Institutionelle Stimmrechtsberatung: Rechtstatsachen, Rechtsökonomik, rechtliche Rahmenbedingungen und Regulierungsstrategien [1 ed.] 9783428540839, 9783428140831

Professionelle Aktionäre haben heute kaum Interesse an den Unternehmen, deren Aktien sie kaufen. Um auf der Hauptversamm

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German Pages 420 Year 2013

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Institutionelle Stimmrechtsberatung: Rechtstatsachen, Rechtsökonomik, rechtliche Rahmenbedingungen und Regulierungsstrategien [1 ed.]
 9783428540839, 9783428140831

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 67

Institutionelle Stimmrechtsberatung Rechtstatsachen, Rechtsökonomik, rechtliche Rahmenbedingungen und Regulierungsstrategien

Von

Philip Schwarz

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIP SCHWARZ

Institutionelle Stimmrechtsberatung

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 67

Institutionelle Stimmrechtsberatung Rechtstatsachen, Rechtsökonomik, rechtliche Rahmenbedingungen und Regulierungsstrategien

Von

Philip Schwarz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14083-1 (Print) ISBN 978-3-428-54083-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84083-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Einer berühmten Rede Julius von Kirchmanns (Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, 1848, S. 43 f.) zufolge befassen sich Juristen nur mit dem „Spielwerk des kleinern Details“. Sie seien nicht in der Lage „das Fundament zu legen, den neuen Bau tatkräftig in die Höhe zu führen“. Schenkt man dieser Aussage auch heute noch Glauben, dann darf man von der vorliegenden Arbeit angesichts der Ausbildung ihres Verfassers nicht allzu viel erwarten. Vielleicht hätte sich aber auch Julius von Kirchmann zum Weiterblättern ermuntern lassen, wenn er erfahren hätte, dass „Lücken, Zweideutigkeiten, Widersprüche [und das] Unwahre, Veraltete, Willkührliche der positiven Gesetze“ (v. Kirchmann, a. a. O., S. 23) zumindest nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden. Stimmrechtsberater sind in Deutschland eine vergleichsweise neue Erscheinung. Es geht hier deswegen – wie sich aus dem Untertitel ergibt – zunächst einmal darum, die Rechtstatsachen aufzuarbeiten und die Branche einer rechtsökonomischen Bewertung zu unterziehen. Erst in einem weiteren Schritt wird untersucht, ob und inwieweit die Tätigkeit der Stimmrechtsberater bereits vom geltenden Recht erfasst wird. Von der Antwort auf diese Frage hängt es ab, ob eine Regulierung der Branche geboten ist. Als ich mit der Anfertigung dieser Arbeit begonnen habe, schien das Phänomen der Stimmrechtsberatung weder in der breiten Öffentlichkeit noch in der Fachwelt auf großes Interesse zu stoßen. Dieser Eindruck änderte sich, als die Europäische Kommission im April 2011 in ihrem Grünbuch zur allgemeinen Corporate Governance auf das Phänomen aufmerksam machte. Der Verfasser einer juristischen Dissertation sieht einer solchen Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Das lachende Auge denkt daran, dass die Dissertation vielleicht einmal auf breites Interesse stoßen könnte. Das weinende Auge ruft sich die mahnenden Worte in Erinnerung, die Julius von Kirchmann (a. a. O., S. 23) den Rechtswissenschaftlern mit auf den Weg gegeben hat: „Indem die Wissenschaft das zufällige zu ihrem Gegenstande macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur.“ Ob diese Arbeit zu Makulatur wird, wenn Stimmrechtsberater einmal einer Regulierung unterworfen werden (sollten), oder ob sie auch dann noch als „Fundament“ die Diskussion befruchten kann, mögen ihre Leser beurteilen.

8

Vorwort

Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation vorgelegen. Sie befindet sich auf dem Stand von April 2012. Neu erschienene Literatur konnte noch bis zum Ende des Jahres 2012 nachgetragen werden. Dank gebührt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Lars Klöhn, LL.M. (Harvard), der die Arbeit angeregt und ihre Entstehung mit großem Interesse und immerwährender Diskussionsbereitschaft begleitet hat. Aus den Gesprächen sind zwei gemeinsame Aufsätze hervorgegangen (in: ZIP 2012, 149–158 sowie in: 8 Capital Markets Law Journal 90–107 [2013]). Lars Klöhn hat außerdem mein Interesse für die Rechtsökonomik geweckt. Das Zweitgutachten hat Prof. Dr. Mathias Habersack in rekordverdächtiger Zeit erstattet, kurz nachdem er sich als Gutachter für den 69. Deutschen Juristentag selbst mit dem Thema dieser Arbeit befasst hatte. Ihm sei ebenso gedankt wie Prof. Dr. Hans Christoph Grigoleit für die Mitwirkung an der mündlichen Doktorprüfung. Für seine Diskussionsbereitschaft und viele hilfreiche Ratschläge gilt mein Dank darüber hinaus Prof. Dr. Elmar J. Mand, LL.M. (Yale). Während eines Teils der Entstehungszeit dieser Arbeit war ich am Lehrstuhl von Prof. Dr. Monika Böhm in Marburg tätig. Ihr gebührt mein Dank für die damit verbundene Förderung ebenso wie Prof. Dr. Winrich Langer, der mir bereits in meinem ersten Semester seine Unterstützung zuteil werden ließ. Prof. Dr. Holger Fleischer, Dipl.-Kfm., LL.M. (Univ. of Michigan), Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago) und Prof. Dr. Gerald Spindler danke ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Die Studienstiftung des deutschen Volkes gewährte mir für die Studiensowie für die Promotionszeit Stipendien und ermöglichte mir Erlebnisse, Erkenntnisse und Kontakte, die meine persönliche und fachliche Entwicklung bereichert haben. Ihr sei ebenso gedankt wie dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der die Veröffentlichung der Arbeit mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss unterstützt hat. Darüber hinaus fühle ich mich dem Collegium Philippinum der Hessischen Stipendiatenanstalt in Marburg verbunden. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern Elvira und Dr. Rolf Schwarz, die mich während meiner gesamten Ausbildungsphase bedingungslos und in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ohne sie hätte ich die Arbeit nicht geschrieben. Marburg, im Februar 2013

Philip Schwarz

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung von Stimmrechtsberatern in die Corporate GovernanceDiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Potentielle Gefahren der Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktuelle Regulierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§2

Begriffsbestimmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§3

Der Markt für Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 40 61

§4

Einfluss von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anekdotische Evidenz und Schätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Empirische Erkenntnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 84 85 89

§5

Die I. II. III. IV.

§6

Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater? . . . . I. Aktionärsaktivismus durch institutionelle Anleger – tatsächlicher Befund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 135 149 182

§7

Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance I. Potentielle positive Auswirkungen auf die Corporate Governance . . . II. Die Anreize der Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Empirische Erkenntnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 184 206 228

§8

Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . 251 I. Rechtliche Rahmenbedingungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 II. Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

§1

29 30 31 32

Konvergenz des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Rechtliche Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Konvergenz der Aktionärsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Bedeutung der Konvergenz für Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 132

10 §9

Inhaltsübersicht Regulierungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Direkte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Indirekte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 313 314 354

§ 10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung von Stimmrechtsberatern in die Corporate GovernanceDiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Potentielle Gefahren der Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktuelle Regulierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30 31 32

§2

Begriffsbestimmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§3

Der Markt für Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutional Shareholder Services (ISS)/RiskMetrics . . . . . . . . . . . a) Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stimmrechtsberatung und -ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Corporate Governance-Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Corporate Governance-Beratung (durch ICS) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Glass Lewis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Marco Consulting Group (MCG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Egan-Jones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Proxy Governance, Inc. (PGI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ethos – Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung . . . a) Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . b) Dialog mit Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Proxinvest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stimmrechtsberatung und -ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammensetzung des Jahresumsatzes und Kundenzahl . . . . . c) Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ivox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gütesiegel (Rating). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hauptversammlungsanalysen, Stimmrechtsberatung und -ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dialog mit Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Angebot für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 40 40 40 40 41 41 42 42 44 45 46 48 48 49 51 51 52 52 53 54 54 54 55

§1

27

55 56 56 57

12

Inhaltsverzeichnis 9. European Corporate Governance Service (ECGS). . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) . . . . . . . . . . . b) Governance for Owners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methoden zur Bestimmung der Marktmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf den Markt für Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . a) Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedarfsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Hypothetischer Monopoltest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der Marktanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wettbewerbsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Potentieller Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kostenversenkung bei Marktzutritt . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zunehmende Skalenerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wechselkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Besetzung attraktiver Marktsegmente. . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung der gegenwärtigen Wettbewerbssituation und künftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grund für den Aufstieg von Glass Lewis . . . . . . . . . . . (2) Szenarien der zukünftigen Entwicklung. . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57 58 59

§4

Einfluss von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anekdotische Evidenz und Schätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Empirische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informelle Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 84 85 85 86 88 89

§5

Die Konvergenz des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Say on Pay“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 91 91 92 93

59 60 61 62 64 65 65 66 66 68 69 71 71 72 73 73 75 76 77 78 79 79 80 82

§6

Inhaltsverzeichnis

13

2. Die Hauptversammlung der corporation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nominierung von Kandidaten für das board of directors . . . . . c) „Say on Pay“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehrheitserfordernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Macht der Banken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) KonTraG (1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) NaStraG (2001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) TransPuG (2002). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) UMAG (2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) ARUG (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konvergenz des Hauptversammlungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahlen zum board of directors und zum Aufsichtsrat . . . . . . . b) Mehrheitserfordernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsverbreitung im Vorfeld der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermessensspielraum beim Depotstimmrecht . . . . . . . . . . . . d) „Say on Pay“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Deutschland AG“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen in der Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung der Konvergenz für Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stärkung der Aktionärsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steigende Bedeutung institutioneller Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 94 95 99 99

Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater? . . . . I. Aktionärsaktivismus durch institutionelle Anleger – tatsächlicher Befund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten-Nutzen-Erwägungen und Kollektivhandlungsproblem . . . . 2. Problem der Trittbrettfahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kompetenzmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bestehende rechtliche Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Acting in Concert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 101 104 104 107 108 110 113 114 114 115 115 117 118 118 119 121 121 121 127 127 129 130 131 132 132 135 136 138 139 140 140 140

14

Inhaltsverzeichnis aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlagebeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . 1. Überwindung des Kollektivhandlungsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit zum Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einheitliche Kosten für die Stimmrechtswahrnehmung . . . . . . . . . . 4. Ergänzung zum Proxy Voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verpflichtung zur Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Private Pensionsfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Investmentgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentliche Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Andere institutionelle Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskussion in Expertenkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 32 Abs. 1 S. 3 InvG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Treuhänderische Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung dd) Abstimmungspflicht aus der Aktionärsstellung . . . . . . . . . . ee) Selbstverpflichtungen der institutionellen Anleger . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bestimmungen über die Offenlegung der Stimmrechtsausübungspolitik und des Abstimmungsverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Investmentgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Private und öffentliche Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Investmentberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtslage in weiteren europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . d) Diskussionsstand auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtslage in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 143 145 145 146 146 148 148 149 149 151 153 154 155 155 155 157 158 159 159 159 160 161 166 168 169 171 171 171 172 173 173 174 175 176 176 178 180 180 182 182

§7

Inhaltsverzeichnis

15

Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance I. Potentielle positive Auswirkungen auf die Corporate Governance . . . 1. Aktionärsaktivismus: Beitrag zur Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informiertere Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Senkung von Informationskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Probleme und Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzgeberische Maßnahmen und ihre Bewertung. . . . . . cc) Hauptversammlung im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergütungssysteme für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Probleme und Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzgeberische Maßnahmen und ihre Bewertung. . . . . . cc) Hauptversammlung im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Durchführung des „Say on Pay“-Votums . . . . . . . . . . . (2) Tatsächliche Wirkungen eines „Say on Pay“-Votums (3) Einflussnahme von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anreize der Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzipal-Agenten-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Fehlende) Treuepflicht der Stimmrechtsberater . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichzeitige Beratung von institutionellen Anlegern und Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessenkonflikt aufgrund des Prinzipal-AgentenVerhältnisses zwischen Aktionären und Managern. . . . . . . bb) Entgegenwirkende Maßnahmen von ISS . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Interessenkonflikte bei Stimmrechtsberatern. . . . . . . . . 4. Intransparente Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Kontrolle der Stimmrechtsberater durch Marktkräfte . . . . . a) Kontrolle durch den Wettbewerbsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle durch die institutionellen Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überwachungskosten und fehlende Sanktionsmöglichkeit bb) Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Empirische Erkenntnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenhang zwischen Corporate Governance und zukünftigem Unternehmenserfolg im Allgemeinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückschlüsse anhand des Corporate Governance-Ratings von ISS (CGQ/GRId). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 184 184 189 190 191 192 192 193 195 196 196 199 201 202 203 205 206 206 206 207 211 215 216 216 217 219 221 222 222 224 224 225 227 228 228 229 233

16

Inhaltsverzeichnis a) b) c) d)

3. 4. 5. 6. §8

Vorzüge von kommerziellen Corporate Governance-Ratings . . Tatsächlicher Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrelation zwischen CGQ und Abstimmungsempfehlungen. . Beschränkte Aussagekraft der empirischen Befunde . . . . . . . . . aa) Kapitalmarkteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steigerung des Ratings durch Abstimmungsempfehlungen cc) Berücksichtigung der Einflussnahme über informelle Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertsteigerung bei Übereinstimmung mit den Abstimmungsrichtlinien?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiedliche Gewichtung von Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung der Abstimmungsempfehlungen durch die Kunden Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater. . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Rahmenbedingungen in den USA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Proxy Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investment Advisers Act of 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Treuepflichten aus dem ERISA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Acting in Concert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalmarktrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 22 Abs. 2 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zurechnung auf den Stimmrechtsberater bei fehlender Vorab-Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern bei fehlender Vorab-Festlegung . . . . . . . . . . . (3) Zurechnung auf den Stimmrechtsberater bei VorabFestlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern bei Vorab-Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Vereinbarungen in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhaltens- und Organisationspflichten nach §§ 31 ff. WpHG d) Insidergeschäfte nach §§ 13 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234 234 237 238 238 241 241 242 243 244 246 249 251 251 251 252 254 255 255 255 256 256 259 260 263 264 265 265 267 267 269 271 272 273 276 278 278

Inhaltsverzeichnis aa) § 53a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 131 Abs. 4 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 135 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung gegenüber den beratenen institutionellen Anlegern . . aa) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertragstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Voraussetzungen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anspruchsgrundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung gegenüber den nicht beratenen Aktionären . . . . . . . . . aa) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Leistungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gläubigernähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Erkennbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Praktische Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB („Expertenhaftung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Leistungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gläubigernähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erkennbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schutzbedürftigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unternehmenspersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Voraussetzungen des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 279 281 282 284 284 285 285 286 289 294 294 294 295 295 295 296 296 296 297 298 299 302 302 302 303 303 304 304 304 305 305 305 306 306 307 308 309

18

§9

Inhaltsverzeichnis (4) Weitere Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstand (Internationale Zuständigkeit). . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung zur Haftung von Stimmrechtsberatern . . . . .

310 310 310 312

Regulierungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Direkte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intensivierung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatliche Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Essential facilities-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Branchenspezifische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeine Bedenken gegen eine Intensivierung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltenskodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offenlegungspflichten zur Schaffung von Transparenz . . . . . . . aa) Überblick über aktuelle Regulierungsvorschläge. . . . . . . . . bb) Vergleich mit anderen Informationsintermediären. . . . . . . . cc) Offenlegung der Empfehlungen, der Methode und der Informationsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Offenlegung bestehender Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . ee) Regulierungszugriff des deutschen oder europäischen Gesetzgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offenlegungspflichten zur Bemessung des Einflusses von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sollte eine Erweiterung erfolgen? („Ob“) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterungsstrategien („Wie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleich mit anderen Informationsintermediären . . . . . . . . . . . . b) Institutionalisierung des Kontakts zwischen Stimmrechtsberatern und Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachträgliche Überprüfungspflicht für Abstimmungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unabhängigkeit und Qualifikation der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . e) Errichtung eines internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Methodische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung für fehlerhafte Abstimmungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . a) Modelle eines eigenständigen Haftungsregimes. . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verbot der parallelen Corporate Governance-Beratung . . . . . . . . . . 8. Durchsetzung von Verhaltensstandards: Schaffung einer Aufsichtsbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 313 314 314 314 315 316 319 320 322 323 323 325 325 327 328 331 331 332 337 337 338 340 341 343 344 346 346 348 349 351 354

Inhaltsverzeichnis III. Indirekte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschärfung der Treuepflichten gegenüber den beneficial owners 3. Stimmrechtsberater als „Joint Venture“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorstellung des Vorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsökonomische Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umsetzbarkeit im Lichte des Internationalen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 354 355 356 357 358 362 367 368 369

§ 10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Sachwortregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABlEU Abs. Acc. Rev. AcP Admin. L. Rev. a. E. AEUV a. F. AG AktG Alt. Am. Econ. Rev. AMF Am. J. Comp. L. Anm. d. Verf. Art. ARUG Aufl. BaFin BB bearb. v. Bell J. Econ. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BMJ BR-Drs. BT-Drs. Bus. Law. Butterworths J. Int’l. Banking & Fin. L.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Accounting Review Archiv für die civilistische Praxis Administrative Law Review am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte(r) Fassung Aktiengesellschaft (Rechtsform)/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative American Economic Review Autorité des Marchés Financiers American Journal of Comparative Law Anmerkung des Verfassers Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebs-Berater bearbeitet von Bell Journal of Economics Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Business Lawyer Butterworths Journal of International Banking and Financial Law

Abkürzungsverzeichnis BVI bzw. ca. Cal. L. Rev. CalPERS Cap. Markets L. J. Cardozo L. Rev. CEO C.F.R. CGQ CHF CMVM Cog. Psychol. Colum. L. Rev. Comp. & Sec. L. J. DAI DAX DB Del. J. Corp. L. ders. DGCL dies. DNotZ DOL DStR DSW Duke L. J. DZWIR EBOR ECFR ECGS ECL ECMH Einl. Emory L. J. ERISA ESMA EU EuGH

21

Bundesverband Investment und Asset Management beziehungsweise circa California Law Review California Public Employees’ Retirement System Capital Markets Law Journal Cardozo Law Review Chief Executive Officer Code of Federal Regulations Corporate Governance Quotient (von ISS) Schweizer Franken Comissa˜o do Mercado de Valores Mobiliários Cognitive Psychology Columbia Law Review Company and Securities Law Journal Deutsches Aktieninstitut Deutscher Aktienindex Der Betrieb Delaware Journal of Corporate Law derselbe Delaware General Corporate Law dieselbe(n) Deutsche Notar-Zeitschrift U.S. Department of Labor (US-amerikanisches Arbeitsministerium) Deutsches Steuerrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Duke Law Journal Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review European Corporate Governance Service European Company Law Efficient Capital Market Hypothesis Einleitung Emory Law Journal Employee Retirement Income Security Act of 1974 European Securities and Markets Authority Europäische Union Europäischer Gerichtshof

22 EuGVVO

Eur. Comp. L. Eur. Econ. Rev. Eur. Fin. Mgmt. EuZW f. Fed. Reg. ff. Fin. Mgmt. Fn. FS GAO GenG Geo. L. J. ggf. GmbH GmbHG GRId GWB GWR Harv. J. on Legislation Harv. L. Rev. Hdb. HGB h. M. Hrsg. hrsg. v. ICS Int. Rev. L. & Econ. InvG IPRax ISS i. V. m. J. Acct. & Econ. J. Acct. & Publ. Pol. J. Corp. Fin. J. Corp. L. J. Empir. Fin. jew.

Abkürzungsverzeichnis Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Company Law European Economic Review European Financial Management Zeitschrift für Europäisches Wirtschaftsrecht folgende Federal Register fortfolgende Financial Management Fußnote Festschrift U.S. Government Accountability Office Genossenschaftsgesetz Georgetown Law Journal gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Governance Risk Indicators (von ISS) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Harvard Journal on Legislation Harvard Law Review Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben von ISS Corporate Services International Review of Law and Economics Investmentgesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Institutional Shareholder Services in Verbindung mit Journal of Accounting and Economics Journal of Accounting and Public Policy Journal of Corporate Finance Journal of Corporation Law Journal of Empirical Finance jeweils

Abkürzungsverzeichnis J. Fin. J. Fin. Econ. JITE J. L. & Econ. J. Mgmt. & Gov. J. Personality & Soc. Psychol. J. Pol. Econ. JZ KAGG KG KGaA KonTraG Konzern KWG KZfSS Lfg. lit. Losebl. Ls. Mass. MCG Mich. L. Rev. MiFID Mrd. MSCI m. (zahlr.) w. N. NaStraG Neubearb. NJW No./Nº Nr. Nrn. NYSE NZG OLG o. Verf. PGI Q. J. Econ.

Journal Journal Journal Journal Journal Journal

of of of of of of

23

Finance Financial Economics Institutional and Theoretical Economics Law and Economics Management and Governance Personality and Social Psychology

Journal of Political Economy Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Der Konzern Gesetz über das Kreditwesen Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Lieferung littera (Buchstabe) Loseblatt Leitsatz Massachusetts Marco Consulting Group Michigan Law Review Markets in Financial Instruments Directive (Finanzmarktrichtlinie) Milliarden Morgan Stanley Capital International mit (zahlreichen) weiteren Nachweisen Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung Neubearbeitung Neue Juristische Wochenschrift number/numéro Nummer Nummern New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht ohne Verfasser Proxy Governance, Inc. Quarterly Journal of Economics

24 RabelsZ Rev. Fin. Stud. RGZ RIW RMBCA Rn. Rom I-Verordnung

Rom II-Verordnung

s./S. SBeil. S. Cal. L. Rev. SCE SdK SE SEC Slg. Sloan Mgmt. Rev. SMI sog. Stan. J. L. Bus. & Fin. Strat. Mgmt. J. StVG TCI Texas L. Rev. TIAA-CREF TransPuG u. a. U. C. Davis L. Rev. U. Chi. L. Rev. U. Cin. L. Rev. UCLA L. Rev. UMAG UmwG U. Pa. L. Rev. Urt.

Abkürzungsverzeichnis Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Review of Financial Studies Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Revised Model Business Corporation Act Randnummer(n) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. 06. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. 07. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht siehe/Seite Sonderbeilage Southern California Law Review Societas Cooperativa Europaea Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger Societas Europaea Securities and Exchange Commission Sammlung Sloan Management Review Swiss Market Index sogenannte(n/r) Stanford Journal of Law, Business and Finance Strategic Management Journal Straßenverkehrsgesetz The Children’s Investment Fund Texas Law Review Teachers Insurance and Annuity Association – College Retirement Equities Fund Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität und andere University of California at Davis Law Review University of Chicago Law Review University of Cincinnati Law Review University of California at Los Angeles Law Review Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsgesetz University of Pennsylvania Law Review Urteil

Abkürzungsverzeichnis USA U.S.C. v. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. VersR vgl. Villanova L. Rev. VO VO-E VorstAG WM WpHG WpÜG Yale L. J. z. B. ZBB ZfB zfbf ZGR ZHR ZIP ZPO

25

Vereinigte Staaten von Amerika United States Code vom/von Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Villanova Law Review Verordnung Verordnungsentwurf Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Wertpapier-Mitteilungen: WM IV, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung

§ 1 Einführung Es ist ein altbekanntes Problem, das jeder Kleinaktionär kennt: Einem Aktionär stehen aus seinen Aktien Stimmrechte zu, die er auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ausgeüben kann. Auf diese Weise hat jeder Aktionär Einfluss auf die dort zu fassenden Beschlüsse. In der Praxis erscheint es den Kleinaktionären aber häufig zu mühsam und nicht lohnenswert, sich eingehend auf die Hauptversammlung vorzubereiten, daran teilzunehmen und dort eine informierte Entscheidung über die Ausübung des Stimmrechts zu treffen. Institutionelle Anleger – also professionelle Großanleger wie etwa Fonds und Versicherungen – halten eine Vielzahl von Beteiligungen an Aktiengesellschaften aus der ganzen Welt, sodass hinsichtlich der Stimmrechtsausübung eine ähnliche Motivationslage anzutreffen ist wie bei den Kleinaktionären: Es würde einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten, wollte sich ein institutioneller Anleger auf die Hauptversammlung einer jeden Gesellschaft eingehend vorbereiten. Nach einem viel zitierten Ausspruch des Vordenkers der modernen Managementlehre, Peter Drucker, kommt es für den Erfolg eines Geschäftsmodells nur darauf an, dass die Kunden dem Angebot einen Wert beimessen und sie bereit sind, für diesen Wert zu bezahlen.1 Getreu dieser Einschätzung hat sich in den USA ein Dienstleistungsangebot entwickelt, das institutionellen Anlegern in ihrer misslichen Lage Hilfe bietet. Stimmrechtsberater analysieren im Vorfeld die Tagesordnungen tausender Hauptversammlungen, um ihren Kunden dann Vorschläge zu unterbreiten, wie sie ihre Stimmrechte ausüben sollten, um möglichst hohe Renditen zu erzielen. Institutionelle Anleger sehen sich durch dieses Angebot in die Lage versetzt, zu vergleichweise niedrigen Kosten qualifiziert über die Ausübung ihrer Stimmrechte entscheiden und so den Börsenkurs ihrer Beteiligungen steigern zu können. Bedenkenträger weisen hingegen daraufhin, dass mit der zunehmenden Einflussnahme der Stimmrechtsberater ein großes Un1 Drucker, The Practice of Management, 1954, S. 37: „It is the customer who determines what a business is. For it is the customer, and he alone, who through being willing to pay for a good or for a service, converts economic resources into wealth, things into goods. What the business thinks it produces is not of first importance – especially not to the future of the business and to its succes. What the customer thinks he is buying, what he considers ‚value,‘ is decisive – it determines what a business is, what it produces and whether it will prosper.“

28

§ 1 Einführung

glück vor der Tür stehe.2 Die Bedenken beruhen vor allem darauf, dass Stimmrechtsberater faktisch die Entscheidung über die Ausübung von Stimmrechten treffen, obwohl sie (anders als die Aktionäre) von den wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung nicht betroffen sind. Der bedeutendste Stimmrechtsberater ist das US-amerikanische Unternehmen Institutional Shareholder Services (ISS). ISS konnte in den letzten Jahren – bedingt durch die zunehmende Bedeutung institutioneller Anleger und die Internationalisierung der Aktionärsstruktur – seinen Einfluss auch auf deutsche Aktiengesellschaften stetig ausweiten. Prominentestes Beispiel ist die gescheiterte Kandidatur von Josef Ackermann für den Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG. Ackermann erklärte im November 2011 seinen Verzicht, nachdem ISS ihm die Untersützung verweigert hatte.3 Dass sich offenbar viele Aktionäre der Bank an den Empfehlungen des Stimmrechtsberaters orientieren, hatte sich bereits ein Jahr zuvor abgezeichnet. Damals hatte ISS die Ablehnung des Vergütungssystems empfohlen.4 41,94% der Aktionäre stimmten dagegen.5 Im Jahr 2011 riet ISS den Aktionären auch, gegen die Wahl von Ferdinand Piëch in den Aufsichtrat der MAN SE zu stimmen. Bei der Abstimmung waren 25,94% Gegenstimmen zu verzeichnen.6 Für Aufsehen sorgte der Stimmrechtsberater außerdem bei der Infineon AG, wo die Aufsichtsratswahl im Jahr 2010 fast zum Eklat gereicht hätte. ISS hatte gemeinsam mit einem britischen Pensionsfonds nicht den von der Verwaltung nominierten Kandidaten Klaus Wucherer, sondern den Gegenkandidaten Willi Berchtold unterstützt. Zwar wurde letztlich doch Wucherer gewählt, er musste aber immerhin knapp 30% Gegenstimmen hinnehmen.7 Bereits ein Jahr früher hatte ISS empfohlen, den Aufsichtsratsmitgliedern von Infineon die Entlastung zu verweigern.8 Vor allem dem da2 Vgl. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 436 (2009): „There is a growing sentiment that an unrestrained and unaccountable proxy advisory industry is a disaster waiting to happen.“ (Hervorhebung nur hier.) 3 Vgl. Maier/Röbisch/Fromme, Financial Times Deutschland v. 15. 11. 2011, „Ackermann gibt auf“. 4 s. Frühauf, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29. 05. 2010, „Aktionäre der Deutschen Bank zweifeln“. 5 Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Jahr 2010, abrufbar unter http://www.db.com/ir/de/download/HV2010_Abstimmungs ergebnisse_de_0206.pdf (Stand: 23. 04. 2012). 6 Vgl. Maier, Financial Times Deutschland v. 23. 06. 2011, „MAN-Investoren stemmen sich gegen Piëch“. Zum Ergebnis s. Protokoll der 131. Hauptversammlung der MAN SE v. 27. 06. 2011, abrufbar unter http://www.man.de/MAN-Download galleries/All/3Investor_Relations/Hauptversammlung/2011/MAN-HV-2011_Abstim mungsergebnisse_d.pdf (Stand: 23. 04. 2012). 7 Vgl. Atzler, Financal Times Deutschland v. 27. 02. 2010, „Die Aktionärsflüsterer“.

I. Einordnung von Stimmrechtsberatern

29

maligen Vorsitzenden des Gremiums, Max Dietrich Kley, erteilten die Aktionäre einen Denkzettel. Er erhielt 49,974% Gegenstimmen.9

I. Einordnung von Stimmrechtsberatern in die Corporate Governance-Diskussion Stimmrechtsberater spielen durch ihre Einflussnahme auf Hauptversammlungsbeschlüsse eine wichtige Rolle für die Corporate Governance (Grundsätze der Unternehmensführung) börsennotierter Aktiengesellschaften. Im Auftrag institutioneller Anleger sollen Stimmrechtsberater eine Vielzahl von öffentlich verfügbaren wie exklusiven Informationen sammeln, auswerten und auf deren Grundlage fundierte Empfehlungen zur Stimmrechtsausübung abgeben. Demnach sind Stimmrechtsberater der Gruppe der Informationsintermediäre zuzurechnen, deren Bedeutung in der Entwicklung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts stetig zugenommen hat. Heute spielen neben Stimmrechtsberatern auch Ratingagenturen, Abschlussprüfer, Vergütungsberater und Finanzanalysten eine wichtige Rolle.10 Der Bedeutungsaufstieg der Informationsintermediäre hängt mit der Entstehung, der Professionalisierung und der Anonymisierung der Kapitalanlage in Unternehmen zusammen, die Clark in vier Entwicklungsstufen beschrieben hat11: Am Anfand stand der klassische Unternehmertypus, der mit der Gründung eines Unternehmens eine Geschäftsidee umsetzen will. Er leitet die Unternehmung und finanziert sie aus eigener Tasche. Zwar schließt er möglicherweise Finanzierungsengpässe durch die Aufnahme von Krediten (debt). Er verzichtet aber darauf, Dritten die unternehmerische Beteiligung durch die Bereitstellung von Eigenkapital (equity) zu gestatten. Letzteres änderte sich auf der zweiten Entwicklungsstufe, als deren charakteristisches Merkmal Clark die Übertragung der Geschäftsführung von den Unternehmenseignern auf professionelle Manager ansieht. Es kam zu einer Trennung von Eigentum und Kontrolle. Die dritte Stufe besteht in strukturellen Veränderungen bei der Kapitalanlage. Die Anteilseigner stellen Unternehmen häu8

Vgl. Maier, Financial Times Deutschland v. 23. 06. 2011, „MAN-Investoren stemmen sich gegen Piëch“. 9 s. Protokoll der Hauptversammlung der Infineon AG 2011, abrufbar unter http://www.infineon.com/cms/de/corporate/investor/reporting/agm2009/resolutions. html (Stand: 23. 04. 2012). 10 Zur Bedeutung dieser Akteure für die Corporate Governance s. auch den Überblick bei Leyens, JZ 2007, 1061, 1071 f. 11 Clark, 94 Harv. L. Rev. 561, 562 ff. (1981). Dazu auch U. H. Schneider, ZGR 2012, 518, 520 f.; mit Blick auf Stimmrechtsberater bereits Fleischer, AG 2012, 2; s. auch die etwas verkürzte englische Fassung dieses Aufsatzes: Fleischer, ECL 9 (2012), 12.

30

§ 1 Einführung

fig nicht eigenes Kapital zur Verfügung, sondern sind selbst nur Finanzintermediäre (z. B. institutionelle Anleger), die von Dritten mit der professionellen Vermögensverwaltung beauftragt werden. Mit dieser Entwicklung verbunden sind die zunehmende Verbreitung des Streubesitzes, die Anonymisierung des Anlegerkreises und eine abnehmende persönliche Identifikation der Kapitalgeber mit den Unternehmen, denen sie Kapital zur Verfügung stellen. Die vierte Stufe stecke, so Clark im Jahr 1981, noch in den Kinderschuhen. Clark skizziert sie als eine weitere Professionalisierung der Kapitalanlage, die darin bestehe, dass die Entscheidung über die Tätigung einer Investition nicht mehr unabhängig erfolge, sondern dass professionelle Dienstleister hierbei beraten. Diese Entwicklung hat sich tatsächlich vollzogen, sodass man heute vom „Zeitalter der Informationsintermediäre“12 sprechen kann. Gerade das Phänomen der Stimmrechtsberatung zeigt allerdings, dass Clarks kursorische Darstellung nur eine Spielart der voranschreitenden Professionalisierung beschreibt. Stimmrechtsberater werden nämlich nicht wie die von Clark genannten savings planner13 oder die in § 34b WpHG regulierten Finanzanalysten auf Seiten investitionswilliger Individualpersonen tätig, sondern sie schaffen ein Dienstleistungsangebot für professionelle Kapitalanleger und tragen demnach zu deren weiterer Professionalisierung bei.

II. Potentielle Gefahren der Stimmrechtsberatung Stimmrechtsberater sind für einen Dritten als Experte tätig sind.14 In einer solchen Situation verfügt der Experte gegenüber seinem Kunden immer über die besseren und umfassenderen Informationen, denn der Experte kennt sein Fach und wird von dem Kunden ja auch gerade aus diesem Grund engagiert. Man denke nur an die Beauftragung eines Architekten durch den Bauherrn – wäre der Bauherr selbst in der Lage, eine Zeichnung seines Bauwerks anzufertigen, dann bräuchte er den Architekten nicht. Zwischen dem Experten und seinem Kunden besteht deswegen eine Informationsasymmetrie, die wiederum das Entstehen eines sogenannten PrinzipalAgenten-Konflikts zur Folge hat. Was damit gemeint ist, lässt sich am besten am Beispiel des Verhältnisses zwischen dem Arzt (Agent) und seinem Patienten (Prinzipal) veranschaulichen: Der Arzt untersucht den Patienten, stellt eine Diagnose und schlägt eine Therapie vor. Die Entwicklung des 12

Fleischer, AG 2012, 2, 2. Clark, 94 Harv. L. Rev. 561, 565 f. (1981). 14 Auf mögliche Gefahren der Stimmrechtsberatung weist auch die OECD hin, s. OECD, The Role of Institutional Investors in Promoting Good Corporate Governance, 2011, S. 15. 13

III. Aktuelle Regulierungsbestrebungen

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Gesundheitszustands des Patienten hängt davon ab, ob die Diagnose und die vorgeschlagene Therapie richtig sind. Genau das kann der Patient als Laie aber nicht überprüfen; er muss sich auf die Expertise seines Arztes verlassen. Im Extremfall könnte der Arzt dem Patienten eine völlig nutzlose und möglicherweise sogar schädliche Therapie vorschlagen, nur um dem Patienten oder seiner Krankenkasse möglichst hohe Gebühren in Rechnung stellen zu können. Wenn der Arzt es geschickt anstellt, würde der Patient nicht bemerken, dass er zum Spielball wirtschaftlicher Interessen gemacht wird. Natürlich ist zu hoffen, dass ein Arzt sich vor allem vom hippokratischen Eid leiten lässt und seine wirtschaftlichen Interessen hinter dem Wohl des Patienten zurücktreten. Festhalten kann man aber, dass der Arzt einen Anreiz (incentive) hat, seinen Informationsvorsprung gegenüber dem Patienten auf dessen Kosten auszunutzen. Ein Stimmrechtsberater fungiert gewissermaßen als „Arzt“ der institutionellen Anleger, die eine „Therapie“ für den Umgang mit ihren Stimmrechten suchen. Ob die Therapie des Stimmrechtsberaters – also dessen Abstimmungsempfehlungen – tatsächlich ihren Interessen entspricht, können die institutionellen Anleger aber nicht überprüfen. Weitere Bedenken rufen branchenspezifische Besonderheiten hervor. Der Markt für Stimmrechtsberatung wird im Wesentlichen von zwei US-amerikanischen Unternehmen – ISS und Glass Lewis – beherrscht. Der Wettbewerb entfaltet demnach – ähnlich wie bei den Ratingagenturen – nur in geringem Maße disziplinierende Wirkung. Problematisch ist außerdem, dass der Marktführer ISS nicht nur ein Beratungsangebot für institutionelle Anleger zur Verfügung stellt, sondern seine Dienste über eine Tochtergesellschaft auch den Managern von Aktiengesellschaften anbietet. Es besteht demnach – wiederum ähnlich wie bei den Ratinggenturen – ein Interessenkonflikt. Der Prinzipal-Agenten-Konflikt, der fehlende Wettbewerb und der bestehende Interessenkonflikt begründen, wenn keine disziplinierenden Mechanismen eingreifen, Fehlanreize. Fehlanreize gefährden die Qualität der Abstimmungsempfehlungen und können zur Folge haben, dass die Einflussnahme von Stimmrechtsberatern zu Hauptversammlungsbeschlüssen führt, die nicht im Interesse der Aktionäre liegen.

III. Aktuelle Regulierungsbestrebungen Eine Regulierung der Stimmrechtsberater kann Fehlanreize beseitigen oder zumindest verhindern, dass sie sich negativ auf die Abstimmungsempfehlungen auswirken. Optimalerweise wird so der soziale Nutzen der Stimmrechtsberatung maximiert und das Entstehen sozialer Kosten vermieden. So hat die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde, die Securities and Exchange Commission (SEC), im Sommer 2010 die Frage aufgeworfen,

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§ 1 Einführung

ob und wie Stimmrechtsberater reguliert werden sollten.15 Im April 2011 zog die Europäische Kommission mit ihrem Grünbuch zur allgemeinen Corporate Governance nach. Die Kommission thematisiert darin die Einflussnahme der Stimmrechtsberater auf Hauptversammlungsbeschlüsse und initiiert einen Konsultationsprozess. In dessen Rahmen fragt sie, ob Stimmrechtsberater zu mehr Transparenz verpflichtet werden sollten und ob weitere Legislativmaßnahmen erforderlich seien.16 Die seit Beginn des Jahres 2011 bestehende Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) hat im März 2012 ein Diskussionspapier zu Stimmrechtsberatern vorgelegt und bittet darin ebenfalls um Stellungnahmen fachkundiger Kreise.17 Inzwischen liegt ein Aktionsplan vor, in dem die Europäische Kommission für das Jahr 2013 eine Regulierungsinitiative ankündigt, „mit der der Rahmen für eine verbesserte Transparenz und die Beseitigung von Interessenkonflikten [. . .] geschaffen werden soll.“18 In Deutschland dürften Stimmrechtsberater vor allem durch das von Mathias Habersack erstattete Gutachten zum 69. Deutschen Juristentag in den Fokus der (juristischen) Öffentlichkeit gerückt sein. Habersack bezeichnet die fehlende Regulierung der Branche darin als „irritierend“ und spricht sich für eine Änderung dieses Zustands aus.19

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung Will man Regulierungsstrategien für Stimmrechtsberater entwickeln und sie auf ihre Geeignetheit hin überprüfen, bedarf es zunächst einer ökonomischen und rechtlichen Analyse der Branche. Eine solche Analyse setzt nach einleitenden Begriffsbestimmungen (§ 2) die Kenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Markt für Stimmrechtsberatung einschließlich der Wettbewerbssituation voraus (§ 3). Für die Notwendigkeit und die Intensität einer Regulierung ist weiter von Bedeutung, in welchem Maße 15

SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 105 ff. Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen v. 05. 04. 2011, KOM(2011) 164 endgültig, S. 17 f. 17 European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2012. Zu möglichen Formen einer Intervention s. dort S. 34 ff. 18 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen v. 12. 12. 2012, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagierte Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, KOM (2012) 740 endgültig, S. 11 f. 19 Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 96 ff. 16

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

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Stimmrechtsberater Einfluss auf Hauptversammlungsbeschlüsse nehmen. Dazu werden die bestehenden empirischen Erkenntnisse ausgewertet (§ 4). Eine Bewertung der Branche ist zudem nur möglich, wenn man den Bedeutungsaufstieg vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Entwicklung in Deutschland und den USA analysiert (§ 5) und sich sodann vergegenwärtigt, warum institutionelle Anleger Stimmrechtsberater mandatieren (§ 6). Da eine Regulierung der Branche so gestaltet sein sollte, dass der soziale Nutzen maximiert und das Entstehen sozialer Kosten vermieden wird, muss man sich außerdem – auf der einen Seite – Klarheit darüber verschaffen, worin eigentlich der Nutzen der Stimmrechtsberater besteht und zu welchen Verbesserungen ihre Tätigkeit führen bzw. beitragen kann. Auf der anderen Seite sind die Fehlanreize, die die Branche heute prägen, herauszuarbeiten. Wenn die rechtsökonomische Analyse – wie hier – zu einem zweigeteilten theoretischen Befund führt, Stimmrechtsberater also im besten Fall einen sozialen Nutzen haben, sie im schlechtesten Fall aber soziale Kosten verursachen, kann möglicherweise ein Blick auf die bestehenden empirischen Erkenntnisse Klarheit darüber verschaffen, welches Szenario der Realität am nächsten kommt (§ 7). Trotz der bestehenden Fehlanreize bedarf es einer spezifischen Regulierung der Stimmrechtsberater nur dann, wenn nicht bereits bestehende rechtliche Bestimmungen Anwendung auf die Branche finden und mit Blick auf die Fehlanreize eine disziplinierende Wirkung entfalten. Nach einem kurzen Blick auf die Rechtslage in den USA wird daher ausgeleuchtet, ob einzelne Bestimmungen des deutschen Aktien- und Kapitalmarktrechts Anwendung auf Stimmrechtsberater finden und ob Stimmrechtsberater bei der Abgabe fehlerhafter Abstimmungsempfehlungen für die entstandenen Schäden haften (§ 8). Die gewonnenen Erkenntnisse werden sodann verwendet, um einzelne Regulierungsstrategien auf ihre Geeignetheit für eine Regulierung der Branche der Stimmrechtsberater zu untersuchen. Schließlich wird ein branchenspezifisches Regulierungsmodell entwickelt (§ 9).

