches Vorgehen ist Ouchis „ Theory Z“ , die in den achtziger Jahren in den USA entwickelt wurde, um den seinerzeit entbrannten Wettbewerb mit der japanischen Automobilindustrie gewinnen zu kö nnen. Den Ausgangspunkt für dieses Synthesemodell bildete eine Analyse der Ursachen des damaligen Wettbewerbsvorsprungs japanischer Automobilhersteller auf dem amerikanischen Markt und auf Auslandsmä rkten amerikanischer Automobilunternehmen. Ausgehend von einer Merkmalsbe-
24
schreibung des amerikanischen (Typ A) und des japanischen Systems (Typ J) stellt die „ Theory Z“ das „ best of both“ dar30: Typ A - kurzfristige Beschä ftigung - Job Rotation unüblich - Individualentscheidungen - Verantwortung bei Einzelnen - Spezialisten
Typ J - lebenslange Beschä ftigung - lebenslange Job Rotation - Konsensentscheidungen - Gruppenverantwortung - Generalisten
Typ/Theory Z - Langzeitbeschä ftigung - teilweise Job Rotation - Konsensentscheidung (nicht der Gruppe, sondern der Mehrheit) - Verantwortung bei Gruppenmitgliedern
Obwohl die Theory Z das Ausgangsmodell für die heute auch in europä ischen Werken praktizierte Methode des „ Lean Management“ bzw. der „ Lean Production“ gebildet hat, ist sie in dieser synthetischen Form nirgendwo realisiert worden. Etliche Anpassungen sowohl in den USA als auch in Westeuropa waren notwendig, um schwerwiegende Krisen -wie sie bei Einführung der Lean-Production nicht zuletzt auch im Eisenacher Opel-Werk auftraten- auszubügeln. Der Grund für solche Krisen bestand unter anderem darin, daß man nicht beachtet hatte, daß das japanische Modell ganz anderer Netzwerkzusammenhä nge bedurfte um zu funktionieren. Als Beispiel genannt sei die enge Bindung japanischer Unternehmen untereinander, die noch sehr stark mit der früheren KonglomeratsOrganisation zusammenhä ngt. Ein Prinzip wie die just-in-time Lagerhaltung, bei dem man sich darauf verlassen kö nnen muß , daß ein Zulieferer ein bestimmtes Produktionsteil zu einem bestimmten Zeitpunkt im Werk abliefert, funktioniert in Europa schon deshalb nicht in der gleichen Weise wie in Japan, weil beispielsweise Streiks, die in Japan weitgehend unbekannt sind, sehr schnell für Lieferverzö gerungen sorgen und damit auch Produktionsausfä lle zur Folge haben kö nnen. Weiterhin bildet - wie erwä hnt - die gesamte Arbeitsorganisation ein dynamisches System, in dem alle Teile dieses Systems miteinander verflochten sind und sich gegenseitig beeinflussen. So kann die Ausbildungszeit neuer japanischer Produktionsmitarbeiter nur deshalb so lang sein, weil sich diese Investition angesichts 30 Nach Macharzina (1999), S. 745
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der langfristigen Beschä ftigungsverhä ltnisse und damit der „ Treue“ gegenüber dem Unternehmen lohnt. Ä hnliches gilt in bezug auf die Job Rotation, also dem Tatbestand, daß jeder Mitarbeiter mö glichst viele Arbeitsplä tze eines Unternehmens kennen lernt. Dies wiederum führt zu einer Generalistenprä gung usw. Für das amerikanische Modell lä ß t sich ein entsprechend anders akzentuierter Systemzusammenhang aufweisen. Bezogen auf die Formulierung einer MergerIdentitä t bedeutet ein solches am Schreibtisch entwickeltes „ best-of-both“ Vorgehen, daß sich keiner der Betroffenen mit dem neuen System zu identifizieren vermag. Entscheidend ist dabei, daß die einzelnen Merkmale des „ best of both“ ausschließ lich als Bestandteile eines Bündels oder Netzwerks von vielen anderen, interdependenten Merkmalen „ funktionieren“ . Nimmt man einzelne Bestandteile aus diesem Netzwerk heraus, funktionieren weder sie noch ihre Merkmalsumgebungen - und erst recht nicht das neue, eklektisch geschaffene, „ best-of-both“ -System. Anders formuliert: Das Strukturdenken der Ersten Moderne wird hier von der Prozeß realitä t der Zweiten Moderne absorbiert; Steuerungswünsche und Selbststeuerungspotentiale widersprechen sich. 3.2 Synergien statt Synthesen Gerade weil in der Integrationsphase eines Mergers Handlungsroutinen nicht gegeben sind, weil vieles von dem, was zuvor „ normal“ und plausibel erschien, in Frage gestellt wird und weil auch die angestammten Netzwerkbeziehungen durch eine gewisse Labilitä t charakterisiert sind, kann eine Eigendynamik innerhalb des Systems entstehen, deren Resultate im einzelnen nicht prognostizierbar sind. Dieses vermeintliche „ Segeln im Chaos“ 31 birgt vor allem für diejenigen, die in „ festen“ Strukturen zu denken gewohnt sind, die „ Tendenz zu Orientierungslosigkeit, Verstä ndigungsschwierigkeiten und Sinnverlust“ , obwohl „ es eigentlich darauf ankommt, in offeneren Formen der Vergesellschaftung leben zu lernen“ 32. Um der Unüberschaubarkeit entgegenzuwirken, greifen hä ufig selbst diejenigen, die von den Vorteilen der Prozeß organisation, des Netzwerkdenkens und der Selbststeuerung überzeugt sind, nach einem Sicherheit gewä hrenden Anker. Und der besteht darin, sowohl in der Aushandlung unternehmensstrategischer Positionen als auch in der Formulierung von Unternehmensleitlinien um jeden Preis einen Konsens zu suchen.33 Je nach dem Grad der Konkretheit und Explizitheit eines solchen „ gesetzten“ Konsenses wird die prinzipielle Offenheit der Netzwerke konterkariert. Im Extremfall, also dann, wenn kein Konsens gefunden werden
31 Kieser et al. (1998), S. 182f. 32 Münch (2001), S. 254 33 Vgl. Bolten (1999), (2000)
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kann, resultiert getreu der „ entweder-oder“ -Philosophie der Ersten Moderne der Rückzug in die ursprüngliche Einheit und im schlimmsten Fall über eine Phase von Grabenkä mpfen zwischen den Merger-Unternehmen das Scheitern der Zusammenführung. Beispiele hierfür gibt es genügend, wobei akute Warnsignale für bevorstehende Krisen immer dann vorliegen, wenn eine gesetzte Identitä t von den Beteiligten alternativlos als „ falsche“ erkannt wird34. Daraus ist nicht der Schluß zu ziehen, daß auf gemeinsame Handlungsorientierungen und Ziele verzichtet werden kann. Diese sollten sich jedoch auf synergetischem Wege unter der Prä misse eines mö glichst weitgesteckten Handlungsrahmens sukzessive entwickeln und eher als Ereignis denn als Ergebnis des Prozesses verstanden werden. Mit anderen Worten: Es geht bei der in der Integrationsphase nicht um die Fö rderung von Synthesen, sondern um die Realisierung von Synergien.35 Was dann entsteht, ist eine „ Einheit angesichts der Vielfalt“ in (Mall 2000) ein Konsens im Bewußtsein der Unterschiedlichkeit. Dieser nicht synthetisch gesetzte, sondern dynamisch entwickelte Konsens kann sich zumindest potentiell durch eine inhaltliche Qualitä t auszeichnen, die synthetisch nicht bestimmbar ist und von keinem der ursprünglichen Unternehmen allein erreicht worden wä re. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Realisierung von in diesem Sinne differenzbestimmten Konsensorientierungen besteht darin, den Beteiligten zu verdeutlichen, daß ihr Handeln sozialisationsgeschichtlich in dem in der ersten 34 So werden z.B. gegen DaimlerChrysler-Chef Schrempp selbst aus den eigenen Reihen Vorwürfe laut, er sei zu schnell darin gewesen, die beiden Unternehmen zusammenzuführen, ohne dabei die kulturellen Unterschiede hinreichend zu thematisieren. Vgl. Tagesspiegel, 23.11.99, S. 21: „ Zweifel an der Zukunft des Sterns“ 35 Zuerst entdeckt und beschrieben wurden derartige synergetische Prozesse in der Lasertechnik. Um zu erklä ren, wie sich aus einem mikroskopischen Chaos ein hochorganisierter Prozeß sich gegenseitig angleichender Lichtwellen entsteht, deren „ Takt“ allerdings nicht voraussagbar ist, nimmt man die Existenz von Selbstorganisationsprozessen an. Die Instabilitä t und Ungeordnetheit der Ausgangssituation wird mit zunehmender Komplexitä t des „ Miteinander“ durch die organisatorische Kraft einer „ unsichtbaren Hand“ in eine neue Ordnung hinübergeführt. Derartige „ invisibleHand-Prozesse“ werden beispielsweise auch unterstellt, wenn man bei Prozessen des Sprachwandels zu erklä ren versucht, warum sich bestimmte Begriffe durchsetzen und andere nicht (wie z.B. in Deutschland „ Handy“ gegenüber „ Mobiltelefon“ ). Eine vollstä ndige Erklä rbarkeit ist gerade wegen der „ Unsichtbarkeit“ des selbstorganisatorischen Ordnungsprinzips nicht zu erreichen. Dies gilt erst recht in Hinblick auf die Prognostizierbarkeit spezifischer Formen von Selbstorganisation in komplexen Systemen: Sie ist nicht mö glich, und man kann allenfalls tendenziell Aussagen über mö gliche Verlä ufe solcher Prozesse machen. Wie man weiß , werden hierbei wesentliche Ordnungsfunktionen vor allem von ä lteren Subsystemen übernommen, weil diese bereits über „ geebnete“ Netzwerkzugä nge und – bindungen verfügen. Ansonsten besteht das Selbstorganisationsprinzip anscheinend nur in der vagen Maxime: „ Es soll eine Ordnung sein“ . Vgl. Haken (1994). Ausführlich dargestellt ist dies in einem Buch von Haken, H. (1994): Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken, Frankfurt/M., 1994
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Moderne verankerten Zwang zur Einheit, zum Konsens, verankert ist, und daß es einer kontinuierlichen Selbstreflexion bedarf, um sich von diesem Zwang zu befreien. In diesem Sinne gehö rt zu einer Post-Merger-Integration die bewuß te Initiierung entsprechender Lernprozesse: „Sagt man uns -wie der alte Kulturbegriff es tut -, daß Kultur eine Homogenitä tsveranstaltung zu sein habe, so werden wir uns entsprechend verhalten und die gebotenen Zw ä nge und Ausschlüsse praktizieren. Wir suchen der gestellten Aufgabe Genüge zu tun - und haben Erfolg damit. Sagt man uns - oder den Heranwachsenden - hingegen, daß Kultur gerade auch Fremdartiges einbeziehen und transkulturellen Komponenten gerecht werden m üsse, dann werden wir oder sie diese Aufgabe in Angriff nehmen, und dann werden entsprechende Int egrationsleistungen künftig zur realen Struktur der Kultur gehören. In diesem Sinn ist die 36 'Realitä t' von Kultur immer auch eine Folge unserer Konzepte von Kultur.“
3.3 Probleme der Transkulturalitä t Das Konzept der „ Transkulturalitä t“ ist in der Philosophie und den Sozialwissenschaften ist in den vergangenen Jahren unter verschiedenen Perspektiven diskutiert worden. Ganz im Sinne der „ Zweiten Moderne“ kö nnte es einen methodischen Zugang zur Formulierung von Handlungsgrundsä tzen für internationale Merger bieten. Wolfgang Welsch, einer der Begründer des Transkulturalitä tsgedankens, bemerkt hierzu: „Das Konzept der Transkulturalitä t zielt auf ein vielmaschiges und inklusives, nicht seperatistisches und exklusives Verstä ndnis von Kultur. Es intendiert eine Kultur und Gesellschaft, deren pragmatische Leistungen nicht in Ausgrenzungen, sondern in Anknüpfungen und Ü bergä ngen bestehen. Stets gibt es im Zusammentreffen mit anderen Lebensformen nicht nur Divergenzen, sondern auch Anschlußmöglichkeiten, und diese können entwickelt und erweitert werden, so daß sich eine gemeinsame Lebensform entwickelt, die auch Bestä nde einbegreift, die früher nicht anschlußfä hig schienen. Solche Erweiterungen stellen heute eine vordringliche Aufgabe dar. Es gilt, unseren inneren Kompass umzustellen: von der Konzentrat ion auf die Polaritä t von Eigenem und Fremden (mit der Folge einer zumindest gebremsten und oft nur mehr abwehrenden Reaktion auf das Fremde) hin zu einer Aufmerksamkeit auf 37 das möglicherweise Gemeinsame und Verbindende, wo immer wir Fremdem begegnen.“
Im Grunde zielt ein solcher Transkulturalitä tsbegriff auf das gleiche wie der interaktionistisch und prozeß haft orientierte Begriff von „ Interkulturalitä t“ 38 nä mlich auf die Schaffung eines synergetischen Handelungskontextes, der über kulturelle Divergenzen hinweg Gemeinschaftliches initiiert, ohne diese Divergenzen zu unterschlagen oder zu verdrä ngen: Beiden geht es darum, Gemeinschaftlichkeit angesichts und eingedenk der Vielfalt zu realisieren.
36 Welsch (1997), S. 3 37 Welsch (1997), S. 3 38 Vgl. u.a. Bolten (2001), S. 65ff.
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Das Problem des Transkulturalitä tsbegriffs ist mit der Etymologie des Prä fixes „ trans-“ verknüpft: Die üblicherweise assoziierte Bedeutung „ hinüber; jenseits“ 39 suggeriert eine Art „ Kulturfreiheit“ des Handelns, die gemä ß der Definition von Welsch gerade nicht gegeben und gemeint ist. Genau dies wird aber – zugegebenermaß en in pragmatischer Absicht – in internationalen Teams gerne verdrä ngt: Man schafft sich eine scheinbar „ übergreifende“ und von den individuellen Differenzen scheinbar unabhä ngige Realitä t, die hä ufig auch deshalb „ funktioniert“ , weil die Sachebene in der Zusammenarbeit in den Vordergrund gerückt wird – etwa nach dem Motto „ Hauptsache, das Produkt stimmt“ . Diese Ebene des „ trans“ ist allerdings schmal und permanent dadurch gefä hrdet, daß konzeptuelle Differenzen nicht thematisiert, sondern unterdrückt werden.
4. Internationales M&A-Management als interkulturelles Prozeß- und Kommunikationsmanagement: Die Rolle des „ Intercultural Officer“ Sowohl in bezug auf die Phase der Due Diligence als auch im Hinblick auf die eigentliche Transaktion und das Post-Merger-Management wurde deutlich, daß es künftig stä rker darum gehen muß , Merger-Prozesse als Prozesse und in ihrer Prozeß haftigkeit zu betrachten. Offenkundig ist aber auch, daß wir schon durch unsere Sozialisation in der „ Ersten Moderne“ dazu neigen, die im Rahmen der Globalisierung faktisch erzielte Dynamik und Offenheit durch „ geschlossene“ Strukturmuster zu restringieren. Um dieser Gefahr zumindest ansatzweise entgegenzutreten, erscheint es sinnvoll und notwendig, internationale Mergers dadurch zu steuern, daß man in Analogie zu Synergiebildungsprozessen in der Lasertechnologie (vgl. FN 35) „ Ordner“ im Sinne von Prozeß beobachtern und Prozeß begleitern einsetzt. Es gilt Wege zu finden, die soviel Offenheit des Netzwerkes wie möglich, so wenig Regulation wie nötig ermö glichen. Man braucht nicht erst auf die etymologische Wurzel von lat. communicare als „ etwas gemeinschaftlich machen“ zurückzugehen, um festzustellen, daß „ gemeinschaftliches“ Netzwerkhandeln im wesentlichen durch Kommunikation realisiert wird. Der hohe Stellenwert von Kommunikation im M&A-Prozeß ist dementsprechend sowohl aus der Sicht von Praktikern 40 als auch unter Theoretikern unumstritten41:
39 Kluge (1989), S. 736 40 Vgl. Jansen/Kö rner (2000), S. 7 41 Vgl. Schreier (2001), S. 84
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Durch Kommunikation werden also „ Beziehungen“ geboren, definiert, modifiziert und wieder aufgelö st. Der Kulturbildungsprozeß verlä uft kommunikativ und bezweckt die Verstä ndigung der Beteiligten bezüglich der Bedeutung bestimmter Ideen sowie der dafür zu verwendenden Symbole. Aus den oberflä chlichen Kontakten entstehen Beziehungen, die sich in Form einer neuen, gemeinsamen Identitä t und Kultur realisieren.42 Kommunikation ist damit im wesentlichen das Medium, um das Netzwerke nicht nur entstehen, sondern über das sie auch gesteuert werden. Theorien der Systemsteuerung haben vor allem macht-, geld- und wissensbasierte Formen der Kommunikation beschrieben43; d.h. Kommunikation in Netzwerken verlä uft nicht um ihrer selbst willen und auch nicht aus sich heraus, sondern ist im wesentlichen geleitet durch die Interessen der Kommunikationsteilnehmer. Dieses Interesse ist in der Regel nicht ausschließ lich macht- oder geld- oder wissensgeleitet, sondern stellt eher eine Mischform dar, wobei heute gerade in komplexen internationalen Netzwerken der wissensbasierten Kommunikation ein zunehmend hö herer Stellenwert beigemessen wird. Jeder Mitarbeiter weiß , daß er angesichts der rapide sinkenden Halbwertszeit professionellen Wissens auf eine hochfrequente wissensbasierte Kommunikation angewiesen ist, will er sich beruflich nicht ins Abseits stellen. Wissensbasierte Kommunikation ist notwendigerweise zu einem guten Teil auch lernorientierte Kommunikation. Insofern kö nnte -im Verbund mit entsprechenden lerntheoretischen Ansä tzen zum „ lebensbegleitenden Lernen“ - das Interesse am Lernen als Movens für das Funktionieren von Netzwerken stark gemacht werden. Eine in diesem Sinn „ lernbasierte“ Kommunikation enthä lt schon deshalb eine erheblich hö here Eigendynamik als die anderen Kommunikationsformen, weil sie eo ipso prozeß - und nicht strukturorientiert ist, wie es bei Macht, Geld oder Wissen der Fall ist. Aber auch lernende Unternehmen oder „ lernende Mergers“ müssen zunä chst lernen zu lernen; d.h., es muß Steuerungsinstanzen geben, die eigendynamische Lernprozesse initiieren und damit - so paradox es klingt - sich selbst sukzessive überflüssig machen. Eine vielversprechende Lö sung wurde diesbezüglich bei der Ü bernahme von Lotus durch IBM praktiziert: Man war „ bereit, von Lotus zu lernen und verschiedene Sozialregelungen zu übernehmen. Und immer wieder setzte man auf das Gesprä ch: Ein eigener „ Gate-
42 Schreier (2001), S. 81 43 Vgl. Willke (1995), S. 183
30
keeper“ wurde berufen, der nur für eine permanente und gelingende Kommunikation zwischen den Firmen zu sorgen hatte“ .44 Derartige „ Gatekeeper“ übernehmen die Funktion von Wissens- und Kommunikationsmanagern, die auf der einen Seite Kommunikationsprozesse in netzwerkbildender bzw. -reproduzierender Absicht initiieren und zu einer entsprechenden Motivationsentwicklung unter den Mitarbeitern beitragen. Darüber hinaus sollten sie aber auch im Sinne von interkulturellen Coaches eine Reflexion der ablaufenden Kommunikations- und Netzwerkprozesse seitens der Beteiligten anregen kö nnen. Mit anderen Worten: Es geht nicht nur um eine Supervision des Kommunikationsprozesses, sondern darum, mit den Beteiligten über deren Kommunikationsverhalten zu kommunizieren. Die Aufgaben eines solchen Merger-Coachings sollten vor allem darin bestehen, eine mö glichst groß e Anzahl der Merger-Beteiligten aktiv in den Prozeß der Unternehmenszusammenführung einzubeziehen, Synergiebildungen zu initiieren und den Prozeß selbst als Prozeß zu thematisieren. Schreier (2001) hat in diesem Zusammenhang kürzlich die Etablierung eines Intercultural Officers (IOC) vorgeschlagen und dessen Aufgaben sehr prä gnant und detailliert beschrieben.45 Zu den Zielsetzungen einer solchen metakommunikativen Prozeß begleitung zä hlt vor allem -
die Gewä hrleistung einer permanenten Selbstverstä ndigung der MergerBeteiligten über gemeinsame Handlungsziele einschließ lich entsprechender Korrektur- bzw. Interventionsmö glichkeiten
-
die Initiierung von Szenarien, in denen gruppenbezogenes Interaktionsgeschehen thematisiert, (kulturbedingte) Gegensä tze oder Verstehensprobleme bewuß t offengelegt, verstä ndlich gemacht und Akzeptanzbedingungen bzw. -grenzen ausgehandelt werden kö nnen
-
eine Unterstützung bei der Entwicklung von Reziprozitä tsbeziehungen innerhalb des Netzwerks einschließ lich der Bewuß tmachung, daß mit dem Grad und dem Modus der Ausgestaltung von Reziprozitä t auch Grenzen des Netzwerkes definiert, also gesetzt oder geä ndert werden.
Vergleichbar einem Coach oder Mediator sollte ein IOC an keiner Stelle Lö sungen vorgeben, sondern eine Art Hilfe zur Selbsthilfe bieten, um Lö sungen zu finden. Auch aus ö konomischen Gründen ist es optimal, wenn Prozeß beteiligte diese Rolle selbst einnehmen kö nnen, d.h. wenn das Merger-Coaching nicht
44 Eigner (2002) 45 Vgl. Schreier (2001), S. 120ff.
31
überwiegend von externen IOCs durchgeführt wird, sondern wenn z.B. Teamleiter selbst diese Funktion übernehmen kö nnen. Im Rahmen von „ Coach the Coach“ -Trainings sollte dabei durchaus auch der Paradigmenwandel thematisiert werden, der sich derzeit im Ü bergang von der „ Ersten“ zur „ Zweiten Moderne“ vollzieht. Im Sinne einer Zusammenfassung seien die diesbezüglich wichtigsten Aspekte abschließ end noch einmal aufgeführt: Realitä tskonstruktion der „Ersten Moderne“
Realitä tskonstruktion der „Zweiten Moderne“
Konsequenzen für ein M&A-
Funktionalistisch-
Konstruktivistischprozeßorientierte Sichtweise
Wichtiger als der Blick auf
strukturorientierte Sichtweise: Die Unternehmensrealitä t wird durch Strukturvorgaben bestimmt
Die Unternehmensrealitä t ist nicht vorgegeben, sondern erschafft sich in Interaktionsprozessen der Beteiligten permanent selbst
Management auf dem Weg zur 2. Moderne
(statische) Hierarchien, Organigramme und andere Unternehmensstrukturen ist die Prozeß dynamik, mit der Unternehmensund Mergerrealitä t permanent neu erzeugt wird. Das MergerManagement (und damit auch die Due Diligence) muß als Bestandteil des MergerProzesses aufgefaß t werden
Merger-Kandidaten stellen
Merger-Kandidaten sind Teil
Aufgrund unabgrenzbarer Netz-
weitgehend autonome
offener Netzwerke, womit die
werk-Verflechtungen sind
Einheiten bzw. geschlossene
Beziehungen und Interaktio-
Unternehmen nicht als geschlos-
Netzwerke dar („ Kugelmo-
nen mit anderen Unterneh-
sene Einheiten analysierbar oder
dell“ ). Ihr Wert bemiß t sich
men, Kunden, Analysten etc.
(mathematisch) erfaß bar. Dies
über die Auswertung über-
eine vorrangige Rolle spielen.
gilt vor allem in bezug auf den
schaubarer Datenmengen
Der Unternehmenswert ist
Wert von Netzwerkbeziehungen.
und ist damit relativ genau bestimmbar.
weniger eine quantitative als eine qualitative Grö ß e.
Analyse dieser Beziehungsebe-
32
nen bereits in der Phase der (Cultural) Due Diligence
(Unternehmens-)kulturen
(Unternehmens-)kulturen sind
Ein bloß er Vergleich von Mer-
stellen mehr oder minder
darstellbar als offene Netz-
gerkulturen ist nicht hinreichend,
genau bestimmbare Einhei-
werke interagierender Mi-
um der Prozeß haftigkeit inter-
ten dar. Der analytische
krowelten, die über einen
kulturellen Handelns gerecht zu
Zugang gelingt über eine
gemeinsamen Wissensvorrat
werden. Permanente, den M&A-
Merkmalsbestimmung der jeweiligen Nationalkulturen
verfügen. Sie sind letztlich
Prozeß flankierende Selbst-/
Produkt intra- und interkultureller Interaktionen
Fremd- und Metabildanalysen sind notwendig, um die Herausbildung einer gemeinsamen Interkultur wä hrend des Integrationsprozesses verstä ndlich machen zu kö nnen
„ Harte“ und „ weiche“
„ Harte“ und „ weiche“
Beobachtung des wechselseiti-
betriebswirtschaftliche
betriebswirtschaftliche
gen Zusammenhangs von Bezie-
Faktoren müssen differen-
Faktoren bedingen sich
hungs- und Datenebene wä hrend
ziert betrachtet werden. Erstere dominieren letztere
gegenseitig und sind gleichberechtigt zu sehen
des Merger-Prozesses (Prozeß beobachtung). Finanzdaten allein sind keine (Miß -) erfolgsindikatoren.
„ Win-lose-“ / „ entwederoder“ -Denken
„ Win-win-“ / „ sowohl-alsauch“ -Denken
Allen Beteiligten zugä ngliche Visualisierung des MergerKontextes als offenes Netzwerk erstellen, Formulierung gemeinsamer Ziele; Motivation aller Akteure zum KnowledgeSharing; Wissensmanagement durch die Etablierung dezentraler Wissensnetzwerke statt durch zentrale Wissensmultiplikation fö rdern
Konkretheit/Exaktheit
Vagheit, um Spielrä ume für
Zielformulierungen müssen so
semantische Aushandlungs-
vage gefaß t sein, daß sich jeder
prozesse zu schaffen, um zu
der Merger-Beteiligten damit identifizieren kann
integrieren statt zu exkludieren
33
Synthese; „ best of both“ , zentrale Prozeß steuerung
Synergie; Netzwerkregulation durch Prozeß kommunikation
Bildung gemischter Arbeitsgruppen; Prozeß moderation statt hierarchischer Anleitung; Irritationen provozieren und fehlerfreundliches Interaktionsklima unterstützen
Konsenszwang
Konsens im Bewuß tsein der
Gegensä tze/ Unterschiede
Divergenz der Standpunkte anstreben
bewuß t thematisieren und prozeß begleitend zur Reflexion/ Erklä rung der unterschiedlichen Standpunkte anregen
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II. Von der Vorbereitung zur Transaktion Interkulturelle Erfolgsfaktoren
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Der Einflußvon Unternehmenskultur auf den Erfolg von Mergers & Acquisitions Eine empirische Untersuchung zur Identifikation von Risikofeldern Jochen Strä hle, Jena
Unternehmenskultur und Mergers & Acquisitions Mergers & Acquisitions (M&A) sind aus dem wirtschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Im Zuge der Globalisierung steigt auch die Anzahl interkultureller Transaktionen. Dennoch ist vor allem in der betriebswissenschaftlichen Diskussion -geprä gt durch die Vorherrschaft von Investmentbanken bei der Durchführung von M&A- die Tendenz zu beobachten, daß kulturelle Aspekte in die Bewertung von Chancen und Risiken eines interkulturellen M&A nur in sehr unzureichendem Maß e eingehen. In jüngster Vergangenheit wird jedoch auch ö fter die exante Kulturanalyse im Rahmen einer Cultural Due Diligence zur Unternehmensbewertung gefordert.1 Dabei fehlt es allerdings an einer wissenschaftlich fundierten Aufbereitung des kulturellen Einflusses, die eine Operationalisierung einer ex-ante Kulturanalyse ermö glichen. Ziel dieses Artikel ist daher, mittels einer empirischen Untersuchung relevante unternehmenskulturelle Aspekte herauszuarbeiten, die wesentlich für den Erfolg von M&A sind, um somit eine Grundlage für die weitere Forschung zu schaffen. Zunä chst soll ein kurzer Ü berblick über die Kulturforschung vermittelt werden. Anschließ end wird das Phasenmodell von Jansen (1999) vorgestellt, um darauf aufbauend den Einfluß von Unternehmenskultur auf einen M&A im allgemeinen zu beschreiben. Danach werden einzelne unternehmenskulturelle Aspekte auf ihren Einfluß auf den tatsä chlichen Transaktionserfolg hin mittels einer Untersuchung empirisch überprüft. Abschließ end werden die gewonnenen Erkenntnisse kurz interpretiert und ein kurzer Ausblick für weitere Forschung gegeben. Unternehmenskultur und ihre Ausprä gungen Unternehmenskulturen entstehen durch eine oder mehrere Führungspersö nlichkeiten, die ihre individuellen Vorstellungen und Werte auf Gruppen transferieren.2 Dieser oder diese wä hlen zu Beginn die Mitglieder aus und formen damit 1 Vgl. beispielsweise Bouchard/Pellet (2000); Pribilla (2000); Weidinger/Mündemann (1999); Zimmer (2001) 2 Vgl. Schein (1995), S. 17; Amrein/Naegler (1994), S. 165
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automatisch eine elementare kulturelle Identitä t.3 Dadurch entsteht eine Art „ implizites Bewuß tsein eines Unternehmens, das sich aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das umgekehrt als kollektive Programmierung deren Verhalten steuert“ .4 Dabei ist eine Kultur jedoch keineswegs statisch5 und unverä nderbar, vielmehr entwickelt sie sich stets in einem fortwä hrenden Prozeß weiter.6 Die Entwicklung vollzieht sich nach Gagliardi (1986) in „ Kulturspiralen“ (Siehe Abbildung 1). Idealisierung der neuen Erfahrungen (8) Symbolisierung der neuen Kompetenz (9)
Idealisierung des Erfolges (3)
Stabilisierung von Werten über Symbole (4)
Kollektive Erfolgserfahrung (7) Kollektive Selbsterfahrung (2)
Ausübung einer spezifischen Kompetenz (1)
Integration neuer Werte in bestehende Kultur (10)
Erprobung neuer Kompetenzen (6)
Zusammenhalt und Effiziens (5)
Zusammenhalt und Effizienz (etc.)
Konsolidierung der neuen Kompetenz (etc.)
Abbildung 1: Das Spiralmodell von Gagliardi(1986), S. 132 Neben internen Faktoren spielt die stä ndige Auseinandersetzung mit der Umwelt eine wichtige Rolle.7 Darunter ist allerdings nicht nur die direkte Umgebung der Unternehmung (z.B. Lieferanten, Wettbewerber, Banken, Kunden, etc.), sondern auch die globale Umwelt (z.B. natürliche Gegebenheiten, Stand der Technologie, allgemeine kulturelle Vorstellungen, etc.) zu betrachten, weil diese durch die
3 4 5 6
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 32 Scholz (1990), S. 25 Vgl. Scholz (1990), S. 34 Vgl. Langen (1990), S. 44; Zur Entwicklung von Unternehmenskultur vgl. auch die Ansä tze von Sackmann (1983), 398ff. und Bleicher (1984), S. 495ff. 7 Vgl. Kobi/Wütherich (1986), S. 20
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stä ndige Interaktion aller Beteiligten die Kultur eines Unternehmens prä gt.8 Jacobsen (1996) definiert deshalb Unternehmenskultur wie folgt: „Unter einer Unternehmenskultur soll daher im Folgenden das öffentlich ausgehandelte und mehrheitlich geteilte Wert-, Normen- und Bedeutungsgefüge verstanden werden, das sich materiell in einer unternehmensspezifischen Symbolwelt ä ußert und die Handlungen und Inter9 aktionen der Unternehmensmitglieder maßgeblich beeinflußt.“
Eine Unternehmenskultur ist demzufolge sowohl Resultat als auch ein Mittel sozialer Interaktion, die sich in realen Produkten oder Dienstleistungen niederschlä gt. Die Kultur ist somit für jedes Unternehmen charakteristisch und einzigartig.10 Darüber hinaus ist festzustellen, daß ein Unternehmen nicht nur eine Kultur hat, sondern auch selbst eine Kultur ist.11 Damit hat sie erheblichen Einfluß auf die Tä tigkeiten der einzelnen Mitarbeiter, weil sie Entscheidungen und Handlungen beeinfluß t, indem sie als Orientierungshilfe oder Kompaß für den Einzelnen dient.12 „ Culture provides meaning, direction, and mobilization - it is the social energy that moves the corporation into action.”13 Sie prä gt daher auch die Strategie der gesamten Organisation.14 Aufgrund dessen erstaunt es nicht, daß mittlerweile in Theorie und Praxis Konsens darüber besteht, daß eine starke Kultur die Handlungsfä higkeit eines Unternehmens stä rkt15 und somit entscheidenden Einfluß auf den Erfolg der Organisation hat. 16 Vermittelt wird die Unternehmenskultur über Leitbilder, Symbole, Brä uche, o.ä ..17 Dabei ist Kultur als mehrdimensionales Konstrukt zu interpretieren, das sich nach Schein (1995) auf drei Ebenen manifestiert (Siehe Abbildung 2).18 Zur Ebene der Artefakte zä hlen „ alle Phä nomene (...), die man sieht, hö rt und fühlt, wenn man einer neuen Gruppe mit einer noch unbekannten Kultur begegnet“ .19 Dazu zä hlen Sprache, Kleidung, Architektur, Rituale (z.B. Morgen-Meeting) oder andere Prozesse, die zwar leicht zu beobachten, aber schwer zu interpretieren sind. Unter der wahrnehmbaren Oberflä che befindet sich die Ebene der bekundeten Werte. Führen bestimmte Vorgehenswei-
8 Vgl. Jacobsen (1996), S. 31 und insbesondere das Schichtenmodell der Umweltberücksichtigung von Dülfer (1996), S. 206ff. 9 Vgl. Jacobsen (1996), S. 35 10 Vgl. Rosenstiel (1993), S. 15 11 Vgl. Kobi/Wütherich (1986), S. 31; Rosenstiel (1993), S. 15; Dülfer (1991), S. 6 12 Vgl. Henzler (1988), S. 22; Schein (1995), S. 34 13 Kilmann (1985), S. 352 14 Vgl. Krystek/Zur (1997), S. 513; Ulrich/Fluri (1992), S. 53 15 Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 26 16 Vgl. hierzu u.a. Rosenstiel (1993), S. 8; Krystek/Zur (1997), S. 512; Scholz (1990), S. 40 17 Vgl. Bolten (2000), S. 3 18 Vgl. Schein (1995), S. 29ff. 19 Schein (1995), S. 30
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sen zum Erfolg, so werden diese von der Gruppe als „ richtig“ eingestuft und von den Mitgliedern verinnerlicht. Kann ein Problem durch eine bestimmte Vorgehensweise immer gelö st werden, wird diese als selbstverstä ndlich betrachtet und damit zu einer Grundprä misse des Handelns.20 Damit stellt diese Ebene die Basis der Kultur dar. Die hier verankerten Eigenheiten sind langfristig manifestiert und bilden eine Art „ kulturelles Gedä chtnis“ , welches eine Gruppe im Inneren formt, organisiert und ihr die Grundlage für ihre Identitä t verleiht.21 Auf ihr wiederum bauen sich Werte und Normen auf, die dann wieder durch wahrnehmbare Phä nomene sichtbar werden. Mitglieder einer Kultur teilen nahezu vollstä ndig diese Grundannahmen und halten ein auf anderen Prinzipien fuß endes Verhalten für undenkbar, so daß es bei einem Zusammentreffen von Kulturen, wie beispielsweise bei einem Zusammenschluß , zu Komplikationen kommen kann.
Artefakte
Sichtbare Strukturen und Prozesse im Unternehmen (leicht zu beobachten, aber schwer zu entschlüssel)
Bekundete Werte
Strategien, Ziele, Philosophie (bekundete Rechtfertigungen)
Grundprä missen
Unbewuß te, selbstverstä ndliche Anschauungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle (Ausgangspunkt für Werte und Handlungen)
Abbildung 2: Das Ebenenmodell nach Schein (1995), S. 30 Im Folgenden sollen nun die einzelnen Phasen eines M&A dargelegt werden, um anschließ end die Relevanz der Unternehmenskultur auf eine (interkulturelle) Transaktion aufzeigen zu kö nnen.
20 Schein führt an dieser Stelle das Beispiel an, daß der Einsatz von Werbung zum Produktverkauf bei Unkenntnis von anderen Gruppenmitgliedern anfangs angezweifelt, bei einsetzendem Erfolg mit der Zeit Werbung allerdings als selbstverstä ndlich erachtet würde. Vgl. Schein (1995), S. 32 21 Vgl. Assmann (1988), S. 12
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Das M&A-Phasenmodell von Jansen (1999) Jansen (1999) schlä gt zur Strukturierung ein 3-Phasenmodell vor, das aufgrund seiner prä zisen Struktur geeignet erscheint, einen typischen Verlauf kurz zu skizzieren. Demnach kö nnen M&A in die Schritte „ strategische Analyse- und Konzeptionsphase“ , „ Transaktionsphase“ und „ Integrationsphase“ eingeteilt werden (Siehe Abbildung 3). Die erste Phase beginnt mit der Analyse des unternehmenseigenen Portfolio. Auf Basis der sich daraus ergebenden strategischen Lücken wird eine gezielte Marktund Wettbewerbsanalyse durchgeführt, um sich anschließ end für die geeignete M&A-Variante zu entscheiden. Hierbei sind Ziele für die zukünftige Transaktion festzulegen, die grundsä tzlich erreichbar und quantifizierbar sein sollten.22 Sind die internen Erwartungen definiert und ein Kernteam ausgewä hlt23, kann die zweite Phase, die Transaktionsphase, beginnen. Im Zuge einer Vorauswahl werden zunä chst einige potentielle Objekte einer Grobanalyse unterworfen.24 Dabei sollte extrem vorsichtig und vertraulich vorgegangen werden, da ein Bekanntwe rden der Fusions- oder Ü bernahmeabsichten den Marktpreis des Targets schon im Vorfeld in die Hö he treiben25 oder die Konkurrenz zu Gegenmaß nahmen verleiten kö nnten. Nach der Kontaktaufnahme mit dem Zielobjekt beginnt in der Regel der Abschnitt der Unternehmensbewertung - ein grundsä tzliches Interesse beider Seiten vorausgesetzt. Die zur Bestimmung eines Kaufangebots oder des Verhä ltnisses eines Aktientausches nö tigen finanziellen Daten werden dem Interessenten mit Einschrä nkungen26 in einem „ Data-Room“ zur Verfügung gestellt.27 In einem abgeschirmten Raum bekommt hier das M&A-Team wesentliche Unterlagen des Targets, wie Verträ ge, Bilanzen, Kalkulationen, etc. zur Verfügung gestellt. Da es sich hierbei um ä uß erst vertrauliche Daten handelt, ist Verschwiegenheit des M&A-Teams eine absolute Notwendigkeit. Mit einem Letter-of-Intent (Absichtserklä rung) beginnt in der Regel die Verhandlungsphase 28 mit der zeitgleichen Durchführung der verschiedenen Due Dilligences29 zur Ermittlung potentieller „ Deal-breakers“ , d.h. besonderen Fakten, die so schwerwiegend sind, daß von der Transaktion abzuraten wä re30. Diese Phase schließ t mit der Festlegung des Ü ber-
22 Vgl. Looser (1999), S. 267 23 Vgl. Kinast (1991), S. 37 24 Vgl. Hase (1996), S. 46 25 Vgl. Jansen (1999), S. 159 26 Die Einschrä nkungen sind sowohl zeitlich als auch personell. 27 Vgl. Kinast (1991), S. 41 28 Vgl. Markus (1980), S. 50 29 z.B. Financial, Legal, Tax, Environmental Due Diligence; Vgl. Berens/Strauch (1998), S. 14 30 Vgl. Binder/Lanz (1993)
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nahmepreises bzw. des Tauschverhä ltnisses. Mit dem Vertragsabschluß („ Closing“ ) endet die eigentliche Transaktionsphase.
Phase I
Strategische Analyse- und Konzeptionsphase
Unternehmensanalyse - Analyse Unternehmenmsziele und -potentiale - Analyse strategischer Potentiale und Lü cken - Strategische Bilanz
Wettbewerbs- und Akquisitionsumfeldanalyse - Umweltanalyse und -prognose - Analyse des Akquisitionsumfeldes (Länder/ Märkte/Geschäftsfelder)
Analyse der Motive und Zielsetzungen mit Strategiekonzeption - Motive und Zielsetzungen - Abwägung Allianz vs. Akquisition - Akquisitionskriterien - Akquisitionsstrategie (Team, Meilensteine)
Phase II
Transaktionsphase Kontakt-, Verhandlungsaufnahme und Bietung - Einbeziehung von M&A-Diensten - Vorauswahl (screening) - Kontaktsuche - Verhandlungsaufnahme - Bietungsverfahren
Unternehmensbewertung, Kaufpreisfindung und Finanzierung - Eröffnung des Data-Room - Financial Forecast - Unternehmensbewertung - Preisabsicherung/Garantien/ Gewährleistungen - Finanzierungsalternativen
Vertragsphasen und wettbewerbsrechtliche Prü fung - Confidential Agreement - Letter of Intent - Due Diligence-Formen - Memorandum of Understanding - kartellrechtliche Prü fung - Closing (Verträge)
Phase III
Integrationsphase Integrationsmanagement - Planung des Integrationsprozesses - Integrationspotentialanalyse - Integrationsverbote und notwendigkeiten im Hinblick auf die Strategie
Integrationsmaßnahmen auf fü nf Ebenen - organisatorische Integration - strategische Integration - administrative Integration - operative Integration - kulturelle Integration
Erfolgskontrolle (post merger audit) - Wirtschaftlichkeitsnachrechnung (Akquisitionscontrolling) - Realisierung der Synergien (Goodwill-Armortisationsrechnung) - Ursachenanalyse der hohen Miß erfolgsraten
Abbildung 3: Die drei idealtypischen Phasen von M&A nach Jansen (1999), S. 146 Die dritte Phase, die Integrationsphase, hat eine besondere Bedeutung für eine M&A-Transaktion, weil erst durch die Integration Wert geschaffen wird. 31 Bei Fusionen, auch oft als Post-Merger-Management (PMM)-Phase bezeichnet32, ist sie die lä ngste und für die Mitarbeiter intensivste Phase eines M&A und kann mehrere Jahre dauern. Durch Maß nahmen auf verschiedenen Ebenen müssen die
31 Vgl. Haspeslagh/Jemison (1991), S. 12 32 Vgl. Looser (1999), S. 269
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beteiligten Unternehmen zu einer funktionierenden Organisation zusammengeführt werden.
Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor bei M&A Einflußvon Unternehmenskultur wä hrend Phase 1: Strategische Anlayse und Konzeptionsphase Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen Unternehmenskultur und Strategie bedingen die kulturellen Ausprä gungen auch die Entwicklung der Expansionsplä ne. Beispielsweise wird die Art und Weise des Wachstums (intern oder extern) durch die grundsä tzliche Ausrichtung des Unternehmens bestimmt. Die Einstellung des Unternehmens spiegelt in diesem Fall folglich die kulturellen Einstellungen hinsichtlich Progression, Fortschritt und gewünschter Entwicklung wider. Einflußvon Unternehmenskultur wä hrend Phase 2: Transaktionsphase Wä hrend einer Fusion oder Akquisition führt der Eingriff in die eigene Kultur vor allem nach Bekanntgabe des Zusammenschlusses wä hrend der Verhandlungsphase zu Problemen. Die bevorstehenden Verä nderungen führen zur Verunsicherungen bei Mitarbeitern und anderen Stakeholdern. Diese Unsicherheit wä hrend der Verhandlungsphase ist gleichbedeutend mit einer Lä hmung der Organisation im Hinblick auf die tä gliche Arbeit. Symptome auf individueller Ebene sind Miß verstä ndnisse unter den Mitarbeitern, mangelnde Motivation, Zukunftsä ngste, Selbstzweifel, eine Erhö hung der Krankheitsquote oder eine erhö hte Mitarbeiterfluktuation.33 Einflußvon Unternehmenskultur wä hrend Phase 3: Integrationsphase Bei einem Zusammenschluß treffen zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander34, und es kommt zu einem „ Kulturschock“ .35 Die Mitglieder der Unternehmen werden zur Interaktion gezwungen, verfügen aber nicht über identische Basisannahmen und Vereinbarungen hinsichtlich ihrer Normen und Werte. Unsicherheit und Unverstä ndnis, z.B. über andere Organisationsstrukturen, Anzahl der Hierarchieebenen, Arbeitsprozesse, architektonische Gestaltung des Firmensitzes oder ä hnliche Faktoren, sind die Folge.36 Im Falle einer Fusion erweist sich Unternehmenskultur als besonders relevant, weil für die Zukunft aus zwei Kulturen eine
33 Vgl. Schmidt (1992), S. 60 34 Vgl. Tenter/Müller (1998), S. 139 35 Vgl. Olbrich (1999), S. 60; Die Stä rke des Kulturschocks dabei auch von der gewä hlten Akkulturationsstrategie abhä ngig. Vgl. hierzu Nahavandi/Malekzadeh (1998), S. 82ff. 36 Vgl. Olbrich (1999), S. 60
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geschaffen werden muß .37 Existiert beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Normen und Werte kein Konsens über die gemeinsame Vorgehensweise, so kö nnen die gesetzten Ziele oder Synergien auch nicht erreicht werden.38 Verschiedene Autoren weisen daher zu Recht auf die Rolle der Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor bei Mergers & Acquisitions hin39 und fordern eine Ü berprüfung der Kompatibilitä t40 der Unternehmenskulturen im Vorfeld der Transaktion.41 „ A prior cultural analysis should either make it possible to identify problems and then prevent them in the integration phase.“ 42 Dabei erweist es sich allerdings aufgrund der enormen Komplexitä t in der Praxis als ä uß erst schwierig, den Grad der Kompatibilitä t exakt zu definieren, um die Kulturen auf die relevanten Faktoren hin zu untersuchen, darzustellen und diese anschließ end miteinander zu vergleichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei der Transaktion nicht um einen intrakulturellen sondern um einen interkulturellen Zusammenschluß handelt, bei dem neben den unternehmenskulturellen Unterschieden auch lä nderspezifische Eigenheiten hinzukommen.43 Mögliche unternehmenskulturelle Risikofelder Die im Folgenden vorgestellten Aspekte stellen zum groß en Teil Artefakte der Unternehmenskultur dar und sind folglich immer zu hinterfragen. Diese erheben keinerlei Anspruch auf Vollstä ndigkeit, sondern sollen als Anhaltspunkte zur Durchführung einer Kulturanalyse dienen. Es werden ausgewä hlte Risikofelder aufgezeigt, um sie anschließ end mittels einer empirischen Untersuchung auf ihre Relevanz zu untersuchen. Die Organisationsstruktur ergibt sich aus dem Zweck des Unternehmens, seiner Geschichte, den geographischen und technischen Voraussetzungen sowie anderen Faktoren und bietet damit einen Anhaltspunkt zur Analyse der Unternehmenskultur. Die Ausprä gungen sind individuell und bedingen somit den Zusammenschluß . Die Organisationsstruktur bildet den Handlungsrahmen für die Mitarbeiter, der durch einen Zusammenschluß zwangslä ufig verä ndert wird44, was sich folglich wiederum auf die Organisationsmitglieder auswirkt. Die Organisations-
37 38 39 40 41 42 43 44
Vgl. Schmidt (1992), S. 62 Vgl. Schein (1995), S. 68 Vgl. u.a. Taucher (1980), S. 34; Hase (1996), S. 24; Waschkuhn (2000), S. 11 Einige Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von „ cultural fit“ ; Vgl. Mazur (2000), Krystek/Zur (1997), S. 511; Stüdlein (1997), S. 252ff. Vgl. Forstmann (1997), S. 57; Chromy/Stork (1998), S. 124 Gertsen/Søderberg/Torp (1997), S. 25 Vgl. Bolten (2000), S. 4 Dies gilt v.a. in der Integrationsphase, aber bereits auch in der Transaktionsphase.
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struktur kann demnach als ein Risikofeld einer Fusion aus kultureller Sicht betrachtet werden. Die Belegschaft stellt ihre Arbeitskraft einem Unternehmen nur gegen eine entsprechende Gegenleistung zur Verfügung. Diese Gegenleistung ist in der Regel materiell (Lohn, Gehalt, Statussymbole) und dient der Existenzsicherung oder sie ist immateriell (Lob, Rang, Privilegien). Entsprechen die Leistungen einander nicht mehr, so wird früher oder spä ter der Partner, der „ weniger bekommt“ , seine Konsequenzen ziehen und entweder mehr Leistungen verlangen oder die Beziehung beenden. Aus diesem Grund ist die Gestaltung von Entlohnungssystemen oder Anreiz- und Belohnungssystemen von groß em Einfluß bei Mergers & Acquisitions, da diese bei jedem Unternehmen einzigartig sind und gleichzeitig für Mitarbeiter und Unternehmen existentielle Bedeutung haben. Folglich ist deren Ausgestaltung als ein Risikofeld von Mergers & Acquisitions zu betrachten. Vorurteile, Images oder Stereotype sind handlungsleitend45 und stellen eine Determinante menschlichen Verhaltens dar. Wä hrend eines Zusammenschlusses treffen nun unterschiedliche Einschä tzungen über sich selbst und das Target (d.h. die Mitarbeiter des Targets) aufeinander. Daher spielen die Vorstellungen über das eigene Unternehmen und über den Transaktionspartner eine wesentliche Rolle für den Erfolg. Ausdruck finden diese im Selbst- bzw. Fremdbild. Eine Kulturanalyse sollte daher auf diese Aspekte als Risikofeld eingehen und die Selbstbzw. Fremdbilder genauer untersuchen, um eine Bewertung vornehmen und Empfehlungen für die Integration treffen zu kö nnen.
Empirische Ü berprüfung von Risikofeldern Zur empirischen Ü berprüfung der im vorangegangen Abschnitt erarbeiteten Risikofelder wurde im Zeitraum Juni bis August 2000 eine Studie in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt. Vorgehen Fragestellungen der Studie Bezüglich der Rolle der Unternehmenskultur bei Mergers & Acquisitions wurden verschiedene Fragen gestellt, die durch die Studie beantwortet werden sollten. Im Folgenden sollen die wesentlichen kurz aufgeführt werden: -
Hat die Art des Zusammenschlusses (Fusion, feindliche oder freundliche Ü bernahme, national oder international) Einfluß auf den Erfolg?
45 Zur Orientierungs- und Anpassungsfunktion vgl. Lilli (1982), S. 7f.
46
-
Sind bestimmte Ziele für den Zusammenschluß erfolgreicher als andere?
-
Haben unterschiedliche Auffassungen über das eigene Unternehmen und den Transaktionspartner Einfluß auf den Erfolg?
-
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Unterschied der Organisationsstrukturen und dem Transaktionserfolg?
-
Hat die Gestaltung der Organisationsstruktur nach dem Zusammenschluß Einfluß auf den Transaktionserfolg?
-
Führen Unterschiede in den Entlohnungssystemen zu Problemen und hat dies Auswirkungen auf den Transaktionserfolg?
-
Welche Maß nahmen zur Berücksichtigung kultureller Aspekte wurden durchgeführt und welchen Stellenwert hatten diese?