§ 2 Begriffsbestimmungen Es bestehen unterschiedliche Ansichten über die Frage, was unter einem „institutionellen Anleger“ zu verstehen ist. Der Begriff des „institutionellen Stimmrechtsberaters“ ist bislang gar nicht definiert. Die zentrale Bedeutung der beiden Begriffe für diese Arbeit macht eine nähere Bestimmung notwendig. Institutioneller Anleger: Der Begriff des institutionellen Anlegers ist nicht legal definiert.1 In der Literatur bestehen über die Deutung des Begriffs unterschiedliche Ansichten.2 Während einige anhand des Kriteriums der Professionalität differenzieren3, wird überwiegend auf die „Fremdnützigkeit des Investments“ abgestellt: Um einen institutionellen Anleger handele es sich dann, wenn Gelder für einen Dritten, den „wirtschaftlichen Nutznießer“ (beneficial owner), angelegt werden.4 Andere Autoren raten gänzlich von einer Definition ab und verweisen darauf, dass dadurch wichtige Unterschiede zwischen den Institutionen verschleiert würden.5 Ein Definitionsversuch soll hier nicht unternommen werden. Gleichwohl weisen die in dieser Arbeit als institutionelle Anleger bezeichneten Marktakteure regelmäßig folgende vier Merkmale auf: Es handelt sich in Abgrenzung zu Privaten um (1) eigenständige juristische Personen6, die (2) professionell Gelder in Aktien investieren, die ihnen (3) von anderen 1 Vgl. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 32; aus schweizerischer Sicht auch Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 6 ff. 2 Überblick bei Schmolke, ZGR 2007, 701, 704 ff. 3 Garrido, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 449, 452. 4 So etwa Chandler, 67 U. Cin. L. Rev. 1083, 1083 mit Fn. 3 (1999); Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 32 f.; s. auch Fraune, Der Einfluß institutioneller Anleger in der Hauptversammlung, 1996, S. 5. Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 220 legt das Augenmerk in seinem Beitrag auf solche Investoren, die „Kapitalanlage für Dritte“ betreiben, schließt aber „Investoren, die eigene Gelder anlegen“ von der Begriffsdefinition nicht aus. 5 Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 596 (1990); Schmolke, ZGR 2007, 701, 706. Fleischer, ZGR 2008, 185, 186 meint, dass ein Klassifikationsversuch „bei einem Typusbegriff der Finanzmarktpraxis nur misslingen kann“. Für die Notwendigkeit einer Definition aber Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 10.

§ 2 Begriffsbestimmungen

35

überlassen wurden. Dabei weisen (4) die Portfolios überdurchschnittlich hohe Volumina auf.7 Nach dieser Charakterisierung sind unter dem Begriff des institutionellen Anlegers vor allem Investmentgesellschaften (Kapitalanlagegesellschaften), Pensionsfonds und Versicherungen zu verstehen.8 Den Pensionsfonds kommt in den USA traditionell eine größere Bedeutung zu als in Deutschland, was mit dem jeweiligen System der Altersversorgung zusammenhängt.9 Versicherungen sind dann institutionelle Anleger, wenn sie nicht nur Risiken abdecken, sondern auch Vermögensverwaltung betreiben (z. B. Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen).10 Auch Banken werden mitunter als institutionelle Anleger klassifiziert, weil sie die Gelder verwalten, die ihnen ihre Kunden überlassen haben.11 Sie gehören allerdings nicht zu den typischen Kunden institutioneller Stimmrechtsberater, wofür im Wesentlichen zwei Gründe anzuführen sind: Erstens halten Banken an deutschen Unternehmen keine entscheidenden Beteiligungen mehr, sodass ihnen auch nur verhältnismäßig wenige Stimmrechte zustehen.12 Zweitens unterscheiden sich Banken von den anderen hier beispielhaft genannten Gruppen institutioneller Anleger darin, dass sie das Kapital ihrer Kunden nicht unbedingt investieren, sondern damit auch und vor allem die Kreditvergabe finanzieren.13 6 Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 16 f. weist daraufhin, dass auch andere Gesellschaftsformen in Betracht kommen. 7 Zu diesem letzten Merkmal und für eine mehrere Merkmale umfassende Definition s. Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 27. Ähnlich wie hier Forstmoser, in: FS Wiegand, 2005, S. 785, 788 f.; mit der in Fn. 6 genannten Einschränkung auch Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 10 ff., 19. 8 Vgl. auch die Übersichten bei Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 221 f.; Fraune, Der Einfluß institutioneller Anleger in der Hauptversammlung, 1996, S. 5 f.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 33 f. 9 Näher Fraune, Der Einfluß institutioneller Anleger in der Hauptversammlung, 1996, S. 5 f. 10 Zutreffend Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 33. 11 Etwa Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 221 f.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 33. 12 Vgl. Schwetzler/Sperling, AG-Report 2008, 468, 469 f.: Der Anteil von Banken und Versicherungen lag danach im Jahr 2007 bei nur noch 2%. s. auch die Einschätzungen von Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 221 f.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 78.

36

§ 2 Begriffsbestimmungen

Eine Unterscheidung ist zudem zwischen „traditionellen“ institutionellen Anlegern einerseits und Hedgefonds andererseits zu treffen.14 Hedgefonds verfolgen in der Regel eine aktivistische Anlagestrategie. Ihre Rendite erzielen sie häufig nicht durch ein Ausnutzen des allgemeinen Marktwachstums, sondern indem sie Fehlbewertungen erkennen und von diesen profitieren (arbitrage).15 Sie halten in der Regel wesentlich größere Aktienpakete an einzelnen Unternehmen als „traditionelle“ institutionelle Anleger16 und zeichnen sich durch einen kurzfristigeren Anlagehorizont aus.17 Jedenfalls einzelne Hedgefonds18 versuchen durch unterschiedliche Arten der Einflussnahme auf die Führungsebene von Unternehmen Kurssteigerungen zu erreichen, um so Gewinne zu erzielen. Ein spektakuläres Beispiel bildet die Vorgehensweise des Hedgefonds The Children’s Investment Fund (TCI) bei der Deutschen Börse AG.19 Mit einer Kampagne im Vorfeld der Hauptversammlung wurde das geplante Übernahmeangebot für die London Stock Exchange verhindert. Sowohl der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG, Werner Seifert, als auch der Aufsichtsratsvorsitzende, Rolf-E. Breuer, verloren ihre Ämter. Der größere Beteiligungsumfang und das genannte Beispiel verdeutlichen, dass Hedgefonds (soweit sie eine aktivistische Anlagestrategie verfolgen) ein erhebliches Interesse an einem einzelnen Unternehmen haben und bei dort zu treffenden Entscheidungen zumindest mitwirken wollen. Es liegt daher auf der Hand, dass Hedgefonds selbst umfassende Analysen durchführen und nicht auf die Abstimmungsempfehlungen von Stimmrechtsberatern angewiesen sind. 13 Vgl. Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 374 mit Fn. 297. 14 Zu Unterschieden zwischen diesen beiden Gruppen institutioneller Anleger s. auch U. H. Schneider, AG 2006, 577. 15 Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2116; Engert, ZIP 2006, 2105, 2105. 16 Die Größe der Aktienpakete bewegt sich in der Regel im Bereich zwischen 5 und 10%. Dieser zwar erhebliche Beteiligungsumfang reicht für eine Stimmenmehrheit nicht aus, weshalb oft mehrere Hedgefonds zusammenwirken („Wolfsrudeltaktik“). Daneben kann aber auch ein an sich zu geringer Beteiligungsumfang Abschreckungs- und Einschüchterungswirkung haben, sodass das Management sich dem Druck der Fondsmanager beugt und deren Forderungen erfüllt. Vgl. Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 697 ff. (2007); Schmolke, ZGR 2007, 701, 718 f. 17 Vgl. Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2116; Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 223; Fleischer, ZGR 2008, 185, 186 m. w. N. 18 Tatsächlich verfolgt nur eine Minderheit der Hedgefonds aktivistische Strategien, was in erster Linie dem Umstand geschuldet ist, dass viele gar nicht in Aktien investieren. Vgl. Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1046 (2007); dazu auch Schmolke, ZGR 2007, 701, 717 f. 19 Dazu auch Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 228.

§ 2 Begriffsbestimmungen

37

Institutioneller Stimmrechtsberater: Geht man von diesem Versuch einer Annäherung an den Begriff des institutionellen Anlegers aus, bieten sich zwei Möglichkeiten an, den Begriff des institutionellen Stimmrechtsberaters zu definieren. So kann man solche Stimmrechtsberater als „institutionell“ bezeichnen, die ihr Dienstleistungsangebot ausschließlich oder vor allem insitutionellen Anlegern zur Verfügung stellen. Hierbei handelte es sich allerdings mehr um eine unbestimmte Annäherung denn um eine eigenständige Definition. Um unter den Begriff zu subsumieren, müsste man schließlich analysieren, an wen sich ein Stimmrechtsberater konkret wendet. Diese Bestimmung fällt umso schwerer, als über die Definition des „institutionellen Anlegers“ keine Einigkeit besteht. Sinnvoller erscheint es daher, den Begriff des „institutionellen Stimmrechtsberaters“ ausgehend vom Wortstamm der Institution im Sinne einer festen Einrichtung zu verstehen. Um einen institutionellen Stimmrechtsberater handelt es sich danach bei einer solchen (1) eigenständigen juristischen Person, die (2) im Auftrag mehrerer Dritter (3) professionell Abstimmungsempfehlungen (4) für die Hauptversammlungen einer Vielzahl von Aktiengesellschaften entwickelt. Dabei bietet sie ihre Tätigkeit (5) nicht nur sporadisch an, sondern für eine gewisse Dauer (typischerweise mehrere Hauptversammlungsperioden). In dieser Arbeit werden die Begriffe „institutioneller Stimmrechtsberater“ und „Stimmrechtsberater“ aus den Gründen der sprachlichen Verknappung und besseren Lesbarkeit als Synonyme gebraucht.

§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung „Geburtsstunde“ der institutionellen Stimmrechtsberatung war die Gründung von Proxy Monitor im Jahr 1984.1 Ein Jahr später nahm ISS in Rockville, Maryland (USA) seine Tätigkeit auf. Im Jahr 2001 kam es schließlich zur Fusion der beiden Pioniere.2 In den USA bieten heute neben ISS auch die Marco Consulting Group (MCG), Glass Lewis & Company (Glass Lewis) und Egan-Jones Proxy Services (Egan-Jones) die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger an.3 Das U.S. Government Accountability Office (GAO) schätzt in einer Studie aus dem Jahr 2007, dass ISS ungefähr 1.700 institutionelle Anleger betreut, die gemeinsam ein Vermögen von geschätzten 25,5 Billionen Dollar verwalten. Der Anteil aller anderen Anbieter zusammengenommen ist sowohl in Hinblick auf die Kundenzahl als auch in Hinblick auf das von diesen verwaltete Vermögen deutlich geringer. Der zweitgrößte Stimmrechtsberater, Glass Lewis, ist mit 300 Kunden, die ein Vermögen von geschätzten 15 Billionen Dollar verwalten, bereits bedeutend kleiner als ISS.4 Die Dominanz von ISS auf dem Markt der Stimmrechtsberater hat dabei allerdings in den Jahren vor Erstellung der Studie nachgelassen. Insbesondere dem Stimmrechtsberater Glass Lewis ist es gelungen, bereits kurz nach seiner erst im Jahr 2003 erfolgten Gründung bedeutende Marktanteile zu erobern.5 Seither ist ISS zwar nach wie vor der deutlich größte Stimmrechtsberater, aber kein unangefochtener Monopolist mehr.6 Viele der größten institutionellen Anleger zählen zu den Kunden von ISS bzw. Glass Lewis.7 1 Für einen Überblick über den Markt für Stimmrechtsberatung s. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 10 ff.; Fleischer, AG 2012, 2, 3 f. 2 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 392 mit Fn. 32 (2009); Choi/Fisch/ Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 652 (2009). 3 Das Unternehmen Proxy Governance, Inc. (PGI) hat seine Tätigkeit inzwischen eingestellt, s. dazu auf S. 48. 4 Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13. 5 Dazu Morgenson, New York Times v. 19. 12. 2004, „How to succeed on Wall Street, Conflict-Free“. 6 Morgenson, New York Times v. 19. 12. 2004, „How to succeed on Wall Street, Conflict-Free“: „Glass Lewis has unseated Institutional Shareholder Services of Rockville, Md., from its position as the undisputed leader in the field.“

§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

39

Tabelle 1 Überblick über die Marktanteile der US-amerikanischen Stimmrechtsberater (Stand: 2007)8 Unternehmen

Anzahl der Beschäftigten (geschätzt)

Anzahl der Kunden (geschätzt)

Vermögen der Kunden (geschätzt, in US- Dollar)

630

1.700

25,5 Billionen

MCG

70

.350

0,085 Billionen

Glass Lewis

70

.300

15 Billionen

PGI

31

.100

1 Billion

unbekannt

.400

unbekannt

ISS/RiskMetrics

Egan-Jones

Neben den US-amerikanischen Stimmrechtsberatern gibt es auch in Europa Unternehmen, die entsprechende Dienstleistungen anbieten. Zu nennen sind hier vor allem die schweizerische Ethos-Stiftung (Ethos), die französische Proxinvest, der deutsche Anbieter Ivox sowie die britischen Unternehmen Hermes Equity Ownership Service (EOS) und Manifest. Ethos ist zwar international von eher geringer Bedeutung, hat aber im Zusammenhang mit Hauptversammlungen von schweizerischen Aktiengesellschaften in der Vergangenheit bereits für Aufsehen gesorgt. Das schweizerische Unternehmen und Proxinvest wollen in Zukunft enger zusammenarbeiten. Ethos hat daher erst im Sommer 2010 20% der Anteile an Proxinvest übernommen9 und dürfte damit auch außerhalb der Schweiz größere Bedeutung erlangen. Ivox arbeitet mit dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) zusammen und hat hierdurch in Deutschland eine nicht unbedeutende Anzahl von Kunden. EOS und Manifest sind bislang öffentlich kaum in Erscheinung getreten; auf eine nähere Beschreibung dieser Unternehmen wird daher verzichtet. 7 Für ISS s. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 397 f. (2009): „ ‚24 of the top 25‘ and „ ‚81 of the top 100‚ mutual funds, all ‚25 of the top 25‘ asset managers and ‚17 of the top 25‘ public pension funds“; für Glass Lewis s. Morgenson, New York Times v. 19. 12. 2004, „How to succeed on Wall Street, Conflict-Free“: „7 of the top 10 mutual fund companies and 9 of the 15 largest public pension funds“. 8 Quelle: U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13. Die Darstellung der Tabelle wurde hier leicht verändert. 9 Vgl. Neue Zürcher Zeitung Online v. 01. 06. 2010, „Ethos beteiligt sich an Pariser Proxinvest“, abrufbar unter http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/ ethos_beteiligt_sich_an_pariser_proxinvest_1.5850142.html (Stand: 23. 04. 2012).

40

§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen 1. Institutional Shareholder Services (ISS)/RiskMetrics a) Geschichte Seit seiner Gründung 1985 und auch nach der Fusion mit Proxy Monitor im Jahr 2001 firmierte der von Robert Monks gegründete Stimmrechtsberater unter der Bezeichnung Institutional Shareholder Services (ISS). Erst nachdem im Jahr 2006 der US-amerikanische Finanzdienstleister RiskMetrics ISS für 550 Millionen US-Dollar aufgekauft hatte10, etablierte sich – insbesondere in der deutschsprachigen Tagespresse – die Bezeichnung „RiskMetrics“. Anfang des Jahres 2010 wurde RiskMetrics schließlich von der Morgan Stanley Capital International (MSCI) übernommen, deren Hauptgeschäft die Berechnung von Aktienindizes ist. Der Kaufpreis lag bei 1,55 Milliarden US-Dollar.11 Seit Anfang des Jahres 2011 scheint das Unternehmen sich völlig von der Firma „RiskMetrics“ gelöst zu haben. MSCI bietet Stimmrechtsberatung unter dem als „ISS – An MSCI Brand“ bezeichneten Geschäftsbereich an. Künftig dürfte daher wieder einheitlich die Bezeichnung „ISS“ verwendet werden, so auch in dieser Arbeit. b) Stimmrechtsberatung und -ausübung Die Tätigkeit des Unternehmens gliedert sich im Wesentlichen in drei Geschäftsbereiche auf. Kerngeschäft von ISS ist die Stimmrechtsberatung („Proxy Advisory Services“), die das Unternehmen nur institutionellen Anlegern anbietet. ISS ist in der Lage, Abstimmungsempfehlungen für über 40.000 Unternehmen in mehr als 100 Ländern weltweit abzugeben.12 Für die Jahre 2007 und 2008 hatte ISS noch angegeben, Abstimmungsempfehlungen für die Hauptversammlungen von über 50.000 bzw. von über 45.000 Unternehmen aus mehr als 110 Ländern zu entwickeln.13 Wenn auch die Abstimmungsempfehlung historisch wie tatsächlich im Zentrum der von dem Unternehmen angebotenen Dienstleistungen steht, so beschränkt sich das Spektrum nicht darauf. Vielmehr bietet ISS seinen Kunden eine End-toEnd-Lösung an, im Rahmen derer die Wahrnehmung der Stimmrechte voll10 Dazu Hilzenrath, Washington Post v. 02. 11. 2006, „Investor Adviser ISS Is Sold to RiskMetrics“. 11 s. unter http://dealbook.nytimes.com/2010/03/01/msci-buys-riskmetrics-for1-55-billion (Stand: 23. 04. 2012). 12 s. unter http://www.issgovernance.com/proxy/advisory (Stand: 23. 04. 2012). 13 s. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 398 (2009) m. w. N.

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen

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ständig auf ISS übertragen werden kann.14 Insbesondere umfasst das Angebot die Ausübung der Stimmrechte auf Hauptversammlungen („Proxy Voting Services“). Dabei weist ISS darauf hin, dass die endgültige Abstimmungsentscheidung beim Kunden verbleibe. Bei der Entwicklung der Abstimmungsvorschläge orientiert ISS sich grundsätzlich an abstrakten Abstimmungsrichtlinien, die das Unternehmen zuvor entwickelt hat und die nach seiner Überzeugung Maßstab einer guten Corporate Governance sind.15 Daraus folgt, dass ISS grundsätzlich allen Kunden identische Abstimmungsvorschläge unterbreitet. Allerdings bietet ISS daneben die Entwicklung individualisierter Abstimmungsvorschläge („Custom Proxy Advisory“) sowie speziell auf die Bedürfnisse bestimmter Anlegergruppen zugeschnittene Richtlinien an. Soweit diese Richtlinien Anwendung finden, können die den Kunden unterbreiteten Abstimmungsvorschläge voneinander abweichen. ISS gibt an, dass 350 Institutionen das Angebot individualisierter Abstimmungsvorschläge nutzen16, zur Inanspruchnahme der speziellen Richtlinien macht das Unternehmen keine Angaben. c) Corporate Governance-Ratings Neben der Stimmrechtsberatung erstellt ISS auch Corporate GovernanceRatings, bewertet also anhand abstrakter Kriterien die Politik einzelner Unternehmen und vergibt hierfür „Noten“.17 Es besteht eine Vergleichbarkeit mit klassischen (Kredit-)Ratingagenturen wie Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch, deren Bewertungen sich – im Gegensatz zu Corporate Governance-Ratings – freilich ausschließlich auf das Zahlungsausfallrisiko beziehen. Der ermittelte Wert wurde bis 2010 als „Corporate Governance Quotient“ (CGQ) bezeichnet. Mit einer Änderung des Bewertungssystems ging aber eine Änderung des Namens einher, sodass gegenwärtig die Bezeichnung „Governance Risk Indicators“ (GRId) verwendet wird.18 d) Corporate Governance-Beratung (durch ICS) Der dritte wichtige Geschäftsbereich von ISS ist die Beratung der Manager von Aktiengesellschaften in Corporate Governance-Fragen. Der Ge14

s. unter http://www.issgovernance.com/proxy/voting (Stand: 23. 04. 2012). Abrufbar unter http://www.issgovernance.com/policy/2011/policy_information (Stand: 23. 04. 2012). 16 s. unter http://www.issgovernance.com/proxy/custom (Stand: 23. 04. 2012). 17 Dazu näher Rose, 32 J. Corp. L. 887, 900 ff. (2007). 18 s. unter http://www.issgovernance.com/grid-info (Stand: 23. 04. 2012). 15

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

schäftsbereich ist inzwischen nicht mehr unmittelbar dem Stimmrechtsberater ISS zugeordnet, sondern firmiert unter der eigenen Bezeichnung „ISS Corporate Services – An MSCI Brand“ (ICS).19 Die eigene Bezeichnung „Corporate Services“ mit der eigenen Abkürzung „ICS“ soll offenbar nach außen dokumentieren, dass zwischen der Stimmrechtsberatung und der Corporate Governance-Beratung kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Hierum ist ISS wohl deshalb bemüht, weil die Tätigkeit des Unternehmens in beiden Bereichen Interessenkonflikte befürchten lässt.20 Dementsprechend verweist ISS auf seiner Homepage nur äußerst knapp auf das Angebot von ICS und betont zudem, dass man den Kunden von ICS keine spezielle Behandlung zukommen lasse und nicht verpflichtet sei, die Abstimmungsvorschläge eines bestimmten Unternehmens zu unterstützen.21 Gleichwohl sind die engen Verbindungen zwischen ISS und ICS offensichtlich. So geben etwa beide Unternehmen eine identische Adresse im USamerikanischen Rockville, Maryland, dem Stammsitz von ISS, an („2099 Gaither Road“). Auf der Webseite von ICS findet sich zudem der Hinweis, dass es sich sowohl bei ICS als auch bei ISS um Tochtergesellschaften von MSCI handelt. Dabei ist ICS eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von ISS.22 Außerdem fällt auf, dass ISS zwar bemüht ist klarzustellen, dass keine rechtliche Verpflichtung besteht, eine Empfehlung dahingehend auszusprechen, dass den Abstimmungsvorschlägen bestimmter Unternehmen – insbesondere jener, die von ICS beraten werden – gefolgt werden sollte. ISS gibt aber keine Auskunft darüber, ob nicht in tatsächlicher Hinsicht den Abstimmungsvorschlägen dieser Unternehmen eher gefolgt wird als denjenigen von Unternehmen, die nicht von ICS beraten werden. 2. Glass Lewis a) Allgemeines Glass Lewis, gegründet im Jahr 2003, ist nach ISS der zweitgrößte Stimmrechtsberater. Das Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco ist seit 2007 eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Ontario Teachers’ Pension Plan Board.23 Bei dem Namen „Glass Lewis“ handelt es sich um 19 Für diesen Geschäftsbereich wurde unter http://www.isscorporateservices.com (Stand: 23. 04. 2012) eine eigene Internetseite eingerichtet. 20 Dazu noch ausführlich S. 215 ff. 21 s. unter http://www.issgovernance.com/policy/EngagingWithISS (Stand: 23. 04. 2012). 22 s. unter http://www.isscorporateservices.com/about (Stand: 23. 04. 2012). 23 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/ (Stand: 23. 04. 2012).

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ein Kunstwort, das in Anlehnung an die Namen zweier ehemaliger Richter am U.S. Supreme Court entstanden ist, die sich für eine verantwortungsvolle Unternehmenspolitik eingesetzt haben. „Glass“ bezieht sich auf William O. Douglas (Richter von 1939 bis 1975), „Lewis“ auf Louis D. Brandeis (Richter von 1916 bis 1939).24 Letzterer ist Autor des Werks „Other People’s Money and How the Bankers use it“, in dem er sich mit der Stimmrechtsmacht institutioneller Anleger und deren Folgen auseinandersetzt. Nach eigener Angabe bietet Glass Lewis seine Dienste für mehr als 23.000 Gesellschaften aus über 100 Ländern an.25 Im Frühjahr 2009 hieß es noch, dass das Unternehmen Beratungsdienstleistungen für „nur“ 16.000 Gesellschaften aus 65 Ländern anbietet.26 Glass Lewis gibt auch an, dass das Unternehmen mehr als 900 Kunden betreut, die ein Vermögen von 15 Billionen US-Dollar verwalten.27 Den Wert von 15 Billionen US-Dollar hatte auch schon die Studie des GAO genannt, für das Jahr 2004 findet sich noch die Zahl von 8 Billionen US-Dollar.28 Die Kundenanzahl ist gegenüber der Angabe des GAO im Jahr 2007 (300) merklich angestiegen. Auch die Zahl der Mitarbeiter gibt Glass Lewis mit 300 an29, während die Studie des GAO noch eine Zahl von 70 Mitarbeitern ausgewiesen hatte. Das Dienstleistungsangebot von Glass Lewis ähnelt dem von ISS. Insbesondere bietet Glass Lewis Stimmrechtsberatung an, wobei auch hier im Rahmen einer End-to-End-Lösung die Ermächtigung von Glass Lewis zur Stimmrechtsausübung möglich ist („Proxy vote management“).30 Das Angebot richtet sich ebenfalls nur an institutionelle Anleger, nicht an Privatpersonen.31 Die Anwendung „Glass Lewis Monitor“32 informiert zudem über die Gefahren der Politik eines Unternehmens, indem das Vorliegen zahlreicher Aspekte, die als Indikatoren für bestehende Risiken angesehen werden, bei einzelnen Unternehmen untersucht wird. Die Unternehmen werden dann, je nachdem welchen Wert sie erreichen, auf einer Liste platziert. Es 24 s. Morgenson, New York Times v. 19. 12. 2004, „How to succeed on Wall Street, Conflict-Free“. 25 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/ (Stand: 23. 04. 2012). 26 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 396 (2009), die sich ebenfalls auf die eigenen Angaben von Glass Lewis stützt. 27 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/ (Stand: 23. 04. 2012). 28 Morgenson, New York Times v. 19. 12. 2004, „How to succeed on Wall Street, Conflict-Free“. 29 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/ (Stand: 23. 04. 2012). 30 s. unter http://www.glasslewis.com/solutions/ (Stand: 23. 04. 2012). 31 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/ (Stand: 23. 04. 2012). 32 s. dazu unter http://www.glasslewis.com/solutions/the-monitor/ (Stand: 23. 04. 2012).

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handelt sich letztlich um nichts anderes als ein Corporate Governance-Rating. Ein wichtiger Unterschied im Vergleich zu ISS besteht darin, dass Glass Lewis keine Corporate Governance-Beratung anbietet.33 Hierdurch vermeidet das Unternehmen einen möglichen Interessenkonflikt, der aus der gleichzeitigen Beratung von Anteilseignern einerseits und Gesellschaften bzw. Vorstandsmitgliedern andererseits entstehen kann. Das Unternehmen wirbt daher auch damit, dass es auf die Vermeidung von Interessenkonflikten achtet. b) Bedeutung Glass Lewis ist es gelungen, als einziger Stimmrechtsberater neben ISS bedeutende Marktanteile zu erobern. Zwar lag die Anzahl der Kunden von Glass Lewis zum Zeitpunkt der Studie des GAO (2007) noch weit unter derjenigen von ISS (300 zu 1.700). Hinsichtlich des von den Kunden verwalteten Vermögens zeigt sich aber eine weniger starke Dominanz. ISS überragte Glass Lewis damals nur um den Faktor 1,7. Zudem lassen die Umstände, dass Glass Lewis heute für weit mehr Hauptversammlungen Abstimmungsempfehlungen abgibt als im Jahr 2007 und dass der Stimmrechtsberater darüber hinaus auch die Anzahl seiner Kunden verdreifachen konnte, vermuten, dass der Marktanteil seither weiter gewachsen ist.34 Im Wesentlichen wurde ein Aspekt als Grund dafür ausgemacht, dass Glass Lewis Marktanteile von ISS erobern konnte: Kunden von ISS hatten offenbar Bedenken aufgrund möglicher Interessenkonflikte, sodass sie einen Wechsel zu einem Konkurrenten vollzogen haben, der auf die Vermeidung solcher Konflikte achtet.35 Entscheidend für den Zuspruch, den ein Stimmrechtsberater am Markt bekommt, ist aber nicht nur sein Geschäftsmodell. Institutionelle Anleger sind daran interessiert, von einem Stimmrechtsberater möglichst hinsichtlich aller gehaltenen Anteile beraten zu werden.36 Wenn also ein Stimmrechtsberater nur für eine geringe Anzahl von Hauptversammlungen Abstimmungsempfehlungen abgibt, dann werden institutionelle Anleger eher einen Konkurrenten engagieren, der eine größere Abdeckung bietet.37 Wie die oben genannten Daten zeigen, ist es Glass Lewis 33 s. unter http://www.glasslewis.com/about-glass-lewis/disclosure-of-conflict/ (Stand: 23. 04. 2012); s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 397 (2009); Rose, 32 J. Corp. L. 887, 904 (2007). 34 Überraschend ist allerdings, dass das von den Glass Lewis-Kunden verwaltete Vermögen offenbar nicht angestiegen ist. 35 Dazu noch S. 79 f. und S. 216 ff. 36 Dazu noch S. 73.

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seit seiner Gründung offenbar gelungen, die Anzahl der analysierten Hauptversammlungen stetig zu erhöhen, sodass im Vergleich zu ISS inzwischen immerhin annähernd halb so viele Hauptversammlungen analysiert werden. 3. Marco Consulting Group (MCG) Ein weiterer Anbieter von Abstimmungsempfehlungen ist die Marco Consulting Group (MCG). Das Unternehmen wurde im Jahr 1988 zu dem Zweck errichtet, großen Pensionsfonds, die der Altersversorgung von Arbeitnehmern mehrer Unternehmen dienen (sogenannte Taft-Hartley funds38), mit Investmentanalysen und -beratung zur Seite zu stehen. Die Gründung von MCG steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit den verschärften Anforderungen, die das US-amerikanische Arbeitsministerium (Department of Labor, DOL) kurz zuvor an insitutionelle Anleger gestellt hatte.39 Später erweiterte MCG seinen Kundenkreis und bietet nunmehr auch den Pensionsfonds von Angestellten des öffentlichen Dienstes seine Beratungsleistungen an.40 Unternehmen und ihre Manager gehören nicht zu den Kunden des Stimmrechtsberaters.41 Einer der von MCG angebotenen Dienste ist das „Proxy Voting“, also die Ausübung der den Pensionsfonds aus ihrem Aktienbesitz zustehenden Stimmrechte.42 Bemerkenswert ist insoweit, dass MCG sich bei der Stimmrechtsausübung offenbar nicht an allgemeinen Richtlinien orientiert, die eine „gute“ Corporate Governance definieren. Vielmehr weist das Unternehmen daraufhin, dass die Entscheidung hinsichtlich der Stimmrechtausübung mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls und im besten Interesse der an den Pensionsfonds Beteiligten erfolge.43 Allerdings stellt MCG jährlich die wesentlichen Entwicklungen in der Corporate Gover37

Dazu auch U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13 f. 38 Der Labor Management Relations Act (nach den Personen, die das Gesetz eingebracht haben, bezeichnet als „Taft-Hartley-Act“) aus dem Jahr 1947 hatte die gemeinsame Errichtung eines Pensionsfonds durch mehrere Unternehmen gestattet. Benannt nach dem Gesetz werden die Fonds als Taft-Hartley funds bezeichnet. Sie dienen der Altersversorgung der Angestellten der beteiligten Unternehmen und unterfallen dem ERISA (s. den Nachweis in Fn. 113). Zum Ganzen U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 8 mit Fn. 9. 39 s. dazu noch eingehend unten S. 155 ff. 40 Vgl. auch http://www.marcoconsulting.com/mission—history-pages-161.php (Stand: 23. 04. 2012). 41 s. dazu unter http://www.marcoconsulting.com/proxy-voting-pages-147.php (Stand: 23. 04. 2012). 42 s. dazu unter http://www.marcoconsulting.com/proxy-voting-pages-147.php (Stand: 23. 04. 2012).

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nance zusammen und legt in diesem Kontext dar, wie MCG in den Fragen, die am häufigsten zu entscheiden waren, abgestimmt hat.44 Der Umstand, dass MCG in dieser Weise Rechenschaft über die Stimmrechtausübung ablegt, lässt vermuten, dass durchaus allgemeine Prinzipien existieren, die den Abstimmungsentscheidungen zugrunde gelegt werden. Andernfalls könnte kaum generalisierend Auskunft über das Abstimmungsverhalten in bestimmten Fragen gegeben werden, die bei mehreren Unternehmen in ähnlich gelagerter Weise zur Entscheidung anstanden. MCG ist der kleinste US-amerikanische Stimmrechtsberater. Ein Wachstum ist nur in beschränktem Umfang zu erwarten, da das Unternehmen sich bewusst nur an eine bestimmte Art institutioneller Anleger richtet. Die Existenz von MCG zeigt aber, dass bestimmte Branchen offenbar in der Lage sind, einen eigenen Stimmrechtsberater zu etablieren, der speziell auf die spezifischen Bedürfnisse der Branche zugeschnittene Abstimmungsempfehlungen entwickelt. 4. Egan-Jones Der Stimmrechtsberater Egan-Jones Proxy Services wurde im Jahr 2002 als Abteilung der gleichnamigen Ratingagentur („Egan-Jones Ratings Company“) gegründet.45 Das Angebot ist an institutionelle Anleger gerichtet.46 Egan-Jones wirbt vor allem damit, dass es nicht als Berater für Gesellschaften und deren Vorstände fungiere und somit keinen Interessenkonflikten unterliege („No Conflict“).47 Außerdem bietet das Unternehmen nach eigener Angabe Stimmrechtsberatung und -vertretung zu einem günstigen Preis an („Low Cost“).48 Egan-Jones versucht also zum einen, sich – wie andere Wettbewerber auch – mit dem Hinweis darauf, dass man keinen Interessenkonflikten unterliege, bewusst von ISS abzugrenzen. Zum anderen weist Egan-Jones auf günstige Preise hin und will sich damit offenbar auch gegenüber anderen Anbietern, insbesondere gegenüber Glass Lewis, als Billiganbieter etablieren. In diesem Konkurrenzkampf genügt der Hinweis auf 43 s. unter http://www.marcoconsulting.com/proxy-voting-pages-147.php (Stand: 23. 04. 2012): „It reviews each proxy issue with final decisions based on the merits of each case and with the best interest of the plan’s participants and beneficiaries in mind.“ 44 s. unter http://www.marcoconsulting.com/proxy-voting-pages-147.php (Stand: 31. 12. 2012). 45 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 8. 46 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 396 (2009). 47 s. unter http://www.ejproxy.com/about.aspx (Stand: 23. 04. 2012). 48 http://www.ejproxy.com/about.aspx (Stand: 23. 04. 2012).

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fehlende Interessenkonflikte nicht, denn auch Glass Lewis bietet den Managern von Aktiengesellschaften keine Beratungsleistungen an. Egan-Jones macht keine Angaben zu der Anzahl der Hauptversammlungen, für die Abstimmungsempfehlungen abgegeben werden. Auch zu der Größe des von den Kunden verwalteten Vermögens liegen keine Zahlen vor. Die Bedeutung von Egan-Jones kann daher nur schwer beurteilt werden. Jedenfalls ist das Unternehmen in Bezug auf die von ihm abgegebenen Abstimmungsempfehlungen öffentlich nicht in Erscheinung getreten, was eine eher geringe Bedeutung vermuten lässt. Auffällig ist zwar die in der Studie des GAO ermittelte Anzahl der Kunden, die signifikant höher liegt als bei den anderen Stimmrechtsberatern mit Ausnahme von ISS.49 Die Kundenzahl alleine sagt aber noch nichts über die Bedeutung aus. Wenn das Vermögen, das von den Kunden verwaltet wird, relativ gering ist, haben auch die Abstimmungsempfehlungen des Stimmrechtsberaters eine untergeordnete Bedeutung. Schließlich stehen Kunden mit geringerem Vermögen auch weniger Stimmrechte zu. Für die Vermutung, dass die Kunden von Egan-Jones eher kleinere Vermögen verwalten, sprechen weitere Aspekte. So machen etwa sowohl ISS als auch Glass Lewis für sich geltend, dass die größten Investment- und Pensionsfonds ihre Dienste in Anspruch nehmen.50 Außerdem spricht das selbst gewählte Image eines Billiganbieters dafür, dass sich eher kleinere Fonds, denen regelmäßig geringere Mittel für die Stimmrechtsausübung zur Verfügung stehen dürften, an Egan-Jones wenden. Egan-Jones bietet neben der Stimmrechtsberatung auch die Ausübung der Stimmrechte. Hierfür sei nur eine geringe Zusatzgebühr zu entrichten. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Kunden auch die Möglichkeit haben, eine von den Egan-Jones-Vorschlägen abweichende Anweisung zur Ausübung des Stimmrechts zu erteilen. Hierzu wird ein „Proxy Management System“ angeboten, auf das der Kunde per Internet Zugriff hat.51 Wie andere Stimmrechtsberater entwickelt auch Egan-Jones seine Abstimmungsempfehlungen anhand zuvor festgelegter abstrakter Abstimmungsrichtlinien. Die Richtlinien werden den Kunden zur Verfügung gestellt, sind für die Öffentlichkeit aber nicht einsehbar. Bemerkenswert ist insoweit, dass Egan-Jones zwei verschiedene Abstimmungsrichtlinien entwickelt hat und die Kunden wählen können, auf der Grundlage welcher Richtlinien ihnen Abstimmungsvorschläge unterbreitet werden sollen. Dabei 49 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13; dazu schon S. 8. 50 s. den Nachweis in Fn. 7. 51 s. unter http://www.ejproxy.com/services.aspx (Stand: 23. 04. 2012).

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

berücksichtigt eine Version der Richtlinien die Interessen von Aktionären im Allgemeinen, während die andere speziell auf die Interessen von TaftHartley funds zugeschnitten ist. Dieser Befund legt nahe, dass Egan-Jones insbesondere um Kunden wirbt, die traditionell die Dienste von MCG in Anspruch nehmen. 5. Proxy Governance, Inc. (PGI) Einige Zeit gab es mit Proxy Governance, Inc. (PGI) in den USA ein weiteres Unternehmen, das Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger anbot. Um den Jahreswechsel von 2010 auf 2011 hat PGI seine Tätigkeit eingestellt.52 Bei PGI handelte es sich um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Finanzdienstleisters FOLIOfn.53 FOLIOfn bietet seinen Kunden die Möglichkeit, in standardisierte Portfolios an Aktienwerten bzw. in selbst zusammengestellte Portfolios oder in Investmentfonds (mutual funds) zu investieren.54 Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Gründung der Tochtergesellschaft PGI im Jahr 200455, denn auf diese Weise war FOLIOfn in der Lage, seinen Kunden neben Finanzprodukten auch Stimmrechtsberatung und -ausübung, also ein „Gesamtpaket aus einer Hand“ anbieten zu können. Insoweit war es möglich, insbesondere institutionellen Anlegern, an die sich das Angebot von FOLIOfn mit der Sektion FOLIO Institutional56 auch richtet, eine ganzheitliche Lösung anbieten zu können. PGI bot Stimmrechtsberatungsdienste nach eigener Angabe für alle Gesellschaften an, an denen Kunden Anteile halten. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der geringen Kundenanzahl, die das GAO ermittelt hat (ca. 100), liegt die Schlussfolgerung nahe, dass das Angebot von PGI sich jedenfalls primär an die Kunden von FOLIOfn richtete und wohl nur begrenzt „externen“ Zuspruch fand. Die Bedeutung der Abstimmungsempfehlungen von PGI dürfte daher eher gering gewesen sein. 6. Ethos – Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung Stimmrechtsberater gibt es nicht nur in den USA. Eine der Institutionen, die diesseits des Atlantiks Abstimmungsempfehlungen für Hauptversammlungen entwickeln, ist die schweizerische Ethos-Stiftung. Genau genommen 52 53 54 55 56

s. unter http://www.proxygovernance.com (Stand: 21. 02. 2011). U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 8. s. unter https://www.folioinvesting.com/ (Stand: 23. 04. 2012). U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 8. s. unter https://www.folioinstitutional.com/ (Stand: 23. 04. 2012).