Grundgesamtheit und Stichprobe Die Auswahl der Stichprobe erwies sich als ä uß erst schwierig, weil die nö tigen Informationen darüber, ob ein Unternehmen in den letzten zehn Jahren an einer Fusion oder Akquisition beteiligt war, in dieser Form nicht zentralisiert vorliegen. Daher wurde auf Basis der Studie von Cartwright (1997) die Annahme getroffen, daß die Trefferwahrscheinlichkeit bei einer genügend groß en Stichprobe ausreichen müß te, um eine genügende Anzahl auswertbarer Antworten zu bekommen. 46 Als Stichprobe wurden daher aus den 5000 grö ß ten deutschen Unternehmen (bezogen auf den Umsatz) eintausend Unternehmen zufä llig ausgewä hlt (einfache Zufallsauswahl)47. Als Ansprechpartner wurde der Personalleiter ausgewä hlt. Dies lag der Annahme zugrunde, daß die Personalabteilung erstens einen Ü berblick über die unterschiedlichen Bereiche und Strukturen in den Unternehmen hat und zweitens für die Relevanz des Themas aufgrund des eigenen Tä tigkeitsbereiches sensibler reagiert als beispielsweise die Controlling-Abteilung. Die Adressen hierfür stammten aus der Schober-Direktmarketing Datenbank. Aufgrund der Unsicherheit über die Genauigkeit der Adreß liste wurde die Untersuchung in zwei Phasen durchgeführt. In der ersten Phase wurden alle Unternehmen angeschrieben, um auf Basis der Rückmeldungen mit gleichzeitiger Internetrecherche über alle Unternehmen diejenigen auszuwä hlen, die mit Sicherheit an Mergers & Acquisitions beteiligt waren. Auf dieser Basis wurden schließ lich 212 Unternehmen ausgewä hlt, die nach vier Wochen ein zweites Mal angeschrieben wurden. Nach drei weiteren Wochen fand eine telefonische Rückfrage statt. Hierbei zeigte
46 Cartwright stellte bei einer Untersuchung unter 500 Managern fest, daß über 53% bereits an einer Akquisition beteiligt gewesen waren. Vgl. Cartwright (1997), S. 6 47 Vgl. Hammann/Erichson (2000), S. 138
47
sich, daß die meisten Unternehmen aus Zeitgründen nicht an der Umfrage teilnehmen konnten. Die Rücklaufquote betrug daher nur knapp über 10 Prozent. Methodik der Studie Zur Befragung wurden schriftliche Fragebö gen eingesetzt, die in der Regel von einer Person beantwortet werden konnten. Die Auswertung erfolgte sowohl qua ntitativ als auch qualitativ. Der Fragebogen wurde auf Basis der gelä ufigen Kriterien erstellt.48 Die Evaluierung des Fragebogen erfolgte über einen kurzen Pre-Test. Da eine allgemeine Klassifikation des Transaktionserfolges aufgrund der unterschiedlichen Beweggründe für Mergers & Acquisitions nicht mö glich ist, wurde der Erfolg von den Befragten selbst von einer Skala von eins („ Erwartungen wurden gar nicht erfüllt“ ) bis fünf („ Erwartungen wurden voll erfüllt“ ) eingeordnet. Aufgrund der geringen Zahl der auszuwertenden Bö gen ergaben sich bei der Analyse von Korrelationen keine signifikanten Verbindungen. Die Zusammenhä nge wurden folglich aufgrund von Hä ufigkeiten bei einer individuellen Fallbetrachtung erstellt. Die Ausprä gungen waren in Skalen von eins bis fünf zu bewerten bzw. über Multiple-Choice zu beantworten. Bei einzelnen Fragen wurde Raum für persö nliche Anmerkungen gelassen. Ergebnisse der Studie Aufgrund der Anzahl an auswertbaren Bö gen sind die Ergebnisse der Studie nicht als für die Grundgesamtheit reprä sentativ zu bezeichnen. Sie kö nnen daher nur als Anhaltspunkte dienen und allenfalls Tendenzen aufzeigen. Dies gilt um so mehr, als Unternehmenskultur durch einen Fragebogen ohnehin nicht vollstä ndig zu erfassen ist und die Ergebnisse stark durch die ausfüllende Person geprä gt sind. Bei den Einschä tzungen der Unternehmen vor dem Zusammenschluß ist darauf hinzuweisen, daß die Fragestellung zwar auf die Eigenschaften beider Unternehmen abzielte, diese jedoch nur mit Einschrä nkungen als wahrheitsgetreu interpretiert werden kö nnen. Erstens, weil die Einschä tzungen einer Person nicht reprä sentativ die Kenntnisse oder Erwartungen des gesamten Unternehmens widerspiegeln müssen und zweitens, weil es sich bei den Einschä tzungen entweder um ein Fremdbild (z.B. Wie war die Organisationsstruktur beschaffen?, Wie war das Entlohnungssystem ausgeprä gt?, Wie war die Arbeitsweise im Unternehmen?, etc.) oder sogar nur um das Metabild handelt („ Was dachte Unternehmen B über Unternehmen A?“ ). Drittens muß berücksichtigt werden, daß die Aussagen keine Unterscheidung darüber zulassen, ob die ausfüllende Person bei einer Ü bernahme
48 Zu den Anforderungen für die Erstellung postalischer Umfragen vgl. Schnell/Hill/Esser (1993), S. 369ff.
48
Teil des übernehmenden oder des übernommenen Unternehmen waren. Folglich sind die Ergebnisse nur unter Vorbehalt zu interpretieren. Allgemeine Informationen Branchen Die Stichprobe teilte sich auf folgende Branchen auf: Automobil, Maschinenbau, Dienstleistungen, Transport, Textil, Elektro, Chemie und Energie. Die Schwerpunkte lagen im Maschinenbau sowie im Automobil- und Dienstleistungssektor. Art des Zusammenschlusses In der Stichprobe waren keine feindlichen Ü bernahmen enthalten. Der Grund lag darin, daß bei einem Groß teil der feindlichen übernommenen Unternehmen, kaum noch Belegschaft aus der Zeit vor der Ü bernahme verblieben war. Das Verhä ltnis freundliche Ü bernahme zu Fusion betrug 54,5% zu 45,5%. Nationale und internationale Zusammenschlüsse kamen in etwa gleich hä ufig vor. Hinsichtlich der Erfüllung der Erwartungen ergeben sich bei Art des Zusammenschlusses keine Zusammenhä nge. Die gilt sowohl für die Unterscheidungen FusionenAkquisitionen als auch national-international. Demnach hat die Art des Zusammenschlusses keinen Einfluß auf den Erfolg der Transaktion. Ziele des Zusammenschlusses Hauptziele der Zusammenschlüsse waren Marktabdeckung, Kostensynergien sowie Kapazitä tsausweitungen (Siehe Tabelle 1). Beim Vergleich zum Transaktionserfolg wurde deutlich, daß einzelne Ziele als erfolgreicher bezeichnet wurden als andere. Dies traf für die Ziele Marktabdeckung und Erwerb von Humankapital zu. Wer die Ziele Kostensynergien oder Produktdiversifikation anstrebte, war in der Regel weniger erfolgreich. Die Begründung hierfür mag in der mangelnden Sensibilisierung für die „ weichen“ Faktoren liegen, wenn der Zusammenschluß nur auf „ harte“ Zahlen ausgerichtet ist, wie es beim Erreichen von Kostensynergien der Fall scheint. Als weitere Gründe wurden die vertikale Integration und die Erschließ ung strategischer Marktpotenziale genannt. Tabelle 1: Ziele des Zusammenschlusses Gewä hlte Ziele
Prozent
Marktabdeckung
54,5
Kostensynergien
40,9
Effektivere Nutzung der Kernkompetenzen
31,8
49
Kapazitä tsausweitungen
31,8
Sicherung von Absatz und Beschaffungskanä len
27,3
Produktdiversifikation
27,3
Erwerb von Know-how
18,2
Grö ß enwachstum zur Ü bernahmeabwehr
9,1
Erwerb von Humankapital
9,1
Imagegründe
4,5
Mehrfachnennungen mö glich!
Erfolgseinschä tzung der Transaktion Die Erwartungen wurden in der Hä lfte der Fä lle nicht oder nur mittelmä ß ig erfüllt. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen anderer Studien zum Erfolg von Mergers & Acquisitions.49 Damit muß die Erfolgsquote von Mergers & Acquisitions weiterhin als enttä uschend eingestuft werden (Siehe Tabelle 2). Der Hauptgrund für das Nichterreichen wurde dabei in den Divergenzen aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen (59,1%) gesehen, gefolgt von der Umsetzungsgeschwindigkeit der Integrationsmaß nahmen (45,5% ) und „ Grabenkä mpfe“ unter den Mitarbeitern (36,4%). Erst an dritter Stelle wird unzureichender Zuwachs des Shareholder-Value als Grund für den Miß erfolg genannt (27,3%). Tabelle 2: Erfolgseinschä tzung der Transaktion Prozent Divergenzen aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskultur
59,1
Umsetzungsgeschwindigkeit der Integrationsmaß nahmen
45,5
„ Grabenkä mpfe“ unter den Mitarbeitern der beiden Unternehmen
36,4
Unzureichender Zuwachs des Shareholder Value
27,3
Prozeß integration
22,7
Führungsvakuum
22,7
Abwanderung von Humankapital als Folge des Zusammenschlusses
18,2
IT-Integration
18,2
Fehlende strategische Ausrichtung im Wettbewerb
13,6
Entscheidungsgeschwindigkeit im Vorfeld und wä hrend der Verhandlung
13,6
49 Vgl. hierzu Studien von Achi/Bideau (1980); Coley/Reinton (1988); Porter (1987); A.T. Kearney (1998)
50
Fremdbildeinschä tzung Einschä tzungen der Unternehmen vor dem Zusammenschluß Die Unternehmen, die groß e Unterschiede hinsichtlich der gegenseitigen Einschä tzung aufwiesen, hatten grö ß ere Probleme, und die Erwartungen wurden weniger erfüllt. Die meistgenannten Unterschiede traten bei den Einschä tzungen zu folgenden Ausprä gungen auf: -
standardisiert/spezifisch (knapp 50%) produktorientiert/kundenorientiert (knapp 25%) bürokratisch/“ lean“ (knapp 25%)
Einfluß der gegenseitigen Einschä tzung auf den Erfolg des Zusammenschlusses Bei knapp drei Viertel der Unternehmen (74,6 %) haben die unterschiedlichen Einschä tzungen wä hrend des Zusammenschlusses zu Problemen geführt. Von den Unternehmen, bei denen die Erwartungen nur mittelmä ß ig oder schlechter erfüllt wurden, hatten alle Befragten Probleme aufgrund unterschiedlicher Einschä tzungen der Unternehmen. Bei knapp 30% der von den Personalleitern als problematisch eingestuften Fä lle unterschiedlicher Einschä tzung wurden dennoch die Erwartungen des M&A erfüllt. Einschä tzung der Organisationsstruktur Unterschiede in der Organisationsstruktur und Organisationsstruktur nach dem Zusammenschluß Von den Unternehmen, welche die Erwartungen hinsichtlich des Zusammenschlusses in der Regel erreichten, wiesen alle vor dem Zusammenschluß eine ä hnliche Organisationsstruktur50 auf und behielten diese auch bei (knapp 90%). Diese Unternehmen hatten auch wä hrend der Transaktion weniger Probleme. Von den Unternehmen, die ihre Ziele hinsichtlich der Transaktion nicht erreichten, kristallisierten sich zwei Gruppen ä hnlicher Stä rke heraus: -
Die erste Gruppe adaptierte in der Regel die Organisationsstruktur eines der Unternehmen.
-
Die zweite Gruppe entwickelte eine vö llig neue Organisationsstruktur, die mit den ursprünglichen Formen kaum etwas hinsichtlich der abgefragten Merkmale gemein hatte. Die dabei entwickelte Struktur kann
50 Als ä hnlich bezüglich einer Eigenschaft wurde definiert, wenn die Abweichung bei der Skala von eins bis fünf maximal zwei betrug.
51
aufgrund der vorliegenden Daten als „ Interstruktur“ 51 bezeichnet werden, d.h. sie stellt nicht die Schnittmenge der einzelnen Organisationen dar, sondern eine Ausbildung einer neuen Organisationsform. Haben die unterschiedlichen Organisationsstrukturen zu Problemen geführt? 71,4 % der Befragten gaben an, daß die Unterschiede in den Organisationsstrukturen nur zu mittelschweren oder gar keinen Problemen geführt haben. Dieses Ergebnis bildet somit eine widersprüchliche Aussage zu den oben aufgezeigten Verbindungen zwischen angegebenen Unterschieden in den Strukturen und dem Erfolg des Zusammenschlusses im jeweiligen Fall. Damit liegt die Vermutung nahe, daß die Befragten sich sehr wohl der Differenzen in den Ausprä gungen bewuß t sind (waren), darin allerdings keinen Auslö ser für Probleme sahen. Einschä tzung des Entlohnungssystems Unterschiede im Entlohnungssystem vor dem Zusammenschluß Allgemein scheint es die grö ß ten Unterschiede in den Bonussystemen zur Anerkennung individueller Leistungen zu geben. Die Unternehmen, welche die Erwartungen hinsichtlich des Zusammenschlusses erfüllten, wiesen weniger Abweichungen52 im Entlohnungssystem auf, als die anderen (Im Durchschnitt 3,3 zu 4,7 starke bis sehr starke Unterschiede bezüglich der sieben abgefragten Punkte). Entlohnungssysteme nach dem Zusammenschluß Bei einem Groß teil der Zusammenschlüsse wurde ein System nach der Transaktion übernommen (47,4% der gültigen Antworten). Bei 31,6% wurden die Entlohnungssysteme unabhä ngig voneinander fortgeführt und nur bei 18,2% wurde ein neues Entlohnungssystem entwickelt. Haben die unterschiedlichen Entlohnungssysteme zu Problemen geführt? Unterschiedliche Systeme haben nach Einschä tzung der Befragten in 28,5% zu starken oder spürbaren Problemen wä hrend des Zusammenschlusses geführt. Untersucht man die Abweichungen der Systeme im Verhä ltnis zum jeweils angegebenen Erfolg, so ergibt sich kein eindeutiger Zusammenhang, vielmehr ist hier das Verhä ltnis in etwa gleich stark.
51 Zur Herleitung des Begriffes „ Interstruktur“ vergleiche die Analogie der Herleitung des Begriffes „ Interkultur“ bei Bolten (1997), S. 489 52 Als ä hnlich bezüglich einer Eigenschaft wurde definiert, wenn die Abweichung bei der Skala von eins bis fünf maximal zwei betrug.
52
Bestimmung der Risikofelder Auf Basis der vorliegenden Daten und Erkenntnisse lassen sich für die Identifikation von unternehmenskulturellen Risikofeldern bei M&A folgende Schlüsse ziehen: Risikofeld Organisationsstruktur Bei den Unternehmen, welche die Erwartungen für den Zusammenschluß nicht erfüllten, wies die Mehrzahl starke Unterschiede in der Organisationsstruktur auf. Weiterhin gaben über 70% an, daß die Unterschiede in der Struktur wä hrend des Zusammenschlusses nur zu geringen Problemen geführt haben. Der Grund für diese Diskrepanz kann in der Unkenntnis unternehmenskultureller Einfluß grö ß en gesehen werden. Mö glicherweise werden entweder strukturelle Ausprä gungen nicht als Ausdruck von Unternehmenskultur wahrgenommen oder die Auswirkungen der Differenzen auf den Gesamterfolg wurden nicht explizit deutlich. Dennoch kann davon ausgegangen werden, daß ein Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Organisationsstruktur und dem Erfolg von Mergers & Acquisitions besteht. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, daß es bei den Unternehmen, die unterschiedliche Organisationsstrukturen aufwiesen, unerheblich war, welche Art von Organisation sich nach dem Zusammenschluß herauskristallisierte. Es kann somit vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Organisationsstruktur Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Kulturen ermö glicht und somit für die Kulturanalyse und den Kulturvergleich von enormer Wichtigkeit ist. Insofern erscheint es sinnvoll, dies als ein Risikofeld zu betrachten, das wä hrend einer Kulturanalyse ausführlicher Beachtung bedarf. Im Zusammenhang mit der Organisationsstruktur lä ß t sich die Ausprä gung des Entlohnungssystems untersuchen. Risikofeld Entlohnungssystem Die Ausgestaltung der Entlohnungssysteme wurde oben als ein relevanter Aspekt zur Analyse der Unternehmenskultur hervorgehoben, weil das Verhä ltnis Arbeitsleistung/Entlohnung wesentlich für die Motivation und für das Arbeitsverhä ltnis selbst ist. Die Studie ergab, daß bei hoher Ä hnlichkeit in den Entlohnungssystemen die Zusammenschlüsse erfolgreicher verliefen. Da es vor allem bezüglich der Bonusleistungen groß e Unterschiede gab, liegt hier die Vermutung nahe, daß gerade die persö nliche Einbindung der Mitarbeiter und deren Belohnung und Anerkennung ein wesentlicher Bestandteil für deren Motivation ist und somit auch Auswirkungen auf die Integration hat. Betrachtet man sich die Entlohnungssysteme nach dem Zusammenschluß , so haben nur 18,2% ein neues System ent53
wickelt. Somit bedeutet dies entweder, daß für die Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen Arbeit anders belohnt wird als bei ihren Kollegen (31,6% der Fä lle) oder daß ein System adaptiert wurde und sich somit das bisherige Verhä ltnis von geleisteter Arbeit zu Entlohnung stark geä ndert hat (47,4% der Fä lle). In beiden Fä llen bedeutet dies eine eingreifende Verä nderung des kulturellen Verstä ndnisses bezüglich Leistung und Entlohnung. Es ist anzunehmen, daß sich gerade hierdurch spürbare Probleme entwickeln konnten, die sich negativ auf den Erfolg des Zusammenschlusses auswirkten. Folglich deuten zumindest die Ergebnisse der Studie darauf hin, daß der Gestaltung der Entlohnungssysteme im Rahmen einer ex-ante Kulturanalyse ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte und die Einordnung als Risikofeld für Mergers & Acquisitions gerechtfertigt erscheint. Risikofeld Fremdbild Die gegenseitige Einschä tzung des Transaktionspartners wurde als Risikofeld für einen Zusammenschluß eingestuft. In der Tat bestä tigen die Untersuchungsergebnisse diese Vermutung. Es konnte ein Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen über den Partner und dem Gesamterfolg der Fusion bzw. Ü bernahme festgestellt werden. Offensichtlich führten bei 74,6% unterschiedliche gegenseitige Auffassungen zu Problemen wä hrend der Transaktion. Noch deutlicher ist das Bild bei den Unternehmen, die ihre Erfolgserwartungen nur schlecht oder gar nicht erfüllt sahen. Hier wiesen alle groß e Differenzen in ihrer gegenseitigen Einschä tzung auf, so daß sich hieraus schluß folgern lä ß t, daß dies den Integrationsprozeß und damit auch den Erfolg des Zusammenschlusses negativ beeinfluß te. So scheint die Forderung, im Rahmen einer Kulturanalyse die Selbst- und Fremdbilder eingehend zu untersuchen, zumindest auf Basis der vorliegenden Daten, berechtigt.
Fazit und Ausblick: Cultural Due Diligence Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, erscheint eine ex-ante Kulturanalyse durchaus sinnvoll. Aufgrund der Besonderheiten von M&A sind hier jedoch unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Eine Konzentration auf relevante Risikofelder ist aufgrund des nur geringen zur Verfügung stehenden Zeitfensters als nahezu zwingend anzusehen. Zu diesem Zweck wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt, um die Relevanz bestimmter Risikofelder zu überprüfen. Die gefundenen Ergebnisse kö nnen zwar aufgrund des Untersuchungsdesigns nicht als reprä sentativ angesehen werden, jedoch zeigen sie eine deutliche Tendenz auf, die in der weiteren Forschung sicherlich intensiver aufgegriffen werden sollte. Wesentliche kulturelle Risikofelder sind demnach die exi54
stenten Fremdbilder über den Transaktionspartner sowie die Ausgestaltung der Organisationsstruktur und des Entlohnungssystems. Als weiterführendes Forschungsziel bietet es sich an, die ex-ante Analyse der ermittelten Risikofelder in eine Due Diligence zu integrieren, um so eine verbesserte Grundlage für die Ermittlung eines Unternehmenswertes zu schaffen.
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How to deal with individual culture-fit? Zur Bedeutung Interkultureller Kompetenz als Kriterium in Management Audits im Kontext von Mergers & Acquisitions Christian Johann Eberhardt, Wien
1. Praxis & Problemhintergrund Trotz allseits geteilter Synergieerwartungen im Vorfeld von Unternehmensfusionen ist der tatsä chliche Verlauf von Mergers und Acquisitions (M&A) in den meisten Fä llen problematischer als von vornherein angenommen. Integrationsprobleme charakterisieren die „ Post-Merger-Phase“ und „ [...] es scheint, als habe jedermann - Management, Mitarbeiter und auch Berater - erfahren und akzeptiert, daß Mergers und Acquisitions zwar strategisch notwendig und sinnvoll sind, doch in ihrer Umsetzung risikobehaftet und oftmals schwierig“ 1. Vor diesem Hintergrund hat sich eine mittlerweile beträ chtliche Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten in den letzten Jahren mit der Bedeutung der (Unternehmens-)Kultur im MergerProzeß auseinandergesetzt2. Die Ergebnisse reichen von allgemeinen Problematisierungen aus der Perspektive der Interkulturellen Kommunikation bis hin zu differenzierten Problemlö seansä tzen – wie bspw. der Konzeption und Durchführung einer Cultural Due Diligence3. Allzu wenig Aufmerksamkeit wurde jedoch bis dato in Wissenschaft und Praxis der Frage geschenkt, wie sich die vielfä ltigen Interdependenzen zwischen Kultur als bedeutender Einfluß grö ß e und den konkreten Aufgabenfeldern des Integrationsmanagements gestalten und welche Bedeutung vor diesem Hintergrund der Fragestellung des Culture Fit der aktiv am Fusionsprozeß beteiligten Manager zukommt. Empirische Untersuchungen zeigen eine Vielfalt von Erfolgs- und Miß erfolgsursachen für den Integrationsprozeß auf. Sie machen deutlich, daß gerade innerhalb des Human Resource Managements (HR) alle Bereiche als Problem- und Handlungsfelder betroffen sind. Sie identifizieren die prototypischen Auswirkungen von Fusionen u.a. in der Management- bzw. Personalentwicklung, der Personalplanung sowie im Culture Development 4, und verleihen damit dem Management der sozio-kulturellen Integration den Charakter einer eigenstä ndigen Problemdi1 2 3 4
Stüdlein (2000), S.138 Vgl. Gertsen/Søderberg/Torp, (1997) Vgl. Beitrag von Strä hle bzw. Kleinfeld/Schlegel in diesem Band. Vgl. Wirtgen (1999)
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mension5. Praktikern wie auch Wissenschaftlern zufolge muß als Kernproblem der sozio-kulturellen Integration die mangelnde Flexibilitä t des Mind Sets der Belegschaft betrachtet werden6. Vor allem das Management der zweiten Führungsebene (2nd-line Management) des akquirierten Unternehmens nimmt die mit dem M&A verbundene Notwendigkeit eines gesamtorganisationalen Verä nderungsprozesses zwar zur Kenntnis, bringt jedoch nicht die entsprechende Verä nderungsbereitschaft auf, den top-down angestoß enen Wandel der Unternehmenskultur, der Führungsgrundsä tze und des Managementsystems aktiv mitzutragen7. Wie Stüdlein (2000) treffend zusammenfaß t, verschä rft sich diese Situation dadurch, daß Unternehmensübernahmen zu mangelnder Orientierung und Verunsicherung im 2nd-line Management des akquirierten Unternehmens führen: "Durch die Fusion sind sie [das 2nd-line Management] verunsichert und das daraus entstehende Mißtrauen gegen die Transaktion führt zu einem verstä rkten Rückbeziehen auf die eigene Unternehmensidentitä t. Ihre Empfindlichkeiten, ihre skeptische Haltung, Frustrationen, Ä ngste und ihr Gefühl der Ü berlegenheit gegenüber der ‘anderen Partei’ sind verstä ndlich, ja natürlich. Schließlich werden ihre Einstellungen, Werte und Denkweisen, ebenso wie ihre tiefsten Ü berzeugungen angetastet, was richtig oder falsch, effizient oder ineffizient, sinnvoll 8 oder nutzlos ist".
Die Konsequenzen dieser Verunsicherung und der damit in Zusammenhang stehenden Reaktanzen werden in der Management-Literatur mit dem Schlagwort Merger Syndrom umschrieben und drücken sich oftmals in nachlassender Arbeitsqualitä t und Motivation, Unzufriedenheit, erhö hter Fluktuationsrate sowie sinkender Produktivitä t aus9. Letzten Endes kann diese Entwicklung zu in weiten Teilen der akquirierten Organisation beobachtbaren reaktanten Verhaltensweisen gegenüber dem Mutterunternehmen sowie zu einem destruktiven, von Pessimismus getragenem Betriebsklima führen, das mit den durch die Chancen auf Knowhow Transfer berechtigten Hoffnungen einzelner motivierter Mitarbeiter kollidiert10. Der mit der Post-Merger-Integration verbundene - ohnehin arbeitintensive und problembeladene - Reorganisationsprozeß wird damit zusä tzlich durch hidden costs belastet, welche insbesondere in immensen personalwirtschaftlichen Kosten wie Trennungs-, Wiederbeschaffungs- und Trainingskosten zu sehen sind.
5 6 7 8 9 10
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Vgl. Stahl (2001) Vgl. Forstmann (1994) Vgl. Leciejewski (1998) Stüdlein (2000), S. 143 Wirtgen (1999), S.1 Vgl. Buono/Bowditch (1989)
Als für den Miß erfolg von Unternehmensübernahmen maß gebliche Ursachen lassen sich vor diesem Hintergrund folgende Punkte anführen11: erstens eine ungenügende strategische Vorbereitung der Unternehmensführung im Hinblick auf die Implikationen der Akquisition für die Personalentwicklung (PE) sowie das Culture Development; zweitens das Fehlen eines differenzierten Integrationsplanes als Grundlage für die Steuerung des Merger-Prozesses sowie der langfristigen Organisationsentwicklung (OE); und drittens die nur unzureichende Kommunik ation der Unternehmensführung bzw. des – oftmals ausgetauschten – Vorstands mit den Führungskrä ften der 2nd-line sowie der damit verbunden mangelnden Transparenz der Restrukturierungsmaß nahmen. In der Hoffnung, diesen Miß erfolgsursachen wirksam entgegentreten zu kö nnen, wurden in den vergangenen Jahren im Kontext von M&A von den - zumal neuen – Unternehmensführungen bzw. Mehrheitseigentümern sog. Management Audits (MA) bei externen Consultants in Auftrag gegeben. Im Rahmen eines MA wird das Management des akquirierten Unternehmens einer Personalbeurteilung unterzogen. Erklä rte Zielsetzung ist es, Aussagen über Qualitä t sowie Entwicklungspotenzial einzelner Führungskrä fte bzw. ganzer Managementteams und Organisationseinheiten zu machen, Transparenz in die Problemfelder PE, OE und Kulturmanagement zu bringen und somit die Basis für eine eingehende Differenzierung des Integrationsplanes zu schaffen12. Wie ein Blick ins Internet bestä tigt, bieten insbesondere die führenden Personalberatungen - wie Kienbaum, Egon Zehnder, Korn Ferry und Ray & Berndtson - bereits seit geraumer Zeit diese Beratungsdienstleistung in deutlicher Abgrenzung vom konventionellen Assessment-Center (AC) wie auch von der klassischen Potenzialanalyse - zuweilen sogar im Stil einer in die OE integrierten Prozeß -Beratung - an. Die vielfä ltigen Probleme der sozio-kulturellen Post-Merger-Integration im Zuge von groß angelegten Akquisitionsprojekten haben vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und des damit zusammenhä ngenden steigenden Wettbewerbsdrucks besonders in Europa an Bedeutung gewonnen. Gerade die wirtschaftlichen Entwicklungen in Mittel-Ost-Europa (CEE) kö nnen als sehr akzentuiertes Beispiel für den hier diskutierten Problemgegenstand herangezogen werden. Nach dem Ende der ehemals sozialistischen Systeme setzte eine Entwicklung ein, die bis heute anhä lt: Genuin westliche Global Player übernehmen bereits privatisierte bzw. sich immer noch mehrheitlich in Staatseigentum befindliche Unternehmungen – und wie in der letzten Vergangenheit im Energie- und Telekommunikationssektor zu beobachten, sogar monopolistische Staatsbetriebe. 11 Wirtgen (1999) 12 Vgl. Leciejewski (1998)
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Sinnigerweise gehen damit Probleme einher, die in ihrer Art für das wirtschaftliche Engagement in CEE symptomatisch sind: eine extrem asymmetrische Machtverteilung zwischen der akquirierten local company und der Kapital und Knowhow einbringenden FDI-Company (foreign direct investment), die politische Problemdimension volkswirtschaftlich brisanter Joint Ventures sowie die Aktivierung stereotyper, vorurteilsbeladener Fremdbilder vom „ veralteten, zuweilen schlampig arbeitenden Ost-Management“ einerseits und der „ aggressiven, besserwisserischen Kolonialherrenmentalitä t westlicher Investoren“ anderseits.13 Diese Faktoren bedingen, daß Merger-Prozesse durch einen latenten – in den Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen und ö konomischen Transformationsprozesses sowie den wechselseitigen historischen Fremderfahrungen wurzelnden und durch den Know-how-Transfer von West nach Ost forcierten – „ DominanzReaktanz-Konflikt“ 14 belastet werden. Die Bereichs-Vorstä nde der in den Mutterkonzern zu integrierenden Unternehmen werden von den Anteilseignern paritä tisch besetzt15. Das Qualifikationsprofil dieser 1st-line Manager, insbesondere ihre Erfahrung im spezifischen Marktumfeld des akquirierten Unternehmens sowie ihre Handlungskompetenz in verschiedenen organisationalen und auch multi-kulturellen Kontexten steht zumeist auß er Frage (bzw. ist in vielen Fä llen als „ politisch“ legimitiert hinzunehmen). Das 2nd-Line-Management hingegen wird aus dem alten Personalstamm übernommen und anforderungsspezifisch um westliche Expatriats als Know-how-Trä ger ergä nzt. Damit sind grundlegende personalwirtschaftliche und organisationspsychologische Probleme verbunden: Einerseits sind in den akquirierten Unternehmen oftmals immense fachliche und überfachliche Qualifikationsdefizite zu konstatieren und auszugleichen; andererseits drohen vereinzelt hochqualifizierte Führungskrä fte dieser local companies deswegen zu fluktuieren, da ihre Potenziale nicht adä quat genutzt werden. Wie Forstmann (1994) exemplarisch zeigt, besteht neben den eben genannten eine grundsä tzliche, nicht zu unterschä tzende Schwierigkeit der Steuerung des Merger-Prozesses darin, die divergenten Werte, Einstellungs-, Verhaltensmuster und Kulturen der interagierenden Unternehmen zu integrieren. Somit wird die interkulturelle Ü berschneidungssituation zum zentralen Problemaspekt der soziokulturellen Integration.16
13 Vgl. Prokop (1995); Eberhardt (2002) 14 Eberhardt (2000), S. 87 15 Vgl. Skoda Annual Report (1998); Pressespiegel der Ceska Sporitelna (2000); Presseinformation der Slovenske Telekomunikazie (2001) 16 Vgl. auch Stengel (2001)
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Die (zu) mergenden Organisationen besitzen unterschiedliche Kulturen i.S. divergenter Orientierungssysteme, welche das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln der Organisationsmitglieder in jeweils spezifischer Weise beeinflussen. Durch die Strukturierung eines spezifischen Handlungsfeldes haben diese Orientierungssysteme die Voraussetzungen zur Entwicklung jeweils bestimmter Formen der Problembewä ltigung, d.h. des Managementsystems, des Führungsstils und der Work-Flow-Organisation geschaffen (bzw. (er)schaffen diese kontinuierlich weiter)17. Vor dem Hintergrund, daß der interkulturelle Kontakt zwischen Ost und West zur Zeit des Eisernen Vorhangs nur sehr eingeschrä nkt mö glich war, verschä rft sich dieses Problem im Falle des oben explizierten Beispiels eines M&A in CEE einsichtiger Weise nochmals. Denn hier treffen nicht nur divergente Unternehmenskulturen18, sondern auch landestypische Kulturstandards aufeinander, die den fremdkulturellen Interaktionspartnern – insbesondere aufgrund 40 Jahre mangelnder Austauscherfahrung – fremd und z.T. unverstä ndlich waren und grö ß tenteils immer noch sind19. Abbildung 1 verdeutlicht, daß sowohl der (bei Integrationsprozessen grundsä tzlich zu beobachtende) Kulturschock als auch der Akkulturationsverlauf im Gesamten von zentralen psychologischen Grö ß en abhä ngen: Qualitä t, Kompatibilitä t und Adaptabilitä t der (unternehmens-) kulturellen Identitä ten, der Umgang mit Macht bzw. der Stil der sozialen Einfluß nahme, das gegenseitige Vertrauen, die durch symbolische Führung und offene Kommunikation gegebene Orientierung sowie die wahrgenommene Kontrolle (bzw. die subjektiv empfundene Mö glichkeit zur Partizipation), die Problematik der durch eine pro-aktive Informationspolitik zu steuernden Diskrepanz zwischen Fremdbild/Selbstbild und vermutetem Fremdbild, die Ausrichtung der gegenseitigen Erwartungen an realistischen Entwicklungsmö glichkeiten (vs. disconfirmed expectancies) sowie die Entschä rfung von Stereotypen und Vorurteilen haben unmittelbaren Einfluß darauf, wie sich die Auseinandersetzung der Akquisitionspartner und damit die Bewä ltigung anstehender Integrationsaufgaben realiter vollzieht.
17 Vgl. Thomas (1996), S. 112; Olié (1995) 18 Vgl. Wilde/Pietrzynski/Voigt (1991) 19 Vgl. Novy/Schroll-Machl (2000)
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A
NATIONALKULTUREN
B
1. Kulturelle Identitä t 2. Macht/Einfluß 3. Vertrauen 4. Orientierung/Kontrolle/Partizipation 5. Fremdbild/Selbstbild/vermutetes Fremdbild 6. Erwartungen und Realitä tsbild 7. Stereotype/Vorurteile
Unternehmenskultur A
ik Ü berschneidungssituation
Unternehmenskultur B
I. Kulturschock II. Akkulturation
Abbildung 1: Die Fusion als interkulturelle Ü berschneidungssituation in Anlehnung an Stengel (2001)
2. Die Bedeutung der „ Interkulturalitä t“ für das Post-Merger-Management Wie obige Ausführungen darlegen und wie die Erfahrungen aus Praxis und Wissenschaft zeigen, ist es eine der zentralen Anforderungen eines Mergers, die Corporate Cultures der Interaktionspartner und die damit verbundenen Eigenheiten in Führung, Organisation und Management in Abhä ngigkeit vom gewünschten Integrationsgrad zu verbinden und so die interkulturelle Ü berschneidungssituation konstruktiv zu bewä ltigen.20 Im extremsten Fall impliziert dies die vollstä ndige kulturelle Integration; im allgemeinsten Fall zumindest die Kompatibilisierung der Corporate Cultures21. Dieser Anspruch setzt voraus, die interkulturelle Kompetenz der an der Post-Merger-Integration aktiv beteiligten Führungskrä fte als unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen des Merger-Prozesses anzusehen.
20 Vgl. Stengel (2001) 21 Zur Hä ufigkeit der gewä hlten Integrationsstrategie vgl. Hewitt Associates (1998)
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Die gä ngigen Theoretisierungen zum Thema interkulturelle Kompetenz entstammen pä dagogischen, psychologischen, kommunikations- oder wirtschaftswissenschaftlichen Ü berlegungen – insbesondere dem Problemfeld des Trainings oder der Eignung von Studenten, Managern oder Militä rpersonal für Auslandsentsendungen. In diesem Kontext entstand auch der – durch die Kulturstandtheorie populä r gewordene – Ansatz der „ Psychologie des interkulturellen Lernens und Handelns“ , wie er von Thomas et al. (vgl. 1996a) vertreten wird. Thomas versteht unter interkultureller Kompetenz (ikK): „[...] die wechselseitigen Einstellungen und die kognitiven, interaktiven und kommunikativen Fä higkeiten der Interaktionspartner. Sie ist gefragt, wenn es zu einer erfolgreichen und zufriedenstellenden Gestaltung interkultureller Begegnungen kommen soll. Bei geringer inte rkultureller Handlungskompetenz kann es zu Erwartungs-/Erfahrungsdiskrepanzen kommen, die auf den unterschiedlichen Orientierungssystemen beruhen. Eine effektive Kooperation erfordert demnach ein gewisses Maß an Fä higkeit und Bereitschaft, fremde Kulturstandards nicht nur zu verstehen, sondern auch sie in das eigene Wahrnehmungs -, Denk-, Bewertungsund Handlungsmuster integrieren zu können“ (1996, S.113).
Der Autor folgert weiter: „Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fä higkeit, kulturelle Bedingungen und Einflußfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitä ten und einer Entwicklung hin zu synergieträ chtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und han dlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung“ (2001, S.25).
Die Komponenten des Konstrukts ikK sind nach Thomas: „[...] Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale, Wissen und Kenntnisse, Kommunikationsfä higkeit, Selbstdarstellung und Interaktionsmanagement sowie die Fä higkeit zum Aufbau sozialer Beziehungen“ (a.a.O.).
Diese Komponenten spiegeln sich zwar in den Ausführungen und Befunden zur M&A Thematik wider, jedoch liegen bisher weder konsistente Begriffsverwendungen noch kohä rente Systematisierungen oder Modellbeschreibungen ikK’ im Kontext der M&A Problematik vor. Die aktuelle Befundlage verdeutlicht lediglich, daß Informationen über den Kooperationspartner sowie Kommunikationskultur, Verä nderungsbereitschaft, Anpassungsleistung sowie die Fä higkeit des 2nd-Line-Managements des akquirierten Unternehmens, sich in die interkulturelle Auseinandersetzung i.S. der gemeinsamen Bewä ltigung der anstehenden betrieblichen Probleme zielführend einzubringen bzw. zu engagieren, maß gebliche Bedingungen für das Gelingen des Merger-Prozesses sind22. Es ist zwar da22 Forstmann (1994); Stüdlein (2000); Stengel (2001); Stahl (2001); vgl. auch Althauser/TonscheidtGö stl (1999); Eicken/Lüdi (2000); Penzel/Pietig (2000)
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von die Rede, die „ interkulturelle Post-Merger-Integration [... als] eine der grö ß ten Herausforderungen im Bereich der weichen Faktoren“ 23 ansehen zu müssen; jedoch bleibt unausgesprochen und unerklä rt, was unter interkulturell kompetentem Verhalten im Kontext der Post-Merger-Integration konkret zu verstehen ist. Der Anspruch, interkulturelle Post-Merger-Integration als „ groß e Herausforderung“ anzusehen, impliziert, daß Beurteilungskriterien, die aus den Anforderungen der interkulturellen Post-Merger-Integration abzuleiten sind, bei der Konzeption und Durchführung von Management Audits besondere Berücksichtigung finden. Sowohl die derzeit in der organisationspsychologischen Beratungspraxis eingesetzten MA-Verfahren24 als auch die in der Literatur zur ManagementDiagnostik25 sowie in der Literatur zur Interkulturellen Psychologie26 diskutierten theoretischen Zusammenhä nge zeigen jedoch, daß auf diesem Problemfeld noch Forschungsbedarf besteht: Diagnostische Ü berlegungen, die sich auf die Analyse und Beurteilung der ikK des Managements im Kontext von M&A beziehen, finden bei der Auditierung akquirierter Unternehmen allzu selten Berücksichtigung27. Insbesondere in CEE - um beim oben genannten Beispiel zu bleiben wird dies zum Problem: Hier stehen Akquisitionsprojekte grundsä tzlich in der Gefahr, durch einen „ gravierende[n] Misfit zwischen den mit der Zielsetzung des Mergers verbundenen Gestaltungskonsequenzen und den im Bereich des Wollens angesiedelten Fä higkeiten“ 28 sabotiert zu werden. Die Fä higkeit, den Integrationsprozeß kulturgerecht voranzutreiben, hä ngt demnach davon ab, inwieweit es gelingt, „ [...] diesen Misfit in die Integrationsplanung mitein[zu]bezieh[en]“ (a.a.O.). Die Implikation, die hieraus für die Konzeption und Durchführung von Management Audits gezogen werden kann, ist, im Rahmen einer Auditierung diejenigen personellen Ressourcen der akquirierten Organisation identifizieren zu müssen, die als interkulturelle Promotoren fä hig sind, kulturelle Differenzen aufzudecken, kulturelle Divergenzen zu überbrücken und das (Inter-)Cultural Development aktiv und zielführend zu beeinflussen. Nach Forstmann (1994) lassen sich aus der modellhaften Beschreibung des prototypischen Integrationsverlaufs die Grundkompetenzen der inter-kulturellen PostMerger-Integration und damit ein grobes Anforderungsprofil der beteiligten Akteure ableiten: Der Austausch strategischer Fä higkeiten und somit die gesteigerte 23 24 25 26 27 28
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Vgl. Stüdlein (2000), S. 138 Vgl. Leciejewski (1998) Sarges (2000); Deller (1996); Kealey/Ruben (1983) Vgl. Dinges/Baldwin (1983), (1996); Eder (1996); Vgl. auch Thomas (2002) Vgl. Leciejewski (1998); vgl. Lehrenkrauss/Schwarz (1996) Forstmann (1994), S. 107
Wettbewerbsfä higkeit hä ngen davon ab, eine für den „ Fä higkeitsaustausch“ günstige Atmosphä re zu schaffen. Dies bezieht sich auf das „ gegenseitige Verstä ndnis“ der Akquisitionspartner, den „ Zusammenarbeitswillen“ , die Entwicklung von „ Mö glichkeiten zum Fä higkeitenaustausch“ , das Bereitstellen „ zusä tzlicher Ressourcen“ sowie das „ Verstä ndnis der Kosten-/Nutzensituation der Akquisition“ (a.a.O.). Diese Grundkompetenzen sind die maß geblichen Erfolgsfaktoren einer zielführenden interkulturellen Auseinandersetzung im Merger-Prozeß ; auf sie müssen die zentralen Definitionskriterien ikK, wie sie im Kontext der Konzeption und Durchführung von Management Audits bei M&A in CEE Anwendung finden sollten, Bezug nehmen. Der vorliegende Buchbeitrag stellt auf der Grundlage obiger Ü berlegungen und vor dem Hintergrund eines breiter angelegten Forschungsprojektes 29 einen vorlä ufigen Systematisierungsversuch ikK’ im M&A-Kontext dar. Aus einer primä r organisationspsychologischen Perspektive werden diejenigen Bereiche und Aspekte der interkulturellen Auseinandersetzung sowie diejenigen Parameter interkulturell kompetenten Handelns im Rahmen der Post-MergerIntegration identifiziert, die Aufschluß über Qualitä t und weitere Differenzierung der von Forstmann skizzierten Erfolgsfaktoren geben. Der hier verfolgte Systematisierungsversuch gliedert die Auseinandersetzung mit ikK grundsä tzlich in vier Betrachtungsebenen: Wä hrend in den Ausführungen zum Problembereich Integrationsmanagement (vgl. 2.1) Situations- und Umfeldvariablen problematisiert werden, beschä ftigt sich der Abschnitt 2.2 (Interkulturelle Kompetenz – Person, Interaktion und interkultureller Lernprozeß ) mit den Aspekten der personalen, der interaktions- bzw. kommunikationsbezogenen Fä higkeiten sowie der Prozeß haftigkeit der Kompetenzentwicklung. Indem er die Sensibilisierung für die Bedeutsamkeit ikK’ für das Integrationsmanagement in den Mittelpunkt stellt, ist dieser Systematisierungsversuch ein erster Schritt, dazu beizutragen, einerseits den prognostischen Wert von Management Audits i.S. fundierter Beurteilungsverfahren und nachvollziehbarer Personalentscheidungen künftig zu erhö hen und andererseits für Personalwirtschaftler und Organisationsberater die Grundlage zur Ableitung psychologisch begründeter Empfehlungen zur kulturgerechten, d.h. auf die Abstimmung unternehmerischer Zielvorstellungen, organisationaler Strategien und Managementressourcen mit kulturellen Implikationen abzielenden, Gestaltung von M&A zu schaffen 30. Dem direkt vom Thema betroffenen Integrationsmanager selbst mö gen die hier ausge-
29 Vgl. Eberhardt (in Vorb.) 30 Forstmann, 1994, S.87
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führten Ü berlegungen zur Selbstreflexion sowie zum besseren und ganzheitlicheren Verstä ndnis der organisationalen Verä nderungsprozesse im Rahmen eines M&A dienen.
2.1 Der Problembereich „ Integrationsmanagement“ Grundlegend für die Betrachtung des Problembereichs Post-Merger-Integration ist das 7 K-Modell (siehe Abbildung 2; vgl. Jansen, 2001). Es versucht die sieben Kernfaktoren des Fusionsmanagements zusammenzuführen. Das Modell verdeutlicht die Ursachen ö konomischer und psychischer Kosten des Integrationsprozesses und stellt die Vernetzung der verschiedenen Ursachenfelder dar. Die Grafik verdeutlicht, daß Kultur nicht als isolierter Faktor des Integrationsprozesses gesehen werden kann und die interkulturelle Post-Merger-Integration damit nicht lä nger als unabhä ngige/abgehobene Problemdimension betrachtet werden darf. Fakt ist, daß die ik Auseinandersetzung aller aktiv am Integrationsprozeß Beteiligten alle anderen Problemfelder des Integrationsmanagements durchdringt und beeinfluß t. Ü ber die zwischenmenschliche Interaktion wird die Interkulturalitä t des Mergers gewissermaß en in alle Aufgaben- und Problembereiche des Integrationsmanagements übertragen. Betrachtet man die Fusion aus der Entwicklungsperspektive ist diese organisationspsychologische Implikation des 7K-Modells auch offensichtlich: Integration stellt einen gesteuerten Verä nderungsprozeß dar. Verä nderungsprozesse wiederum erfordern einen erhö hten Grad an zwischenmenschlicher Interaktion und Auseinandersetzung31. Somit ist es wenig verwunderlich, wenn – übertragen auf den M&A-Kontext – Hewitt Associates (2001) zeigen kö nnen, daß fast alle Themen- bzw. Arbeitsfelder des Integrationsmanagements und die mit ihnen verbundene Erfolgswahrscheinlichkeit eines Mergers in besonderer Weise von der Qualitä t der Interaktion und Kommunikation der beteiligten Manager abhä ngen.
31 Vgl. Doppler/Lauterburg (1995)
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Koordination der Integration Planung und Architektur (auch Pre-Merger Integration)
Kultur
Kontrolle
Kulturdifferenz und Kultur der Integrationsprozesse
PMI-Audit und Controlling
Ö konomische und psychische Kosten der Integration Einfluß auf Market Capital, Human Capital, Intellectual Capital und Social Capital
Know-how und Kernkompetenzen
Kunden und KoProduzenten
Transfer und Generierung
Externe Integration
Kernbelegschaft und Karrieren Karriere, Kompensation und gesteuerte Fluktuation
Kommunikation Intern und extern, Fusionsmarketing, Ü bersetzung, Dialog
Abbildung 2: Das 7K-Modell des Fusionsmanagements nach Jansen Wie die Ausführungen Stahls (2001) verdeutlichen, zeigt sich diese Abhä ngigkeit im M&A-Kontext insbesondere in der herausgehobenen Bedeutung der Prozeß variablen im Vergleich zu den Ausgangsbedingungen als Input-Faktoren der Integration: Stahl (2001) identifiziert vor allen anderen Aspekten das Ausmaß und die Art der Kontrolle, die betrieblichen Sozialisationsmaß nahmen, die Aufgabenteilung, die Verä nderungsdynamik, die Verhaltensunsicherheit sowie die Tendenz zur Anwendung dysfunktionaler Kontroll- und Steuerungssysteme (management system misapplication) als die maß geblichen Einfluß grö ß en. Entsprechend obigen Ü berlegungen erfordert das Integrationsmanagement von den einzelnen Prozeß teilnehmern spezielle Kooperationsfä higkeiten aus dem Bereich Situations- und Interaktionsmanagement, welche sich darin ausdrücken, Leistungspotenziale trotz unterschiedlicher kultureller Orientierungen sowie divergenter Betriebswirklichkeiten und Managementgewohnheiten und der damit verbundenen Reibungen ziel- und ergebnisorientiert auszuschö pfen. Unabhä ngig
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von der Spezifitä t der vielfä ltigen Problemfelder des Integrationsmanagements32 und ungeachtet dessen, ob nun entweder durch das Culture Development kulturelle Entitä ten33 selbst zielgerichtet verä ndert werden oder ob kulturelle Dispositionen nur Prozeß variablen im Integrationsprozeß darstellen, stellt die ikK eine Art Master-Competence dar, welche alle anderen – fachlichen sowie überfachlichen – Fä higkeitsvoraussetzungen überlagert. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind folgende: 1.
Was sind die Ursachen der interkulturellen Problematik?
2.
Wie beeinfluß t die Interkulturalitä t den Integrationsprozeß ? Welches sind die konkreten Aufgaben- und Problemfelder des IntegrationsManagements, die sich vor diesem Hintergrund als besonders problematisch gestalten?
3.
Und welche vorlä ufigen Schlüsse kö nnen hieraus für die Generalisierung und Systematisierung von Analysekriterien und Bewertungs-Indikatoren für das Anwendungsfeld Management Audit gezogen werden?
Diesen Fragen soll in den folgenden Abschnitten nachgegangen werden. 2.1.1 Ursachen der interkulturellen Problematik Die Bedeutsamkeit der Interkulturalitä t für das Integrationsmanagement gründet sich banaler Weise auf der kulturellen Verschiedenartigkeit der Fusionspartner. Die maß geblichen kulturellen Spezifika, welche die zwischenmenschliche Interaktion als interkulturelle Ü berschneidungssituation im Integrationsprozeß virulent werden lassen, kö nnen auf der organisationalen und der kulturellen Ebene beschrieben werden: Wie Forstmann (1994) für die organisationale Ebene treffend zusammenfaß t, bestehen bzw. entwickeln sich im Laufe des Integrationsprozesses divergierende Problemsichten der Fusionspartner in der Einschä tzung der Bedeutsamkeit, der Gestaltung sowie der sukzessiven Zielereichung v.a. auf folgenden Aufgabenfeldern: -
Organisation (Zentralisation, Delegation, Koordination, Formalisierung, Standardisierung, Partizipation)
-
Planung (Planungsobjekte, planende Personen, Planungsprozeß , Planungsmethoden)
-
Kontrolle (kontrollierte Objekte, kontrollierende Personen, Kontrollprozeß , Kontrollmethoden)
32 z.B. Homogenisierung von Kommunikationssystemen, Kompatibilisierung der HR-Instrumente, Etablierung des Know-how-Transfers etc. etc. 33 z.B. Führungsgrundsä tze, Values&Beliefs, Personalbindung und Loyalitä t etc.
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-
Informationssysteme (Anwendungsgebiete, Organisation, Systemarchitektur, Benutzungsklima)
-
Personalwesen (Anreizsysteme, Qualifikation, Auswahlverfahren, PE, Evaluation, Entlassung)
-
Kommunikation (Kommunikationsstil, Sprache, Kommunikationsprozeß & -inhalte)
-
Allgemeine Führung (Kernkompetenzen, Kernfä higkeiten, Führungsstil)
Die divergierenden Problemsichten resultieren zum einen aus den unterschiedlichen‚ (Ver-)Handlungspositionen bzw. -perspektiven der Fusionspartner (z.B. Akquisiteur und Akquirierter) sowie der damit zusammenhä ngenden Interaktionsdynamik; zum anderen basieren sie jedoch grundsä tzlich auf den kulturellen Unterschieden, welche die Beteiligten in die konkreten Interaktionssituationen einbringen. Auf der Grundlage des klassischen Ansatzes von Talcott Parson und den populä ren Ergebnissen Hofstedes (vgl. 1993) kö nnen die managementrelevanten Kulturunterschiede durch die Identifikation zentraler Kulturstandarddimensionen beschrieben werden34. Unter Kulturstandard wird in diesem Zusammenhang verstanden: „... alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns ..., die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverstä ndlich typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert. Als zentrale Kulturstandards sind solche zu bezeichnen, die in sehr unterschiedlichen Situationen wirksam werden und weite Bereiche der Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns regulieren, und die insbesondere für die Steuerung der Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsprozesse zwischen Personen bedeutsam sind. Kulturstandards sind hierarchisch strukturiert und miteinander verbunden. Sie können auf verschiedenen Abstraktionsebenen definiert werden von allgemeinen Werten bis hin zu sehr spezifischen verbindlichen Verhaltensvorschriften. Die individuelle und gruppenspezifische Ausprä gung von Kulturstandards kann innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs variieren, doch werden Verhaltensweisen und Einstellungen, die außerhalb der Toleranzgrenzen liegen, abgelehnt und sanktioniert. Zentrale Kulturstandards einer Kultur können in einer anderen Kultur völlig fehlen oder nur von peripherer Bedeutung sein. Verschiedene Kulturen können ä hnliche Kulturstandards aufweisen, die aber jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen können, in unterschiedlichen Handlungsfeldern 35 wirksam werden und unterschiedlich weite Toleranzbereiche aufweisen.“
Kulturelle Orientierungssysteme werden dabei jeweils als komplexe Muster von Lokalisierungen auf den Kontinua zwischen bestimmten Gegensatzpaaren (Kulturstandard-Polaritä ten) dargestellt; das jeweilige Orientierungsmuster beeinfluß t das Wahrnehmen, Denken, Handeln und Urteilen und somit das Situations- und Interaktionsmanagement im Integrationsprozeß . Abbildung 3 stellt einen zusammenfassenden Ü berblick dar; zur weiteren Erklä rung sei auf die Ausführungen von Thomas (1996) und Geier (2000) verwiesen. 34 Vgl. Geier (2000) 35 Thomas (1996), S. 112-113
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1. Kulturstandard-Dimension "Kommunikation und Interaktion" Kontextabhä ngigkeit: "High-Context" vs. "Low Context" Sozialer Raum / Distanzdifferenzierung bzw. -regulierung: "strenge" vs. "schwache" Ausmaßan sichtbarer Emotionalitä t: "neutral" vs. "affektiv" Durchdringungsgrad unterschiedlicher Lebensbereiche: "Spezifisch" vs. "diffus" Verwendung und Bewertung von Informationen: "assoziativ" vs. "abstrakt" Direktheitsgrad verbaler Kommunikation: "Direkt" vs. "indirekt" Vertrauensradius: "Ingroup" vs. "Outgroup"
2. Kulturstandard-Dimension "Verä nderung" Entwicklungsbild: "linear" und "zyklische" Orientierung: "langfristig" vs. "kurzfristig"
3. Kulturstandard-Dimension "Arbeits- und Organisationsstil" Work-Flow-Organisation: "polychron" vs. "monochron" Unsicherheitsvermeidung: "hoch" vs. "niedrig" Definitionsradius: "universalistisch" vs. "partikularistisch" Denk- und Handlungsstil: "erkenntnisorientiert" vs. "aktionsorientiert"
4. Kulturstandard-Dimension "Führungsverhalten und Zielvereinbarung" Führungsfokus: "sachorientiert" vs. "personenorientiert" Machtdistanz: "hoch" vs. "niedrig" Maskulinitä t: "hoch" vs. "niedrig" Individualismus: "hoch" vs. "niedrig"
Abbildung 3: Managementrelevante Kulturstandarddimensionen in Anlehnung an Geier (2000)
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2.1.2 Interkulturelle Problemfelder des Projektmanagements im Integrationsprozeß Um die Frage diskutieren zu kö nnen, wie die Interkulturalitä t nun konkret den Integrationsprozeß beeinfluß t, muß vorerst der gewä hlte Ansatz des Integrationsmanagements als Bezugrahmen skizziert werden. Der im vorliegenden Beitrag verfolgte Ansatz stützt sich grundsä tzlich auf das Konzept Projektmanagement.36 Unter Projektmanagement wird die Gesamtheit von Führungsaufgaben, organisation, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines zeitlich und nach festen Zielgrö ß en definierten Projektes verstanden. Es umfaß t wie jedes Managementsystem Planungs- und Steuerungsinstrumente, Führungsmethoden und Organisationsmodelle und stellt damit ein umfassendes Führungskonzept dar zugeschnitten auf die Umsetzung und Realisierung von Projektaufgaben. Die konsequente Anwendung der Verfahren und Instrumente des ProjektManagements soll die Planung und Steuerung von Innovationen und Ver ä nderungen erleichtern.37 Wie die Praxiserfahrung zeigt, wird der Management by Projects - Approach wegen seiner Flexibilitä t und Effektivitä t in der Steuerung von Reorganisationen zunehmend auch als Arbeits- und Führungskonzept des Wandels im Kontext von Fusionsprozessen eingesetzt. Projektoberleitung Projektausschuß
Change-Gruppe Verä nderungsuntersützung
Projektgruppe 1
Operative Projektleitung - Projektleiter - Projektteam
Projektgruppe 2
Echogruppe Jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Projektgruppe 3
Abbildung 4: Intra-Projektorganisation in Anlehnung an Salzgeber (2001)
36 Vgl. Eberhardt (in Vorb.); Salzgeber (2001) 37 Vgl. Griesche (1997)
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Die Praxiserfahrungen zeigen dabei, daß sich in Abhebung von Stabs-, Matrixund reinen Projektorganisationen besonders solche Organisationsformen als geeignet herausgestellt haben, welche die erfolgskritischen Aspekte eines proaktiven Verä nderungsmanagements und der Informationsrückkopplung in hinreichender Form berücksichtigen (siehe Abbildung 4). Die Projektoberleitung trä gt die Verantwortung für den gesamten Integrationsprozeß (Ebene der Geschä ftsführung). Der Projektausschuß kontrolliert alle zu integrierenden Problemfelder und überblickt die laufenden und geplanten Teilprojekte (Vertreter des Top-Managements als führende Integrationsmanager). Die Operative Projektleitung versteht sich als interdisziplinä re Koordinations-, Regulations- und Steuerungsinstanz – betraut mit der operativen Führung der diversen Projektteams (Gremium der Integrationsspezialisten). Die einzelnen Projektgruppen setzten sich aus mehreren Experten, geführt durch Projektleiter, zusammen. Besonderheiten stellen Change-Gruppe und Echo-Gruppe dar: erstere befaß t sich gezielt mit Promotion und Katalyse des(r) Verä nderungsprozesse(s); zweitere gewä hrleistet durch Bottom-Up-Feedback die Kontrolle der Projektentwicklungen sowie die Mö glichkeit zur Gestaltung einer pro-aktiven Informationspolitik top-down und somit wiederum einer konstruktive Kommunikationskultur. Unabhä ngig von den konkreten Integrationsaufgaben, unabhä ngig vom angestrebten Integrationsgrad des Problemfeldes und ungeachtet des allgemeinen Knowhow-Gefä lles ist es empfehlenswert, sowohl die Ebene der Operativen Projektleitung sowie die Ebene der Projektgruppen als auch Change- und Echogruppe(n) mit Vertretern beider Fusionsparteien zu besetzen38. Damit überträ gt sich die ik Problematik auf alle Arbeitsfelder des Integrationsmanagements; denn die Integrationsmanager sind auf operativer Ebene gezwungen, sich mit fremdkulturellen Partnern auseinander zu setzen.
38 Vgl. Krystek (1992)
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Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen Eberhardts (2002), welche den Einfluß kulturtypischer Denk- und Handlungsstile auf die Bewä ltigung der in Projektteams anstehenden Probleme explizieren, lassen sich im M&A-Kontext empirisch eine Reihe von Faktoren identifizieren, die für die Performanz ikK’ besondere Bedeutung zu haben scheinen 39. Die einzelnen Aspekte des Projektmanagements, in bzw. durch welche(n) die Interkulturalitä t zum Tragen kommt‚ kö nnen in einem ersten Systematisierungsversuch nach vier Gesichtspunkten differenziert werden; auf sie muß demnach beim Projektmanagement von Integrationsprozessen sowie bei der damit in Zusammenhang stehenden Auseinandersetzung mit diagnostischen Fragen im Management Audit (Personalselektion, Potenzialanalyse und Empfehlungen zu Teambuilding und sozio-kultureller Integration) aus interkultureller Perspektive besonderes Augenmerk gelegt werden:
interkulturell relevante Aspekte des Projektmanagements bei M&A Prozeß-Management Change Management
People Management
Konflikt-Management
Abbildung 5: interkulturell relevante Aspekte des Post-M&A – Projektmanagements Wä hrend sich andere organisationswissenschaftliche Arbeiten40 sehr tiefgreifend mit der Bedeutung der Faktoren Akteure und Integrationsinstrumente beschä ftigen und hier insbesondere die Aspekte Rollen-, Aufgaben- und Verantwortungsdefinition des Top-Managements und der Projektleitung, Aufgaben und Zusammensetzung der Projektteams, Handlungsfreiraum in Arbeitsgruppen, Einbezug
39 Vgl. Eberhardt (in Vorb.) 40 Vgl. Salzgeber (2001)
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von Promotoren und externen Beratern und Einsatz von Planungs- bzw. Projektstrukturplä nen sowie diverser Steuerungsinstrumente als erfolgskritisch beschreiben, zeigen die ersten Ergebnisse Eberhardts (in Vorb.), daß sich die kritischen Aspekte der Interkulturalitä t des Mergers im Prozeß -, Change-, People- sowie Konflikt-Management identifizieren lassen. Prozeß-Management Das Prozeß -Management – im hier verwendeten Wortsinn – bezeichnet die Verkettung einzelner Funktionen und Projektschritte. Im Mittelpunkt stehen hierbei die zentralen Managementaufgaben Planung, Kontrolle und Steuerung. Die drei Elemente bilden eine untrennbare Einheit und stehen in einem Regel-KreisVerhä ltnis zueinander. Durch die Planung werden Soll-Grö ß en vorgegeben, auf deren Grundlage die Kontrolle des Zielfortschritts erfolgt; bei Abweichungen der Ist-Daten von den Soll-Zielen werden Regulations- bzw. Steuerungsmaß nahmen ergriffen. Damit schließ t sich der Regelkreis. Wie Eberhardt (2002) en detail zeigt, beeinflussen kulturbedingte Unterschiede im Denk- und Handlungsmuster – trotz der generell proklamierten Universalitä t des Projektmanagement-Ansatzes – den Managementstil bzw. die Art und Weise sowie die Vorstellung darüber, wie sich die einzelnen Funktionen vollziehen bzw. wie die einzelnen Projektschritte abgehandelt werden (sollten). Obwohl sich hinter den einzelnen Aspekten grö ß tenteils allgemeine betriebswirtschaftliche Universalia verbergen, die in Prag genauso theoretischer State of the Art sind wie in München oder London, sind im M&A-Kontext auffä llige interkulturelle Divergenzen zu beobachten, die sich v.a. auf die Art, das Verstä ndnis und die Akzeptanz von Zieldefinitionen sowie der Zielüberprüfung, die Auffassung und Bedeutung der Realisierungsplanung mit Situationsanalyse, Strategieplanung und Risikomanagement, den Ansatz der Projektorganisation, die faktische Umsetzung und Realisierung einschließ lich des Projektcontrollings sowie des Dokumentationsund Berichtswesens und letztlich auch die Gestaltung des Projektabschlusses sowie der Projektevaluation beziehen. Change-, People- und Konflikt-Management Die Gestaltung von Verä nderungen, interne wie externe Kommunikation, der Umgang mit Information, die Mö glichkeit der Partizipation, die Berücksichtigung von Mitarbeiterbedürfnissen sowie der Umgang mit Konflikten sind Ausdrucksformen und zentrale Merkmale der zu gestaltenden und der anzustrebenden Corporate Culture. Diese Merkmale bilden das Fundament für die instrumentellen und funktionalen Erfolgsfaktoren des Integrations-Managements (siehe oben). Sie kö nnen nicht strikt voneinander getrennt werden, wirken wechselseitig aufeinan76
der ein und stehen in gegenseitiger Abhä ngigkeit. Ohne diese Interdependenz in Abrede zu stellen, kö nnen sie jedoch grob in drei Kategorien - Change-, Peopleund Konfliktmanagement - zusammengefaß t werden, die im folgenden kurz angerissen werden41: Wichtig ist, daß sowohl aus der Perspektive der Unternehmensführung als auch aus der Perspektive der aktiv agierenden Integrationsmanager im 2nd-line die sozio-kulturelle Integration nicht einer zufä lligen Entwicklung überlassen wird, sondern die Umsetzung aller geplanten Verä nderungsvorhaben durch ein gezieltes Change Managements (CM) unterstützt und vorangetrieben wird. In der Projektmanagementliteratur wird unter CM hä ufig ein (Ver-) Ä nderungsmanagement verstanden, das auf die dynamischen Umweltentwicklungen oder auf Planabweichungen reagieren muß . Im Merger-Kontext als interkulturellem Problemfeld umfaß t CM jedoch insbesondere Maß nahmen, die einen Wandel in den Kö pfen der Betroffenen bewirken sollen. Erst die Verä nderung der Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeitenden macht die Einführung neuer Strategien, Visionen, Strukturen und letztlich die (Weiter-) Entwicklung der Corporate Culture mö glich. CM beschä ftigt sich demnach nicht mit der technischen Planung der Strategie- und Strukturä nderungen, sondern mit Aktionen, welche sicherstellen, daß die neuen Strategien und Strukturen akzeptiert und umgesetzt werden. So gesehen zielt CM schwerpunktmä ß ig auf die Erhö hung der Verä nderungsbereitschaft und den Abbau von Widerstä nden hin. Die Mitarbeitenden sollen befä higt werden, die Verä nderungen anzunehmen und sich mit den neuen Lö sungen zu identifizieren. Um sie von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Verä nderungen zu überzeugen, müssen im Verlaufe des Projekts permanent Botschaften an die jeweilige Zielgruppe gesendet werden. Durch die aktive Beteiligung der Betroffenen an der Verä nderungsplanung und/oder -umsetzung und durch das Einholen von Feedback wird die Akzeptanz der Ä nderungen erhö ht. Kommunikation, Information und Partizipation leisten somit einen wesentlichen Beitrag zum Wandel in den Kö pfen der Belegschaft. Wie in den obigen Ausführungen zu Praxis und Problemhintergrund bereits angesprochen, besteht ein zentrales Problem der sozio-kulturellen Integration in der mangelnden Akzeptanz bzw. den Reaktanzphä nomenen – gerade auf Seiten des 2nd-line Managements des akquirierten Unternehmens. Die Mitarbeitenden werden einen Zusammenschluß erst akzeptieren, wenn sie ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit befriedigt sehen und entweder Mö glichkeiten zur Erhaltung der eigenen Betriebsidentitä t bzw. die Chance auf (Weiter-)Entwicklung einer als eigen empfundenen (neuen) Corporate Culture erkennen kö nnen. Transparente, authen41 Vgl. auch Salzgeber (2001)
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tische und permanente Kommunikation, eine pro-aktive, strategisch durchdachte Informationspolitik42 sowie auch die wahrnehmbaren Mö glichkeiten einer aktiven Partizipation und die Gewä hrleistung individuellen Gestaltungsfreiraums, durch welche Beteiligte und Betroffene sich und ihre Arbeit im Unternehmen beachtet sehen, und Anerkennung ihres Engagements empfinden sind die Voraussetzungen hierfür43; sie nehmen den Mitarbeitenden ihre Verunsicherung, bekä mpfen Gerüchte, fö rdern die positive Grundeinstellung zur Fusion und unterstützen damit den Identifikationsprozeß und die Entwicklung einer tragfä higen Unternehmenskultur. Die hohe Miß erfolgsquote von Fusionen hat in der Managementliteratur wie auch der Forschung die Berücksichtigung der personalwirtschaftlichen Aspekte des Integrationsmanagements verstä rkt. Um der Relevanz des Human Capital im Rahmen eines Mergers gerecht zu werden, bedarf es eines speziell auf die personellen und kulturellen Bedingungen der Integration abgestimmten People Managements. Dieses People Management muß primä r das Ziel verfolgen, in der neuen Gesamtorganisation die Abstimmungsmä ngel zwischen den Mitarbeitergruppen und deren Kulturen zu beseitigen. Es stellt gewissermaß en den operativen Arm des Verä nderungsmanagements dar. Damit verbunden ist die Aufgabe, die personellen aber auch personalen Bedürfnisse zu kennen und diesen i.w.S. gerecht zu werden. In Anlehnung an Maslows Bedürfnishierarchie bedeutet dies die Auseinandersetzung mit dem Grundbedürfnis nach Sicherheit (klare, ehrliche Informationspolitik bzgl. der Arbeitsplatzsicherheit und bevorstehender Personalverä nderungen), die Auseinandersetzung mit dem Bedürfnis nach sozialer Einbindung (aktive Einbindung in operative Integrationsteams; soziale Anerkennung etc.), die Auseinandersetzung mit dem Wunsch nach Leistungsanerkennung (Schaffung von Mö glichkeiten der aktiven Mitgestaltung) sowie die Auseinandersetzung mit dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im neuen Unternehmen (Aufzeigen und Promotion von Entwicklungsmö glichkeiten; Laufbahnplanung etc.). Das HR-Management kann diese Aufgaben nicht alleine bewä ltigen. Die Umsetzungsverantwortung liegt letzten Endes bei den leitenden Führungskrä ften selbst. Dies setzt voraus, daß gerade die Führungskrä fte des Integrationsmanagements die Zusammenhä nge zwischen diesen Bedürfnisfeldern erkennen und in Managementstil und Führungsverhalten aktiv berücksichtigen. Menschliche Interaktionen bedingen Spannungen und Konflikte. Ihre Ursachen liegen in den unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Handlungsperspektiven,
42 Vgl. Wismeth (2002) 43 siehe Salzgeber (2001)
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Wünschen, Interessen und Meinungen. Da Projektmanagement 44 durch die intensive Zusammenarbeit in Teams gekennzeichnet ist und in der hier diskutierten Form des Integrationsmanagements zusä tzlich den Aspekt der konfliktträ chtigen ik Ü berschneidungssituationen beinhaltet, müssen Spannungen in der Kooperation zum Gegenstand eines aktiven Konflikt-Managements gemacht werden. Gute Projektmitarbeitende müssen Konflikte als etwas Normales, als zu lö sende Probleme und gemeinsame Lernchancen ansehen und im Stande sein, zu erkennen, daß Konflikte oft auch konstruktive Wirkungen haben kö nnen, indem sie im Idealfall die Reflexivitä t im Team fö rdern und dazu führen, daß bestimmte Komponenten im Projekt neu überdacht und bessere, vielleicht synergetische Lö sungen generiert werden. Aus interkultureller Perspektive sind dabei drei Aufgaben bzw. Anforderungen für das Konflikt-Management impliziert: erstens müssen Konflikte als solche erkannt und auf ihre Ursä chlichkeit zurückgeführt werden; zweitens muß die interkulturelle Dimension einer Konfliktentwicklung reflektiert und bewuß t gemacht werden; und drittens müssen die Beteiligten die Lö sungsorientierung aufbringen, aktiv und sachlich an der Verbesserung der gemeinsamen Wertschö pfung zu arbeiten anstatt sich in einer Konfliktspirale zu verlieren. Salzgeber (2001) unterscheidet Konflikte zwischen den Fusionspartnern bzw. zwischen den Mitgliedern eines Integrationsteams auf einer Sachebene und einer psycho-sozialen Ebene (Vgl. Abbildung 6): Konflikte bei einer Fusion
Sachkonflikte
Zielkonflikte
Wahrnehmungskonflikte
Psycho-soziale Konflikte
Zwischen Fusionspartnern innerhalb eines Projektteams
Prozedurenkonflikte
Wertekonflikte
Beziehungskonflikte
Rollenkonflikte
Verteilungskonflikte
Abbildung 6: Arten von Konflikten nach Salzgeber (2001) 44 in der Literatur oft als „ permanentes Konfliktmanagement“ bezeichnet
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„Sachbezogene Konflikte sind inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, die auf einen unte rschiedlichen Informationsstand oder auf kontroverse Ansichten zur ückzuführen sind. Um Sachkonflikte zu lösen, müssen die Parteien die Alternativen gegeneinander abwä gen und deren Konsequenzen für das Projekt aufzeigen. Dadurch wird eine Entscheidungsgrundlage f ür die nachfolgenden Diskussionen und Gesprä chsrunden geschaffen. Die Konflikte auf der Sachebene lassen sich weiter untergliedern in Ziel-, Wahrnehmungs-, Prozeduren- und Verteilungskonflikte ... -
Stellen die Projektbeteiligten verschiedene Zielsetzungen, entstehen Zielkonflikte.
-
Wahrnehmungskonflikte ergeben sich aus differenzierten Vorstellungen über die Realitä t.
-
Prozedurenkonflikte sind Uneinigkeiten über den Ablauf des Projektes oder der Arbeitsweise in der neuen Organisation.
-
Verteilungskonflikte umfassen Unstimmigkeiten über die Zuteilung von Ressourcen und Personal. Da bei einer Fusion ein neues Organigramm gebildet werden muß, entstehen Verteilungskonflikte auch in Form von einem Wettbewerb um Arbeitsplä tze, Aufgaben und Einkommen.
Konflikte treten auch auf der psycho-sozialen Ebene auf. Im Extremfall müssen zu ihrer Beseitigung sogar Teammitglieder oder Unternehmensangehörige ausgetauscht werden. Die persönlichen Konflikte werden in Werte-, Beziehungs- und Rollenkonflikte unterteilt. -
Wertekonflikte entstehen, wenn die Projektbeteiligten unterschiedliche Wertvorstellungen und Einstellungen haben. Bezogen auf eine Fusion können die daraus resultierenden Spannungen auch als Kulturkonflikte bezeichnet werden.
-
Beziehungskonflikte haben ihre Ursachen im persönlichen Bereich. Antipathie, Mißtrauen, Vorurteile und Rivalitä t spielen eine wesentliche Rolle.
-
Werden die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Projektmitarbeitenden ungenügend geklä rt, entstehen Rollenkonflikte (a.a.O., S. 106).“
Idealerweise werden prä ventive Maß nahmen zur Konfliktvorbeugung ergriffen. Treten jedoch Konflikte auf, stellt die Fä higkeit zu deren Lö sung einen zentralen Erfolgsfaktor des Integrationsmanagements dar. Es kommt darauf an, wie Konflikte ausgetragen und gelö st werden. Unaufmerksamkeit oder Ignoranz kann für Entwicklung von Projekten verheerende Folgen haben. Konflikte wirken dadurch negativ auf den Projekterfolg, daß sie die Durchsetzung sachlicher, produktiver Lö sungen erschweren oder gar verhindern. Generell tragen offene Kommunikation, Selbstreflexion und Objektivitä t dazu bei, Reibungen in der konkreten Handlungssituation auf ihre Ursä chlichkeit zurück zu führen und aus einer Meta-Perspektive wieder zu einer konstruktiven Kooperation zurückzukehren. Im interkulturellen Kontext ist diese Mö glichkeit des Konflikthandlings jedoch einsichtiger Weise erschwert 45.
45 Vgl. Moran/Harris/Stripp (1993); Kopper (1992); Elashmawi/Harris (1993)
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Die interkulturelle Dimension der psycho-sozialen Konflikte ergibt sich aus den spezifischen Bedingungen der interkulturellen Interaktion46; die der Sachkonflikte ist Konsequenz der oben skizzierten interkulturellen Divergenzen im Prozeß Management47. Charakteristisch für die Interkulturalitä t von Konflikten ist, daß Wahrnehmungen, Schluß folgerungen und Problemanalysen auf die im eigenkulturellen Kontext gewohnten Standards und Regeln bezogen werden; und aufgrund von Zeitdruck, aus Schutz der eigenen Interessen etc. die objektive Reflexion des Sachverhaltes und der anderen Perspektive sowie die Metakommunikation umgangen werden. Als Konsequenzen lassen sich hä ufig die Entwicklung und Verhä rtung von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber dem Fusionspartner sowie die daraus resultierenden Dominanzgebä rden des stä rkeren und die Reaktanztendenzen des schwä cheren Partners beobachten. Interkulturelle Kompetenz bedeutet demnach auf Seiten der MergerVerantwortlichen, Systeme der Aufklä rung und Unterstützung i.S. eines allgemein definierten Konflikt-Managements zur Verfügung zu stellen. In erster Linie bezieht sich ikK jedoch auf die Ebene desjenigen Managements, welches den Integrationsprozeß aktiv gestaltet; auf dieser Ebene muß die Fä higkeit gegeben sein, Konflikten vorzubeugen und Reibungsverluste in allen Bereichen der Kooperation zu minimieren. Alle drei, hier skizzierten Bereiche – Prozeß -, People- und Konflikt-Management – stellen also bestimmte Anforderungen an das Führungs- und Kooperationsverhalten der Beteiligten, die aus der Interkulturalitä t des Mergers erwachsen bzw. aus ihr genä hrt werden. Im folgenden Abschnitt wird vor diesem Hintergrund versucht, das Konstrukt interkulturelle Kompetenz für den vorliegenden Problembereich auf den drei Ebenen – personale Kompetenz, interaktive Kompetenz und ik-Lernen – zu systematisieren.
2.2 Interkulturelle Kompetenz – Person, Interaktion und interkultureller Lernprozeß Wie oben ausgeführt, überträ gt sich die Interkulturalitä t des Mergers durch die konkrete Zusammenarbeit im Team auf die vielfä ltigen Aufgabenfelder des Integrationsmanagements. Interaktion bzw. Kommunikation sind demnach zentrale Erfolgsfaktoren; die Beteiligten müssen über das nö tige Quantum an Interaktionsfä higkeit bzw. Sozialkompetenz verfügen. Aufgrund eben der Bedeutung der ik 46 Vgl. Layes (2000) 47 Vgl. Eberhardt (2002)
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Ü berschneidungssituation, reicht es jedoch nicht aus, die Kompetenzkriterien auf der Ebene der gewö hnlichen sozialen Interaktion zu suchen. Interkulturelle Kompetenz ist grundsä tzlich vom Konzept der Sozial-Kompetenz abzugrenzen. Sozialkompetenz verstanden als das „ [...] erfolgreiche Realisieren von Zielen und Plä nen in sozialen Interaktionssituationen, bedingt durch die Produktion situationsangemessenen Verhaltens [...]“ 48 erfordert von den teilnehmenden Interaktionspartnern, auf ä quivalente Referenzsysteme zurückzugreifen49. „Im Falle einer interkulturellen Begegnungssituation kann [jedoch] weder mit einem hohen Maßan gemeinsam geteiltem Hintergrundwissen und entsprechend ä hnlicher Situationsdefinition, Anforderungsbestimmung, Zielen und Plä nen noch mit übereinstimmenden Bewertungen situations- und zielangemessenen Handelns oder leichter kommunikativer Verstä ndigung über so komplexe Vorgä nge gerechnet werden. [...] Interkulturelle Kompetenz, so lä ßt sich folgern, ist nicht einfach nur eine etwas komplexere Art sozialer Handlungskompetenz, s ondern sie besitzt eine eigene Qualitä t und Dynamik. Es ist allerdings anzunehmen, daßein gewisses Maß an sozialer Handlungskompetenz im hier definierten Sinne der Entwicklung i n50 terkultureller Kompetenz durchaus förderlich ist“ .
Die Tatsache, daß die soziale Wahrnehmung aus Gründen der biologischen Adaptivitä t durch eine Reihe heuristischer Informationsverarbeitungsfunktionen (Wahrnehmungserleichterung, Wahrnehmungsabwehr, -akzentuierung und – selektion; zeitliche Ausdehnung, Analogieschluß , Ü bertragung, Generalisierung, Objektivierung und spezifische Attributionsleistungen bei Schluß folgerungen; sowie Stereotypisierung, Vorurteilsbildung etc. bei Kategorisierungsprozessen) restringiert ist, wird damit für Menschen, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten sozialisiert wurden, zum Interaktionsproblem. Denn die im eigenkulturellen Handlungssetting (im Mittel) hochgradig adaptiven Funktionen, welche erst eine flexible, ö konomische Umwelt- und Problembewä ltigung ermö glichen, verleiten die sich gegenseitig fremden Interaktionspartner in interkulturellen Ü berschneidungssituationen zu basalen Attributionsfehlern: Trotz dem Wissen um die kulturelle Andersartigkeit des Interaktionspartners beziehen sich Menschen bei der Verhaltensattribution und Problemanalyse auf ihre gewohnten, im Verlauf des Sozialisations- und Enkulturationsprozesses internalisierten Standards und Regulationsmechanismen. Aufgrund automatisierter, nicht bewuß tseinspflichtiger psychischer Funktionen kommt es im Allgemeinen nicht zu weiterführenden Reflexionsleistungen sowie zur Ü bernahme der Perspektive des Interaktionspartners oder gar zum Einbezug der meta-kommunikativen Ebene in die interkulturelle Interaktion. Insbesondere problembeladene, energetisch geladene Interaktionen führen damit nicht automatisch zu interkulturellen Lernpro48 Thomas( 2002), S. 23 49 Vgl. Eckensberger (1996) 50 Thomas (2002), S. 24f
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zessen, sondern tragen vielmehr zur Entwicklung und Verhä rtung stereotypisierender und vorurteilsorientierter Attributions- und Urteilsmuster bei und erhö hen damit die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktspirale 51 sowie des damit – gerade für asymmetrische Wirtschaftskooperationen wie Akquisitionen – verbundenen „ Dominanz-Reaktanz-Konfliktes“ 52. Konsequenz sind Reibungsverluste in allen Bereichen des Integrationsmanagements, in welchen die Fusionspartner auf enge Kooperation angewiesen sind. Fazit hieraus ist, Interkulturelle Kompetenz als diejenige Fä higkeit zu verstehen, Interaktionsprobleme und Kommunikationsbarrieren pro-aktiv zu vermeiden bzw. zu klä ren sowie gemeinsame und akzeptable Problemlö sungen im Kontext kultureller Ü berschneidungsituationen zu bewerkstelligen. Im Rahmen der Forschungen der letzten 40 Jahre vollzog sich eine Verä nderung, die dem allgemeinen Paradigmenwandel in der Psychologie gefolgt war53: als Variablen, die mit Interkultureller Kompetenz in Zusammenhang stehen, wurden zum einen Persö nlichkeitsfaktoren54, zum anderen situative Faktoren55 sowie auch interaktionistische Wirkmechanismen56 identifiziert. Der überwiegende Teil der Untersuchungen bezog und bezieht sich dabei auf eignungsdiagnostische Ü berlegungen im Rahmen von Auslandsentsendungen von Managern und Militä rpersonal. Ü ber Ansä tze zur Theoriebildung hinaus wurden jedoch die Operationalisierung konkreter Kriterien, an denen ikK zu messen ist, die Integration der vielfä ltigen Befunde in kohä rente, valide Modelle sowie sowohl die einheitliche Begriffsbildung als auch die Spezifizierung bzw. Adaptation des Konzepts hinsichtlich divergenter Problem- und Objektbereiche – wie bspw. im Kontext der M&A-Thematik - bisher vernachlä ssigt. Die meisten Studien und Abhandlungen werden auch heute noch eindeutig von eigenschaftstheoretischen Ansä tzen und personalistischen Vorstellungen dominiert.57 Im Rahmen diagnostischer und evaluativer Fragestellungen geht es dieser Forschungsrichtung darum, Persö nlichkeitsmerkmale erfolgreicher Expatriats zu beschreiben. Wie Deller (1996) - als Kondensat mehrerer empirischer Erhebungen – herausstellt, lassen sich diesbezüglich Empathie, Respekt, Interesse an der lokalen Kultur, Flexibilitä t, Toleranz und fachliche Fä higkeiten als die für den Auslandserfolg maß geblichen Persö nlichkeitsmerkmale zusammenfassen. Diese
51 52 53 54 55 56 57
Vgl. Thomas (1996) Vgl. Eberhardt (2000) Vgl. Stahl (1998), S. 53 zum Ü berblick Deller (1996); vgl. auch Gardner (1962) Vgl. Detweiler/Brislin/McCormack (1983) Vgl. Furnahn/Bochner (1986) Vgl. Gardner (1962)
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Ergebnisse werden von einer Vielzahl von Studien - insbesondere typologisch motivierten Untersuchungen – unterstützt.58 Einige dieser Befunde liegen bereits eine beträ chtliche Zeit zurück. Im Kontext der vorliegenden Arbeit bleibt jedoch festzuhalten, daß der eigenschaftstheoretische bzw. personalistische Zugang zur Systematisierung ikK, der hinter diesen Untersuchungen steht, trotz seiner Unzulä nglichkeit hinsichtlich der Anforderungen wissenschaftlicher Theoriebildung einerseits und der Lö sung dringlicher Praxisprobleme anderseits sowie der sich mehrenden Kritik sehr weitreichende Auswirkungen auf die Arbeits- und Denkweise auch zeitgenö ssischer Personaldiagnostiker hat.59 Dies liegt nicht zuletzt daran, daß gerade auf dem Gebiet der Interkulturellen Eignungsdiagnostik - welches nach derzeitiger Forschungslage im Vergleich zu anderen interkulturellen Problemfeldern, wie z.B. Training, eher stiefmütterlich behandelt wird – der Impetus zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung direkt aus praktischen Problemlagen erwä chst, und somit Konzepte, Erklä rungen und Ergebnisse durch schnelle Verfügbarkeit, augenscheinliche Plausibilitä t und zum besseren Verstä ndnis bewuß t niedrig gehaltene Komplexitä t zu überzeugen haben. Was verstä ndlicherweise auf der Strecke bleibt ist eine adä quate theoretische Fundierung der dargestellten Konstrukte sowie der Rückbezug auf Ergebnisse der Grundlagenforschung. 60 Wie Eberhardt (in Vorb.) auf der Grundlage von Thomas (2002) zeigt, lassen sich in den oben skizzierten Handlungsbereichen – Prozeß -, People- und KonfliktManagement – verschiedene Teilleistungen identifizieren, aus denen sich interkulturell kompetentes Verhalten zusammensetzt: Die kulturelle Andersartigkeit des Interaktionspartners muß in ihrer relativen Bedingtheit und gemä ß ihrer Bedeutung für den sozialen Handlungsprozeß erkannt werden (interkulturelle Wahrnehmung) und Wissen und Kenntnisse über das fremdekulturelle Orientierungssystem sowie die ihm inhä rente Handlungslogik müssen erworben werden (interkulturelles Lernen). Weiter muß die Fä higkeit gegeben sein, dem fremdkulturellen System Akzeptanz und Respekt entgegenbringen zu kö nnen (interkulturelle Wertschä tzung) sowie das eigene Denk- und Handlungssystem relativieren, die relative Sinnhaftigkeit des fremdkulturellen System erkennen und die Bedingungsmuster der interkulturellen Interaktion und ihrer Determiniertheit verstehen zu kö nnen (interkulturelles Verstehen). Auf der Grundlage von Empathie und partieller Perspektivenübernahme (interkulturelle Sensibilitä t) kö nnen Handelnde 58 Vgl. Sewell/Davidsen (1956); Nash/Shaw (1963); Useem (1966); Gardner (1962); Gudykunst/Hammer/Wiseman (1977); Harris (1973); Brislin (1981); Fritsch (1990); Kealey/ Ruben (1979) 59 Vgl. Deller (1996) 60 Vgl. Thomas (2002)
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dann zielführend und kulturadä quat Einfluß auf Gestaltung und Verlauf des interkulturellen Interaktionsprozesses nehmen. Thomas (2002) bezieht seine Begriffsdifferenzierung ikK’ implizit zum einen auf die Prozeß haftigkeit der situativen Entfaltung interkulturell kompetenten Handelns und zum anderen auf die Entwicklung ikK verstanden als iterativen Lernprozeß . Er arbeitet damit die psychologischen Voraussetzungen bzw. Bedingungen der Erfolgsfaktoren heraus, wie sie oben in Anlehnung an Forstmann durch die Auflistung der Grundkompetenzen formuliert worden sind. Die von Thomas formulierten Teilleistungen stellen also auch in der ik Auseinandersetzung eines Mergers brisante Herausforderungen dar. Für die Diagnose und Beurteilung ikK im Rahmen von Assessments und Audits, impliziert diese Differenzierung die zentralen Analysekriterien. Zwei Arbeiten, in welchen sich die Ü berlegungen Thomas’ (2001) in sehr differenzierter Form wiederfinden, sind die von Gabriel Layes (2000) sowie von Barbara Hatzer (2000) verfaß ten Studien zu den „ Grundformen des Fremderlebens“ sowie zur „ Erfassung interkultureller Handlungskompetenz unter Berücksichtigung der lernpsychologischen Basisannahmen des Reject Learning“ . Beide Arbeiten stützen sich grundsä tzlich auf einen handlungstheoretischen Ansatz, verstehen interkulturelle Handlungskompetenz (ikHK) implizit als „ System dynamischer Person-Situation-Interaktionen“ 61 und sind damit State of the Art der ik Forschung. Wä hrend sich Layes’ Ansatz im vorliegenden Kontext dazu eignet, die Betrachtungsebene der interaktiven Kompetenz abzudecken, kö nnen Hatzers Ergebnisse zur Beschreibung der personalen Kompetenz herangezogen werden. Im Rahmen Hatzers Studie lag – analog zur vorliegenden Arbeit - der Fokus auf der Identifizierung von Indikatoren zur Erfassung interkultureller Handlungskompetenz, wobei maß geblich die Konzepte von Stahl (1998), Brislin, Landis & Brandt (1983) und Taylor (1994) sowie die Basisannahmen des Konstruktivismus und der Theorie des Situated Learning, inklusive deren Umsetzung in interkulturellen Trainings, als theoretische Grundlagen dienten. Hatzer zeigt Parallelen auf, welche die bisherigen Befunde der interkulturellen Kompetenzforschung mit den Grundannahmen des Situated Learning verbinden. Durch die Analyse bestehender Kompetenzkonzepte wird der Blick dafür geschä rft, welche Aspekte bei der Erfassung ikHK als relevant i.S. ihrer Handlungswirksamkeit erachtet werden müß (t)en. Vor dem Hintergrund der Differenzierung ikHK hinsichtlich ihrer Bedeutung als Situationsmanagement (Thomas, 1996), als Soziales Phä nomen (Funrnham & Bochner, 1986), als Situierte Aktivitä t (Taylor, 1994) und Interkulturelle Transformation (Kim, 1991) systematisiert Hatzer die Implikationen der in 61 Moser (1991), zit. n. Sarges (2000), S. 18
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der Literatur diskutierten Konzepte im Rahmen eines Kompetenzprofils. Dieses Profil besteht aus den vier Dimensionen ... - „ Wahrnehmungssensitivitä t“ - „ Orientierungswissen“ - „ Handlungswissen“ sowie - „ Lernmotivation und -fä higkeit“ , ... die Hatzer anhand von sechzehn Kriterien konkretisiert. Die Autorin hat ihre theoretische (Neu-)Konzeption ikHK im Rahmen einer empirischen Untersuchung überprüft und damit ein valides Diagnose-Konzept zur Verfügung gestellt.62 Der in den Ergebnissen Hatzers (2000) implizierte Kompetenzbegriff basiert im wesentlichen auf der Fä higkeit zum Wechsel kultureller Perspektiven bzw. zur Einnahme multipler Handlungsperspektiven. Wä hrend Hatzer diesen Aspekt auf der personalen Ebene betrachtet und expressis verbis im Kontext individualdiagnostischer Ü berlegungen beschreibt, geht Layes (2000) in seinem Ansatz auf die Ebene der zwischenmenschlichen Interaktion ein. Layes (2000) konzipiert in seiner Arbeit ein handlungstheoretisches Modell des Erlebens und Verarbeitens von Fremdheitserfahrungen in interkulturellen Interaktionen. Das Modell ermö glicht es, die vielfä ltigen interkulturellen Interaktionsprobleme theoretisch zu lokalisieren und somit fundierte praktische Konsequenzen für die Konzeption, Durchführung und Evaluation von Interventionen zur Fö rderung interkultureller Interaktionsfä higkeit abzuleiten. Die Entwicklung des Modells nimmt seinen Ausgang in der Auseinandersetzung mit einem zentralen Grundproblem der Interkulturellen Psychologie: soziale Interaktion. Layes zeigt, daß diese als Untersuchungseinheit für die Deskription und Analyse interkultureller Phä nomene auf theoretischer Ebene hergenommen werden kann. Die multiperspektivische, aus dem Blickwinkel verschiedenster psychologischer Teildisziplinen erfolgende Betrachtung führt Layes zu dem Ergebnis, soziale Interaktion als Struktur darstellen zu kö nnen, in der zwei oder mehr Subjekte gleichzeitig auf einen gemeinsamen Interaktionsgegenstand und aufeinander bezogen sind. Durch diese Struktur werden drei Ebenen aufgespannt: „Eine ‚sachliche’ Ebene der Interaktionsgegenstä nde, eine ‚interpersonale’ Ebene der Beziehungsverhä ltnisse und eine ‚historische’ Ebene der handlungsleitenden Konzepte, die die Akteure in die Interaktion hineintragen“ (a.a.O., S. 138).
62 Ergebnis Hatzers Arbeit ist ein ‚interkulturelles Kompetenzprofil’ bestehend aus zwö lf Indikatoren. Die Einteilung der Indikatoren in obige Dimensionen erwies sich nach empirischer Ü berprüfung als valides Raster und kann nach geringfügiger Ü berarbeitung in der Praxis herangezogen werden.
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Die drei Ebenen bieten Orientierungspunkte, an denen die Interaktionspartner ihr Handeln ausrichten (kö nnen). Verknüpft mit diesen Ebenen sind verschiedene Handlungstypen sowie verschiedene Orientierungsmuster, welche diesen Handlungstypen zugrunde liegen. Die in diesen Handlungsorientierungen zum Ausdruck kommenden Selbst-, Fremd- und Weltverhä ltnisse verschieden-kultureller Interaktionspartner kö nnen nach Layes im Hinblick auf die sozial gedeutete Mitwelt als Grundformen des Fremderlebens bezeichnet werden. Auf theoretischer Ebene lä ß t sich aus Layes’ Arbeit die Forderung ableiten, sich in der Interkulturellen Psychologie künftig intensiver mit den Strukturen der sozialen Handlung und dem Problem der Interpretation fremder Sinnwelten auseinandersetzen zu müssen. Als Implikation für die organisations-psychologische Praxis kann Layes zeigen, daß unterschiedliche Handlungsorientierungen als Partialkompetenzen einer umfassenden interkulturellen Interaktionsfä higkeit aufgefaß t werden und damit zur Initiierung interkultureller Lernprozesse nutzbar gemacht werden kö nnen. Die Implikationen, welche Layes’ Arbeit für den Problembereich Diagnostik ikHK und damit für die vorliegende Fragestellung besitzt, sind aufs Engste mit seiner Definition interkultureller Interaktionsfä higkeit verbunden: er versteht darunter die Fä higkeit, eine interkulturelle Interaktion gleichzeitig aus einer Problembewä ltigungs-, Beziehungs- und Klä rungsperspektive sehen und konkrete Handlungen auf denjenigen Ebenen vollziehen zu kö nnen, die unter Berücksichtigung der Perspektiven des fremdkulturellen Interaktionspartners am situationsangemessensten erscheinen. Das Modell geht davon aus, daß interkulturelle Probleme aus der interpersonalen Inkongruenz unterschiedlicher Bezugspunkte/Typen einer Handlung erwachsen. So sind bspw. Konflikte und Konfusionen 63, die sich aus der Konfrontation von High- und Low-Context Communication ergeben, oftmals als Aufeinanderprallen bzw. situative Inkompatibilitä t eines zielund beziehungsorientierten Fremdverhä ltnisses zu interpretieren. Die Entwicklung Interkultureller Handlungskompetenz sieht Layes vor dem Hintergrund seiner Modellbildung als „ dreifache Lernaufgabe“ : - erstens müssen interkulturell Handelnde lernen, für andere Situationsangebote rezeptiv zu werden als für diejenigen, auf die sie aufgrund ihrer individuell und kulturell bedingten Wahrnehmungs- und Kognitionsschemata üblicherweise fokussieren; - zweitens müssen sie lernen, auf diese Weise „ neu“ entstehende Situationen zu konzeptualisieren;
63 Vgl. Watzlawick (2000)
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und drittens müssen sie die Fä higkeit entwickeln, diese neuen Konzepte wieder in ziel-, beziehungs- und klä rungsorientiertes Handeln zu ‚übersetzen’ und in kommenden Interaktionssituationen als erweitertes und flexibilisiertes Verhaltensrepertoire verfügbar zu machen.
Die Arbeiten Hatzers und Layes liefern sowohl theoretisch fundierte als auch empirisch überprüfte Konzeptionen interkultureller Handlungskompetenz. Die von Thomas (2002) differenzierten Teilleistungen ikK werden durch diese Konzeptionen auf eine Abstraktionsebene heruntergebrochen, welche als Grundlage für die Operationalisierung einzelner Konstrukte dient und damit den empirischen Zugang zur Beschreibung und Prognose ikHK ermö glicht. Unmittelbares Fazit hieraus für die Diagnostik ist es, die von Hatzer aus der personalen und von Layes aus der sozialen Perspektive beschriebenen Anforderungen im Assessment bzw. Management Audit als zentrale Prüfparameter heranzuziehen. Da Management Audits nicht nur statische personaldiagnostische Aussagen, sondern auch Ü berlegungen, welche die Potenzialanalyse und die Unterstützung des Management-Developments sowie der Organisationsentwicklung betreffen, sollen abschließ end noch auf die Entwicklung ikHK’ sowie den damit verbundenen individuellen und auch organisationalen Lernprozeß eingegangen werden: Rückgreifend auf die in Abbildung 3 mit Hilfe des Kulturstandard-Paradigmas dargestellte Ursä chlichkeit ik Problematik (vgl. 2.1.1) kann der individuelle Lernprozeß als Erweiterung und Flexibilisierung des durch normative Standards prä -dispositionierten Verhaltensspielraums verstanden werden. 64 Der im Modell (Abbildung 7) dargestellte Handlungsraum bezieht sich auf die „ kulturelle Mikroebene eines Individuums“ 65; das Modell integriert dabei mehrere Annahmen über den ik Lernprozeß : - Individuelle Verhaltensdispositionen drücken sich als Oszillationsbereiche auf Kulturstandard-Polaritä ten in verschiedenen Kulturstandarddimensionen aus (vgl. 2.1.1). - Der Oszillationsbereich markiert den individuellen Mö glichkeitsraum. - Die individuelle Performanz als Ausdruck einer bestimmten Kulturstandardausprä gung ist abhä ngig von der konkreten Handlungssituation und Umfeldvariablen. - Die Kompetenzerweiterung besteht in der Mö glichkeit zur Erweiterung des individuellen Mö glichkeitsraums und - damit impliziert – in der Verhaltens-
64 Vgl. Geier (2000) 65 Geier (2000), S.209
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flexibilisierung sowie der Verhaltensdisponibilitä t für künftige Handlungssituationen. Das Modell zeigt einen dreidimensionalen individualkulturellen Mö glichkeitsraum in situativer Ausgestaltung mit entsprechendem interkulturellen Lernpotenzial. Die Situationsabhä ngigkeit wird durch die Projektion der situativen Differenziale in die Ebene verdeutlicht. In der Horizontale sind die Kulturstandardpolaritä ten (vgl. 2.1.1) abgetragen und in der Vertikalen die Ausprä gungen des Mö glichkeitsraums. Durch die Berücksichtigung der situativen Differenzierung entsteht ein dreidimensionaler Handlungsraum. Das Lernpotenzial ergä nzt (über die iterative Erweiterung des latenten Mö glichkeitsraums und des Prä ferenzraumes und mittels positiver und negativer Rückkopplungseffekte66) den Mö glichkeitsraum in Richtung der Kulturstandard-Polaritä ten. Die Schnittflä chen parallel zur Abszisse trennen im Modell die vier in Abbildung 3 dargestellten Kulturstandard-Dimensionen voneinander. Interkulturelle Kompetenz kann demnach als ein sich verbreiterndes Spektrum an Verhaltensmö glichkeiten (Verhaltensdisponibilitä t) sowie als stetig wachsende Verhaltensflexibilitä t i.S. eines (bewuß t) gesteuerter Oszillationsprozeß zwischen adaptiven Gegensä tzen 67 verstanden werden. Auf der organisationalen Ebene ist die Voraussetzung für interkulturelles Lernen, daß ein Unternehmen fä hig ist, das Wissen aus den individuellen und kollektiven Lernprozessen aufzunehmen, zu speichern und weiterzugeben. Dieser Lernprozeß selbst ist aufs Engste mit dem Culture Development verknüpft. Nachfolgende Abbildung 8 zeigt im stark vereinfachten Schema den Kreislauf von Kultur Managementverhalten – Verhaltensbewertung/-regulation - Kommunikation und ergä nzt diesen um jene Mö glichkeiten der Einfluß nahme durch PE- und ODMaß nahmen, welche i.A. Konsequenzen eines Management Audits sein kö nnen: - „ Einstellung und Entwicklung kultur-adä quater Mitarbeiter und Managementressourcen“ - „ Trennung von maladaptivem, verä nderungsresistentem und reaktantem Management“
66 Vgl. Geier (2000), S. 187ff. 67 Vgl. Demergon/Molz (1996)
89
Abbildung 7: Das Modell der Individualkultur: individualkultureller Möglichkeitsraum in situativer Ausgestaltung mit interkulturellem Lernpotenzial nach Geier (2000)
90
Einstellung und Entwicklung ‚kultur-adä quater’ Managementressourcen
Trennung von maladaptivem, verä nderungsresistentem und reaktantem Management
‚ Corporate Culture’
Orientierungssystem
Kommunikation
Managementverhalten
Verhaltensbewertung & -regulation
Abbildung 8: Angriffspunkte des Culture Developments in Anlehnung an Forstmann (1994) Im Prozeß des organisationalen Lernens lassen sich nach Argyris/Schö n (1978) drei Ebenen des Lernprozesses unterscheiden: Als Anpassungslernen (single-loop learning) wird die effektive Adaption an vorgegebene Ziele und Normen durch die Bewä ltigung der Umwelt bezeichnet. Auf dieser Ebene werden Stö rungen oder Fehlerquellen erkannt und Strategien zu ihrer Beseitigung entwickelt und durchgeführt. Die Anpassungsleistung findet jedoch lediglich im Bereich der sichtbaren Oberflä chenstruktur, wie beispielsweise Handlungsroutinen, Standardprozeduren oder Ablaufprozessen statt; die organisationale Tiefenstruktur, Normen, Werte, Einstellung etc. werden nicht verä ndert. Damit ist Anpassungslernen die einfachste Lernform. Es findet lediglich eine Verä nderung der zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen und Fä higkeiten statt (Fehlerdetektion, Effizienzsteigerung); Lernen ist auf dieser Ebene als Verhaltensmodifikation zu verstehen, nicht aber als wertbasierte Neuausrichtung, wie sie durch den grundlegenden Anspruch des Culture Developments impliziert ist. Die nä chsthö here Lernebene bezieht sich auf das Verä nderungslernen (doubleloop-learning). Hierbei geht es um die Problemerkennung sowie die Offenlegung und Explikation von Konflikten; organisationsinterne Normen und Werte werden kritisch hinterfragt und modifiziert. Das Lernen auf dieser Ebene geht also über das passive Anpassen des single-loop-learning hinaus. Verä nderungslernen erfolgt durch die Transformation von Werten und Normen; erst die Offenlegung der 91
Welt- und Leitbilder und der teilweise verborgenen und eng mit Identitä tsfragen (von Person und Organisation) verbundenen Grundannahmen sowie die kritische Prüfung dieser i.S. eines kulturbezogenen Reflexionsprozesses verä ndert die kulturelle Tiefenstruktur. Dies gestaltet sich problematisch, da die auf dieser Tiefenstruktur wirksamen Standards und naiven Theorien von der offiziell kommunizierten Corporate Culture oftmals erheblich abweichen und ihre kritische Reflexion nicht selten tabuisiert wird. Die hö chste Stufe des Lernens bezieht sich auf den Lernprozeß an sich. Das Prozeß lernen (deutero-learning) ist als Metakompetenz zu verstehen, welche die beiden ersten Lernebenen einschließ t; die Qualitä t, welche auf dieser Ebene hinzukommt, ist das Verstä ndnis um die Funktionsweise und die Interdependenz von single- und double-loop-learning sowie die Bewuß tmachung der Mö glichkeit zu Einfluß nahme. Aus diesem kurzen Abriß des Ansatzes von Argyris/Schö n kö nnen einige grundlegende Aussagen über die interkulturell kompetente Organisation gefolgert werden: Eine Organisation erwirbt auf der ersten Ebene des single-loop-learning nur sehr einfache Problemlö seroutinen. Eine Reduktion auf Anpassungslernen ist demnach nur innerhalb einer stabilen, sich nur gering verä ndernden Umwelt sinnvoll. Auf den Kontext managementnaher interkultureller Kommunikation und Interaktion trifft dies – wie oben ausgeführt – aufgrund der Diskontinuitä t, Dynamik und wachsenden Komplexitä t des sozio-kulturellen Integrationsprozesses nicht zu. Wie Stimmen aus Praxis und Forschung gleichermaß en beklagen, findet der Prozeß der interkulturellen Führungskrä ftequalifizierung jedoch allzu oft ausschließ lich nach den Prinzipien des single-loop-learning statt. Dies hat zur Folge, daß der Erwerb ikK’ damit auf einen Prozeß reduziert wird, der sich in Fehlerdetektion und Korrekturmaß nahmen bzw. Reparaturversuchen sowie einseitigen Anpassungsprozessen an gegebene Normen und Standards erschö pft. Konsequenz dieses Defizitansatzes sind die in der Managementliteratur mittlerweile oftmals kritisierten Weiterbildungsansä tze, die auf Vermittlung von reinem Anwendungswissen abzielen; daß mit derartigen Ansä tzen Stereotypisierungen und Vorurteilsbildung und damit Resistenzen in der Organisationsentwicklung oftmals erst angeschürt werden, ist einsichtig68. Lernerfahrungen auf dieser Ebene erfüllen nicht die Kriterien der von den beteiligten Interakteuren geforderten Fä higkeit zum Situations- und Interaktionsmanagement.