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ist dabei nicht die Stiftung als Berater tätig, sondern das Unternehmen Ethos Services, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Ethos-Stiftung.57 Das Angebot von Ethos umfasst neben der Stimmrechtsberatung auch Dienstleistungen auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung. Insbesondere hat Ethos eigene Fonds aufgelegt, in die neben institutionellen auch private Anleger investieren können. Managern bietet Ethos seine Dienste nicht an. Ethos hat, wie bereits erwähnt, im Jahr 2010 Anteile im Umfang von 20% an dem französischen Stimmrechtsberater Proxinvest übernommen. Erklärtes Ziel dieser Beteiligung ist die Verstärkung der Präsenz von Ethos außerhalb der Schweiz.58 a) Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsausübung Dem Geschäftsbereich der Stimmrechtsausübung unterfällt neben der eigentlichen Wahrnehmung der Stimmrechte auf der Hauptversammlung auch die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen im inhaltlichen Sinne (Stimmrechtsberatung). Obwohl die Bezeichnung des Geschäftsbereichs anderes vermuten lässt, stellt Ethos seine „Generalversammlungs-Analysen“, also die Stimmrechtsberatung, als den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit dar. Das Angebot einer „Administrativen Unterstützung bei der Stimmrechtsausübung“ ist lediglich eine zusätzlich buchbare Option für institutionelle Anleger, die auch die Generalversammlungs-Analysen beziehen.59 Ethos bietet seine Unterstützung bei dem Ausfüllen von Formularen sowie bei der Kommunikation mit einer unabhängigen Stimmrechtsvertretung an. Der Tätigkeitsbereich von Ethos ist im Wesentlichen auf die Schweiz beschränkt. Das Unternehmen entwickelt Abstimmungsempfehlungen für die größten 100 Unternehmen, die in der Schweiz kotiert60 sind, deren Aktien also an der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange) gehandelt werden.61 Im 57 s. unter http://www.ethosfund.ch/d/ethos-stiftung/ethos-stiftung.asp (Stand: 23. 04. 2012). 58 Vgl. Ethos – Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung, Protokoll der 13. Ordentlichen Versammlung der Mitstifter am 2. Juni 2010, S. 4, abrufbar unter http://www.ethosfund.ch/d/news-publikationen/publikationen-berichte.asp (Stand: 23. 04. 2012). 59 s. unter http://www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/stimmrechtsaus uebung.asp (Stand: 31. 03. 2011). 60 Eine Legaldefinition des Begriffs der Kotierung findet sich in Art. 2 lit. c) des Schweizerischen Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel. Der Begriff bezeichnet die „Zulassung zum Handel an der Haupt- oder Nebenbörse“. 61 s. unter http://www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/stimmrechtsaus uebung.asp (Stand: 23. 04. 2012).

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

Gegensatz zu anderen Stimmrechtsberatern macht Ethos konkrete Angaben dazu, in welcher Weise die Dienste Kunden angeboten werden. Diese können zwischen drei verschiedenen „Abonnements“ wählen: Das größte umfasst Abstimmungsempfehlungen für die einhundert größten in der Schweiz kotierten Unternehmen, das mittelgroße betrifft die Unternehmen des SMI62 Expanded (ca. 50 größte in der Schweiz kotierte Unternehmen) und das kleinste die Unternehmen des SMI (20 größte in der Schweiz kotierte Unternehmen). Ethos veröffentlicht, im Gegensatz zu anderen Stimmrechtsberatern, die Preise für seine Dienstleistungen.63 Sie werden in Abhängigkeit von dem Vermögenswert der zu einem Stichtag von dem institutionellen Anleger gehaltenen schweizerischen Aktien berechnet. Das größte Abonnement (100 größte Unternehmen) schlägt hier mit 0,002% des ermittelten Vermögenswerts zu Buche, mindestens aber mit 8.000 CHF, höchstens mit 15.000 CHF (Administrative Unterstützung zusätzlich 4.000 CHF). Für das nächstkleinere Abonnement (50 größte Unternehmen) gilt ein Satz von 0,0015% bzw. mindestens 6.000 CHF, höchstens 12.500 CHF (Administrative Unterstützung zusätzlich 3.000 CHF). Das zweitkleinste Abonnement kostet 0,00125% des Vermögenswerts bzw. zwischen 5.000 CHF und 11.250 CHF (Administrative Unterstützung zusätzlich 2.500 CHF). Für das kleinste Abonnement (20 größte Unternehmen) wird eine Gebühr in Höhe von 0,001% des Vermögenswerts der gehaltenen schweizerischen Aktien berechnet, mindestens aber 4.000 CHF und höchstens 10.000 CHF (Administrative Unterstützung zusätzlich 3.000 CHF). Wenn sich Ethos auch schwerpunktmäßig mit den in der Schweiz kotierten Unternehmen beschäftigt, so erschöpft sich die Tätigkeit des Unternehmens darin nicht.64 Ethos wirbt damit, auch GeneralversammlungsAnalysen für „Nichtschweizer Unternehmen“ zu erstellen. Auf Anfrage übermittelt Ethos individualisierte Angebote. Bei der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen für Unternehmen außerhalb der Schweiz arbeitet Ethos mit Institutionen in anderen Ländern zusammen, in Europa etwa mit den lokalen Mitgliedern des Beraternetzes European Corporate Governance Service (ECGS).65 Ethos verwendet die Analysen der Partnerunternehmen, um auf Grundlage seiner eigenen Richtlinien Abstimmungsempfehlungen zu entwickeln. 62

Swiss Market Index, der bedeutendste Aktienindex in der Schweiz. s. unter http://www.ethosfund.ch/d/inc/download.asp?folder=publication&code file=p235d_ (Stand: 23. 04. 2012). 64 Zum Ganzen s. unter http://www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/ stimmrechtsausuebung.asp (Stand: 21. 02. 2011). 65 Zum ECGS s. im Einzelnen S. 57 ff. 63

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Ethos hat im Februar/März 2011 auf Nachfrage mitgeteilt, dass sich das Angebot außerhalb der Schweiz auf die Unternehmen aus dem Börsenindex MSCI Europe beziehe, der ca. 400 europäische Unternehmen umfasse. Kunden könnten sich aus dieser Bandbreite auch eine individuelle Gruppe von Unternehmen zusammenstellen. Für die Regionen Nordamerika und Asien/ Pazifik erstellt Ethos auf Anfrage der Kunden ebenfalls Abstimmungsvorschläge. Das Angebot umfasse, so Ethos, jeweils mindestens die einhundert größten börsenkapitalisierten Unternehmen aus diesen Regionen. Das Angebot von Ethos richtet sich primär an institutionelle Anleger, jedoch können auch Privatanleger auf die Dienstleistungen des Unternehmens zurückgreifen. So wird Privatanlegern angeboten, Ethos zur Ausübung der Stimmrechte zu ermächtigen. Die Ausübung erfolgt gemäß der von Ethos entwickelten Abstimmungsvorschläge. b) Dialog mit Unternehmen Beachtenswert ist schließlich der dritte Geschäftsbereich von Ethos, der die Bezeichnung „Dialog mit Unternehmen“ trägt.66 Wesentlicher Bestandteil des Geschäftsbereichs ist der „Ethos Engagement Pool“ (EEP), in dem neben Ethos auch mehrere Pensionskassen vertreten sind. Er wird von seinen Mitgliedern „proportional zum Betrag an gehaltenen Schweizer Aktien“ finanziert. Zweck des EEP ist es, Gespräche mit den Vorständen von in der Schweiz kotierten Unternehmen zu führen. Hierzu heißt es: „Der von Ethos lancierte Dialog wird von den Unternehmen geschätzt, da er diskret und konstruktiv ausgerichtet ist. Als engagierter Aktionär ist Ethos zudem bestrebt, Lösungen einzubringen. Damit hat sich Ethos hohes Vertrauen bei den Unternehmen erarbeitet.“67 c) Bedeutung Das Angebot von Ethos konzentriert sich im Wesentlichen auf die Schweiz, wo das Unternehmen allerdings mehrfach mit kritischen Abstimmungsempfehlungen Aufsehen erregt hat.68 Zwar bietet Ethos seine 66 Vgl. die Selbstdarstellung dieses Geschäftsbereichs von Ethos unter http:// www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/ethos-dialog.asp (Stand: 23. 04. 2012). 67 s. unter http://www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/ethos-dialog.asp (Stand: 23. 04. 2012). 68 Einen Anhaltspunkt für die Bedeutung in der Schweiz können die Berichte über besonders umkämpfte Abstimmungen geben, die Ethos regelmäßig auf seiner Internetseite veröffentlicht, s. unter http://www.ethosfund.ch/d/news-publikationen/ publikationen-berichte.asp (Stand: 23. 04. 2012).

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

Dienste, wenn auch mit Unterstützung durch das Netzwerk ECGS, auch für nichtschweizerische Unternehmen an. Maßgeblich in Erscheinung getreten ist der Stimmrechtsberater aber im Ausland bislang nicht. Eine Erklärung hierfür bieten die Kundenzahlen, die Ethos auf Anfrage mitgeteilt hat. Im Februar/März 2011 gab Ethos an, dass ca. 110 Kunden Generalversammlungsanalysen für schweizerische Unternehmen beziehen, aber nur ca. 5 Kunden Analysen auch für nicht-schweizerische Unternehmen nachfragen. Die Bedeutung von Ethos ist demnach im Wesentlichen auf die Schweiz beschränkt. 7. Proxinvest Der französische Stimmrechtsberater Proxinvest wurde im Jahr 1995 von Pierre-Henri Leroy gegründet. Heute hält neben dem Gründer als Mehrheitseigentümer die schweizerische Ethos-Stiftung 20% der Anteile. Proxinvest ist ausschließlich als Stimmrechtsberater tätig und bietet seine Dienste daher nur Investoren an, nicht aber Managern von Aktiengesellschaften.69 a) Stimmrechtsberatung und -ausübung Proxinvest wirbt damit, bei der Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen die spezifischen Bedürfnisse seiner Kunden zu berücksichtigen.70 Der Stimmrechtsberater untersucht zunächst die Gesellschaft selbst und die konkret zur Abstimmung gestellten Anträge. Aus diesen Analysen werden individualisierte Abstimmungsempfehlungen für jeden Kunden („politique de vote personnalisée“ bzw. „customised voting policy“) entwickelt. Die Kunden haben im Vorfeld die Möglichkeit, aus einer von Proxinvest zusammengestellten Liste auszuwählen, welche der dort genannten Kriterien der von dem Anleger verfolgten Politik entsprechen. Proxinvest entwickelt anhand der Auswahl eine individualisierte Abstimmungsempfehlung. Offenbar unterbreitet aber auch Proxinvest allgemeine Abstimmungsempfehlungen unabhängig von konkreten Vorgaben eines Kunden. So heißt es nämlich an anderer Stelle, dass Proxinvest jedes Jahr Gespräche mit Anlegern führt und sodann, wohl unter Berücksichtigung von deren Wünschen, die Grundsätze seiner Stimmrechtspolitik erneuert.71 Eine allgemeine 69 s. zum Ganzen unter http://www.proxinvest.com/index.php/fr/page/presenta tion.html (Stand: 23. 04. 2012). 70 s. dazu die Beschreibung von Proxinvest unter http://www.proxinvest.com/in dex.php/fr/page/services.html (Stand: 23. 04. 2012). 71 s. unter http://www.proxinvest.com/index.php/fr/page/presentation.html (Stand: 23. 04. 2012), Abschnitt „Indépendance et déontologie“.

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen

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Stimmrechtspolitik wäre bei ausschließlicher Anwendung des soeben beschriebenen Modells individualisierter Abstimmungsvorschläge aber gar nicht nötig. Darüber hinaus bietet auch Proxinvest die Ausübung der Stimmrechte an. Die Kunden können dem Stimmrechtsberater dabei die Anweisung erteilen, abweichend von den unterbreiteten Empfehlungen abzustimmen. Schließlich erstellt Proxinvest nach Ablauf einer Hauptversammlungssaison einen Bericht über die Ergebnisse der Abstimmungsentscheidungen, der vor allem als Grundlage der künftigen Stimmrechtspolitik dient. Zudem wird ein Bericht über die Bezahlung von Vorständen veröffentlicht. b) Zusammensetzung des Jahresumsatzes und Kundenzahl Proxinvest macht öffentlich Angaben zum Anteil einzelner Geschäftsbereiche am Jahresumsatz und zu seinen Kunden.72 So machte im Jahr 2007 der Bereich der Stimmrechtsberatung und -ausübung 57% des Gesamtumsatzes aus, wobei hiervon 35% auf Untersuchungen der Gesellschaften und 22% auf die individuelle Beratung entfielen. Nachforschungen in englischer Sprache werden von einer britischen Partnergesellschaft durchgeführt und hatten einen Anteil von 5 bis 10% am Gesamtumsatz. Einen Anteil von 10% des Jahresumsatzes machen Dienstleistungen für die Investmentgesellschaft „Proxy Active Investors“ (ehemals „Phitrust Finance“) aus, deren exklusives Beratungsunternehmen Proxinvest ist. Über ein weiteres Partnerunternehmen, SOFICOM, das die Berichte von Proxinvest vertreibt, werden 15% des Jahresumsatzes erwirtschaftet. Proxinvest gibt an, dass ca. 60 Kunden die Berichte von Proxinvest beziehen, während lediglich ca. 30 Kunden die eigentliche Stimmrechtsberatung in Anspruch nehmen.73 Die beiden wichtigsten Kunden von Proxinvest, wohl neben Proxy Active Investors, seien zwei französische Kapitalanlagegesellschaften. Die von diesen nachgefragten Dienstleistungen machen 8% bzw. 5% des Jahresumsatzes aus.

72

s. unter http://www.proxinvest.com/index.php/fr/page/presentation.html (Stand: 23. 04. 2012), Abschnitt „Qui sommes nous?. Indépendance commerciale de Proxinvest“. 73 s. unter http://www.proxinvest.com/index.php/fr/page/presentation.html (Stand: 23. 04. 2012), Abschnitt „Qui sommes nous?. Indépendance commerciale de Proxinvest“.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

c) Bedeutung Die Tätigkeit von Proxinvest ist im Wesentlichen auf Stimmrechtsempfehlungen für französische Gesellschaften beschränkt. Nachforschungen in englischer Sprache machen einen verhältnismäßig geringen Anteil am Jahresumsatz aus und sind demzufolge von nicht allzu großer Bedeutung. Proxinvest hat im Vergleich zu anderen Stimmrechtsberatern außerdem nur sehr wenige Kunden. ISS überragt den französischen Stimmrechtsberater etwa fast um den Faktor fünfzig, auch Glass Lewis ist weit größer. 8. Ivox a) Allgemeines Hinzuweisen ist schließlich auf das in Karlsruhe ansässige Unternehmen Ivox, das im Jahr 200574 durch mehrere ehemalige ISS-Mitarbeiter gegründet wurde.75 Ivox versteht sich vor allem als Dienstleister für Investmentgesellschaften, in deren Auftrag das Unternehmen die Corporate Governance von Unternehmen analysiert. Ivox arbeitet dabei mit dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) zusammen, dessen Mitglieder auf die Untersuchungen von Ivox zurückgreifen. Darüber hinaus zählen zwar auch Kapitalanlagegesellschaften aus dem französischsprachigen Raum zu den Kunden76, der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt aber in Deutschland. Zu den gegenwärtig 82 BVI-Mitgliedern zählen viele namhafte deutsche Investmentgesellschaften, darunter Tochtergesellschaften der Allianz, die Deka, die Helaba Invest, die Investmentgesellschaft der Nord/LB und Union Investment.77 Sie verwalten ein Vermögen von 1,859 Milliarden Euro (0,001859 Billionen Euro).78 Im Jahr 2007 gab Ivox-Gründer Alexander Juschus an, die Hauptversammlungen von insgesamt 221 Gesellschaften zu analysieren. Hierzu zählten 160 Gesellschaften aus Dax, MDax, TecDax und SDax sowie weitere Gesellschaften aus dem Stoxx50 und dem EuroStoxx50.79 74 s. Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. 75 s. unter http://www.ivox-europe.com/about_experience.php (Stand: 23. 04. 2012). 76 So die Aussage des IVOX-Gründers Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. 77 s. unter http://www.bvi.de/de/bvi/mitglieder/mitglieder.html (Stand: 23. 04. 2012). 78 Vgl. BVI-Investmentstatistik per 29. 02. 2012, abrufbar unter http://www. bvi.de/de/statistikwelt/Investmentstatistik/index.html (Stand:. 23. 04. 2012).

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen

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b) Gütesiegel (Rating) Im Rahmen der Analyse der Corporate Governance nimmt Ivox bei Gesellschaften des DAX und des MDAX eine Bewertung vor, erstellt also sozusagen ein Rating.80 Ivox verwendet diesen Begriff allerdings nicht, sondern spricht vom „IVOX CG-Seal“ (IVOX Corporate Governance-Gütesiegel). Die Bewertung mündet in der Zuweisung einer Gesellschaft zu einer von drei Katergorien: „Unternehmen, die nach Ivox-Kriterien eine gute Corporate Governance haben“, „Unternehmen mit annehmbarer Corporate Governance, die allerdings einige Mängel aufweist“ und „Unternehmen mit groben Mängeln in der Corporate Governance“. Grundlage für die Einstufung sind einem Bericht zufolge mehr als 140 Kriterien, die aus Sicht der institutionellen Anleger für die Beurteilung der Corporate Governance einer Gesellschaft von Bedeutung sind. Inhaltlich sollen die Kriterien, die nicht öffentlich einsehbar sind, teilweise über den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) hinausgehen.81 c) Hauptversammlungsanalysen, Stimmrechtsberatung und -ausübung Neben dem Gütesiegel bietet Ivox die „IVOX AGM reports“ an.82 Die Analyse der Tagesordnungen von Hauptversammlungen dient der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen.83 Ivox-Kunden können aber auch allgemeine Analysen erhalten, die nicht auf eine anstehende Hauptversammlungen zugeschnitten sind (non recommendation based analysis). Ähnlich dem Angebot von Proxinvest bietet auch Ivox seinen Kunden individualisierte Abstimmungsempfehlungen an. Dieser Ansatz wird auch von Alexander Juschus hervorgehoben. Der Ivox-Gründer legt in einem Interview dar, 79 So Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. 80 Zum Ganzen Börsen-Zeitung v. 06. 03. 2010, „Transparenz im MDax ‚lässt zu wünschen übrig‘ “; Ivox selbst erwähnt das Gütesiegel auf seiner Webseite lediglich, s. unter http://www.ivox-europe.com/services_invest.php (Stand: 23. 04. 2012). 81 So auch die Aussage von Ivox-Gründer Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“: „Der Kodex ist ein sehr guter Ansatz, aber sicher kein Allheilmittel. Von daher schauen wir bei bestimmten Themen auch auf die Marktpraxis – zum Beispiel bei Kapitalmaßnahmen.“ Es würden auch über den Kodex hinausgehende feste Normen angesetzt. 82 s. unter http://www.ivox-europe.com/services_invest.php (Stand: 23. 04. 2012). 83 s. aber auch Vaupel, AG 2011, 63, 64: Ivox weise lediglich auf kritische Punkte in den Vorschlägen der Verwaltung hin.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

dass stets berücksichtigt werde, ob eine einzelne Frage der Corporate Governance für den Kunden von hoher oder von eher geringerer Bedeutung ist. Als Beispiel führt Juschus Vergütungsfragen an, die etwa für Pensionskassen von hoher Bedeutung, für Publikumsfonds aber weniger wichtig seien.84 Neben der Stimmrechtsberatung bietet auch Ivox die Ausübung der Stimmrechte an. In Bezug darauf weist Juschus daraufhin, dass grundsätzlich nur auf Weisung der Kunden gehandelt werde. Die Arbeit von Ivox sei als reine Hilfestellung anzusehen.85 Die Hauptversammlungsanalysen und die darin unterbreiteten Abstimmungsvorschläge finden also nicht unbedingt Eingang in die eigentliche Abstimmung. Allerdings sei es für die Investmentgesellschaften möglich, Ivox dahingehend anzuweisen, dass bei aus Sicht von Ivox kritischen Punkten immer mit „Nein“ zu stimmen ist. d) Dialog mit Unternehmen Im Rahmen seiner Tätigkeit sucht Ivox den Dialog mit den Unternehmen, sofern die Analyse kritische Punkte enthält. Es werde dann auch angeregt, die betreffenden Dinge zu ändern.86 Wie bei Ethos besteht für die Durchführung der sogenannten one-on-ones also ein eigener Geschäftsbereich. e) Angebot für Unternehmen Unternehmen können von Ivox Corporate Governance-Analysen beziehen. Außerdem versteht sich der Stimmrechtsberater wohl als eine Art Vermittler zwischen den Unternehmen einerseits und ihren Aktionären andererseits.87 So wird etwa die Veröffentlichung von Informationen über Ivox angeboten, die dann von allen Nutzern abgerufen werden können. Die Unternehmen können außerdem eine der Stimmrechtsausübung dienende Plattform von Ivox einrichten lassen, über die die Aktionäre ihre Stimmrechte ausüben können. Eine Corporate Governance-Beratung bietet Ivox den Unternehmen allerdings nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich) an. 84

Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. 85 Zum Ganzen Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. Bei den beiden zitierten Sätzen handelt es sich um Auszüge aus den Antworten auf zwei unterschiedliche Fragen. 86 Juschus, Börsen-Zeitung v. 07. 02. 2007, „Interview mit Alexander Juschus, Gründer und Direktor von Ivox“. 87 Zum Ganzen s. unter http://www.ivox-europe.com/services_issuers.php (Stand: 23. 04. 2012).

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen

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f) Bedeutung Ivox konnte vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem BVI eine gewisse Anzahl an Kunden gewinnen. Für international agierende institutionelle Anleger dürfte Ivox aber kaum eine Alternative darstellen, da die Dienste lediglich für eine geringe Anzahl von Gesellschaften angeboten werden. Große institutionelle Anleger haben aber keinen ersichtlichen Anreiz, für einzelne Beteiligungen (im Fall von Ivox deutsche und einige weitere große europäische Unternehmen) einen speziellen Stimmrechtsberater zu engagieren. Vielmehr dürfte gerade die Beauftragung nur eines Beraters kosteneffizienter sein. Die Bedeutung von Ivox bleibt damit im Wesentlichen wohl auf die BVI-Mitglieder beschränkt. Die BVI-Mitglieder haben allerdings einen Anreiz, die Dienste von Ivox in Anspruch zu nehmen, der sich aus den von BVIWohlverhaltensregeln88 ergibt. Diesen Regeln haben sich die Investmentgesellschaften im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterworfen. Im Teil 1, Nr. 6 und Nr. 7 der Wohlverhaltensregeln heißt es, dass die Investmentgesellschaften die ihnen zustehenden Aktionärsrechte ausüben und im Falle der Vollmachtserteilung konkrete Weisungen erteilen müssen.89 9. European Corporate Governance Service (ECGS) a) Allgemeines Bereits im Zusammenhang mit der schweizerischen Ethos-Stiftung ist auf den European Corporate Governance Service (ECGS) hingewiesen worden. Bei dem ECGS handelt es sich nicht um einen eigenständigen Stimmrechtsberater, sondern vielmehr um eine Vereinigung mehrerer europäischer und außereuropäischer Institutionen, die sich mit der Wahrnehmung von Aktionärsrechten beschäftigen. Mitglieder sind mit Proxinvest (als französischer Partner) und Ethos (als schweizerischer Partner) auch zwei der bereits dargestellten Stimmrechtsberater. Außerdem gehören die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW, als deutscher Partner)90, Shareholder Support (als niederländischer Partner) und Frontis Governance (als italienischer Partner) zum Kreis der Beteiligten.91 Der ECGS versteht sich als Dienstleister für institutionelle Anleger mit europaweiten bzw. weltweiten Portfolios. Für diesen Kundenkreis bietet der 88

Abrufbar auf der Webseite des BVI, http://www.bvi.de (Stand: 23. 04. 2012). s. dazu auch S. 169 f. 90 Zur DSW s. noch S. 59 f. 91 Zu den Mitgliedern des ECGS s. unter http://ecgs.net:8080/partners (Stand: 23. 04. 2012). 89

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

ECGS eine Analyse der Corporate Governance von Unternehmen sowie die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen an. Ziel sei dabei neben der Erstellung unabhängiger Analysen auch die Verbesserung der Corporate Governance bei europäischen Unternehmen.92 Die Besonderheit seiner Beratungsdienste sieht der ECGS in der Ausrichtung an internationalen Standards bei gleichzeitiger Berücksichtigung lokaler Besonderheiten. Dies sei dem Umstand geschuldet, so der ECGS sinngemäß, dass zwar einerseits die institutionellen Anleger die Einhaltung internationaler Standards befürworten, andererseits eine homogene Lösung (one-size-fits-all) aber nicht sinnvoll sei. Vielmehr müsste ein Ausgleich hergestellt werden. Hierzu sei der ECGS in der Lage, weil er mit Partnern zusammenarbeite, die nicht nur die internationalen Standards kennen würden, sondern auch über lokale Expertise verfügten.93 b) Bedeutung Über die Bedeutung des ECGS können nur Mutmaßungen angestellt werden. Die Einrichtung des ECGS durch die genannten nationalen Partner ist ersichtlich von dem Bemühen getragen, ein Angebot für institutionelle Anleger mit einem international diversifizierten Portfolio zu schaffen. Nicht nur die bereits näher vorgestellten ECGS-Mitglieder Ethos und Proxinvest, sondern wohl auch die Partner in den anderen Ländern können Beratungsleistungen in der Regel fast nur für Gesellschaften anbieten, die ihren Sitz im gleichen Staat haben wie der jeweilige Stimmrechtsberater. Darüber hinaus sind jedenfalls Ethos und Proxinvest nur in sehr beschränktem Maße tätig. Belege darüber, ob das Angebot von ECGS bei institutionellen Anlegern tatsächlich Zuspruch findet, gibt es bislang – soweit ersichtlich – nicht. Aus Sicht der institutionellen Anleger dürfte gegen eine Mandatierung von ECGS und seinen Partnern sprechen, dass trotz der Kooperation eine umfassende Stimmrechtsberatung wohl nicht möglich ist. Alleine in Europa hat der ECGS nicht in jedem Land einen Partner. Über den Umfang der Abdeckung von Hauptversammlungen insbesondere im nordamerikanischen Raum liegen keine Angaben vor. Da der ECGS hier aber mit einem weitgehend unbekannten kanadischen Unternehmen zusammenarbeitet, dürfte jedenfalls die Marktakzeptanz insoweit eher gering sein.

92 93

s. unter http://ecgs.net:8080/about-ecgs (Stand: 23. 04. 2012). s. unter http://ecgs.net:8080/about-ecgs (Stand: 23. 04. 2012).

I. Die Stimmrechtsberater im Einzelnen

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10. Sonderformen Neben den Stimmrechtsberatern im eigentlichen Sinne existieren weitere Institutionen, die Dienstleistungen mit Bezug zur Stimmrechtsausübung auf Hauptversammlungen anbieten. Dazu zählen die zwei größten deutschen Aktionärsvereinigungen sowie die britische Fondsgesellschaft Governance for Owners. a) Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sind die beiden größten deutschen Aktionärsvereinigungen. Sie sind an sich nicht als Stimmrechtsberater, sondern als Stimmrechtsvertreter tätig. Aktionäre haben die Möglichkeit, den Vereinigungen ihre Stimmrechte zu übertragen. Die Vereinigungen üben die Stimmrechte aus, indem sie – insoweit in Übereinstimmung mit den oben dargestellten Stimmrechtsberatern – anhand abstrakter Richtlinien Abstimmungsentscheidungen entwickeln und auf der Hauptversammlung entsprechend votieren. Sowohl die DSW als auch die SdK haben derartige Richtlinien konzipiert, stellen diese allerdings nur gegen Entgelt (DSW) bzw. nur für Mitglieder (SdK) zur Verfügung. Aktionäre, die den Vereinigungen ihr Stimmrecht übertragen haben, können keine Einzelanweisungen mehr erteilen. Ihr Stimmrecht wird also immer entsprechend dem von den Vereinigungen für sinnvoll erachteten Abstimmungsverhalten ausgeübt. Soweit es um Privatanleger geht, bieten die DSW und die SdK damit eine dem Angebot von Ethos sehr ähnliche Dienstleistung an. Obwohl die DSW und die SdK eigentlich als Stimmrechtsvertreter fungieren, können sie von Aktionären auch als Stimmrechtsberater genutzt werden.94 Beide veröffentlichen bereits Wochen vor der Hauptversammlung, wie sie die ihnen übertragenen Stimmrechte ausüben werden und geben hierfür eine knappe, oft nur einzeilige Begründung.95 Aktionäre könnten daher auch auf eine Stimmrechtsübertragung an die Aktionärsvereinigungen verzichten und die Veröffentlichung des beabsichtigten Abstimmungsverhaltens als Ausgangspunkt einer eigenen Abstimmungsentscheidung nutzen. Der beratende Charakter der Tätigkeit der DSW drückt sich 94

s. auch Vaupel, AG 2011, 63, 64. Für die DSW s. unter http://www.hauptversammlung.de (Stand: 23. 04. 2012); für die SdK s. unter http://www.sdk.org/hauptversammlung.php?action=abstim mungsverhalten (Stand: 23. 04. 2012). 95

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

schließlich auch in der Mitgliedschaft der Vereinigung im ECGS aus, auf den bereits hingewiesen wurde. Tatsächlich ist die Bedeutung der DSW und der SdK als Stimmrechtsberater aber gering. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass institutionelle Anleger zur Rechtfertigung ihres Abstimmungsverhaltens gegenüber den wirtschaftlichen Eigentümern mehr benötigen als ein bloßes (das heißt ein nicht oder kaum begründetes) Votum. Die Aktionärsvereinigungen befriedigen demnach nicht den tatsächlichen Beratungsbedarf. Auch im Bereich der Stimmrechtsvertretung kommt den Aktionärsvereinigungen keine nennenswerte Bedeutung zu. Sie üben regelmäßig weniger als 1% der Stimmrechte aus.96 b) Governance for Owners Eine Sonderstellung unter den Stimmrechtsberatern nimmt auch das Unternehmen Governance for Owners mit Hauptsitz in London ein. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Governance for Owners ist das Betreiben eines Anlagefonds („GO European Focus Fund“), der Anteile an europäischen Gesellschaften hält. Der Fonds wird damit beworben, dass die Stimmrechte aus den gehaltenen Beteiligungen aktiv wahrgenommen würden. Nach Überzeugung von Governance for Owners seien Gesellschaften mit aktiven Aktionären auf lange Sicht gesehen wertvoller.97 Neben dem Betreiben des Fonds bietet Governance for Owners mit seinem Geschäftsbereich „GO Stewardship Services“ (GOSS) Stimmrechtsberatung an.98 Der Umfang der Gesellschaften, bezüglich derer die Abgabe von Abstimmungsempfehlungen möglich ist, ist im Vergleich zu den oben dargestellten nur national agierenden Anbietern beträchtlich. So werden Empfehlungen für etwa 2.000 Gesellschaften aus 25 Ländern abgegeben, darunter europäische Staaten, die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Hongkong, Singapur, Peru und Russland. Neben der „einfachen“ Stimmrechtsberatung bietet Governance for Owners auch an, sich mit ausgewählten Beteiligungen der Kunden intensiver zu beschäftigen (‚strategic‘ 96 So das Ergebnis einer Untersuchung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) aus dem Jahr 2004, s. BMJ, NZG 2004, 948, 949; s. dazu auch Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1468; Seibert, AG 2004, 529, 532. 97 s. unter http://www.governanceforowners.com/goeff/what-we-do (Stand: 23. 04. 2012). 98 s. unter http://www.governanceforowners.com/goss (Stand: 23. 04. 2012): GOSS „provides independent voting, corporate engagement and other advisory services on environmental, social and corporate governance (ESG) matters for the world’s long-term public equity owners and fund managers.“

II. Wettbewerbssituation

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engagements). Auswahlkriterium sei dabei der Umfang, in dem der Kunde Beteiligungen an den einzelnen Unternehmen hält. Die Stimmrechtsberatung richtet sich wohl vor allem an jene Aktionäre, die an denselben Gesellschaften beteiligt sind, an denen auch der GO European Focus Fund Beteiligungen hält. Wesentlicher Grund für das Angebot von Stimmrechtsberatung durch Governance for Owners dürfte daher die Verstärkung der aus den Fonds-Beteiligungen resultierenden Stimmrechtsmacht sein.99 Gerade der Umstand, dass Governance for Owners auch eigene Beteiligungen an den Unternehmen hält, für die Abstimmungsempfehlungen abgegeben werden, stellt aber auch die Unabhängigkeit der Stimmrechtsberatung in Frage. Es liegt nahe, dass Governance for Owners den Kunden, die Stimmrechtsberatung nachfragen, empfiehlt so abzustimmen, wie das Unternehmen auch seine eigenen Stimmrechte auszuüben gedenkt. Hierbei verfolgt Governance for Owners aber naturgemäß eigene Interessen, die nicht unbedingt den Interessen der Kunden bzw. den Interessen der Gesellschaft, um deren Hauptversammlung es geht, entsprechen.100 Schon deshalb ist die Bedeutung der Beratungssparte von Governance for Owners wohl eher gering. Neben diesen Zweifeln an der Unabhängigkeit dürfte es für institutionelle Anleger, insbesondere für Investmentfonds, auch eher fern liegen, einen Berater zu engagieren, der gleichzeitig ihr Konkurrent ist.

II. Wettbewerbssituation Ob eine Regulierung der Stimmrechtsberater geboten ist, hängt von der Wettbewerbssituation auf dem Markt für Stimmrechtsberatung ab. Solange der Markt funktioniert, sollten Eingriffe unterbleiben.101 Für die Wettbewerbssituation ist von Bedeutung, in welchem Maße einzelne Unternehmen über Marktmacht verfügen. Unter diesem Begriff wird die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, den Preis eines Gutes über das Wettbewerbsniveau hinaus erhöhen zu können (Preissetzungsspielraum).102

99

U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95. Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit äußern auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95. 101 Grundlegend Coase, 3 J. L. & Econ. 1 (1960); dazu instruktiv Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 58 ff. 102 Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 32 f.; Kerber, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. (2007), S. 369, 377; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1125, 1140; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 454; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 49. 100

62

§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

1. Methoden zur Bestimmung der Marktmacht Die Bestimmung der Marktmacht kann mit einem „direkten“ Verfahren erfolgen. Dessen Funktionsweise erschließt sich, wenn man die grundlegenden Annahmen des vollkommenen Wettbewerbs einerseits und des Monopols andererseits betrachtet, die die Extremformen denkbarer Wettbewerbssituationen darstellen.103 Eine Grundannahme des vollkommenen Wettbewerbs ist, dass ein einzelnes Wirtschaftssubjekt durch seine Angebots- oder Nachfrageentscheidung keinen Einfluss auf den Marktpreis nehmen kann. Es wird sich daher als Preisnehmer bzw. Mengenanpasser verhalten.104 Daraus folgt weiter, dass ein Unternehmen sein Angebot nur dann erhöhen wird, wenn es durch den Verkauf des zusätzlichen Angebots einen Preis erwirtschaften kann, der mindestens den Herstellungskosten entspricht. Die Kosten für die Herstellung einer zusätzlichen Einheit eines Produkts werden dabei als Grenzkosten bezeichnet. Für den vollkommenen Wettbewerb gilt daher, dass der Marktpreis den Grenzkosten entspricht.105 Ein Monopolist hat hingegen die Möglichkeit, den Preis eines Gutes auf zwei unterschiedliche Arten zu beeinflussen: Entweder legt er unmittelbar den Preis fest und die Konsumenten fragen die Menge nach, die sich aus der Nachfragefunktion ergibt. Oder er produziert eine bestimmte Menge, sodass sich auf dem Markt ein Preis bildet, zu dem die hergestellte Menge gerade verkauft werden kann.106 Die sich hieraus für den Monopolisten bietenden Möglichkeiten werfen die Frage auf, welches Verhalten für diesen sinnvoll ist, das heißt welchen Preis er verlangen kann bzw. welche Menge er produzieren sollte. Nach dem Gesagten führt eine Erhöhung des Angebots durch den Monopolisten automatisch dazu, dass der Marktpreis sinkt. Ausgehend davon, dass alle Konsumenten den gleichen Preis zahlen, sinkt 103

Vgl. Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 2-009 ff. 104 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1069; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3. Aufl. (2008), S. 7 ff.; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 360 ff. 105 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1069; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 368 f.; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 444 ff.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 129 f. 106 Vgl. Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1082; ausführlich auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 507 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 19 ff.; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 489 ff.

II. Wettbewerbssituation

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aber nicht nur der Preis für die zusätzlich produzierten Güter, sondern auch für die bereits hergestellten Einheiten. Daraus folgt, dass die Erlösänderung (sogenannter Grenzerlös) sich zusammensetzt aus dem geringeren Preis, der nunmehr für alle Einheiten erzielt werden kann, und dem Erlös, der durch die zusätzlich verkauften Güter erwirtschaftet wird. Neben dem Grenzerlös hat freilich auch der Monopolist die Grenzkosten zu berücksichtigen. Eine Angebotserhöhung ist für ihn nur dann sinnvoll, wenn der dadurch erwirtschaftete Grenzerlös die Grenzkosten übersteigt. Das Gewinnmaximum ist erreicht, wenn die Werte einander entsprechen. Nun liegt es aber im Interesse des Monopolisten, niedrige Preise zu vermeiden, um dadurch den Grenzerlös zu steigern. Dieses Ziel kann er durch Verknappung des Angebots oder dadurch erreichen, dass er einen höheren als den Wettbewerbspreis fordert. Im Gegensatz zum vollkommenen Wettbewerb stellt sich also ein Marktpreis ein, der über den Grenzkosten liegt.107 Die Grenzkosten sind Bezugspunkt des sogenannten Lerner-Index, der die Marktmacht eines Unternehmens mit der prozentualen Abweichung des Preises für ein Gut i (pi) von den Grenzkosten der Herstellung dieses Gutes (ci) beschreibt.108 Zu dessen Berechnung gilt im Grundsatz die Formel: Lã

pi  ci pi

Die Bestimmung des bestehenden Grades an Marktmacht kann noch spezifizierter erfolgen, wenn mittels des Lerner-Index die Preiselastizitäten der Nachfrage und des Angebots betrachtet werden.109 Dabei gibt die Preiselastizität der Nachfrage an, in welchem prozentualen Umfang sich die Nachfrage nach einem Gut aufgrund einer bestimmten prozentualen Erhöhung des Preises für dieses Gut ändert.110 Anhand der Preiselastizität kann nun, ohne hier auf Details einzugehen, festgestellt werden, ob ein Unternehmen 107

Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1083; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 21; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 493; s. auch Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 130 f. 108 Dazu im Einzelnen Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1126 ff.; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 472 f.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 49 ff.; s. auch Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 3-037 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3. Aufl. (2008), S. 55 ff. 109 Allgemein zu den Elastizitäten s. Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 65 ff. 110 Im Einzelnen Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1128 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kar-

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

durch eine Preiserhöhung seinen Umsatz und seinen Gewinn steigern kann. Dies ist bei einer unelastischen Nachfrage der Fall, sodass ein Monopolist seine Preise solange erhöhen wird, bis er den Bereich der elastischen Nachfrage erreicht hat. Demnach verfügt ein Monopolist bei einer geringen Preiselastizität der Nachfrage oft über große Marktmacht.111 Daneben kann mit dem Lerner-Index auch die Preiselastizität des Angebots beschrieben werden. Hierunter wird das Verhalten tatsächlicher oder potentieller Wettbewerber bei Preiserhöhungen verstanden.112 Bei einer geringen Preiselastizität des Angebots sind andere Unternehmen nur in geringem Maße in der Lage, die Nachfrage ausweichender Konsumenten zu befriedigen. Gründe hiefür können insbesondere nicht vorhandene Kapazitäten der Wettbewerber oder aber hohe Marktzutrittsschranken sein.113 Problematisch ist nun allerdings, dass sich, so fundiert das Konzept zur direkten Ermittlung von Marktmacht mittels des Lerner-Index auch sein mag, bei der praktischen Anwendung erhebliche Schwierigkeiten ergeben. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der Höhe der Grenzkosten, die in der Regel nicht oder nur unter erheblichem Aufwand möglich sein dürfte.114 Sinnvoller erscheint daher ein Verfahren der indirekten Ermittlung von Marktmacht, dessen Ausgangspunkt die Marktanteile der beteiligten Unternehmen bilden. Die dargelegten Grundzüge zur Marktmachtbestimmung nach dem Lerner-Index können hierbei aber argumentativ herangezogen werden. 2. Anwendung auf den Markt für Stimmrechtsberatung Die Marktanteile eines Unternehmens können einen Rückschluss auf dessen Marktmacht zulassen. Dabei bedeutet ein hoher Marktanteil allerdings nicht notwendigerweise, dass einem Unternehmen tatsächlich große Markttellrecht und Ökonomie, 2006, S. 50 ff.; allgemein s. auch Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 303 ff. 111 Vgl. Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 65 f. 112 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1135; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 68. 113 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1135; s. auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 476 ff. 114 Vgl. die Kritik von Pyndick, 28 J. L. & Econ. 193 (1985); s. auch Bishop/ Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 3-037 ff.; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1141 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 62 ff.