68 Vgl. Eberhardt (2000)
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Voraussetzung für ein hö heres (interkulturelles) Lernniveau ist das kritische Hinterfragen, die Reflexion und die aktive Verä nderung existierender situativindividueller Verhaltensdispositionen. Dieser Prozeß kann nur auf der Basis von double-loop-learning geschehen. Double-loop-Lernstrategien beziehen sich auf die selbst-referenzielle Entwicklung eines neuen, flexibleren Mind Set. Die Etablierung des Lernprozesses auf dieser Ebene ist deutlich komplizierter und ressourcenaufwendiger; das zu bewä ltigende Konfliktpotenzial ist wesentlich hö her. Oftmals ist es weitgehend unklar, wie weit der sozio-kulturelle Integrationsprozeß vorangetrieben werden muß . Ü bertragen auf den Bereich des interkulturellen Kompetenzerwerbs bedeutet dies, daß zunä chst noch unklar bleibt, in welche konkrete Richtung die Kompetenzerweiterung stattfinden soll und kann. Grundlage muß hier zum einen die umfangreiche Kenntnis der Mö glichkeitsrä ume beider Kulturen durch eine Cultural Due Diligence sein; zum anderen ist es Voraussetzung, daß das gesamte Spektrum der Kulturstandardpolaritä ten, die eine spezifische Problem- oder Aufgabenstellung betreffen, von den Interaktions- und Kommunikationspartnern akzeptiert und auf ihre situativ-individuelle Effektivitä t hin geprüft werden kann. Kompetenzerwerb impliziert darüber hinaus, die eigenen Kulturstandards und Normen kritisch zu hinterfragen und auf ihren Beitrag zur Konfliktprä vention und – reduktion sowie zu einer effektiven Kommunikation in interkulturellen Ü berschneidungssituationen hin zu überprüfen. Ergebnis dieses Lernprozesses sind value-orientated key skills wie ... - generelle Offenheit, - Ambiguitä tstoleranz, - Flexibilitä t, - Empathie sowie - Akzeptanz und Wertschä tzung anderer (im Pre-Merger Kontext vielleicht sogar ä quifinaler Managementsysteme)69. Durch diese Skills wird Gewohntes reflektiert, in Frage gestellt und letztlich zu Gunsten adaptiverer Verhaltenssysteme verä ndert. Value-oriented key skills sind gewissermaß en Ergebnis eines Lernprozesses – jedoch auch Voraussetzung weiterführender Lernerfahrungen auf der Ebene des deutero-learning. Von Master-Competence kann eigentlich erst auf der Ebene des Prozeß lernens gesprochen werden. Individuelle und teambezogene Lernprozesse werden im kollektiven Gedä chtnis der Organisation zu gemeinsam geteilten Standards aggregiert. Im Hinblick auf den bewuß t gesteuerten sozio-kulturellen Integrations69 Vgl. Geier (2000); Vgl. auch Obermann (2000)
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prozeß muß es deshalb primä res Ziel des HR-Managements sein, die valueoriented skills im Management zu prüfen und stetig weiter auszubauen. Das Fazit dieser Ü berlegungen für die Konzeption und Durchführung von Management Audits im Kontext von M&A ist klar ersichtlich: Alle personalwirtschaftlichen und organisationswissenschaftlichen Bemühungen, welche sich mit Fragen des Culture Fit beschä ftigen, sollten hierunter nicht weiter die statische Anpassungsleistung einer Führungskraft oder gar der gesamten Organisation an top-down vorgegebene Leitbilder verstehen. Vielmehr bezeichnet Culture Fit auf individueller Ebene die dynamische Fä higkeit des interkulturellen Situations- und Interaktionsmanagements – ganz i.S. des Identity Development-Ansatzes70 und damit i.S. einer umfassenden Persö nlichkeitsentwicklung. Auf organisationaler Ebene bezeichnet sie die Entwicklung einer kontinuierlichen Evolutionsfä higkeit einer Lernenden Organisation i.S. des deutero-learning.
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70 Vgl. Sparrow (2000)
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Wissensmanagement im Spannungsfeld interkultureller Mergers & Acquisitions Mike Bartholomä i, Jena
Wissensmanagement bei Mergers & Acquisitions Das gesellschaftliche wie wirtschaftliche Phä nomen der Globalisierung spiegelt sich unter anderem in einer Vielzahl von Mergers & Acquisitions (M&A) wider, die sich derzeit über Lä ndergrenzen und Kontinente hinweg vollziehen. Dabei wird oftmals von einem allzu leichten und harmonischen Aufeinandertreffen und Verbinden vö llig verschiedener, national geprä gter Unternehmenskulturen1 ausgegangen. Allerdings ist es gerade ein potentieller kultureller Misfit, der das Gelingen internationaler M&A besonderen Risiken unterwirft.2 Einer der Hauptgründe für M&A ist der unternehmerische Wunsch nach Wachstum.3 Besondere Wachstumstreiber kö nnen gemeinsame Synergieeffekte durch das Anwenden von Best Practices bei Prozessen und Strukturen, die Diversifikation der Produktpalette, der Einstieg in einen neuen Markt oder aber der Zugang zu neuen Technologien sein.4 Wenn sich Unternehmen zusammenschließ en oder übernommen werden, dann sollen nicht nur Unternehmenskulturen, sondern auch Organisationsstrukturen und IT-Systeme zusammenkommen. Zusä tzlich dazu wird in der jeweiligen Unternehmenskultur auch Wissen unterschiedlich bewertet und dementsprechend eingesetzt. Der vorliegende Beitrag soll die Potentiale und Ansä tze für Wissensmanagement im Umfeld interkultureller M&A beleuchten und durch das Aufzeigen von Problemfeldern Hilfestellung zur Ausgestaltung von gemeinsamen Wissensmanagementsystemen liefern. Im folgenden Abschnitt wird zuerst der Begriff des Wissensmanagements nä her erlä utert und eine Unterscheidung zwischen Daten, Capta, Informationen und Wissen getroffen. Des weiteren wird die Entwicklung von Wissensmanagementtechnologien aus einer historischen Perspektive betrachtet. Der nä chste Abschnitt gibt einen Ü berblick über potentielle Problemfelder des Wissensmanagements bei 1 Unter Unternehmenskultur wird eine „ Grundgesamtheit gemeinsamer Wert- und Normvorstellungen sowie geteilter Denk- und Verhaltensmuster verstanden, die die Entscheidungen, Handlungen und Aktivitä ten der Organisationsmitglieder prä gen“ . Heinen/Dill (1990), S. 17; vgl. auch Christensen/Shu (1999) 2 Vgl. Kinast (1991), Berens/Hoffjan/Strauch (1998) S. 138, S. 140 3 Vgl. Robbins/Stylianou (1999), S. 205 4 Vgl. Hase (1996), S. 2; siehe auch Dahm (1982) und Achleitner (2000)
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interkulturellen M&A und führt in ein Modell zur Analyse von unterschiedlichen Wissensmanagementsystemen ein. Dieses Modell kann für den Strategievergleich bei einem Wissensmanagementprojekt und für die Ermittlung kritischer Erfolgsfaktoren benutzt werden. Welche strategischen Optionen des Wissensmanagements bestehen, wird im vierten Abschnitt aufgezeigt. Der letzte Abschnitt faß t die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen und zeigt künftige Entwicklungstendenzen in diesem noch jungen Forschungsfeld.
Wissensmanagement Was ist Wissensmanagement? In der einschlä gigen Literatur ist Wissensmanagement vor allem seit Mitte der 1990er ein stark an Bedeutung gewinnendes Thema. 5 Neben den klassischen Produktionsfaktoren im Unternehmen wird Wissen immer hä ufiger als zusä tzlicher, immaterieller Faktor zur Erlangung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile betrachtet.6 Aus unternehmerischer Sicht kann Wissensmanagement daher als „ die systematische Nutzung der Ressource Wissen mit dem Ziel, die Leistung der Organisation zu steigern“ 7 definiert werden. Manche Autoren kritisieren jedoch, daß mit „ Wissensmanagement“ nur ein neuer Trendbegriff auf den der „ Learning Organisation“ oder den des „ Business Process Re-engineering“ folgte, ohne daß sich das Konzept grundlegend verä ndert hä tte.8 Der Wissensbegriff hat die Menschheit schon vor Jahrtausenden als Fragestellung der Philosophie beschä ftigt9 und zu einer Vielzahl von unterschiedliche Definitionen angeregt. Besonders treffend definieren Probst/Raub/Romhardt (1999) Wissen als die Gesamtheit der Erfahrungen, Kenntnisse und Fä higkeiten, die Personen zum Lö sen von Problemen einsetzen.10 Aus dieser Definition geht hervor, daß Wissen nicht mit Information gleichzusetzen ist. Für eine genauere Unterscheidung wird in Abbildung 1 eine systemtheoretische Abgrenzung von Daten, Capta, Informationen und Wissen „ auf einem Kontinuum zunehmender Semantik“ 11 dargestellt.12
5 6 7 8 9 10 11 12
Vgl. Scarbrough/Swan (2001), S. 6f; siehe bspw. Drucker (1993); Lloyd (1996); Neef (1999) Vgl. Gaß en (1999), S. 8 KPMG (2001), S. 2 Vgl. Scarbrough/Swan/Preston (1999); Galliers/Newell (2000); auch Prusak (2001), S. 1002 Vgl. Polyani (1966) Vgl. Probst/Raub/Romhardt (1999), S. 36 Probst/Raub/Romhardt (1999), S. 36 Vgl. Checkland (1981); Land (1982); Checkland/Holwell (1998), S. 90
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Kognitive (einschä tzende ) Umgebung
Kontext, Interessen
Bedeutsame Fakten
Beschreibung
Fakten
Ausgewä hlte oder generierte Fakten
Bezeichnung
DATEN
CAPTA
INFORMATIONEN
Grö ß ere, langlebigere Strukturen bedeutsamer Fakten
WISSEN
Abbildung 1: Das Kontinuum von Daten, Capta, Informationen und Wissen nach Checkland/Holwell (1998), S. 90 Mit Daten13 sind symbolische Reprä sentationen von Beobachtungen, Messungen oder Fakten gemeint. Daten haben für sich selbst keine Bedeutung, sondern sind Rohmaterial für zu produzierende Informationen. 14 Um Daten in Informationen umzuwandeln, müssen sie interpretiert werden.15 Dafür ist zunä chst eine Auswahl und Kategorisierung der verfügbaren Daten zu treffen, die auch als Capta bezeichnet wird.16 Im nä chsten Schritt werden Capta in Informationen umgewandelt, indem mit ihnen Bedeutung in einem bestimmten Kontext verknüpft wird.17 Wissen entsteht schließ lich in einem individuellen oder kollektiven Prozeß , welcher miteinander in Beziehung stehende Informationen zu grö ß eren, langlebigeren Strukturen bedeutsamer Fakten vernetzt. 18 Besonders hervorzuheben ist dabei, daß die genannten drei Transformationsschritte menschliche Aktion erfordern und nicht vollstä ndig automatisiert werden kö nnen. Das heiß t, daß Wissensmanagement eine gesunde Balance zwischen Personalmanagementinitiative und informationstechnologischer Umsetzung er13 14 15 16 17 18
Daten: aus dem lateinischen ‚dare’ - geben Vgl. Roberts (2000), S. 430 Vgl. Checkland (1981); Land (1982) Capta: aus dem lateinischen ‚capere’ - nehmen Vgl. Checkland/Holwell (1998), S. 90 Vgl. Checkland/Holwell (1998), S. 90
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fordert, um einerseits Wissensaustausch und -generierung zu fö rdern, anderseits aber auch die Voraussetzungen für eine orts- und zeitunabhä ngige Zusammenarbeit zu schaffen.19 Zur historischen Entwicklung von Wissensmanagementsystemen Betrachtet man die technologische Entwicklung von Wissensmanagementsystemen, so verlief diese anhand des in Abbildung 1 vorgestellten Kontinuums. So waren die ersten Groß rechnersysteme in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts noch auf die elektronische Erfassung von Zahlen beschrä nkt, wodurch der Begriff der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) geprä gt wurde. Durch die stä ndige Zunahme an Datenmengen wurden im Verlauf jedoch immer komplexere Datenmanagementsysteme in Unternehmen benö tigt. Die Einführung von sogenannten Management-Informationssystemen in den 70er Jahren spiegelte eine Ä nderung in den technologischen Bedürfnissen der Unternehmen wieder. Statt der reinen Erfassung und Sammlung der Daten stand nun deren Informationsgehalt im Vordergrund. Management-Informationssysteme erlaubten jetzt die Erstellung von informierenden Berichten, die den Entscheidungsträ gern im Unternehmen relevante Capta prä sentierten. Mit der Einführung des Personal Computers in den 80ern wurden betriebliche Computersysteme um die Mö glichkeit der dezentralen Datenverarbeitung erweitert. Ausschlaggebende technologische Entwicklungen dieser Zeit sind die benutzerfreundlicheren Programmiersprachen der 4. Generation und die sogenannten „ Decision Support Systems“ . Solche Systeme wurden zur Entscheidungsunterstützung entwickelt, zum Beispiel beim Berechnen bestimmter Finanzrisiken für Versicherungen und Banken. Wä hrend das unternehmerische Streben seit Mitte der 80er Jahre durch die Suche nach Effektivitä t und Wettbewerbsvorteilen geprä gt war, richteten sich die Betriebssysteme zu diesem Zeitpunkt noch immer am Informationsbegriff aus. Im zunehmenden Maß e wurde jedoch klar, daß durch solche starren Informationssysteme allein das sich stä ndig verä ndernde Umfeld von Unternehmen nicht mehr zu beherrschen und entsprechend abzubilden sei. Aus diesem Grund verä nderte sich auch die Ausrichtung der Systementwicklung, um ein stä ndiges Lernen, Zusammenarbeiten und Teilen von Wissen zu unterstützen.20 Zukunftsweisende Schlüsseltechnologien umfassen unter anderem das Internet mit all seinen infor19 Vgl. auch die Antithesen zum rein technologischen Ansatz in McDermott (1999); Walsham (2001a) 20 Vgl. Introna (2001); für eine detaillierte Ü bersicht über die Entwicklung von Wissensmanagement siehe auch Wiig (1997), S.6ff.
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matorischen, wie auch kommerziellen Angeboten, CSCW-Systeme21 und Intranets22 sowie objektorientierte Programmiersprachen. Die sichtbar zunehmende Geschwindigkeit der Systementwicklung hä ngt vor allem mit der raschen Erhö hung der Prozeß orgeschwindigkeit von Computern zusammen. 23 Nachdem der Begriff des Wissensmanagements nä her erlä utert wurde, stellt sich nun die Frage nach mö glichen Problemfeldern bei interkulturellen M&A.
Problemfelder des Wissensmanagements bei M&A Das Konzept der Infrastruktur, Infostruktur und Infokultur Zur Umsetzung eines M&A bedarf es einer Due Diligence24 auf vielerlei Ebenen, die eine Prüfung von vorhandenen oder geplanten Wissensmanagementinitiativen mit einbezieht. So sollten von Beginn eines M&A an neben der Kompatibilitä t der informationstechnologischen Grundlagen die Unternehmenskulturen und ihr Einfluß auf den Umgang mit Wissen analysiert werden. Gerade weil eine genaue Untersuchung der Wissensmanagementsysteme jedoch meist vernachlä ssigt wird, soll im folgenden ein Rahmenkonzept vorgestellt werden, welches in M&A involvierte Unternehmen bei der Ermittlung der grundlegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede unterstützen kann. Bressand/Distler (1995) entwickelten das Konzept der Infrastruktur, Infostruktur und Infokultur, um die physischen, organisationalen und sozialen Eigenschaften von Netzwerken25, sowie die Beziehung von Technologie, Organisation und sozialem Arbeitskontext darzustellen. Seitdem wurde dieses Konzept auch im Kontext von Wissensmanagement verwendet, um die Auswirkungen von Netzwerktechnologien auf Unternehmen zu beschreiben.26 Tabelle 1 stellt die Elemente dieses Konzepts vor. Die Infrastruktur stellt den physischen und kommunikativen Kontakt zwischen Mitgliedern des Netzwerks her. Sie besteht aus jeglicher Hard- und Software im Unternehmen, die zur Kommunikation verwendet wird. In einem M&A-Prozeß 21 CSCW: (engl.) computer supported co-operative work, z.B. Groupware wie Lotus Notes – eine Datenbanktechnologie, welche die Zusammenarbeit über Raum- und Zeitgrenzen hinweg unterstützt 22 Intranets (engl.) – Internettechnologie, die das Teilen von unternehmensinternen Daten und Informationen in geschütztem Umfeld ermö glicht 23 Die Prozeß orgeschwindigkeit verdoppelt sich nach Moore’s Law alle 18 Monate. Dieses Gesetz soll noch bis mindestens 2010 Gültigkeit besitzen. (vgl. Wiig (1997), S. 10) 24 Due Diligence (engl.): gebührende Sorgfalt; vgl. Binder/Lanz (1993) 25 Vgl. Bressand/Distler (1995) 26 Vgl. Ciborra/Patriotta (1996); Newell/Scarbrough/Swan/Hislop (2000); Pan/Scarbrough (1999); Bartholomä i (2001)
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ist dieses Element vergleichsweise früh, schnell und unkompliziert zu prüfen und anzupassen.27 Tabelle 1: Das Konzept der Infrastruktur, Infostruktur und Infokultur nach Bressand/Distler (1995) Element
Beschreibung
Infrastruktur Hard- und Software, die zur Kommunikation gebraucht wird Infostruktur
Set formaler Regeln, die den Austausch zwischen den Akteuren im Netzwerk steuern Existiert in Form von gemeinsamer Sprache, Metaphern, Eigenarten Beinhaltet eine schematische Reprä sentation der Organisation und ihrer Aktivitä ten
Infokultur
Als vorausgesetzt betrachtetes Hintergrundwissen Soziales Netz aus Beziehungen und Erzä hlungen, welches Lernprozesse und Wissensnutzung fö rdert
Die Infostruktur bildet den Rahmen für den Austausch innerhalb des Netzwerks. Mit Hilfe formaler Regeln wie einer gemeinsamen Sprache oder besonderen Metaphern wird den Ereignissen innerhalb des Netzwerks Sinn gegeben. Ebenso kann die Organisation durch administrative Regeln wie Zugriffsrechte oder Kategorien der Informationsverwaltung in ihrem Aufbau und ihren Aktivitä ten dargestellt werden. Bei lä nderübergreifenden M&A bestehen bei der Identifizierung der jeweiligen Infostruktur und der Angleichung auf einen gemeinsamen Nenner besondere Schwierigkeiten. Schon innerhalb eines Landes ergeben sich aufgrund verschiedener Unternehmens- und Infokulturen unterschiedliche Infostrukturen. Erschwerend zu diesen Unterschieden kommen bei lä nderübergreifenden M&A noch kulturelle Differenzen wie z.B. unterschiedliche Sprach- und Schreibstile28 hinzu, welche die jeweilige Infostruktur prä gen. Die Infokultur umfaß t die geteilten Ziele und gemeinsamen Erwartungen, also das als vorausgesetzt betrachtete Hintergrundwissen der Mitglieder eines Netz-
27 Vgl. Sumi/Tsuruoka (2002), S. 6f 28 Vgl. Bolten (2000)
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werks. Sie bildet die Basis, auf der sich die Mitglieder über gemeinsame Projekte verstä ndigen und Netzwerkressourcen aktivieren. Die Infokultur stellt also eine Metaebene dar, welche die Regeln zur Regelä nderung bereitstellt und somit direkt auf die Infostruktur einwirkt. 29 Die Infokultur ist aber auch als ein soziales Netz zu verstehen, in dem ein kollektiver Lernprozeß angeregt und Wissensaneignung und -weitergabe gefö rdert werden. Dies stellt eine weitere kritische Hürde für die Entwicklung eines funktionsfä higen Wissensmanagements bei einem M&A dar. Nur durch schrittweise und sorgsame beiderseitige unternehmenskulturelle Annä herung kann letztlich eine gemeinsame Infokultur im neuen Unternehmen geschaffen werden. Um wissensfö rdernde Werte und Verhaltensweisen als Bestandteil einer proaktiven Infokultur langfristig zu etablieren, bedarf es genügend Zeit, kontinuierlicher Ü berzeugungsarbeit und einer klaren Unterstützung durch die Unternehmensleitung, zum Beispiel durch die Benennung eines speziellen Vorstandes30 für Wissensmanagement31. Dieser sollte sich hauptsä chlich um die Planung und Umsetzung von Wissensmanagementinitiativen an der Unternehmensspitze sowie in den Gremien der einzelnen Geschä ftsbereiche kümmern. Dabei sollte er für eine strukturierte Aufgabenverteilung auf interdisziplinä re Teams sorgen.32 Problemstellungen des interkulturellen Wissensmanagements Wenn ein Unternehmen von einem anderen übernommen wird oder mit diesem fusioniert und dadurch seine Geschä ftssysteme vollstä ndig umstellen muß , so kann dies durch kulturelle Unterschiede noch erschwert werden. Vielfach scheitert die Anpassung eines Unternehmens an ein neues Geschä ftssystem, wenn dieses in einer anderen Kultur entwickelt wurde. Zum Beispiel haben manche angelsä chsische Unternehmen mit ihrer eher funktionalen Ausrichtung Probleme bei der Implementierung eher prozeß orientierter Geschä ftssysteme aus dem deutschen Kulturkreis.33 So führte die Einführung des deutschen ERP-Systems34 SAP R/3 bei amerikanischen Unternehmen wie Dell Computers, Dow Chemical oder Fox-Meyer zu groß en Schwierigkeiten bis hin zum totalen Scheitern.35 Ausge29 30 31 32 33 34
Vgl. Ciborra/Patriotta (1996), S. 122 Ein sogenannter Chief Knowledge Officer (CKO) Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 334 Vgl. Sumi/Tsuruoka (2002), S. 9 Vgl. Skok/Dö ringer (2001), S. 5ff. ERP (engl.): Enterprise Resource Planning - IT-System zur Steuerung von Geschä ftsprozessen in den Bereichen Materialwirtschaft, Produktion und Rechnungswesen 35 Vgl. Davenport (1998)
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hend von diesen Studien ist anzunehmen, daß auch bei der Harmonisierung von IT-basierten Wissensmanagementsystemen im Zuge von M&A mit ä hnlichen Problemen zu rechnen ist, vor allem wenn sich diese kulturübergreifend vollziehen. Schwierigkeiten kö nnen sich jedoch auch bei interkulturellem Wissensaustausch ohne den Einsatz von Informationstechnologie ergeben. Eine Fallstudie von Lam (1997) illustriert diese Probleme brillant. In dieser Studie wurde die Generierung und der Austausch von Wissen bei Ingenieuren der Forschungsabteilung eines britisch-japanischen Joint-Venture verglichen. Vor allem in den angewandten Methoden zu Ü bertragung von Wissen wurde die unterschiedliche Ausrichtung der Ausbildung deutlich. Wä hrend sich das Spezialwissen der britischen Ingenieure auf eine vornehmlich abstrakte, theoretisch und universitä r vermittelte Grundlage stützte, verließ en sich die japanischen Ingenieure hauptsä chlich auf ihr praktisches Know-How und die Problemlö sungstechniken, die sie am Arbeitsplatz, also ‚on-the-job’, erlernt hatten. Daraus ergaben sich Unterschiede in der Produktentwicklung und im Wissenstransfer innerhalb der japanischen und britischen Gruppen wie auch zwischen ihnen. So kodifizierten die britischen Ingenieure ihre Forschungsprozesse und -ergebnisse in Verfahrensanweisungen und anderen Dokumenten, wä hrend die japanischen Ingenieure ihre Erkenntnisse mit Hilfe von praxisrelevanten Lö sungen bei der Aufgabe weitergaben und teilten. Wissen wurde bei den japanischen Ingenieuren sozusagen ‚organisch’ in der Gruppe, den Gruppenbeziehungen und verhaltensorientierten Routinen abgelegt. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ansä tze im Wissensaustausch erwies sich eine Zusammenarbeit zwischen den britischen und japanischen Ingenieuren generell als zeitraubend und unfruchtbar. 36 Wie aus den genannten Beispielen deutlich wurde, kann es bei technologischen wie auch auf menschlichen Austausch basierenden Wissensmanagementinitiativen zu interkulturellen Schwierigkeiten kommen. Sind die an einem M&A beteiligten Unternehmen jedoch in der Lage, frühzeitig ein gemeinsames, integriertes Verstä ndnis von Wissensmanagement zu entwickeln, so kö nnen diese Schwierigkeiten gemildert werden. Die Bedeutung der ganzheitlichen Betrachtung von Wissensmanagement Eine weitere Gefahr bei der Formulierung eines gemeinsamen Wissensmanagements ist die Beschrä nkung auf einzelne Teilbereiche. Wie Informationssysteme bestehen auch Wissensmanagementinitiativen aus einer Kombination von technischen und menschlichen Elementen. Der Unterschied besteht jedoch darin, daß 36 Vgl. Lam (1997); Walsham (2001b), S. 42f
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die menschlichen Einfluß faktoren auf die Ressource Wissen deutlich grö ß er sind und deshalb eines gezielten Managements bedürfen.37 Dennoch darf Wissensmanagement im Unternehmen nicht eindimensional betrieben werden, sondern muß vielmehr ganzheitlich ausgerichtet sein. Wie ganzheitliches Wissensmanagement konzeptuell dargestellt werden kann, zeigt die folgende Abbildung. Wissensbewertung Wissensaufnahme
Wissenslokalisierung Kultur der Wissensbildung
Wissensbewertung
Wissensbewertung Wissensbewuß tsein
Abbildung 2: Modell des ganzheitlichen Wissensmanagements nach Shin/Holden/Schmidt (2001), S. 349 Gemä ß Shin/Holden/Schmidt (2001) ist eine Kultur zur Wissensbildung die grundlegende Problemstellung der Wissensmanagementforschung.38 Ihr Modell in Abbildung 2 stellt daher eine solche Kultur in den Mittelpunkt der Betrachtungen und gruppiert alle anderen damit zusammenhä ngenden Wissensmanagementelemente um sie herum. Diese Elemente sind Wissenslokalisierung, Wissensaufnahme und Wissensbewuß tsein. 37 Vgl. Davenport/De Long/Beers (1998), S. 56 38 Vgl Shin/Holden/Schmidt (2001), S. 349
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Mit Wissenslokalisierung wird die Qualitä t der Inhalte von Wissensdatenbanken angesprochen. Bei einer wachsenden Anzahl an Einträ gen verschwimmt die Relevanz und Signifikanz der Inhalte, und man kann Nützliches nicht mehr von Unnützlichem unterscheiden. Interessant erscheinen hier Fragen nach der Wiederverwendbarkeit einmal angegebenen individuellen Inhalts und nach der Unte rscheidung nach wertvollem und wertlosem Inhalt. Dies kann einen ganz erheblichen Einfluß auf die Wissensteilung und die Kultur der Wissensbildung haben. Die Wissensaufnahme beschreibt die Voraussetzungen, die ein Mensch erfüllen muß , um Wissen aufzunehmen und zu entwickeln. Diese sind an die Fä higkeiten des Individuums geknüpft. Das heiß t, daß es nicht allein ausreicht, kodifiziertes Wissen zur Verfügung zu stellen. Fremdwissen muß von dem Individuum auch entsprechend aufgenommen werden kö nnen. Gefahr besteht auch bei der Aufnahme und Anwendung ungeprüften Wissens ohne vorherige Anpassung an die vorherrschende Situation. Wissensbewuß tsein ist das Element, das untersucht, welches Wissen gebraucht wird und welches bereits vorhanden ist. Die Fragestellungen hier sind, wie benö tigtes Wissen am Besten bestimmt wird und wo man es sucht. Eine kontinuierliche Wissensbewertung wirkt als Treiber zur Verbesserung der Wissensbildung als auch der anderen Elemente. Unternehmen sind daran interessiert herauszufinden, inwieweit sich ihre Investitionen in ein Wissensmanagementprojekt lohnen und welche meß baren Wettbewerbsvorteile sie gegenüber ihren Konkurrenten dadurch erzielen. Deshalb sollten alle Wissensmanagementinitiativen auf ihr Ergebnis und ihren Beitrag untersucht werden. Zusä tzlich ist es nö tig, den Wissensfluß zu beachten. Dieser stellt eine scheinbar unsichtbare Verbindung zwischen den genannten Elementen dar. Wissensträ ger und Wissenssuchende werden durch ihn miteinander verknüpft. Dem Wissensfluß werden allerdings oft durch fehlende Mitarbeitermotivation oder durch fehlende Anreizsysteme Barrieren gesetzt.39 Nach der Vorstellung eines ganzheitlichen Wissensmanagementkonzepts sollen nun die Optionen zur Entwicklung einer Wissensmanagementstrategie nä her erlä utert werden.
39 Vgl KPMG (1998)
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Optionen für eine gemeinsame Wissensmanagementstrategie Ansä tze des Wissensmanagements Wie für jeden anderen Geschä ftsbereich, so muß auch auf dem Gebiet des Wissensmanagements nach einem M&A ein Konsens gefunden werden. Dies bedeutet, daß meist unterschiedliche infrastrukturelle, aber auch infostrukturelle Voraussetzungen zu einem gemeinsamen Ansatz, also letztlich einer Infokultur verschmolzen werden müssen. Wie das Ergebnis aussieht, wird maß geblich von den jeweiligen Auffassungen vom Wissensbegriff und der Anwendung von Wissen im organisationalen Umfeld bestimmt. Tabelle 2 gibt einen Ü berblick über grundlegenden Schulen des Wissensmanagements, geordnet nach Kriterien wie Schwerpunkt, Ziel, kritische Erfolgsfaktoren oder notwendiger IT-Beitrag. Im folgenden sollen die drei groß en Strö mungen, die technokratische, die ö konomische und die verhaltensorientierte Schule, kurz vorgestellt und anhand eines Beispiels nä her illustriert werden. Dabei gilt es allerdings zu beachten, daß diese Klassifizierung von Earl (2001) nur eine mö gliche Kategorisierung von Wissensmanagement darstellt.40 Die technokratische Schule des Wissensmanagements Die technokratische Strö mung konzentriert sich auf die Abbildung von Wissen mit Hilfe von Informationstechnologien. Diese Technologien unterstützen die Wissensarbeit, geben jedoch die tä glichen Arbeitsablä ufe zu einem Groß teil in einer festen Struktur vor. Aus dieser technokratischen Sicht wird Wissen als Ent itä t betrachtet, d.h. als etwas, das mit der Unterstützung von Technologien geschaffen, gespeichert und verteilt werden kann. 41 Im Unterschied zur verhaltensorientierten Schule wird hier das Wissen aus dem System selbst und nicht aus den Interaktionen der Benutzer des Systems gewonnen. Eine rollenspezifische Einordnung jedes Benutzers erlaubt die Identifizierung, Ü berprüfung, Verschlüsselung und Weiterverarbeitung von als relevant erachtetem Wissen. Als besonders wichtig wird bei diesem Ansatz die Anreizschaffung zur Bereitstellung von Inhalten für das System gesehen.
40 Vgl. für alternative Kategorisierungen siehe Gourlay (2000) oder Venzin/von Krogh/Roos (1998) 41 Vgl. Bloodgood/Salisbury (2001); Holsapple/Joshi (2000); Myers (1996); Nonaka/Takeuchi (1995)
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Technokratisch
Bain & Co
AT&T
Domä ne
Xerox
Shorko Films
Einheit
Beispiele
Profile und
Inhalten
Wissensbasierte
Systeme
Grund-
sä tzlicher
und Internets
Verbindung
Philosophie
Verzeichnisse auf Intra-
IT Beitrag
Verschlüsselung
verbinden
Bereitstellung von
Wissensnetzwerke zu
nutzen, die Menschen
Inhalts; Anreize für
Erfolgs-
faktoren
Kultur/Anreize, um
Ü berprüfung des
Kritische
Unternehmen
verzeichnisse
Wissens-
Wissenslandkarten
Technologie
Wissensbasen
Kartographisch
Ziel
Systemisch
Schwerpunkt
Schulen
Fä higkeit
Datenbanken
Gemeinsam genutzte
Verteilung
uneingeschrä nkte
lokalisierung;
und Informations-
Wissensaneignung
Frito-Lay
HP
Tä tigkeit
Wissensflüsse
Prozesse
Prozessorientiert
Ö konomisch
Kommerzialisierung
system
Verarbeitungs-
Registrierungs- und
Vermö gen;
Intellektuelles
Prozess
institutionalisierter
Expertenteam;
IBM
Dow Chemical
Know-How
Wissensbestand
Ertrag
Kommerziell
Zusammenarbeit
Groupware; Intranets
Wissensvermittler
Soziale Kultur;
Shell
BP Amoco
Gemeinschaft
zusammenführung
Wissens-
Netzwerke
Erreichbarkeit
mittel
Darstellungs-
Zugangs- und
Ermunterung
Design;
zweckmä ß iges
British Airways
Skandia
Platz
austausch
Wissens-
Raum
Rä umlich
Verhaltensorientiert Organisationsbezogen
Bewuß tsein
vielseitig
Artefakte
Rhetorische
Unilever
Skandia
Geschä ftsfeld
fä higkeiten
Wissens-
Denkweise
Strategisch
Tabelle 2: Schulen des Wissensmanagements nach Earl (2001), S. 217
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Als Beispiel für die technokratische Schule sei hier der systemische Ansatz von Xerox aufgeführt. Für die Serviceingenieure seiner Photokopiersparte entwickelte das Unternehmen eine web-basierte Wissensbasis. Diese ermö glichte eine strukturierte Ablage der gesamten Servicedokumentation und aller ausgeführten Reparaturen und Problemlö sungen beim Kunden. Eine auf den Kundendienst abgestimmte Eingabemaske erlaubte nicht nur die Sammlung von Kunden- und Produktwissen, sondern auch eine ortsunabhä ngige Suchabfrage.42 Die Eingabe von Problemlö sungen in das System versuchte Xerox durch eine allgemeine Bestä rkung des Teamgeistes zu motivieren. Das Unternehmen war in der Lage seinen Kundendienstmitarbeitern zu vermitteln, daß diese durch die Bereitstellung von Inhalten individuelle Anerkennung erhalten und gleichzeitig sich selbst und allen ihren Kollegen dabei helfen kö nnen, bessere und effizientere Arbeit zu verrichten. Die ökonomische Schule des Wissensmanagements Die ö konomische Strö mung fokussiert sich auf den Schutz vorhandener Wissensbestä nde sowie auf deren wertmä ß iger Abbildung43 und finanzieller Nutzung. Im Vergleich zu den beiden anderen Strö mungen ist hier das Augenmerk auf die Ausnutzung vorhandenen Wissens und nicht auf das Erschaffen neuen Wissens gerichtet44. Im Grundsatz soll der Vorrat an intellektuellem Kapital mö glichst effektiv und gewinnbringend eingesetzt werden. Die entscheidenden Erfolgskriterien dieser Strö mung bestehen in der Formierung eines Expertenteams, das sich ausschließ lich mit dem Management intellektuellen Kapitals beschä ftigt, sowie in der Institutionalisierung eines kontinuierlichen Prozesses. Letzteres ist vor allem aus Effizienzgründen wichtig, um sich nicht vordergründig mit dem Entwickeln von Prozessen zur Lokalisierung der Wissensbestä nde zu beschä ftigen, sondern mit deren finanzieller Nutzung. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Dow Chemical, ein Unternehmen, das Wissensbestä nde wie Patente, Warenzeichen, Copyrights und branchenspezifisches Know-How in einem besonders aktiven Prozeß verwaltet. Schon kurz nach der Einführung erbrachte dieser Prozeß Gewinne durch eine bessere Ausnutzung der Lizensierung. Gleichzeitig konnten mit Hilfe einer genauen Analyse aller Patente groß e Kostenersparnisse bei den Patentgebühren erzielt werden, weil nicht mehr benö tigte Patente aufgegeben, gestiftet, lizensiert oder verkauft wurden.45
42 Vgl. Biren/Dutta/van Wassenhove (2000); als Gegenstück aus der verhaltensorientierten Sicht dazu Orr (1990) 43 Vgl. Sveiby/Lloyd (1987); Sveiby (1997) 44 Vgl. Zack (1999) 45 Vgl. Earl (2001), S. 222f.
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Die verhaltensorientierte Schule des Wissensmanagements Die verhaltensorientierte Strö mung geht davon aus, daß Wissen in Gemeinschaften entsteht, genutzt und geteilt wird. Die fundamentale Annahme ist hierbei, daß Wissen im einzelnen Menschen steckt und nur von ihm getragen werden kann. Technologie kann aus dieser Perspektive lediglich als Hilfsmittel zur Unterstützung gruppeninterner Austauschprozesse fungieren. 46 Trotzdem ist Informationstechnologie heutzutage vielfach unabdingbar. Wenn es wie beim organisationsbezogenen Ansatz darum geht, die Wissensträ ger in Gemeinschaften zusammenzubringen und wenn sich diese an unterschiedlichen Orten befinden, so muss die Zusammenarbeit durch Groupware oder Intranets unterstützt werden. Zwei Voraussetzungen bedingen die erfolgreiche Umsetzung von gemeinschaftsbezogenem Wissensmanagement. Erstens muss die Unternehmenskultur eine Zusammenarbeit fö rdern und mö glichst schon lange unterstützen. Zweitens bedarf es neben den technologischen Netzwerken auch menschlicher Vermittler, da die Erhö hung der Verbindungen zwischen den Mitgliedern einer Gemeinschaft im Vordergrund steht. Ein sehr anschauliches Beispiel für einen solchen gemeinschaftsbezogenen Ansatz ist BP Amoco.47 Ursprünglich bestand die Vision, alles Wissen eines jeden Mitarbeiters im Unternehmen zu erfassen. Daher begann BP Amoco’s Wissensmanagementinitiative mit der Bildung von teamspezifischen Wissenssammlungen. Diese Sammlungen bezogen sich auf die Erfahrungen der Teammitarbeiter in speziellen Projekten. Somit sollten nachfolgende Projektteams vor wiederholten Fehlern und Schwierigkeiten bewahrt werden. Dokumente über die gelernten Lektionen aus einem jeden Projekt wurden in einem Intranet abgelegt und somit allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zum technokratischen Ansatz stand bei BP Amoco aber nicht die alleinige netzbasierte Dokumentierung im Vordergrund. Vielmehr stellte sich in zunehmendem Maß e heraus, daß es gar nicht mö glich war, das gesamte Wissen aller Mitarbeiter in einer Datenbank zu erfassen. Stattdessen wurde ein Verbindungssystem geschaffen, welches ungefä hr 15.000 Mitarbeiter umfaß t, die ihre Profile als Wissensträ ger zur Verfügung gestellt haben und für Ratschlä ge und Problemlö sungen in bestimmten Wissensgebieten kontaktiert werden kö nnen. Somit lä ß t sich zumindest erfahren, wer im Unternehmen was zu einem bestimmten Thema weiß . Auch BP Amoco’s verstä rkte Investition in Videotechnologie ermö glicht einen schnellen und unkompli-
46 Vgl. Brown/Duguid (1991); Lave/Wenger (1991); Hayes/Walsham (2000) 47 Vgl. Prokesh (1997)
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zierten Austausch über Probleme bei Interviews und Videokonferenzen zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Arbeitsorte und Hierarchieebenen.48 Vorgehen bei der Entwicklung einer Wissensmanagementstrategie Für die Entwicklung einer gemeinsamen Wissensmanagementstrategie nach einem M&A empfiehlt sich die in Abbildung 3 dargestellte methodische Vorgehensweise. Durch diese sechs Schritte soll eine starke Vernetzung des Wissensmanagements mit der neuen Unternehmensstrategie sichergestellt werden.49
1. Geschä ftsvision des Wissens? 2. Lücken in der Unternehmensleistung? 3. Wie kann Wissen einen Unterschied machen? 4. Alternative Wissensmanagementinitiativen? 5. Kulturelle und finanzielle Entsprechung? 6. Wissensmanagementprogramm
Abbildung 3: Erarbeitung einer Wissensmanagementstrategie nach Earl (2001), S. 230 Wenn, wie in Schritt 1 dargestellt, die Geschä ftsvision bereits Wissensnutzung als wichtige Komponente der Unternehmensstrategie vorsieht, kann unmittelbar mit Schritt 4 fortgefahren werden. In den meisten Unternehmen wird die Nutzung der Ressource Wissen jedoch nicht als Teil der Geschä ftsvision begriffen. In diesem Fall kann eine Analyse von Defiziten in der Unternehmensleistung einen ersten Anhaltspunkt dafür geben, welche Wissensmanagementinitiativen entwickelt werden sollten. Bei fusionierenden Unternehmen kö nnen Defizite beispielsweise bei unterschiedlichen Produktqualitä ten oder im Kundendienst auftreten. In Schritt 3 wird dann der Beitrag von Wissensmanagementinitiativen zum Aus48 Vgl. Earl (2001), S. 224f. 49 Vgl. Earl (2001), S. 229
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gleich dieser Defizite geprüft. Es wird untersucht, inwieweit diese Leistungslükken durch eine bessere Aneignung, Nutzung oder Verteilung von Wissen geschlossen werden kö nnen. Eine solche Sensibilisierung für Wissensmanagement und seinen Beitrag zu unternehmerischen Wettbewerbsvorteilen kann im Gegenzug natürlich auch zu einer Neuausrichtung der Geschä ftsvision führen. Schritt 4 dient der Konkretisierung und Untersuchung mö glicher Initiativen zur Umsetzung der gewünschten Wissensmanagementstrategie. An diesem Punkt hilft Tabelle 2 bei der Auswahl der Initiativen, die für eine bestimmte Organisation geeignet sind. Im Schritt 5 erfolgt eine Machbarkeitsprüfung der gewä hlten Ansä tze des Wissensmanagements hinsichtlich ihrer strategischen, kulturellen und finanziellen Entsprechung mit den unternehmerischen Vorstellungen und Mö glichkeiten. Maß geblich ist dabei eine Ü bereinstimmung mit dem Ziel, der Ausrichtung und der Philosophie des Unternehmens sowie eine Sicherstellung der kritischen Erfolgsfaktoren. Im Schritt 6 schließ lich wird ein umfassendes Wissensmanagementprogramm festgelegt, und es erfolgt eine detaillierte Planung der Umsetzung und der dafür benö tigten Mittel. In diesem Programm kö nnen dabei durchaus verschiedene Schulen des Wissensmanagements vertreten sein, die sich in unterschiedlichen Projekten widerspiegeln.50
Zusammenfassung und Ausblick Der vorliegende Text beschä ftigte sich mit Wissensmanagement im Umfeld interkultureller M&A. Dabei konnte nur ein kleiner Ausschnitt eines komplexen, interdisziplinä ren Forschungsgebietes dargestellt werden. Die zahlreichen Literaturangaben seien daher auch als Anregung zum vertiefenden Studium gedacht. Trotz des immer wieder aufkommenden Verdachts vieler Kritiker, daß Wissensmanagement nur ein weiteres Modewort sei, um IT-basierte Investitionen in Unternehmen zu begründen, hat der vorliegende Beitrag gezeigt, daß es auch ein Wissensmanagement auß erhalb von Computersystemen gibt und geben sollte. Um Wissen zu teilen bedarf es auch einer Unternehmenskultur, die genau diese Verhaltensweisen honoriert und fö rdert. Besondere Schwierigkeiten bei der Gestaltung eines Wissensmanagements treten auf, wenn wie im Falle eines M&A mehrere Unternehmenskulturen aufeinander treffen. Hier muss zuerst ein Konsens für eine gemeinsame Wissensmanagementstrategie gefunden werden. Der Text hat verdeutlicht, welche Schritte für die Erarbeitung einer solchen Strategie benö tigt werden. Dabei wurde zuerst ein Rahmenkonzept vorgestellt, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den bestehenden Ansä tzen des Wissensmanagements zu analysieren. Des weiteren wurden mit einer Vorstellung der 50 Vgl. Earl (2001), S.229ff
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grundsä tzlichen Strö mungen des Wissensmanagements Optionen für eine gemeinsame Strategie aufgezeigt. Welche Schulen des Wissensmanagements sich langfristig durchsetzen, wird jedoch erst die umfassende Anwendung in der Praxis zeigen. Analog zur notwendigen Kombination eines jeden Wissensmanagementprogramms aus personellen und informationstechnologischen Komponenten sollte es zukünftig eine Weiterentwicklung auf zwei Gebieten geben: Auf der informationstechnologischen Seite betrifft dies die Weiterentwicklung von Groupware und Intranets, aber auch der Hardware. Zum anderen ist auch auf dem Gebiet des Personalmanagements mit Verä nderungen zu rechnen. So sind innovative Systeme zur Anreizschaffung und Motivation der Mitarbeiter eine Voraussetzung für eine aktive Wissensbereitstellung und -teilung.
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III. Interkulturelle Aspekte bei der Transaktionsphase
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Fusion gut, alles gut? Zur wirtschaftsethischen Relevanz von Mergers & Acquisitions Annette Kleinfeld, Hamburg & Alexander Schlegel, Mainz
1. Einführung Fusionen und Firmenkä ufe sind für Unternehmen immer noch ein beliebtes Mittel, um sich im Wettbewerb zu behaupten und die eigene Markposition zu verbessern. Dieser Trend ist nicht nur ungebrochen, sondern wird durch die in der Steuerreform enthaltenen Vergünstigungen sogar noch verstä rkt. Trotz dieser „ Fusionitis“ gilt immer noch: Die Mehrzahl der Fusionen trä gt nicht dazu bei, den Wert der Unternehmen zu steigern, zumindest wenn man den Bö rsenwert als Indikator nimmt. Eine im Mai 2002 von KPMG Deutschland verö ffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, daß in nur 38 Prozent der in den Jahren 1998 bis 2001 untersuchten Fä lle ein Anstieg des Aktienkurses zu verzeichnen war – gemessen jeweils an der Entwicklung eines Branchenindex.1 Das bestä tigt erneut internationale Studien der vergangenen Jahre, die die Erfolgsquote bei Mergers & Acquisitions zwischen 20 und 40 Prozent beziffern. Ein aktuelles Beispiel ist die harsche Kritik der Allianz-Aktionä re an der Ü bernahme der Dresdner Bank.2 Fusionen werden so nicht zum „ Zaubertrank“ , der alle Probleme lö st und strategische Vorteile, Umsatzsteigerungen und Synergien einbringt. Gerade die „ sogenannten ‚Einsparungen aus Synergieeffekten’ geben immer zu millionenschweren Hoffnungen Anlaß , werden aber in der Realitä t gerne von den viel hö heren Kosten durch unkooperative Unternehmenskulturen, starre Bürokratien und viel Unbeweglichkeit ersetzt.“ 3 Verantwortlich für den ö konomischen Miß erfolg sind Schwierigkeiten im Integrationsprozeß , die wenig mit finanziellen, steuerlichen oder juristischen Faktoren zu tun haben, die bei Fusionen so peinlich genau überprüft werden. Die grö ß ten Stolpersteine sind vielmehr die vermeintlich „ soften“ Faktoren einer Fusion. Der Integrationsprozeß kann nur gelingen, wenn er von den Menschen im Unternehmen unterstützt und vorangetrieben wird. Sie wollen die in ihrem Unternehmen geprä gten Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen – kurz ihre Un1 Vgl. FAZ, 23.05.02 2 Vgl. FAZ, 13.06.02 3 Beyes (1999), S. 333
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ternehmenskultur – auch nach einer Fusion noch vorfinden. Die Realitä t sieht oft anders aus, wenn zwei Unternehmenskulturen mit je unterschiedlichen Wertewe lten aufeinanderprallen und es Konflikte zwischen differierenden Wert- und Moralvorstellungen gibt. Spä testens dann stehen auch ethisch relevante Fragen auf der Agenda. Gleichzeitig hat jedoch jedes Unternehmen nach einer Fusion den Anspruch, einheitlich zu handeln, eine einheitliche strategische Planung aufzustellen und diese als ein Unternehmen umzusetzen. Damit alle Mitarbeiter dabei an einem Strang ziehen, gilt es an erster Stelle, die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und Wertewelten zu integrieren. Nur wenn dies gelingt, wird eine Blockadeoder Verweigerungshaltung seitens der Mitarbeiter vermieden. Die Schlüsselrolle hat dabei ein kohä rentes Ethik- und Wertemanagement inne, insbesondere bei transnationalen Zusammenschlüssen, wenn sich unterschiedliche Traditionen, Selbstverstä ndnisse und Rechtsauffassungen begegnen. So werden die vermeintlich „ soften“ Gesichtspunkte Ethik und Kultur zum finanzwirksamen Erfolgsfaktor von Mergers & Acquisitions.