II. Wettbewerbssituation

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macht zukommt. Vielmehr ist ein Vorgehen in drei Schritten notwendig. Erstens ist der Markt abzugrenzen, zweitens sind die Marktanteile der agierenden Unternehmen zu bestimmen und drittens sind die Marktanteile unter Berücksichtigung der auf dem Markt bestehenden Wettbewerbsbedingungen zu interpretieren.115 a) Marktabgrenzung aa) Allgemeines Im Kartellrecht erfolgt die Marktabgrenzung durch das von der Rechtsprechung und der Europäischen Kommission entwickelte sogenannte Bedarfsmarktkonzept.116 Das Konzept stellt auf das Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit aller zu einem Markt gehörenden Güter ab.117 Danach handelt es sich dann um einen sachlich relevanten Markt, wenn aus Sicht der Konsumenten die in Rede stehenden Produkte und Leistungen wegen ihrer Eigenschaften zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs gleichermaßen geeignet sind und deren Austauschbarkeit mit anderen Erzeugnissen oder Leistungen gering ist.118 Die Marktabgrenzung mittels des Kriteriums der funktionellen Austauschbarkeit von Gütern wird allerdings kritisiert. Eine vollständige oder überwiegende funktionelle Austauschbarkeit der Produkte sei ein zu enges Kriterium. Zur Verhinderung von Marktmacht reiche es häufig schon aus, wenn nur ein relativ geringer Teil der Konsumenten bei einer Preiserhöhung auf andere Produkte ausweicht.119 Sie bevorzugen es daher, Märkte mittels des hypothetischen Monopoltests abzugrenzen. Der Test untersucht die Frage, ob ein gewinnmaximierender hypothetischer Monopolist den Preis für das in Rede stehende Produkt anheben würde. Bejahendenfalls 115 Zum Ganzen Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1145. 116 Vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 5, Rn. 12 ff., § 14, Rn. 39 ff.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 292 ff., 329 ff. jew. m. w. N. 117 Vgl. EuGH, Urt. v. 15. 02. 1979 – C-85/76, Slg. I-461, Rn. 28 – HoffmannLaRoche/Kommission; EuGH, Urt. v. 09. 11. 1983 – C-322/81, Slg. I-3461, Ls. 7 – Michelin/Kommission. 118 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 5, Rn. 12; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 292. 119 Zu diesem und anderen Kritikpunkten s. Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1147; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 67 ff.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 292 ff.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

verfügte er über Marktmacht.120 Ob ein hypothetischer Monopolist eine Preiserhöhung durchführen würde, hängt maßgeblich damit zusammen, ob eine Nachfragesubstitution stattfinden kann und ob Angebotsreaktionen anderer Unternehmen möglich sind. Sofern das der Fall ist, ist die Marktmacht beschränkt. Daraus folgt, dass anhand der Marktanteile keine Aussage über die Marktmacht getroffen werden könnte. Um eine Aussage treffen zu können, muss es sich also um einen Markt handeln, auf dem ein hypothetischer Monopolist eine Preiserhöhung durchführen würde.121 bb) Bedarfsmarktkonzept Beide Konzepte können hier zur Abgrenzung herangezogen werden. Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist zu untersuchen, welche Güter gegeneinander ausgetauscht werden können, jedoch stets den Beratungsbedarf der institutionellen Anleger befriedigen. In Rede stehen hier Abstimmungsempfehlungen wie sie die oben beschriebenen Unternehmen ihren Kunden unterbreiten. Es ist kein Substitut ersichtlich, dass das Beratungsbedürfnis der institutionellen Anleger in gleicher Weise befriedigen kann wie diese Empfehlungen. Der Markt besteht demnach aus jenen Unternehmen, die Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger anbieten. Darunter fallen alle oben aufgeführten Unternehmen, aber etwa nicht die als „Sonderformen“ beschriebenen Institutionen wie insbesondere die DSW und die SdK. cc) Hypothetischer Monopoltest Für einen hypothetischen Monopoltest kommt es maßgeblich auf die Möglichkeiten einer Nachfrage- und einer Angebotssubstitution an. Ökonomen bestimmen die Möglichkeit einer Nachfragesubstitution mittels einer Berechnung der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage. Die Kreuzpreiselastizität gibt an, um wie viel Prozent sich die Nachfrage nach einem Gut ändert, wenn der Preis des anderen Gutes um 1% erhöht wird.122 Im Grundsatz wird also – im Unterschied zum Bedarfsmarktkonzept aber mittels einer 120

Grundlegend bereits Adelman, 45 Va. L. Rev. 684, 688 f. (1959); aus dem frühen US-amerikanischen Schrifttum s. auch Landes/Posner, 94 Harv. L. Rev. 937 (1981); Werden, 33 Duke L. J. 514 (1983). Zum hypothetischen Monopoltest s. allgemein die Darstellungen bei Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 4-005 ff.; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1148 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 69 ff.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 300 ff. 121 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1149 f.

II. Wettbewerbssituation

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exakten Berechnung – auch hier untersucht, inwiefern Konsumenten (bei Preiserhöhungen) auf andere Güter ausweichen können. Es gilt daher das bereits Gesagte: Andere Dienstleistungen, die die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen durch die Stimmrechtsberater ersetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Es fehlt daher schon an einem tauglichen Gut, das zur Berechnung einer Kreuzpreiselastizität herangezogen werden könnte. Von einer Nachfragesubstitution ist daher nicht auszugehen, sodass insoweit keine Bedenken bestehen, vom Marktanteil einen Rückschluss auf die Marktmacht zu ziehen. Zu untersuchen ist aber auch die Möglichkeit einer Angebotssubstitution.123 Hierbei geht es um die Frage, ob im Falle der Preiserhöhung durch einen hypothetischen Monopolisten andere Unternehmen das Produkt ebenfalls anbieten würden, um von den zu erwartenden höheren Gewinnen zu profitieren. Dies kann entweder durch Unternehmen geschehen, die bislang auf einem anderen Markt tätig sind, die ihr Angebot aber leicht umstellen können (Angebotssubstitution), oder aber durch solche Unternehmen, die erst nach entsprechenden Investitionen in den Markt eintreten können (Marktzutritt).124 Zur Marktabgrenzung ist nur die Angebotssubstitution von Bedeutung, während die Frage des Marktzutritts im Rahmen der Analyse der Wettbewerbsbedingungen erfolgt.125 Es kommt also zunächst nur darauf an, ob es Unternehmen gibt, die ihr Angebot ohne erheblichen Aufwand so umstellen können, dass es dem Angebot des dominierenden Stimmrechtsberaters ISS entspricht (uncommited entry). Dabei ist zu berücksichtigen, ob bei einer Umstellung des Angebots erhebliche versunkene Kosten (sunk costs) entstehen, also solche Kosten, die nicht wieder, z. B. durch Verkauf, „hereingeholt“ werden können.126 Für eine Angebotssubstitution kommen 122 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1152; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 67 f. Zur Nachfragesubstitution s. auch Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 4-011; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 72 ff.; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 306. 123 Dazu auch Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 3. Aufl. (2010), Rn. 4-012 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 75 ff. 124 Vgl. Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1155; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 75. 125 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1155 a. E. 126 Grundlegend Baumol/Willig, 96 Q. J. Econ. 405, 418 f. (1981); s. dazu auch Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 55 ff.; Kerber/ Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

die anderen auf dem Markt der Stimmrechtsberatung agierenden Unternehmen in Betracht. Die obigen Darstellungen dieser Unternehmen haben gezeigt, dass der wesentliche Unterschied zu ISS in der Anzahl der Hauptversammlungsanalysen besteht, die jeweils erstellt werden. ISS bietet die mit Abstand größte Abdeckung. Damit steht die Frage im Raum, ob die anderen Stimmrechtsberater ohne erheblichen Kostenaufwand in der Lage wären, die Anzahl der Hauptversammlungsanalysen signifikant zu erhöhen. Dafür ist zum einen die Sammlung der notwendigen Informationen erforderlich und zum anderen deren an Grundsätzen einer „guten“ Corporate Governance orientierte Auswertung. ISS bietet Hauptversammlungsanalysen für mehr als 40.000 Gesellschaften an. Für fast alle anderen Stimmrechtsberater liegt eine genaue diesbezügliche Angabe nicht vor. Die weit geringeren Kundenzahlen, der geringere Anzahl des von den Kunden verwalteten Vermögens sowie die geringere Anzahl an Mitarbeitern127 lassen aber vermuten, dass die anderen US-amerikanischen Stimmrechtsberater für erheblich geringere Anzahl an Gesellschaften Empfehlungen aussprechen. Eine ähnliche Vermutung gilt für die dargestellten europäischen Unternehmen, deren Zusammenarbeit über den ECGS ersichtlich von dem Bemühen getragen ist, institutionellen Anlegern ein Angebot für eine größere Anzahl von Gesellschaften unterbreiten zu können. Lediglich Glass Lewis ist es in den letzten Jahren gelungen, sein Angebot langsam auszuweiten. Heute bietet der Stimmrechtsberater Analysen für mehr als 23.000 Hauptversammlungen an. Dass selbst Glass Lewis als zweitgrößter Stimmrechtsberater den Umfang seines Angebots bis heute nicht auf das Niveau von ISS ausweiten konnte, zeigt, dass eine Angebotssubstitution auf dem Markt für Stimmrechtsberatung kaum möglich ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass für eine Ausweitung des Beratungsangebots zunächst Kosten versenkt werden müssen, vor allem durch die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter und durch die Entwicklung von Analysekonzepten für andere Märkte. dd) Ergebnis Eine Marktabgrenzung ist damit sowohl auf Grundlage des Bedarfsmarktkonzepts als auch auf Grundlage des hypothetischen Monopoltests möglich. Der relevante Markt ist jeweils zu umschreiben mit der Dienstleistung der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger. WettbR, 2007, Einl., Rn. 1019, 1155. Zum Begriff der versunkenen Kosten s. auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 300 f.; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 417 f. 127 Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13; dazu schon oben S. 39.

II. Wettbewerbssituation

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Der hypothetische Monopoltest hat gezeigt, dass die Marktanteile Rückschlüsse auf die Marktmacht zulassen. b) Bestimmung der Marktanteile Eine exakte Bestimmung der Marktanteile ist schwierig, weil Daten zum Umfang der Tätigkeit der einzelnen Stimmrechtsberater nur in begrenztem Umfang zugänglich sind. Eine genaue Bezifferung ist daher nicht möglich. Dennoch bieten die im Rahmen der Bedeutung der einzelnen Stimmrechtsberater dargelegten Umstände und Rückschlüsse Anhaltspunkte, um eine Aussage über bestehende Marktanteile treffen zu können. So wurde festgestellt, dass Ethos, Proxinvest und Ivox in einem geopraphisch begrenzten Raum agieren. Große institutionelle Anleger mit international breit diversifiziertem Portfolio werden sich schon deshalb nicht an diese Stimmrechtsberater wenden, weil sie lediglich für eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Gesellschaften Abstimmungsempfehlungen aussprechen. Demgemäß sind auch die Kundenzahlen sehr gering. Der für den Einfluss auf Abstimmungsentscheidungen aussagekräftigere Umfang des von den Kunden verwalteten Vermögen ist lediglich im Falle von Ivox und auch hier nur teilweise bekannt.128 Insoweit kann festgestellt werden, dass das Vermögen der Kunden selbst bei dem – gemessen an dieser Zahl – kleinsten US-amerikanischen Stimmrechtsberater MCG um ein Vielfaches größer ist. Ingesamt ist davon auszugehen, dass Ivox und Proxinvest über keinen nennenswerten Marktanteil verfügen. Ethos hat allenfalls bei Generalversammlungen von schweizerischen Aktiengesellschaften Bedeutung, verfügt international aber ebenfalls über keinen nennenswerten Marktanteil. Selbst die Kumulation der Angebote mehrerer national agierender Stimmrechtsberater über den ECGS ist zu vernachlässigen, da es sich bei den drei untersuchten Partnerunternehmen (Ethos, Proxinvest, DSW) um Stimmrechtsberater mit so geringer Bedeutung handelt, dass auch ein Zusammenwirken die Bedeutung nicht merklich steigern kann. Für die weiteren Partner kann eine ähnlich geringe Bedeutung unterstellt werden. Unbeachtet bleiben können des Weiteren die DSW, die SdK und Governance for Owners. Sie alle eignen sich aus den genannten Gründen nicht als Stimmrechtsberater für institutionelle Anleger, sodass nicht davon auszugehen ist, dass sie insoweit in Anspruch genommen werden. Für die dargestellten US-amerikanischen Stimmrechtsberater kann auf die Daten aus der Studie des GAO zurückgegriffen werden. Die größte Aus128 Die Mitglieder des BVI, die den Großteil der Kunden von Ivox darstellen, verwalten ein Vermögen von 1.794 Milliarden Euro.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

sagekraft hinsichtlich des Einflusses eines Stimmrechtsberaters auf Abstimmungsergebnisse hat die Größe des von den Kunden verwalteten Vermögens. Von der Größe des Vermögens hängt die Anzahl der von Kunden gehaltenen Aktien ab und je mehr Aktien die Kunden halten, desto mehr Stimmrechte stehen ihnen zu. Unterstellt man, dass es nur die vier Stimmrechtsberater gibt, für die Daten zum Vermögen der Kunden vorliegen, und berechnet man auf dieser Grundlage die Marktanteile, so ergibt sich folgendes Bild: Tabelle 2 Marktanteile unter US-amerikanischen Stimmrechtsberatern Vermögen der Kunden (geschätzt, in US- Dollar)

Marktanteil

ISS

25,5 Billionen

61,32%

MCG

0,085 Billionen

0,2 %

15 Billionen

36,07%

1 Billion

2,4 %

Glass Lewis PGI

Zu der Übersicht ist anzumerken, dass die Daten aus dem Jahr 2007 stammen und sich inzwischen Veränderungen ergeben haben. Insbesondere hat der Stimmrechtsberater PGI seine Tätigkeit eingestellt, sodass dessen Marktanteil vermutlich an einen oder mehrere Konkurrenten gefallen ist. Zudem soll das Vermögen der Kunden von Glass Lewis nach eigenen Angaben inzwischen einen Umfang von 17 Billionen US-Dollar erreicht haben. Außerdem liegen für Egan-Jones keine Daten vor. Im Zuge der Darstellung dieses Stimmrechtsberaters ist bereits angemerkt worden, dass dessen Kundenzahl zwar beträchtlich ist (400). Es ist aber wohl davon auszugehen, dass das von den Kunden verwaltete Vermögen eher gering ist. Diese Vermutung wird von der Studie von Choi/Fisch/Kahan gestützt, in der kein signifikanter Einfluss einer Empfehlung von Egan-Jones auf das Abstimmungsergebnis festgestellt werden konnte.129 Damit ist zu konstatieren, dass neben ISS nur Glass Lewis über einen Marktanteil in nennenswertem Umfang verfügt.130 Geht man davon aus, 129

Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 901 (2010). So konnten Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 901 (2010) denn auch nur bei Abstimmungsempfehlungen von ISS und Glass Lewis einen signifikanten Einfluss auf Abstimmungsergebnisse feststellen. 130

II. Wettbewerbssituation

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dass Glass Lewis seit Erhebung der Daten im Jahr 2007 weiter Marktanteile hinzugewinnen konnte – und darauf deutet die Angabe, dass die Kunden des Stimmrechtsberaters inzwischen ein Vermögen im Umfang von 17 Billionen US-Dollar verwalten, hin – so ergibt sich ein Verhältnis eines Marktanteils von rund 60% bei ISS zu einem Marktanteil von knapp 40% bei Glass Lewis. Die Marktanteile aller anderen Stimmrechtsberater können vernachlässigt werden. c) Wettbewerbsbedingungen Die Marktanteile sind nunmehr im Lichte bestehender Wettbewerbsbedingungen zu interpretieren. Dabei geht es um die Frage, inwieweit ISS und Glass Lewis aufgrund ihrer hohen Marktanteile tatsächlich Marktmacht zukommt. Die Marktmacht könnte durch das Bestehen potentiellen Wettbewerbs eine Beschränkung erfahren. Dessen Bestehen hängt wiederum davon ab, in welchem Maße Marktzutrittsschranken die jederzeitige Schaffung eines Konkurrenzangebots behindern. aa) Potentieller Wettbewerb Die Marktmacht von Unternehmen kann eine Beschränkung nicht nur durch tatsächlichen Wettbewerb erfahren, sondern auch dadurch, dass andere Unternehmen jederzeit in den Markt eintreten könnten. Diese Möglichkeit wird von der Theorie angreifbarer Märkte (contestable markets) beschrieben.131 Potentieller Wettbewerb besteht nur dann, wenn ein Markt angreifbar ist. Markteintritt und Marktaustritt müssen kostenlos und ohne Zeitverzögerung möglich sein, dürfen also keine versunkenen Kosten verursachen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können auch etablierte Unternehmen nur den Wettbewerbspreis verlangen. Sie müssen schließlich damit rechnen, dass andernfalls sofort ein potentieller Konkurrent den Markt betritt, einen geringeren Preis verlangt, Gewinne realisiert und den Markt sofort wieder verlässt, sobald die etablierten Unternehmen ihrerseits 131 Grundlegend Baumol, 72 Am. Econ. Rev. 1 (1982); Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets and the Theory of Industrial Structure, 1982; dies., 73 Am. Econ. Rev. 491 (1983). Aus dem deutschen Schrifttum s. die Darstellungen bei Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 51 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1990, S. 41 ff.; Kerber, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. (2007), S. 369, 383 f.; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1184 ff.; Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, 1994, S. 56 ff.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 182 ff.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

Preissenkungen vornehmen (hit and run entry).132 Diese Annahme gilt nicht nur für Monopolisten, sondern auch für oligopolistisch strukturierte Märkte mit mehreren Unternehmen.133 Bei den Bedingungen für potentiellen Wettbewerb handelt es sich allerdings um eine modelltheoretische Vorstellung, die in der Realität nur selten vorliegen wird. Meistens werden Unternehmen bei einem Marktzutritt jedenfalls geringe versunkene Kosten entstehen. Die etablierten Unternehmen können schnell auf den niedrigeren Preis reagieren, sodass der Marktneuling keine Gewinne realisieren kann.134 Dennoch liefert die Theorie angreifbarer Märkte eine wichtige Erkenntnis, indem sie auf die Bedeutung des potentiellen Wettbewerbs hinweist: Wenn ein Marktzutritt bei nur geringen versunkenen Kosten möglich ist, so entfaltet der potentielle Wettbewerb eine stärkere disziplinierende Wirkung auf die etablierten Unternehmen als wenn Kosten in erheblichem Umfang versenkt werden müssen.135 Ob Unternehmen potentiellem Wettbewerb ausgesetzt sind, hängt also – allgemeiner formuliert – davon ab, ob und in welchem Maße Marktzutrittsschranken bestehen. bb) Marktzutrittsschranken Zu untersuchen ist somit das Bestehen von Marktzutrittsschranken auf dem Markt der Stimmrechtsberater. In Betracht kommen strategische Marktzutrittsschranken, die darauf beruhen, dass ISS das erste auf dem Markt agierende Unternehmen war und ihm hieraus Vorteile erwachsen (first-mover advantage).136

132 Baumol, 72 Am. Evon. Rev. 1, 3 ff. (1982); s. auch Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1019, 1185; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 183. 133 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1019. 134 Zur Kritik an der Theorie angreifbarer Märkte s. etwa Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 53 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1990, S. 46 ff.; Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, 1994, S. 61 ff. 135 Vgl. Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 60; Kerber, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. (2007), S. 369, 383 f.; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1186. 136 Dazu grundlegend Lieberman/Montgomery, 9 Strat. Mgmt. J. 41 (1988).

II. Wettbewerbssituation

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(1) Kostenversenkung bei Marktzutritt Institutionelle Anleger betreiben eine Diversifikation ihrer Risiken und halten daher eine Vielzahl von Beteiligungen. Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass ein Stimmrechtsberater zu einer umfassenden Beratung in der Lage sein, also Abstimmungsempfehlungen für eine möglichst große Anzahl von Hauptversammlungen abgeben muss. Er wird erst und nur dann Kunden akquirieren können, wenn sein Beratungsangebot einen gewissen Umfang erreicht hat.137 Der Aufbau dieses Beratungsangebots verursacht erhebliche Kosten.138 Der Marktneuling muss Richtlinien entwickeln, an denen er seine Abstimmungsempfehlungen ausrichtet. Er muss Informationen zu jeder einzelnen Abstimmungsentscheidung bei tausenden Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern sammeln und auswerten. Und er muss in der Lage sein, hieraus eine Abstimmungsempfehlung zu entwickeln und diese seinen Kunden samt einer Begründung zu übermitteln. Die Investitionen in die Entwicklung eines solchen Beratungssystems sind irreversibel, können also nicht wieder rückgängig gemacht werden. Es handelt sich um versunkene Kosten. Das gleiche gilt für die notwendige Errichtung eines Systems, mittels dessen institutionelle Anleger ihre Stimmrechte verwalten und über deren Ausübung – mit oder entgegen dem erteilten Abstimmungsvorschlag – entscheiden können. Demgegenüber haben etablierte Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis diese Kosten bereits zu einem früheren Zeitpunkt versenkt, können also auf ein bestehendes Beratungssystem zurückgreifen. Sie haben technologischen Vorsprung. Ihnen entstehen nur Kosten für den „Betrieb“ des mit der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen und der Stimmrechtsausübung betrauten Geschäftsbereichs, nicht aber für dessen Entwicklung. (2) Zunehmende Skalenerträge Stimmrechtsberater entwickeln standardisierte Abstimmungsempfehlungen, die grundsätzlich gegenüber allen Kunden in gleicher Weise ausgesprochen werden. Es entstehen also nur einmalig nennenswerte Kosten, während das Produkt (die Abstimmungsempfehlung) in unbegrenzter Anzahl verkauft werden kann. Die Grenzkosten sind gering bzw. sogar fast null. Demzufolge sinken die auf jede einzelne Abstimmungsempfehlung entfallenden Kosten mit zunehmender Kundenzahl. Bei sinkenden Durchschnittskosten 137 138

s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 416 (2009). Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13 f.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

spricht man von zunehmenden Skalenerträgen (returns to scale, economies of scale).139 Die geringen Grenzkosten führen dazu, dass Stimmrechtsberater mit jedem zusätzlichen Kunden, der eine Abstimmungsempfehlung nachfragt, ihre Dienste kostengünstiger anbieten können. Hierzu sind Marktneulinge, die noch keine Kunden haben, nicht in der Lage. Zunehmende Skalenerträge bilden daher eine bedeutsame Marktzutrittsschranke. Aus Gründen der Effizienz erscheint es sinnvoll, wenn ein Produkt bzw. eine Dienstleistung von nur einem Unternehmen angeboten wird. Dieser Zustand wird als natürliches Monopol bezeichnet.140 Aufgrund der durch Skalenerträge gegebenen Möglichkeit eines kostengünstigeren Angebots durch den Marktführer sei „ein Konsolidierungsprozess zu erwarten, in dessen Verlauf Konkurrenten nach und nach aus dem Markt austreten, so dass nur ein Unternehmen übrig bleibt“141. Im Zuge der Beschreibung einzelner Stimmrechtsberater ist darauf hingewiesen worden, dass ISS und Proxinvest auch individualisierte Abstimmungsempfehlungen entwickeln. Diese werden auf Grundlage einer speziell für den jeweiligen Kunden entwickelten Abstimmungspolitik erstellt und können von den allgemeinen Empfehlungen abweichen. Im Zusammenhang mit zunehmenden Skalenerträgen stellt sich die Frage, ob diese auch bestehen, wenn eine Vielzahl von Kunden individualisierte Abstimmungsempfehlungen nachfragt. Individualisierte Abstimmungsempfehlungen werden sowohl bei ISS als auch bei Proxinvest auf Grundlage eines Kriterienkatalogs entwickelt, den der Stimmrechtsberater orientiert an den Präferenzen seines Kunden erstellt hat. Der wesentliche Unterschied zu den allgemeinen Abstimmungsempfehlungen besteht darin, dass einzelne Kriterien eine andere Gewichtung erfahren können. Kosten entstehen einem Stimmrechtsberater aber vor allem dabei zu ermitteln, ob ein bestimmtes Kriterium erfüllt ist oder nicht. Diese Arbeit leistet er schon im Zuge der Ermittlung der allgemeinen Abstimmungsempfehlung. Die Gewichtung kann zwar entscheidend dafür sein, welche Empfehlung letztlich ausgesprochen wird. Sie ist aber mittels moderner Datenverarbeitungssysteme einfach vorzunehmen 139 s. dazu etwa Geroski, Market Dynamics and Entry, 1991, S. 185 ff.; Hay/ Morris, Industrial Economics and Organization, 1991, S. 38 ff.; s. auch Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 63 f.; Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1466; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3. Aufl. (2008), S. 24 f.; unter dem Begriff der „Größenersparnisse“ s. Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1990, S. 163 ff. 140 Zum Begriff des natürlichen Monopols s. eingehend Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3. Aufl. (2008), S. 21 ff.; instruktiv auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 483 f. 141 Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1467.

II. Wettbewerbssituation

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und verursacht keine wesentlichen zusätzlichen Kosten, die der Stimmrechtsberater neben den Kosten für die Ermittlung der allgemeinen Abstimmungsempfehlung zu tragen hätte. Der Umstand, dass insbesondere ISS auch individualisierte Abstimmungsempfehlungen abgibt, führt nicht zu einer Einschränkung des Arguments, dass zunehmende Skalenerträge den Zutritt zum Markt der Stimmrechtsberatung beschränken. (3) Netzwerkeffekte Netzwerkeffekte (Netzeffekte, network effects) treten auf, wenn der Nutzen eines Guts oder einer Dienstleistung mit einer zunehmenden Anzahl an Nutzern steigt. Eine große Anzahl von Nutzern führt dazu, dass sich weitere Nutzer eher für das gleiche Gut oder die gleiche Dienstleistung entscheiden werden.142 Ein klassisches Beispiel ist das Telefonnetz: Je mehr Nutzer es gibt, desto mehr Kommunikationsmöglichkeiten bestehen. Neue Nutzer haben daher einen größeren Anreiz, sich ebenfalls für einen Telefonanschluss zu entscheiden.143 Ein weiteres Beispiel ist die weite Verbreitung eines Computer-Betriebssystems, die zur Entwicklung einer großen Menge kompatibler Software führt und es somit („Rückkopplungseffekt“) für neue Konsumenten attraktiv macht.144 Gleiches gilt für die weite Verbreitung der QWERTY- bzw. QWERTZ-Tastatur, die es für Nutzer lohnenswert erscheinen lässt, das Schreiben mit dieser Tastenanordnung zu erlernen.145 Auch bei Stimmrechtsberatern gibt es Netzwerkeffekte. Die große Kundenanzahl, die insbesondere ISS vorweisen kann, führt in zweierlei Hinsicht zu Rückkopplungseffekten. Zum einen besteht für andere institutionelle Anleger ein Anreiz, sich ebenfalls von ISS beraten zu lassen. Sie entziehen Kritikern, die ihnen einen nicht verantwortungsvollen Umgang mit ihren Stimmrechten vorwerfen, von vornherein die Grundlage, indem sie diese entsprechend der Empfehlungen von ISS ausüben. Diese Praxis ist allgemein akzeptiert, was sich darin widerspiegelt, dass eine große Anzahl in142

Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 67; Kerber/ Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKommWettbR, 2007, Einl., Rn. 1190; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 7. Aufl. (2009), S. 189 ff.; im Zusammenhang mit Stimmrechtsberatern s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 412 (2009). 143 Beispiel nach Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1190; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 165 f. 144 Dazu eingehend Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 68 ff. 145 Beispiel nach Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 412 f. (2009).

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

stitutioneller Anleger ebenso verfährt.146 Außerdem führt erst das Zusammenwirken vieler institutioneller Anleger dazu, dass Abstimmungsergebnisse beeinflusst werden können.147 Institutionelle Anleger, die wirklich Einfluss auf die Corporate Governance von Unternehmen ausüben wollen, haben daher einen Anreiz, einen Stimmrechtsberater zu engagieren, den auch viele andere nutzen. Zum anderen steigt mit einer zunehmenden Anzahl institutioneller Anleger, die Dienste von ISS in Anspruch nehmen, auch für Unternehmen der Anreiz, sich von ISS (bzw. von ICS) in Fragen der Corporate Governance beraten zu lassen. Die Unternehmen sind, wenn sie Abstimmungsniederlagen vermeiden wollen, gezwungen, die Richtlinien von ISS zu befolgen. Dies erreichen sie am besten dadurch, dass sie das Beratungsangebot von ICS in Anspruch nehmen.148 (4) Wechselkosten Potentieller Wettbewerb wird auch durch Wechselkosten (switching costs) behindert. Wechselkosten sind die Kosten, die einem Konsumenten entstehen, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung von einem anderen Anbieter beziehen möchte als bisher.149 Sie tauchen in unterschiedlicher Weise auf.150 Zunächst verursacht es Kosten, dass ein Konsument sich mit dem Angebot eines Marktneulings auseinandersetzen und dieses bewerten muss. Weitere Aufwendungen sind notwendig, um die Kommunikation und damit möglicherweise die Betriebsorganisation auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Anbieter umzustellen. So müssten die Mitarbeiter eines institutionellen Anlegers sich erst mit der Art und Weise vertraut machen, in der ihnen Abstimmungsempfehlungen unterbreitet werden. Dies kann gerade aufgrund der großen Menge unterschiedlicher Gesellschaften und unterschiedlicher Arten von Abstimmungen eine erhebliche Eingewöhnungszeit erfordern.151 146 Strine, 30 Del. J. Corp. L. 673, 688 (2005); s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 413 (2009). 147 Zum sog. Kollektivhandlungsproblem s. noch S. 136 ff., S. 149 ff. und S. 184 ff. 148 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 413 (2009). 149 Vgl. Klemperer, 102 Q. J. Econ. 375 (1987); s. auch Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 65 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1990, S. 222 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2006, S. 166 f. 150 Übersicht bei Lieberman/Montgomery, 9 Strat. Mgmt. J. 41, 46 (1988). 151 Vgl. Lieberman/Montgomery, 9 Strat. Mgmt. J. 41, 46 (1988), die das Beispiel der Krankenschwestern nennen, die sich an ein bestimmtes Material, mit dem intravenöse Zugänge gelegt werden, gewöhnt haben und die nicht gewillt sind, das Material eines anderen Anbieters zu verwenden.

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Hinzu kommt, dass zahlreiche institutionelle Anleger ihre Stimmrechte auch von dem beauftragten Stimmrechtsberater ausüben lassen. Ein Wechsel würde es notwendig machen, das die gesamten in die voting platform eines Stimmrechtsberaters eingestellten Daten auf einen anderen Anbieter übertragen werden müssen. Dies verursacht wohl einen erheblichen Aufwand. Außerdem besteht die Gefahr, dass einzelne Daten nicht korrekt übertragen und in der Folge Stimmrechte nicht oder nicht korrekt ausgeübt werden.152 Dementsprechend äußern institutionelle Anleger, dass sich die langjährige Zusammenarbeit mit ISS bewährt hat. Sie hätten daher keinen Grund, zu einem anderen Anbieter zu wechseln.153 Wechselkosten können sich außerdem aus dem Verlust von Vorteilen ergeben, die der Konsument aus Vereinbarungen mit dem bisherigen Anbieter erlangt und die typischerweise durch die dauernde Nutzung von dessen Angebot bedingt sind (z. B. Treuerabatte und Vielfliegerprogramme).154 Ob derartige Vereinbarungen auch zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern getroffen werden, ist allerdings nicht bekannt. Aus der Existenz von Wechselkosten ergibt sich auch, dass es nicht ausreicht, wenn ein Marktneuling das gleiche Angebot bietet wie ISS. Das Angebot muss vielmehr auch geeignet sein, einen Konsumenten trotz entstehender Wechselkosten dazu zu bringen, einen anderen Stimmrechtsberater zu engagieren. Wechselkosten sind daher im Zusammenhang mit der Kostenversenkung bei Markteintritt zu sehen. Ein Marktneuling muss ein noch umfangreicheres bzw. besseres Angebot zur Verfügung stellen als ein etablierter Anbieter, muss also bei Marktzutritt noch mehr Kosten versenken.155 (5) Besetzung attraktiver Marktsegmente Ein First-Mover-Vorteil (first-mover advantage) ergibt sich häufig daraus, dass in einem Markt nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen gewinnbringend arbeiten kann. Das erste in dem Markt agierende Unternehmen kann die attraktivsten Marktsegmente besetzen, sodass für später eintretende Unternehmen nur noch nicht profitable Bereiche verbleiben.156 Außerdem 152

Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 413 f., 417 (2009) m. w. N. Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 13. 154 Lieberman/Montgomery, 9 Strat. Mgmt. J. 41, 46 (1988); s. auch Kerber/ Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKommWettbR, 2007, Einl., Rn. 1191. 155 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 416 (2009): „Merely providing the same coverage as ISS may not be enough to attract clients.“ 156 Zu entsprechenden unternehmerischen Strategien s. eingehend Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 64 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1990, S. 210 ff. 153

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

kann das etablierte Unternehmen mittels strategischen Handelns die Gewinnmöglichkeiten von Marktneulingen beschränken (strategies of spatial preemption)157, etwa indem es seine Produktvielfalt stetig erweitert und auf diese Weise möglichen Marktneulingen keinen ausreichenden Marktanteil überlässt.158 ISS konnte als erstes in dem Markt agierendes Unternehmen eine erhebliche Anzahl an Kunden gewinnen, die aufgrund von Wechselkosten nicht ohne Anlass zu einem Konkurrenten wechseln werden. Für Marktneulinge fallen die von ISS beratenen institutionellen Anleger daher grundsätzlich als Kunden weg, sie müssen sich um andere institutionelle Anleger bemühen.159 Außerdem ist ISS darum bemüht, mittels einer großen Produktvielfalt viele Marktnischen zu besetzen. Das zeigt neben dem neu errichteten Angebot individualisierter Abstimmungsempfehlungen auch die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Abstimmungsrichtlinien zu wählen. Beide Angebote sind wohl Reaktionen auf die Versuche von Konkurrenzunternehmen in Marktnischen einzutreten. Individualisierte Abstimmungsempfehlungen gibt es etwa auch bei dem französischen Stimmrechtsberater Proxinvest, der möglicherweise für ISS Vorbild für die Schaffung einer vergleichbaren Option war, die den Kunden nunmehr zur Verfügung gestellt wird. Mit den vier unterschiedlichen Abstimmungsrichtlinien, die ISS anbietet („U.S. and International Benchmark“, „Taft-Hartley“, „Social Advisory“ und „Public Fund Advisory“160), sollen gezielt bestimmte Gruppen institutioneller Anleger angesprochen werden. Bemerkenswert ist insbesondere das Angebot für Taft-Hartley funds, mit dem ISS wohl gezielt Marktanteile von MCG übernehmen will. Diese Besetzung von Marktsegmenten von ISS führt zu einem Verdrängungswettbewerb mit kleineren, bereits existenten Anbietern und hindert Marktneulinge an einem Marktzutritt. (6) Zwischenergebnis Der Markt der Stimmrechtsberater ist von hohen Marktzutrittsschranken geprägt, die potentiellen Wettbewerb nicht nur erschweren, sondern ihn fast gänzlich verhindern. Die wesentlichen Gründe dafür liegen darin, dass ein Marktneuling zunächst erhebliche Kosten versenken muss, während etab157

Lieberman/Montgomery, 9 Strat. Mgmt. J. 41, 44 (1988). Gey, Potentieller Wettbewerb und Marktbeherrschung, 2004, S. 64 f.; Kerber/ Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKommWettbR, 2007, Einl., Rn. 1191 a. E. 159 s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 414 (2009). 160 s. unter http://www.issgovernance.com/proxy/policyoptions (Stand: 23. 04. 2012). 158

II. Wettbewerbssituation

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lierte Unternehmen von zunehmenden Skalenerträgen und Netzwerkeffekten profitieren. Ein gewinnbringender sofortiger Marktzutritt ist daher kaum möglich. cc) Bewertung der gegenwärtigen Wettbewerbssituation und künftige Entwicklung Die Untersuchung hat gezeigt, dass auf dem Markt der Stimmrechtsberater kein potentieller Wettbewerb herrscht. Daher lässt sich die Wettbewerbssituation anhand der ermittelten Marktanteile beschreiben. Sie stellt sich als ein Oligopol in der Form des Duopols dar, das aus ISS und Glass Lewis besteht.161 Daneben existieren mehrere kleinere Stimmrechtsberater mit geringer, lokal begrenzter Bedeutung. Dieses Ergebnis entspricht dem Ergebnis der Studie von Choi/Fisch/Kahan, die nur bei Abstimmungsempfehlungen von ISS und Glass Lewis signifikante Einflüsse auf den Ausgang von Abstimmungsentscheidungen feststellen konnten.162 Für die hier durchzuführende Untersuchung zu Stimmrechtsberatern ist neben der gegenwärtigen Situation auch von Bedeutung, wie sich die Marktanteile und damit die Marktmacht in Zukunft entwickeln werden.163 Neue Anbieter mit einer über einen regional begrenzten Raum hinausgehenden Bedeutung sind aufgrund der hohen Marktzutrittsschranken eher nicht zu erwarten. Von Interesse ist daher vor allem das zu erwartende Verhältnis der Marktanteile von ISS und Glass Lewis. (1) Grund für den Aufstieg von Glass Lewis Glass Lewis konnte in den letzten Jahren erhebliche Marktanteile hinzugewinnen und ist zum einzigen ernsthaften Konkurrenten von ISS aufgestiegen. Der Aufstieg ist primär der anhaltenden Kritik geschuldet, der ISS aufgrund der gleichzeitigen Beratung von institutionellen Anlegern einerseits und Unternehmen andererseits ausgesetzt ist. Glass Lewis bietet Unternehmen seine Dienste nicht an und konnte daher damit werben, dass die Abstimmungsempfehlungen (jedenfalls insoweit) unbeeinflusst von 161 So auch die Einschätzung von Larcker/McCall/Ormazabal, Proxy Advisory Firms and Stock Option Exchanges, August 2011, S. 2 mit Fn. 4 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1811130); Wilsing, ZGR 2012, 291, 295. 162 Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 901 (2010). 163 Das Konzept zur indirekten Ermittlung von Marktmacht gibt auf der Grundlage von erwarteten Veränderungen in den Marktanteilen auch Auskunft über die zukünftige Entwicklung der Marktmacht, vgl. Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1145.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

möglichen Interessenkonflikten entwickelt werden. Diese Strategie, die auch andere Anbieter verfolgt haben, war offenbar nur bei Glass Lewis erfolgreich.164 Ein großer Teil der Kunden von ISS verzichtete allerdings trotz der anhaltenden Kritik an dem Stimmrechtsberater auf einen Wechsel. So konnte ISS im Jahr 2005 94% seiner Altkunden halten und sogar 424 neue Kunden hinzugewinnen. Im Jahr 2008 nahmen 86,3% der Altkunden die Dienste von ISS erneut in Anspruch.165 Zwei Fälle, in denen institutionelle Anleger, die bislang die Dienste von ISS in Anspruch genommen hatten, zu Glass Lewis gewechselt sind, werden in einschlägigen Artikeln erwähnt. Die Colorado Public Employees’ Retirement Association (CPERA) kündigte im November 2006 den bestehenden Vertrag mit ISS und beauftragte Glass Lewis mit der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen.166 Ebenfalls im Jahr 2006 wechselte der Pensionsfonds Ohio Public Employees Retirement System (OPERS) von ISS zu Glass Lewis. OPERS nannte bei ISS bestehende Interessenkonflikte als Grund für den Wechsel.167

(2) Szenarien der zukünftigen Entwicklung Einen Anhaltspunkt für die weitere Entwicklung für die Wettbewerbssituation unter Stimmrechtsberatern bieten die bereits erwähnten wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich natürlicher Monopole. Es wurde dargelegt, dass ISS in erheblichem Maße von zunehmenden Skalenerträgen profitiert und daher aus Effizienzgründen an sich zu erwarten wäre, dass Konkurrenten mit der Zeit verdrängt werden. Auf dem Markt der Stimmrechtsberater ist das Gegenteil geschehen – Glass Lewis konnte Marktanteile hinzugewinnen. Einen Erklärungsansatz hierfür liefert der Substitutionswettbewerb: Die Abstimmungsempfehlungen von ISS waren bzw. sind aus Sicht einiger institutioneller Anleger durch potentiell bestehende Interessenkonflikte belastet, während Glass Lewis – als Substitut – konfliktfreie Abstimmungsempfehlungen anbietet. Das erklärt auch, warum sich neben ISS nur ein weiterer Anbieter etablieren konnte: Auf dem Markt bestand eine Nachfrage nach konfliktfreien Abstimmungsempfehlungen, die ISS nicht anbieten konnte. Auch für dieses Angebot gelten die oben beschriebenen Marktzutrittsschranken, insbesondere gibt es auch hier zuneh164

s. auch U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 14; Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 397 (2009). 165 Vgl. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 417 mit Fn. 163 (2009). Die Autorin verweist auf die Jahresberichte (annual reports) von RiskMetrics, die inzwischen nicht mehr öffentlich zugänglich sind. Zugänglich sind lediglich die Jahresberichte von MSCI, die aber keine Auskunft über die Entwicklung der Kundenzahlen bei ISS geben. 166 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 417 mit Fn. 163 (2009) m. w. N. 167 Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 658 (2009).

II. Wettbewerbssituation

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mende Skalenerträge. Es war daher zu erwarten, dass nur eines der Unternehmen, die mit konfliktfreien Abstimmungsempfehlungen den Versuch der Abgrenzung von ISS unternommen haben, sich neben dem Marktführer würde etablieren können. Damit dürften für die zukünftige Entwicklung unterschiedliche Szenarien in Betracht kommen. Zunächst könnte sich der Aufstieg von Glass Lewis fortsetzen. Dafür müsste Glass Lewis vor allem die Anzahl der Hauptversammlungen, für die Abstimmungsempfehlungen angeboten werden, kontinuierlich vergrößern. Einer Erweiterung des Angebots stehen zwar grundsätzlich die beschriebenen Marktzutrittsschranken entgegen. Die Investitionen könnten sich jedoch als lohnenswert erweisen, weil Glass Lewis dadurch für weitere bisherige ISS-Kunden an Attraktivität gewinnt und diese den Interessenkonflikt bei ISS für gewichtiger halten als die entstehenden Wechselkosten. Möglich wäre es dann, dass ISS seinen First-MoverVorteil einbüßt und somit dem Vorteil der Konfliktfreiheit, den ein Wechsel zu Glass Lewis für einen institutionellen Anleger bringt, kein entscheidender Nachteil gegenübersteht. Aufgrund zunehmender Skalenerträge wäre dann möglicherweise Glass Lewis in der Lage, ISS vom Markt zu verdrängen und zum Monopolisten aufzusteigen. Allerdings dürfte ein solches Szenario kaum Realität werden, da ISS einen erheblichen Anreiz hat, sein Eintreten zu verhindern. Das folgt vor allem daraus, dass es für ISS nicht in Betracht kommen dürfte, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit künftig auf die Corporate Governance-Beratung für Unternehmen anstatt auf die Stimmrechtsberatung zu setzen. Die Beratungsdienste von ISS Corporate Services (ICS) sind für Unternehmen schließlich vor allem deshalb von hohem Wert, weil die Unternehmen davon ausgehen, dass eine erhebliche Anzahl institutioneller Anleger von ISS beraten wird und ihre Abstimmungsempfehlungen daher an denselben abstrakten Kriterien ausrichten, nach denen ICS seine Beratung durchführt. Dieser Wert fiele weg, wenn institutionelle Anleger sich vermehrt an andere Stimmrechtsberater wenden, die möglicherweise von abweichenden Kriterien ausgehen. So ist ISS denn auch bereits gegenwärtig sehr darum bemüht, seine Kunden von einem Wechsel zu Glass Lewis abzuhalten. Zu diesem Zweck wurde auf verschiedene Weise versucht, dem Interessenkonflikt aus der parallelen Corporate Governance-Beratung entgegenzuwirken.168 Offenbar stoßen die Maßnahmen auf Akzeptanz: In einer – allerdings nicht repräsentativen – Befragung des GAO haben alle teilnehmenden institutionellen Anleger mitgeteilt, dass sie die getroffenen Maßnahmen als ausreichend erachten.169 Angesichts dieser Beobachtungen ist es gegenüber einem fortschrei168 169

Dazu noch S. 217 ff. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 11.

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§ 3 Der Markt für Stimmrechtsberatung

tenden Aufstieg von Glass Lewis wahrscheinlicher, dass sich die gegenwärtige Wettbewerbssituation verfestigt, es also bei einem Duopol bestehend aus ISS und Glass Lewis bleibt. Institutionelle Anleger wählen den Stimmrechtsberater dann danach aus, ob es ihnen wichtiger ist, für möglichst viele Hauptversammlungen Abstimmungsempfehlungen erhalten zu können, oder ob sie größeren Wert auf vollständige Konfliktfreiheit legen. In Betracht kommt jedoch auch, dass ISS von den institutionellen Anlegern aufgrund der getroffenen umfänglichen Gegenmaßnahmen als ebenfalls konfliktfrei angesehen wird oder dass ISS – je nachdem wie hoch die mit ICS erwirtschafteten Gewinne gegenüber den Einbußen bei der Stimmrechtsberatung ausfallen – die Corporate Governance-Beratung ganz aufgibt. Die Folge wäre eine Tendenz zum Monopol. 3. Ergebnis Die Wettbewerbssituation auf dem Markt für Stimmrechtsberatung stellt sich als ein Oligopol dar, das aus ISS und Glass Lewis besteht. Die Marktzutrittsschranken sind hoch, sodass potentieller Wettbewerb verhindert wird. Glass Lewis konnte in den letzten Jahren Marktanteile hinzugewinnen, weil das Unternehmen keine Corporate Governance-Beratung anbietet und daher insoweit nicht mit einem Interessenkonflikt belastet ist.

§ 4 Einfluss von Stimmrechtsberatern Regulatorische Maßnahmen sind nur dann geboten, wenn Stimmrechtsberater tatsächlich signifikanten Einfluss auf das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger und damit auf das Zustandekommen von Hauptversammlungsbeschlüssen haben. Im US-amerikanischen Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass der Einfluss der Stimmrechtsberater erheblich sei.1 Rose fasst diese allgemeine Wahrnehmung insbesondere des Einflusses von ISS zusammen, indem er auf die mögliche Entscheidungserheblichkeit hinweist: „ISS’ recommendations may make the difference between success and failure of a proposal.“2 Deutsche Emittenten schätzen, dass ungefähr 80% der ausländischen Investoren den Abstimmungsempfehlungen von ISS folgen.3 Auch in Frankreich wird auf den Einfluss von ISS hingewiesen.4 Eine Untersuchung, die sich auf US-amerikanische Fondsgesellschaften bezieht, kommt zu dem Ergebnis, dass ein Großteil die Dienste von ISS in Anspruch nimmt.5 Für den Einfluss der Stimmrechtsberater ist die Anzahl ihrer Kunden aber nur ein Indiz. Die maßgebliche Größe ist der Anteil der Stimmrechte an einzelnen Emittenten, über deren Ausübung ein Stimmrechtsberater durch die Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen faktisch entscheidet. Maßgeblich sind dabei allerdings nur die Stimmrechte, die in der Hauptversammlung auch tatsächlich ausgeübt werden. In Deutschland waren das bei den DAX 30-Unternehmen im Durchschnitt zuletzt 56,45%.6 Da davon auszugehen ist, dass jedenfalls die institutionellen 1 Armour/Skeel, 95 Geo. L. J. 1727, 1791 (2007); Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 692 f. (2007); Gordon, 46 Harv. J. on Legislation 323, 351 ff. (2009); unter Nennung von Beispielen auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 386 (2009). Vgl. auch Altman Group, Proxy Advisory Firms: The Debate Over Changing the Regulatory Framework, March 2011, S. 10 ff. 2 Rose, 32 J. Corp. L. 887, 899 (2007). 3 Döring, Börsen-Zeitung v. 10. 03. 2007, „Die (un)heimliche Macht der Stimmrechtsberater“. s. dazu auch OECD, The Role of Institutional Investors in Promoting Good Corporate Governance, 2011, S. 121. 4 Girard/Gates, 3 Director Notes 1, 4 (Number 4, Februray 2011). 5 s. Choi/Fisch, 61 Vand. L. Rev. 315, 322 ff. (2008). Danach delegieren 20% der 40 befragten Fonds ihre Stimmrechte auf einen Stimmrechtsberater und nutzen dessen Empfehlungen. Weitere 37,5% delegieren die Stimmrechte ebenfalls auf einen Stimmrechtsberater, lassen dabei aber eigene Abstimmungsrichtlinien verwenden. In Fn. 17 des Beitrags findet sich zudem die Angabe, dass 69% der befragten Fonds die Dienste von ISS in Anspruch nehmen.

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§ 4 Einfluss von Stimmrechtsberatern

Anleger, die einen Stimmrechtsberater mit der Erstellung von Abstimmungsvorschlägen beauftragt haben, ihre Stimmrechte auch ausüben, entsteht durch die geringe Präsenzquote ein „faktisches Mehrstimmrecht“7: Es genügen bei den meisten DAX-Gesellschaften bereits 30% des Grundkapitals, um auf der Hauptversammlung eine einfache Stimmenmehrheit zu erreichen.8 Dem Anteil der Stimmrechte, über deren Ausübung die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters entscheiden, kann man sich durch anekdotische Evidenz nähern. Außerdem ist in Studien zu US-amerikanischen Emittenten der Versuch unternommen worden, den Einfluss von Stimmrechtsberatern zu beziffern. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Stimmrechtsberater nicht nur über ablehnende Abstimmungsempfehlungen, sondern auch auf informeller Ebene Einfluss nehmen.

I. Anekdotische Evidenz und Schätzungen Anekdotische Evidenz (anecdotal evidence) liefern jedenfalls in Bezug auf ISS einzelne Hauptversammlungsbeschlüsse, bei denen man weiß, welches Abstimmungsverhalten der Stimmrechtsberater im Vorfeld empfohlen hatte. So ist für die Schweiz bekannt, dass ISS im Jahr 2010 den Aktionären der Großbank UBS empfohlen hatte, gegen die Entlastung des Verwaltungsrats und der Konzernleitung für das Geschäftsjahr 2007 zu stimmen.9 Im Ergebnis wurde die Entlastung bei 52,75% Gegenstimmen verweigert. Für die Geschäftsjahre 2008 (21,26% Gegenstimmen) und 2009 (14,38% Gegenstimmen) hatte ISS hingegen die Zustimmung empfohlen.10 Wenn die unterschiedlichen Ergebnisse maßgeblich auf den Abstimmungsempfehlungen beruhten, hätte der Stimmrechtsberater Einfluss auf die Ausübung von über 30% der Stimmrechte. Für Deutschland sind die in der Einleitung genannten Beispiele ein Indiz für den Einfluss von ISS. Wenn man unterstellt, dass die Gegenstimmen im 6 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Präsenzstatistik zur Hauptversammlungsteilnahme (2000 bis 2011), abrufbar unter http://www.sdk.org (Stand: 23. 04. 2012). 7 Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505, 1509. 8 Vgl. U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 88. 9 Vgl. Rutishauser/Niederberger, Tages-Anzeiger Online v. 30. 03. 2010, „Alte Garde der UBS ist rundum abgesichert“, abrufbar unter http://www.tagesanzei ger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Alte-Garde-der-UBS-ist-rundum-abge sichert/story/13550867?track (Stand: 23. 04. 2012). 10 Protokoll der Generalversammlung der UBS im Jahr 2010, S. 3 f., abrufbar unter http://www.ubs.com/1/ShowMedia/investors/agm?contentId=177928&name= AGM_Kurzprotokoll.pdf (Stand: 23. 04. 2012).

II. Empirische Erkenntnisse

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Wesentlichen auf die Empfehlungen von ISS zurückzuführen sind, deutet der Fall MAN/Piëch daraufhin, dass der Stimmrechtsberater Einfluss auf die Ausübung von über 20% der Stimmrechte hat. Unter dieser Annahme ergäbe sich bei Infineon sogar ein noch größerer Einfluss von knapp 30% (Aufsichtsratswahl im Jahr 2010) bzw. von über 40% (Entlastung des Aufsichtsrats im Jahr 2009). Die Abstimmung über das Vergütungssystem der Deutschen Bank legt eine ähnliche Größenordnung des Einflusses von ISS nahe. Anderen Schätzungen zufolge soll ISS in der Hauptversammlungssaison 2006 bei DAX-Unternehmen bis zu 25% der Stimmrechte kontrolliert haben.11 Für die USA vermuten einige leitende Angestellte (executives) US-amerikanischer Unternehmen, dass ISS Einfluss auf ein Drittel der Stimmrechte nehmen kann.12 Einer Erhebung des Business Roundtable zufolge, dem die chief executive officers (CEOs) der größten US-amerikanischen Unternehmen angehören, sollen gar 40% der Stimmrechte entsprechend der Empfehlungen von ISS ausgeübt werden.13

II. Empirische Erkenntnisse 1. Überblick Weitere Erkenntnisse über den Einfluss vor allem von ISS, in einem Fall aber auch über den Einfluss von Glass Lewis, liefern empirische Studien. Diese Studien beziehen sich allerdings auf US-amerikanischen Emittenten und haben daher für die Situation in der Europäischen Union bzw. Deutschland nur indizielle Bedeutung. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei Vorliegen einer ablehnenden Empfehlung von ISS ein Vorschlag des Vorstands regelmäßig 13,6 bis 20,6% weniger Stimmen erhalte.14 Eine andere Untersuchung, die sich ausschließlich auf die Wahl von directors bezieht, kommt zu einer um 19% geringeren Zustimmungsquote für einen Kandidaten, dessen Ablehnung ISS empfohlen hatte.15 Einen noch höheren 11 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11. 05. 2006, „Hauptversammlungspräsenz nimmt wieder zu“. s. auch Döring, Börsen-Zeitung v. 10. 03. 2007, „Die (un)heimliche Macht der Stimmrechtsberater“. 12 s. Starkman, Washington Post, January 23, 2006, „A Proxy Advisers’s Two Sides“. 13 s. Business Roundtable, Detailed Comments of Business Roundtable on The „Proposed Election Contest Rules“ of the U.S. Securities and Exchange Commission, December 22, 2003, S. 28 f. (abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/pro posed/s71903/brt122203.pdf). 14 Bethel/Gillan, 31 Fin. Mgmt. 29, 30 (2002). 15 Cai/Garner/Walkling, 64 J. Fin. 2389, 2404 (2009).

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§ 4 Einfluss von Stimmrechtsberatern

Einfluss lässt eine Studie vermuten, deren Grundlage Abstimmungen zum Vergütungssystem bilden. Im Durchschnitt erreichten 81,2% entsprechender Anträge in den Jahren 2000 bis 2003 eine Zustimmungsquote von mehr als 70%. Von den Anträgen, für die eine negative Abstimmungsempfehlung vorlag, erreichten diesen Wert aber nur 41,8%. Demnach ergibt sich ein Einfluss der Abstimmungsempfehlungen auf knapp 30% der Stimmrechte. Eine weitere Erkenntnis dieser Studie besteht darin, dass der Einfluss der Abstimmungsempfehlungen auf die Resultate in der Zeit von 1992 bis 2003 signifikant angestiegen ist.16 Eine vierte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer ablehnenden Empfehlung von ISS Vergütungssysteme 24,7% mehr Gegenstimmen erhalten, während der Anteil bei einer ablehnenden Empfehlung von Glass Lewis um 12,9% steigt.17 In einer fünften Untersuchung wurde ermittelt, dass anhand der Empfehlung von ISS eine Vorhersage über den Ausgang einer Abstimmungsentscheidung getroffen werden könne.18 Nach einer sechsten Studie soll ISS nur auf 6 bis 10% der Stimmrechte unmittelbaren Einfluss haben.19 2. Analyse Bei einer Analyse der empirischen Erkenntnisse über den Einfluss von ISS fällt auf, dass die ermittelten Werte im Vergleich zu den im Rahmen der anekdotischen Evidenz geschilderten Beispiele tendenziell geringer ausfallen. Beachtenswert ist zudem, dass in der Studie von Choi/Fisch/Kahan aus dem Jahr 2010 ein Wert ermittelt wurde, der noch einmal deutlich niedriger ausfällt als die in anderen Untersuchungen ermittelten Ergebnisse. Der Grund hierfür erschließt sich, wenn man einen genaueren Blick auf die Methode von Choi/Fisch/Kahan wirft. Die Autoren üben Kritik an den früheren Untersuchungen und werfen diesen vor, nicht zwischen der Kausalität von Abstimmungsempfehlungen für Abstimmungsergebnisse einerseits und diesbezüglichen bloßen Zusammenhängen andererseits zu unterschei16

Vgl. Morgan/Poulsen/Wolf, 12 J. Corp. Fin. 715, 723 f. (2006). Diese Studie bezieht sich allerdings nicht ausdrücklich auf ISS, sondern spricht nur von einer „outside voting advisory firm“. Es ist aber naheliegend, dass ISS gemeint ist, da kein anderer Stimmrechtsberater während des gesamten Zeitraums, auf den sich die Studie bezieht, existent war. Auch Larcker/Tayan, Do ISS Voting Recommendations create Shareholder Value?, April 2011, S. 2 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abs tract=1816543), gehen davon aus, dass ISS gemeint ist. 17 Ertimur/Ferri/Oesch, Shareholder Votes and Proxy Advisors: Evidence from say on Pay, March 2012, S. 3 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2019239). 18 So Alexander/Chen/Seppi/Spatt, The Role of Advisory Services in Proxy Voting, NBER Working Paper No. 15143, July 2009, S. 34 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1434658). 19 Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 906 (2010).

II. Empirische Erkenntnisse

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den.20 Mit anderen Worten: Aus dem Umstand, dass das Ergebnis einer Abstimmung einen Zusammenhang mit der Empfehlung eines Stimmrechtsberaters aufweist, folgt noch nicht, dass es gerade aufgrund der Empfehlung zu diesem Ergebnis gekommen ist. Choi/Fisch/Kahan unternehmen daher den Versuch, den spezifischen Einfluss, den die Abstimmungsempfehlungen von ISS auf Hauptversammlungsbeschlüsse haben, von anderen Faktoren zu isolieren.21 Dabei betonen die Autoren insbesondere die Möglichkeit, dass die festgestellten Zusammenhänge zwischen ISS-Empfehlungen und Abstimmungsergebnissen schlicht darauf beruhen könnten, dass die Empfehlungen dem Aktionärsinteresse häufig entsprechen. Dann würden nämlich auch bei einer eingehenden Überprüfung durch die institutionellen Anleger die Stimmrechte entsprechend der Empfehlungen ausgeübt. Dennoch erwachse dem Stimmrechtsberater hieraus kein Einfluss, denn sobald seine Empfehlungen dem Aktionärsinteresse widersprechen, würden die Aktionäre sie nicht mehr befolgen.22 Der Stimmrechtsberater fungiere in diesem Fall vielmehr als Informationsvermittler.23 Für die Bemessung des Einflusses von ISS kommt es demnach entscheidend darauf an, das Abstimmungsverhalten solcher institutioneller Anleger, die die Empfehlungen von ISS blind befolgen, von dem Abstimmungsverhalten solcher institutioneller Anleger, die die Empfehlungen überprüfen und für richtig befinden, zu isolieren. Hierzu vergleichen Choi/Fisch/Kahan das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger mit dem Abstimmungsverhalten individueller (das heißt: nicht-institutioneller) Anleger.24 Dabei gelten drei Annahmen25: Erstens beeinflusse eine Abstimmungsempfehlung nur das Verhalten institutioneller Anleger, nicht aber das der individuellen Anleger. Letzteren böte ISS (ebenso wie die andere Stimmrechtsberater) seine Dienste schließlich nicht an und in der Regel erfolge auch keine Veröffentlichung der Abstimmungsempfehlung im Vorfeld einer Hauptversammlung. Zweitens würden institutionelle Anleger, wenn eine ISS-Empfehlung nicht vorläge, ihre Abstimmungsentscheidung an denselben Kriterien ausrichten wie individuelle Anleger. Drittens stelle ISS seinen Kunden keine Informationen zur Verfügung, die die individuellen Anleger nicht kennen. 20

s. Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 878 ff. (2010). Im Einzelnen Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 885 ff. (2010). 22 Zur den unterschiedlichen Möglichkeiten der „Benutzung“ von Abstimmungsempfehlungen s. Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 881 ff. (2010). 23 Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 882 (2010): „The advisor is acting as a mere information agent.“ 24 Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 901 ff. (2010). 25 Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 902 (2010). 21

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§ 4 Einfluss von Stimmrechtsberatern

Unter diesen Annahmen erwächst ISS Einfluss nur insoweit, als sich das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger bei Vorliegen einer ablehnenden Empfehlung des Stimmrechtsberaters stärker ändert als das Abstimmungsverhalten individueller Anleger. Choi/Fisch/Kahan haben ermittelt, dass die Zustimmungsquote institutioneller Anleger durchschnittlich um 17,7% sinkt, die der individuellen Anleger aber nur um 7,0%. Die Differenz von 10,7 Prozentpunkten multiplizieren die Autoren mit dem Anteil der Aktien, die durchschnittlich von institutionellen Anlegern gehalten wird (Choi/Fisch/Kahan gehen von 60% aus). So kommen sie auf einen Wert von 6,4% und beziffern den direkten Einfluss von ISS abschließend auf einen Anteil von 6 bis 10% der Stimmrechte.26 3. Informelle Einflussnahme Stimmrechtsberater nehmen nicht nur durch Abstimmungsempfehlungen Einfluss auf Hauptversammlungsbeschlüsse, sondern auch durch persönliche Gespräche mit den Managern (sog. one-on-ones). So haben frühere Untersuchungen zur Einflussnahme institutioneller Anleger auf Aktiengesellschaften ergeben, dass sie dieses Mittel der informellen Kontaktaufnahme bevorzugen.27 Wenn institutionelle Anleger die Entscheidung über die Ausübung der Stimmrechte aber zunehmend nicht mehr selbst treffen, sondern den Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters folgen, dann finden mutmaßlich auch one-on-ones nicht mehr zwischen Managern und institutionellen Anleger statt, sondern zwischen Managern und Stimmrechtsberatern.28 Strine beschreibt poiintiert, dass Manager gezielt das Gespräch mit ISS suchen, um den Stimmrechtsberater von ihren Anträgen zu überzeugen: „Moreover, powerful CEOs come on bended knee to Rockville, Maryland, where ISS resides, to persuade the managers of ISS of the merits of their views about issues like proposed mergers, executive compensation, and poison pills. They do so because the CEOs recognize that some institutional investors will simply follow ISS’s advice rather than do any thinking of their own.“29 Inwieweit Manager bereits ihre Beschlussempfehlungen den Wünschen der Stimmrechtsberater anpassen, ist zahlenmäßig kaum zu be26

Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 906 (2010). s. die Nachweise in Fn. 7. 28 Angedeutet bei U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 88: „Bei einer durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz von unter 30% dürfte eine ‚Privataudienz‘ beim Vorstand schon mit einem Hinweis auf die mögliche Kontrolle von 15% der Stimmen sicher sein.“ Auch Masouros, 7 Eur. Comp. L. 195, 199 (2010) weist daraufhin, dass Manager sich wohl eher an den Stimmrechtsberater als an die Aktionäre wenden. 29 Strine, 30 Del. J. Corp. L. 673, 688 (2005). 27

III. Ergebnis

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ziffern. Jedenfalls erschöpft sich deren Einfluss aber nicht in der Abgabe ablehnender Abstimmungsempfehlungen, auf die sich die dargestellten empirischen Studien ausschließlich beziehen.

III. Ergebnis Der Einfluss der Stimmrechtsberater ist schwer zu beziffern. Anekdotische Evidenz für deutsche und schweizerische Emittenten liefert die Erkenntnis, dass die Ausübung von 20 bis 40% der Stimmrechte den Empfehlungen von ISS entspricht. Empirische Studien zu US-amerikanischen Emittenten kommen zu tendenziell geringeren Werten, die sich im Bereich von 6 bis 30% bewegen. Ein grundsätzliches Problem bei der Bestimmung des Einflusses von Stimmrechtsberatern besteht darin, dass bloße Zusammenhänge zwischen den Abstimmungsempfehlungen und den Abstimmungsergebnissen nichts darüber aussagen, ob die Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten der institutionellen Anleger kausal waren. Bei allen Studien ist außerdem zu berücksichtigen, dass Stimmrechtsberater nicht nur über Abstimmungsempfehlungen Einfluss ausüben, sondern auch durch persönliche Gespräche mit den Managern von Aktiengesellschaften (one-on-ones). Insgesamt ist mit Blick auf die Rechtfertigung regulatorischer Eingriffe die Schaffung einer breiteren empirischen Erkenntnisgrundlage gerade mit Blick auf Emittenten aus Europa bzw. Deutschland wünschenswert.

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts Um den Bedeutungsaufstieg der Stimmrechtsberater nachvollziehen zu können, muss man sich zum einen die Gründe vergegenwärtigen, die die institutionellen Anleger zu einer Mandatierung bewegen (dazu § 6). Zum anderen ist es notwendig, das Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater vor dem Hintergrund der Entwicklung des Aktienrechts in den letzten zehn bis zwanzig Jahren zu analysieren. In mehreren wissenschaftlichen Arbeiten wurde bereits darauf hingewiesen, dass es zu einer Konvergenz des deutschen und des US-amerikanischen Aktienrechts gekommen ist.1 Vergegenwärtigt man sich diese Entwicklung mit Blick auf das Hauptversammlungsrecht (unter I.) sowie mit Blick auf den Bedeutungsaufstieg institutioneller Anleger („Konvergenz der Aktionärsstrukturen“, unter II.), ist erkennbar, dass die eingetretenen Veränderungen für das Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater förderlich sind (unter III.).

I. Rechtliche Konvergenz Die Kompetenzen der Hauptversammlung sind im deutschen und im USamerikanischen Recht unterschiedlich ausgestaltet. Während in Deutschland zahlreiche Einzelkompetenzen bestehen, die sich fast vollständig aus dem Gesetz ergeben, hat die Hauptversammlung der corporation vergleichsweise eingeschränkte Befugnisse. Jüngst haben die Aktionärsrechte durch Änderungen hinsichtlich der Nominierung von Kandidaten für das board of directors und hinsichtlich der für die Wahl notwendigen Mehrheit jedoch eine Stärkung erfahren. Außerdem wurden die Hauptversammlungskompetenzen sowohl in den USA als auch in Deutschland durch die Einführung einer konsultativen Abstimmung über das Vergütungssystem für Vorstandsmitglieder („Say on Pay“) gestärkt.

1 Grundlegend v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008; Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005; zuletzt Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38.

I. Rechtliche Konvergenz

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1. Die Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft Die Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft hat zwei Funktionen2: Gemeint ist zum einen die Hauptversammlung als – neben Vorstand und Aufsichtsrat – eines der drei Organe der Aktiengesellschaft.3 Zum anderen bezeichnet der Begriff aber auch die Zusammenkunft der Verbandsmitglieder. Die Hauptversammlung gilt als „Sitz der Aktionärsdemokratie“4. Ihre Kompetenzen ergeben sich teilweise aus dem Gesetz, daneben bestehen ungeschriebene Zuständigkeiten. a) Überblick Bei den gesetzlichen Kompetenzen wird zwischen Wahl-, Grundlagen-, Leitungs-, Kontroll- und Konzernkompetenzen unterschieden.5 Sie ergeben sich im Wesentlichen aus § 119 Abs. 1 AktG, finden sich aber auch in anderen Vorschriften. Zu den wichtigsten Zuständigkeiten zählen das Recht zur Wahl der Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat (§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 101 AktG) und deren Abberufung (§ 103 Abs. 1 AktG), die Bestellung der Abschlussprüfer (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG), das Recht zur Satzungsänderung (§§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 179 Abs. 1 S. 1 AktG), Beschlüsse über Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen (§§ 119 Abs. 1 Nr. 6, 182 ff., 222 ff. AktG)6, der Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG) und der Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Wenngleich die Formulierung des § 119 Abs. 1 AktG das Gegenteil vermuten lässt7, stehen der Hauptversammlung nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung neben den im Gesetz genannten auch ungeschriebene Kompetenzen zu. Erstmals entschied der BGH im Jahr 1982, dass der Vorstand die Zustimmung der Hauptversammlung für solche Maßnahmen einholen müsse, die „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im An2 s. nur Mülbert, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Vor §§ 118–147, Rn. 8 ff. 3 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 118, Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 26 IV 2, S. 781. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 28 IV 1, S. 837. 5 s. nur Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119, Rn. 4. 6 Die Zuständigkeit ergibt sich daraus, dass die Höhe des Grundkapitals Bestandteil der Satzung ist (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG), s. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119, Rn. 7. 7 Dort heißt es, dass die Hauptversammlung „in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen“ beschließt. Kritisch zu ungeschriebenen Kompetenzen daher Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119, Rn. 21.

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teilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.“8 Nach Ansicht der Richter „verletzt der Vorstand seine Sorgfaltspflicht, wenn er von der Möglichkeit des § 119 Abs. 2 AktG keinen Gebrauch macht.“9 Die Entscheidung führte in der Praxis zu erheblicher Verunsicherung, weil unklar war, wann die genannte Erheblichkeitsschwelle als überschritten gilt.10 Kritisiert wurde auch die dogmatische Verankerung der Kompetenz in § 119 Abs. 2 AktG.11 Im Jahr 2004 nahm der BGH schließlich in zwei Entscheidungen erneut zu den ungeschriebenen Kompetenzen der Hauptversammlung Stellung und bestätigte darin die in der „Holzmüller“-Entscheidung vertretene Auffassung im Grundsatz.12 b) „Say on Pay“ Durch das VorstAG13 wurde im Jahr 2009 eine neue Hauptversammlungskompetenz geschaffen, die dem Bereich der Kontrollkompetenzen zuzuordnen ist. Gemeint ist die Möglichkeit der Hauptversammlung, nach § 120 Abs. 4 AktG ein Votum über das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder abzugeben.14 Für derartige Beschlüsse hat sich im englischen Sprachgebrauch der Begriff „Say on Pay“ etabliert. Die erste Regelung zum „Say on Pay“ gab es im Vereinigten Königreich und war Vorbild für den deutschen Gesetzgeber.15 Gegenstand des Hauptversammlungs8

BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. 10 Dazu näher Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005, S. 1, 4 ff.; s. auch Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119, Rn. 25 jew. m. w. N. 11 Überblick bei Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119, Rn. 25; exemplarisch Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005, S. 1, 9: Die Vorschrift bezeichne nur ein Recht des Vorstands; sie könne sich deshalb nicht zu einer Pflicht zur Beteiligung der Aktionäre „verdichten“. 12 BGHZ 159, 30 – Gelatine I; BGH NZG 2004, 575 – Gelatine II. Überblick zu den Entscheidungen bei Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005, S. 1, 7 ff. 13 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31. 07. 2009, BGBl. I, S. 2509. 14 Umfassend dazu Döll, WM 2010, 103; Fleischer, NZG 2009, 801, 804 f.; ders./Bedkowski, AG 2009, 677; Schick, ZIP 2011, 593; Schüppen, ZIP 2010, 905; Vetter, ZIP 2009, 2136. Monographisch jüngst Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, zur deutschen Regelung insbesondere S. 253 ff. 15 Vgl. Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 677 f.; ausführliche rechtsvergleichende Analyse des Vergütungsvotums bei Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 65 ff. 9

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beschlusses ist das abstrakte Vergütungssystem, anhand dessen der Vorstand die Bezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder festsetzt. Die Bezüge selbst, insbesondere ihre Höhe, spielen hingegen keine Rolle.16 Beachtlich ist zudem, dass es sich lediglich um einen konsultativen Hauptversammlungsbeschluss17 handelt, an den keine Rechtsfolgen geknüpft sind („platonische Vertrauensbekundung“18), § 120 Abs. 4 S. 2 Halbsatz 1 AktG.19 c) Mehrheitserfordernisse Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft fasst ihre Beschlüsse grundsätzlich mit der einfachen Stimmenmehrheit.20 Darunter ist die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen zu verstehen (§ 133 Abs. 1 AktG). Abweichende Mehrheitserfordernisse können sich aber aus Spezialbestimmungen des Aktienrechts oder in bestimmten Fällen auch aus der Satzung ergeben. Das Aktiengesetz schreibt insbesondere für die Satzungsänderung eine ¾-Mehrheit vor (§ 179 Abs. 2 S. 1 AktG). Das gilt auch, wenn diese einer Kapitalmaßnahme dient (§§ 182 Abs. 1 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1, 202 Abs. 2 S. 2, 207 Abs. 2 S. 1, 222 Abs. 1 S. 1 AktG). Gleiches gilt für andere Arten von Grundlagenbeschlüssen21, etwa für Beschlüsse über die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens (§ 179a Abs. 1 AktG), den Auflösungsbeschluss (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG), Beschlüsse über Unternehmensverträge (§ 293 Abs. 1 S. 2 AktG) und Umwandlungsbeschlüsse (§§ 65 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1, 176 Abs. 1, 233 Abs. 2 S. 1 UmwG). Bei letzteren kann sogar die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich sein (§ 233 Abs. 1 UmwG). Regelmäßig kann die Satzung bei den genannten Grundlagenbeschlüssen nur eine größere Kapitalmehrheit vorsehen, nicht aber eine geringere.

16 Vgl. Döll, WM 2010, 103, 108 f.; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 682; Schüppen, ZIP 2010, 905, 907; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2137 f. 17 Zur dogmatischen Einordung konsultativer Hauptversammlungsbeschlüsse s. Fleischer, AG 2010, 681. 18 Fleischer, NZG 2009, 801, 805; ders./Bedkowski, AG 2009, 677, 684. 19 BT-Drs. 16/13433, S. 12 („rechtlich nicht verbindlich“); s. auch Döll, WM 2010, 103, 109; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 287 ff.; Schüppen, ZIP 2010, 905, 908; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2137. 20 Übersicht bei Grunewald, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. (2011), 2. C. Rn. 128 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 28 IV 4, S. 847 ff.; Schaefer, NZG 2007, 900, 901 f. 21 Übersicht nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 28 IV 4, S. 848.

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2. Die Hauptversammlung der corporation In den USA sind insbesondere die großen corporations zu einem großen Teil im Bundesstaat Delaware registriert.22 US-amerikanisches Gesellschaftsrecht meint daher vor allem das Delaware General Corporate Law (DGCL). Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus der Revised Model Business Corporation Act (RMBCA), der von der American Bar Association erarbeitet und von vielen Bundesstaaten ganz oder teilweise übernommen wurde.23 Einzelne gesellschaftsrechtliche Bestimmungen finden sich allerdings auch im bundesrechtlich geregelten Kapitalmarktrecht. a) Überblick Nach den beiden genannten Regelwerken sind die Kompetenzen der Hauptversammlung im Vergleich zur deutschen Aktiengesellschaft weit weniger weitreichend.24 Eine Zuständigkeit besteht sowohl nach dem DGCL als auch nach dem RMBCA für die Wahl und die Abberufung der boardMitglieder, für die Änderung von Satzung (articles of incorporation) und Nebenbestimmungen (bylaws) sowie für grundlegende Angelegenheiten wie den Verkauf des wesentlichen Teils des Gesellschaftsvermögens und die Auflösung der Gesellschaft. Grundsätzlich besteht zwar auch eine Zuständigkeit bei Fusionen und Umwandlungen; im Einzelfall gibt es hier jedoch zahlreiche Ausnahmen. Die Hauptversammlung der corporation hat im Gegensatz zur Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft kein Mitspracherecht bei der Verwendung des Bilanzgewinns, der Bestellung des Abschlussprüfers, der Entlastung der Mitglieder des boards und bei Kapitalmaßnahmen.25 Die verhältnismäßig schwache Stellung der Hauptversammlung US-amerikanischer Gesellschaften geht einher mit einer starken Stellung des board of directors. Charakteristisch hierfür ist die Möglichkeit des Managements, feindliche Übernahmen abzuwehren. Da Kapitalmaßnahmen nicht der Zustimmung der Aktionäre bedürfen, können ohne Weiteres neue Aktien aus22 Übersicht bei Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 206 ff.; s. auch Bebchuk/Hamdani, 112 Yale L. J. 553, 567, 578 (2002). 23 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 215 ff. 24 Der nachfolgenden Darstellung liegen insbesondere die Ausführungen von Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 41 ff. zugrunde. Zum Überblick s. ferner Merkt/ Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 570; Hofstetter, ZGR 2008, 560, 568 f. 25 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 41; s. dort auch die Nachweise zu den Rechtsgrundlagen.

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gegeben werden. Das führt dazu, dass der von dem Bieter erworbene Aktienanteil prozentual einen geringeren Anteil am Grundkapital ausmacht und somit nicht das Maß an Kontrolle vermittelt, das für eine erfolgreiche Übernahme nötig ist (poison pill). Der Erfolg einer Übernahme hängt daher maßgeblich davon ab, ob die poison pill verhindert oder zurückgenommen werden kann. Dieses Ziel kann erreicht werden, indem man das board of directors mit eigenen Kandidaten besetzt. Darin liegt einer der wesentlichen Gründe, weshalb die Wahlen zum board of directors das wohl wichtigste Recht der Hauptversammlung darstellen.26 Hinzu kommt, dass die Wahlen im Gegensatz zu allen anderen hier genannten Verwaltungsrechten das einzige sind, das regelmäßig ausgeübt wird (normalerweise jährlich).27 b) Nominierung von Kandidaten für das board of directors Aufgrund der Machtfülle des board of directors spielt es eine entscheidende Rolle, wer die Kandidaten für das Gremium nominieren kann. Aktionären ist die Nominierung zwar im Prinzip nicht verwehrt, in der Praxis standen sie aber bislang vor nahezu unüberwindbaren Hürden. Der Grund dafür liegt zunächst darin, dass das Stellen von Spontananträgen auf der Hauptversammlung zwar theoretisch möglich ist, praktisch aber kaum Erfolg haben wird28: Die Hauptversammlung der corporation ist eine „proxy“-Hauptversammlung, deren Charakteristikum darin besteht, dass die Aktionäre in aller Regel nicht selber erscheinen, sondern die Stimmrechte auf professionelle Vertreter übertragen.29 Die Stimmrechtsvertreter unterliegen strengen Bestimmungen, die sich aus den von der SEC unter dem Securities Exchange Act of 1940 erlassenen proxy rules ergeben.30 Danach dürfen Stimmrechtsvertreter nur dann über im Vorfeld nicht bekannte Anträge abstimmen, wenn sie hierzu gesondert ermächtigt wurden.31 Für Abstimmungen über Spontananträge, die die Wahlen zum board of directors be26 Näher Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 42 f. m. w. N.; s. auch Hofstetter, ZGR 2008, 560, 568 f. 27 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 571. Inzwischen ist allerdings die „Say on Pay“-Abstimmung hinzugekommen, s. dazu unter c). 28 Zum Ganzen Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 688 ff. (2007); Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 44 ff. 29 Überblick zur „proxy“-Hauptversammlung bei Hofstetter, ZGR 2008, 560, 568 ff.; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 784 ff. 30 Rule 14a – Solicitation of Proxies; s. dazu auch Hofstetter, ZGR 2008, 560, 569 f. 31 s. Rule 14a-4 (c).

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treffen, besteht gar ein explizites Teilnahmeverbot.32 Weitere Beschränkungen ergeben sich aus den Regeln der New York Stock Exchange (NYSE). Diese gelten für Börsenmakler (broker), auf deren Namen Aktien registriert sind, die wirtschaftlich einem anderen (dem beneficial owner) gehören.33 Zwar sind einzig die broker als Inhaber des Rechtstitels (record owners) befugt eine Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte zu erteilen. Die Regeln der NYSE sehen aber vor, dass die Sachentscheidung nur dann ohne Zustimmung der beneficial owners getroffen werden darf, wenn es sich um eine Routineangelegenheit (routine matters) handelt, bei der keine Meinungsverschiedenheit besteht.34 Die broker dürfen daher keine Vollmacht erteilen, wenn die Beschlussgegenstände zuvor nicht offen gelegt wurden.35 Bei außergewöhnlichen Abstimmungen – zu denen auch Anträge der Aktionäre zählen36 – dürfen sie eine Vollmacht nur dann erteilen, wenn sie von den beneficial owners eine Weisung erhalten haben.37 In jüngerer Vergangenheit wurde das Weisungserfordernis infolge des US-Finanzmarktreformgesetzes (Dodd-Frank Act38), durch das der Securities Exchange Act of 1934 geändert wurde, noch ausgeweitet. Die Zulassung als Börse setzt nunmehr voraus, dass broker insbesondere im Falle von Wahlen zum board of directors und bei Vergütungsabstimmungen nur noch dann die Stimmrechte aus den von ihnen gehaltenen Aktien ausüben dürfen, wenn sie von den beneficial owners ausdrückliche Weisungen erhalten haben.39 Eine ähnliche Bestimmung enthalten bereits seit 2009 die Regeln der NYSE, wonach directors-Wahlen keine Routineangelegenheit mehr darstellen.40 Das führt ebenfalls dazu, dass broker ohne Weisung der beneficial owners an den Wahlen nicht teilnehmen dürfen.41 Zustimmung 32

s. Rule 14a-4 (d) (1). In der Praxis verbreitet ist außerdem, dass die Aktien auf einen fiktiven Namen (nominee) registriert werden (sog. street name registration bzw. street name ownership); dazu im Einzelnen Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1236 ff. (2008). 34 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 792 m. w. N. 35 s. NYSE Rules 451 und 452; NYSE Listed Company Manual, § 402.06 (B) und (D) sowie § 402.08 (B) (1); s. auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 44 mit Fn. 36. 36 NYSE Listed Company Manual, § 402.08 (B) (2). 37 s. NYSE Listed Company Manual, § 402.08 (B); s. auch Hofstetter, ZGR 2008, 560, 571. 38 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank Act), Pub. L. No. 111-203. 39 § 957 Dodd-Frank Act (o. Fn. 38). Die Regelung befindet sich jetzt in Section 6 (b) (10) des Securities Exchange Act of 1934. 40 NYSE Rule 452.11 Nr. 19. 41 Zum Ganzen Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 65. 33

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verdient daher die Feststellung, dass die Hauptversammlung der corporation „eher der Feststellung als der Bildung des kollektiven Willens der Aktionäre“42 dient. Faktisch können Aktionäre daher allenfalls dann eigene Kandidaten für das board of directors nominieren, wenn sie bereits im Vorfeld der Hauptversammlung aktiv werden. Jedenfalls bislang standen die Aktionäre aber auch dabei vor erheblichen Schwierigkeiten. So kann ein Aktionär zwar selbst um Vollmachten werben (sog. proxy solicitation43) und so versuchen, andere Aktionäre dazu zu bewegen, anstatt den Vertretern des boards ihm die Stimmrechte zu übertragen. Dieses Werbeverfahren unterliegt aber den strengen proxy rules der SEC.44 Daher müssen auf eigene Kosten umfangreiche Materialien erstellt und der SEC zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden. Das führt dazu, dass das gesamte Verfahren erhebliche Kosten (wohl mehrere hunderttausend Dollar45) verursacht, die dem Aktionär nur dann erstattet werden, wenn sein Antrag die Mehrheit der Stimmen erhält.46 Die Nominierung eigener Kandidaten für das board mittels proxy solicitation dürfte daher in der Praxis regelmäßig als zu risikoreich erscheinen. Aktionäre können außerdem versuchen, ihre Vorschläge von der Gesellschaft in deren Hauptversammlungsunterlagen aufnehmen zu lassen (sog. proxy access).47 Dieses Vorgehen ist mit dem Weg vergleichbar, den die §§ 126, 127 AktG den Aktionären einer deutschen Aktiengesellschaft für die Wahlen zum Aufsichtsrat eröffnen. Nach diesen Vorschriften können die Aktionäre eigene Kandidaten nominieren und die Gesellschaft ist verpflichtet, die Vorschläge zugänglich zu machen. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann die Gesellschaft eine Zugänglichmachung verweigern (s. § 126 Abs. 2 AktG). Eine US-amerikanische corporation hat hingegen viel umfassendere Möglichkeiten, die Aufnahme von Aktionärsvorschlägen in die eigenen Unterlagen abzulehnen. Insbesondere konnte bislang die Aufnahme solcher Vorschläge abgelehnt werden, die die Wahlen zum board of directors betrafen.48 Auch der proxy access erschien daher als eine eher theoretische Möglichkeit zur Nominierung eigener Kandidaten. Die einzige Möglichkeit, mit der die Aktionäre ihren Unmut über die von der Gesell42

Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 44. Dazu Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 784 ff. 44 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 45; s. auch Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 789 ff. 45 s. etwa die Beispiele bei Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 688 ff. (2007). 46 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 46 f. m. w. N.; Meder, RIW 2007, 28, 28. 47 Zum Ganzen Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 47; Meder, RIW 2007, 28, 29 f. 48 s. Rule 14a-8 (i) (8). 43

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schaft nominierten Kandidaten zum Ausdruck bringen konnten, bestand somit bislang ausschließlich darin, in großer Zahl gegen die Anträge zu stimmen (sog. vote no-campaign).49 Inzwischen hat sich die Rechtslage verändert. Der erste Reformvorschlag der SEC, nach dem den Aktionären das Recht zur Nominierung eigener Kandidaten für das board of directors zugestanden hätte, scheiterte zwar.50 Ebenso brachte auch die neue Bestimmung in § 112 DGCL, nach der bylaws zulässig sind, die die Nominierung eigener Kandidaten mittels der Hauptversammlungsunterlagen der Gesellschaft erlauben, nur eine scheinbare Stärkung der Aktionärsrechte. In Wahrheit kommt es nämlich nur zu einer Verlagerung des bestehenden Problems, nicht aber zu dessen Beseitigung: Ein bylaw nach § 112 DGCL muss schließlich erst erlassen werden. Wird die Aufnahme eines dahingehenden Vorschlags in die Hauptversammlungsunterlagen beantragt, kann die Gesellschaft sich wiederum auf Rule 14-8 (i) (8) berufen und die Aufnahme mit der Begründung ablehnen, dass der Vorschlag die Wahlprozedur zum board betreffe.51 Eine echte Neuerung brachten aber die von der SEC im August 2010 erlassenen Vorschriften.52 Diesen war – ebenfalls infolge des Dodd-Frank Act53 – eine Änderung des Securities Exchange Act of 1934 vorausgegangen, der nunmehr der SEC die Kompetenz zur Regelung des proxy access eindeutig zuweist. Die SEC gewährt Aktionären in Rule 14a-11 das Recht, eigene Kandidaten für das board zu nominieren, und gebietet der Gesellschaft, diese Vorschläge in ihre Hauptversammlungsmaterialien aufzunehmen. Gleiches gilt aufgrund einer Änderung von Rule 14a-8 (i) (8) auch für Vorschläge der Aktionäre zur Änderung der Satzung, die die Wahlen zum board betreffen.54 Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Rechte der Aktionäre einer corporation eine erhebliche Stärkung erfahren haben. Sie haben nunmehr die Möglichkeit, eigene Kandidaten für das board zu nominieren. 49

Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 60. Näher Kahan/Rock, 88 Texas L. Rev. 987, 1019 f. (2010); Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 60 f. 51 Vgl. Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 61 ff., die den wahren Grund für die Initiative des Staates Delaware in einem „föderalen Zweikampf“ sehen. Der Staat Delaware habe offenbar signalisieren wollen, dass der proxy access dem materiellen Gesellschaftsrecht und damit der Zuständigkeit der Bundesstaaten zuzuordnen sei. Inzwischen überholt Meder, RIW 2007, 28, 30 ff. 52 SEC Release Nos. 33-9136; 34-62764; IC-29384; File No. S7-10-09 vom 25. 08. 2010 (abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/2010/33-9136.pdf); dazu auch Kahan/Rock, 88 Texas L. Rev. 987, 1022 (2010). 53 s. oben Fn. 38. 54 Zum Ganzen Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 63 f. 50

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c) „Say on Pay“ Auch in den USA besteht inzwischen für die Hauptversammlung die Möglichkeit, einen beratenden Beschluss über die Vorstandsvergütung zu fassen („Say on Pay“). Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer entsprechenden Gesetzesvorlage – das Repräsentantenhaus hatte seine Zustimmung erteilt, nicht aber der Senat55 – gelang die Einführung einer „Say on Pay“-Abstimmung schließlich ebenfalls mit einer im Zuge des Dodd-Frank Act56 durchgeführten Änderung des Securities Exchange Act of 1934.57 Es handelt sich also um eine überraschenderweise im Kapitalmarktrecht verankerte bundesgesetzliche Regelung.58 Sie stellt eine weitere Stärkung der Aktionärsrechte dar59, insbesondere weil es sich – wie die Wahlen zum board of directors – um ein Verwaltungsrecht handelt, das regelmäßig auszuüben ist (jedenfalls alle drei Jahre, häufigere Voten – z. B. jährliche – sind möglich).60 Das Vergütungsvotum entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung; es hat also nur konsultative Bedeutung.61 d) Mehrheitserfordernisse Ebenso wie bei der deutschen Aktiengesellschaft sieht das US-amerikanische Gesellschaftsrecht vor, dass Beschlüsse grundsätzlich mit der einfachen Mehrheit des anwesenden Grundkapitals (simple majority) gefasst werden.62 Die Satzung oder die bylaws können aber die qualifizierte Mehrheit (super majority) vorschreiben.63 Für Grundlagenbeschlüsse wie die oben genannten Entscheidungen über Verschmelzungen, die Auflösung der Gesellschaft oder die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens soll grundsätzlich ebenfalls die einfache Mehrheit ausreichend sein.64 55 Schmidt-Bendun/Prusko, NZG 2010, 1128, 1128; s. auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 679. 56 s. oben Fn. 38. 57 Section 14A des Securties and Exchange Act of 1934. 58 Zur Entstehungsgeschichte Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 679; SchmidtBendun/Prusko, NZG 2010, 1128, 1128. 59 s. auch Kahan/Rock, 88 Texas L. Rev. 987, 1034 ff. (2010). 60 Schmidt-Bendun/Prusko, NZG 2010, 1128, 1129. 61 Schmidt-Bendun/Prusko, NZG 2010, 1128, 1129. 62 § 7.25 (c) RMBCA; § 216 (2) DGCL; zu den Mehrheitserfordernissen s. auch Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 670. 63 Näher Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 670. 64 Vgl. Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 670, die allerdings nur auf Vorschriften aus dem Bundesstaat New York verweisen.