Abbildung 1: Die „Unternehmenskultur“ im M&A-Prozeß
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2. Ö konomische und Unternehmens-Ethik Ethik fragt als praktische Philosophie nach dem Guten und Richtigen, d.h. nach dem moralisch legitimen Handeln. Sie versucht, Werte und Prinzipien zu begründen, die menschliches Verhalten und Interaktion innerhalb eines sozialen Systems bestimmen sollen. In der Wirtschaftsethik konkretisiert sich allgemeines ethisches Denken in einem bestimmten Handlungsbereich, also der Ö konomie. Wirtschaftsethik ist nichts Neues. Zu Beginn der Moderne, in der Zeit der Industrialisierung, am Ende des Feudalismus, kurz: vorwiegend an Wendepunkten des bis dahin etablierten ö konomischen Systems haben sich Philosophen wie Ö konomen – bis in das 19. Jahrhundert hinein hä ufig in einer Person vereint – nicht nur über ein gut funktionierendes ö konomisches System Gedanken gemacht, sondern auch über die damit verbundenen ethischen Implikationen, so etwa über das ö konomisch „ Gute“ im Sinne des Gemeinwohls. Vor rund 20 Jahren ä nderte sich dann der Fokus. Im Vordergrund wirtschaftsethischer Ü berlegungen stand nicht mehr die theoretische Auseinandersetzung mit den Ideologien Kapitalismus, Liberalismus, Sozialismus oder Marxismus. Die Untersuchungen setzen seitdem in erster Linie auf der betriebswirtschaftlichen Ebene an – analysiert werden die ethischen Fragen, die sich aus der betrieblichen Praxis im Unternehmen ergeben. Als Teilbereich der Wirtschaftsethik ist die Unternehmensethik ein Thema der Praktischen Philosophie, wird aber lä ngst nicht mehr nur von Philosophen betrieben. Ö konomen, die in ihrem ö konomischen Handeln tä glich mit ethischen Fragen konfrontiert werden, tragen zunehmend nicht nur zum wissenschaftlichen Diskurs über Wirtschaftsethik, sondern auch zur Umsetzung unternehmensethischen Denkens in den Betrieben bei. Ä hnlich wie die Diskussion um die „ Managementtheorie“ wird die Debatte zur Unternehmensethik in den USA schon wesentlich lä nger geführt als in Europa. Das hat auch dazu geführt, daß Unternehmen auf der anderen Seite des Atlantiks gerade in Fragen der Implementierung erheblich weiter fortgeschritten sind: In den USA ist es lä ngst die Regel, daß Unternehmen ein Integritä ts- und Wertemanagement haben und eine Verstä ndigung auf gemeinsame ethische Verhaltensstandards (Wertekodex, Corporate Code of Conduct) stattfindet. Das heiß t nicht, daß die Amerikaner die moralischeren Menschen wä ren. Grund für die im Vergleich zu Europa schnellere Weiterentwicklung der Unternehmensethik sind vielmehr die kulturellen und juristischen Besonderheiten der USA. 4 Wie wirken sich Kultur und Rechtsnormen einer Gesellschaft auf betriebswirtschaftliche Fragen wie strategische Planung, Controlling oder Mitarbeiterführung 4 Vgl. Wieland (1993), S. 19-27
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aus? Die Gesellschaftsstruktur der USA ist ä uß erst heterogen. In ihr sind viele verschiedene Nationalitä ten versammelt, in vielen Stä dten gibt es keine klare zahlenmä ß ige Majoritä t einer ethnischen Gruppe. In einer solchen Gesellschaft werden Pluralismus und die Kontingenz aktueller Lebensentwürfe und Orientierungen zu einem prä genden Merkmal der Lebenswirklichkeit, das auch auf die Ö konomie nicht ohne Auswirkungen bleibt. Diese Situation ist in den USA früher eingetreten und – durch die grö ß ere ethnische Vielfalt – radikaler als in Europa. In jedem Unternehmen der USA arbeiten Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen kulturellen Traditionen und demzufolge auch Wertesystemen zusammen. Das ist ein Nä hrboden für Konflikte, Miß verstä ndnisse und Kommunikationsschwierigkeiten. Wenn sich ein Unternehmen auf ein bestimmtes Ziel hin ausrichten, sein Handeln auf dieses Ziel hin steuern und stä ndig optimieren will, führt an einer genaueren Betrachtung der Werte der Mitarbeiter und der durch diese gemeinsam getragenen Unternehmenskultur kein Weg vorbei. Der viel beschriebene Wertewandel geht so nicht nur Politik, die Kultur des Landes und die Gesellschaft als solche an, sondern betrifft gleichermaß en Unternehmenspolitik und Unternehmenskultur bis hin zur Existenz des Unternehmens selbst. Daher kommt auch Unternehmen die Aufgabe zu, Normativitä t herzustellen, sich darüber klar zu werden, was die Werte der Mitarbeiter sind und die des Unternehmens sein sollen. Und das nicht nur aus Sicht des Top-Managements, sondern auch unter Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen. Wenn dieser Klä rungsprozeß stattgefunden hat, gilt es schließ lich, die Werte des Unternehmens zu formulieren und umzusetzen. Die definierten Werte müssen verhaltenswirksam werden und sich in der tä glichen Praxis bewä hren. Nur dies ermö glicht in der diversifizierten Unternehmenswelt eine einheitliche strategische Steuerung. Unternehmen stehen also vor einer eindeutig ethischen, das heiß t normsetzenden Aufgabe. Die ethische Frage nach dem guten Handeln im ö konomischen Kontext - allem voran als Frage nach einer auch LEGITIMEN Verfolgung unternehmerischer Ziele - drä ngt sich vor allem dann auf, wenn das Unternehmen als Akteur ethisch fragwürdig handelt, wie z.B. in regelmä ß ig bekannt werdenden Wirtschaftsskandalen (aktuell die Beispielfä lle Nitrofen-Skandal oder Schmider-FlowTex, generell und in wachsendem Maß e Wirtschaftskriminalitä t aller Art, Vitaminskandale, Verschleierung von Produktrisiken, Kartellbildungen und Preisabsprachen oder Umweltdelikte). Für amerikanische Unternehmen stehen ethische Fragen selbst jedoch zunä chst gar nicht im Vordergrund, sondern vielmehr die Abwendung finanzieller Schä den. Schließ lich kö nnen von Unternehmen Geschä digte in den USA nicht nur sehr hohe Schmerzensgeldsummen erstreiten, sondern das Unternehmen kann für wirtschaftskriminelles Handeln von einzelnen Angestellten zu 125
empfindlich hohen Geldstrafen – durchaus dreistellige Millionensummen – verurteilt werden. Auf diese Weise werden innerbetriebliche ethische Probleme ganz konkret in der Bilanz spürbar. Handeln Mitarbeiter wirtschaftskriminell, zieht das nicht nur durch die Handlung direkt verursachte Einbuß en und die zum Teil empfindlichen Strafen nach sich, sondern auch eine negative Reputation – bei Kunden, Lieferanten und in der Ö ffentlichkeit. Ein hochaktuelles Beispiel ist der Fall der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen. Hier hatten Wirtschaftsprüfer im sogenannten „ Enron-Fall“ Bilanzen gefä lscht und Akten vernichtet. Die amerikanische Gesetzeslage macht es wie gesagt mö glich, daß das Unternehmen für das kriminelle Verhalten seiner Manager bestraft wird. Mitte Juni 2002 sprach ein Gericht in Houston die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Behinderung der Justiz schuldig. Damit wurde dem Unternehmen faktisch die Existenzgrundlage entzogen. Lapidar teilte die Unternehmensleitung mit: „ Der Spruch der Geschworenen wird die Bilanzprüfungstä tigkeit der Firma beenden.“ 5 Damit folgte auf den Vertrauensverlust der Ö ffentlichkeit und den Exodus der Kunden aus einem Kriminalfall das Aus eines Unternehmens mit ehemals 27.000 Beschä ftigten. Darüber hinaus hatte der Fall Andersen/Enron auch eine internationale Dimension: In den meisten anderen Lä ndern muß ten die Andersen-Tochtergesellschaften mit Konkurrenten fusionieren – eine nicht minder problematische Lö sung. Es wird interessant sein zu beobachten, ob aus Fehlern Konsequenzen gezogen werden und zukünftig ein umfassendes Wertemanagement in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften implementiert wird. Die Anreize dafür sind in Amerika definitiv vorhanden. Die Business-EthicsDiskussion in den USA erfuhr durch die U.S. Federal Sentencing Commission Guidelines von 1991 einen weiteren Aufschwung. In Kapitel 8 (Sentencing of Organizations) ist folgendes festgeschrieben: Kann ein Unternehmen nachweisen, daß es sich um die Fö rderung der Integritä t ihrer Mitarbeiter gekümmert hat, um die Implementierung und Einhaltung wirtschaftsethischer Standards bemüht war und so wirtschaftskriminellem Handeln vorgebeugt hat, ist das nicht nur vorbildlich, sondern mindert zugleich die Summe der für die wirtschaftskriminelle Handlung zu entrichtenden Geldstrafe.6 Ein umfassendes Wertemanagement hat also bei einem Rechtsbruch Einzelner einen unmittelbaren Nutzen. Die Erfahrung der Unternehmen in den USA hat gezeigt, daß sich die Einhaltung der rechtlichen Standards ohne ein umfassendes Ethik-/Werte-Management nicht
5 Financial Times Deutschland, 18.06.02 6 Vgl. USSC (1991); USSC (1994)
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realisieren lä ß t.7 So kamen ethische Ü berlegungen nicht nur über die moralische Verfaß theit der menschlichen Person, ihrer Selbstwahrnehmung als in einem Sollen stehendes Wesen und ihren eigenen Werthaltungen und Kultur in die Ö konomie, sondern zusä tzlich durch externe, ordnungspolitisch verankerte Anreize in Gestalt der Federal Sentencing Guidelines.8 Unternehmensethik beschä ftigt sich mit der grundsä tzlichen Frage des Verhä ltnisses von Gewinn und Moral. Das Unternehmen ist zunä chst seinen Kapitalgebern verpflichtet und schuldet im Sinne der „ reinen“ ö konomischen Theorie der Gesellschaft einen maximalen Gewinn zum Nutzen aller. Diese Position, wie z.B. von Milton Friedman und ä hnlich auch im reinen Shareholder-Ansatz vertreten, übergeht jedoch die Mö glichkeit von Konflikten zwischen widersprüchlichen Interessen und Werten, bzw. lö st diese zur Gewinnmaximierung hin auf.9 Nimmt man die Interessen der von den Entscheidungen des Managements Betroffenen durch den Stakeholder-Ansatz mit hinein in das ö konomische Kalkül, wird das Grundproblem einer jeden Unternehmensethik deutlich. Es kommt schnell zu Interessenkonflikten der verschiedenen Stakeholder: So sind die Kapitalgeber an der Mehrung des von ihnen für die Unternehmung bereitgestellten Kapitals interessiert, gesellschaftliche Interessengruppen und NGOs (non-governmentalorganisations) zum Teil an vö llig anderen Inhalten und Zielen. Aufgabe der Unternehmensethik ist es dabei, „ zur Lö sung des Konflikts von Gewinn und Moral in einer ethisch begründbaren sowie ö konomisch implementierbaren Form beizutragen.“ 10 Im Rahmen einer praxisbezogenen Unternehmensethik oder „ Corporate Ethics“ werden heute Maß nahmen, umfassende Ethik-Programme und – Managementsysteme entwickelt, die es Unternehmen erlauben, den wachsenden ethischen Herausforderungen adä quat zu begegnen. Die ethisch relevanten Themen, die es dabei zu managen gilt, reichen von der Prä vention von Wirtschaftskriminalitä t wie Betrug, Bestechung, Unterschlagung, Industriespionage etc. (Integritä ts- und ethisches Risikomanagement) über die Verstä ndigung auf gemeinsame ethische Verhaltensstandards (Wertekodex, Code of Conduct) oder den Umgang mit branchenspezifischen ethischen Fragen (z.B. im Bereich Biotechnologie) bis zu den zentralen Fragen nachhaltigen Wirtschaftens (ö kologische und soziale Verantwortung, Good Corporate Citizenship, Implementierung von global verbindlichen Umwelt- und Sozialstandards wie SA 8000).
7 8 9 10
Vgl. Wieland (1993), S. 12f., 26f., 82-86 Vgl. Kleinfeld (1999) Vgl. Friedman (1970) Suchanek (2001), S. 104
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Dabei gewinnt ein umfassendes Ethik- und Wertemanagement als Prä vention von Wirtschaftskriminalitä t im Unternehmen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund entsprechender Initiativen von NGOs wie Transparancy International oder der internationalen OECD-Richtlinien dazu - auch in Europa immer mehr an Bedeutung. Aufgabe der Forschung ist es, dafür auch die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen zu schaffen. In der Diskussion um Wirtschaftskriminalitä t geht es vor allem darum, eine klare Abgrenzung zwischen Faktoren zu erreichen, die auf der Ebene des Individuums liegen und solchen, die auf der organisationellen Ebene angesiedelt sind. Die wissenschaftliche (kriminologische wie wirtschaftspsychologische) Forschung zu diesem speziellen Kriminalitä tsbereich konnte bis in die 90er Jahre hinein wenige empirische Untersuchungen aufweisen. Die vorliegenden Studien sind grö ß tenteils deskriptiv (Kriminalstatistiken, Fallaktenanalysen u.ä .), Untersuchungen an verurteilten Wirtschaftskriminellen gibt es ausschließ lich im angelsä chsischen Sprachraum. Eine jüngst durchgeführte Studie an verurteilten Wirtschaftskriminellen in Justizvollzugsanstalten in mehreren deutschen Bundeslä ndern versucht mit einem integrierten Ansatz Werthaltungen und weitere Persö nlichkeitsstrukturen von psychologischer wie wirtschaftsethischer Seite zu beleuchten.11
3. Transnationale Mergers & Acquisitions-Prozesse und ihre ethisch relevanten Fragen Zur Unternehmensethik gibt es verschiedenste Ansä tze. Die oben dargestellte Grundfrage ist allen Unternehmensethiken gleich, die Antworten auf diese differieren jedoch erheblich. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es eine Vielzahl verschiedenster Positionen. So fokussiert einerseits Karl Homann in seiner „ ö konomischen Moralbegründung“ vorwiegend die Rahmenordnung 12, wohingegen die Position Peter Ulrichs13 klar von einem diskursethischen, die Unternehmen als „ Corporate Citizen“ selbst verpflichtenden Zugang zur Unternehmensethik geprä gt ist. International betrachtet stellt sich die Vielfalt der unternehmensethischen Positionen noch ausgeprä gter dar. Mehr noch als die theoretischen Positionen differieren jedoch deren praktische Anwendungen in den Unternehmen selbst. Weltweit gesehen existieren hö chst unterschiedliche Zugä nge zur Unternehmensethik, zur Entwicklung von Ethik-Management-Systemen sowie zu einem ethisch fundierten Risiko- und Integritä tsmanagement. So entstehen leicht 11 Vgl. Schlegel (2002) 12 Vgl. Homann (1994) 13 Vgl. Ulrich (1998)
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„ interkulturelle Fettnä pfchen“ , die im Vorfeld von Mergers & Acquisitions hä ufig nicht adä quat bedacht werden und weitreichende Folgen haben kö nnen. Ein Beispiel ist die Fusion von Daimler Benz und Chrysler: Die Klage des Groß aktionä rs Kirk Kerkorian wegen der offenkundig gewordenen Unaufrichtigkeit von Daimler-Chef Jürgen Schrempp bezüglich der Hintergründe der Fusion mit Chrysler, stützte sich auf die Corporate Principles des Konzerns, in denen von Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber allen Stakeholdern die Rede ist. Das Beispiel zeigt, daß die unternehmensethisch schon etwas lä nger sensibilisierten Amerikaner – ob als Konsumenten oder Shareholder – die Einhaltung postulierter firmeneigener ethischer Grundsä tze sehr ernst nehmen und einfordern. Dies erfolgt üblicherweise durch ihr Kauf- und Investitionsverhalten, im geschilderten Fall sogar vor Gericht. Richtet sich ein Unternehmen in seiner strategischen Planung an einer Vision, Mission und einem Wertekodex aus und bemüht sich darum, auf dieser Basis seine Unternehmensidentitä t und -kultur bewuß t zu entwickeln, gibt es sich nicht nur eine langfristige Planung und Ausrichtung, sondern begibt sich auch in eine „ Gefahr“ : Denn diese Inhalte werden in der Regel in Form eines Leitbildes und/oder eines Code of Conduct nach innen und auß en kommuniziert. Als solche erschö pfen sie sich nicht in der klassischen Erscheinungsform einer Hochglanzbroschüre, der nicht selten das Schicksal „ gelesen, gelacht, gelocht“ widerfä hrt. Vielmehr kö nnen und sollen ethisch relevante Inhalte von intern wie von extern eingefordert werden, wie im o.a. Fall von DaimlerChrysler geschehen. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, daß Wertekodex, Leitbild und Code of Conduct im Unternehmen professionell und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit implementiert werden, um auch de facto als verbindlicher Handlungsrahmen für Mitarbeiter und Management zu gelten.14 Was ein einzelnes Unternehmen mit einem Standort oder mehreren Standorten innerhalb eines Landes durch Visions-, Missions- und Werte-Entwicklung bis hin zum gelebten Leitbild erreichen will – eine gemeinsame, identitä tsstiftende Orientierung – gilt für international agierende Unternehmen in verschä rfter Weise. In einem transnationalen Unternehmen treffen verschiedenste Wertewelten aufeinander, die unter ein Dach gebracht werden müssen, um eine gemeinsame strategische Ausrichtung entwickeln und umsetzen zu kö nnen. Auch im Falle eines Mergers & Acquisitions-Prozesses stehen die betroffenen Unternehmen vor einer neuen Ausgangslage, die eine entsprechende Neuausrichtung erforderlich macht - in besonderem Maß e dann, wenn der Zusammenschluß
14 Vgl. Kleinfeld (1999)
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transnational erfolgt. Der zentrale Problempunkt liegt dabei in den Unternehmenskulturen der Unternehmen, die die Fusion planen. Unter Unternehmenskultur versteht man die Gesamtheit aller in einem Unternehmen wirksamen Basisannahmen, Normen, Werte, Denkhaltungen und Umgangsformen, die das Verhalten der Mitarbeiter und dadurch das Erscheinungsbild des Unternehmens nach innen und auß en prä gen. Weil diese Faktoren zwar die Unternehmensrealitä t in entscheidender Weise definieren, andererseits jedoch den Akteuren grö ß tenteils nur unvollstä ndig bewuß t sind, bedarf es einer entsprechenden Sensibilisierung und einer erprobten Methodik, um die verschiedenen Dimensionen einer Unternehmenskultur adä quat beschreiben und zielführend gestalten zu kö nnen. Oberflächenstruktur
Materielle Phänomene
Immaterielle Phänomene Basisannahmen
Tiefenstruktur (das „organisatorische Unterbewußtsein“)
Abbildung 2: Der ‚Kultur-Eisberg’, zu diagnostizierende Ebenen der Unternehmenskultur Das Modell des Eisbergs in Abbildung 2 symbolisiert dieses Phä nomen „ Unternehmenskultur“ , das sich danach in drei Ebenen differenzieren lä ß t: in die materiellen Phä nomene (optische, sprachliche, instrumentelle Erscheinungen wie Raumgestaltung, Kleidung, Arbeitszeitregelung etc.), in die immateriellen Phä nomene (Normen, Werte, ethische Grundhaltungen, Einstellungen, Interessen etc.) sowie in die Basisannahmen (Welt- und Menschenbild einer Organisation). Diese Ebenen bilden zusammen ein komplexes Gefüge von Interdependenzen, wobei die kulturprä gende Bedeutung der einzelnen Ebenen nach unten hin zunimmt. Die Nicht-Beachtung dieser Tiefenstrukturen hat oft gerade im Falle von Mergers & Acquisitions das Scheitern eines Zusammenschlusses zur Folge, denn
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hier liegen – tief verborgen – Maß stä be, die eine Akzeptanz von Verä nderungen dauerhaft und mit groß em Beharrungsvermö gen verhindern kö nnen. Hinzu kommt, daß sich Unternehmenskulturen im Verlauf der Unternehmensgeschichte zu etwas Einzigartigem entwickeln. Sie sind daher nicht mit jeder anderen Unternehmenskultur von vornherein kompatibel. Aus dieser Perspektive dürfte die Relevanz von shared values als zentraler Bestandteil der kulturprä genden „ Tiefenstruktur“ eines Unternehmens für den Erfolg von Mergers & Acquisitions schnell ersichtlich sein.
4. Shared Values als Erfolgsfaktor gelingender Firmenzusammenschlüsse Gemeinsame Werte (Shared Values) sind als „ immaterielle Phä nomene“ der Unternehmenskultur ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Zusammenführung von Unternehmen. Eine gelebte gemeinsame Werteorientierung ist als Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nach einer Fusion ein wichtiger Baustein einer perspektivisch erfolgreichen Unternehmensentwicklung. Deshalb sollte bereits vor einer Fusion geprüft werden, ob die potentiellen Partner im Hinblick auf ihre unternehmenskulturellen Voraussetzungen und ihre Werteorientierungen überhaupt zueinander passen. Gefordert ist neben der klassischen Due Diligence auch eine CULTURAL Due Diligence (CDD). Die klassische Due Diligence bleibt von zentraler Bedeutung. Es ist unbestritten wichtig, einen potentiellen Merger nach organisationalen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Aspekten zu prüfen, unternehmerische Kennzahlen, rechtliche Verpflichtungen oder verborgene Altlasten genauestens zu untersuchen. Dennoch scheitern Fusionen, bei denen all dies durchgeführt wurde. Der erhoffte Erfolg bleibt aus. Marktposition, Umsatzzahlen und Shareholder Value steigen nicht, die erwarteten ‚Synergien‘ kommen nicht zur Wirkung. Es ist also offensichtlich, daß die Prüfung der üblichen Kriterien zwar notwendig aber nicht hinreichend ist. Durch Einbeziehen der Unternehmenskultur wird eine weitere entscheidende Dimension berücksichtigt, die sich eben nicht in Kennzahlen und Paragraphen abbilden lä ß t. Die Kultur mit ihren genannten unternehmensethischen Implikationen ist es jedoch gerade, die für die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter und damit für die Realisierung von Synergieeffekten entscheidend ist. Diese Erkenntnis hat sich in einigen Fä llen auch bereits durchgesetzt. International tä tige Unternehmen wie die Deutsche Bank, die Dresdner Hypovereinsbank, BASF und TUI prüfen „ übergeordnet und unerlä ß lich [...], ob die beiden Wertesysteme ausreichend übereinstimmen. Im Fall der Akquisition von Bankers Trust durch die Deutsche Bank hat uns eine frühzeitige Untersuchung mit positivem 131
Ergebnis die gewünschte Sicherheit gegeben, den richtigen Partner gefunden zu haben.“ 15 Die Unternehmenskultur prä gt das soziale System Unternehmen und das Verhalten seiner Mitarbeiter, wä hrend sie selbst wiederum von diesen Faktoren getragen wird. Dadurch erweist sich die Unternehmenskultur als wichtiges Instrument der strategischen Steuerung im Mergers & Acquisitions-Prozeß . Durch eine bevorstehende oder durchgeführte Fusion entstehen bei Mitarbeitern Unsicherheiten bezüglich der Verä nderungen oder der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes. Daraus kö nnen Orientierungslosigkeit, mangelndes Commitment zum dann neuen Unternehmen oder der Unternehmensgruppe, Motivationsrückgang und verstä rkte Bürokratisierung entstehen. Wird der Mergers & Acquisitions-Prozeß jedoch durch Cultural Due Diligence begleitet, kö nnen schon im Vorfeld der Grad der Kompatibilitä t der beiden Unternehmenskulturen geprüft, eventuell notwendige Kulturinterventionen durchgeführt und die Mitarbeiter entsprechend eingebunden werden. So kö nnen die oben beschriebenen negativen Effekte der Fusion vermieden werden. Die Entscheidung zur Fusion sollte durch eine Analyse der kulturellen Integrationsfä higkeit der fusionierenden Unternehmen unterfüttert sein. Das steigert die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Das Fusionsargument „ Unternehmenskultur“ kann die Akzeptanz und die Unterstützung dieser Entscheidung steigern, weil sie einer rein ö konomischen Argumentation einen gewichtigen Aspekt hinzufügt. Anschließ end an diese Analyse sollte ein Konzept für ein umfassendes integratives Wertemanagement erarbeitet werden. Fehlen im Vorfeld des Zusammenschlusses Analyse und Ansä tze für ein Wertemanagement dieser Art, wird die Einführung im ohnehin schon unternehmenskulturell hochsensiblen Fusionsprozeß deutlich schwieriger, bleibt aber für den Erfolg des Prozesses unverzichtbar. Im einen wie im anderen Fall sollte es das Ziel sein, die Mitarbeiter mö glichst schnell in den unternehmenskulturellen Integrationsprozeß einzubeziehen. Durch die Cultural Due Diligence lä ß t sich der M&A-Prozeß von vornherein problemloser gestalten und die erwarteten positiven Effekte kö nnen nachhaltig generiert werden.
15 Heinz Fischer, Bereichsvorstand Personal Deutsche Bank AG, Frankfurt
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5. Cultural Due Diligence und integratives Wertemanagement - Ansä tze, Methoden, Erfahrungen Im Prozeß der Cultural Due Diligence werden zunä chst die unterschiedlichen Kulturen und Wertewelten der beteiligten Unternehmen analysiert. Diese Kulturdiagnostik ist ein von sozialwissenschaftlichem Methodenrepertoire getragener diagnostischer Prozeß , der sich den Gütekriterien der Objektivitä t, Reliabilitä t und Validitä t verpflichtet weiß und so die hohe Qualitä t der durchgeführten Diagnostik sichert. Elemente der Diagnostik sind dabei Befragungen (schriftlich oder online), Mitarbeiterinformationssysteme, Kommunikationsanalysen, Interviews (Einzel-, Gruppen-, Tiefen-, qualitative), Mystery-Tests, Soziometrie, Zeitanalysen bei Führungskrä ften, qualitatives Beobachten sowie 360° -Befragungen. Untersucht werden jeweils die Kulturen aller an einem Merger beteiligten Unternehmen. Dabei werden Kulturprofile abgeleitet, eventuelle unternehmenskulturelle Divergenzen erkannt und eine Fusionsempfehlung unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken des weiteren Fusionsprozesses abgegeben. Wenn aus unternehmenskultureller Sicht durch die Cultural Due Diligence, die bereits eine Kultur- und Wertediagnostik beinhaltet, grünes Licht für eine Fusion gegeben ist, kann das Prozeß design für ein integratives Wertemanagement gestaltet werden. Ziel ist es, einen Handlungskatalog und Managementinstrumente zu entwickeln, die in einem Prozeß das Zusammenführen unterschiedlicher Wertewelten ermö glichen und den Boden für eine neue Unternehmenskultur schaffen, in der sich die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen integriert und nicht "übernommen" fühlen (Vgl. Abbildung 4). Wesentliche Hebel eines integrativen Wertemanagements und strukturelle Elemente der Unternehmenskulturgestaltung sind Vision, Leitbild und Verhaltenskodex: In diesen grundlegenden Strukturelementen der Identitä ts- und Kulturgestaltung (Vgl. Abbildung 3) sollten sich die Werte des Unternehmens wiederfinden. Unternehmerische Leitwerte geben die ö konomische wie ethische Ausrichtung des Unternehmens vor. Aus den Leitwerten lassen sich ethische Leitlinien für konkretes Unternehmenshandeln ableiten, insbesondere durch Selbstverpflichtungen und Orientierungen im Umgang mit den verschiedenen Stakeholdern des Unternehmens. Ein Code of Conduct wiederum gibt der Orientierung für den Umgang der Unternehmensangehö rigen miteinander und mit externen Partnern vor, kann aber auch konkrete Richtlinien für spezifische, etwa integritä tsrelevante Fragen umfassen (z.B. Umgang mit Interessenskonflikten, Bestechung etc.).
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Ethische Fundierung, Werteorientierung
VISION Zukunftsausrichtung Leitbild Selbstverstä ndnis ( mission ) Leitwerte ( core values ) Verhä ltnis zu Stakeholdern
Verhaltenskodex
Leitlinien für den Umgang miteinander
Abbildung 3: Strukturelle Elemente der Unternehmenskulturgestaltung Das so angelegte integrative Wertemanagement vereint also Diagnostik und Orientierung. Von der Art und Weise der Entwicklung dieser Grundlagen kö nnen bereits entscheidende Signale und Impulse zur Stiftung von Gemeinsamkeit und zur Schaffung eines Zusammengehö rigkeitsgefühls ausgehen. Deshalb empfiehlt es sich, im Zuge eines Mergers & Acquisitions-Prozesses, die Inhalte von Vision, Leitbild und Code of Conduct mö glichst partizipativ zu entwickeln und Mitarbeiter aus beiden Unternehmen gleichermaß en einzubeziehen. Auch die Maß nahmen zur anschließ enden Kommunikation und Implementierung dieser Orientierungen kö nnen ganz gezielt zur Integrationsfö rderung und gemeinsamen Identitä tsentwicklung genutzt und entsprechend gestaltet werden – zum Beispiel durch gemeinsame Social Events (Betriebsfeiern, Messen, Tagungen etc.) oder durch spezielle Cultural Events, bei denen die neuen Werte und Orientierungen auch künstlerisch umgesetzt oder inszeniert werden (durch Theater, Musik, Kunst), durch Ikonisierung und Symbolisierung – vor allem aber durch die Institutionalisierung dialogischer und kommunikativer Maß nahmen (Mitarbeiterzeitung, Chat-Foren im Intranet, „ Feedback-Briefkä sten“ , durch Einrichtung regelmä ß iger Gesprä chs- und Diskussionskreise abteilungsspezifisch und/oder unternehmensübergreifend etc.)
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VISION
Soll
Leitbild/ Leitlinien Mission, Leitwerte, Selbstverpflichtung
Policies/ Strategies Geschä ftsgrundsä tze, Ziele
Soll
Soll
Verhaltenskodex (Code of Conduct) Richtlinien für konkretes Verhalten und Handeln
Soll
Maß stab/Bewertungskriterien
Ergebnis
Vergleich des Ist- und des Soll-Wertes
Kommunikation & Implementierung
Ist-Analyse
Ist
Handlungs-/ Maßnahmekatalog Management-Instrumente Managementsystem
Abbildung 4: Integratives Wertemanagement Zu einem erfolgreichen Wertemanagement gehö rt darüber hinaus im Anschluß an diese einführenden Maß nahmen ein umfassender Implementierungsprozeß , der sicherstellt, daß die formulierten Orientierungen Eingang in das tä gliche Handeln finden und fester Bestandteil der gelebten Unternehmenskultur werden. Besonders in und unmittelbar nach der Einführungsphase muß deutlich werden, daß die Werte und Orientierungen aus Vision, Leitbild und Code of Conduct auch tatsä chlich Entscheidungen und Verhaltensweisen beeinflussen und als Maß stab der Erfolgs- und Leistungsbewertung insbesondere von Führungskrä ften fungieren. Entscheidend dafür ist, daß auch die Geschä ftspolitik, sä mtliche Policies & Strategies des – im Fusionsfall nun ohnehin neu auszurichtenden – Unternehmens mit den formulierten Werten und Orientierungen übereinstimmen respektive darauf abgestimmt werden. In der Konsequenz müssen die „ Corporate Values & Principles“ auch zur Grundlage aller relevanten Führungs- und Managementinstrumente (z.B. Balanced Score Cards) werden und Eingang finden in bereits vorhandene Managementsysteme (z.B. TQM), insbesondere aber in alle relevanten Personalmanagementprozesse (vom Recruitment und der Einführung neuer Mitarbeiter über Assessment und Management-Entwicklung bis hin zur Konzep-
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tion spezieller Trainings und Schulungen als fester Bestandteil der Personalentwicklung). Unter dem Strich geht es darum, Maß nahmen, Instrumente und Prozesse zu etablieren, die für eine kontinuierliche Umsetzung und Einhaltung der Werte und daraus abgeleiteten Inhalte sorgen, bis hin zur Etablierung von ControllingMaß nahmen, die in regelmä ß igen Abstä nden den Umsetzungserfolg, insbesondere die Auswirkungen auf die Unternehmenskultur evaluieren und die Einhaltung durch die Unternehmensangehö rigen überprüfen. Nur unter diesen Voraussetzungen eines umfassenden WerteMANAGEMENTS im eigentlichen Sinn kö nnen „ Shared Values“ die beschriebene positive Wirkung für die Entwicklung einer neuen, gemeinsamen Identitä t und Unternehmenskultur entfalten. Wo solche Maß nahmen ausbleiben, wird es schwer sein, die Verbindlichkeit der neuen Ausrichtung glaubwürdig zu vermitteln. Gerade bei der Formulierung und Kommunikation eines auch ethisch-relevanten Anspruchs wie im Falle eines Wertekodex oder Code of Conduct kann sich diese Reaktion aber als fatal erweisen. Denn im nä chsten Schritt entsteht nicht nur intern schnell der Verdacht, das Unternehmen habe sich damit lediglich ein hübsches „ Feigenblatt“ zugelegt. Daß dieser Verdacht auch im Zuge einer Fusion entstehen kann, bei der ein „ ethisch orientiertes“ Unternehmen im Vorfeld seinem Wunschkandidaten offenbar nicht eindringlich genug die „ Gretchenfrage“ gestellt hat, mö ge das abschließ ende Beispiel veranschaulichen: Bei der Fusion von GlaxoWellcome war man von der oben beschriebenen Einsicht getragen gewesen, daß gemeinsame Werte und Verhaltensstandards für ein erfolgreiches Zusammenwachsen zu einem neuen Unternehmen zentral sind: Im Zuge des Integrationsprozesses hatte der neu entstehende Pharmakonzern einen Code of Conduct (Verhaltens- und Wertekodex) entwickelt, der im Rahmen eines umfassenden Ethik- und Wertemanagementsystems implementiert wurde. Vorrangiges Ziel dabei war es, sicherzustellen, daß sich alle Unternehmen der Gruppe in allen Lä ndern den gleichen ethischen Standards bei der Entwicklung und dem Vertrieb ihrer Produkte verpflichtet wissen. Bei der folgenden Fusion mit SmithKline allerdings, hatte man offensichtlich den ethisch-kulturellen Aspekt der „ Due Diligence“ auß er acht gelassen, zumindest war GlaxoWellcome nicht mit der nö tigen, sprich „ geschuldeten Sorgfalt“ bei der Prüfung des Fusionskandidaten SmithKline vorgegangen: Der kurz nach vollzogener Fusion in Deutschland aufgedeckte Bestechungsskandal hatte nun natürlich auch imageschä digende Auswirkungen auf den Namen „ Glaxo“ – für die Unternehmensangehö rigen, die sich zuvor als Mitarbeiter von GlaxoWellcome für die Umsetzung und Einhaltung ihres Ethik-Kodex stark gemacht hatten, haben diese 136
Vorkommnisse sicherlich nicht dazu beigetragen, die Identifikation mit dem neuen Unternehmen „ GlaxoSmithKline“ zu fö rdern.
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United States Sentencing Commission (USSC) (1994): Guideline Manual, Washington, 1994 Wieland, J. (1993): Formen der Institutionalisierung von Moral in amerikanischen Unternehmen. Die amerikanische Business-Ethics-Bewegung. Why and how they do it, Bern et al., 1993
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Wiring (Corporate) Cultures – Begleitung interkultureller Mergers & Acquisitions durch eLearning Jan Fleckenstein, Jena „ Zentrale Merkmale des kulturspezifischen Orientierungssystems lassen sich als sogenannte Kulturstandards definieren. Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persö nlich und andere als normal, selbstverstä ndlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert [...].“ 1 Das Verstä ndnis von Kultur als Orientierungs- und Handlungssystem ist für die Betrachtung internationaler Mergers & Acquisitions auf zwei Ebenen von Bedeutung: Einerseits sehen sich Individuen unterschiedlicher nationaler Kulturrä ume mit jeweils kulturspezifischen Standards miteinander konfrontiert und andererseits stehen sich zwei Unternehmen mit ihren jeweils gültigen (Unternehmens)Kulturstandards gegenüber. Nach Bolten „ vollzieht sich interkulturelle Kommunikation (...) als Spiel fremdkultureller Lebenswelten, in dem permanent ein ‚Dazwischen’ qua ‚Interkultur’ erzeugt wird, für das gä nzlich andere Akzeptanzgrenzen, Konventionen und Handlungsroutinen gelten kö nnen, als für kommunikatives Handeln innerhalb der Ausgangskulturen“ .2 Aus interkultureller Perspektive kann ein M&A dann als erfolgreich klassifiziert werden, wenn es gelingt, zwischen allen beteiligten Kulturen eine funktionierende Interkultur zu erzeugen, d.h. sowohl auf (National-)Kultur- wie auch auf Unternehmenskulturebene werden von den Kommunikationspartnern Orientierungssysteme geschaffen, die es den Angehö rigen beider Kulturen ermö glichen, miteinander zu interagieren. Im Zuge eines M&A gilt es demnach, die Individualkulturen und Unternehmenskulturen miteinander zu verbinden - Wiring (Corporate) Cultures (WCC) - und so im Bereich der Soft Factors Synergiepotenziale des M&A zu erschließ en und zu nutzen. Die IT-Infrastruktur heutiger Unternehmen ö ffnet Perspektiven, den beschriebenen Prozeß durch technologiegestützte Trainingsmaß nahmen deutlich zu fö rdern: eLearning heiß t das Zauberwort. Vorliegender Artikel soll einen kurzen 1 Thomas (1993), S. 380f. 2 Bolten (1997), S. 489
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Ü berblick über die Mö glichkeiten der Begleitung interkultureller M&A mittels eLearning aufzeigen. Dabei wird wie folgt vorgegangen: -
Einführung in die Grundlagen des eLearning
-
Wiring Cultures – Interkulturelles Lernen in Computernetzen
-
Wiring (Corporate) Cultures (WCC) – Aufbau einer beispielhaften WCC-Plattform
Einführung in die Grundlagen des eLearning Menschen haben seit je her versucht, neue technologische Mö glichkeiten auch für ein verbessertes Lernen zu nutzen. Beispielhaft seien hier die zwischen 1915 und 1920 entwickelte Multiple-Choice-Lehrmaschine des Sydney L. Pressey oder die Lehrmaschinen von Burrhus Skinner aus der Mitte der 1950er Jahre genannt. 3 Auch der Bereich der Neuen Medien, zu denen u.a. Radio, Fernsehen und Computer zu zä hlen sind, wurden vom Zeitpunkt ihres Entstehens an auf ihre Fä higkeit zur Vermittlung von Wissen hin untersucht, und es wurden Lehr- und Lernkonzepte für das jeweilige Medium entwickelt (z.B. Sprachlabore, Radio- und Fernsehkurse, Business-TV). In den 1980er Jahren geschah dies dann für das Medium Computer mit der Einführung erster computerunter- bzw. -gestützter Lehr- und Lernprogramme, die gemeinhin als Computer-Based Trainings (kurz: CBT) bezeichnet werden. Die Entwicklung des Internets und firmeninterner Intranets bietet seit den 1990er Jahren die Mö glichkeit, auch das computerunterstützte Lernen zu vernetzen. Der Begriff eLearning ist in der Fachliteratur nicht eindeutig definiert und somit herrscht auch im allgemeinen Sprachgebrauch mehr Verwirrung als eine gemeinsame Basis vor. Begriffe wie Telelearning, Computer-Aided Learning (CAL), Computer Aided Instruction (CAI), Distance Learning, Web-Based Training oder vereinzelt gar Knowledge-Management werden in diesem Zusammenhang durchaus auch synonym verwendet, wobei die inhaltliche Ausprä gung durchaus sehr variieren kann. In der Regel bezeichnet eLearning die Wissensvermittlung mit Hilfe von Computern und entsprechenden Programmen. Das Schlagwort in diesem Zusammenhang ist Multimedia, also die Integration von Audio, Video, Text und Bild in einem einzelnen Medium.4 Im Rahmen dieses Artikels soll eLearning als Form des Lehren und Lernens verstanden werden, bei der die Trainer und
3 Oberle/Wessner (1999), S. 25ff. 4 Anmerkung: Diese vereinfachte Definition von „ Multimedia“ soll in diesem Rahmen als ausreichend erachtet werden. Für eine ausführlichere Erö rterung der Problematik siehe auch Weidenmann (1999), S. 65-81
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Trainees rä umlich voneinander getrennt sind und sich Computernetzwerken zur synchronen und asynchronen Informationsübermittlung und Kommunikation bedienen. Online oder Offline? Im wesentlichen lassen sich zwei Arten von eLearning-Anwendungen unterscheiden: Offline-& Onlineanwendungen. Offlineanwendungen sind lokal ausgeführte Programme, bei denen der Nutzer lediglich intrapersonal mit dem Computer interagiert. Zu dieser Gruppe sind CD-ROMs oder DVDs zu zä hlen. Onlineanwendungen hingegen sind vernetze Systeme, in denen der Nutzer – analog zu den Offlineanwendungen - sowohl intrapersonal, aber eben auch über das Netzwerk interpersonal kommunizieren kann.5 Der groß e Vorteil der Onlineanwendungen liegt in der Mö glichkeit, sowohl synchron (z.B. durch Audio- und Videoconferencing oder textbasierte Chats), als auch asynchron (z.B. durch eMails, Foren) mit anderen Menschen zu kommunizieren und zu interagieren. Gerade für eine dezentrale Unternehmensstruktur, wie sie zwangslä ufig aus transnationalen M&As hervorgeht, und das Ziel (Unternehmens-)Kulturen miteinander zu verbinden, bieten sich somit netzgestützte Anwendungen an, da sie nahezu orts- und zeitunabhä ngig verfügbar sind und alle notwendigen Kommunikationswege bereitstellen. Ein weiterer Vorteil netzgestützter Systeme liegt in der zentralen Steuerbarkeit und einem erheblich verkürzten Produktions- und Distributionsprozeß gegenüber CD-ROMs oder DVDs: die Hinterlegung der Daten auf einem Server reicht aus und die Produktion eines physischen Mediums ist nicht mehr notwendig. Dies führt neben schnellerer, weltweiter Verfügbarkeit nicht zuletzt auch zu einem Kostenvorteil. Netzgestützte eLearning-Angebote bieten somit bei geringeren Kosten und schnellerer Verfügbarkeit und grö ß erer Flexibilitä t einen grö ß eren Funktionsumfang und Nutzen. Im wesentlichen lassen sich drei Formen netzgestützten Lernens unterscheiden:6 Tele-Teaching Bei dieser Form der netzgestützten Weiterbildung handelt es sich um die synchrone, monodirektionale Wissensvermittlung von einer Person an viele Rezipienten, welche mit einer Vorlesung oder einem Vortrag vergleichbar ist und dem Prinzip des Frontalunterrichts folgt. Allerdings sind Vortragender und Rezipien-
5 Anmerkung: Eine Mischform stellen die sog. Hybridanwendungen dar, die speicherintensive Daten wie Audio- und Videodateien über eine lokale Anwendung (z.B. CD-ROM) bereitstellen, gleichzeitig aber auch interpersonale Kommunikation durch Zugang zu einem Netzwerk zulassen. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Netze gering ist, jedoch groß e Datenmengen übertragen werden müssen. 6 Nach FH-Furtwangen
141
ten rä umlich voneinander getrennt. Die Ü bertragung findet mit Hilfe eines VideoKonferenzsystems auf PC-Basis statt. Viele Systeme verfügen über synchrone Feedbackmö glichkeiten für die Zuhö rer, um direkt in Schrift, Wort und Bild – je nach technischer Ausstattung des Zuhö rers – mit dem Vortragenden Kontakt aufnehmen zu kö nnen. Aber auch asynchrone Feedbackmö glichkeiten (z.B. E-Mail) stehen für die Kommunikation mit dem Unterrichtenden zur Verfügung. Tele-Teaching-Systeme haben heute, ä hnlich wie ein Videorekorder, auch die Mö glichkeit, Vorträ ge und Veranstaltungen aufzuzeichnen, zu speichern und zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Sinne eines Learning-on-Demand erneut abrufbar zu machen. Synchrone Kommunikationsmö glichkeiten mit dem Lehrenden bestehen in diesem Fall für den Rezipienten allerdings nicht. Ferner sind bereits Systeme erhä ltlich, die die Funktion elektronischer Wandtafeln beinhalten, auf die sowohl der Lehrende als auch der Rezipient Zugriff haben, wobei dem Dozenten die Entscheidung obliegt, ob und wem er Rede- beziehungsweise Zugriffsrechte einrä umt. Tele-Tutoring Hierbei erarbeitet sich der Trainee anhand verschiedener Medien - wie z.B. Textdateien zum Herunterladen, Videosequenzen, HTML-Dokumente, Web-Based Trainings - ein Thema und wird bei seiner Arbeit von einem Trainer unterstützt. Als Instrument für Rückmeldungen vom Lernenden zum Lehrenden stehen hä ufig asynchrone Kommunikationsmittel wie eMail zur Verfügung. Aufgrund der Ä hnlichkeit im Ablauf, kann das Tele-Tutoring mit einer in das Internet verlagerten Form des klassischen Fernunterrichtes verglichen werden. Dennoch lassen sich bei dieser Form der netzgestützten Weiterbildung auch synchrone Kommunikationswege und -elemente, wie z.B. Tele-Teaching, integrieren. Tele-Tutoring stellt momentan einen Standard in der netzgestützten Weiterbildung im dar. Open-Distance-Learning Beim Open-Distance-Learning nimmt der Trainee nicht an einem komplett durchstrukturierten Kurs teil, sondern greift vielmehr auf Informationen zurück, die ihm zur Verfügung gestellt werden und die er gerade benö tigt. Aus diesem Grunde spricht man auch vom „ learning on demand“ 7, also dem Lernen nach Bedarf. In der Regel handelt es sich bei den Informationen um Dokumente (Texte, Bilder, Video, Ton), die zur asynchronen, autonomen 8 Nutzung in Datenbanken gespeichert sind und sich über das Computernetz (Intranet oder Internet) abrufen lassen. Unterstützung durch einen Tutor ist in der Regel nicht gegeben. 7 Ruttenbur/Spickler/Lurie (2000), S. 10 8 Anmerkung: ‚Autonom’ ist an dieser Stelle als Abgrenzung zu ‚kooperativ’ zu verstehen.
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Einige Anmerkungen Die beschriebene Dreiteilung ist der eigentlichen Problematik nicht vollstä ndig angemessen. Angesichts der schnellen technologischen Weiterentwicklung des Mediums und des daraus resultierenden ä uß erst dynamischen Umfeldes kann eine statische und auf technischen Einzellö sungen aufbauende Untergliederung nur die Weiterbildungsformen zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen. Vielmehr sollte sich das Hauptaugenmerk weg von technischen Lernumgebungen hin zu den Lernern bewegen. Nicht der Einsatz mö glichst umfangreicher und ausgeklügelter technologischer Mittel oder einer spezifischen Form von netzgestützter Weiterbildung – wie beschrieben – sollte im Zentrum des Interesses stehen, sondern vielmehr die Erreichbarkeit der Lehr- und Lernziele und der Zusatznutzen, den die Verwendung des Lehr- und Lernmediums Computernetzwerk – egal ob Internet oder Intranet - bietet. Die Betrachtung der dort zur Verfügung stehenden Kommunikationskanä le und der daraus zu verwirklichenden Lernkontexte in netzgestützten Weiterbildungsangeboten (Vgl. Abbildung 1) erscheint daher sinnvoll:
Abbildung 1: Kommunikation in Computernetzen (Quelle: Eigene Darstellung) Sind Lehr- und Lernziele definiert, besteht die Aufgabe zunä chst darin, die adä quaten Kommunikationsformen zu ihrer Erreichung zu bestimmen. Erst dann ist es sinnvoll, die technische Umsetzung zu planen. Da die technischen Anforderungen sehr unterschiedlich ausfallen, kann auch keine starre Untergliederung ohne genaue Kenntnis der Lehr- und Lernziele erfolgen. Will man aber auch ohne eine Definition dieser Ziele zumindest einen groben Rahmen abstecken, so ist anzunehmen, daß ein ausgewogenes Angebot aus einer Mischung der drei beschriebenen Formen besteht. Auf diese Weise kö nnen Elemente des Frontalunterrichts mit kollaborativen Phasen und Partnerarbeit bis hin zu autonomen Selbst143
lernphasen kombiniert werden und so ein sehr breitgefä chertes Angebot an Lehrund Lernumgebungen geschaffen werden. In der Praxis hat sich vor allem die Kombination von synchronen Livetrainings und asynchronen Lernmodulen durchgesetzt.9
Wiring Cultures – Interkulturelles Lernen in Computernetzen Wie bereits in der Einleitung beschrieben, treffen im Rahmen eines interkulturellen M&As zunä chst einmal Angehö rige unterschiedlicher Kulturen aufeinander. Damit die Zusammenarbeit erfolgreich verlaufen kann, müssen insbesondere die Mitarbeiter, die an transnationalen Schnittstellen (z.B. internationales Management) arbeiten „ Wahrnehmungs- und Empathiefä higkeiten sowie (...) Fä higkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen und Gesellschaften (entwickeln).“ 10 Diese Fä higkeiten sind essentiell, da Kommunikation nicht nur auf der sprachlichen Ebene stattfindet11, sondern auch sozio-kulturelle und kulturelle Aspekte wie z.B. Geschlecht, Alter, Familienstand, Religionszugehö rigkeit, Wohnort und Herkunftsland eine wichtige Rolle für den Verlauf und die Konventionen der interpersonalen Kommunikation spielen. 12 Die reine Vermittlung einer Fremdsprache würde somit nicht ausreichen, um die Kommunikation zwischen den Angehö rigen der beiden (oder noch mehr) Kulturen sicher zu stellen. Neben fremdsprachlichen Kompetenzen müssen die Mitarbeiter Fä higund Fertigkeiten zum Umgang mit fremden Kulturen erwerben. Diese Fä hig- und Fertigkeiten zur Kommunikation zwischen Angehö rigen unterschiedlicher Kulturen werden unter dem Begriff der Interkulturellen Kompetenz zusammengefaß t.13 Fachautoren beschreiben unter diesem und ä hnlichen Begriffen einen Katalog von sich untereinander beeinflussenden Fä hig- und Fertigkeiten:14
9 10 11 12 13 14
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Identitä tsbewuß tsein: Bewuß tsein für die eigenkulturelle Vorprä gung
-
Rollendistanz: Fä higkeit, die eigene Perspektive mit der fremden zu vertauschen
-
Empathie: Fä higkeit, sich in fremde Positionen hineinzuversetzen
-
Ambiguitä tstoleranz: Fä higkeit, widersprüchliche Erfahrungen auszuhalten
Greff/China (2001), S. 37-40 Pauldrach (1992), S. 8 Watzlawick (1969), S. 87 Bleyhl (1994), S. 11f. Buttjes (1995), S. 142 Anmerkung: Bezeichnungen der Fä hig- und Fertigkeiten kö nnen je nach Autor differieren.
144
-
Interaktionsfä higkeit: Fä higkeit, in der fremden Kultur regelkonform handeln zu kö nnen
Diese Kompetenzen werden durch interkulturelles Lernen vermittelt. Interkulturelles Lernen bezeichnet dabei gleichzeitig einen Lerninhalt als auch eine Unterrichtsmethode. Grundsä tzlich lassen sich – auch in netzgestützter Weiterbildung – zwei Arten interkulturellen Lernens unterscheiden: -
Gesteuertes interkulturelles Lernen
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Ungesteuertes interkulturelles Lernen
Das gesteuerte interkulturelle Lernen findet im Rahmen speziell ausgearbeiteter Angebote statt. Diese kö nnen sowohl intrapersonal, in Form, z.B. eines WebBased Trainings, als auch in einem interpersonalen Lernkontext vermittelt werden. Letzteres Mittel erscheint hierbei effektiver, da das Lernziel des Trainings gleichzeitig auch die Methode darstellt – die Teilnehmer erwerben Handlungswissen in der konkreten Anwendung. Intrapersonale Lernangebote kö nnen jedoch sehr gut dazu genutzt werden, den Teilnehmern das Grundlagenwissen zu vermitteln und so interpersonale Lernsituationen vorzubereiten. Aufgabe des interpersonalen interkulturellen Lernens ist es, eine Kommunikationssituation zu schaffen, in der sich Lernende mit verschiedenen Blickwinkeln auseinandersetzen und kulturkontrastiv Wissen erwerben kö nnen. Das zugrundeliegende Lernziel ist in diesem Fall die Interkulturelle Kompetenz. Das ungesteuerte interkulturelle Lernen mittels interkultureller Kommunikation macht – auch im Bereich der M&A-Begleitung - den grö ß ten Teil des interkulturellen Lernens in netzgestützter Weiterbildung aus. Man kö nnte in diesem Fall auch von implizitem interkulturellem Lernen sprechen. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, daß die Teilnehmer netzgestützter Weiterbildung zum einen in ihren Trainings, etwa in kooperativen Arbeitsphasen, als auch privat miteinander in Kontakt kommen. Durch die Ortsunabhä ngigkeit des Mediums ist gleichzeitig zu erwarten, daß diese Teilnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht derselben Kultur angehö ren. Zur Erklä rung: Interaktionen laufen in der Regel so ab, daß das jeweilige Selbstkonzept der Individuen und die damit verbundenen Ansprüche nicht verletzt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Territorien des Selbst, die als unantastbar angesehen werden.15 Treten demnach im Rahmen eines netzgestützten Weiterbildungsangebotes Angehö rige unterschiedlicher Kulturen in Kontakt, so muß jedes Individuum die zugrundeliegenden Kommunikationsregeln lernen, um dieses Territorium des Kommunikationspartners nicht zu verletzen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um synchrone Kommunikati15 Goffman (1996), S. 58f.