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Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Wahlen zum board of directors die wichtigste Kompetenz der Hauptversammlung der corporation darstellen. Besondere Beachtung verdient daher das insoweit notwendige Mehrheitserfordernis. Klassischerweise erfolgte die Wahl unter Anwendung des sogenannten plurality voting-Verfahrens. Dieses Verfahren ist von dem Gedanken getragen, dass eindeutige Ergebnisse erzielt werden sollen: Gewählt ist der, der die meisten Stimmen erhalten hat.65 Zu einer konkurrierenden Abstimmung, bei der sich dieser Vorteil auswirkt, kommt es freilich nur dann, wenn überhaupt mehrere Kandidaten zur Wahl stehen. Das ist angesichts der Schwierigkeiten, denen sich die Aktionäre bei der Nominierung von Kandidaten jedenfalls bislang gegenüber sahen, allerdings nur höchst selten der Fall.66 Meistens steht für einen zu besetzenden Posten im board of directors nur ein Kandidat zur Wahl. Hier kann das plurality voting zu grotesken Ergebnissen führen: Aktionäre stehen vor der Wahl, entweder eine Vollmacht (proxy) zu erteilen, mit der sie den Kandidaten befürworten, oder diese Erteilung zu verweigern (withhold). Die Möglichkeit einer expliziten „Nein“-Stimme besteht nicht.67 Folglich ist der von der Gesellschaft nominierte Kandidat schon dann gewählt, wenn er nur eine einzige Stimme erhält.68 Aktionäre können ihren Unmut über einen Kandidaten zwar dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie sich in großer Zahl der Stimme enthalten (withhold campaigns). Die Enthaltungen haben dabei aber rein symbolischen Charakter, die Wahl des Kandidaten verhindern sie nicht.69 In der Praxis wird inzwischen vermehrt auf ein anderes Wahlverfahren zurückgegriffen, das majority voting.70 Dessen Implementierung ist durch eine privatautonome Änderung der articles of incorporation oder der bylaws möglich, wobei Aktionäre, die entsprechende Anträge stellen möchten, wiederum vor den bereits aufgezeigten Schwierigkeiten stehen können.71 Nach dem majority voting ist ein Kandidat nur dann gewählt, wenn er einen 65

Zum Ganzen Broichhausen, RIW 2007, 839, 840 f. m. w. N. Dazu oben S. 95 ff. 67 Broichhausen, RIW 2007, 839, 840. 68 Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 702 (2007). 69 Vgl. Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 701 f. (2007); Broichhausen, RIW 2007, 839, 841. 70 Im Jahr 2003 wendeten lediglich 10 der im Aktienindex Standard & Poor’s 100 gelisteten Unternehmen das majority voting-Verfahren an, im Jahr 2009 waren es bereits 90 der 100 Unternehmen, vgl. Kahan/Rock, 88 Texas L. Rev. 987, 1010 f. (2010). s. auch Bainbridge, Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 235 f.; Broichhausen, RIW 2007, 839, 839; Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 872 f. (2010). 71 Überblick bei Broichhausen, RIW 2007, 839, 842 f. 66

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näher zu bestimmenden Anteil der Stimmen erreicht.72 In Betracht kommen dabei grundsätzlich eine kapitalmäßige Mehrheit in Bezug auf das gesamte Grundkapital, eine Mehrheit des anwesenden Grundkapitals oder eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen nach Köpfen. Die meisten Unternehmen tendieren wohl zu letzterem.73 Ungeachtet der genauen Ausgestaltung hat ein withhold beim majority voting immer die Wirkung einer „Nein“Stimme.74 Bei Anwendung dieses Wahlverfahrens sind die Aktionäre also in der Lage, die Wahl eines durch die Gesellschaft nominierten Kandidaten tatsächlich zu verhindern. 3. Insbesondere: Die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft Während die Hauptversammlung der corporation seit jeher weitgehend ohne die persönliche Anwesenheit der Aktionäre auskommt („proxy“Hauptversammlung), liegt der Hauptversammlung der deutschen Aktiengesellschaft traditionell das Bild einer tatsächlichen Zusammenkunft aller Aktionäre zugrunde, die ihr Stimmrecht vor Ort persönlich ausüben (vgl. § 118 Abs. 1 S. 1 AktG).75 Die aktienrechtliche Entwicklung der letzten Jahre stellt sich allerdings als eine zunehmende Abkehr von dieser ohnehin realitätsfernen Vorstellung dar. Heute stehen den Aktionären mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, das Stimmrecht auch ohne eine (physische) Teilnahme an der Hauptversammlung auszuüben. Mit dieser Entwicklung einher geht eine Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung, die für das Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater förderlich ist.76 a) „Macht der Banken“ Dass das Bild der Aktionärszusammenkunft bei Publikumsgesellschaften der Realität noch nie so recht entsprochen hat, hat schon die Diskussion über die „Macht der Banken“77 in den 1990er-Jahren gezeigt. Die Kredit72 Vgl. Broichhausen, RIW 2007, 839, 841; s. auch Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 702 ff. (2007). 73 Broichhausen, RIW 2007, 839, 842 m. w. N. 74 Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 703 (2007); Broichhausen, RIW 2007, 839, 841. 75 Dazu etwa Mülbert, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Vor §§ 118–147, Rn. 44 ff. 76 Dazu noch S. 115 ff. und S. 127 ff. 77 Überblick zu den einzelnen Ausprägungen der „Macht der Banken“ bei Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 78 ff. m. w. N.

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institute sahen sich damals anhaltender Kritik ausgesetzt, weil sie das sogenannte Depotstimmrecht anboten und großzügig nutzten.78 Darunter ist die Ausübung der Stimmrechte aus Aktien zu verstehen, die einer Bank zur Verwahrung anvertraut wurden.79 Die Wurzeln des Depotstimmrechts liegen im 19. Jahrhundert, als einige Kreditinstitute begannen, die Stimmrechte ihrer Depotkunden auszuüben – damals noch ohne von diesen ermächtigt worden zu sein.80 Bereits seit 1965 unterlag das Depotstimmrecht allerdings einer strengeren Regulierung.81 Die damals eingeführten Bestimmungen waren von dem Gedanken geprägt, dass es sich bei dem Depotstimmrecht nicht um ein „eigenes Stimmrecht der Banken“ handelt, sondern um eine Ermächtigung der Bank durch den Kunden zur weisungsgebundenen Ausübung des Stimmrechts.82 Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Bank nach den Regelungen im Aktiengesetz aus dem Jahr 1965 ihre Depotkunden um die Erteilung von Weisungen bitten musste. Hierbei waren den Aktionären nicht nur die Abstimmungsvorschläge des Vorstands mitzuteilen, sondern auch eigene Abstimmungsvorschläge der Bank. Bei deren Entwicklung sollte sich die Bank „vom Interesse des Aktionärs leiten lassen“.83 In der Praxis verfügten die Banken trotz der „Weisungsgebundenheit“ des Depotstimmrechts über erheblichen Einfluss. Dies folgte zunächst daraus, dass die meisten Stimmrechte auf sie entfielen. Baums/Fraune haben in einer umfassenden Studie aus dem Jahr 1995 ermittelt, dass im Jahr 1992 durchschnittlich 84% der Stimmrechte von Banken ausgeübt wurden. Die Banken verfügten als Gruppe bei 20 der 24 untersuchten Gesellschaften über eine Mehrheit und waren bei 18 Gesellschaften sogar in der Lage, Grundlagenbeschlüsse durchzusetzen, wofür mehr als 75% der Stimmrechte erforderlich sind.84 Als zweiter Aspekt kam hinzu, dass die Aktionäre von 78 Überblick zur Geschichte des Depotstimmrechts bei Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 41 ff.; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2350 ff. jew. m. w. N.; s. auch Grundmann, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 135, Rn. 8 ff. 79 Vgl. Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 17. 80 Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 42; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2350 jew. m. w. N. 81 Detaillierte Darstellung der Regelungen bei Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 197 ff. 82 Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 50, 198 f.; zum Hintergrund der Neuregelung im Jahr 1965 s. auch J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2351 f. 83 Näher Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 232 ff. (zum Aktionärsinteresse s. S. 238 ff.); s. auch J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2351 f. 84 Baums/Fraune, AG 1995, 97, 101.

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ihrem Weisungsrecht in aller Regel keinen Gebrauch machten, sondern den Banken eine Dauervollmacht erteilten.85 Die Banken nutzten die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht, um mit Kampfabstimmungen auf den Hauptversammlungen ihre Anträge durchzusetzen. Vielmehr wurden die Stimmrechte ganz überwiegend im Sinne der Vorschläge der Verwaltung ausgeübt, sodass diese oft mehr als 99% Zustimmung erhielten.86 Das legt nahe, dass die Banken entweder bereits im Vorfeld der Hauptversammlung ihren Einfluss geltend machten oder dass sie dem jeweiligen Vorstand weitgehend vertrauten.87 Für letzteres sprechen ein mangelndes Interesse der Bankenvorstände an einem Eingriff in ein anderes Unternehmen, weil sie sich hierfür gegenüber der eigenen Hauptversammlung hätten rechtfertigen müssen88, sowie der Umstand, dass die Banken regelmäßig nur als Gruppe eine Mehrheit hatten, nicht aber alleine.89 Für den Erfolg eines Gegenantrags wäre also zunächst die Abstimmung mit den anderen Banken erforderlich, die möglicherweise als zu aufwendig erschien. Die „Macht der Banken“ beruhte allerdings nicht ausschließlich auf dem Depotstimmrecht, sondern auch auf dem klassischen System der Unternehmensfinanzierung in Deutschland. So agierten die Banken auch als Geschäftspartner der Gesellschaften, vor allem als deren Kreditgeber. Außerdem hielten sie große eigene Beteiligungen an den Gesellschaften und entsandten Vertreter in den Aufsichtsrat90.91 85 Baums/Fraune, AG 1995, 97, 109; Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 233, 261 f.; s. auch G. H. Roth, in: FS Paulick, 1973, S. 81, 94: Abweichende Weisungen werden nach Angaben deutscher Großbanken nur in 0,5 bis 3% aller Fälle erteilt. 86 Baums/Fraune, AG 1995, 97, 109 ff. 87 Baums/Fraune, AG 1995, 97, 111; G. H Roth, in: FS Paulick, 1973, S. 81, 96 f.; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 599. 88 Vgl. Baums/Fraune, AG 1995, 97, 111. Das Argument setzt freilich voraus, dass für ein Tun eine größere Rechtfertigungspflicht besteht als für ein Unterlassen. Das ist zwar nicht zwingend, wohl aber nachvollziehbar. 89 Vgl., auch zu Fällen, in denen eine Bank alleine eine Stimmenmehrheit hatte, G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 599 f. unter Verweis auf die Daten der Studie von Baums/Fraune, AG 1995, 97. 90 Dazu insbesondere Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 80 ff.; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 608 f. 91 Die Rede war daher auch von der „Kumulationsthese“; vgl. insbesondere Mülbert, Empfehlen sich gesetzliche Regelungen zur Einschränkung des Einflusses der Kreditinstitute auf Aktiengesellschaften?, Gutachten E zum 61. Deutschen Juristentag, 1996, S. 22 ff.; daneben Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989, S. 88 f.; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 923 f. Zu Veränderungen im System der Unternehmensfinanzierung s. noch S. 121 ff.

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b) KonTraG (1998) Um den Einfluss der Banken zu beschränken, reformierte der Gesetzgeber mit dem KonTraG92 das Depotstimmrecht der Kreditinstitute.93 Er orientierte sich dabei auch an den Empfehlungen des 61. Deutschen Juristentages. Das KonTraG verpflichtete die Banken dazu, auf andere Vertretungsmöglichkeiten hinzuweisen, etwa die Vertretung durch Aktionärsvereinigungen. Außerdem wurde die Ausübung des Depotstimmrechts untersagt, wenn eine Bank eine Eigenbeteiligung von mehr als 5% an dem jeweiligen Unternehmen hielt und der Aktionär keine Einzelanweisung erteilte. Daneben mussten die Banken wesentliche Beteiligungen (vgl. § 21 WpHG) offenlegen und ihre Organisationsstruktur so gestalten, dass Eigeninteressen keinen Einfluss auf die Entwicklung der Abstimmungsvorschläge haben. Die hohen Anforderungen, die das KonTraG an die Kreditinstitute stellte, machten sich in der Folgezeit bemerkbar. Den Kreditinstituten erschienen sie als zu aufwendig, sodass sie die Ausübung von Depotstimmrechten nicht zuletzt deshalb nahezu vollständig aufgaben.94 Allerdings dürften weitere Faktoren eine Rolle gespielt haben, insbesondere die Internationalisierung der Anlegerstruktur.95 Eine Folge des Rückzugs vom Depotstimmrecht durch die Banken war das Absinken der Hauptversammlungspräsenzen.96 c) NaStraG (2001) Der Gesetzgeber nahm den Rückzug der Kreditinstitute und das Absinken der Hauptversammlungspräsenzen mit Sorge zur Kenntnis, sodass es bereits 92 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27. 04. 1998, BGBl. I, S. 786. 93 Überblick zu den Änderungen durch das KonTraG bei Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 924; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2352 f. 94 Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 135, Rn. 3; Lenz, AG 2006, 572, 572 f.; Noack, NZG 2008, 441, 443; ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1464 ff.; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2353; Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505, 1511; Simon/Zetzsche, ZGR 2004, 918, 924; s. auch die Regierungsbegründung zum Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 30. 07. 2009, BGBl. I, S. 2479, BR-Drs. 847/08, S. 49. 95 Hierzu und zu weiteren Faktoren s. Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 135, Rn. 3; Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1466 f. Zur Internationalisierung der Anlegerstruktur s. noch S. 121 ff. 96 Das Absinken belegen etwa die Daten der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., HV-Präsenzen der DAX 30-Unternehmen (1998–2008), abrufbar unter http://www.dsw-info.de/Hauptversammlungspraesenzen.70.0.html (Stand: 23. 04. 2012); s. auch Noack, NZG 2008, 441, 443; Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505, 1511.

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im Jahr 2001 durch das NaStraG97 wieder zu einer ersten Deregulierung des Depotstimmrechts kam. Insbesondere fielen die zuvor geltende 15-Monats-Befristung von Vollmachten sowie das Schriftformerfordernis für Vollmacht und Weisungserteilung weg. Seit dem NaStraG können Aktionäre demnach auch elektronisch über die Ausübung ihrer Stimmrechte entscheiden, indem sie auf diesem Wege eine Vollmacht erteilen.98 Außerdem wurde der „von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter“ durch die Erwähnung in (nunmehr) § 134 Abs. 3 S. 5 AktG erstmals ausdrücklich anerkannt. Zuvor war diese Art der Vertretung Gegenstand eines lebhaften Streits. Große Teile der Literatur hielten die Stimmrechtsausübung durch die Gesellschaft selbst oder von ihr benannte Personen für unzulässig.99 Vor diesem Hintergrund hatten bereits im Jahr 1995 Baums/ v. Randow vorgeschlagen, einen „Markt für Stimmrechtsvertreter“ zu schaffen.100 Gedacht war dabei, neben der Einführung eines speziellen Weisungserfordernisses für das Depotstimmrecht, an die Benennung von Wirtschaftsprüfern, die von der Hauptversammlung gewählt werden und auch ohne Weisung die Stimmrechte der Aktionäre ausüben sollten. Die Kosten hätte die Gesellschaft zu tragen.101 Schließlich wurde die herrschende Literaturmeinung aber durch die tatsächliche Entwicklung überholt: Bereits in der Hauptversammlungssaison 2000 hatten mehrere Aktiengesellschaften (genannt werden Siemens, DaimlerChrysler, Deutsche Telekom102 und Deutsche Bank) eigene Mitarbeiter als Stimmrechtsvertreter eingesetzt.103 Spätestens seit Inkrafttreten des NaStraG ist diese Vorgehensweise unstreitig zulässig: Gesellschaften dürfen eigene Stimmrechtsvertreter einsetzen und um die Erteilung entsprechender Vollmachten werben.104 Lediglich Einzelaspekte sind umstritten. Dazu zählt 97 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) v. 18. 01. 2001, BGBl. I, S. 123. 98 Überblick zu allen Neuerungen durch das NaStraG bei Seibert, AG 2004, 529, 529 f.; s. auch Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 179 ff.; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2353; zum Wegfall des Schriftformerfordernisses Noack, ZIP 2001, 57, 57 f. 99 Überblick zum Streitstand vor Inkrafttreten des NaStraG bei Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 185 ff.; Hüther, AG 2001, 68, 71 f.; Lenz, Die gesellschaftsbenannte Stimmrechtsvertretung, 2005, S. 142 ff.; Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1474 ff.; s. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 28 IV 4, S. 854 jew. m. w. N. 100 Vgl. den Beitrag Baums/v. Randow, AG 1995, 145 („Der Markt für Stimmrechtsvertreter“). 101 Baums/v. Randow, AG 1995, 145, 152 f. 102 Dazu ausführlich Lenz, Die gesellschaftsbenannte Stimmrechtsvertretung, 2005, S. 149 ff. 103 Vgl. Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 186; Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1474.

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zunächst die Frage, ob die bloße Möglichkeit zur Weisungserteilung ausreichend ist oder ob eine wirksame Bevollmächtigung die Erteilung von Einzelanweisungen voraussetzt. Die wohl überwiegende Auffassung tendiert zu letzterem und begründet dies insbesondere mit der Norm des § 135 Abs. 3 S. 3 AktG (§ 135 Abs. 1 S. 2 AktG a. F.), die entsprechend anzuwenden sei.105 Danach dürfen Kreditinstitute in der eigenen Hauptversammlung das (Depot-)Stimmrecht nur dann ausüben, wenn der Aktionär Anweisungen zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat. Allerdings soll es ausreichen, wenn dem Vertreter der Gesellschaft die generelle Weisung erteilt wird, dass entsprechend der Verwaltungsvorschläge abzustimmen sei.106 Diskutiert wird außerdem, ob auch Organmitglieder als Stimmrechtsvertreter fungieren können oder ob es sich um Arbeitnehmer der Gesellschaft bzw. um von der Gesellschaft unabhängige Dritte handeln muss. Im Ergebnis wird man es als gleichgültig anzusehen haben, welcher „rechtstechnische“107 Weg der Vertretung gewählt wird, an den Folgen – vor allem an dem größeren Einfluss der Verwaltung auf die Hauptversammlung – ändert sich nichts.108 Offensichtlich ist die funktionale Nähe des „von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters“ zum proxy voting US-amerikanischer Prägung.109 Das wird schon in dem Bericht des Rechtsausschusses deutlich, der die Einführung der Regelung empfohlen hatte. Dort heißt es, dass „ein dem im angloamerikanischen Rechtskreis bekannten Proxy-Voting vergleichbares Abstimmungsverfahren“ möglich werde.110 Auch in der Literatur wurde die Neuregelung in § 134 Abs. 3 S. 5 AktG überwiegend als eine 104 s. nur Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 187; Noack, ZIP 2001, 57, 62; Riegger, ZHR 165 (2001), 204, 213; gegen die Zulässigkeit eines systematischen Einwerbens von Vollmachten Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 134, Rn. 26b; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 65. 105 Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 187 f.; Noack, ZIP 2001, 57, 62; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 63; differenzierend Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 55 f.; a. A. Riegger, ZHR 165 (2001), 204, 214. 106 Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 187 f.; Hüther, AG 2001, 68, 73; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 57. 107 Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1477; ders., ZIP 2001, 57, 62. 108 Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1477; ders., ZIP 2001, 57, 62; s. auch Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 188; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 54 m. w. N.; gegen die Zulässigkeit einer Bevollmächtigung von Organmitgliedern aber Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 134, Rn. 26b; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 134, Rn. 63 f. 109 Vgl. Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 71; v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 250 ff. 110 BT-Drs. 14/4618, S. 14.

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Annäherung an das US-amerikanische Rechtssystem verstanden.111 Einschränkend ist dabei zwar zu beachten, dass der deutsche Gesetzgeber davon abgesehen hat, den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter einer den proxy rules vergleichbaren umfassenden Regulierung zu unterstellen.112 Den Annäherungscharakter wird man der Neuregelung durch das NaStraG deshalb aber kaum absprechen können.113 Es handelt sich um eine „partielle Rezeption“.114 Insgesamt stellt sich die Schaffung einer deutschen Variante des proxy voting als der Beginn eines Übergangs vom Depotstimmrecht hin zu einer Form des Verwaltungsstimmrechts dar.115 Dies macht nicht zuletzt das Bundesministerium der Justiz (BMJ) deutlich, das in dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter ein „alternatives Stimmrechtsausübungsinstrument“ sieht, mit dem der Rückzug der Banken vom Depotstimmrecht „zwar nicht überkompensiert, aber doch zumindest aufgefangen“ werde. Insbesondere institutionelle Anleger machten von der neuen Vertretungsmöglichkeit Gebrauch.116 d) TransPuG (2002) Bedeutung für die Stimmrechtsausübung hat darüber hinaus das TransPuG117, das die Möglichkeit schuf, Hauptversammlungen live im Internet zu übertragen. Nach § 118 Abs. 3 AktG a. F. (nunmehr § 118 Abs. 4 AktG118) kann die Satzung oder die Geschäftsordnung der Gesellschaft eine 111

Noack, ZIP 2001, 57, 61; Seibert, ZIP 2000, 937, 944; Volhard, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 134, Rn. 38; Weber, NZG 2001, 337, 342; Wohlwend, NJW 2001, 3170, 3171; s. auch v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 252 m. w. N. 112 Zu verbleibenden Unterschieden in den Rechtssystemen s. auch noch S. 115 ff. 113 Dennoch verwendet Hanloser, NZG 2001, 355, 356 f. den Begriff des „faux amis“. 114 So zu Recht v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 254. 115 s. auch Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 188 f.; v. Hein, Die Rezeption USamerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 251 f.; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 926. 116 BMJ, NZG 2004, 948, 948. 117 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz, TransPuG) v. 25. 07. 2002, BGBl. I, S. 2681; Überblick zu allen Neuregelungen durch dieses Gesetz bei Knigge, WM 2002, 1729, 1730 ff.; Seibert, NZG 2002, 608. 118 Durch das ARUG wurde die Bestimmung neu gefasst. Nunmehr kann die Satzung auch den Vorstand oder den Versammlungsleiter ermächtigen, eine Ton- und Bildübertragung zuzulassen. Vgl. Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 815, 822.

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Regelung vorsehen, nach der eine Live-Übertragung zulässig ist.119 Diese Regelung weist auf den ersten Blick zwar keinen Bezug zur Stimmrechtsausübung auf, doch dieser Eindruck täuscht: Spätestens seit das NaStraG die Benennung eines Stimmrechtsvertreters durch die Gesellschaft ausdrücklich für zulässig erklärt hatte, wurde es bei einer Zulassung der Online-Übertragung der Hauptversammlung – die schließlich durch das TransPuG erfolgte – als möglich betrachtet, dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter Weisungen auch noch während der Hauptversammlung zu erteilen.120 Bedingung war allerdings, dass die Satzung der Gesellschaft gegenüber § 134 Abs. 3 S. 2 AktG a. F., wonach die Vollmacht der Schriftform bedurfte, eine Erleichterung vorsah.121 Entschied sich eine Gesellschaft mit einer entsprechenden Satzungsbestimmung für die Online-Übertragung und stellte sie gleichzeitig Stimmrechtsvertreter zur Verfügung, konnten Aktionäre also bereits seit 2002 von jedem beliebigen Ort aus das Geschehen auf der Hauptversammlung verfolgen und kurzfristig mit den Stimmrechtsvertretern vor Ort in Kontakt treten.122 Dabei galt der Aktionär zwar nicht als Teilnehmer der Hauptversammlung und konnte daher selbst keine Mitwirkungsrechte (z. B. Frageund Stimmrecht) ausüben.123 Speziell für das Stimmrecht handelte es sich dabei angesichts der bestehenden Vertretungsmöglichkeiten aber nur um eine begriffliche Unterscheidung. e) UMAG (2005) Das im Jahr 2005 verabschiedete UMAG124 hatte im Schwerpunkt nicht die Stimmrechtsausübung im Blick, sondern reformiert vor allem die Klagerechte der Aktionäre.125 Jedenfalls mittelbare Bedeutung für die Stimm119 Zu dieser Neuregelung s. Seibert, NZG 2002, 608, 611; vgl. auch die Forderung nach der Schaffung einer entsprechenden Regelung von Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 183 f. 120 Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 183 ff.; Kubis, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 118, Rn. 24; Noack, NZG 2001, 1057, 1061 f.; s. auch Spindler, ZGR 2000, 420, 443 ff. 121 s. Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 182, 184; Noack, NZG 2001, 1057, 1061. 122 s. auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 71. 123 Noack, NZG 2001, 1057, 1061; Riegger, ZHR 165 (2001), 204, 209 f. 124 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. 09. 2005, BGBl. I, S. 2802. 125 Überblick zu allen Neuregelungen durch das UMAG bei Fleischer, NJW 2005, 3525; Spindler, NZG 2005, 825; noch zum Referentenentwurf Diekmann/ Leuering, NZG 2004, 249.

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rechtsausübung hat aber die Neuregelung zum Hinterlegungserfordernis. Nach § 123 Abs. 2 S. 1 AktG a. F. konnte die Satzung einer Aktiengesellschaft vorsehen, dass die Teilnahme an der Hauptversammlung nur dann möglich ist, wenn zuvor die Aktien „hinterlegt“ werden und der Aktionär sich zur Hauptversammlung anmeldet.126 Die Vorschrift ging auf das 19. Jahrhundert zurück und diente der Feststellung der materiellen Berechtigung, also der Aktionärsstellung.127 „Hinterlegt“ im gegenständlichen Sinne der Abgabe eines verbrieften Anteilsscheins wurden die Aktien allerdings schon lange nicht mehr. Vielmehr wurden Eintrittskartenanforderungen von den depotführenden Banken an eine Hinterlegungsstelle – ein von der Aktiengesellschaft benanntes Kreditinstitut – weitergeleitet, das sodann Eintrittskarten erstellte.128 Die depotführende Bank hielt die Aktien bis zum Ablauf der Hauptversammlung als „gesperrt“.129 Vor allem bei ausländischen Aktionären entstand dabei der Eindruck, dass diese „Sperrung“ gleichbedeutend sei mit einer Veräußerungssperre.130 Das war zwar rechtlich unzutreffend.131 Ganz unbegründet war die Sorge auf kurzfristige Kursschwankungen nicht reagieren zu können aber dennoch nicht, da einige depotführende Banken offenbar die für eine Veräußerung notwendige Mitwirkung verweigerten.132 Durch das UMAG wurde die Vorschrift des § 123 Abs. 2 S. 1 AktG – dem Vorschlag der Regierungskommission Coporate Governance entsprechend133 – neu gefasst.134 Nunmehr kann die Satzung einer Aktiengesellschaft nur noch vorsehen, dass die Aktionäre sich vor der Hauptversammlung anmelden müssen. Die Anmeldung muss der Gesellschaft, wenn die Satzung keine kürzere Frist vorsieht, spätestens am siebten Tage vor der 126 Zum früheren Hinterlegungsverfahren s. Noack/Zetzsche, WM 2004, 1; Spindler, NZG 2005, 825, 826 f.; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1085. 127 Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 1. 128 Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 1. 129 Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 6; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1085. 130 BMJ, NZG 2004, 948, 948; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 104; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/5092, S. 13; s. auch Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, 256; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530; Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 6; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1085; Spindler, NZG 2005, 825, 826 f. 131 Näher Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 6; ähnlich bereits Zöllner, in: FS L. Raiser, 1974, S. 249, 270 f. 132 Im Einzelnen Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 6 ff. 133 s. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 104. 134 Überblick bei Spindler, NZG 2005, 825, 827; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530; zum (teilweise abweichenden) Referentenentwurf Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, 256 f.

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Hauptversammlung zugehen.135 Die Frage, wie der Nachweis der Aktionärsstellung zu erbringen ist, regelt nunmehr § 123 Abs. 3 S. 1 AktG, der sich allerdings nur auf Inhaberaktien von börsennotierten Gesellschaften bezieht. Es genügt ein in Textform erstellter Nachweis durch das depotführende (auch ausländische) Kreditinstitut, der sich auf den 21. Tag vor der Hauptversammlung beziehen muss (sog. record date).136 Die Abschaffung des auch durch die tatsächliche Entwicklung überholten Hinterlegungserfordernisses beseitigt vor allem Bedenken ausländischer Investoren, deren Bedeutung in Deutschland zugenommen hat.137 Im Zuge des UMAG dürfte die Bereitschaft dieser Gruppe von Anlegern zur Stimmrechtsausübung deutlich gestiegen sein.138 Ein Indiz hierfür ist etwa die Präsenzstatistik zur Hauptversammlungsteilnahme, die für das Jahr 2005 einen Tiefstand ausweist: Durchschnittlich gaben bei den DAX 30-Unternehmen nur 44,98% der Aktionäre ihre Stimme ab. In den Folgejahren stieg dieser Wert jedoch wieder deutlich an und bewegte sich in den Jahren 2007 bis 2011 im Bereich von 56% bis knapp 58%.139 Schließlich wurde durch das UMAG das „Aktionärsforum“ eingeführt, § 127a AktG, dessen Zweck die Ermöglichung einer besseren Koordination unter den Aktionären war. Es wurde in den elektronischen Bundesanzeiger integriert, sodass Aktionäre per Internet darauf zugreifen können. Darauf wird noch zurückzukommen sein.140 f) ARUG (2009) Die vorerst letzten und gleichzeitig weitest reichenden Veränderungen brachte das im Jahr 2009 in Kraft getretene ARUG141 mit sich, das der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie142 diente. Durch dieses Gesetz wurde die Stimmrechtsausübung den Aktionären weiter erleichtert. Das betrifft zunächst das Depotstimmrecht, das durch das ARUG eine Deregulie135 Zur Fristberechnung Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 123, Rn. 14. 136 BT-Drs. 15/5092, S. 13; s. auch Spindler, NZG 2005, 825, 827. 137 Dazu noch S. 121 ff. 138 So explizit Schaefer, NZG 2007, 900, 900. 139 SdK-Präsenzstatistik (o. § 4 Fn. 6). s. auch Seibert, NZG 2007, 841, 841. 140 Dazu S. 151. 141 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 30. 07. 2009, BGBl. I, S. 2479. 142 RL 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. 07. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABlEU Nr. L 184 v. 14. 07. 2007, S. 17.

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rung erfahren hat.143 Kreditinstitute müssen nunmehr keine eigenen Abstimmungsvorschläge mehr entwickeln. Vielmehr ist es auch möglich, eine Ausübung der Stimmrechte ausschließlich entsprechend der Verwaltungsvorschläge anzubieten, wenn der Aktionär keine Weisungen erteilt (§ 135 Abs. 1 S. 4 AktG). Die einzige Einschränkung besteht darin, dass ein Kreditinstitut, das die Ausübung der Depotstimmrechte anbietet (also auch ein solches, das eigene Abstimmungsvorschläge entwickelt), sich erbieten muss, die zur Stimmrechtsausübung erforderlichen Unterlagen an eine Aktionärsvereinigung weiterzuleiten (§ 135 Abs. 1 S. 5 AktG).144 In der Praxis werden die Kreditinstitute aus Kostengründen wahrscheinlich nur eine Stimmrechtsausübung entsprechend der Verwaltungsvorschläge anbieten.145 Die dafür notwendige Vollmacht erteilen viele Kunden möglicherweise schon bei Depoteröffnung. Ist die Vollmacht einmal erteilt, muss das Kreditinstitut zwar jährlich auf die Möglichkeit des Vollmachtswiderrufs hinweisen (§ 135 Abs. 1 S. 6 AktG). Verhaltensökonomische Erkenntnisse sprechen aber dafür, dass die Kunden hiervon regelmäßig keinen Gebrauch machen werden.146 Nahe liegt freilich die Befürchtung, dass die Vereinfachung des Depotstimmrechts eine Machtsteigerung zugunsten der Verwaltung zur Folge hat. Bedeutung hat das Depotstimmrecht aber vor allem für die inländischen Kleinanleger, deren Anteil inzwischen sehr gering ist.147 Es ist nicht zu erwarten, dass Stimmrechte in entscheidender Menge mittels des Depotstimmrechts ausgeübt werden.148 Sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch 143

Umfassender Überblick bei J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2353 ff. Zur Neugestaltung des Depotstimmrechts im Einzelnen Noack, NZG 2008, 441, 443; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2354 f.; Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2150 f. 145 J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2354. 146 Menschen tendieren dazu, einen bestehenden Zustand nicht zu verändern, wenn hierzu kein besonderer Anlass besteht (sog. status quo bias), s. dazu etwa Thaler/Sunstein, Nudge, 2009, S. 37 ff.; auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 97 f. 147 Nach Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505, 1512 f. hielten die privaten Haushalte im Jahr 2003 lediglich 13,9% der an deutschen Börsen notierten Aktien. Erfasst sind dabei auch die Anteile von Großaktionären und Gründerfamilien, die typischerweise in den Depots von Privatbanken liegen. Diese hatten sich aus der Stimmrechtsausübung nie zurückgezogen, sodass die Deregulierung des Depotstimmrechts insoweit zu keiner Steigerung der Hauptversammlungspräsenzen führen wird. Zum Ganzen auch Baums, ZHR 171 (2007), 599, 601 f. Ergänzend sei verwiesen auf das DAI-Factbook 2009, S. 08.1-3-b, wonach die privaten Haushalte im Jahr 2008 10% der Anteile an börsennotierten Aktiengesellschaften hielten. 148 Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505, 1512 f. schätzt – unter Bezugnahme auf einen der ARUG-Neuregelung ähnlichen Vorschlag des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes – den Effekt auf ungefähr 1% der Stimmrechte. 144

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im Kontext dieser Arbeit, in deren Zentrum die institutionellen Anleger stehen, ist das Depotstimmrecht folglich kaum von Bedeutung. Wichtiger ist die Möglichkeit einer „Online-Teilnahme“ an der Hauptversammlung, die ebenfalls durch das ARUG geschaffen wurde. § 118 Abs. 1 S. 2 AktG lässt nunmehr Satzungsbestimmungen zu, nach denen die Aktionäre ohne Anwesenheit vor Ort und ohne Bevollmächtigten an der Hauptversammlung teilnehmen und sämtliche oder einzelne Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.149 Außerdem gestattet das ARUG Satzungsbestimmungen, die den Aktionären die Briefwahl erlauben. Nach § 118 Abs. 2 AktG kann vorgesehen werden, dass die Aktionäre ihre Stimmen, auch ohne an der Versammlung teilzunehmen, schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen.150 Eine entsprechende Satzungsbestimmung gilt auch für Kreditinstitute (§ 135 Abs. 3 S. 2 AktG). Die Abgabe der Stimme muss bei der Briefwahl in dem Zeitraum zwischen Einberufung und Eröffnung der Hauptversammlung erfolgen. Folgerichtig wird der Aktionär, der seine Stimmrechte per Briefwahl ausübt, nicht als Teilnehmer der Hauptversammlung qualifiziert.151 Die Konsequenzen dieser Neuregelungen durch das ARUG sind weitreichend. Zwar mag die Online-Teilnahme vielen Aktionären möglicherweise als zu aufwendig erscheinen, weil zwar Reisekosten wegfallen, es aber dabei bleibt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt über Stunden das Hauptversammlungsgeschehen verfolgt werden muss. Insbesondere die Möglichkeit einer Briefwahl kann aber einen erheblichen Teil der Kosten, die den Aktionären bislang bei der Stimmrechtsausübung entstehen, beseitigen.152 Sie weist Parallelen zu dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter auf.153 In beiden Fällen wird – wenn dem Vertreter Weisungen nicht noch während der Hauptversammlung erteilt werden – die AbstimmungsÄhnlich zurückhaltend Baums, ZHR 171 (2007), 599, 601 f.; Noack, NZG 2008, 441, 443; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2355; Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2151; s. auch Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 135, Rn. 9. 149 Ausführlich dazu Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 815, 819 ff.; s. auch Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2145 f.; Noack, NZG 2008, 441, 443 f. 150 Dazu Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 815, 821; Noack, NZG 2008, 441, 444 f.; Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2146. 151 Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 815, 821. 152 Erste Befunde aus der Hauptversammlungssaison 2011 stützen diese Vermutung: Während die Briefwahl von 14 DAX-Gesellschaften und acht MDAX-Gesellschaften angeboten wurde, ermöglichten lediglich zwei Gesellschaften aus dem DAX und keine aus dem MDAX die Online-Teilnahme, vgl. Höreth, AG-Report 2011, 300. 153 Vgl. BT-Drs. 16/11642, S. 27.