145
onskanä le wie Chatsysteme oder asynchrone Kommunikationskanä le wie E-Mail handelt: wichtig ist Interpersonalitä t. Durch stä ndigen Informationsaustausch mit anderen Teilnehmern oder auch mit dem Trainer findet somit ein stetes Lernen um die Regeln interkultureller Kommunikationsprozesse auch ohne Steuerung und Lernziel statt. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß interkulturelles Lernen in Computernetzen nicht zwingend an entsprechende Lerninhalte gebunden ist. Interkulturelles Lernen findet schon in interkultureller Kommunikation statt. Der folgende Abschnitt zeigt, wie sich dieses interkulturelle Lernen, das einen wichtigen Baustein für einen erfolgreichen M&A darstellt, praktisch realisieren und mit der Vermittlung einer neuen Corporate Culture verbinden lä ß t.
Wiring (Corporate) Cultures (WCC) – Aufbau einer beispielhaften WCC-Plattform Die WCC-Plattform kann als Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern, den Ausgangskulturen denen sie angehö ren und dem neuen Unternehmen und seiner Unternehmenskultur angesehen werden. Der Einsatz eines solchen Weiterbildungsmediums sollte dabei frühzeitig erfolgen, um den Transformationsprozeß mö glichst fließ end und reibungslos zu gestalten. So kann eine bereits in der Transaktionsphase eingesetzte WCC-Plattform einer negativen Meinungsbildung in der Belegschaft der beteiligten Unternehmen wirksam entgegenwirken und die Einstellungen zum neuen Unternehmen positiv beeinflussen. Dabei erwartet der Weiterbildungswillige von einer netzgestützten Weiterbildungsplattform klar strukturierte, transparente und qualitativ hochwertige Inhalte, gepaart mit einer einfachen Bedienbarkeit der Benutzeroberflä che.16 Für die Beispielplattform wurde eine 3-stufige Gliederung in die Bereiche Basismodul, Community und Kursmodul gewä hlt (Abbildung 2). Eine modulare Struktur bietet sich an, weil die einzelnen Bereiche nicht direkt miteinander verwoben sind und so einfacher verä ndert oder gar ausgetauscht werden kö nnen, ohne daß eine vollstä ndige Neukonzeption der Gesamtplattform notwendig wird. Dies trä gt der Aktualitä t und Adaptivitä t bzw. Adaptierbarkeit des Mediums Rechnung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Skalierbarkeit der Plattform.
16 Bodi/Offenbartl (2000)
146
Das Basismodul stellt den frei zugä nglichen Bereich der WCC-Plattform dar. Diesen Bereich kann jeder interessierte Mitarbeiter beider Unternehmen anonym besuchen. Anonym heiß t, daß die Identitä t des Besuchers nicht preisgegeben wird. Dieser Bereich ist am ehesten mit einer Homepage vergleichbar und hat eine ä hnliche Aufgabe: Informationen zum (neuen) Unternehmen und seiner Unternehmenskultur zu vermitteln. Das Basismodul ist ein unternehmensinternes Tools mit imagebildenden Aufgaben. Im wesentlichen zeichnen die selben Elemente das Basismodul aus, wie sie auch von anderen Internetplattformen (auch Portale genannt), unabhä ngig von ihrer thematischen Orientierung, bekannt sind.
Basismodul
Community
Kursmodul
Abbildung 2: Bereiche der WCC-Plattform (Quelle: Eigene Darstellung) Die Community (engl.: Gemeinschaft) stellt Vorstufe zum Kursmodul dar. Um die Angebote der Community nutzen zu kö nnen, muß sich der Nutzer registrieren lassen. Ist dies geschehen, kann sich er in den Communitybereich einwä hlen. Hier hat er nun u.a. die Mö glichkeit, mit anderen registrierten Nutzern in Kontakt zu treten. Eine unternehmensinterne interkulturelle Kommunikation – und damit ungesteuertes interkulturelles Lernen – kann stattfinden. Gleichzeitig kann die Registrierung dazu genutzt werden, die registrierten Nutzer durch Newsletter per E-Mail über Neuigkeiten rund um den M&A-Prozeß zu informieren und so Unsicherheiten bei den Mitarbeitern aufgrund mangelnden Informationsflusses zu 147
vermeiden. Insgesamt stehen dem Nutzer umfangreichere Funktionalitä ten als im Basismodul zur Verfügung. Anders als im Basismodul kann das Mitglied der Community synchron (über z.B. textbasierte Chatsysteme) und asynchron (über Foren und Schwarze Bretter) mit anderen Mitgliedern in Kontakt treten und sich mit ihnen über die gemeinsame „ Problematik“ des M&A auszutauschen. So kö nnen Erwartungen und Ä ngste auf einer informellen Ebene thematisiert und diskutiert werden. Um einen – niemals ausschließ baren – Miß brauch der Plattform zu vermeiden, sollten Foren und Chats von Tutoren begleitet werden, die auch als Meinungsmultiplikatoren fungieren kö nnen. Es ist jedoch darauf zu achten, daß der Tutoreneinsatz nicht das Gefühl einer übertriebenen Steuerung seitens der Unternehmensspitze vermittelt. Dies würde den Sinn und Zweck der Plattform gefä hrden. Durch die Integration von synchronen und asynchronen Kommunikationselementen steht die Aktualitä t und Content-Pflege, anders als im Basismodul, eher im Hintergrund: Durch die Kommunikationselemente sorgen die Nutzer dieses Moduls selbstä ndig für immer neue Inhalte. Das Unternehmen stellt zu einem Groß teil nur die notwendige Infrastruktur hierfür bereit. Das Kursmodul stellt das Kernstück der WCC-Plattform dar. Es ist die Lernumgebung, in der den Teilnehmern die Lerninhalte vermittelt werden, gesteuertes interkulturelles Lernen stattfindet. Als Analogie zum klassischen, nicht netzgestützten Lernen kann man das Kursmodul mit dem Gebä ude vergleichen, in dem Weiterbildung stattfindet. Der Zugang zu einem solchen Modul wird aus Praktikabilitä tsgründen auf die Mitarbeitergruppen beschrä nkt, die auch in dem neu formierten Unternehmen an transnationalen bzw. interkulturellen Schnittstellen arbeiten und für die der Erwerb Interkultureller Kompetenzen von groß er Wichtigkeit für ihre Arbeit ist. Das Kursmodul ist modular aufgebaut wie die gesamte Plattform und gliedert sich wieder in drei wesentliche Elemente: Office, Seminar und Cafeteria (Abbildung 3). Die Vorteile dieser modularen Struktur wurden bereits beschrieben und liegen in der vereinfachten Erweiter- und Verä nderbarkeit. Als Beispiel für ein spä ter integrierbares, sinnvolles Zusatzmodul wurde hier als Beispiel die Bibliothek gewä hlt. Für den Trainee hat dieser Aufbau den Vorteil, daß die Orientierung innerhalb des Moduls erleichtert wird, da Parallelen zu den realen Strukturen gezogen werden kö nnen. Auf diese Weise gewinnt das eigentlich abstrakte und nicht greifbare Konstrukt einer netzgestützten Weiterbildungsplattform an rä umlicher Tiefe und verliert die Abstraktheit. Dies ist vor allem für diejenigen Nutzer wichtig, die bisher relativ wenig Medienerfahrung und – kompetenz sammeln konnten. 148
Das Office ist das zentrale Element des Kursmoduls und mit dem Arbeitsplatz oder auch Schreibtisch vergleichbar. Hier findet der Teilnehmer in personalisierter Form alle notwendigen Informationen und Funktionen. Personalisiert bedeutet, daß im Rahmen des Kursmoduls nur die für ihn relevanten Informationen angezeigt werden. Die Relevanz der Informationen wird durch nutzerspezifische Daten wie die gebuchten Kurse, den Lernstand u.ä . bestimmt. Dadurch wird der Nutzwert des Angebotes für den Teilnehmer erheblich erhö ht, da zum einen die Komplexitä t durch Informationsreduktion verringert wird und zum anderen eine Demotivation durch irrelevante Inhalte vermieden wird. Elemente des Office kö nnen sein: Gebuchte Kurse, Neuigkeiten, Foren/Schwarze Bretter, Mailbox, Fellows-Verzeichnis, Kontextspezifische und allgemeine Hilfen, Lernstatistiken, Lernertagebuch, Kalenderfunktion o.ä ..
Basismodul
Log-On
Log-On
Community
Office
(Bibliothek)
Cafeteria
Seminar 1
Seminar 2
Seminar 3
Seminar 4
Kursmodul
Abbildung 3: Aufbau des Kursmoduls (Quelle: Eigene Darstellung) 149
Das Seminar ist der Teil des Kursmoduls, in dem die eigentliche Weiterbildung ablä uft. Es steht für jeden angebotenen Kurs ein eigener virtueller Raum zur Verfügung. Die Funktionen innerhalb dieses Raumes kö nnen je nach zu vermittelndem Inhalt differieren, jedoch gibt es für alle tutorbegleiteten Kurse ein gemeinsames Funktionsprinzip. Seminare sind im Gegensatz zum Office nicht personalisiert, sondern stellen jedem Teilnehmer die gleichen Informationen und Funktionen zur Verfügung, wie z.B. Online-Materialien/Web-Based Trainings, Tests, Offline-Materialien zum Download, Download-/Upload-Funktion für eigene Dokumente, Chat, Kursforum, Tutorkontakt. Es kö nnen auch synchrone Livetrainings abgehalten werden (vgl. auch Tele-Teaching) Die Cafeteria bildet schließ lich das dritte Modul und dient, nach dem individuellen Arbeitsplatz (Office) und dem virtuellen Klassenzimmer (Seminar), der Entspannung. Im Mittelpunkt steht hier, ä hnlich wie bei der Community, die freie Kommunikation zwischen den Kursteilnehmern. Der private Informationsaustausch soll dazu dienen, daß sich die Kursteilnehmer auß erhalb des Trainings nä her kennen lernen. Durch dieses Kennenlernen wird die Anonymitä t des Mediums bis zu einem gewissen Grade durchbrochen und den Teilnehmern die Einschä tzung ihrer Kollegen im Trainingskontext erleichtert, was zu einer Verbesserung der Qualitä t des kooperativen Lernens und – sofern es sich um Teilnehmer handelt, die auch im Unternehmen eng zusammen arbeiten werden – zu einer Verbesserung der beruflichen Zusammenarbeit führen kann. Der Einsatz von Chat- und Forensystemen erscheint hier als ausreichend.
Ausblick Interkulturelle Kompetenz ist ein wichtiger Soft-Factor für den Erfolg von interkulturellen M&As, interkulturelles Lernen eine Voraussetzung zur Herausbildung von Interkultureller Kompetenz. Für diese Form des Lernens bieten Computernetze vielfä ltige und sehr sinnvolle Mö glichkeiten. Allerdings steht der Einsatz von WCC-Plattformen bei der Begleitung interkultureller Mergers & Acquisitions noch am Anfang. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, daß bisher kaum empirische Daten zum Erfolg einer solchen Plattform vorliegen und zum anderen findet die Betreuung der Mitarbeiter vor, wä hrend und nach einem M&A noch nicht genügend Beachtung in den Kö pfen der Verantwortlichen. Zudem stellt eine solche Plattform einen nicht unerheblichen organisatorischen, wie finanziellen Aufwand dar. Die immer breiter werdende Akzeptanz von eLearning als Weiterbildungsmedium, die sich auch in der steigenden Zahl von virtuellen Corporate Universities ausdrückt, gibt jedoch Grund zur Hoffnung, daß auch die Begleitung von M&As mittels netzgestützter Medien ihren Platz im Bereich der Human
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Resources einnehmen wird. Insbesondere dann, wenn man die Infrastruktur bereits existierender virtueller Corporate Universities nutzen kann.
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IV. Erfolgreiche Integrationsgestaltung bei interkulturellen Mergers & Acquisitions
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Identity und Branding bei Fusionen mit internationaler Dimension Klaus Schmidt, London Weltwirtschaftsexperten prognostizieren internationalen Fusionen eine dynamische, aussichtsreiche Zukunft. Unternehmen seien ungeachtet der jeweils aktuellen Konjunkturlage darauf bedacht, sich Kanä le für den Transfer von Kapital, Technik und Know-how aufzubauen. Damit das auch gelingt, sind Fusionen nicht nur als ein rein betriebswirtschaftlicher Vorgang anzusehen. Wenn nach einem Merger die Verträ ge hoffnungsvoll unterzeichnet sind, liegen komplexe Aufgaben vor allen Beteiligten. Diese Folgeaktivitä ten werden hä ufig unterschä tzt. Der Erfolg eines Zusammenschlusses hä ngt von der Integration der Ressourcen zu einem gemeinsamen Profil und einem gemeinsamen Selbstverstä ndnis ab. Bei internationalen Fusionen müssen zusä tzlich die interkulturellen Besonderheiten beachtet werden: Jedes Land hat seine eigene Kultur und Tradition im Geschä ftsleben – von den Arbeitszeiten bis zum Geschä ftsabschluß . Der gezielte Einsatz von Corporate Identity bzw. Branding-Strategien kann dazu beitragen, zusammenzuführen, was noch nicht zusammen gehö rt – und damit die Chance erhö hen, die Fusion zum Erfolg zu führen. Im Folgenden werden die Wertschö pfungspotenziale aufgezeigt, die Branding und Corporate Identity mit Blick auf Fusionen besitzen. Die Fusion – der Natur nach ein Versprechen Fusionen – ganz gleich ob national oder international – sind aufwendige, zumeist langwierige Prozesse. Rechtliche Bestimmungen erschweren die Administration, Vertriebsstrukturen werden erweitert, Bilanzen, Ressourcen, Einkauf, Logistik und organisatorische Schnittstellen zusammen geführt. Analysen sowie die betriebswirtschaftliche Praxis belegen, daß die Integration von unterschiedlichen Unternehmenskulturen, Kompetenzen und Stä rken nicht immer leicht zu meistern ist. So gaben 75 Prozent der befragten Führungskrä fte einer internationalen Management-Umfrage der Consultinggruppe A.T. Kearney an, sie hä tten die bei der Fusion oder Akquisition gesetzten Ziele nicht erreicht. Eine Quote, die den Bedarf an integrations- und damit identitä tsfö rdernde Maß nahmen für den Erfolg einer Fusion deutlich macht. Bei Unternehmenszusammenschlüssen geht es generell darum, die Plä ne als „ versprochene bessere Zukunft“ glaubhaft zu machen, d.h. Synergien sinnvoll zusammenzuführen. Das „ Warum“ der Fusion scheint in vielen Fä llen geklä rt zu 154
sein, nicht aber die Art und Weise, wie formulierte, quantitative Ziele zu erreichen sind. Das Management handelt dabei unter dem Druck der geballten Macht von Mehrheitsaktionä ren und institutionellen Investoren, die auf Wertsteigerung und Wachstum pochen. Die sollen zumeist durch den Zukauf von Marktanteilen, durch ergä nzte Produkt-Portfolios und neue Markterschließ ungen erwirtschaftet werden. Tatsä chlich erfüllen mittelfristig nur wenige der Zusammenschlüsse die mit ihnen verbundenen Erwartungen. Gründe für das Scheitern gibt es viele. Meistens kommen mehrere Fehlentwicklungen zusammen, zum Beispiel: -
Die Begründung der Fusion, das hinter den Plä nen stehende „ Zukunftsversprechen“ , überzeugt die Stakeholder der Unternehmen nicht.
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Synergien bleiben im Verborgenen oder ungenutzt.
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Positionierung und Vision des aus der Fusion entstandenen Unternehmens sind unglaubwürdig oder fehlen gä nzlich.
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Unterschiede in der Unternehmenskultur der an der Fusion beteiligten Unternehmen werden nicht überbrückt.
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Miß trauen und Unsicherheit in den Belegschaften der an der Fusion beteiligten Unternehmen.
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Ein fehlendes Verstä ndnis für interkulturelle Besonderheiten hemmt oder hindert die Akzeptanz gemeinsamer Ziele.
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Das entstandene Leistungs- bzw. Produktportfolio weist Ungereimtheiten auf, es gibt Ü berschneidungen und widersprüchliche Kompetenz.
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Die Rolle der Kommunikation und des Designs werden unterschä tzt.
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Persö nlichkeiten, die als Integrationspersonen Glaubwürdigkeit und Vertrauen genieß en, verlassen das Unternehmen.
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Markenstrategische Fehlentscheidungen verspielen Goodwill und Vertrauen.
-
Die IT der Unternehmen werden nicht sinnvoll zusammen geführt.
Die Fusion – ein juristischer Begriff Was ist das überhaupt – eine Fusion? Eine Fusion stellt zunä chst einmal eine strategische Verä nderung dar und beeinfluß t jeden Einzelnen in den betroffenen Unternehmen. Der Fusionsbegriff bezieht sich in der Regel auf die Vereinigung zu einer wirtschaftlichen Einheit. Dabei begibt sich ein Unternehmen in eine dauernde und sichtbare Abhä ngigkeit eines anderen Unternehmens. Im angelsä chsischen Sprachgebrauch ist die Bezeichnung „ Mergers & Acquisitions“ meist als Begriffspaar ohne prä zise Abgrenzung der Bedeutungen von „ Fusion“ und 155
„ Kauf“ anzutreffen. Im Sprachgebrauch der Juristen ist eine Fusion „ die Vereinigung von zwei oder mehreren Unternehmen zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit“ . Die Verschmelzung von zwei Unternehmen ist ein extremer Eingriff in alle Geschä ftsablä ufe und bringt Unsicherheit und Verä nderungen für alle Betroffenen mit sich. Um so mehr ist es wesentlich, daß Gründe und Ziele der Fusion bekannt sind und die neuen Herausforderungen offen kommuniziert werden. Corporate Identity und Branding als strategische Klammer Die Zukunft des aus einer internationalen Fusion hervorgegangenen Unternehmens wird wesentlich davon abhä ngen, ob es gelingt, aus ehemals nationalen Unternehmen über alle Grenzen hinweg eine homogene Einheit zu formen, deren Mitarbeiter sich als Teil einer Gemeinschaft verstehen. Dabei wartet angesichts kultureller Unterschiede meistens eine wahre Herkulesarbeit auf das Management und die Mitarbeiter. Corporate Identity und Branding kö nnen dazu beitragen, Unternehmen insbesondere auch bei Fusionen strategisch auszurichten. Eine erfolgreiche Zusammenführung der Ressourcen und die entsprechende Markierung des Unternehmens als Marke erfordert eine ganzheitliche Vorgehensweise und die Integration aller Identitä tselemente aus einer zentralen Positionierung heraus. Dies gilt sowohl für globale Unternehmen, in denen strategische Konzepte weitgehend zentral formuliert und organisiert sind, als auch für transnationale Unternehmen, die sich in jedem Land als „ good corporate citizen“ positionieren und stä rker auf lokale Marktgegebenheiten eingehen. IBM zum Beispiel war eines der ersten Unternehmen, das sich – insbesondere über Kommunikation und Sponsoring – um Integration in die Kultur des Gastlandes bemühte. In der Folge wurde das Unternehmen durch die zunehmende Dezentralisierung jedoch buchstä blich destabilisiert. Louis Gerstner verhinderte die Aufspaltung von IBM in viele kleine Einheiten, indem er eine werteorientierte Positionierung aufstellte, die das Unternehmen einen sollte. Dank der integrativen Wirkung der zentralen Vorgaben und der ebenso durchgä ngigen Organisation, konnte „ Big Blue“ wieder neue Stä rke und Kraft gewinnen. Wie also kö nnen Corporate Identity und Branding zum Gelingen von Fusionen beitragen? Grundsä tzlich sind fünf zentrale Aspekte hier zu nennen: -
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Positionierung: Ein Wandel im Kompetenzanspruch vollzieht sich auf Basis von identitä tsrelevanten Grundsatzentscheidungen und Grundsatzformulierungen. Die Positionierung beschreibt die Zukunft, die zumeist dank Synergien eine erhö hte Wettbewerbsfä higkeit und grö ß eres Wachstum bringen soll, und begründet den neuen Kompetenzanspruch des Unternehmens.
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Differenzierung: Eine klare Differenzierung vom Wettbewerb kann über den Aufbau von emotional gestützten Markenwelten unterstützt werden. Marken erzeugen Akzeptanz und Goodwill zugleich. Die aus der Fusion hervorgegangene Firma muß Flagge zeigen, in den Medien als Marke prä sent sein und sich durch kompetente Vertreter dem ö ffentlichen Diskurs stellen.
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Markenportfolio/Markenstruktur: Eine klare Markenstruktur fö rdert Transparenz und schafft damit auch Vertrauen. Insbesondere im internationalen Kontext gilt es, das Nebeneinander von globalen und lä nder- bzw. regionalspezifischen Marken zu planen und zu koordinieren. So kann es je nach unterschiedlichen Verbrauchergewohnheiten oder Gesetzgebungen durchaus sinnvoll sein, Sortiments- und Produktmarken regional unterschiedlich zu positionieren und entsprechend zu kommunizieren.
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Design: Das Corporate Design muß die Positionierung des Unternehmens zum Ausdruck bringen und die Markenstruktur optisch widerspiegeln. Ein strategisches, visuelles Konzept ist ein wesentliches Instrument, Marken zu differenzieren und besondere Kompetenzen und Leistungsaspekte zu betonen. Die groß e Herausforderung bei Fusionen liegt in der Bedeutung der Frage, welche visuellen Elemente von welchem Unternehmen übernommen werden kö nnen oder ob besser etwas vö llig Neues entstehen soll. Die gezielte Visibilitä t nach innen und auß en durch Print- und digitale Medien, aber auch durch Medienauftritte des Managements gestaltet die Wahrnehmungen über den Verlauf der Fusion.
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Kommunikation: Der Prozeß einer Fusion muß intensiv kommunikativ begleitet werden. Die anstehenden Verä nderungen erzeugen groß en Informationsbedarf bei allen Stakeholdern. Wo unterschiedliche Menschen erfolgreich zusammenarbeiten sollen, ist Verstä ndnis füreinander und für die gemeinsame Sache eine notwendige Voraussetzung. Engagement und Verantwortung sind gefragt. Aber auch die externe Kommunikation ist wichtig: Was in den Medien berichtet wird, wirkt glaubhafter als die beste firmeninterne Broschüre. Verantwortliche, die ihre Kommunikation mit der Auß enwelt ernst nehmen, unterstützen gleichzeitig ihre Führungslegitimation nach innen.
Corporate Identity- und Branding-Aktivitä ten kö nnen dazu beitragen, die Ä ngste und Vorbehalte der Mitarbeiter aufzulö sen und neue Chancen aufzuzeigen. Zu den Hauptaufgaben der strategischen Unternehmensführung zä hlen in einer 157
M&A-Situation deshalb die Schaffung sowie das Fö rdern neuer Stä rken und Perspektiven. Zwischen der Einsicht, daß eine Fusion notwendig ist, und tatsä chlichen Markterfolgen liegen jedoch oft Welten. Corporate Identity kann dazu beitragen, den Prozeß der Ressourcenintegration professionell zu gestalten. Wichtig für den Erfolg einer Fusion ist es auch, der neuen Unternehmensmarke ein prä gnantes Profil zu geben. Branding, also die Entwicklung und Umsetzung der Identitä t, kann den strategischen Bezugsrahmen in einer M&A-Situation bilden. Die strategische Positionierung als Grundlage Die umfassende Positionierung des neuen Unternehmens ist unerlä ß lich. Die Positionierung benennt die strategischen Erfolgspotenziale und differenziert im Wettbewerb. Zudem bietet sie allen Stakeholdern eine Erklä rung auf die Frage, warum der Zusammenschluß im besten Interesse der gemeinsamen Zukunft ist. Den Kern bilden Vorgaben und Grundsatzentscheidungen für das strategische und operative Handeln. Diese prä zisieren, was ein Unternehmen einzigartig macht, unter anderem den Kompetenzanspruch. Eine Positionierung ist damit Zielsetzung und Maß stab für den unternehmerischen Erfolg. Bei der Formulierung dieser Zielsetzung sind folgende Aspekte zu beachten: -
Verstä ndlichkeit der Inhalte
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klare und verstä ndliche Kommunizierbarkeit
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einheitliche Interpretierbarkeit in unterschiedlichen Kulturkreisen
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Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit
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Konsistenz: keine Widersprüche zwischen den definierten Werten und Strategien
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Relevanz in Hinblick auf Leistungs- und Nutzenansprüche
Die strategische Positionierung hat nur dann operative Relevanz, wenn sie eindeutig, verstä ndlich und aussagekrä ftig ist. Sie ist ganz besonders in einer internationalen M&A-Situation wichtig. Denn hier muß die Basis für das interkulturelle Verstä ndnis, die Schaffung einer gemeinsamen Unternehmenskultur mit verbindlichen Werten und Strategien formuliert sein. Ihre volle Wirkung entfaltet die strategische Positionierung in Zusammenhang mit einer Vielzahl an weiteren Themen und Maß nahmen: -
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Sinnhaltige Namensgebung: Die Bezeichnung des aus einer Fusion hervorgegangenen Unternehmens muß der Positionierung entsprechen, darf welt-
weit keine unerwünschten Interpretationen zulassen und muß zur Differenzierung des Unternehmens beitragen. -
Strategisches Design: Ä sthetische, formale und funktionale Gesichtspunkte zur Inszenierung von Emotionalitä t und Bindung der Stakeholder an das neue Unternehmen sollten einbezogen werden.
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Transparente Unternehmens-/Identitä tsstruktur: Kompetenzbereiche und Leistungsprofil strukturieren und über eine entsprechende Identitä tsstruktur kommunizieren.
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Kooperative Unternehmenskultur: Das persö nliche Engagement der Mitarbeiter sollte als Notwendigkeit für das Gelingen der Fusion selbstverstä ndlich sein.
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Persö nliche Kommunikation: Die Prä senz der Führungskrä fte ist gefragt! Das Spannungsfeld zwischen nahezu vollstä ndiger Informationsmö glichkeit und oft unvollstä ndiger Informationsfä higkeit ist aufzulö sen.
Fusionen sind Prozesse, die Schritt für Schritt in eine geplante, aber eben doch unsichere Zukunft führen. Bei einem Merger ist es Aufgabe, klar und deutlich zu definieren, was geplant ist, warum diese Verä nderungen notwendig sind und was der Einzelne von davon hat. Nur so gelingt es den Stakeholdern eines Unternehmens, von den Mitarbeitern bis zu den Finanzanalysten und den Investoren, eine Fusion zu verstehen. Und nur was verstanden wird, kann auch akzeptiert werden. Das trifft sowohl auf nationale wie auch internationale Fusionen zu. Fallbeispiel Deutsche Bank 24: Die Multi-Channel-Bank Der Erfolg der Fusionierung eines Teils der Deutschen Bank mit der Bank 24 zur Deutschen Bank 24 zeigt, wie eine auf Emotionalitä t setzende Kommunikation unterschiedliche Bezugsgruppen von strategischen Verä nderungen überzeugen kann. Gleichzeitig beweist dieses Fallbeispiel, daß eine stimmige strategische Positionierung die inhaltliche Grundlage für die gesamte Unternehmenskommunikation sein kann. Der Claim „ Für alle, die noch etwas vorhaben“ übersetzt die angestrebte Service- und Kompetenzmaximierung der Bank in eine emotionale Aussage über die Zielgruppe. Der Claim hatte extern, aber auch intern eine Signalfunktion: Kunden erkannten das erweiterte Service-Angebot, für die Mitarbeiter standen die neuen Perspektiven im Vordergrund. In dieser Hinsicht galt der Claim intern als Aufforderung, für ein richtungweisendes Leistungskonzept erfolgreich sein zu kö nnen. Die Zusammenführung zweier unterschiedlich positionierter Marken (Retailbereich der Deutschen Bank und Direct Banking der Bank 24) verdeutlichte, wie zukunftsweisend ein neues, erweitertes Angebot und damit das Konzept der 159
„ Multi-Channel-Bank“ sein kann: Die Seriositä t der Deutschen Bank wurde mit der Jugendlichkeit und Dynamik der Bank 24 vereinigt - mit dem Ziel, Kundenvorteile zu schaffen und Marken-Goodwill als Signal für Zukunftspotenziale sichtbar und erlebbar zu machen. Insgesamt trug die erweiterte Vertriebsstrategie zu einer eigenstä ndigen Profilierung der neuen Bank bei. Befragungen haben ergeben, daß die Deutsche Bank 24 entsprechend der intendierten Positionierung als überdurchschnittlich kundenorientiert wahrgenommen wird. Fallbeispiel Vodafone: Mühselige Markenetablierung Manche Fusion, die einzig aus dem Zwang zur Grö ß e entsteht, verlä uft zunä chst nicht so erfolgreich wie erhofft. So stellte sich der Plan von Christopher Gent, Vodafone als globale Marke im Mobilfunkbereich zu etablieren, in Deutschland anfangs als zö gerlich heraus. Nach auß en getragene, interne Koordinationsschwierigkeiten bei den Kompetenzen und das Nebeneinander der Marken D2 und Vodafone verhinderten eine klare und nachvollziehbare Markenstruktur und behinderten eine kraftvolle Einführung der Marke Vodafone in Deutschland. Zwar dehnte Gent das Unternehmen auf rund 30 Auslandsmä rkte aus, doch in einzelnen Mä rkten wie Deutschland und Groß britannien verlor Vodafone an Fahrt, an Marktanteilen und an Shareholder-Value. Interne Schwierigkeiten mit der Markenidentifikation, die noch mangelnde Vernetzung der Landesgesellschaften zu einem globalen Netzwerk sowie eine nicht konsequent durchgesetzte Markenprä senz und ein Spä tstart beim mobilen Internet, trugen anfangs zur zö gernden Durchsetzung der Marke Vodafone bei. In Deutschland stand die Marke D2 trotz groß angelegter Imagewerbung noch in einer Konkurrenzbeziehung zur Unternehmensmarke Vodafone. Das hat eine kraftvolle Markenetablierung verhindert. Durch eine eindeutige, transparente Markenstrategie und wahrscheinlich auch durch eine profiliertere Unternehmenskultur hä tte die Akzeptanz von Vodafone von Anfang an erhö ht werden kö nnen. Integration durch Marken: die Dachmarken-Strategie Fallbeispiel GlaxoSmithKline: fokussierte Kraft im Pharmamarkt. So wie bei der Gründung der Deutschen Bank 24 eine neue Marke entstanden ist, bedeutete auch der Zusammenschluß von Glaxo Wellcome und SmithKlineBeecham zu GlaxoSmithKline die Geburt einer neuen Marke. Wie bei vielen anderen Zusammenschlüssen auch, wurde die Fusion vorgenommen, um Synergien zu realisieren und um mit grö ß erer Leistungsfä higkeit bessere Wachstumschancen zu haben. Insbesondere erhoffte man sich eine noch schnellere Entwicklung von Produkten. Die Manager von SmithKline Beecham trieben die Fusion stark voran, weil durch eine lange Kooperation mit dem Biotechnologieunternehmen Human 160
Genome Science eine Vielzahl von potentiellen Zielstrukturen für Medikamente (Targets) vorhanden waren, aber befürchtet wurde, daß die eigenen Ressourcen nicht ausreichen würden, um alle Produktkandidaten („ New Chemical Entities“ ) zu entwickeln. Im Falle der Deutschen Bank 24 überzeugten insbesondere das erweiterte Vertriebskonzept sowie die emotionale Kommunikation vom Sinn und Zweck des neuen Unternehmens. Bei dem Pharmaunternehmen waren es die sich optimal ergä nzenden Forschungs- und Entwicklungsteams sowie die integrative Wirkung der Dachmarke, die in erster Linie einen wirksamen Ü berzeugungstransfer leisteten. Die Weiterführung der Namen in der Firmenbezeichnung ist bei GlaxoSmithKline ein Bekenntnis zu den historischen Wurzeln des neuen Konzerns und prä gt das Selbstverstä ndnis. Beide Unternehmen haben in der Namensgebung etwas aufgegeben, um etwas Neues zu schaffen. Der Prozeß der Markenbildung bzw. der Integration zweier unterschiedlicher Unternehmen zu einer neuen Einheit wurde durch die Entwicklung eine Leitbildes und die Definition des Global Player als „ Good Corporate Citizen“ katalysiert. „ Verantwortung“ wurde im Leitbild zu einem Schlüsselbegriff für alle Mitarbeiter, über die Aufgaben des jeweils individuellen Arbeitsplatzes hinaus. Diesem Selbstverstä ndnis nach sieht sich der Einzelne im Unternehmen als verantwortungsbewuß tes Mitglied einer Gemeinschaft, die nicht nur nimmt, sondern auch gibt. Ein Grundsatz, der auch in dem gesellschaftlichen Engagement des Konzerns zum Ausdruck kommt, z.B. auf internationaler Ebene bei vielen Projekten, die der Gesundheitspflege und der Vorbeugung von Krankheiten und Epidemien dienen. Dieses Engagement stä rkt die Identifikation der Mitarbeiter mit „ ihrem“ Unternehmen. Weiterhin wird der konzernweite Ideen- und Erfahrungsaustausch gefö rdert und jeweils vor Ort von festen Ansprechpartnern koordiniert. So werden aus Informationen regelrechte Interaktionen, die ihrerseits wieder zu Identifikation führen. Neben medial vermittelten Informationen, z.B. über die Infozeitschrift „ emerge" und die Intranet-Plattform „ Open Line“ spielt die Prä senz von Mitarbeitern und Führungskrä ften eine zentrale Rolle bei der Integration. Die Form des Markenzeichens versinnbildlicht die humane, organische Dimension von GSK. Insgesamt steht das gesamte Corporate Design für die Flexibilitä t, die in der strategischen Positionierung als Kennzeichen der Unternehmenskultur herausgestellt wird. Für die Integration der Unternehmensressourcen war wichtig, die aus der Fusion entstehenden Synergien richtig zu nutzen. Dies ist gelungen: Zu einer Vielzahl an aussichtsreichen Produktkandidaten kam ein klarer Fokus auf wachstumsstarke Indikationsbereiche hinzu. Analysten erkennen die Potenziale von GSK. Sie bezeichnen den Konzern als einen der „ bedeutenden Spieler bei der Entzündungs-, 161
den Zentralnervensystems-, Atemwegs- sowie der Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen“ . Dieses Beispiel zeigt, daß eine Fusion um so erfolgreicher sein wird, je hö her der „ emotionale Mehrwert“ ist, der mit dem neuen Unternehmen geschaffen wird: durch die kommunikative Ausrichtung und das Design sowie durch die Formuli erung eines überzeugenden Kundennutzens und durch die bewuß te Integration der Mitarbeiter. Integration durch Marken: die Mehr-Marken-Strategie Fallbeispiel Allianz–Dresdner Bank: Komplementä re Stä rken Insbesondere bei einer beabsichtigten Portfolio-Erweiterung hilft eine regelrechte Markenarchitektur Verä nderungen zu beherrschen und zu gestalten. Bei der Zusammenführung unterschiedlicher Leistungen, kann es durchaus sinnvoll sein, bestehende Marken zu erhalten. Im Falle einer Mehr-Marken-Strategie ist es um so wichtiger, daß die gemeinsame Vision klar, die Ziele bekannt und die Aufgabenstellungen für die Mitarbeiter abgesprochen sind. War bei GlaxoSmithKline die Profilierung der Dachmarke eine wesentliche Aufgabe im Fusionsprozeß , so kann in anderen Fä llen eine Mehr-Marken-Strategie den gordischen Knoten lö sen. Zum Beispiel im Finanzdienstleistungssektor. Die Entwicklungspotenziale liegen hier besonders in der Altersvorsorge und bei Firmenkunden. Gleichzeitig wird sich der Markt durch Internet und Euro ä ndern. Die Ü bernahme der Dresdner Bank durch den globalen Versicherungskonzern Allianz etabliert aus Markensicht eine Mehr-Marken-Strategie. Beide Hä user ergä nzen sich bei den wichtigsten Zukunftsmä rkten für langfristige Anlagen: der Lebens- und Rentenversicherung sowie der Vermö gensverwaltung. Darüber hinaus bietet die Ü bernahme Cross-Selling-Potenziale. Deshalb entwickelte man eine neue, gemeinsame Vertriebsstrategie, die mehr Versicherungskompetenz in die Bankfilialen und mehr Bankwissen in die Versicherungsagenturen bringen soll. Dazu werden laut einer Konzernpublikation rund 1.000 Versicherungsexperten der Allianz als Bankreferenten in den Filialen der Dresdner Bank eingesetzt. Diese Referenten sollen die Bankmitarbeiter im Verkauf von Versicherungsprodukten schulen und selbst Produkte verkaufen. Bereits für 2002 werden Ertragssynergien in Hö he von rund 20 Millionen Euro vor Steuern und nach Restrukturierungsaufwand erwartet. Zudem werden für den Bankenkanal neue Versicherungsprodukte entwickelt und Anreizsysteme für die Bankmitarbeiter geschaffen. Diese Produkte sollen über alle Kanä le verfügbar sein. Auch auf internationaler Ebene bieten die Marken der Allianz Group ihre Leistungen an. Dabei zä hlt die Gruppe in Frankreich, Italien, 162
Spanien, der Schweiz und in Ö sterreich jeweils zu den fünf grö ß ten Anbietern von Versicherungsprodukten. Aus kultureller Sicht soll die Zusammenarbeit von Mitarbeitern der an der Fusion beteiligten Unternehmen den Integrationsprozeß forcieren. Das gelingt jedoch nicht immer. So haben erst jüngst fünf führende Bankmanager die Investmentbank der Dresdner Bank, Dresdner Kleinwort Wasserstein (DKW), verlassen und folgen nach Angaben aus Bankenkreisen Bruce Wasserstein zum US-Institut Lazard. Ein solcher Verlust von Führungskrä ften schwä cht das Vertrauen der Mitarbeiter und hemmt den Integrationsprozeß . Fazit: Bei einer Mehr-MarkenStrategie muß die Vertrauensbildung gezielt durch gemeinsames Ringen um „ best practices“ und durch Integrationspersonen auf Führungsebene gefö rdert werden. Unternehmenskultur: „ Commitment“ , „ Communities“ , „ Cooperation“ Gerade bei internationalen Fusionen stellt die Unternehmenskultur eine kritische Grö ß e für Integrationsbemühungen dar. Das Phä nomen Unternehmenskultur kann in unterschiedlicher Weise gesehen werden. Rein funktional betrachtet dienen unternehmenskulturelle Faktoren, die durch Einwirkungen des Managements gesteuert werden kö nnen, der Erreichung von Unternehmenszielen. Damit verbunden ist die Annahme, eine Unternehmenskultur sei klar analysierbar und objektiv zu definieren. Eine andere Denkrichtung geht davon aus, daß die Elemente einer Unternehmenskultur nicht beliebig vom Management manö vriert werden kö nnen. Die Praxis liegt hä ufig zwischen beiden Ansä tzen. Tatsache ist, daß sich weltweit agierende Unternehmen entsprechend dem Motto „ Living the brand“ gemeinsame Ziele vor Augen halten. Dies gelingt nur, wenn intern ein „ WirGefühl“ über alle Abteilungen und Zustä ndigkeiten geschaffen wird. Um „ Commitment“ , eine motivierende Unternehmenskultur, zu schaffen, muß jeder Mitarbeiter aktiv am Fusionsprozeß beteiligt werden. Technologien kö nnen hier unterstützend wirken. Bereits ist die Rede von der „ E-Culture“ , deren Kennzeichen die Bildung von „ communities“ ist, die durch Internet und Intranet unterstützt werden. Auch interne Ablä ufe und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit kö nnen dadurch entscheidend verbessert werden. Kommunikation zur Vertrauensbildung Der Informationsbedarf rund um den Fusionsprozeß ist sehr hoch, weil alle Mitarbeiter existentiell betroffen sind. Nach wie vor hat die persö nliche Kommunikation dabei einen sehr hohen Stellenwert. Sie schafft am besten die Mö glichkeit für direkte Interaktion (Frage- und Antwort-Runden) und kann am ehesten Miß verstä ndnisse vermeiden. Das Top-Management ist hier ganz persö nlich gefordert, 163
denn es geht um „ Insider-Information“ aus erster Hand. Nicht zu empfehlen ist es dagegen, elektronische, unpersö nliche Medien wie das Intranet zu intensiv einzusetzen – die Mitarbeiter kö nnten sich im wahrsten Sinne des Wortes „ abgespeist“ und mit ihren Sorgen alleine gelassen fühlen. Immer wieder muß mit geeigneten Methoden und Maß nahmen kommuniziert werden, welche Bedeutung die Fusion für das neue Unternehmen, die Kunden, Lieferanten, Investoren und sonstige Stakeholder hat und haben soll. Ü ber allem aber steht die Aufgabe, dem Selbstverstä ndnis der Mitarbeiter eine feste Grundlage zu geben und ihre Einstellung und Argumentationsstä rke im Gesprä ch untereinander oder auch gegenüber Auß enstehenden zu verbessern. Fallbeispiel Banamex: Meinungsforschung stä rkt die Akzeptanz. Dieses Fallbeispiel zeigt auf, wie ein geschicktes und zielgruppenorientiertes „ Wahrnehmungs-Management“ , die Einbeziehung der internen und externen Zielgruppen in der Unternehmenskommunikation vor dem eigentlichen Merger, wesentliche Voraussetzungen für den nachhaltigen Erfolg einer Fusion schaffen kann - sowohl intern als auch extern. Denn Fusionen erfordern Ü berzeugungsund Integrationsarbeit. Die US-amerikanische Citigroup fusionierte mit der Grupo Financiero BanamexAccival, der zweitgrö ß ten Bank in Mexiko. Vorab wurde im Mai 2001 wurde eine breit angelegte Umfrage über das ö ffentliche Meinungsbild hinsichtlich der Fusion durchgeführt. Dabei wurden etwa 1.000 aktuelle und potentielle Kunden in den Ballungszentren Mexiko-City, Guadalajara und Monterrey zu ihren Erwartungen und Befürchtungen befragt. Die Ergebnisse zeigten deutliche Tendenzen auf: 75% der Befragten wünschten sich, daß sich nach der Fusion nichts an ihrer Kundenbeziehung zu Banamex ä ndert. Die Ergebnisse der Umfrage wurden intern und extern kommuniziert. Für Interessierte sind sie auf der nationalen Website von Banamex abrufbar und im Internet gibt es einen Sonderlink zu einer Informationsseite mit den Nachrichten über die Integration der beiden Groß banken. Nach der Transaktion laufen die gemeinsamen Geschä fte in Mexiko unter dem Namen Banamex. Das hat zwei groß e Vorteile: Zum einen bleibt der Goodwill bei Kunden und Mitarbeitern erhalten, zum anderen wird die Brand Equity ausgeschö pft. Erfolgsfaktor Design Neben Kommunikation ist das Design ein wichtiger Faktor bei der Vertrauensund Imagebildung: Ein einheitliches und profilierendes Corporate Design erhö ht den Wirkungs- und Wiedererkennungsgrad unterschiedlicher Maß nahmen wie Werbung, Ö ffentlichkeitsarbeit und Investor Relations. Design sorgt also für Orientierung. Seit der Etablierung der Online-Kommunikation haben sich jedoch 164
die Darstellungsformen und – mö glichkeiten von Design vervielfacht. Diese Vielfalt an Kommunikationsmedien und – instrumenten verlangt Einheit. Nur so bleibt die Orientierungsfunktion von Design erhalten. Nur so fö rdert Design Identitä t. Orientierung und Identitä t wiederum erfordern Ordnung. Der zunehmende Ordnungsbedarf in der Selbstdarstellung eines Unternehmens hat oftmals zu „ Gestaltungsvorschriften“ geführt. Vorschriften formalisieren in der Regel und stellen eine Distanz her. Identitä t hat jedoch mit Identifikation zu tun, nicht mit Distanz. Mit Blick auf eine M&A-Situation geht es also darum, zunä chst Grundlagen gemeinsamen Empfindens zu entdecken. Es geht um die Entwicklung und Festlegung einer gestalterischen Grundhaltung, die im Idealfall durch ihren Ausdruck das gesamte Unternehmen prä gt. Design ist also das Gegenteil von Beliebigkeit und Willkür. Fallbeispiel DaimlerChrysler: Brand Design-System für Mercedes-Benz. Um die Marken weltweit konsequent zu leben und nachhaltig zu kommunizieren, wurde bei Mercedes-Benz ein Brand-Design-System entwickelt. Dieses steuert auf Basis der strategischen Positionierung den kohä renten Auftritt der Marke und verleiht gleichzeitig der Prä senz von Mercedes-Benz immer wieder neue Dynamik. Dieses System ist die Grundlage für ein weltweit konsistentes Markenmanagement, das alle Instrumente und Maß nahmen der Kommunikation einbezieht. Per Mausklick kö nnen im Intranet Informationen und Vorlagen zu aktuellen Richtlinien für das Erscheinungsbild der Marke jederzeit direkt heruntergeladen werden. Auch sind Ä nderungen einfach auszuführen und weltweit sofort abrufbar. Das Brand-Design-System gewä hrleistet so nicht nur einen einheitlichen Auftritt, sondern auch Differenzierung im Markt. Fazit: Generell entstehen Fusionen aufgrund von strategischen Entscheidungen der Unternehmensführungen zweier oder mehrerer Gesellschaften. Sie sind mit fundamentalen rechtlichen, organisatorischen und persö nlichen Auswirkungen verbunden. Zu Beginn des Fusionierungsprozesses herrscht in der Regel intern groß er Informationsbedarf. Man muß sich darüber im klaren sein, daß Fusionen, insbesondere bei Aufgabe der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstä ndigkeit, zunä chst auf Opposition vieler der Betroffenen stö ß t, sei es aus genereller Verunsicherung, aus verletztem Stolz, aus empfundener oder auch nur vermuteter Kritik an der eigenen Arbeit. Die Situation einer Fusion ist hä ufig mit einer Vernunftsehe zu vergleichen, die eine zweckgebundene Grundmotivation hat. Die Frage ist, wie man einer solchen Gemeinschaft „ Leben einhaucht“ , damit sie positiv und 165
erfolgreich gedeihen kann. Insbesondere Mitarbeiter sind bei einer Fusion aktiv an Change-Prozessen zu beteiligen. Dies wiederum kann nur gelingen, wenn die Unternehmensziele, aber auch Erwartungen und Vereinbarungen zur Zielerreichung definiert und bekannt sind. Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen und das Entstehen eines gemeinsamen „ Wir-Gefühls“ bedarf in diesem Zusammenhang engagierter Informations- und Kommunikationsarbeit. Um bei den Mitarbeitern aus Betroffenen am Wandel Beteiligte zu machen, kommt es auch darauf an, daß Begegnungsmö glichkeiten auch über kulturelle Grenzen organisiert werden. Es ist eine Aufgabe der Verantwortlichen, dafür zu sorgen, daß die Motivation, Verä nderungen zu akzeptieren und mitzutragen, auf ein hohes Niveau gebracht wird und dort auch vor, wä hrend und nach dem Merger bleibt. Wo Kommunikation neben den rational-linearen Dimensionen des Dienstweges auch die emotional-netzartige Seite der persö nlichen Beziehungen kanalisiert, dort ist auch Platz für Kreativitä t, Leistung und Begeisterungsfä higkeit. Nichts ist zum Beispiel langweiliger und trauriger als eine Mitarbeiterzeitschrift, die von einer frustrierten Belegschaft durchgeblä ttert wird. Erfolgsfaktoren einer Fusion -
Strategische Positionierung
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Transparente Identitä ts-/ Markenstruktur
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Klare Aufteilung der Kompetenzen
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Kooperative Unternehmenskultur
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Sinnhaltige Namensgebung
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Instrumentalisierung des Wissensmanagements
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Rational-lineare und emotional-netzartige Kommunikation
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Bildung von intranet-gestützten Communities
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Medienprä senz und „ Visibilitä t“
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Prä senz von Führungskrä ften und Integrationspersonen
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Corporate Design mit Signalcharakter
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Sensibilisierung für interkulturelle Besonderheiten
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Eine Intergruppenperspektive auf Unternehmensfusionen Steffen Giessner, Jena
Einleitung Fusionen zwischen Gruppen gehö ren zu den tagtä glichen Ereignissen unserer Gesellschaft. Beispielsweise fusionieren Fuß ballspieler mehrerer Klubmannschaften zu einem Nationalteam, verschiedene Parteien bilden Regierungen und Koalitionen, Ost- und Westdeutschland fusionieren immer noch zu einem gemeinsamen Deutschland und ein Groß teil der Lä nder Europas wollen ein gemeinsames Europa bilden. In jedem dieser Beispiele werden die Gruppen zwangslä ufig Probleme erfahren, welche zum Teil dadurch zu erklä ren sind, daß die Mitglieder der Gruppen ein starkes Zugehö rigkeitsgefühl zu ihren ursprünglichen Gruppen verspüren. Auch im Wirtschaftssektor haben Gruppenfusionen eine Hochkonjunktur erfahren.1 Dabei sind insbesondere die Groß fusionen beziehungsweise „ ElefantenHochzeiten“ , wie zum Beispiel zwischen Daimler und Chrysler oder zwischen Dresdner Bank und Allianz Versicherung, durch die Medien bekannt geworden. Die Ziele solcher Fusionen sind dabei vielfä ltig und umfassen die Sicherung von Marktanteilen, Kostenreduktionen bis hin zu Synergieeffekten. Allerdings zeigte sich trotz dieser optimistischen Ziele, daß diese Fusionen eher wenig Erfolg zu haben scheinen. So erfüllen etwa 2/3 der Unternehmensfusionen nicht die anfä nglichen Erwartungen2 oder werden als finanzielle Miß erfolge bewertet3. Gründe für den wirtschaftlichen Miß erfolg stellen einerseits die so genannten „ hard facts“ bzw. die ö konomischen, marktstrategischen und finanziellen Gegebenheiten dar. Andererseits sind dies nicht die einzigen Faktoren, welche den Erfolg einer Fusion bestimmen. Die sogenannte „ menschliche“ Seite der Unternehmensfusion ist in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung gerückt.4 Die Situation, mit welcher ein „ Human Resource“ -Manager eines fusionierten Unternehmens konfrontiert ist, lä ß t sich wie folgt beschreiben: Angestellte zweier vorher unabhä ngiger Unternehmen wurden – oft unerwartet und ungewollt – in einem neuen (inklusiven) Unternehmen zusammengebracht. Die schwierige Auf-
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Vgl. Cartwright/Cooper (1996) Vgl. McCann/Gilkey (1988) Vgl. Buono/Bodwitch (1989); Cartwright/Cooper (1996); Marks/Mirvis (1986) Vgl. Cartwright/Cooper (1996)
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gabe des HR-Managers in dieser Situation besteht nun darin, die Angestellten beider Unternehmen dazu zu bringen, die neue Identitä t des fusionierten Unternehmens anzunehmen und, in einem zweiten Schritt, kooperative Arbeitsbeziehungen zwischen vorher unbekannten Angestellten zu ermö glichen. Die Forschung zu Fusionen stammt zum Groß teil aus den ö konomischen, finanziellen und strategischen Bereich und beschä ftigt sich hauptsä chlich mit den Prä Fusions-Entscheidungen.5 Es ist jedoch offensichtlich, daß Unternehmensfusionen auch viele psychologische Aspekte beinhalten. Psychologische Forschung zeigt, daß organisationaler Wandel in Form von Fusionen sehr schä dliches Verhalten und starke psychologische Reaktionen der Mitarbeiter, wie z.B. Streß , Konflikt, Mitarbeiterfluktuation, geringes Selbstwertgefühl, Angst und sogar Krankheit, nach sich ziehen kann.6 Jedoch wurde bisher oft die Intergruppencharakteristik der Fusionssituation vernachlä ssigt7, obwohl es klare Parallelen gibt. Aus dieser Perspektive kann die Fusion als eine bedeutende Verä nderung der Situation zweier vorher unabhä ngiger Gruppen gesehen werden. Durch die Fusion werden zwei Gruppen in eine inklusive Gruppe absorbiert. In diesem Sinne kann eine Fusion als eine Kategorisierung zweier existierender und etablierter Gruppen auf eine hö here inklusive Ebene verstanden werden. Diese Intergruppensituation hat weitreichende Implikationen: Die Identifikation mit dem ursprünglichen Unternehmen und dem neuen Unternehmen wird beeinfluß t, Statusunterschiede werden wahrgenommen, Bedrohung der Gruppenzugehö rigkeit kann entstehen und Beziehungen zwischen den Gruppen werden relevant. Obwohl es für Interguppenbeziehungen eine relativ breite und reichhaltige Forschungstradition gibt8, ist die Anwendung dieser Erkenntnisse noch relativ beschrä nkt im Kontext der Unternehmensfusionen.9 In diesem Kapitel sollen der Leserin und dem Leser die Ideen dieses Ansatzes nä her gebracht werden. Der Fokus liegt dementsprechend hauptsä chlich auf den Einflüssen von wahrgenommenen Intergruppenbeziehungen auf die Einstellungen, die Motivation und das Verhalten der Angestellten. Auß erdem wird versucht, aus einer Intergruppenperspektive den Einfluß interkultureller Gegebenheiten zu betrachten. Es ist nicht das Ziel dieses Kapitels, alle Aspekte der Unter-
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Vgl. Datta (1991) Vgl. Hogan/Overmyer-Day (1994); Schweiger/Walsh (1990); Terry/Calan/Sartori (1996) Vgl. Terry/Callan (1998) Vgl. Brewer/Brown (1998) Vgl. beispielsweise Buono/Bodwitch (1989); Haunschild/Moreland/Murell (1994); Terry (2001); van Knippenberg/van Leeuwen (2001)
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nehmensfusion aufzuzeigen, da diese vielfä ltig und weitreichend sind.10 Dieser Abschnitt soll vielmehr belegen, daß Intergruppenprozesse bereits weitreichende Einflüsse im Prozeß einer Unternehmensfusion haben kö nnen. Die Berücksichtigung dieser Prozesse in einem Human-Ressource-Management-Programm erscheint deshalb sehr wichtig. Das Kapitel beginnt mit einem relativ ausführlichen Ü berblick über einen der leitenden theoretischen Ansä tze im Feld der sozialpsychologischen Intergruppenforschung – dem Ansatz der Sozialen Identitä t11. Dieser soll einen Einblick in die sozialpsychologischen Sichtweisen auf Intergruppenbeziehungen aufzeigen. Im Anschluß wird die Relevanz der Identifikationsprozesse und der damit verbundenen Intergruppenprozesse in Unternehmen verdeutlicht. Nach der Betrachtung des fundamentalen Einflusses sozialer Identitä ten wä hrend einer Unternehmensfusion, werden einige Ansä tze zum Management von Identifikationen wä hrend der Integration besprochen. Diese Ansä tze stammen aus der Forschung zum Kontakt zwischen ethnischen Gruppen12, haben aber mittlerweile auch Anwendung im Kontext der Unternehmensfusion gefunden 13 und weisen Parallelen zu vorherrschenden Integrationsmodellen für Unternehmensfusionen auf. Vor der abschließ enden Zusammenfassung wird auf die interkulturellen Aspekte von Unternehmensfusionen aus einer intergruppalen Perspektive eingegangen.