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entscheidung nach vorne verlagert. Der Aktionär trifft in jedem Fall vor Eröffnung der Hauptversammlung, oft aber wohl sogar Tage oder Wochen vorher, die Entscheidung darüber, wie er seine Stimmrechte ausüben möchte. Er muss rechtzeitig der Gesellschaft – per Brief oder mittels elektronischer Kommunikation – seine Entscheidung übermitteln oder dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter entsprechende Weisungen erteilen. Diese Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung stellt einen „Systemwechsel“154 dar. Für viele Aktionäre dürfte die Abgabe der Stimmen mittels elektronischer Kommunikation im Vorfeld der Hauptversammlung den ökonomischsten Weg der Stimmrechtsausübung darstellen, weshalb von einer alsbaldigen Verbreitung dieser Methode auszugehen ist. Die Hauptversammlung stellt dann kein „Willensbildungsorgan“ mehr dar, sondern vielmehr ein „Willensfeststellungsorgan“.155 Das hat zur Folge, dass Abstimmungen über Spontananträge künftig kaum möglich sein werden. Während dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter jedenfalls theoretisch Weisungen noch während der Hauptversammlung erteilt werden können, legt sich der Briefwähler mit seiner Entscheidung im Vorfeld endgültig fest.156 Er kann auf Umstände, die sich erst kurzfristig ergeben, nicht mehr reagieren. 4. Konvergenz des Hauptversammlungsrechts Eine Analyse der geschilderten Entwicklungen zeigt, dass sich das deutsche und das US-amerikanische Hauptversammlungsrecht aufeinander zu bewegen. Im US-amerikanischen Recht liegen die entscheidenden Veränderungen bei den Wahlen zum board of directors und in der zunehmenden Verbreitung des majority voting-Verfahrens. Aus deutscher Sicht stellen sich die neu geschaffenen Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung als eine Annäherung an das US-amerikanische Recht dar, wenngleich im Detail Differenzen verbleiben. Sowohl in den USA als auch in Deutschland haben die Aktionäre nunmehr außerdem die Möglichkeit, einen Beschluss über das Vergütungssystem der Manager zu fassen („Say on Pay“).

154 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 72; s. auch Noack, NZG 2008, 441, 445: „Systemänderung“. 155 Begriffe nach Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 68. 156 s. auch Noack, NZG 2008, 441, 445; eingehend zum Umgang mit im Vorfeld festgelegten Stimmen in der Hauptversammlung Noack/Zetzsche, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 895.

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a) Wahlen zum board of directors und zum Aufsichtsrat Den Aktionären in den USA steht nunmehr eine praxistaugliche Möglichkeit zur Nominierung eigener Kandidaten für das board of directors zur Verfügung. Deutsche Aktionäre kennen die (vergleichbare) Möglichkeit zur Nominierung von Aufsichtsratsmitgliedern aus § 127 AktG. Außerdem können die Stimmrechte bei directors-Wahlen und bei Abstimmungen über die Vergütung nur noch dann durch broker ausgeübt werden, wenn diese von den beneficial owners eine entsprechende Weisung erhalten haben. Bisher gehörten die Wahlen zu den Routineangelegenheiten (routine matters), für die eine Weisung nicht erforderlich war. Die Parallele im deutschen Recht ist in der Notwendigkeit der Bevollmächtigung und Weisungserteilung zu sehen, wenn die Stimmrechte durch Kreditinstitute (§ 135 Abs. 1 S. 1 und Abs. 6 S. 1 AktG)157 oder durch einen von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter158 (§ 134 Abs. 3 S. 5 AktG) ausgeübt werden sollen. b) Mehrheitserfordernisse In den USA findet das majority voting zunehmende Verbreitung, wonach eine erfolgreiche Kandidatur für das board of directors das Überschreiten eines bestimmten Quorums voraussetzt. Im Gegensatz zum zuvor angewendeten plurality voting weist das majority voting eine starke Ähnlichkeit zur funktional vergleichbaren Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 101 AktG auf. Hierfür gilt – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung, § 133 Abs. 2 AktG – die bereits genannte allgemeine Norm des § 133 Abs. 1 AktG, die das Mehrheitswahlrecht vorschreibt.159 Dananch ist gewählt, wer die einfache Stimmenmehrheit, das heißt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, erhält.160 Gezählt wird allerdings nicht nach Köpfen, sondern nach Aktien („kapitalmäßige Mehrheit“161), sodass mit der Regelung, die in den USA wohl am verbreitetsten ist162, zwar keine vollständige Angleichung erfolgt. Die Annäherung ist aber unverkennbar. 157

Zu weiterhin bestehenden Unterschieden in den Rechtssystemen s. noch S. 117 f. Die herrschende Literaturmeinung erachtet eine Weisungserteilung als notwendig, vgl. die Nennungen in Fn. 105. 159 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 101, Rn. 43. 160 Habersack, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), § 101, Rn. 27; Hopt/ M. Roth, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 101, Rn. 78; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 101, Rn. 4; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 25, Rn. 23 m. w. N. 161 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 101, Rn. 43. 162 s. dazu schon oben S. 100 f. 158

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c) Stimmrechtsausübung In Deutschland wurde den Aktionären die Stimmrechtsausübung zunehmend erleichtert. Heute bestehen für Aktionäre, die den mitunter weiten Weg in die Stadt- und Messehallen deutscher Großstädte nicht auf sich nehmen wollen, mehrere Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung ohne Anwesenheit vor Ort. Neben der Nutzung des Depotstimmrechts, das von den Banken nach erfolgter Deregulierung mit vergleichsweise geringem Aufwand wieder wahrgenommen werden kann, besteht die Möglichkeit, einen von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter zu beauftragen. Seine Zulässigkeit steht seit dem NaStraG nicht mehr in Zweifel. Außerdem ist das Schriftformerfordernis für die Erteilung der Vollmacht weggefallen. Weitere Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung wurden insbesondere durch das ARUG geschaffen. Neben der Möglichkeit der Online-Teilnahme können Aktiengesellschaften ihren Aktionären die Stimmrechtsausübung per Briefwahl ermöglichen. Die Reformen stellen sich in ihrer Gesamtheit als eine Abkehr vom System der Präsenzhauptversammlung dar.163 Wenn sich die Praxis durchsetzt, dass die Stimmrechte künftig vor allem durch einen von der Gesellschaft beauftragten Stimmrechtsvertreter oder mittels Briefwahl ausgeübt werden164, fällt die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten künftig nicht mehr auf der Hauptversammlung, sondern bereits in deren Vorfeld. Hierin liegt das Charakteristikum der US-amerikanischen corporation, an der (vor allem) von den Aktionären beauftragte Stimmrechsvertreter teilnehmen. Trotz der Annährung des deutschen an das US-amerikanische Hauptversammlungsrecht verbleiben Unterschiede in Detailfragen. Von diesen sind die Informationsverbreitung im Vorfeld der Hauptversammlung sowie der verbleibende Ermessensspielraum beim Depotstimmrecht mit Blick auf die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern von Bedeutung.165 aa) Informationsverbreitung im Vorfeld der Hauptversammlung In Deutschland wird eine mangelhafte Informationsverbreitung im Vorfeld der Hauptversammlung166 beklagt. Insbesondere ausländische Aktionäre erfahren zum Teil noch nicht einmal rechtzeitig, wann die Hauptver163

So auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 68. Zu den Bedenken hinsichtlich einer Online-Teilnahme s. oben S. 112. 165 Dazu auch noch S. 127 ff. 166 Dazu bereits v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 253 f. 164

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§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

sammlung stattfindet – ein „Skandal ohne Aufschrei“167.168 Nach § 128 AktG sind Kreditinstitute, die Aktien verwahren, zwar zur Weiterleitung der Hauptversammlungseinladung an die Aktionäre verpflichtet. Die Norm findet bei ausländischen Kreditinstituten aber keine Anwendung.169 Möglicherweise hat sich die Situation inzwischen dadurch etwas entspannt, dass insbesondere DAX-Unternehmen zunehmend auf Namensaktien umstellen.170 Die Unternehmen wissen dann, wer ihre Aktionäre sind und können diese unmittelbar – auch im Ausland – anschreiben.171 Mit Einberufung der Hauptversammlung werden den Aktionären im Wesentlichen allerdings nur die Tagesordnung sowie die Beschlussvorschläge der Verwaltung (nicht notwendigerweise mit Begründung) übermittelt.172 Lediglich in einzelnen Fällen verpflichtet das Gesetz den Vorstand zur Vorlage eines schriftlichen Berichts an die Hauptversammlung.173 Beispiele sind etwa der Bericht über einen Unternehmensvertrag (§ 293a AktG) und der Bericht zum Formwechsel (§ 192 UmwG).174 Die Aktionäre erhalten die Berichte regelmäßig nicht automatisch. Vielmehr werden sie zur Einsichtnahme ausgelegt und den Aktionären nur auf Verlangen zugesandt.175 Nur der Bericht zu einem Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG) ist den Aktionären auch 167

Seibert, AG 2005, 529, 529. s. auch Lutter, ZGR 2000, 1, 11; Noack, ZIP 2005, 325, 330; Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 34. 169 Vgl. Noack, ZIP 2005, 325, 330. Neben der direkten Benachrichtigung der Aktionäre erfolgt allerdings auch eine öffentliche Information im elektronischen Bundesanzeiger, §§ 121 Abs. 3, 25 AktG. Hiervon nehmen ausländische Aktionäre aber offenbar keine Kenntnis. 170 Dazu schon Noack, in: FS Lutter, 2000, S. 1463, 1466 f. 171 Einschränkend ist allerdings zu beachten, dass Eintragungen im eigenen Namen für Aktien, die einem anderen gehören, möglich sind (sog. „Legitimationsaktionär“). Vgl. H. C. Grigoleit/Rachlitz, ZHR 174 (2010), 12, 30 ff.; Noack, NZG 2008, 721, 721 f.; s. auch Bayer, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), § 67, Rn. 21; Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 67, Rn. 43. Dann gilt wieder die Weiterleitungspflicht nach § 128 AktG, die auf ausländische Kreditinstitute aber auch insoweit keine Anwendung findet. 172 Zu den zu erfüllenden Anforderungen bei Einberufung der Hauptversammlung s. ausführlich Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 32, Rn. 33 ff. (zur Tagesordnung Rn. 47 ff., zu den Beschlussvorschlägen der Verwaltung Rn. 55 ff.). 173 Vgl. Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S. 16 ff. unter der Überschrift „Aktionärsinformation als Ausnahme“. 174 Übersicht zu allen Fällen bei Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 32, Rn. 80 ff. 175 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 32, Rn. 81. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) sieht in Nr. 2.3.1 zudem vor, dass die Berichte auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen sind. 168

I. Rechtliche Konvergenz

117

ohne Aufforderung in seinem wesentlichen Inhalt zusammen mit der Tagesordnung bekanntzumachen.176 Zwar bestehen daneben umfassende kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten nach dem WpHG, dem WpÜG und dem WpPG getreu der disclosure philosophy177, die hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Bedeutung zugenommen haben.178 Diese Pflichten weisen aber keinen Bezug zur Hauptversammlung auf.179 Es handelt sich vielmehr um Einzelinformationen, die jedenfalls teilweise zusammenhanglos und zu unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlicht werden. Für einen Aktionär ist es schwierig, den Überblick zu behalten und die für die Hauptversammlung relevanten Informationen „herauszufiltern“. Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten sind zur hauptversammlungsbezogenen Information der Aktionäre folglich nur bedingt geeignet. Diesem Zweck kann nur eine umfassende Berichtspflicht des Vorstands im Vorfeld der Hauptversammlung genügen, die das Ziel verfolgt, die Aktionäre über alle wesentlichen Entwicklungen und Vorgänge zu informieren.180 Eine solche Pflicht besteht in Deutschland nicht. Gleichwohl wäre ihre Etablierung bei einer endgültigen Abkehr vom Konzept der Präsenzhauptversammlung konsequent gewesen, um die nicht vor Ort anwesenden Aktionäre ausreichend zu informieren.181 Die proxy rules der SEC sehen eine derartige Informationspflicht vor.182 bb) Ermessensspielraum beim Depotstimmrecht Sofern ein Aktionär einem Kreditinstitut eine Vollmacht erteilt hat, nach der die Stimmrechte entsprechend der eigenen Vorschläge des Kreditinstituts oder der Verwaltungsvorschläge auszuüben sind, kann das Kreditinstitut die Stimmrechte unter Umständen nach Ermessen ausüben.183 § 135 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 AktG deutet dies an. Für nicht angekündigte Anträge, für 176 Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 186, Rn. 22; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 32, Rn. 82. 177 Zu diesem Grundprinzip des Kapitalmarktsrechts s. Klöhn, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. (2008), S. 281, 302. 178 Vgl. Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S. 29 ff.; zur Bedeutungsverschiebung vom Gesellschaftsrecht hin zum Kapitalmarktrecht im Allgemeinen s. Eidenmüller, JZ 2007, 487, 488. 179 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 67; Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), 218, 219 f. 180 Darin besteht der Zweck des in den USA vorzulegenden annual report, vgl. Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 791. 181 Vgl. Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 79. 182 Rule 14a-3 (b).

118

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

die es praktisch immer sowohl an einer ausdrücklich erteilten Weisung als auch an einem Abstimmungsvorschlag des Kreditinstituts fehlt184, gilt, dass grundsätzlich anhand erteilter Weisungen der Wille des Aktionärs ermittelt werden muss. Ist dies nicht möglich, darf das Kreditinstitut die Stimmrechte gleichwohl ausüben. Es hat sich dabei vom Aktionärsinteresse leiten zu lassen.185 Im Gegensatz hierzu dürfen broker in den USA die Stimmrechte nur bei Routineangelegenheiten ohne Ermächtigung abstimmen, außerhalb dieser Abstimmungspunkte aber nicht.186 Der beim Depotstimmrecht verbleibende Ermessensspielraum fällt aufgrund der untergeordneten Bedeutung dieser Form der Stimmrechtsausübung allerdings nicht sonderlich schwer ins Gewicht. Bei den künftig wohl zunehmend genutzten Ausübungsvarianten der Briefwahl und des von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters kann hingegen – in Übereinstimmung mit der Rechtslage in den USA – keine spontane Zustimmung zu nicht angekündigten Anträgen erfolgen: Bei der Briefwahl ist dies schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, bei dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter steht die nach herrschender Literaturauffassung187 erforderliche Erteilung einer Einzelanweisung entgegen. d) „Say on Pay“ Sowohl in Deutschland als auch in den USA hat der Gesetzgeber der Hauptversammlung das Recht eingeräumt, einen kosultativen Beschluss über das Vergütungssystem der Manager zu fassen. Durch diese Kompetenzerweiterung besteht für die Aktionäre die Möglichkeit, ihre Meinung über einen Aspekt kundzutun, der für die Bewertung der Corporate Governance einer Aktiengesellschaft zentral ist.

II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen Neben der Konvergenz des Rechts ist mit Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei deutschen und US-amerikanischen Aktiengesellschaften auch eine Konvergenz der Aktionärsstrukturen festzustellen. Dies183 Vgl. Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 65 f., wobei die Feststellung, dass eine erteilte Ermächtigung dem Kreditinstitut erlaube „in allen Punkten nach Ermessen abzustimmen“ zu weit geht. 184 Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 135, Rn. 73. 185 Überblick zur Stimmrechtsausübung durch Kreditinstitute bei nicht angekündigten Anträgen bei Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 135, Rn. 73 ff. 186 Überblick hierzu bei Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 64 ff. 187 Vgl. die Nachweise in Fn. 105.

II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen

119

und jenseits des Atlantiks sind die institutionellen Anleger die wichtigste Gruppe von Aktionären. Während die corporations traditionell hohen Streubesitz aufwiesen188, befinden sich in Deutschland die Großaktionäre erst seit einigen Jahren auf dem Rückzug. Der Streubesitz und die Beteiligungen (ausländischer) institutioneller Anleger haben stark zugenommen. Es ist zu einer Konvergenz der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gekommen.189 Diese Entwicklung dürfte die Nachfrage nach den Diensten von Stimmrechtsberatern verstärkt haben.190 1. USA US-amerikanische corporations beschaffen sich Kapital in der Regel nicht durch Bankkredite (Fremdkapital), sondern über den Kapitalmarkt (Eigenkapital).191 Dieses Eigenkapital wird heute vor allem durch institutionelle Anleger zur Verfügung gestellt. Der Aktienbesitz in den Händen dieser Aktionärsgruppe hat im 20. Jahrhundert und seit Beginn des 21. Jahrhunderts stetig zugenommen.192 Der stärkste Zuwachs war dabei bei den Investmentgesellschaften zu verzeichnen, doch auch Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds verwalten heute ein deutlich größeres Vermögen als noch vor rund 30 Jahren. Für die den institutionellen Anlegern zustehenden Stimmrechte ist der Anteil am Eigenkapital einer (einzelnen) Gesellschaft entscheidend. Auch insoweit ist eine erhebliche Steigerung zu verzeichnen. Durchschnittlich lag der Anteil im Jahr 2003 bei 59,2%193, wovon 30 Prozentpunkte alleine auf Pensionsfonds entfallen.194 Einzelne Gesellschaften befinden sich sogar zu über 90% im Besitz institutioneller Anleger.195 188

Becht/Röell, 43 Europ. Econ. Rev. 1049, 1051 ff. (1999): Bei über 50% der US-amerikanischen public corporations hält der größte Anteilseigner weniger als 5% der Anteile. Nach Shleifer/Vishny, 52 J. Fin. 737, 754 (1997) sind große Einzelaktionäre in den USA zwar ungewöhnlich, es gebe sie aber durchaus. 189 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 54 ff. 190 Dazu noch S. 130. 191 Vgl. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 82; s. auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 39. 192 Ausführlich zu dieser Entwicklung Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 82 ff.; s. auch Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 374. 193 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 87 f.; s. auch DAI-Factbook 2009, S. 08.7 USA e (Stand: 3. Quartal 2002). 194 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 779; s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 85: Pensionsfonds halten 40,7% des Branchenvermögens. 195 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 779.

120

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts Tabelle 3 Vermögen institutioneller Anleger in den USA (in Mrd. US-Dollar)196 1929

1960

1981

1985

1989

2003

Investment companies

gering

17

55,2

289

554

6.635

Life insurance companies

17,5

119,6

526

938

1.300

3.880

Property-liability insurance companies

4

32

212

374

527

1.045

Public pension funds (state and government)

gering

19,7

226,2

437

674

2.370



gering

nicht erfasst

nicht erfasst

nicht erfasst

3.686

113,0

601,8

4.203,6

6.936

9.618

27.500

Private pension funds Institutionelle Anleger insgesamt197

Tabelle 4 Anteil des von institutionellen Anlegern gehaltenen Eigenkapitals an US-amerikanischen Unternehmen in einzelnen Jahren198 1950

1960

1970

1980

1990

1995

2000

2003

6,1

12,6

19,4

37,2

41,4

48,8

51,8

59,2

Damit bleibt festzuhalten, dass institutionelle Anleger heute die wichtigste Aktionärsgruppe in den USA darstellen. Ihre Beteiligungen konzentrieren sich dabei nicht auf einige wenige Unternehmen. Vielmehr betreiben institutionelle Anleger Risikodiversifikation und halten an einzelnen Unter196 Nach Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 84 (weitere Daten und Nachweise s. dort). 197 In dieser Übersicht sind nicht alle Gruppen institutioneller Anleger aufgeführt, die bei der Berechnung des Vermögens der institutionellen Anlegern insgesamt einbezogen wurden. Ausführliche Darstellung bei Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 84. 198 Nach Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 87 (hier verkürzt wiedergegeben).

II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen

121

nehmen nur geringe Anteile199, die sich im Bereich von höchstens 1 bis 2% bewegen.200 2. Deutschland a) „Deutschland AG“ Deutsche Aktiengesellschaften finanzierten sich lange Zeit hauptsächlich durch die Aufnahme von (Fremd-)Kapital bei Banken und nur in geringerem Umfang über den Kapitalmarkt.201 Kennzeichen der deutschen Unternehmenslandschaft waren „Überkreuzverflechtungen“202: Die Aktien wurden vor allem von anderen Unternehmen, Großbanken (vor allem Deutsche Bank und Dresdner Bank) und Versicherungsgesellschaften (vor allem Allianz und Münchener Rück) gehalten. So hatten Anfang der 1990er-Jahre noch mehr als die Hälfte der größten deutschen Unternehmen einen Großaktionär mit einem Anteil von mehr als 50%. In vielen Fällen handelte es sich dabei um ein anderes Unternehmen.203 Die Rede war von der „Deutschland AG“. b) Veränderungen in der Aktionärsstruktur Im Laufe der 1990er-Jahren zeichnete sich eine Rückläufigkeit der Verflechtungen und des stark konzentrierten Aktienbesitzes ab, während die Gruppe der institutionellen Anleger an Bedeutung gewann.204 Steuerliche 199

Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 551 ff. (1990), der darauf hinweist, dass neben der Notwendigkeit der Risikodiversifikation auch rechtliche Gründe die geringe Höhe einzelner Beteiligungen bedingen. s. auch Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 374 m. w. N. 200 So Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 99 m. w. N. 201 Vgl. Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 55; Hopt, ZGR 2000, 779, 802 f.; Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 365. 202 Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 365. 203 Sehr gute Veranschaulichung durch die Übersichten bei Franks/Mayer, 14 Rev. Fin. Stud. 943, 947 (2001); Windolf/Beyer, KZfSS 1995, 1, 8; zur konzentrierten Aktionärsstruktur in Deutschland wie in anderen europäischen Staaten s. auch Becht/Röell, 43 Europ. Econ. Rev. 1049, 1051 ff. (1999); s. außerdem G. H. Roth/ Wörle, ZGR 2004, 565, 595 m. w. N.; Becht/Boehmer, 23 Int. Rev. L. & Econ. 1, 7 ff. (2003). 204 Vgl. die Daten aus der Studie von Baums/Fraune, AG 1995, 97; Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 29 ff.; s. auch G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 594 f. m. w. N.

122

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

Veränderungen (Freistellung von Beteiligungsgewinnen)205, aber auch eine durch die Globalisierung bedingte Neuausrichtung deutscher Banken206 trugen dazu bei, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen konnte. In der Folge befanden sich im Jahr 2005 bereits sechsundzwanzig der dreißig DAX-Gesellschaften mehrheitlich in Streubesitz.207 Inzwischen sind wohl über 50% der börsennotierten deutschen Gesellschaften als widely held zu klassifizieren.208 Die Aufgabe des Aktienbesitzes durch die Großaktionäre machte den Weg für institutionelle Anleger frei, die zunehmend in die Aktien deutscher Unternehmen investierten.209 Verdeutlicht werden diese Veränderungen in der Aktionärsstruktur deutscher börsennotierter Gesellschaften insbesondere durch die Studie von Sautner/Villalonga, die ermittelt haben, dass zwischen 2000 und 2006 die Beteiligungen von Banken (–54%), Versicherungen (–61%) und des Staates (–40%) erheblich abgenommen haben, während institutionelle Anleger merklich zulegten (+61%).210 Eine Datenerhebung zum Anteil institutioneller Anleger an deutschen Aktiengesellschaften existiert allerdings nur bedingt. Im Abschnitt zu den Durchschnittswerten im Factbook des Deutschen Aktieninstituts (DAI) taucht diese Aktionärsgruppe nicht gesondert auf.211 Gegenüber dem DAI haben lediglich einzelne börsennotierte Aktiengesellschaften Angaben zum Anteil institutioneller Anleger gemacht. Der neueste Datensatz bezieht sich auf das Jahr 2008. Er enthält den Hinweis, dass die Daten von den einzelnen Aktiengesellschaften zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Abgrenzungen einzelner Anlegergruppen erhoben werden. Für 205 Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 221 f.; Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 56; Schwetzler/ Sperling, AG-Report 2008, 468, 470; Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 365. 206 Näher v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 385 ff. 207 Zur Zunahme des Streubesitzes vgl. v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 376 ff. 208 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 55 verweisen auf eine Studie, die einen Wert von 52% ermittelt hat. Gegenüber dem Deutschen Aktieninstitut erklärten im Jahr 2008 41 von 81 Aktiengesellschaften, die insoweit Angaben machten, dass der Anteil des Streubesitzes bei 50% und mehr liegt. Vgl. DAI-Factbook 2009, 08.5-1, 2008, S. 320 ff.; zu den DAX-Unternehmen s. nachfolgende Übersicht. 209 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 78; s. auch Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 374 ff.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 144. 210 Sautner/Villalonga, Corporate Governance and Internal Capital Markets, January 2010, S. 40 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1530565). 211 DAI-Factbook 2009, 08.1-3-b, S. 170.

II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen

123

die dreißig größten und umsatzstärksten Unternehmen der Frankfurter Wertpapierbörse (DAX 30) ergibt sich hinsichtlich des Anteils institutioneller Anleger, hinsichtlich des Auslandsbesitzes und hinsichtlich des Streubesitzes folgendes Bild: Tabelle 5 Anteil institutioneller Anleger und Auslandsbesitz bei Dax-Unternehmen212 Unternehmen DAX 30 (Stand: März 2012)

Institutionelle Anleger in %

Auslandsbesitz in %

Streubesitz in %

Adidas AG

11,0

keine Angabe

keine Angabe

Allianz SE

88,5

71,0

100,0

BASF SE

72,0

50,0

100,0

Bayer AG

73,0

78,1

keine Angabe

Beiersdorf AG

keine Angabe

keine Angabe

keine Angabe

BMW AG (St)

43,2

keine Angabe

53,4

Commerzbank AG

76,9

keine Angabe

keine Angabe

Daimler AG (DaimlerChrysler AG)

73,9

keine Angabe

92,4

Deutsche Bank AG

86,0

55,0

100,0

Deutsche Börse AG

98,0

82,0

82,0

Deutsche Lufthansa AG

74,0

23,3

100,0

Deutsche Post AG

63,0

82,3

69,5

Deutsche Telekom AG

57,0

64,0

keine Angabe

E.ON AG

74,9

56,7

keine Angabe

Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA (St)

44,0

85,0

64,0

Fresenius SE & Co. KGaA

keine Angabe

51,0

32,0

HeidelbergCement AG

keine Angabe

keine Angabe

14,0

(Fortsetzung nächste Seite) 212

Nach DAI-Factbook 2009, 08.5-1, 2008, S. 320 ff.

124

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

Fortsetzung Tabelle 5 Unternehmen DAX 30 (Stand: März 2012)

Institutionelle Anleger in %

Auslandsbesitz in %

Streubesitz in %

Henkel AG & Co. KGaA (Vz)

keine Angabe

keine Angabe

keine Angabe

Infineon Technologies AG

keine Angabe

keine Angabe

100,0

K+S AG

keine Angabe

49,8

82,4

Linde AG

63,0

keine Angabe

keine Angabe

MAN SE (St)

keine Angabe

50,0

keine Angabe

Merck KGaA

nicht aufgeführt

nicht aufgeführt

nicht aufgeführt

Metro AG (St)

keine Angabe

keine Angabe

34,1

Münchener Rück AG

92,4

keine Angabe

100,0

RWE AG (St)

64,0

keine Angabe

79,0

keine Angabe

keine Angabe

keine Angabe

Siemens AG

85,9

57,7

94,0

ThyssenKrupp AG

82,1

37,3

67,0

Volkswagen AG (Vz)

keine Angabe

keine Angabe

keine Angabe

Durchschnitt (soweit Angaben vorhanden)

69,6

59,5

75,8

SAP AG

St = Stammaktien; Vz =Vorzugsaktien

Die Übersicht weist viele Lücken auf, was bei der Bewertung der Aussagekraft der hier angegebenen Durchschnittswerte zu berücksichtigen ist. Von Bedeutung ist daneben, dass bei dem auf institutionelle Anleger entfallenden Anteil am Aktienbesitz keine ersichtliche Unterscheidung nach Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien getroffen wird.213 Die Inhaber von stimmrechtslosen Vorzugsaktien erhalten zwar eine höhere Dividende, dafür steht ihnen aber – wie der Name sagt – kein Stimmrecht zu (§§ 139 ff. AktG). 213 Allerdings haben nur drei der Gesellschaften, die beide Aktien beider Gattungen ausgegeben haben, überhaupt Angaben zum Anteil der institutionellen Anleger gemacht.

II. Konvergenz der Aktionärsstrukturen

125

Stimmrechtslose Vorzugsaktien fanden in den 1980er-Jahren zunehmende Verbreitung. Sie wurden insbesondere von Familienunternehmen genutzt, die eine Eigenkapitalfinanzierung anstrebten, die Stimmrechte aber ausschließlich oder zumindest überwiegend in Familienbesitz halten wollten.214 Inzwischen befindet sich diese Aktiengattung allerdings auf dem Rückzug. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt neben den teilweise erheblichen und den Aktionären schwer vermittelbaren Wertabschlägen für stimmrechtslose Vorzugsaktien215 auch in ihrer Bedeutung für die Corporate Governance.216 Aufgrund der fehlenden Einflussmöglichkeiten der Vorzugsaktionäre besteht eine erhebliche Machtfülle auf Seiten großer Stammaktionäre, die als eher nachteilig zu bewerten ist.217 Gerade institutionelle Anleger sind gegenüber dieser Aktiengattung daher eher skeptisch. Hinzu kommt, dass die Deutsche Börse AG seit Juni 2002 pro Index nur noch eine Gattung von Aktien einer Aktiengesellschaft berücksichtigt.218 Derzeit haben noch sieben der dreißig DAXUnternehmen sowohl Stamm- als auch stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben. In der oben stehenden Tabelle sind diese mit (St) und (Vz) gekennzeichnet, wobei das Kürzel Auskunft über die jeweils im DAX notierte Aktiengattung gibt.

Bei einigen der im DAX gelisteten Gesellschaften, die sowohl Stammals auch stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben haben, sind die Einflussnahmemöglichkeiten institutioneller Anleger begrenzt.219 Das betrifft zunächst die beiden Gesellschaften, bei denen die Vorzugsaktien notiert sind. Bei der Henkel AG & Co. KGaA befinden sich 53,21% der Stammaktien in Familienbesitz, bei der Volkswagen AG sind über 90% in der Hand von Großaktionären.220 Daneben wird auch die Metro AG von Großaktionären dominiert (Besitz von 59,98% der Stammaktien).221 Mehrheitlicher Streubesitz herrscht hingegen bei den Stammaktien der BMW AG (53,3%), der Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA (ca. 64%) und der 214

Butzke, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 6, Rn. 22. 215 Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 57. 216 Vgl. Butzke, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 6, Rn. 22. 217 Die Großaktionäre haben die Möglichkeit, Klein- bzw. Vorzugsaktionäre auszubeuten. Ein positiver Aspekt besteht hingegen in dem größeren Anreiz des Großaktionärs zur Managementkontrolle und der daraus folgenden Minderung von agency-Kosten. Ausführlich zu den Auswirkungen von Vorzugsaktien auf die Corporate Governance Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57. 218 Vgl. Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 193. 219 Die hier aufgeführten Zahlen beruhen auf Angaben der jeweiligen Aktiengesellschaft auf ihrer Internetseite am 14. 03. 2012. 220 Davon entfallen auf die Porsche Automobil Holding SE 50,73%, auf die Porsche GmbH 2,37%, auf das Land Niedersachsen 20,0% und auf die Katar Holding 17,0% (Angaben der Volkswagen AG mit Stand vom 31. 12. 2011). 221 Auf die Gesellschafterstämme Haniel und Schmidt-Ruthenbeck entfallen 50,01% der Stammaktien, auf den Gesellschafterstamm Beisheim 9,97% (Angaben der Metro AG).

126

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

RWE AG (85%) vor. Die MAN AG differenziert nicht nach Aktiengattungen. Bezogen auf alle Aktien hält inzwischen aber die Volkswagen AG mit 54% die Mehrheit, während auf ausländische institutionelle Anleger 21% und auf inländische institutionelle Anleger 7% entfallen. Ungeachtet der im Detail bestehenden Unsicherheiten bei der Interpretation dieser Daten weisen die Aktionärsstrukturen der größten deutschen Aktiengesellschaften dennoch eine klare Tendenz auf: Die institutionellen Anleger bilden bei vielen Aktiengesellschaften die größte Aktionärsgruppe. Auf die institutionellen Anleger als Gruppe entfallen nach den Angaben des DAI bei sechzehn der dreißig zum DAX zählenden Gesellschaften mehr als 50%.222 Neueren Angaben der Gesellschaften selbst zufolge sind auch die K+S AG (Anteil institutionelle Anleger: 59,4%) und die SAP AG (Anteil institutioneller Anleger: 51,1%) zu dieser Gruppe zu zählen.223 Beachtlich ist daneben der erhebliche Anteil der im Auslandsbesitz befindlichen Aktien.224 Im Dezember 2007 berichtete das Handelsblatt unter der Überschrift „Deutsche Firmen in fremder Hand“, dass ausländische Investoren bei den DAX-Unternehmen erstmals die Mehrheit der Aktien halten (53%).225 Im Jahr 2011 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass nur noch 44% der Aktien von DAX-Unternehmen in deutschen Depots lägen.226 Bei den ausländischen Investoren handelt es sich, wie ein Blick auf die Aktionärsstruktur einzelner Gesellschaften bestätigt, vor allem um institutionelle Anleger.227 Der größte Anteil unter den ausländischen Investoren entfällt häufig auf die USA. Der Einfluss der institutionellen Anleger ist insbesondere dann groß, wenn eine Aktiengesellschaft keinen maßgeblichen Großaktionär hat. Das ist nach dem erwähnten Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei immerhin 14 DAX-Unternehmen der 222 Mitgezählt wurde auch die RWE AG. Diese gibt zwar auch stimmrechtslose Vorzugsaktien aus, deren Anteil liegt nach Angaben der Gesellschaft aber bei nur rund 6,3% an den insgesamt ausgegebenen Aktien. Vom Gesamtaktienbestand sollen aber, so die Angaben der Gesellschaft, 86% auf institutionelle Anleger entfallen. s. Internetseite der RWE AG (Stand: 14. 03. 2012). 223 Angaben nach den Veröffentlichungen der Gesellschaften auf ihren Internetseiten (Stand: 14. 03. 2012). 224 Vergleichende Darstellung und aktuelles Zahlenmaterial für mehrere europäische Staaten auch bei Van der Elst, in: FS Hopt, 2010, S. 629, 633 ff. s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 78 ff. (mit Übersicht zum Anteil ausländischer Aktionäre im Jahr 2005); Schwetzler/Sperling, AG-Report 2008, 468, 470; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 144. 225 Sommer, Handelsblatt v. 17. 12. 2007, „Deutsche Firmen in fremder Hand“. 226 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11. 05. 2011, „Ausverkauf der Deutschland AG“. 227 Ebenso Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 78.

III. Bedeutung der Konvergenz für Stimmrechtsberater

127

Fall.228 Außerdem erwerben einzelne ausländische institutionelle Anleger gerade in Deutschland zum Teil sehr große Aktienpakete.229 Ingesamt bleibt festzuhalten, dass ausländische institutionelle Anleger bei vielen deutschen Aktiengesellschaften die wichtigste Aktionärsgruppe bilden.

III. Bedeutung der Konvergenz für Stimmrechtsberater Die Konvergenz des Aktienrechts ist sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern förderlich. Das zeigt sich erstens bei der tendenziellen Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung, zweitens bei der Stärkung der Aktionärsrechte und drittens anhand der steigenden Bedeutung institutioneller Anleger. 1. Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung Die Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung ist vor allem ein Charakteristikum der Reformen im deutschen Aktienrecht. Sowohl bei der Bevollmächtigung eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters als auch bei der Briefwahl trifft ein Aktionär in der Regel bereits mehrere Tage oder Wochen vor der Hauptversammlung eine Entscheidung zu den Beschlussanträgen der Verwaltung. Bei der US-amerikanischen „proxy“Hauptversammlung ist es schon seit langem üblich, die Stimmrechte durch einen Vertreter ausüben zu lassen. Die Bevollmächtigung und gegebenenfalls die Weisungserteilung erfolgen ebenfalls bereits im Vorfeld. Diese ohnehin schon bestehende Tradition wurde in jüngerer Vergangenheit dadurch erweitert, dass nunmehr auch bei den bedeutsamen Wahlen zum board of directors eine Weisung erfolgen muss. Auch insoweit legen sich die beneficial owners also bereits im Vorfeld der Hauptversammlung fest. Die Aufgabe des Konzepts der Präsenzhauptversammlung in Deutschland ist für die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern hierzulande von entscheidender Bedeutung. Deren Stärke liegt in der Analyse der Tagesordnungen im Vorfeld der Hauptversammlung. Auf Spontananträge, die erst während der Hauptversammlung gestellt werden, können sie hingegen nicht reagieren. Diese Schwäche verliert jetzt wegen ohnehin fehlender Erfolgsaussichten von Spontananträgen – die anwesenden Bevollmächtigten haben insoweit schließlich keine Weisung erhalten – an Bedeutung. Während bislang die 228

Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11. 05. 2011, „Ausverkauf der Deutschland

AG“. 229

Vgl. die Angaben bei Van der Elst, in: FS Hopt, 2010, S. 629, 636 ff.

128

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

Beauftragung eines Stimmrechtsberaters als unattraktiv erscheinen konnte, weil ihre Unterstützung bei einer kurzfristigen Änderung der Umstände während der Hauptversammlung nicht zu erwarten war, ist diesem Einwand durch die rechtliche Entwicklung im letzten Jahrzehnt die Grundlage entzogen worden. Institutionelle Anleger, die Beteiligungen an deutschen Aktiengesellschaften halten, können daher die Abstimmungsvorschläge ihres Stimmrechtsberaters im Vorfeld der Hauptversammlung in Ruhe sichten und daran orientiert ihre Briefwahlunterlagen ausfüllen bzw. dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter entsprechende Weisungen erteilen230, ohne dass sie befürchten müssen, kurzfristige Entwicklungen außer Acht zu lassen. Das bedauerliche Versäumnis des deutschen Gesetzgebers, umfassende hauptversammlungsbezogene Informationspflichten zu schaffen wie sie die proxy rules vorsehen, begünstigt das Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater zusätzlich. In den USA erhalten die Aktionäre einen umfassenden Bericht des Managements, in dem wichtige Informationen und aktuelle Entwicklungen zusammengefasst und strukturiert dargestellt werden. Die Aktionäre sind dadurch eher in der Lage, ohne die Hilfe eines Stimmrechtsberaters eine Abstimmungsentscheidung zu treffen. Natürlich besteht aus Sicht der Aktionäre die Aufgabe der Stimmrechtsberater gerade darin, den Bericht des Managements kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, welche weiteren Informationen verfügbar sind. Die Beauftragung eines Stimmrechtsberaters wird also keinesfalls überflüssig. Gemeint ist hier nur die tendenzielle Wirkung einer Informationspflicht. Gleichwohl kann der Informationspflicht auch praktische Bedeutung zukommen: Die Aktionäre können – sozusagen umgekehrt – die Abstimmungsempfehlungen ihres Stimmrechtsberaters mit dem Bericht des Managements vergleichen und bei divergierenden Empfehlungen unter Berücksichtigung der jeweils vorgebrachten Argumente und den zugrunde liegenden Informationen eine fundierte eigene Entscheidung treffen.

Hierzulande dürfte hingegen die Sammlung und Aufbereitung der zahlreichen einzelnen Informationen, die gemäß der aus den „Wp-Gesetzen“ folgenden Publizitätspflichten veröffentlicht wurden, eine wesentliche Aufgabe für Stimmrechtsberater darstellen. Lediglich die Ausgestaltung des Depotstimmrechts, bei dem dem Kreditinstitut ein Ermessensspielraum verbleibt, widerpricht dem Konzept einer Ausgestaltung der Hauptversammlung als bloßes „Willensfeststellungsorgan“. Dieser Aspekt kann aber vernachlässigt werden, da das Depotstimmecht gegenüber anderen Formen der Stimmrechtsausübung weniger wichtig ist. 230 Pointierter die Einschätzung von U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 91: Es „ist zu erwarten, dass die institutionellen Anleger die Beratungsempfehlungen ihrer Stimmrechtsberater unbesehen in die Briefwahlunterlagen übertragen und ihre Stimme bereits im Vorfeld im eigenen Namen entsprechend der Empfehlungen durch Briefwahl abgeben.“

III. Bedeutung der Konvergenz für Stimmrechtsberater

129

Nicht zuletzt ist die große Bedeutung von Stimmrechtsberatern in den USA, wo die Hauptversammlung bereits seit langem ohne eine physische Präsenz der Aktionäre auskommt, ein Beleg dafür, dass die Abkehr von der Präsenzhauptversammlung in Deutschland dem Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater entgegenkommt. In den USA selbst dürfte durch das jüngst eingeführte Weisungserfordernis bei Wahlen zum board of directors und die daraus folgende Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung hinsichtlich dieser entscheidenden Hauptversammlungskompetenz die Bedeutung von Stimmrechtsberatern weiter zunehmen. 2. Stärkung der Aktionärsrechte Die Konvergenz des Hauptversammlungsrechts geht einher mit einer Stärkung der Aktionärsrechte. Vor allem in den USA haben sich insoweit wichtige Veränderungen ergeben. So haben die Aktionäre nunmehr auch tatsächlich die Möglichkeit, eigene Kandidaten für das board of directors zu nominieren. Außerdem erfolgt deren Wahl zunehmend unter Anwendung des majority voting-Verfahrens, das echte Gegenstimmen zulässt und die Wahl eines directors an das Erreichen einer bestimmten Mehrheit knüpft. Während die Empfehlungen zu den board-Wahlen bislang vor allem symbolischen Charakter hatten, kann die Wahl eines von der Verwaltung nominierten Kandidaten jetzt tatsächlich verhindert werden. Eine Stärkung der Aktionärsrechte liegt außerdem darin, dass die Aktionäre sowohl in Deutschland als auch in den USA einen konsultativen Beschluss über das Vergütungssystem fassen können („Say on Pay“). Die Ausweitung der Aktionärsrechte gibt den Aktionären die Möglichkeit, umfassender als bislang Einfluss auf Aktiengesellschaften auszuüben. Mit den verstärkten Einflussnahmemöglichkeiten steigt aber auch der Beratungsbedarf. Eine effektive Nutzung der Aktionärsrechte ist nur möglich, wenn die Aktionäre sich über die Beschlussgegenstände informieren und eine fundierte Entscheidung über die Ausübung ihrer Stimmrechte fällen. Stimmrechtsberater bieten insoweit professionelle Unterstützung. Jede Stärkung der Aktionärsrechte führt in der Tendenz zu einer gesteigerten Nachfrage nach ihren Diensten. Hinzu kommt, dass sich die erweiterten Aktionärsrechte auf die Wahlen zum board of directors (in den USA) sowie auf das Vergütungssystem der Manager beziehen. In beiden Fällen handelt es sich um Kernthemen der Corporate Governance-Diskussion231, die für institutionelle Anleger von be231 Vgl. Seibert, WM 2009, 1489, 1489; Wilsing, ZGR 2012, 291, 292. s. außerdem etwa die Abschnitte 4.2. (Vorstandsvergütung) und 5. (Aufsichtsrat) des DCGK. Im Zusammenhang mit der Finanzkrise weist Bachmann, AG 2011, 181,

130

§ 5 Die Konvergenz des Aktienrechts

sonderem Interesse sind232 und denen regelmäßig auch Stimmrechtsberater große Aufmerksamkeit schenken.233 Ein Indiz hierfür besteht darin, dass den Bereichen „Board of Directors“ (ISS) bzw. „Election of Directors“ (Glass Lewis) und „Compensation“ in den Richtlinien von ISS und Glass Lewis der meiste Raum geschenkt wird.234 Außerdem ist ISS in Deutschland bislang vor allem bei den Wahlen zum Aufsichtsrat und beim „Say on Pay“-Votum in Erscheinung getreten.235 3. Steigende Bedeutung institutioneller Anleger Schließlich ist auch die Konvergenz der Aktionärsstrukturen für die Tätigkeit der Stimmrechtsberater förderlich. Mit der Erhöhung des Anteils institutioneller Anleger nimmt die Zahl der potentiellen Kunden von Stimmrechtsberatern zu. Aufgrund dieser Entwicklung bestehen heute insbesondere in Deutschland weit größere Einflussnahmemöglichkeiten für Stimmrechtsberater als noch vor einigen Jahren. Eine Rolle spielt darüber hinaus die zunehmende Zahl institutioneller Anleger aus den USA. Wenn diese es gewohnt sind, für die Ausübung von Stimmrechten aus ihren Beteiligungen an US-amerikanischen Gesellschaften einen Stimmrechtsberater zu mandatieren, dann sind sie mutmaßlich auch geneigt, für ausländische Beteiligungen ähnlich zu verfahren.236 185 ff. auf die Diskussion über Vorstandsvergütung und Aufsichtsratszusammensetzung als bedeutsame Teilaspekte der Corporate Governance hin. Zur Bedeutung von Vergütungsvereinbarungen s. auch Möslein, JZ 2010, 72, 78 f. 232 s. etwa Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 297, wonach institutionelle Anleger Themen fördern, die allgemein sind und sich auf verschiedenen Unternehmen übertragen lassen. Hierzu zählen die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums und die Vergütung der Manager. Unternehmensspezifische Fragen seien hingegen nur bei erheblicher Bedeutung für den Börsenwert von Interesse. Zur Bedeutung der Zusammensetzung des board of directors für institutionelle Anleger in den USA s. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 126 ff. 233 Zu diesem Fokus der Stimmrechtsberater s. auch Verdam, An Exploration of the Role of Proxy Advisors in Proxy Voting, December 2006, S. 9 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=978835). 234 ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012, Abschnitte 2 und 4, abrufbar unter http://www.issgovernance.com/policy/2012/policy_information (Stand: 23. 04. 2012). Glass Lewis, Proxy Paper Guidelines, 2012 Proxy Season, Abschnitte 1 und 3, abrufbar unter http://www.glasslewis.com/resource/ (Stand: 23. 04. 2012). 235 s. dazu die Beispiele in der Einleitung (§ 1). 236 Zu den rechtlichen Bestimmungen, die US-amerikanische institutionelle Anleger in Hinblick auf die Stimmrechtsausübung zu erfüllen haben, s. noch ausführlich S. 155 ff.