Der Ansatz der Sozialen Identitä t Der Ansatz der Sozialen Identitä t14 ist eine allgemeine sozialpsychologische Theorie, welche sich mit Gruppenprozessen und Intergruppenbeziehungen auseinandersetzt. Der Ausgangspunkt dieses theoretischen Ansatzes ist die Unterscheidung zwischen interpersonalem und intergruppalem Verhalten als extreme Pole eines Kontinuums. Wä hrend Interaktionen zwischen Individuen durch ihre individuellen Charakteristiken auf einer interpersonalen Ebene gekennzeichnet sind, ist die Interaktion auf der Intergruppenebene durch die Mitgliedschaft der Individuen in Gruppen beeinfluß t. Das heiß t, es gibt einen fundamentalen Unter-
10 Einen sehr guten Ü berblick über die Vielfalt und Reichhaltigkeit psychologischer Variablen im Wechselspiel mit den Gegebenheiten der Unternehmensfusionen liefert das Kapitel von Hogen/Overmyer-Day (1994). 11 Vgl. Tajfel/Turner (1986); Turner (1987) 12 Vgl. Allport (1954) 13 Vgl. beispielsweise Gaertner/Bachman/Dovidio/Banker (2001) 14 Der Ansatz besteht aus zwei sich ergä nzenden Theorien: der „ Social Identity Theory“ (Tajfel/Turner, 1986) und der „ Self-Categorization Theory“ (Turner/Hogg/Oakes/ Reicher/Wetherell, 1987). Die SIT ist dabei eine eher sozial-motivationale Theorie über Intergruppenprozesse. Die SCT betrachtet eher die kognitiven Prozesse, die zu Kategorisierung führen und aus diesen folgen. Die Betrachtung hier stützt sich hauptsä chlich auf die „ Social Identity Theory“ .
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schied zwischen dem Verhalten als Individuum versus als Gruppenmitglied. Beide Pole unterscheiden sich qualitativ voneinander und treten in ihrer reinen Form fast nie auf. Vielmehr liegen die meisten Interaktionen irgendwo zwischen den Extremen und bilden Mischformen aus personalem und gruppalem Verhalten. Tajfel/Turner (1986) nehmen weiterhin an, daß das Verhaltenskontinuum mit weiteren Charakteristiken verbunden ist (siehe Abbildung 1). Ü berzeugungssysteme stellen dabei die Wahrnehmung der Intergruppenstrukturen in der GesellVerhalten Interpersonal (personale Identitä t)
Intergruppal (soziale Identitä t) Ü berzeugungssysteme
Soziale Mobilitä t
Sozialer Wandel Wahrgenommene Variabilitä t:
Wahrgenommene Heterogenitä t der anderen Gruppe
Wahrgenommene Homogenitä t der anderen Gruppe Betrachtung der anderen Gruppe
Differenzierte Betrachtung
Uniforme Betrachtung
Abbildung 1: Interpersonales - intergruppales Kontinuum und deren Charakteristiken nach Tajfel/Turner (1986) schaft dar. Auf einer interpersonalen Stufe ist dabei die Ansicht sozialer Mobilitä t vorherrschend, d.h. die Auffassung flexibler und permeabler (d.h. durchlä ssiger) Strukturen, die es einem ermö glichen, durch eigene Initiative Mitglied in verschiedenen Gruppen zu werden. Im Gegensatz dazu ist die intergruppale Stufe durch die Wahrnehmung stratifizierter Gruppengrenzen gekennzeichnet, die einen Wechsel der Gruppen unmö glich erscheinen lassen. Deshalb ist hier hauptsä chlich die Ü berzeugung vorhanden, durch sozialen Wandel die vorherrschenden Verhä ltnisse ä ndern zu kö nnen. Weiterhin ist das Kontinuum verbunden mit einer einheitlicheren Behandlung und einer undifferenzierten (bzw. homogenen) Sichtweise der Fremdgruppe auf der Seite des intergruppalen Verhaltens. Mit 171
anderen Worten: Wenn wir uns als Gruppenmitglieder definieren, stimmen wir auch überein, daß die anderen alle gleich sind. Unter einer sozialen Identitä t werden die Aspekte des Selbstkonzeptes verstanden, welche von den Mitgliedschaften in sozialen Kategorien 15 abgeleitet werden. Wenn wir uns als Gruppenmitglied definieren (z.B. Geschlecht, Klasse, Team, Organisation), werden die Unterschiede zwischen der eigenen Gruppe und einer Fremdgruppe erhö ht, und die Unterschiede zwischen den Individuen innerhalb der Eigengruppe minimiert. Die Charakteristiken und Normen der Gruppe werden leitend für das Individuum und sind die Grundlage für unsere Wahrnehmung, Einstellungen und unser Verhalten als Gruppenmitglied. Mit anderen Worten: soziale Kategorien organisieren unsere soziale Welt und geben uns ein Orientierungssystem für unser Selbstbild. Die Theorie der Sozialen Identitä t postuliert, daß Individuen versuchen ein positives Selbstkonzept aufrecht zu erhalten bzw. nach diesem zu streben. Die Bewertung, ob eine soziale Identitä t positiv oder negativ ist, wird von der Zugehö rigkeit zu Gruppen und deren Wertekonnotationen im Vergleich zu anderen relevanten Gruppen abgeleitet. Deshalb versuchen Gruppenmitglieder im Vergleich mit anderen Gruppen positiv distinkt (d.h. unterscheidbar) zu sein. Dies ist motiviert durch das Bedürfnis nach einem positiven Selbstwert.16 Auß erdem werden soziale Identitä tsprozesse auch durch das Bedürfnis motiviert, subjektive Unsicherheit über das eigene Selbstkonzept in sozialen Situationen abzubauen.17 Die bloß e Kategorisierung als Mitglied einer Gruppe ist schon eine hinreichende Ursache für die Bevorzugung der eigenen Gruppe. 18 Genauer gesagt, das Bewuß twerden einer anderen Gruppe reicht oft aus, um diese zu diskriminieren (durch die Aufwertung der eigenen Gruppe) und damit einen Wettkampf zwischen den Gruppen hervorzurufen. Eine zentrale Annahme der Theorie ist, daß Individuen Gruppen angehö ren wollen, die sich positiv von anderen unterscheiden, damit die Individuen ihren Selbstwert erhö hen kö nnen – mit anderen Worten: Sie streben danach, statushö heren Gruppen19 anzugehö ren. Mitgliedschaften in statusniedrigen Gruppen liefern keine positive soziale Identitä t. Deshalb sollten die Mitglieder dieser Gruppen nach anderen Mö glichkeiten suchen, eine positive soziale Identitä t zu erlangen. Im Gegensatz dazu versuchen Mitglieder statushoher Gruppen ihre Mitglied15 16 17 18 19
Der Begriff soziale Kategorie wird im Text als ein Synonym für soziale Gruppe verwendet. Vgl. Abrams/Hogg (1988) Vgl. Hogg/Mullin (1999) Vgl. Tajfel/Billig/Bundy/Flament (1971) Status reflektiert hier die relative Position der Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe auf relevanten Vergleichsdimensionen.
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schaft und die Existenz der Kategorie zu erhalten. Demzufolge werden die Mitglieder statusniedriger Gruppen durch ein Motiv zur Verbesserung der Gruppenidentitä t angetrieben, wä hrend die Mitglieder statushoher Gruppen ein Motiv zum Schutz der positiven Identitä t verfolgen.20 Experimentelle Laborstudien bestä tigen, daß Individuen, welche statushohen Gruppen angehö ren, Stolz zeigen, sich stark mit der Gruppe identifizieren und versuchen ihre Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten.21 Gleiche Ergebnisse liefern auch Feldstudien in Unternehmen.22 Im Gegensatz dazu zeigt die Forschung, daß die Mitgliedschaft in statusniedrigen Gruppen eine negativen Einfluß auf die Gruppenidentifikation und auf das Selbstwertgefühl hat.23 Die Theorie bietet weiterhin eine makrosoziale Dimension, um verschiedene Verhaltensweisen bzw. Prä ferenzen für mö gliche Strategien zur Bewä ltigung einer negativen sozialen Identitä t (d.h. insbesondere für statusniedrige Gruppen) vorherzusagen. Die Wahrnehmung sozio-struktureller Variablen der Intergruppenbeziehung, wie Stabilitä t und Legitimitä t der Statusbeziehungen und Permeabilitä t der Gruppengrenzen, sind dabei die entscheidenden Determinanten. Sie wirken sich auf die Stä rke der Identifikation mit der eigenen Gruppe aus und haben damit auch Einfluß auf die Wahl der Strategien, um eine positive soziale Identitä t zu erhalten. Tajfel/Turner (1986) postulieren eine Reihe von mö glichen Strategien für das Streben nach einer positiven sozialen Identitä t (siehe Abbildung 2): individuelle Mobilitä t, soziale Kreativitä t und sozialer Wettkampf. Individuelle Mobilitä t reprä sentiert dabei ein individuelles Verhalten – die eigene Gruppe zu verlassen, um Mitglied einer statushö heren Gruppe zu werden. Die anderen zwei Strategien sind Gruppenstrategien. Soziale Kreativitä t ist eine Strategie, welche die Verä nderung der Vergleichsdimensionen (z.B. von dem Vergleich der Leistung der Gruppen wird auf den Vergleich der sozialen Kompetenzen der Gruppen gewechselt), die Verä nderung der Bewertung der Dimension (z.B. die Vergleichsdimension Gruppenleistung wird nicht mehr positiv sondern negativ bewertet), oder den Wechsel der Vergleichsgruppe (z.B. Vergleich mit einer schlechteren Gruppe) beinhaltet. Sowohl individuelle Mobilitä t als auch soziale Kreativitä t sind damit Strategien, welche nicht direkt den Status der eigenen Gruppe erhö hen. Nur die dritte Strategie des sozialen Wettkampfes stellt einen direkten Versuch dar, die
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Tajfel, 1975; van Knippenberg/Ellemers (1993) Vgl. Ellemers/van Knippenberg/Wilke (1990); Sachdev/Bourhis (1991) Vgl. Brown/Condor/Mathews/Wade/Williams (1986) Vgl. Ellemers/Wilke/van Knippenberg (1993)
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Statusunterschiede zu verä ndern (d.h. sozialen Wandel zu bewirken). Diese Strategie führt damit zum Konflikt um Ressourcen zwischen den Gruppen. Die Wahl der jeweiligen Strategie der statusniedrigen Gruppenmitglieder ist dabei abhä ngig von den schon erwä hnten sozio-strukturellen Variablen (siehe Abbildung 2). Bei permeablen Gruppengrenzen ist die individuelle Mobilitä t wahrscheinlich. Werden die Gruppengrenzen als impermeabel, stabil und legitim angesehen, ist soziale Kreativitä t am wahrscheinlichsten. Sozialer Wettkampf ist dagegen nur mö glich, wenn die Gruppengrenzen als impermeabel, instabil und illegitim angesehen werden. Permable Gruppengrenzen
Stabile/legitime Beziehungen
Individuelle Mobilitä t
Soziale Kreativitä t
Impermable Gruppengrenzen Instabile/Illegitime Beziehungen
Sozialer Wettkampf
Wechseln der Gruppenzugehörigkeit (Strategie auf personaler Ebene) (a) Vergleichsdimensionen ä ndern (b) Bewertung der Vergleichsdimensionen ä ndern (c) Wechsel der Vergleichsgruppe Direkter Wettkampf mit der Fremdgruppe um knappe Ressourcen
Abildung 2: Strategien für die Wiederherstellung einer positiven sozialen Identitä t nach Tajfel/Turner (1986)
Soziale Identitä t und Organisationen Der Ansatz der sozialen Identitä t hat bereits früh seine Anwendbarkeit im organisationalen Kontext bestä tigt.24 Eine grundlegende Betrachtung sozialer Identitä tsprozesse in Organisationen lieferte der Artikel von Asforth/Mael (1989), in welchem die Autoren argumentieren, daß durch Identifikation mit der Organisation das Selbstkonzept genauso beeinfluß t wird wie durch die Identifikation mit anderen Gruppen. Dabei ist die Identifikation klar abzugrenzen von dem Konstrukt 24 Vgl. beispielsweise Brown (1978)
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„ organizational commitment“ . Die organisationale Identifikation reflektiert demnach „ ...the perception of oneness with or belongingness to an organization, where the individual defines him or herself in terms of the organization(s) in which he or she is a member“ 25. Die Identifikation mit dem Unternehmen führt dazu, daß die Mitarbeiter die Normen und Werte des Unternehmens übernehmen und sich von diesen in ihren Handlungen und ihrem Verhalten leiten lassen. Eine hohe Identifikation bedeutet dementsprechend, daß die Mitarbeiter mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Ansichten und Werte des Unternehmens übernehmen werden und im Interesse des Unternehmens agieren werden.26 Nach diesem richtungsweisenden Artikel folgte eine diverse Anzahl von Arbeiten, welche die Analyse organisationalen Verhaltens mit den Prinzipien der Theorie der Sozialen Identitä ten anreicherte.27 Die Auswirkungen von Identifikation mit dem Unternehmen oder den Arbeitsgruppen sind vielfä ltig – Identifikation führt zum Beispiel zu einer stä rkeren Kooperation mit der eigenen Gruppe28, zu „ organizational citizenship behavior“ 29, zu einer stä rkeren Favorisierung der eigenen Gruppe gegenüber einer anderen Gruppe30, zu einer stä rkeren Unterstützung des Unternehmens31, zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Mitarbeiterfluktuation32 und zu einer stä rkeren Loyalitä t mit dem eigenen Unternehmen33. Allerdings ist die Identifikation mit dem Unternehmen oft geringer als die Identifikation mit den Arbeitsgruppen.34 Folglich ist die Identifikation mit der Arbeitsgruppe oft ein besserer Prä diktor für die Einstellungen und das Verhalten der Mitarbeiter. In einer Feldstudie konnten van Knippenberg/van Schie (2000) zeigen, daß die Identifikation mit der Arbeitsgruppe ein weit wichtigerer Prä diktor für die Arbeitszufriedenheit, die Mitarbeiterfluktuation, die Arbeitsmotivation und das Engagement im Arbeitsleben war. Dies impliziert allerdings auch, daß die Werte, Normen und Ziele der Arbeitsgruppen oft wichtiger sind als die der gesamten Organisation. Wenn diese 25 Mael/Ashforth (1992), S. 104; „ Organizational commitment“ hingegen ist definiert als die Verpflichtung zu den Zielen und Werten der Organisation und der Wille, Leistung im Interesse des Unternehmens zu erbringen. In diesem Sinne ist „ organizational commitment“ nicht zwangsweise die Internalisierung von Unternehmenswerten (Ashforth/Mael, (1989)). 26 Vgl. Ashforth/Mael (1989); Dutton/Dukerich/Harquail (1994); van Knippenberg/van Leeuwen (2001) 27 Vgl. beispielsweise Brown/Condor/Mathews/Wade/Williams (1986); Dutton/Dukerich/Harquail (1994); Haslam (2000); Hogg/Terry (2000); van Knippenberg/van Schie (2000) 28 Vgl. Kramer (1991); Tyler (1999) 29 Vgl. Dutton/Dukerich/Harquail (1994) 30 Vgl. Brown (1978) 31 Vgl. Mael/Asfhorth (1992) 32 Vgl. Abrams/Ando/Hinkle (1998) 33 Vgl. Tyler (1999) 34 Vgl. van Knippenberg/van Schie (2000)
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Werte, Normen und Ziele sich widersprechen, kann dies zu Verhalten führen, welches konträ r zu dem erwünschten Verhalten im Sinne des Unternehmens ist. Zusammenfassend zeigt sich, daß Identifikation mit dem Unternehmen wichtig für das Funktionieren des Unternehmens ist. Werte, Ziele und Normen des Unte rnehmens werden von den Mitarbeiter nur getragen, wenn sie sich mit diesem auch identifizieren und sie damit ein Teil des Selbstkonzeptes werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, daß die Identifikation mit der Arbeitsgruppe hä ufig salienter (d.h. hervorstechender) ist. Folglich ist es wichtig, auch die Werte, Ziele und Normen der einzelnen Arbeitsgruppen zu berücksichtigen, welche zum Teil den Werten, Zielen und Normen des Unternehmens nicht entsprechen müssen. Demzufolge bieten sich dem Management zwei Mö glichkeiten an, die Werte, Normen und Ziele des Unternehmens den Angestellten nä her zu bringen: Erstens kann versucht werden, die Identifikation mit dem Unternehmen zu erhö hen. Zweitens sollten die Werte, Ziele und Normen der Arbeitsgruppen den jeweiligen Unternehmenswerten angepaß t werden.
Soziale Identitä ten und Unternehmensfusionen Nach der relativ ausführlichen Einführung die Theorie der Sozialen Identitä t35 und dem Aufzeigen der Relevanz von „ sozialen Identifikationen“ im Kontext von Unternehmen soll nun die Anwendbarkeit im Kontext von Unternehmensfusionen verdeutlicht werden. Unternehmensfusionen sind gekennzeichnet durch eine ganz bestimmte strukturelle Gegebenheit – zwei Unternehmen vereinen sich, um ein einziges Unternehmen zu werden. In der Literatur zur Thematik Unternehmensfusion wird dabei hä ufig von einer „ wir versus die anderen“ -Dynamik gesprochen36, mit welcher die erhö hte Salienz (d.h. Hervortreten) der ursprünglichen Unternehmensidentitä ten gemeint ist. Diese erhö hten Identifikationen scheinen ebenfalls ungewollte Probleme hervorzurufen, da sie dem Ziel der Fusion, ein Unternehmen zu werden, entgegen treten. Ein exemplarisches Beispiel dieser Intergruppendynamik liefert die Untersuchung von Buono/Bodwitch/Lewis (1985) über die Fusion zweier mittelgroß er amerikanischer Banken. Die Studie untersuchte die Unternehmenskultur, die Einstellungen und Wahrnehmungen der Angestellten vor der Fusion und 12 Monate nach der Fusion. Die Untersuchung wurde mittels Interviews, Beobachtungen, Archivdaten und Fragebogen vorgenommen. Die Ergebnisse der Studien zeigten, daß trotz relativ guter Voraussetzungen für die Fusion (die Fusion wurde von beiden Seiten als relativ positiv angesehen und die Unter35 Vgl. Tajfel/Turner (1986) 36 Vgl. beispielsweise Blake/Mouton (1985); Buono/Bodwitch (1989)
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nehmen hatten ungefä hr den gleichen Status) die Unterschiede in der Unternehmenskultur zu einem sofortigen Wettkampf zwischen den beiden Unternehmen (bzw. Gruppen) führte. Die Mitarbeiter beider Unternehmen betrachteten die Mitglieder der anderen Gruppe als „ invading enemy“ 37 und Probleme, die wä hrend der Fusion auftauchten, wurden auf das andere Unternehmen attribuiert. Jedes Unternehmen verteidigte seine Arbeitsweise und negative Geschichten über das andere Unternehmen kursierten. Auß erdem kam es zu einer Art Nostalgie bezüglich der ursprünglichen Unternehmen und die Identifikation mit dem ursprünglichen Unternehmen blieb noch für lange Zeit erhalten. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, daß das Gefühl der Gruppenzugehö rigkeit, und damit der Identifikation, eine einfluß reiche (negative) Rolle wä hrend der Fusion spielte. Auß erdem scheint die Fusion erst wirklich die Salienz dieser Gruppenzugehö rigkeit hervorgerufen zu haben. Diese Erkenntnisse aus der Feldforschung konnten auch in experimentellen Laborstudien gezeigt werden. Basierend auf den Annahmen des Ansatzes der Sozialen Identitä t zeigten Haunschild/Moreland/Murrell (1994), daß Dyaden, die zuerst zusammen an Aufgaben gearbeitet haben, die eigene Subgruppe stä rker favorisierten, nachdem sie mit einer anderen Subgruppe zusammen arbeiteten (bzw. fusionierten) im Vergleich zu den Dyaden in der Kontrollgruppe, die zuerst an den Aufgaben allein gearbeitet haben (Nominalgruppen). Die Zugehö rigkeit zur und die Identifikation mit der Subgruppe verstä rkte dementsprechend die Resistenz zur Fusion wie im obigen „ realen“ Kontext. Identifikation und Prozesse zwischen Gruppen sind deshalb wichtige Determinanten im Prozeß der Unternehmensfusion. Der Ansatz der Sozialen Identitä t bietet in diesem Kontext einen wichtigen Beitrag, um die sozialen Prozesse wä hrend der Unternehmensfusion zu verstehen. Die Anwendbarkeit des Ansatzes der sozialen Identitä t im Kontext von Unternehmensfusionen wurde insbesondere durch die Forschergruppen um Deborah Terry38 und die Forschergruppe um Daan van Knippenberg 39 aufgezeigt. Terry/Callan (1998) untersuchten vor einer Fusion zwischen zwei Krankenhä usern mit über 1000 Beschä ftigten, welchen Einfluß die Identifikation mit dem jeweiligen Krankenhaus und die Wahrnehmung der sozio-strukturellen Variablen auf das Intergruppenverhä ltnis hatte. Es handelte sich dabei nicht um einen „ merger of equals“ – ein Krankenhaus statushö her als das andere.40 Die Fragebogenunter37 38 39 40
Buono/Bodwitch/Lewis (1985), S.492 Vgl. beispielsweise Terry/Callan (1998); Terry/Carey/Callan (1996); Terry/O’Brien (2001) Vgl. van Knippenberg/van Leeuwen (2001) Diese Situation scheint relativ typisch für Fusionen zu sein, da es in Realitä t relativ selten vorkommen wird, das die fusionierenden Unternehmen wirklich exakt statusgleich sind (van Ouden-
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suchung zeigte, daß die Fusion eine Bedrohung für das Personal beider Krankenhä user darstellte. Dabei war jedoch die Bedrohung von den Mitarbeitern des statusniedrigen Krankenhauses als grö ß er empfunden worden, da für diese Gruppe (bzw. Unternehmen) die Situation am salientesten und relevantesten war.41 Die Auswirkungen der Bedrohungen standen im Einklang mit der Theorie der sozialen Identitä t. Die Mitglieder beider Krankenhä user strebten nach einer positiven sozialen Identitä t durch eine positive Abgrenzung zu der jeweils anderen Gruppe (d.h. Krankenhaus). Dabei unterschieden sie sich jedoch in ihren Strategien, diese positive soziale Identitä t zu erhalten. Die Angestellten des statushö heren Krankenhaus zeigten eine positivere Bewertung des eigenen Krankenhauses (im Vergleich zum anderen Krankenhaus) auf status-relevanten42 Dimensionen (z.B. Prestige des Krankenhauses, Vielfalt an zu behandelnden Patienten). Mit anderen Worten, sie sahen sich gegenüber dem anderen Krankenhaus als überlegen an. Die Angestellten des statusniedrigen Krankenhauses erkannten diese Realitä t auch an – Sie sahen ihr eigenes Krankenhaus auch als schlechter im Bezug auf die relevanten Vergleichsdimensionen an. Um diese „ negative“ soziale Identitä t jedoch zu verbessern, wandten die Mitarbeiter eine Strategie der sozialen Kreativitä t an – sie wechselten die Vergleichsdimensionen und schä tzten sich selbst als besser auf nicht relevanten Vergleichsdimensionen ein (z.B. gutes Arbeitsklima, gute Kommunikation usw.). Da die Mitarbeiter des statusniedrigen Krankenhauses die Fusion als viel stä rkere Bedrohung empfanden, zeigten sie auch eine stä rker ausgeprä gte Aufwertung der eigenen Gruppe auf den nicht-relevanten Vergleichsdimensionen im Vergleich zu statushö heren Gruppe auf den relevanten Vergleichsdimensionen. Die Studie von Terry/Callan (1998) kann also auch empirisch die „ wir versus die anderen“ -Dynamik wä hrend einer Unternehmensfusion aufzeigen. Terry/Carey/Callan (2001) führten eine weitere Untersuchung im Kontext einer Fusion zwischen einer statushö heren, internationalen Fluggesellschaft und einer statusniedrigen, nationalen Fluggesellschaft durch. Aufbauend auf der ersten Studie, lag der Fokus auf dem Einfluß der sozio-strukturellen Variablen im Rahmen der Theorie der sozialen Identitä t auf die Intergruppenbeziehung zwischen den Angestellten der Unternehmen. Die Angestellten der statusniedrigeren Fluggesellschaft zeigten im Vergleich zu den Angestellten des statushö heren Unternehmens eine geringere Identifikation mit dem neuen, fusionierten Unternehmen
hoven & de Boer, 1995). Auch in der Studie von Buono et al. (1989) zeigten sich Statusunte rschiede, obwohl die Autoren die Unternehmen als relativ vergleichbar im Status beschrieben. 41 Vgl. Tajfel (1974) 42 Statusrelevante Vergleichsdimensionen sind die Dimensionen, auf welchen der eigentliche Statusunterschied zwischen den Gruppen besteht.
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und deshalb auch ein geringeres Engagement sowie eine geringere Zufriedenheit. Auß erdem replizierten die Forscher die Ergebnisse der ersten Studie. Die Mitglieder der statusniedrigeren Fluggesellschaft bewerteten Ihre eigene Gruppe weitaus positiver auf nicht-relevanten Vergleichsdimension (z.B. hilfreich, kooperativ, gut Kommunikation usw.) wä hrend die statushö here Gruppe wieder eine Favorisierung auf den statusrelevanten Dimensionen (z.B. technische Expertise und professionelle Einstellung) zeigte. Die Intensitä t dieser Unterschiede war dabei noch grö ß er als bei der Fusion zwischen den zwei Krankenhä usern.43 Des Weiteren konnten in dieser Studie die Auswirkungen der Wahrnehmung der Permeabilitä t der Gruppengrenzen aufgezeigt werden. Wenn die Angestellten der statusniedrigeren Fluggesellschaft die Gruppengrenzen als permeabel ansahen (d.h. die Angestellten nahmen an, daß es leicht ist, Teil des neu fusionierten Unternehmens zu werden), dann zeigten diese Angestellten auch eine hö here Identifikation mit dem neuen Unternehmen, zeigten mehr Engagement und waren zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz. Auch das emotionale Wohlbefinden und der Selbstwert waren bei diesen Leuten hö her im Vergleich zu den Angestellten, die die Gruppengrenzen nicht als permeabel ansahen. Die Angestellten der statushö heren Fluggesellschaft zeigten im Gegensatz dazu einen geringeren Selbstwert und einen geringeren Grad an emotionalem Wohlbefinden, wenn sie die Grenzen als permeabel ansahen, da dies den hohen Status ihrer Gruppe (bzw. Unternehmen) gefä hrden kö nnte. Zusammenfassend sind die Ergebnisse dieser Studie wieder im Einklang mit der Theorie der sozialen Identitä t, da sie zeigen, daß die statusniedrigere Gruppe versucht, mittels verschiedener Strategien eine positivere soziale Identitä t zu erlangen. Die dominante Strategie ist individuelle Mobilitä t, wenn die Gruppengrenzen als permeabel angesehen werden. Auß erdem zeigten die Angestellten der statusniedrigen Gruppe soziale Kreativitä t, in dem sie die Vergleichsdimensionen zur statushö heren Gruppe wechselten, um positiv distinkt zu erscheinen. Diese Zusammenhä nge wurden auch in einer Fusion zwischen zwei wissenschaftlichen Organisationen repliziert.44
43 Vgl. Terry /Callan (1998) 44 Vgl. Terry/O’Brien (2001)
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Statushö heres Unternehmen
Unternehmensfusion
Statusniedriges Unternehmen
Hohe Salienz der Mitgliedschaft mit dem ursprünglichen Unternehmen Hohe Identifikation mit dem ursprünglichen Unternehmen und Akzentuierung der Status-Unterschiede
Wahrgenommene Bedrohung der (positiven) Identitä t des ursprünglichen Unternehmens
Mitarbeiter des statushohen Unternehmens: Strategien, um eine positive soziale Identitä t zu erhalten
Wahrnehmung der sozio-strukturellen Variablen: Permeabilitä t, Legitimitä t, Stabilitä t
Mitarbeiter des statusniedrigen Unternehmens: Strategien, um eine positive soziale Identitä t wiederherzustellen
„ wir versus die anderen“ Dynamiken und Konflikte
Abbildung 3: Zusammenfassung der Einflüsse der Intergruppenwahrenehmung auf Konflikt – Es handelt sich hier um eine vereinfachte Darstellung der komplexen Intergruppenprozesse. Die Grafik soll lediglich veranschaulichen, wie Intergruppenprozesse Unternehmensfusionen beeinflussen können
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Unternehmensfusionen implizieren also zwangslä ufig die Konfrontation von zwei sozialen Gruppen (die Angestellten der Fusionspartner) (siehe Abbildung 3 45). Jeder „ Intergruppenzusammenstoß “ hat das Potenzial für eine verzerrte Intergruppenwahrnehmung, Vorurteile und Stereotypisierung und Unternehmensfusionen sind keine Ausnahme.46 Die Fusion macht die Mitgliedschaft im eigenen Unternehmen (vor der Fusion) salient und kann damit einen Intergruppenkonflikt sowie eine Aufwertung des eigenen Unternehmens gegenüber dem anderen Unternehmen hervorrufen. Durch die erhö hte Salienz identifizieren sich die Angestellten mit den ursprünglichen Unternehmen und nehmen die Statusunterschiede auch stä rker wahr.47 Dies wiederum führt zu einer stä rkeren Bedrohung der positiven sozialen Unternehmensidentitä t durch die Fusion. In Abhä ngigkeit von der Wahrnehmung der sozio-strukturellen Variablen werden die Angestellten des statushohen und statusniedrigen Unternehmens Strategien verfolgen, um eine positive soziale Identitä t zu erhalten oder wiederherzustellen. Beispielsweise kann sich das statushohe Unternehmen auf relevanten Vergleichsdimensionen aufwerten, wohingegen das statusniedrige Unternehmen die irrelevanten Vergleichsdimensionen nutzt.48 Diese Strategien kö nnen dann zu den „ wir versus die anderen“ -Dynamiken führen.
Integrationsmodelle für Unternehmensfusionen Die Intergruppendynamiken und die damit verbundenen Konflikte stellen also ein groß es Problem für Unternehmensfusionen dar. Deshalb ist die Art und Weise, wie man zwei Unternehmen integriert, um Intergruppentoleranz und Harmonie zu erreichen, eine primä re Aufgabe für das Management.49 Um die Frage nach einer geeigneten Integrationsstrategie zu beantworten, lohnt es sich sozialpsychologische Intergruppenforschung zum Kontakt zwischen Gruppen zu betrachten. 50 Obwohl sich diese Forschung auf den Kontakt zwischen ethnischen Gruppen konzentrierte51, gibt es bereits Anwendungen für diese Integrationsmodelle im Bereich von Unternehmensfusionen52. Im Folgenden sollen drei Modelle der Integration vorgestellt und deren Vor- und Nachteile im Kontext einer Unterneh-
45 Es handelt sich hier um eine vereinfachte Darstellung der komplexen Intergruppenprozesse. Die Grafik soll dem Leser nur veranschaulichen, wie Intergruppenprozesse Unternehmensfusionen beeinflussen kö nnen. 46 Vgl. Terry (2001) 47 Vgl. Mullen/Brown/Smith (1992) 48 Vgl. Terry (2001) 49 Vgl. Mottola/Bachman/Gaertner/Dovidio (1997); Shrivastava (1986) 50 Vgl. Vivian/Hewstone/Brown (1997) für einen Ü berblick 51 Vgl. Pettigrew/Tropp (2000) 52 Vgl. beispielsweise Gaertner/Bachman/Dovidio/Banker (2001)
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mensfusion aufgezeigt werden. Alle Modelle basieren dabei auf den Annahmen der Theorie der sozialen Identitä t53, unterscheiden sich aber in den Ansä tzen stark voneinander. Das Modell salienter Gruppen Obwohl die Salienz der Gruppenzugehö rigkeit negative Folgen haben kann, argumentieren Hewstone/Brown (1986) dafür, diese wä hrend der Integration aufrechtzuerhalten. Das Model basiert damit auf der Annahme, daß das Aufrechterhalten der Gruppenzugehö rigkeit keine Bedrohung für die soziale Identitä t der Gruppenmitglieder darstellt und damit eine positive soziale Identitä t gewahrt werden kann. Interventionen sollten darauf abzielen, positive Erfahrung zwischen den Gruppen zu fö rdern. Da die Gruppenzugehö rigkeiten salient bleiben, kö nnen diese positiven Erfahrungen auch auf die gesamte Fremdgruppe generalisiert werden. Damit würde es zu einer generellen positiven Bewertung des jeweiligen anderen Unternehmens kommen. Dieses Modell hat empirische Unterstützung gefunden.54 Auß erdem finden sich für dieses Modell Parallelen im Kontext der Unternehmensfusion – Uder/Kramarsch (2001) bezeichnen dies beispielsweise als „ holding model“ , bei dem so gut wie keine Integration zwischen den Unternehmen stattfindet. Ein ä hnliches Integrationsmodell wurde auch von Marks/Mirvis (2001) postuliert – „ preservation integration“ , bei der beide Unternehmen ihre Unabhä ngigkeit erhalten. Ein solches Modell der Integration hat allerdings Nachteile. Erstens stellt es keine vollkommene Fusion dar, da die ursprünglichen Unternehmen erhalten bleiben. Auß erdem intensiviert die Unterscheidung zwischen den zwei Unternehmen die Kategorisierung zwischen den Gruppen und die Generalisierung (auf die gesamte Fremdgruppe) von positiven und negativen Erfahrungen. 55 Dementsprechend groß ist die Gefahr, daß Probleme, die im fusionierten Unternehmen auftauchen, auf die Mitarbeiter des anderen ursprünglichen Unternehmens attribuiert werden. Das Modell der gemeinsamen Identitä t Samuel Gaertner und seine Mitarbeiter/-innen56 führen ein anderes Modell zur Integration an. Ihre Betonung liegt auf einer gemeinsamen Identitä t – einer ReKategorisierung der Angestellten beider Unternehmen auf die Ebene des fusionierten Unternehmens. Die einfache Annahme ist, daß die Umwandlung der Wahrnehmung zweier unterschiedlicher Unternehmen zu einer Wahrnehmung 53 54 55 56
Vgl. Tajfel/Turner (1986) Vgl. beispielsweise Brown/Vivian/Hewstone (1999) Vgl. Brown/Vivian/Hewstone (1999) Vgl. Gaertner/Dovidio/Anastasio/Bachman/Rust (1993); Gaertner/Mann/Murell/Dovidio (1989)
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eines gemeinsamen Unternehmens, die „ wir versus die anderen“ -Dynamik auflö sen kann, da dann alle Angestellten einer Gruppe angehö ren. Viele Untersuchungen zeigen diese positiven Effekte.57 Eine naheliegende Kritik an dem Modell ist, daß es für uns oft nicht mö glich ist, wichtige Identitä ten abzulegen. Allerdings gibt es gerade im Kontext der Unternehmensfusion bereits unterstützende Ergebnisse für dieses Modell.58 Weiterhin lassen sich auch für dieses Modell Parallelen in der Organisationsliteratur finden – z.B. die “ transformation strategy”59 oder die “ combine pattern”60 reprä sentieren Integrationsmodelle, bei welchen eine neue Identitä t für das fusionierte Unternehmen geschaffen wird, welche nicht (direkt) verbunden ist mit den ursprünglichen Identitä ten. Dementsprechend wird eine neue Identitä t mit einer neuen Unternehmenskultur eingeführt. Andererseits führen auch Assimilationsstrategien61 zu einer Reprä sentation eines einzigen Unternehmens. In diesem Fall würden die Angestellten des statusniedrigeren Unternehmens ihre Identitä t vollkommen aufgeben, um die Identitä t des statushö hern Unternehmens anzunehmen. Assimilation und Transformation stellen natürlich zwei komplett verschiedene Methoden der Integration von Unternehmen dar. Jedoch beinhalten beide Strategien auch die Idee einer gemeinsamen Gruppe. Wenn sich die Mitarbeiter nun mit diesen identifizieren (unabhä ngig von der Art der Integration), dann sollten nach dem Modell einer gemeinsamen Gruppe auch keine Konflikte zwischen den Angestellten der ursprünglichen Unternehmen entstehen. Obwohl die Forschung zeigt, daß das Modell der gemeinsamen Identitä t eine bessere Intergruppenbeziehung nach sich zieht, gibt es auch hier einige Probleme: Insbesondere ist es schwierig, daß sich die Angestellten mit dem neuen Unternehmen identifizieren. Dies resultiert zum einen aus der erhö hten Salienz der ursprünglichen Unternehmensmitgliedschaften aufgrund der Unternehmensfusion (siehe Abbildung 3) und zum anderen aus der schon erwä hnten Schwierigkeit, die „ alten“ Identitä ten abzulegen. Entscheidend dafür scheint ein Gefühl für Kontinuitä t zu sein, d.h. die Wahrnehmung, daß das fusionierte Unternehmen Ä hnlichkeit besitzt mit dem ursprünglichen Unternehmen.62 Hier gibt es nun auch Unterschiede zwischen einer Transformations- und einer Assimilationsstrategie. Bei der ersten Strategie werden die Mitarbeiter beider Unternehmen wenig Kontinuitä t ihrer ursprünglichen Identitä ten im fusionierten Unternehmen verspüren. Bei
57 58 59 60 61 62
Vgl., Gaertner/Mann/Murell/Dovidio (1989) Vgl. Gaertner/Dovidio/Bachman (1996); Mottola/Bachman/Gaertner/Dovidio (1997) Vgl. Marks/Mirvis (2001); Uder/Kramarsch (2001) Vgl. Mottola/Bachman/Gaertner/Dovidio (1997) Vgl. Marks/Mirvis (2001) Vgl. Rousseau (1998); van Knippenberg/van Leeuwen (2001)
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einer Assimilationsstrategie gilt dies nur für die Angestellten des statusniedrigen Unternehmens. Zudem sollte auch die Wahrnehmung der sozio-strukturellen Gegebenheiten63 eine wichtige Rolle spielen. Bei einer Assimilationsstrategie ist es zwingend erforderlich, daß die Angestellten des statusniedrigen Unternehmens die Gruppengrenzen als permeabel ansehen. Dies würde eine Re-Kategorisierung auf die Ebene des fusionierten Unternehmens ermö glichen. Das Modell der dualen Identitä t Die jüngste Forschung betont ein mö gliches drittes Modell, welches sozusagen eine „ Fusion“ der bereits beschriebenen Modelle darstellt – die duale Identitä t (d.h. die simultane Identifikation mit der Subgruppe [dem ursprünglichen Unternehmen] und der übergeordneten Gruppe [dem fusionierten Unternehmen]). Dieses Modell hat in einigen Kontexten auch eine positive Wirkung auf die Intergruppenbeziehung aufgezeigt. 64 Das Modell vereint also die Vorteile der beiden anderen Modelle, da hier die Angestellten ihre ursprünglichen Identitä ten nicht aufgeben müssen, aber trotzdem eine gemeinsame Identitä t aufbauen.65 Im Kontext der Unternehmensfusion ist die duale Identitä t besonders wahrscheinlich bei der Integrationsstrategie „ best of both“ 66 bzw. „ mergers of equals“ 67, bei der das Beste beider Unternehmen in das fusionierte Unternehmen fließ t. Obwohl das Ziel dieser Strategie ist, ein neues fusioniertes Unternehmen zu erschaffen, ist es wahrscheinlich, daß die ursprünglichen Unternehmen immer noch salient sind, da Eigenschaften beider Unternehmen in das fusionierte übernommen werden. Allerdings spiegelt diese Strategie nicht direkt das Modell der dualen Identitä t wieder, da mit dualer Identitä t die Identifikation mit den fusionierten und den ursprünglichen Unternehmen gemeint ist. Das Modell der dualen Identitä t zeigt jedoch in seiner Anwendung nicht den erwarteten Erfolg im Kontext der Unternehmensfusion 68. Es scheint sogar eher negative Konsequenzen für den Erfolg der Fusion zu haben. Ein Grund dafür kann ein Zielkonflikt in diesem Kontext sein: Das Ziel des fusionierten Unternehmens ist, ein gemeinsames Unternehmen zu werden. Die Identifikation mir dem ursprünglichen Unternehmen steht diesem Ziel jedoch entgegen 69. Eine andere Begründung liefert das Eigengruppen-Projektions-Modell von Mummen-
63 64 65 66 67 68 69
Vgl. Tajfel/Turner (1986) Vgl. Gaertner/Dovidio/Bachman (1996); Gonzalez/Brown (2000); Hornsey/Hogg (1999) Vgl. Gonzalez/Brown (2000) Vgl. Marks/Mirvis (2001) Vgl. Uder/Kramarsch (2001) Vgl. Gaertner/Dovidio/Bachman (1996); van Leeuwen (2001) Vgl. Gaertner/Dovidio/Bachman (1996)
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dey/Wenzel (1999). Dieses Modell nimmt an, daß Individuen Eigenschaften ihrer eigenen Gruppen auf eine übergeordnete Gruppe generalisieren und sich damit typischer für diese übergeordnete Gruppe sehen (relativ zur Wahrnehmung der anderen Gruppe). Mit anderen Worten, bei einer Fusion sehen sich die einzelnen Unternehmen typischer für das fusionierte Unternehmen an, als es das jeweils andere Unternehmen sieht. Diese Perspektivendivergenz führt dann zu einer Abwertung des anderen Unternehmens und dies wiederum kann zum Konflikt führen.70 Wenn also beide Identitä ten salient sind, wird es somit stä ndig zu einer unterschiedlichen Auffassung darüber kommen, wie das fusionierte Unternehmen aussehen sollte. Dies stellt ein stä ndiges Konfliktpotenzial dar. Zusammenfassend zeigen alle drei Modelle Vor- und Nachteile für Unternehmensfusionen. Am besten scheint das Modell einer gemeinsamen Gruppe zu sein, da hier die Idee einer Fusion auch wirklich realisiert wird. Jedoch sind hier, wie bei allen anderen Modellen, Probleme vorhanden. Entscheidend ist es jedoch zu wissen, welche Probleme hauptsä chlich auftreten. Dies ermö glicht eine gezieltere Intervention.
Interkulturelle Einflüsse auf Unternehmensfusionen Unterschiede zwischen den Fusionspartnern scheinen eine wichtige Rolle wä hrend des Fusionsprozesses zu spielen. Insbesondere kulturelle Unterschiede werden am hä ufigsten für Probleme bei Fusionen verantwortlich gemacht.71 Die Unternehmen kö nnen sich im Arbeitsstil, im Führungsstil, in der interpersonalen Interaktion, in Werten und Normen usw. unterscheiden. Differenzen zwischen den Unternehmenskulturen sind auch durch die nationalen Gegebenheiten verschiedener Lä nder beeinfluß t.72 Die Unterschiede zwischen den Unternehmen führen zum „ culture clash“ – eine Reaktanz gegenüber der Unternehmensfusion aufgrund der unterschiedlichen Unternehmenskulturen der zu fusionierenden Unternehmen.73 Ein hä ufiges Ziel ist deshalb, die Akkulturation74 zwischen den
70 Hier ist nur eine sehr verkürzte Darstellung dieser Theorie beschrieben. Allerdings scheint dieser Ansatz sehr groß e Relevanz im Kontext der Unternehmensfusion zu haben (Boen/Vanbeselaere, 2002). 71 Vgl. beispielsweise Buono/Bodwitch/Lewis (1985), Cartwright/Cooper (1996), Hogan/OvermyerDay (1994), Nahavandi/Malekzadeh (1988) 72 Vgl. Lubatkin/Calori/Very/Veiga (1998); Obwohl die Forschung zu kulturellen Unterschieden zwischen verschiedenen Lä ndern einen wichtigen Beitrag zum Verstehen von Problemen bei transnationalen Fusionen bietet, ist der Fokus hier auf allgemeine kulturelle Unterschiede von U nternehmen. 73 Vgl. Larsson/Lubatkin (2000) 74 Akkulturation ist im allgemeinen definiert als „ changes induced in (two cultural) systems as a result of the diffusion of cultural elements in both directions“ Berry (1980), S.215
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zwei Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen vorherzusagen75. Es sind verschiedene Modelle zur Kompatibilitä t der Unternehmenskulturen entstanden, die Vorhersagen liefern, ob die Unternehmen harmonieren kö nnen oder nicht.76 Dementsprechend wurde von diesen Autoren empfohlen, bereits vor einer Fusion die unterschiedlichen Kulturen zu betrachten und Partner gezielter auszuwä hlen, um weniger (unvermeidliche) Probleme wä hrend der Fusion zu erfahren. Es gibt jedoch auch Befunde, die diesen entgegen sprechen 77 und zeigen, daß kulturelle Unterschiede weit weniger wichtig sind als andere Variablen des Integrationsprozesses. Aus einer Intergruppenperspektive entsprechen die unterschiedlichen Unternehmenskulturen den unterschiedlichen Inhalten der jeweiligen Gruppenkategorie. Genauer gesagt werden sich die Normen, Werte und Ziele der Gruppen unterscheiden. Das Ausmaß , in welchem die Angestellten davon beeinfluß t sind, hä ngt zum einen von den Werten und Normen des Unternehmens ab, aber auch vom Grad der Identifikation mit diesem. Wie bereits besprochen, ist aufgrund der Fusion und der damit verbundenen Salienz der Gruppenzugehö rigkeit die Identifikation mit dem Unternehmen meist hoch. Deshalb sollten Unterschiede in den Kulturen auch eine tragende Rolle wä hrend der Fusion spielen. Van Knippenberg und Mitarbeiter78 konnten zeigen, daß wahrgenommene Unterschiede zwischen den Unternehmen die wahrgenommene Bedrohung der Fusion noch verstä rken kö nnen und deshalb zu einer geringeren Identifikation mit dem fusionierten Unternehmen führen. Dies trifft insbesondere zu auf das statusniedrige Unternehmen, welches oft eine geringere Kontinuitä t der ursprünglichen Identitä t im fusionierten Unternehmen erlebt. Dies wiederum kann zu der besprochenen „ wir versus die anderen“ -Dynamik führen. Dementsprechend stellen also Unterschiede in den Unternehmenskulturen hauptsä chlich ein Problem für die statusniedrigen (bzw. dominierten) Unternehmen dar. Auß erdem sollte die Unterschiedlichkeit zwischen den Gruppen auch einen unterschiedlich starken Einfluß in Abhä ngigkeit von dem gewä hlten Integrationsmodell (siehe oben) spielen. Wenn Unterschiede zwischen den Unternehmenskulturen einen so negativen Einfluß haben kö nnen, ist es wichtig zu fragen, was dem entgegenwirken kö nnte. Larsson/Lubatkin (2000) konnten in ihrer Studie, die 50 Unternehmensfusionen (sowohl nationale als auch transnationale) umfaß te, feststellen, daß der Hauptgrund für den Erfolg einer Fusion Interventionen wä hrend der Fusion, wie z.B. 75 Vgl. Cartwright/Cooper (1996), Larsson/Lubatkin (2000), Nahavandi/Malekzadeh (1988) 76 Vgl. Cartwright/Cooper (1996), Nahavandi/Malekzadeh (1988) 77 Vgl. Larsson/Lubatkin (2000) 78 Vgl. van Knippenberg/van Knippenberg/Monden/de Lima (2002), van Knippenberg/van Leeuwen (2001)
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Anstrengungen zur Sozialisierung und zur Koordination, waren. Diese Studie zeigt also einen relativ positiven Ausblick für das HR-Management. Die Interventionen scheinen eine Art Toleranz für das jeweils andere Unternehmen aufzubauen. Diese Toleranz von Unterschiedlichkeit kö nnte dementsprechend ein wichtiger Faktor sein, um Harmonie zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu fö rdern.79 Diese Idee findet sich auch in der Akkulturationsliteratur zu ethnischen Gruppen wieder80 – hier wird von multikulturellen Gruppen gesprochen, die Pluralitä t tolerieren. Für den Inhalt einer sozialen Kategorie entspricht diese Vorstellung einer komplexen Reprä sentation.81 Dies hat zur Folge, daß keine der beiden fusionierenden Gruppen sich typischer sieht für das fusionierte Unternehmen, da dieses durch seine Vielfä ltigkeit definiert ist. Es ist also neben der Betrachtung der Stä rke der Identifikation mit dem Unternehmen (bzw. Gruppen) auch eine Berücksichtigung der Inhalte der jeweiligen Definitionen dieser Gruppen von Bedeutung. Eine komplexere bzw. vielfä ltigere Darstellung des gemeinsamen fusionierten Unternehmens kö nnte einen positiven Einfluß auf die Harmonie zwischen den Gruppen haben.
Zusammenfassung Obwohl Unternehmensfusion vielversprechend sind, erfüllen sie oftmals nicht die erhofften Erwartungen.82 Die Gründe dafür sind vielfä ltig und komplex. Deshalb erfordert eine Unternehmensfusion eine intensive Vorbereitung, Betreuung und Evaluation. Dabei genügt es weder, sich nur auf die „ hard facts“ zu konzentrieren, noch ist es ausreichend (und auch nicht realistisch) sich nur von „ soft facts“ leiten zu lassen. Vielmehr sind beide Seiten stark miteinander verbunden und sollten deshalb auch in einem Gesamtkonzept betrachtet werden. Erst in jüngster Zeit ist die Betrachtung der Unternehmensfusion als Intergruppenprozeß erfolgt.83 Dieser Ansatz scheint jedoch wichtige Aspekte auf Seiten der „ soft facts“ zu erklä ren und sollte deshalb auch verstä rkte Aufmerksamkeit finden.84 Insbesondere der Intergruppenansatz der Sozialen Identitä t85 kann dabei ein hilfreiches Werkzeug für das HR Management sein. Dieser Intergruppenansatz stellt in einem ersten Schritt die wichtige Unterscheidung zwischen interpersonalem Verhalten und intergruppalem Verhalten heraus. Wä hrend persö nliche Ziele,
79 Vgl. Lubatkin/Calori/Very/Veiga (1998), Sales/Mirvis (1984) 80 Vgl. Berry (1980), Bourhis/Moise/Perrault/Senecal (1997) 81 Vgl. Mummendey/Wenzel (1999) 82 Vgl. Cartwright/Cooper (1996) 83 Vgl. beispielsweise Buono/Bodwitch (1989); Haunschild/moreland/Murrell (1994), Terry (2001) 84 Vgl. Terry/Callan (1998) 85 Vgl. Tajfel/Turner (1986)
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eigene Werte und persö nliche Motive wichtig für interpersonales Verhalten sind, spielen für intergruppales Verhalten die Normen, Werte und Ziele der Gruppe die entscheidende Rolle. Durch Selbstdefinition als Mitglied einer sozialen Kategorie werden die Eigenschaften der Kategorie mit dem Selbst in Verbindung gebracht. Diese Definition als Gruppenmitglied hat wiederum einen entscheidenden Einfluß auf unsere Wahrnehmung, unsere Einstellung und unser Verhalten. Je hö her die Identifikation mit der Gruppe ist, desto stä rker werden die Normen, Werte und Ziele der Gruppe leitend für uns.86 Da wir motiviert sind, eine positive soziale Identitä t zu haben, wenden wir in Abhä ngigkeit von sozio-strukturellen Variablen des Intergruppenkontextes verschiedene Strategien an, um diese zu erhalten oder um diese zu erreichen. Wenn ein Unternehmen sich mit positiven Werten, Zielen und Normen seinen Mitarbeitern „ prä sentiert“ , bedeutet dies nicht zwangslä ufig, daß diese von den Angestellten verinnerlicht werden. Wenn sich jedoch die Mitarbeiter eines Unternehmens mit diesen auch identifizieren, dann werden diese Werte, Normen und Ziele zwangslä ufig leitend für den Angestellten.87 Die organisationale Identifikation spielt damit eine entscheidende Rolle in der Umsetzung der Unternehmensziele. Im Kontext der Unternehmensfusionen werden diese organisationalen Identifikationen salient. Dies führt zu verzerrten Wahrnehmungen der Angestellten der zwei Unternehmen und in Abhä ngigkeit von den wahrgenommenen soziostrukturellen Variablen (Status, Permeabilitä t der Gruppengrenzen, Legitimitä t/Stabilitä t der Gruppenunterschiede) zu verschiedenen Strategien der Gruppen, eine positive soziale Identitä t herzustellen. Diese Prozesse kö nnen zu den sogenannten „ wir versus die anderen“ -Dynamiken führen und damit die Produktivitä t, das Arbeitsklima, die Arbeitszufriedenheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer negativ beeinflussen. Basierend auf dem Ansatz der sozialen Identitä t sind verschiedene Modelle für die Integration von Gruppen entstanden. 88 Obwohl diese vornehmlich für den Kontakt zwischen ethnischen Gruppen entwickelt worden sind, gibt es bereits Anwendungen im Kontext von Unternehmensfusion. 89 Dabei zeigt sich, daß das mit den meisten Vorteilen verbundene Modell, das Modell der gemeinsamen Gruppe – also die Identifikation mit dem fusionierten Unternehmen – zu sein scheint. Allerdings liegt die Problematik dieses Modells in der Entwicklung der
86 Vgl. Tajfel/Turner (1986) 87 Vgl Ashforth/Mael (1989) 88 Vgl. Vivian/Hewstone/Brown (1997) für einen Ü berblick 89 Vgl. beispielsweise Gaertner/Bachman/Dovidio/Banker (2001)
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Identifikation mit dem fusionierten Unternehmen. Kulturelle Unterschiede zwischen den Unternehmen kö nnen diese Problematik verstä rken. Einen positiven Einfluß aus kultureller Sicht scheint eine Definition des (inklusiven) fusionierten Unternehmens als pluralistisch zu sein. In diesem Sinne müß te der Inhalt der gemeinsamen Kategorie als komplex dargestellt werden. Dies würde eine harmonischere und tolerantere Intergruppenbeziehung fö rdern, da sich die beiden ursprünglichen Unternehmen nicht als typischer für das fusionierte Unternehmen ansehen würden.90 Die Anwendung des Ansatzes der Sozialen Theorie auf den Kontext der Unternehmensfusion ist noch relativ jung. Allerdings zeigen sowohl erste theoretische als auch empirische Arbeiten bereits den Nutzen dieser Anstrengung. Unternehmensfusionen stellen einen klaren Intergruppenkontext dar und zukünftige Betrachtungen sollten diese Prozesse ebenfalls beachten.
Literatur Allport, Gordon W. (1954): The nature of prejudice, Reading, MA, 1954 Arams, Dominic/Ando, Kaori/ Hinkle, Steve (1998): Psychological attachment to the group: Cross-cultural differences in organizational identification and subjective norms as predictors of workers’ turnover intentions, in: Personality and Social Psychology Bulletin, Vol. 24, 1998, S. 1027-1039 Abrams, Dominic/Hogg, Michael A. (1988): Comments on the motivational status of self-esteem in social identity and intergroup discrimination, in: European Journal of Social Psychology, Vol. 18,, 1988, S. 317-334 Ashforth, Blake.E./Mael, Fred (1989): Social identity theory and the organization, in: Academy of Management Review, Vol.14, 1989, S. 20-39 Berry, John W. (1980): Social and cultural change, in: Triandis, Harry C./Brislin, Richard W. (Hrsg.) (1980): Handbook of cross-cultural psychology, Vol. 5, Boston, 1980, S. 211-279 Blake, Robert R./Mouton, Jane S. (1985): How to achieve integration on the human side of the merger, in: Organizational Dynamics, Vol. 13, 1985, S. 20-39 Boen, Filip/Vanbeselaere, Norbert (2002): Intergroup determinants of merger support: Two field-studies, aus: Poster prä sentiert beim 13. Treffen der EAESP in San Sebastian, Juni 2002
90 Vgl. Mummendey/Wenzel (1999)
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Die Integration der Informationsverarbeitung bei internationalen Mergers & Acquisitions Carsten Mä rkisch, Berlin
Einleitung Die Integrationsaktivitä ten in Mergers & Acquisitions sind in grundsä tzlicher Art und Weise durch den Charakter der betrieblichen Informationsverarbeitung (IV) mitgeprä gt, die als besondere Querschnittsfunktion im Unternehmen nicht nur die Grundfunktionen, sondern auch die klassischen Querschnittsfunktionen durchdringt1. So ist die Verankerung der zusammenzuführenden Informationsverarbeitung in der Aufbauorganisation Gegenstand der Vorgaben aus der strategischen Planung. Desgleichen schlä gt sich die synergetische Zusammenführung der beiden beteiligten betrieblichen Ablauforganisationen in zu integrierenden unternehmensweiten und -übergreifenden Prozessen nieder, die heutzutage nahezu vollstä ndig durch moderne Informationstechnologien hinterlegt sind. 2 Auß erdem ist die Integration der Informationsverarbeitung durch Fragen zum Personaleinsatz und zur Personalentwicklung geprä gt. Diese beziehen sich nicht nur auf IV-Mitarbeiter, sondern in ganz besonderem Maß e auch auf das Personal, das in anderen Funktionsfeldern tä tig ist, aber tä glich mit den neuen Anwendungssystemen, wie sie im Rahmen der Integration installiert werden, umgehen muß . Unter anderem dadurch gewinnen bei internationalen Transaktionen auch interkulturelle Fragestellungen Einfluß auf den Integrationsprozeß der Informationsverarbeitung. Allerdings prä gen gewisse inhaltliche Schwerpunkte den Integrationsprozeß der Informationsverarbeitung, wie zahlreiche Publikationen aus der Praxis zeigen. Sie sollen in dieser Arbeit systematisch erfaß t und im Hinblick auf Gestaltungsschwerpunkte analysiert werden. Als Praxisbeiträ ge werden dabei von Beratungsunternehmen, Fachjournalisten und Praktikern verfaß te Beiträ ge erachtet, in denen vorwiegend normative Aussagen ohne empirisches Fundament zur Integration der Informationsverarbeitung im Vordergrund stehen. Aus dieser Analyse kann abschließ end ein genaueres Bild über die Relevanz interkultureller Fragestellungen in der Integration der Informationsverarbeitung bei internationalen Mergers & Acquisitions gewonnen werden. 1 Vgl. Heinrich ( 2002), S. 8 2 Vgl. Hammer (1997), S. 216
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Zunä chst soll zum besseren Verstä ndnis eine kurze Erlä uterung zum Gegenstand der Integration gegeben werden, indem wesentliche konzeptionellen Grundsä tze der Informationsverarbeitung dargestellt werden. Grundlagen der integrierten Informationsverarbeitung Die Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions operiert an der Schnittstelle zweier wissenschaftlicher Disziplinen. Zum einen gehö rt sie zum Bereich Mergers & Acquisitions. Gleichzeitig ist aber das Konzept der Integration auch wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftsinformatik. Dort beschreibt Integration einen Zustand der Verbindung von (i) Daten, (ii) Funktionen und/ oder (iii) Programmen. 3 Dabei liegt Integration in zwei unterschiedlichen Richtungen vor. Sie folgt in horizontaler Richtung abteilungsübergreifend den Unternehmensprozessen. Vertikal verbindet sie dagegen die operativen Systeme zur Eingabe und Bearbeitung von Daten mit den Management-Informationssystemen, welche die Daten aus den operativen Systemen hochaggregiert als Entscheidungshilfe dem Management bereitstellen.4 Datenintegration (i) kennzeichnet nach dieser Beschreibung die Bereitstellung einheitlicher Daten für unterschiedliche Anwendungssysteme. Sie kann erreicht werden, indem ein Datenaustausch unterschiedlicher Quellen ermö glicht oder ein für sä mtliche Anwendungssysteme gemeinsamer Datenbestand geschaffen wird. Unter Funktionsintegration (ii) wird ein fachlich-inhaltlicher Verkettungszustand betrieblicher Aufgaben verstanden. Hier verfolgt die aufgabentr ä ger-orientierte Perspektive das Ziel, Arbeitsinhalte an einem Arbeitsplatz zu bündeln. Demgegenüber zielt die prozeß -orientierte Funktionsintegration auf die anwendungsübergreifende Abstimmung und Verkn üpfung von Geschä ftsprozessen. Die Umsetzung der fachlich-inhaltlichen Funktionsintegration auf informationstechnischer Ebene wird im Rahmen der Programmintegration (iii) betrachtet. Folglich ist es hier das Ziel, die Programme oder Programmbausteine zur Abbildung der Unternehmensfunktionen technisch aufeinander abzustimmen. Ein in dieser Art daten-, funktions- und programmtechnisch integriertes Informationsverarbeitungssystem stellt den Hauptgegenstand der Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions dar. Zusä tzlich werden auch die IV-Organisation an sich und das IV-Personal Gegenstand der folgenden Analyse sein. 3 in Anlehnung an Fank (2001), S. 88 ff. und Hildebrand (2001), S. 24 ff. 4 Vgl. Hildebrand (2001), S. 25
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Somit stellt sich die Frage nach der Gliederung der zu analysierenden Handlungsempfehlungen. Hier bietet es sich an, die Struktur der Analyse dem M&A-Prozeß folgen zu lassen, der im folgenden Kapitel veranschaulicht werden soll.
Konzeptioneller Rahmen der Analyse: Die Prozesse zum Management von Mergers & Acquisitions Im Rahmen eines M&A-Projekts sind üblicherweise eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben abzuarbeiten, die aufeinander aufbauen und in einem teilweise komplizierten Geflecht von Input-Output-Beziehungen zueinander stehen.5 Daher ist es angemessen, ein M&A-Projekt als Prozeß organisation aufzufassen, in der unterschiedliche Teilprozesse abgearbeitet und über Schnittstellen miteinander verbunden werden. Da diese Prozesse aber in ihrer Relevanz und Komplexitä t nicht gleichwertig sind, bietet sich eine Hierarchisierung durch die Festlegung von Kern- und Unterstützungsprozessen an. Unterstützungsprozesse kennzeichnen dabei solche Aktivitä tenfolgen, die nicht zwingend notwendig sind, aber dennoch einen entscheidenden Beitrag zur Erhö hung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Mergers & Acquisitions leisten. Es lassen sich sieben M&A-Teilprozesse identifizieren (K = Kernprozeß , U = Unterstützungsprozeß ):6 1.
Strategieplanungsprozeß (K)
2.
Strukturentwicklungs und – durchsetzungsprozeß (K)
3.
Personalverä nderungsprozeß (K)
4.
Informationsprozeß (U)
5.
Bewertungsprozeß (U)
6.
Kommunikationsprozeß (U)
7.
Controllingprozeß (U)
Diese sieben Prozesse gliedern als eigene Abschnitte die nun folgende Analyse der Gestaltungsempfehlungen zur Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions. Darüber hinaus trä gt ein weiterer Abschnitt der oben erwä hnten Koordination der Schnittstellen zwischen den Teilprozessen Rechnung. 5 Vgl. Lucks/ Meckl (2002), S. 54 6 Vgl. Lucks/ Meckl (2002), S. 55
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In jedem der folgenden Abschnitte werden zunä chst die allgemeinen Ziele des betrachteten M&A-Teilprozesses kurz dargestellt. Danach werden die am hä ufigsten genannten Gestaltungsempfehlungen zur Integration der Informationsverarbeitung, die inhaltlich dem jeweils betrachteten M&A-Teilprozeß zugeordnet werden kö nnen, erlä utert.
Analyse der Gestaltungsempfehlungen zur Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions aus der Praxis Strategieplanungsprozeß Im Strategieplanungsprozeß ist es das Ziel, eine grundlegende Entscheidung in Bezug auf externes Unternehmenswachstum und die Auswahl des richtigen Akquisitionspartners zu treffen. Darüber hinaus sind im Rahmen dieses Kernprozesses strategische Fragestellungen in Bezug auf die Akquisitionsform und den Integrationsgrad zu klä ren. Unternehmens- und IT-Strategie Ein Einbezug der Informationsverarbeitungs-Strategie in die unternehmensstrategischen Planungen hä lt kein Autor für notwendig. Eine Reihe prä skriptiver Arbeiten greift jedoch die Frage nach der Notwendigkeit IT-strategischer Planungen für die Integration der Informationsverarbeitung auf. Hier lassen sich zwei konträ re Meinungen feststellen. Eine Reihe von Autoren bezeichnet die Erarbeitung einer gemeinsamen Informations-verarbeitungsstrategie als entscheidenden Erfolgsfaktor in Mergers & Acquisitions.7 Andere Autoren vertreten die gegensä tzliche Meinung, daß die Integration der Informationsverarbeitung explizit keine strategische Neuausrichtung erfordert.8 Diese Position wird insbesondere mit der Notwendigkeit einer schnellen Durchführung der Integration (Siehe Strukturentwicklungs- und -durchsetzungsprozeß ) begründet.9 Unterstützung strategischer Unternehmensziele Obwohl die Integration der Informationsverarbeitung also scheinbar keine unternehmensstrategische Tä tigkeit darstellt, besitzt sie sehr wohl einen Einfluß auf die strategischen Unternehmensziele in Mergers & Acquisitions. Prä skriptive Beiträ ge betonen durchweg die essentielle Bedeutung der Integration der Informationsverarbeitung für den Gesamterfolg in Mergers & Acquisitions.10 Diesen 7 8 9 10
Vgl. Bowen (2000), S. 1; Hesselink (1999), S. 1 Vgl. Lauritzen (2000), S. 22 Holzwart (2000), S. 1; Kelch (1999), S.1 Vgl. Brüning/Pedain/Deasley (2002), S. 138; o.V. (2000), S. 1
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ursä chlichen Einfluß auf den Gesamterfolg belegen die Autoren mit zwei Argumenten: Zum einen wird auf das Gefahrenpotential hingewiesen, das durch eine mangelhafte Integration der Informationsverarbeitungsressourcen entstehen kann, und den Geschä ftsbetrieb der beiden beteiligten Unternehmen signifikant beeinträ chtigen würde. Somit wird die Aufrechterhaltung eines stö rungsfreien Betriebs zu einem wesentlichen Ziel der Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions.11 Das zweite Argument, das den Einfluß der Integration der Informationsverarbeitung auf den Gesamterfolg in Mergers & Acquisitions zeigt, liegt in der Aussage, daß ein wesentlicher Anteil transaktionsbedingter Synergiepotentiale im Bereich der Zusammenlegung der Informationsverarbeitungsressourcen liegt.12 Allerdings herrscht einige Unklarheit in Bezug auf diese Synergiepotentiale, wenn es sich um Kostensynergien handelt. So ist ein erklä rtes Ziel der Integration der Informationsverarbeitung die Einsparung von Kosten. Es liegen allerdings keine verlä ß lichen Zahlen vor, in welchen Umfang dies im Durchschnitt erreicht wird. Der Bereich der Ertragssynergien wird in der prä skriptiven Literatur kaum betrachtet. So wird lediglich auf Cross-SellingPotenziale durch die Integration der Datenbestä nde hingewiesen.13 (Siehe Bewertungsprozeß ) Strukturentwicklungs- und –durchsetzungsprozeß(Strukturprozeß) Der Strukturprozeß richtet sich zeitlich wie inhaltlich nach dem ihm vorgelagerten Strategieplanungsprozeß . Sein Ziel ist es, die Struktur der Abwicklung des Akquisitionsgeschä fts festzulegen und durchzusetzen. Ein weiteres Ziel liegt in der Entwicklung und Durchsetzung der künftigen Aufbau- und AblaufOrganisationsstruktur im Unternehmen. Diese Tä tigkeiten schaffen die strukturellen Voraussetzungen für die in der Strategieplanung identifizierten Synergien und werden aus diesem Grund in einem Kernprozeß zusammengefaß t. Die Festlegung der Struktur des Akquisitionsgeschä fts gehö rt nicht zu den Themen der Integration der Informationsverarbeitung. Es liegen aber eine Reihe von Praxisberichten zu den verschiedensten Tä tigkeiten im Rahmen der Planung und Durchsetzung der organisationellen und technologischen Strukturen im Bereich der Informationsverarbeitung vor.
11 Vgl. Lauritzen (2000), S. 22 12 Vgl. Meier/ Spang (2000), S. 7 ff. 13 Vgl. Meier/Spang (2000), S.8
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Planung der strukturellen Umsetzung Die prä skriptive Literatur miß t der Planung der Integration der Informationsverarbeitung durchweg eine hohe Erfolgsrelevanz bei. 14 Sie gilt als notwendige Voraussetzung der Integration. Ein besonderes Anliegen vieler Autoren liegt in der Forderung, die Informationsverarbeitung bereits in den frühen Phasen von Mergers & Acquisitions zu berücksichtigen.15 Dies soll zum einen über die frühzeitige Einbindung durch die Verantwortlichen der Informationsverarbeitung manifestiert werden, und zum anderen durch die Analyse der Informationsverarbeitungsressourcen (Siehe Informationsprozeß ) des Partnerunternehmens umgesetzt werden. So weist eine InformationWeek Studie darauf hin, daß bereits 86% der befragten Informationsverarbeitungs-Leiter schon vor Bekanntgabe der Fusion/Akquisition in die Planungen eingebunden waren. 16 Die geforderte Analyse der Informationsverarbeitungsressourcen des Partnerunternehmens ist bezüglich ihrer Funktion für den M&A-Prozeß umstritten. Einerseits wird die Analyse als unentbehrlich für die Beurteilung der Sinnhaftigkeit eines Akquisitionsgeschä fts betrachtet,17 andererseits wird in einer anderen Quelle darauf hingewiesen, daß die Informationsverarbeitung allein keinen Grund zum Abbruch in Mergers & Acquisitions sein kann.18 Die Frage der zeitlichen Planung der Integration der Informationsverarbeitung wird von fast allen Autoren aufgegriffen. Die meisten Autoren postulieren einen starken Zusammenhang zwischen Integrationsgeschwindigkeit und Akquisitionserfolg und empfehlen deshalb ein schnelles Vorgehen zur Integration der Informationsverarbeitung.19 Dies helfe bei der Vermeidung von Unsicherheit und Fluktuation. Auß erdem halten die Integrationsbemühungen von geschä ftsnotwendigen Tä tigkeiten ab, was zu einem Rückstau in der Bearbeitung wichtiger Projekte führen kann.20 Die beiden dringlichsten Entscheidungen, die im Rahmen der Integration getroffen werden müssen, sind nach Ansicht der Mehrheit der Autoren, die personelle Besetzung des integrierten Informationsverarbeitungsbereichs sowie die Bestimmung der Informationssystemarchitektur im integrierten Unternehmen.21 Nach den Empfehlungen zur Planung der Integration folgen nun die Empfehlungen der Praxisliteratur, die sich unter strukturellen Gesichtspunkten direkt mit den 14 15 16 17 18 19 20 21
Vgl Meier/Spang (2000), S. 7 ff. Vgl. Lantermann (1999), S. 98 Vgl. Eckhouse (1999), S. 1 Vgl. Hoffmann (1998), S. 1 Vgl. Buhl (1999), S. 1 Vgl. Cope (2000), S. 1 Vgl. Brüning/Pedain/Deasley (2002), S. 139 Vgl. Brüning/Pedain/Deasley (2002), S. 140 f.; Müller (1999), S. 1
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zu integrierenden Objekten befassen. Sie beziehen sich im wesentlichen auf die Bereiche Organisation der Informationsverarbeitung, Hardware/Systemsoftware und Anwendungen/Daten. Integration der IV-Organisationen Zu Fragen der Integration der Organisation der Informationsverarbeitung liegen nur wenig Empfehlungen vor. In den vorliegenden Arbeiten wurde aber, wenn überhaupt, ausschließ lich die Empfehlung zur vollstä ndigen Verschmelzung der Informationsverarbeitungs-Abteilung gegeben, was in den meisten Fä llen damit begründet wurde, daß parallele Strukturen oder eine etwaige Doppelspitze zu Kompetenzgerangel und Unsicherheit führen würden.22 Wo die Abteilung in der Unternehmensorganisation einzuordnen sei, und wie sie intern gestaltet werden müß te, wird in der vorliegenden Literatur kaum betrachtet. Integration von Hardware und Systemsoftware Fragestellungen der Integration der technischen InformationsverarbeitungsRessourcen werden in der Praxisliteratur besonders umfangreich behandelt. So wird im Bereich der Integration der Hardware und Systemsoftware vor allem auf das umfangreiche Einsparpotential durch die Zusammenlegung der beteiligten Rechenzentren hingewiesen.23 Einen erheblich geringeren Stellenwert hat die Frage der Zusammenlegung der Wide-Area-Networks. Diesbezügliche Publikationen empfehlen aber ausschließ lich eine Verknüpfung bzw. Zusammenlegung.24 Integration von Anwendungssystemen und Daten Die Integration der Anwendungssysteme und Daten sind das am breitesten diskutierte Thema der Praxisliteratur. Dabei wird in der Regel immer für die Gesamtheit aller Anwendungen und Daten argumentiert, ohne eine Differenzierung vorzunehmen.25 Die Frage nach dem Integrationsgrad wird hier besonders relevant und findet in fünf verschiedenen Empfehlungen zur Integration der Anwendungen ihren Ausdruck, die der Reihe nach bezüglich der Bindungsintensitä t ansteigen: 1. 2. 3. 4. 5. 22 23 24 25
Separate Fortführung Datenaustausch über Middle-Ware Best-of-Breed-Kombination Auswahl der Anwendungssysteme eines Unternehmens Entwicklung neuer Anwendungssysteme.
Vgl. Penzel (1999), S. 107 Vgl. Windfuhr (1993), S. 520 Vgl. Kelch (1999), S. 1; Berensmann/Spang (1998), S. 36 Vgl. beispielhaft Rufa/Kubela (1999), S. 1
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Die separate Fortführung ist durch die Unterlassung jeglicher Verbindung der Anwendungssysteme der beiden Partnerunternehmen gekennzeichnet. Dieser Fall wird aber in der Praxisliteratur nur als theoretische Alternative geführt, da verbindungsbezogene Synergiepotentiale unberührt bleiben. Der Datenaustausch über Middle-Ware stellt einen ersten Schritt in der Verbindung der Anwendungssysteme zweier Unternehmen dar, indem ein Datenaustausch über zu implementierende Schnittstellen organisiert wird. Middle-Ware kennzeichnet dabei solche Applikationen, die auf Basis standardisierter Protokolle Dienste für eine transparente Kommunikation zwischen den parallel weiterlaufenden Anwendungssystemen der Partnerunternehmen bereitstellen. Letztlich macht Middle-Ware die integrierte Informationsverarbeitung damit unabhä ngig von den beiden beteiligten, heterogenen Hard- und Software-Plattformen.26 Allerdings herrscht bezüglich der technischen Reife und des funktionalen Werts gegenwä rtiger Middle-Ware-Lö sungen keine Einigkeit unter den Autoren. Im Rahmen einer Best-of-Breed-Kombination werden paarweise die jeweils besten Anwendungssysteme der beteiligten Unternehmen identifiziert und fortgeführt.27 Rein theoretisch führt dies zu einer integrierten Anwendungslandschaft mit maximalen Nutzen. Die Umsetzung des Best-of-Breed-Konzepts wird zum Teil jedoch skeptisch beurteilt. So warnen einige Autoren explizit vor der immensen Komplexitä t.28 Insbesondere weisen viele Anwendungssysteme nicht exakt identische Funktionalitä ten auf, so daß ein Vergleich erschwert wird. Zudem sind die Anwendungen durch Schnittstellen sehr individuell in die jeweilige Anwendungslandschaft eingebunden, was den Austausch einzelner Anwendungen erschwert.29 Einige Autoren weisen deshalb auf die signifikant hö heren Entwicklungsleistungen und – kosten des Best-of-Breed-Ansatzes hin und kommen zu dem Schluß , daß er nicht für die Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions geeignet ist.30 Die vorherrschende Empfehlung zur Anwendungsintegration ist die Auswahl der Anwendungssysteme eines Unternehmens. Der Ratschlag lautet hierbei, die Anwendungsarchitektur eines Unternehmens auszuwä hlen, und mit dieser die Anwendungssysteme des anderen Unternehmens zu ersetzen. 31 Dies führt zu einer vollstä ndigen Standardisierung der Architektur. Der Vorteil liegt in der relativ kurzen und kostengünstigen Implementierung bei gleichzeitig begrenztem Risi26 27 28 29 30 31
Vgl. Weyerich, (2000), S. 1 Vgl. Schüllermann (1999), S. 1 Vgl. Müller (2000), S. 1 Vgl. Müller (2000), S. 1 Vgl. Buhl (1999), S. 163 Vgl. Schüllermann (1999), S. 1
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ko.32 Zwei wesentliche Nachteile/Probleme identifiziert die Praxis aber auch hier. Zum einen wird auf mö gliche Akzeptanzprobleme der neuen Anwendungssysteme hingewiesen.33 Weiterhin weisen andere Autoren darauf hin, daß eine ausnahmslose Ablö sung der Anwendungssysteme der nicht ausgewä hlten ITLandschaft aus sachlichen Gründen nicht mö glich sei.34 Die Begrenzung der dadurch notwendigen Anpassungen der ausgewä hlten Ziel-Architektur auf ein Minimum stelle aber nach wie vor ein tragfä higes Konzept zur Integration dar. 35 Schließ lich kann ein gleicher Grad an Integration auch durch die Entwicklung gä nzlich neuer Anwendungssysteme erreicht werden, wobei die beiden alten Informationsverarbeitungssysteme abgelö st werden.36 Eine Vielzahl von Publikationen weisen allerdings auf den enormen Aufwand und das Risiko hin, das mit einer Neuentwicklung verbunden ist.37 Neben der reinen Entwicklung und Implementierung ist ein besonders hoher Aufwand auch in der Mitarbeiterschulung auf den komplett neuen Anwendungssystemen notwenig. Daher wird im allgemeinen von dieser Alternative abgeraten.38 Einflußfaktoren der Integration von Anwendungssystemen Die Diskussion um die Vorteilhaftigkeit der einzelnen Alternativen zur Anwendungsintegration wird darüber hinaus auch durch die Betrachtung der beiden Einfluß faktoren „ Bindungsrichtung der Transaktion“ und „ Grö ß enverhä ltnis der Transaktionspartner“ beeinfluß t. Mergers & Acquisitions mit horizontaler Bindungsrichtung weisen im Vergleich zu vertikalen Mergers & Acquisitions eine hohe Ä hnlichkeit der Geschä fte der an einer Transaktion beteiligten Unternehmen auf. Die Gleichartigkeit der Geschä fte wird als Treiber einer Integration der Informationsverarbeitung angesehen, weshalb in diesem Fall für gewö hnlich eine vollstä ndige Standardisierung empfohlen wird. 39 Darüber hinaus hat das Grö ß enverhä ltnis einen signifikanten Einfluß auf die zu wä hlende Integrationsalternative, liegt es doch nah, die Architektur des grö ß eren Partners auszuwä hlen.40
32 33 34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Müller (2000), S. 1 Vgl. Lehmann/Scheuse (2000), S. 16 Vgl. Hoffman (1998), S. 1 Vgl. Penzel (1999), S. 109 Vgl. Champy (1999), S. 1; Caldwell (1998), S. 1 Vgl. Schüllermann (1999), S. 1 Vgl. Penzel (1999), S. 107 Vgl. Komus/ Reiter (2000), S. 35 Vgl. Schüllermann (1999), S. 1
203
Personalverä nderungsprozeß Das Ziel im dritten Kernprozeß ist die in qualitativer und quantitativer Hinsicht optimale Versorgung der angestrebten integrierten Einheit mit Humanressourcen.41 Die Publikationen aus der Praxis liefern hier weder schlüssige Aussagen zu Verä nderungen im Personalbestand noch zur Konzeption von MitarbeiterSchulungen im Sinne der Personalentwicklung. So weist eine Studie der InformationWeek aus, daß 34% der befragten IV-Leiter angaben, die Mitarbeiterzahl in der Informationsverarbeitung sei im Rahmen einer M&A-Integration gesunken. Die gleiche Anzahl wies aber gleichzeitig auch einen Anstieg der Mitarbeiterzahlen im Zusammenhang von M&A aus, so daß keine klaren Aussagen bezüglich der Verä nderung der Mitarbeiterzahlen getroffen werden kö nnen.42 Eine etwaige Karriereplanung der Mitarbeiter im Informationsverarbeitungsbereich wird ebenfalls nicht diskutiert. Es wird lediglich auf die notwendige Durchführung von Trainings zu den neuen Anwendungen oder den Einsatz spezieller Coaches als technischen Support in der Anfangszeit der neuen Systeme hingewiesen.43 Informationsprozeß Der Informationsprozeß , welcher hier als erster Unterstützungsprozeß betrachtet wird, hat das Ziel, effizient alle für die Entscheidungsfindung relevanten Informationen im M&A-Prozeß zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Qualitä t und an der richtigen Stelle zur Verfügung zu stellen. Zeitlicher Einbezug Besonders die Forderung nach frühzeitiger Analyse der Informationsverarbeitungsressourcen stellt eine Herausforderung für den Informationsprozeß dar. Einige Autoren verlangen, im Rahmen der Vorbereitung auf Mergers & Acquisitions die detaillierte Dokumentation der eigenen Informationsverarbeitungsressourcen.44 Diese kann dann relativ schnell mit der Analyse der Informationsverarbeitungsressourcen des Partnerunternehmens abgeglichen werden. Bezüglich des Zeitpunktes der Analyse des Partnerunternehmens wird sich in etwas unklarer Eingrenzung für die Vorfeld- und Transaktionsphase vor Ver-
41 42 43 44
Lucks/Meckl (2002), S. 133 Vgl. Eckhouse (2001), S. 1 Vgl. Kelch (1999), S. 1 Vgl. Meier/Spang (2000), S. 9
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tragsunterzeichnung ausgesprochen, 45 so daß man die Due Diligence nahe legen kann. Due Diligence Die Inhalte einer solchen IV-Due Diligence werden in praxisnahen Publikationen nur grob angerissen. Als relevante Informationsobjekte der IV-Due Diligence gelten die IV-Anwendungslandschaft, die Support-Strukturen, laufende IVProjekte, die IV-Ressourcen, die IV-Betriebskosten, die Sourcing-Strategie sowie das IV-Management und die „ alte“ IV-Strategie.46 Zur Vorgehensweise innerhalb der IV-Due Diligence und zur Aufbereitung und Verdichtung der gesammelten Informationen liegen keine Empfehlungen vor. Bewertungsprozeß Das Ziel des Bewertungsprozesses ist die mö glichst exakte Bestimmung des Wertes des zu kaufenden Unternehmens aus Kä ufersicht auch unter Berücksichtigung verbindungsbezogener Synergien. Ausgehend von unterschiedlichen Detaillierungsgraden zä hlt somit die Bewertung der Informationsverarbeitung ebenfalls zu den Tä tigkeiten innerhalb des Bewertungsprozesses. Bewertung der beteiligten Informationsverarbeitungslandschaften In der Praxisliteratur wird der Bewertung der Informationsverarbeitungslandschaften beider Partnerunternehmen zur Auswahl einer Zielplattform eine herausragende Bedeutung für den Integrationserfolg zugeschrieben.47 Dabei wird von der Integrationsalternative „ Auswahl einer Anwendungslandschaft“ ausgegangen, und eine Vorgehensweise in zwei Schritten nahegelegt. Zunä chst sollen beide beteiligten Anwendungslandschaften auf die K.O.-Kriterien Skalierbarkeit künftiger Datenmengen, technische Zukunftsfä higkeit, fachlicher Abdeckungsgrad, Mehrwä hrungsfä higkeit und Ressourcenverfügbarkeit getestet werden.48 Führt dies nicht zu einer Entscheidung, folgt eine Wirtschaftlichkeitsanalyse. Dabei wird eine Quantifizierung der Investitionen zur Erweiterung notwendiger Systemfunktionalitä ten angestrebt, und eine Schä tzung des Aufwandes für Datenintegration und Betriebskosten vorgenommen. 49 Die Bewertung alternativer Methoden zur Integration (siehe Strukturentwicklungs- und -durchsetzungsprozeß ) wird weitgehend nicht behandelt, und auch Aussagen zur Synergiepotentialquantifizierung finden sich nur undetailliert.
45 46 47 48 49
Handschuh/Buchta (2000), S. 30 Vgl. Lauritzen (2000), S. 22; Handschuh/Buchta (2000), S. 30 Vgl. Müller (2000), S. 1 Vgl. Müller (1999), S. 1; Berensmann/Spang (1998), S. 39 Vgl. Müller (1999), S. 1; Berensmann/Spang (1998), S. 39
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Auch das Thema Risikobewertung wird von der Praxisliteratur nur sporadisch aufgenommen, wobei besonders die beiden Aspekte Termineinhaltung des Integrations-Projekts und Realisierbarkeit der angestrebten Leistungsfä higkeit der Informationsverarbeitung Gegenstand einer Risikoanalyse sind. 50 Repriorisierung des IV-Projekt-Portfolios Einige Autoren regen an, die jeweils laufenden IV-Projekte beider Unternehmen zu bewerten, und im Rahmen einer Repriorisierung des IV-Projekt-Portfolios über ihre Fortführung zu entscheiden.51 Die so freiwerdenden Ressourcen sind den Integrationsprojekten zuzuführen. Kommunikationsprozeß Der Kommunikationsprozeß zielt auf die Abgabe von Informationen und im Idealfall auf die Initiierung eines Dialoges mit internen und externen Interessengruppen ab. Offensichtlich spielt nach Ansicht vieler Praktiker die Kommunikation mit Interessengruppen nur eine untergeordnete Rolle im Integrationsprozeß der Informationsverarbeitung. So fanden sich nur sehr wenige Publikationen, die explizit eine offene Kommunikation mit allen Beteiligten über Zielsetzung und Vorgehensweise der Integration der Informationsverarbeitung als empfehlenswert erwä hnen.52 Controllingprozeß Die Sicherstellung der strategischen Unternehmensziele in den Bereichen der Gesamtziele von Mergers & Acquisitions im Sinne einer Wertschaffung sowie in der Zielerreichung einzelner Maß nahmen im M&A-Prozeß sind die Ziele des Controllingprozesses, der damit auch als Unterstützungsprozeß zä hlt. Eine nicht unerhebliche Bedeutung wird dem Controlling in der Praxisliteratur beigemessen. Dabei wird in Bezug auf die Kontrolle des erwarteten Wertbeitrags einzelner Maß nahmen auf die gä ngigen Dimensionen Quantitä t, Qualitä t, Kosten und Zeit verwiesen. Die Grö ß en Kosten und Zeit gelten als unkritisch in Bezug auf deren Erfassung. Demgegenüber lä ß t sich eine Ermittlung der Qualitä tsgrö ß en lediglich grob über Mitarbeiterumfragen oder etwa Ausfallstatistiken operationalisieren.53 Darüber hinaus regen einige Autoren zur Implementierung einer Pro-
50 51 52 53
Vgl. Handschuh/ Buchta (2000), S. 32 Vgl. Müller (1999), S. 1 Vgl. Bender/Ammann/Meitner (2000), S. 28; Meier/Spang (2000), S. 9 Vgl. Penzel (1999), S. 113
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jektfortschrittskontrolle im Rahmen des Projekt-Managements an,54 ohne sie zumeist weiter zu konkretisieren. Koordination der Schnittstellen Die getrennte Darstellung der sieben Teilprozesse im M&A hat zum Nachteil, daß die existierenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Integrationsmaß nahmen im Rahmen von M&A nur schwer gewürdigt werden kö nnen. Deshalb soll an dieser Stelle speziell die Frage des Schnittstellenmanagements zwischen den Teilprozesse und Integrationsteams behandelt werden. Maßnahmen zur Koordination Weitgehend wird von der Praxis gefordert, die Integration der Informationsverarbeitung in enger Abstimmung mit den fachlichen Ressourcen durchzuführen. Dieses soll durch die Etablierung eines Projekt-Managements gewä hrleistet werden.55 Konkrete Maß nahmen-Empfehlungen im Bereich der personellen Abstimmung zielen auf die Einrichtung von Doppelspitzen in den unterschiedlichen Integrationsteams aus jeweils einem Fachbereichsleiter und einem Verantwortlichen aus der Informationsverarbeitung. 56 Die Abstimmung der Integration der Informationsverarbeitung mit den Zielen der Transaktion findet zudem über einen Lenkungsausschuß innerhalb der Projektorganisation statt.57 Vorherrschende Richtung der Abstimmung Unterschiedliche Meinungen werden in der vorherrschenden Richtung der Abstimmung vertreten. Der zentrale Diskussionspunkt liegt dabei in der Frage, ob die Anwendungssysteme und die zu integrierenden Geschä ftsprozesse parallel gestaltet werden sollen, oder ob zunä chst die Geschä ftsprozesse zu gestalten sind, und im Anschluß die Integration und Neugestaltung der Anwendungssysteme stattfinden sollte.58 Die Befürworter der parallelen Neugestaltung argumentieren, daß ihr Konzept die notwendige Voraussetzung einer wechselseitigen Abstimmung ist. Die Gegner dieser Meinung heben hervor, daß sich die fachlichen Anforderungen an die Informationsverarbeitung erst nach erfolgter Verzahnung der Geschä ftsprozesse identifizieren lassen.
54 55 56 57 58
Vgl. Lehmann/Scheuse (2000), S. 18 Vgl. Bender/Ammann/Meitner (2000), S. 28 Vgl. Schmid (1999), S. 1 Vgl. Wö rner (2001), S. 1 Vgl. Wö rner (2001), S. 1; Holzwart (2000), S. 1; Hesselink (1999), S. 1
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Fazit und Identifikation möglicher Ansatzpunkte einer interkulturellen Betrachtung Fazit Das Vorangegangene zeigt, daß sich in den letzten Jahren ein umfangreicher Bestand an praxisnaher Literatur zum Thema Integration der Informationsverarbeitung angesammelt hat. Deutliche Schwerpunkte liegen dabei in den Einzelfragestellungen zur Integration der IV-Infrastruktur und der Software-Anwendungen aus dem Strukturentwicklungs- und – durchsetzungs-prozeß . Die naheliegende Vermutung, daß den übrigen Prozessen von Praktikerseite keine Erfolgsrelevanz beigemessen werde, lä ß t sich nicht halten, da in den weiteren M&A-Prozessen immer wieder auf deren Bedeutung für den Integrationserfolg hingewiesen wurde. Dagegen kann aber vermutet werden, daß in der Praxis überwiegend davon ausgegangen wird, daß Fragestellungen der Integration der Informationsverarbeitung in Bezug auf die übrigen M&A-Prozesse nur wenig funktionsfeldspezifisch sind. Scheinbar gelten diese Problemfelder der Integration der Informationsverarbeitung somit bereits über die allgemeine Literatur zur Integration in Mergers & Acquisitions als weitgehend abgedeckt. Vereinzelt deuten manche Autoren aber an, daß dem nicht so sein kann. Sie erlä utern für den Informationsprozeß und den Bewertungsprozeß eigene Empfehlungen, die einen direkten Bezug zu den Charakteristika der Informationsverarbeitung besitzen. Auch für den Controlling-Prozeß liegen - wenn auch sehr selten spezifische Anregungen vor. Darüber hinaus zeigen die Empfehlungen im Strukturprozeß zur AnwendungsIntegration implizit, daß eine hervorgehobenere Betrachtung des Schnittstellenmanagements gerechtfertigt wä re: Praktisch sä mtliche Autoren erwä hnen die überaus groß e Zahl der fachlichen Anforderungen an die Informationsverarbeitung. Die Koordination zwischen IV- und Fachbereichen im M&A-Prozeß ist also offensichtlich allein schon durch die Vielzahl der Schnittstellen als spezifisch einzuordnen. Folglich müß te ein Prozeß modell zur Integration der Informationsverarbeitung in Mergers & Acquisitions ausgehend von IV-strategischen Planungen den Spezifika der Informationsverarbeitung durch eigene Konzepte im Struktur-, Informations-, Bewertungs- und Controllingprozeß sowie im Schnittstellenmanagement Rechnung tragen. Darüber hinaus sollten die allgemeinen Konzepte des Personalverä nderungs- und Kommunikationsprozesses sauber auf die IV-Organisation und ihr Personal angewandt werden. 208
Ansatzpunkte einer interkulturellen Betrachtung Dieses Ergebnis ist von einiger Relevanz für interkulturelle Fragestellungen zur Integration der Informationsverarbeitung in internationalen Mergers & Acquisitions. Klassischerweise liegt ein Ansatzpunkt interkultureller Ansä tze in den (offensichtlich relativ wenig funktionsfeldspezifischen) Personalverä nderungs- und Kommunikationsprozessen. Dies ist nicht überraschend. Dagegen hat diese Analyse aber gezeigt, daß der durch spezifische strukturelle Fragestellungen dominierte IV-Integrationsprozeß im Kern deutlich stä rker als andere Integrationsbereiche von der Koordination mit den Fachbereichen abhä ngig ist. Da bei internationalen Mergers & Acquisitions diese Abstimmung zum Teil über Lä ndergrenzen hinweg stattzufinden hat, kann die proaktive Berücksichtigung von Kulturunterschieden einen erfolgswirksamen Beitrag zur Ü berwindung von Integrationsbarrieren im IV-Bereich leisten. Deswegen lohnt ein Blick auf die grundlegenden Konzepte zum Umgang mit der Unternehmens- und Soziokultur in Mergers & Acquisitions. Ausgangspunkt der Berücksichtigung kultureller Unterschiede im Rahmen von Mergers & Acquisitions sollte eine grundsä tzliche Strategie zur Ü berwindung kultureller Differenzen sein, deren Entwicklung sich auf eine vergleichende Analyse beider beteiligter Unternehmenskulturen zu stützen hat. Dabei stehen drei Strategie-Alternativen zur Verfügung:59 1.
Eine Kombination aus den bestehenden Kulturen
2.
Die Ü bernahme der Kultur eines Partners
3.
Der gleichberechtigte Fortbestand beider Kulturen
Trotz grundlegender Fragestellungen, ob die Kultur eines Unternehmens überhaupt gezielt verä ndert werden kann, wie die beiden ersten Strategiealternativen es vorsehen, gibt es doch konkrete Mö glichkeiten, die direkte Zusammenarbeit und Koordination über unternehmens- und soziokulturelle Grenzen hinweg zu verbessern. Eine wichtige Maß nahme zur Ü berwindung kulturbedingter Konflikte ist hier die explizite Verankerung der Kulturfragestellung in der Organisation des M&AProzesses. Eine eigene Task-Force, die speziell für die kulturellen Fragen zustä ndig ist, kann als Ansprechpartner für Probleme bei der Harmonisierung von Pro-
59 Nä here Erlä uterungen zur Durchführung und Problemfeldern einer Kultur-Analyse finden sich u.a. bei Lucks/Meckl (2002), S. 84-86 und zu den Strategiealternativen S. 152-154
209
zeß ablä ufen (mit ihrer unmittelbaren Relevanz für die IV-Integration!) bis hin zu Divergenzen beim Führungsstil oder sozio-kulturellen Problemen dienen.60 Darüber hinaus spielen Trainingsmaß nahmen und Seminare zu den Arbeitsmethoden und kulturellen Hintergründen im Partnerunternehmen für die Verantwortlichen der IV-Integration, die besonders intensiv mit Kollegen aus den Fachbereichen des anderen Unternehmen im Rahmen der Abstimmung zu tun haben, eine wichtige Rolle zur Vorbereitung der Integrationsmaß nahmen. Letztlich sollte über solche Trainings auch das Verhalten der Führungskrä fte in den Task-Forces auf kulturspezifische Fragestellungen sensibilisiert werden. Insbesondere bei stark divergierenden Kulturen bietet sich zumindest in der Restrukturierungsphase ein kooperativer Führungsstil an, da die „ neuen“ Mitarbeiter auf diese Weise besser eingebunden werden kö nnten, was, wie gesehen, ebenfalls für Fragestellungen zur Koordination zwischen IV- und Fachbereichen von Bedeutung ist.
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Autorinnen und Autoren Mike BARTHOLOMÄ I, B.A. (Hons), MSc, Jahrgang 1976, Studium der Anglistik/Amerikanistik, Wirtschaftswissenschaft und Interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Jena. B.A. (Hons) in English for International Business in Preston, Groß britannien. MSc in Information Management in Lancaster, Groß britannien. Business Systems Application Analyst bei der Brooks-PRI Automation (Germany) GmbH in Jena. Forschungsschwerpunkte: Wissensmanagement, Systemtheorie, Systementwicklung, Systemintegration und -anwendung. Email: [email protected] Professor Dr. Jürgen BOLTEN, Jahrgang 1955, Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Düsseldorf und Aachen. Nach Promotion (1984) und Habilitation (1989) zunä chst Geschä ftsführer des Instituts für internationale Kommunikation/Universitä t Düsseldorf, dann seit 1992 Professor für Interkultureller Wirtschaftskommunikation an der Universitä t Jena. Forschungsschwerpunkte: Kommunikationstheorie, Kulturtheorie, Interkul-turelles eLearning. Email: [email protected] Dipl. Psych. Christian J. EBERHARDT, Jahrgang 1975, Studium der Psychologie, Betriebswirtschaftslehre und Ostwissenschaften in Regensburg und Prag. Promotion in Angewandter Psychologie/Organisationspsychologie bei Prof. Dr. A. Thomas, Universitä t Regensburg, im Rahmen eines Promotions-stipendiums der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Für RAY & BERNDTSON CEE mit der methodologischen Leitung, der Konzeption und Durchführung von Management Audits in Zentral-Ost-Europa betraut. Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle Psychologie, M&A, Management Diagnostik, Handlungstheorie Email: [email protected] Jan FLECKENSTEIN, M.A., Jahrgang 1973, Studium der Auslandsgermanistik/DaF, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Amerikanische Literatur in Bremen und Jena. Promotion als externer Doktorand an der Friedrich-Schiller Universitä t Jena. Freier Consultant für eLearning & Kommunikationsberatung. Email: [email protected]
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Dipl. Psych. Steffen R. GIESSNER, MSc, Jahrgang 1974, Studium der Psychologie in Jena und Canterbury. Promotion an der Friedrich-Schiller-Universitä t im Rahmen des „ International Graduate College – Jena, Canterbury, Louvain“ , DFGStipendium. Forschungsschwerpunkte: Intergruppenbeziehungen, Gruppenprozesse, Unternehmensfusionen. Email: [email protected] Dr. Annette KLEINFELD, Jahrgang 1963, Studium der Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften in Karlsruhe und München, Promotion an der Ludwig-Maximilian-Universitä t München über die Grundlagen einer ethisch reflektierten Unternehmens- und Personalführung. Seit 1998 Partnerin der Hamburger Unternehmensberatung Bickmann & Collegen, verantwortlich für die Bereiche Corporate Ethics und Wertemanagement. Seit September 2000 Mitglied im Vorstand des European Business Ethics Network (EBEN). Email: [email protected] Dipl. Kfm. (Univ.) Carsten MÄ RKISCH, Jahrgang 1973, Studium der Betriebswirtschaftslehre Interkulturelles Management in Jena, Le Havre und Los Angeles. Analyst bei Accenture GmbH, Berlin. Externer Doktorand am Lehrstuhl Internationales Management an der Friedrich-Schiller Universitä t Jena. Forschungsschwerpunkte: prozeß orientierte Integration der Informationsverarbeitungsressourcen bei M&A. Email: [email protected] Dipl. Theol., cand. psych. Alexander SCHLEGEL, Jahrgang 1975, Studium der katholischen Theologie und Philosophie (Dipl.) sowie Psychologie (Dipl.) in Mainz und Innsbruck. Doktorand am Seminar für Moraltheologie und Sozialethik, Fachbereich Kath. Theologie, Johannes Gutenberg-Universitä t Mainz. Forschungsschwerpunkte: Wirtschaftskriminalitä t und Integritä t in Organisationen, Wirtschaftsethik, Philosophie des Geistes, Bewuß tsein und Bioethik. Email: [email protected]
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Dr. Klaus SCHMIDT, geboren 1946 in Salzgitter, studierte Grafik-Design an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Braunschweig, dort schloß er von 1973-1976 ein interdisziplinä res Diplom-Studium „ Experimentelle Umweltgestaltung“ an. Von 1976 bis 1977 war er Forschungsassistent am Institut für angewandte Psychologie der Universitä t Braunschweig und anschließ end freiberuflicher Berater und Designer. Er promovierte 1991 an der Bergischen Universitä t Gesamthochschule Wuppertal. Dr. Klaus Schmidt ist Principal Partner der Branding und Corporate Identity Consultants Henrion Ludlow Schmidt. Er hat vielfach zu dem Thema „ Corporate Identity als strategisches ManagementInstrument“ verö ffentlicht. Zuletzt erschien 1995 das Buch „ The Quest for Identity“ (Cassell plc, London). Im Herbst dieses Jahres erscheinen zwei Bücher, „ Holistic Branding“ (Luchterhand) und „ Inclusive Branding“ (Palgrave). Email: [email protected] Dipl. Kfm. (Univ.) Jochen STRÄ HLE, Jahrgang 1975, Studium der Betriebswirtschaftslehre/Interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Jena, Paris und Coimbra. Promotion als externer Doktorand an der Friedrich-Schiller Universitä t, Jena im Rahmen des Landesgraduiertenstipendium des Freistaates Thüringen. Forschungsschwerpunkte: Cultural Due Diligence, Unternehmensbewertung, Unternehmenskultur, Interkulturelle Mergers & Acquisitions. Email: [email protected]
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