IV. Zusammenfassung

131

IV. Zusammenfassung Die aktienrechtlichen Reformen seit dem NaStraG sind für die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern in Deutschland förderlich. Vor allem der Abschied von der Präsenzhauptversammlung, mit dem eine Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung einhergeht, ist geeignet, die Nachfrage nach Hauptversammlungsanalysen und Beschlussempfehlungen zu steigern. Außerdem schafft das „Say on Pay“-Votum, das sowohl in Deutschland als auch in den USA eingeführt wurde, die Möglichkeit, unmittelbar einen Beschluss zu einem zentralen Aspekt der Corporate Governance zu fassen. Hierdurch entsteht Beratungsbedarf in einer Frage, die bei institutionellen Anlegern im Mittelpunkt des Interesses steht. Schließlich führt die zunehmende Bedeutung institutioneller Anleger dazu, dass der Kreis der potentiellen Kunden von Stimmrechtsberatern größer wird.

§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater? Dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern förderlich sind, sagt noch nichts darüber aus, warum institutionelle Anleger Stimmrechtsberater mandatieren. Tatsächlich haben institutionelle Anleger bislang regelmäßig auf die Ausübung der Stimmrechte verzichtet (unter I.). Dieses Verhalten beruht darauf, dass die Stimmrechtsausübung für institutionelle Anleger aus mehreren Gründen nicht attraktiv war. Die Rede ist von der „rationalen Apathie“ (unter II.). Das Beratungsangebot der Stimmrechtsberater führt zu einer ökonomischen Neubewertung der Stimmrechtsausübung und unterstützt die institutionellen Anleger außerdem dabei, rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen (unter III.). Eine zusammenfassende Betrachtung zeigt, dass die Abstimmungsempfehlungen an die Ursachen der rationalen Apathie anknüpfen und helfen, diese zu überwinden (unter IV.).

I. Aktionärsaktivismus durch institutionelle Anleger – tatsächlicher Befund Der zunehmende Anteilsbesitz auf Seiten der institutionellen Anleger ließ bei einigen die Hoffnung aufkommen, dass es nunmehr eine Aktionärsgruppe gebe, die von Skalenerträgen profitiere und daher durch die Wahrnehmung ihrer Stimmrechte tatsächlich positiven Einfluss auf die Entwicklung der Corporate Governance nehmen könne.1 Tatsächlich machten „traditionelle“ institutionelle Anleger – anders als Hedgefonds2 – jedenfalls bislang von dieser Möglichkeit aber kaum Gebrauch.3 Sie bringen ihren 1

Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 608 (1990); Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997 (1994), passim; Rock, 79 Geo. L. J. 445, 478 ff. (1991). Für die Schweiz s. Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 226 ff. Aus dem deutschen Schrifttum s. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 98 ff.; zurückhaltend, aber tendenziell ebenfalls Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 95 ff.; referierend auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 223 f.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 702 f. jew. m. w. N. 2 Zur Unterscheidung zwischen „traditionellen“ institutionellen Anlegern und Hedgefonds s. die Begriffsbestimmung in § 2.

I. Aktionärsaktivismus durch institutionelle Anleger

133

Unmut über ihnen missfallende Handlungen des Managements nicht in Abstimmungen zum Ausdruck (voice), sondern vielmehr durch den Verkauf ihrer Anteile (exit)4: „If we don’t like the management we sell the stock.“ Diese allgemeine Wahrnehmung wird durch empirische Studien bestätigt.5 Für Deutschland haben namentlich Bassen und Steiger umfangreiche Befragungen durchgeführt, um herauszufinden, welche Möglichkeiten der Einflussnahme von institutionellen Anlegern genutzt werden. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Wahrnehmung von Aktionärsrechten in der Hauptversammlung nicht dazugehört.6 Hingegen werden neben der bereits genannten Möglichkeit des Anteilsverkaufs insbesondere persönliche Gespräche, sogenannte one-on-ones, als viel genutztes Mittel genannt.7 Es liegt nahe, dass zwischen den beiden Alternativen ein Stufenverhältnis besteht: Institutionelle Anleger suchen zunächst das Gespräch mit dem Management und verkaufen erst bei Nichterfüllung der in dem Gespräch gestellten Forderungen ihre Anteile.8 3 Dazu aus dem deutschen Schrifttum etwa Engert, ZIP 2006, 2105, 2105 f.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 375 f.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 713 f.; U. H. Schneider, ZGR 2012, 518, 522. 4 Die Verwendung der Begriffe exit und voice im Zusammenhang mit dem Verhalten von Aktionären geht zurück auf Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970, passim und grundlegend S. 3 ff.; vgl. auch Kalss, Anlegerinteressen 2001, S. 339 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 445 f. Diese Verhaltensweise wird mitunter auch als der „Wall Street Walk“ oder die „Wall Street Rule“ bezeichnet, vgl. Admati/Pfleiderer, 22 Rev. Fin. Stud. 2645, 2646 (2009); Bainbridge, Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 256. Auf die Problematik hat jüngst auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 86 ff. hingewiesen. 5 Für die USA etwa Choi/Fisch, 61 Vand. L. Rev. 315, 326 ff. (2008); Listokin, 166 JITE 38 (2010); zu letzterer Studie s. auch Hopt, 59 Am. J. Comp. L. 1, 48 ff. (2011). 6 Bassen, ZBB 2002, 430, 432; Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 154 ff. 7 Bassen, ZBB 2002, 430, 432: Durchschnittlich haben institutionelle Anleger im Jahr 45 Gespräche mit Unternehmensvertretern, auf ein DAX-Unternehmen entfallen durchschnittlich 100 Gespräche pro Jahr. Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 157 f.: Lediglich 17% der befragten institutionellen Anleger gaben an, im vergangenen Jahr keine Gespräche mit Unternehmensvertretern geführt zu haben. Dagegen gaben 44% an, dass im vergangenen Jahr über 20 Treffen stattgefunden hätten. Zur Bedeutung von one-on-ones s. auch Faber, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 228; zur aktienrechtlichen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise Schaefer, NZG 2007, 900, 900 f. 8 So auch angedeutet bei Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 161 f.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Ein Beleg für das geringe Interesse an der Wahrnehmung von Aktionärsrechten sind auch die geringen Präsenzquoten auf den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften.9 Zwar existieren keine verlässlichen Daten zur Präsenz institutioneller Anleger.10 Die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz fällt allerdings deutlich geringer aus als der durchschnittliche Beteiligungsumfang institutioneller Anleger. Das ist nur dadurch zu erklären, dass nicht alle institutionellen Anleger von ihren Stimmrechten Gebrauch machen. Insbesondere für solche Aktiengesellschaften, deren Aktionärsstruktur nach der obigen Darstellung einen hohen Anteil institutioneller Anleger aufweist, fällt die Präsenzquote besonders gering aus. Die folgende Übersicht zeigt einige signifikante Beispiele.11 Tabelle 6 Anteil institutioneller Anleger und Präsenzquote bei DAX-Unternehmen Anteil institutioneller Anleger in % (s. o.)

Präsenzquote 2008 in %12

Allianz SE

88,5

40,17

BASF SE

72,0

51,41

Bayer AG

73,0

61,62

Commerzbank AG

76,9

46,04

Daimler AG (DaimlerChrysler AG)

73,9

42,45

Deutsche Bank AG

86,0

33,20

Deutsche Börse AG

98,0

51,70

Deutsche Lufthansa AG

74,0

47,81

Münchener Rück AG

92,4

45,06

Siemens AG

85,9

48,45

ThyssenKrupp AG

82,1

64,97

9

Zum Absinken der Präsenzquoten im Zuge einer voranschreitenden Internationalisierung der Aktionärsstrukturen s. Noack, ZIP 2005, 325, 326; Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 32. 10 s. aber BMJ, NZG 2004, 948, 950, 952 wonach bei Namensaktiengesellschaften die Präsenz inländischer institutioneller Anleger bei nahezu 100% liegen soll, während zu ausländischen Aktionären keine generellen Aussagen möglich seien. 11 Dabei werden die Präsenzquoten aus dem Jahr 2008 aufgeführt, weil sich auf dieses Jahr auch der Datensatz zum Anteil institutioneller Anleger bezieht. 12 Nach SdK-Präsenzstatistik (o. § 4, Fn. 6).

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

135

Für die Frage, ob institutionelle Anleger Einfluss auf die Corporate Governance einer Aktiengesellschaft nehmen, ist die Hauptversammlungspräsenz aber nur ein Indiz. Entscheidend kommt es nicht darauf an, ob die Stimmrechte ausgeübt werden, sondern wie.13 In der Vergangenheit haben institutionelle Anleger ihre Stimmrechte, sofern diese überhaupt ausgeübt wurden, auf ihre Depotbank oder – nachdem viele Banken diesen Dienst nicht mehr angeboten haben – auf einen von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter übertragen14 und Weisungen dahingehend erteilt, entsprechend der Vorschläge der Verwaltung abzustimmen. Anders lassen sich die in aller Regel sehr hohen Zustimmungsquoten, die nicht selten über 99% liegen, nicht erklären. Ausnahmen gab es bislang nur vereinzelt. Die Anwendung der voice-Strategie stand dabei in einigen Fällen in Zusammenhang mit den Abstimmungsempfehlungen von ISS (z. B. im Fall Infineon) oder mit besonderen Absichten großer Hedgefonds (z. B. im Fall Deutsche Börse/TCI).15 Diese Fälle sind – gemeinsam mit einem Anstieg der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenzen bei DAX-Unternehmen seit dem Tiefpunkt im Jahr 2005 (44,98%) auf inzwischen (Stand 2011) 56,45%16 – ein Indiz für die zunehmende Nutzung des Stimmrechts zur Einflussnahme auf die Verwaltung.17 Eine wichtige Ursache für diesen zunehmenden Aktionärsaktivismus liegt wohl in den Möglichkeiten, die sich aus der Inanspruchnahme von Stimmrechtsberatern ergeben.18

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern „Traditionelle“ institutionelle Anleger sehen demnach Stimmrechte grundsätzlich als ineffizientes Mittel zur Einflussnahme auf das Management an. Die Gründe für das Desinteresse von Aktionären an einzelnen Unternehmensentscheidungen und an den Hauptversammlungen der Gesell13 Vgl. Engert, ZIP 2006, 2105, 2107; s. auch Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 59 f. 14 Vgl. BMJ, NZG 2004, 948, 948. 15 Zu weiteren Fällen s. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 90. 16 Nach SdK-Präsenzstatistik (o. § 4, Fn. 6). 17 Vgl. auch die Einschätzung von Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 111. 18 Vgl. Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 693 (2007): „[T]he ISS phenomenon has furthered and encouraged shareholder activism of all sorts“; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 116 ff.; in diese Richtung auch Schaefer, NZG 2007, 900, 900; Schmolke, ZGR 2007, 701, 740. Zu den ökonomischen Ursachen s. noch ausführlich S. 149 ff. und S. 184 ff.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

schaften, an denen sie beteiligt sind, werden vielfach unter dem Schlagwort der „rationalen Apathie“19 zusammengefasst.20 Damit ist gemeint, dass das Unterlassen der Stimmrechtsausübung wirtschaftlich betrachtet häufig vernünftig ist. Dafür sprechen mehrere Erwägungen. 1. Kosten-Nutzen-Erwägungen und Kollektivhandlungsproblem Zuvorderst lassen Kosten-Nutzen-Erwägungen die Stimmrechtsausübung unwirtschaftlich erscheinen.21 Institutionelle Anleger diversifizieren bei der Anlage der von ihnen verwalteten Gelder stark, um so das Risiko zu minimieren.22 Sie halten demzufolge an einzelnen Gesellschaften regelmäßig nur sehr kleine Beteiligungen, die sich höchstens im Bereich von ein bis drei Prozent bewegen23, in der Regel aber wohl weit geringer sind.24 Die Risikominimierung geht einher mit einer geringen Teilhabe an dem sich in steigenden Aktienkursen niederschlagenden Erfolg eines Unternehmens.25 Gewinne erwirtschaften institutionelle Anleger demnach vor allem dann, wenn sich die Mehrzahl der von ihnen gehaltenen Aktienwerte positiv entwickelt, an einzelnen haben sie kaum Interesse. Insbesondere gilt dies für institutionelle Anleger mit einem kurzfristigen Anlagehorizont. Hinzu kommt, dass gar nicht sicher ist, ob die Anwendung einer aktivistischen 19 s. etwa Bainbridge, Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 256 (rational apathy); aus dem deutschen Schrifttum etwa Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 376; Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 35; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 921. 20 Grundlegend bereits Grossman/Hart, 11 Bell J. Econ. 42 (1980). s. auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 66 f.; Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 224 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. (1996), S. 88 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 173 ff. 21 s. auch Garrido/Rojo, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 427, 435; Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 48 ff. 22 Große Pensionsfonds halten Aktien von mehreren tausend Gesellschaften, s. Wong, Butterworths J. Int’l. Banking & Fin. L. 2010, 406, 407; dazu Fleischer/ Strothotte, AG 2011, 221, 225. 23 So die Angabe von Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 357, 359; s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 99 (ein bis zwei Prozent); Schmolke, ZGR 2007, 701, 719 f. 24 s. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 409 (2009): In der Regel liege der Umfang einer Beteiligung unter einem Prozent. 25 Vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 66 f.; Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2056 (1994).

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

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Strategie bei einem Unternehmen überhaupt zu einem Ansteigen des jeweiligen Aktienkurses führt.26 Dem geringen Nutzen, den institutionelle Anleger aus dem Anstieg einzelner Werte ziehen, stehen die hohen Kosten gegenüber, die eine Einflussnahme über die Ausübung von Stimmrechten mit sich bringt.27 Damit sind neben den Aufwendungen für die Information über die einzelnen Beschlussgegenstände28 und für die Stimmrechtsausübung29 vor allem die kostenintensiven und mit erheblichen Schwierigkeiten verbundenen Maßnahmen zur Koordination des Abstimmungsverhaltens gemeint.30 Die Rede ist vom Kollektivhandlungsproblem.31 Aufgrund des geringen Umfangs seiner Beteiligung muss ein institutioneller Anleger, der mittels seines Stimmrechts Einfluss auf ein Unternehmen ausüben will, immer mit seinen Mitaktionären zusammenarbeiten. Dass es sich bei den verschiedenen institutionellen 26 Choi/Fisch, 61 Vand. L. Rev. 315, 348 (2008); Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 224 f.; s. auch Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 35, der auf die Kosten der „Erfolgswahrscheinlichkeit“ hinweist. Zum bejahenden empirischen Befund s. die Nachweise in § 7, Fn. 28. 27 Vgl. Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 224 f.; Garrido/Rojo, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 427, 435. s. auch Seibert, BB 1998, 2536, 2537: Kosten und Aufwand seien bisher prohibitiv. Vielen Aktionären sei schon die Briefmarke für das Versenden einer Vollmacht zu teuer. Ähnlich Wilsing, ZGR 2012, 291, 294: Institutionelle Anleger empfänden die (informierte) Stimmrechtsausübung „als zu zeit- und kostenaufwändig“. Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 226 befindet: „Eine eigene Meinungsbildung zu sämtlichen Corporate Governance relevanten Fragen in allen Ländern kann [. . .] einen bürokratischen Albtraum bedeuten.“ 28 Auf deren beträchtliche Höhe weist insbesondere Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 175 hin. 29 Vgl. Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11. Die Kosten für die Stimmrechtsausübung sind durch die in dieser Arbeit beschriebenen gesetzlichen Neuregelungen allerdings stark gesunken und beschränken sich nicht selten auf den Preis einer Briefmarke zum Versenden einer Vollmacht oder der Briefwahlunterlagen. Insofern nicht mehr zutreffend G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 373, der auf die Kosten abstellt, die die Teilnahme an der Hauptversammlung mit sich bringt. 30 Vgl. Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2058 f. (1994), die die Kosten für die Koordination des Abstimmungsverhaltens als „indirect costs“ bezeichnen. 31 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 66: „Indeed, the collective choice problems that attend voting in corporations with large numbers of contracting parties suggest that voting rarely serves any function except in extremis. When many are entitled to vote, none expects his votes to decide the contest.“ Zur Problematik s. auch Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 342 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 175. Schmolke, ZGR 2007, 701, 739 f. und Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 98 ff. verweisen jeweils auf unterschiedliche Möglichkeiten zur Überwindung des Kollektivhandlungsproblems.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Anlegern um Konkurrenten handelt, erschwert den Abstimmungsprozess zusätzlich.32 2. Problem der Trittbrettfahrer Ein weiterer Aspekt ist das Problem der Trittbrettfahrer (free rider).33 Aktionäre scheuen zwar die hohen Kosten aktiven Aktionärsverhaltens, sind aber dem potentiellen Nutzen gegenüber nicht abgeneigt. Es liegt daher nahe, dass der überwiegende Teil der Anteilseigner in guten Zeiten auf die Aktivität von Mitaktionären spekuliert, die die Kostenlast einer voice-Strategie auf sich nehmen, dadurch positiven Einfluss auf das Unternehmen ausüben und so zu einem Anstieg des Aktienkurses beitragen. Davon profitieren der aktive und der passive Aktionär gleichermaßen, wobei die Kosten nur ersteren treffen. In schlechten Zeiten trennen sich die Trittbrettfahrer, treffend auch als sunshine patriots bezeichnet, dann von ihren Aktien.34 Die Situation der Aktionäre entspricht dabei einem „Gefangenen-Dilemma“35: Zwar ist es für den einzelnen Aktionär am besten, wenn er selbst sich passiv verhält, ein anderer die gesamten Kosten auf sich nimmt und davon alle profitieren. Der größte Nutzen für die Gruppe würde aber dann erreicht, wenn sich alle Aktionäre an den Kosten einer aktivistischen Strategie beteiligten.36 Eine besondere Ausprägung der Trittbrettfahrer-Problematik ergibt sich in Hinblick auf die Anreize der Manager von Investmentgesellschaften.37 Diese scheuen die Kosten eines aktiven Aktionärsverhaltens auch deshalb, 32

Vgl. Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2064 (1994). Dazu auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 94; Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 576 ff. (1990); Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11; Fleischer/ Strothotte, AG 2011, 221, 225; Garrido, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 449, 455 f.; ders./Rojo, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 427, 435; Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 50 f.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 376; Schmolke, ZGR 2007, 701, 707, 720; Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 169 ff.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 97. 34 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 447. 35 Überblick mit Beispielen bei Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 584 ff. 36 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 98. 37 Dazu Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 94; Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2057 f.; 2063 (1994); Rock, 79 Geo. L. J. 445, 473 f., 497 (1991); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 443; Schmolke, ZGR 2007, 701 (720). 33

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

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weil sie an ihrer relativen Leistung gemessen werden, also an dem im Vergleich zu ihren Konkurrenten erwirtschafteten Gewinn. Aus ihrer Sicht lohnt sich eine voice-Strategie nur, wenn sie einen größeren Anteil an der jeweiligen Gesellschaft halten als ihre Konkurrenten und der zu erwartende Gewinn höher ausfällt als die entstehenden Kosten.38 Wenn diese Voraussetzungen – wie in der Regel39 – nicht erfüllt sind, ergibt sich für den an seiner relativen Leistung gemessenen Fondsmanager kein Vorteil, im Gegenteil: Während seine Kollegen am Nutzen der Strategie in gleicher Weise teilhaben wie der aktive Manager selbst, trägt er die Kosten alleine.40 Aus persönlicher Sicht am erfolgreichsten ist somit häufig der Fondsmanager, der die geringsten Kosten produziert.41 Das erklärt, warum institutionelle Anleger in der Regel nicht über ausreichend (qualifiziertes) Personal verfügen, das sich um die Wahrnehmung der Stimmrechte kümmert.42 3. Interessenkonflikte Daneben können Interessenkonflikte auf Seiten der institutionellen Anleger deren Aktionärsaktivismus begrenzen.43 Dabei kommen zahlreiche Konstellationen in Betracht, die hier nicht im Detail dargestellt werden sollen. Allgemein gilt, dass institutionelle Anleger häufig keine wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen sind, sondern nicht selten im Eigentum Dritter wie Banken oder Versicherungen stehen. Deren Interessen müssen die institutionellen Anleger bei ihren Aktivitäten achten. Das veranschaulicht ein Beispiel44: Ein institutioneller Anleger, der im Alleineigentum einer großen Bank steht, wird kaum eine aktive Anlagestrategie bei einem Unternehmen verfolgen, das seinerseits ein wichtiger Kunde der Bank ist. Vielmehr wird er, um gegenwärtige und mögliche zukünftige Kunden nicht abzuschrecken, gänzlich von einem solchen Verhalten absehen. 38

Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1052 f. (2007). Beispiel bei Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1053 f. (2007). 40 Zum „Herdenverhalten“ von Fondsmanagern und seinen Ursachen s. auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 124 f. 41 Vgl. Rock, 79 Geo. L. J. 445, 474 (1991): „The key to competition among indexed fund managers is to be the lowest cost producer because, by hypothesis, everyone produces the same gross gain or loss.“; s. auch Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 9 (2010). 42 Dazu Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2068 ff. (1994); Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 655 (2009). s. auch Choi/Fisch, 61 Vand. L. Rev. 315, 325 (2008), wonach viele institutionelle Anleger noch nicht einmal eine Vollzeitstelle für Corporate Governance-Fragen eingerichtet haben. 43 Ausführlich Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 595 ff. (1990); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1054 ff. (2007); s. auch Schmolke, ZGR 2007, 701, 721 f. 44 Nach Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1055 (2007). 39

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

4. Kompetenzmangel Außerdem mangelt es bei institutionellen Anlegern in der Regel an der für die Verfolgung einer aktiven Aktionärsstrategie notwendigen Kompetenz.45 So lassen Fondsmanager selbst verlauten: „We are stock traders, not business experts; there are limits to what we can do.“46 Diese Aussage erscheint nachvollziehbar. Es spricht einiges dafür, dass institutionelle Anleger aufgrund des Umfangs des von ihnen verwalteten Vermögens und der Vielzahl der Beteiligungen an Unternehmen aus verschiedenen Ländern und aus verschiedenen Branchen kaum in der Lage sein werden, sich zu Einzelfragen bei jedem einzelnen Unternehmen eine fundierte Meinung zu bilden. Zwar erschien prinzipiell die Einstellung einer entsprechenden Anzahl von Mitarbeitern denkbar. Das widerspräche aber wiederum dem Grundsatz, dass die Verwaltungskosten so gering wie möglich gehalten werden müssen.47 5. Bestehende rechtliche Vorschriften Schließlich werden bestehende rechtliche Vorschriften als Ursache dafür genannt, dass institutionelle Anleger die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht zur Einflussnahme auf Unternehmen nutzen. Dabei geht es um die Tatbestände des „Acting in Concert“, Anlagebeschränkungen und das Insiderrecht. a) „Acting in Concert“ „Acting in Concert“ meint das „konzertierte Handeln“, also das Zusammenwirken mehrerer Aktionäre. Der Gesetzgeber knüpft an das „Acting in Concert“ Rechtsfolgen. Das Ziel, diese Rechtsfolgen zu vermeiden, kann einen institutionellen Anleger dazu veranlassen, die Abstimmung mit anderen institutionellen Anlegern zu unterlassen. Weil er aber alleine über keine signifikante Stimmrechtsmacht verfügt, übt er seine Stimmrechte möglicherweise gar nicht aus. 45 Dazu Choi/Fisch, 61 Vand. L. Rev. 315, 347 f. (2008); Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 357, 376; Schmolke, ZGR 2007, 701, 722; Steiger, Institutionelle Investoren im Spannungsfeld zwischen Aktienmarktliquidität und Corporate Governance, 2000, S. 139; s. auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 225 f., die darauf hinweisen, dass die Folge mangelnder Expertise die Beauftragung von Stimmrechtsberatern sei. 46 Zitiert nach Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2071 (1994). 47 s. auch Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2071 (1994): „If the profits were attractive enough, these firms could acquire the human capital needed to rehabilitate mismanaged companies. But organizational change is difficult and risky.“

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

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aa) Deutschland In Deutschland spielt das „Acting in Concert“ zunächst im Zusammenhang mit kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten bei Überschreiten bestimmter Stimmrechtsanteile eine Rolle. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG muss ein Aktionär die Höhe seines Stimmrechtsanteils48 an einem Unternehmen bei Über- oder Unterschreiten näher bestimmter Schwellenwerte sowohl dem Unternehmen als auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitteilen. Nach § 22 Abs. 2 WpHG sind für die Berechnung des Stimmrechtsanteils nicht nur die Aktien maßgeblich, die der Meldepflichtige selber hält. Ihm werden darüber hinaus die Stimmrechte aus Aktien eines Dritten zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige sein Verhalten abgestimmt hat.49 Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Meldepflichtige und der Dritte „sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken.“ Ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Strategien aktiver institutioneller Anleger können grundsätzlich unter das „Acting in Concert“ fallen. Die Offenlegungspflichten führen dann dazu, dass Dritte von einer besseren Beaufsichtigung des Vorstands durch einzelne größere oder mehrere zusammenwirkende Aktionäre ausgehen und sich in der Folge als Trittbrettfahrer verhalten, um an erwarteten Wertsteigerungen teilzuhaben. Aus Sicht der größeren oder der zusammenwirkenden Aktionäre steigen damit die Kosten für den Zukauf weiterer Aktien ebenso wie der auf Trittbrettfahrer entfallende Anteil am Wertzuwachs. Beide Umstände führen in der Tendenz dazu, dass institutionelle Anleger sowohl vom Aufbau größerer Positionen als auch vom Zusammenwirken mit anderen Aktionären absehen.50 Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten darüber, wann von einem Zusammenwirken auszugehen ist und somit die Meldepflicht ausgelöst wird.51 Bei einer Verletzung der Meldepflicht gehen nicht nur die Stimmrechte verloren (§ 28 S. 1 WpHG), sondern es droht auch ein Bußgeld (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e), Abs. 4 WpHG).52 48 Mitzuteilen ist nicht nur das Über- oder Unterschreiten des Schwellenwerts, sondern auch die genaue Höhe des nunmehr gehaltenen Stimmrechtsanteils, vgl. U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 21, Rn. 114. 49 Hierzu in Bezug auf das Verhalten institutioneller Anleger auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2111 ff. 50 Vgl. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 449; Schmolke, ZGR 2007, 701, 722. 51 Vgl. Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 229; in Bezug auf das übernahmerechtliche „Acting in Concert“ Fleischer, ZGR 2008, 185, 200 ff.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Das Zusammenwirken mehrerer Aktionäre birgt eine weitere Gefahr, die noch gewichtiger sein dürfte.53 Nach § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG muss ein Aktionär, der die Kontrolle über ein Unternehmen erwirbt – das ist der Fall, wenn er mehr als 30% der Stimmrechte hält (§ 30 Abs. 2 WpÜG) – ein Pflichtangebot veröffentlichen, anderen Aktionären also die Übernahme ihrer Anteile zu einem bestimmten Preis anbieten. Auch für das Übernahmerecht gibt es mit § 30 Abs. 2 WpÜG eine Vorschrift über die Zurechnung der Stimmrechte von zusammenwirkenden Aktionären. Die Vorschrift bezieht sich ebenfalls nicht nur auf die gemeinsame Ausübung der Stimmrechte, sondern erfasst auch ein Zusammenwirken „mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise.“ Wenn institutionelle Anleger sich untereinander über mögliche Eingriffe in die Geschäftsführung eines Unternehmens abstimmen, müssen sie – wie bei den kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten – aufgrund der Unbestimmtheit des Tatbestands in mehrerlei Hinsicht („erhebliche Änderung“, „unternehmerische Ausrichtung“, „in sonstiger Weise“) stets damit rechnen, dass ihr Verhalten als „Acting in Concert“ im Sinne des WpÜG gewertet wird und sie so die Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots trifft, was regelmäßig weder gewollt noch finanzierbar ist.54 Insbesondere ausländische Aktionäre dürften kaum mit den Feinheiten des deutschen Übernahmerechts vertraut sein, sodass gerade sie „auf Nummer sicher“ gehen und vom Kontakt mit anderen Anlegern absehen werden.55 Bei jedem Versuch der Abstimmung untereinander schwebt das „Damoklesschwert des Pflichtangebots“56 über den institutionellen Anlegern.

52 Überblick zu den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung bei Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. (2011), Rn. 448 ff. 53 s. auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 226. 54 Sehr kritisch zur Ausgestaltung des Übernahmerechts daher Fleischer, ZGR 2008, 185, 200 f.: „unter Corporate-Governance-Gesichtspunkten höchst bedenklich“ und „rechtsökonomisch inkonsistent“; ähnlich Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 229: Warum Investoren, die Änderungen durchsetzen wollen, ein Übernahmeangebot abgeben sollen, sei „unverständlich“. Ausgesuchte Fallgruppen, bei denen rechtliche Unsicherheiten für institutionelle Anleger bestehen, beschreibt Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 215 ff., und allgemein zur Problematik auf S. 187. Zu ökonomischen Aspekten s. außerdem Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 449. 55 Fleischer, ZGR 2008, 185, 201 f. 56 Fleischer, ZGR 2008, 185, 201; ders./Strothotte, AG 2011, 221, 226.

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

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bb) USA In den USA bestehen ebenfalls Vorschriften über das „Acting in Concert“.57 Die maßgeblichen Bestimmungen zum kapitalmarktrechtlichen „Acting in Concert“ finden sich in Section 13(d) des Securities Exchange Act of 193458 sowie in ergänzenden von der SEC erlassenen Regelungen. Grundlegend ist zunächst die Bestimmung in Section 13 (d) (3), wonach Personen, die in Partnerschaft oder in einer anderen Form eines Zusammenschlusses Aktien kaufen, halten oder verkaufen als eine Person im Sinne von Section 13 (d) anzusehen sind. Die SEC hat diese Bestimmung dahingehend spezifiziert, dass auch bei Vereinbarungen in Hinblick auf die gemeinsame Ausübung der Stimmrechte eine wechselseitige Zurechnung der Anteile stattfindet.59 Rechtsfolgen werden an Beteiligungen solcher Personen geknüpft, die – alleine oder nach den genannten Vorschriften zusammengenommen – mehr als 5% des Grundkapitals halten. Diese Personen sind nach Section 13 (d) (1) zu einer umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet. Es ist nicht nur die genaue Höhe des Anteilsbesitzes mitzuteilen (Punkt D.), sondern – neben weiteren Pflichten – auch Auskunft über die Ziele zu geben, die mit den gehaltenen Aktien verfolgt werden (Punkt C.). Ist die Schwelle von 5% einmal überschritten, besteht nach Section 13 (d) (2) die Verpflichtung, eine Mitteilung über Änderungen der erteilten Auskünfte zu machen. Das ist, wie sich aus den ergänzenden Bestimmungen der SEC ergibt, unter anderem dann der Fall, wenn durch Kauf oder Verkauf von Aktien eine bedeutsame Veränderung in der Höhe des Anteilsbesitzes eintritt.60 Verstöße können eine Schadensersatzpflicht für geschädigte Investoren nach sich ziehen.61 Außerdem drohen eine Pflicht zur Gewinnherausgabe, der Verlust der Stimmrechte und ein Verbot des Erwerbs weiterer Beteiligungen.62 Das Übernahmeangebot (tender offer) ist im US-amerikanischen Recht in Section 14 (d) des Securities Exchange Act of 1934 und in ergänzenden Bestimmungen der SEC geregelt. Die Regelung greift wiederum dann, wenn mehr als 5% des Grundkapitals erworben werden sollen. Auch hier gibt es eine Vorschrift über das Zusammenwirken mehrer Aktionäre, Section 14 (d) (2). Nach Section 14 (d) (1) muss der Erwerber ein öffentliches An57 Überblick bei Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 236 ff. 58 Kodifiziert in 15 U.S.C. 78m(d). 59 17 C.F.R. 240.13d-5(b)(1). 60 17 C.F.R. § 240.13d-2 (1). 61 15 U.S.C. § 78r (a). 62 So Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 238 unter Verweis auf mehrere Gerichtsentscheidungen.

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gebot abgeben, wenn er ein Übernahmeangebot unterbreitet. Eine feste Definition des Begriffs des Übernahmeangebots gibt es allerdings nicht. Die SEC prüft das Vorliegen vielmehr anhand mehrerer Kriterien (eight-factor test), wobei die Wahrscheinlichkeit der Annahme mit der zunehmenden Anzahl erfüllter Kriterien steigt.63 Gerichte entscheiden dabei eher restriktiv. Aktienkäufe am offenen Kapitalmarkt wurden in der Vergangenheit selbst dann als nicht ausreichend erachtet, wenn dabei die maßgebliche Schwelle von 5% überschritten wurde. Maßgeblich scheint vor allem die öffentliche Bewerbung der Aktionäre zu sein. Das Verhalten institutionelle Anleger, die sich lediglich über die einheitliche Ausübung der Stimmrechte verständigen, kann unter diesen Voraussetzungen nicht als Übernahmeangebot klassifiziert werden und zieht somit kein Pflichtangebot nach sich.64 Eine Koordination des Abstimmungsverhaltens kann nicht nur durch das Zusammenwirken mehrerer Aktionäre in Form der gleichförmigen Stimmrechtsausübung erfolgen, sondern auch dadurch, dass ein Aktionär von seinen Mitaktionären Stimmrechtsvollmachten einwirbt (proxy solicitation).65 Das Einwerben von Stimmrechtsvollmachten wird zwar nicht als „Acting in Concert“ bezeichnet. Die insoweit in den USA bestehenden Vorschriften sind aber in ähnlicher Weise geeignet, die Kommunikation unter institutionellen Anlegern zu behindern. So erfassten die bereits angesprochen proxy rules der SEC bis zum Jahr 1992 zahlreiche Formen der Kommunikation unter den Aktionären.66 Bei einer Kontaktaufnahme hätten danach umfassende und mit erheblichen Kosten verbundene Pflichten erfüllt werden müssen.67 Zwar sind die proxy rules im Jahr 1992 geändert worden, um gerade auch die Aktionärskommunikation zu erleichtern.68 Allerdings umfassen die proxy rules nach wie vor nicht nur das Einwerben von Stimmrechtsvollmachten im eigentlichen Sinne, sondern auch sonstige Abstimmungsformen der Aktionäre.69

63 Vgl. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 241 f. 64 Zum Ganzen Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 242 f. 65 Dazu bereits oben S. 7. 66 Ausführlich Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 537 ff. (1990). 67 Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 46; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 243 m. w. N. 68 Darauf weist Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 243, hin. Zu den Änderungen durch SEC Release No. 34-31326 s. Coffee, 15 Cardozo L. Rev. 837 (1994). 69 s. insbesondere Rule 14a-1 (l) (1.) (iii.). Wie hier Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 46.

II. Gründe für die Apathie bei „traditionellen“ institutionellen Anlegern

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cc) Ergebnis In Deutschland kann das Zusammenwirken mehrerer institutioneller Anleger nicht nur eine Informationspflicht auslösen, sondern auch die Abgabe eines Pflichtangebots gebieten. Deshalb und aufgrund bestehender rechtlicher Unsicherheiten darüber, wann ein „Acting in Concert“ anzunehmen ist, birgt die Koordination des Abstimmungsverhaltens unter den Aktionären erhebliche Risiken. In den USA löst ein „Acting in Concert“ ebenfalls umfassende Informationspflichten aus. Die Kommunikation unter den Aktionären kann außerdem als proxy solicitation anzusehen sein, was weitere Pflichten, die sich aus den proxy rules der SEC ergeben, nach sich zieht. Die Gefahr, ein Pflichtangebot abgeben zu müssen, besteht in den USA jedoch nicht. b) Anlagebeschränkungen Daneben werden Anlagebeschränkungen, also Vorschriften, nach denen einzelne Unternehmensbeteiligungen einen bestimmten Umfang nicht überschreiten dürfen, als Grund dafür genannt, dass institutionelle Anleger ihre Stimmrechte häufig nicht ausüben.70 In den USA gilt für 50% des gesamten Anlagevermögens eines Investmentfonds die Vorgabe, dass nicht mehr als 10% der Anteile an einem einzelnen Unternehmen gehalten werden dürfen und dass einzelne Beteiligungen, auf die mehr als 5% des Fondsvermögens entfallen, unzulässig sind. Wenn ein Fonds die begehrte Bezeichnung „diversified“ führen möchte, gelten die Beschränkungen für 75% des Anlagevermögens.71 In Deutschland bestehen ähnliche Anlagebeschränkungen nach dem für Kapitalanlagegesellschaften geltenden Investmentgesetz (InvG). So dürfen grundsätzlich nur 5% des Sondervermögens in Wertpapiere desselben Emittenten angelegt werden (§ 60 Abs. 1 InvG) und der Anteil sowohl an den stimmberechtigten als auch an den stimmrechtslosen Aktien des Emittenten darf 10% nicht übersteigen (§ 64 Abs. 1 InvG). Wenn aufgrund der genannten Vorschriften keine großen Positionen aufgebaut werden können, so das Argument, dann sei auch nicht mit einer Einflussnahme durch Ausübung der Stimmrechte zu rechnen. Tatsächlich dürften die genannten Regelungen für den Umgang mit den Stimmrechten aber nur von untergeordneter Bedeutung sein. Die Strategie institutioneller Anleger ist regelmäßig ohnehin auf einen hohen Diversifikationsgrad aus70

Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 10 (2010); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1049 (2007). 71 Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 10 (2010); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1049 (2007).

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

gerichtet, sodass die genannten Schwellen meist schon deshalb nicht überschritten werden.72 c) Insiderrecht aa) Deutschland Außerdem besteht Grund zu der Annahme, dass das Insiderrecht Auswirkungen auf den Aktionärsaktivismus institutioneller Anleger hat. In Deutschland sind zwei Aspekte hervorgehoben worden.73 Zum einen beschränkt das Verbot von Insidergeschäften in § 14 Abs. 1 WpHG die Möglichkeiten zur Weitergabe von Informationen durch den Emittenten an institutionelle Anleger im Rahmen persönlicher Gespräche. Mangels Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes ist eine solche Privilegierung einzelner Aktionäre im Rahmen der Investor Relations in der Regel74 als „unbefugt“ i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG einzustufen.75 Wenn aber keine exklusiven Informationen zu erwarten sind, sinkt auf Seiten der institutionellen Anleger der Anreiz zur Einflussnahme auf die Unternehmensführung durch persönliche Gespräche.76 Infolgedessen erscheint auch die Stimmrechtsausübung, die durch die persönlichen Gespräche gewissermaßen „vorbereitet“ wird, weniger attraktiv. Zum anderen wurde diskutiert, ob der Erwerb einer Beteiligung in der (öffentlich nicht bekannten) Absicht, Einfluss auf die Unternehmensführung zu nehmen, insiderrechtliche Relevanz besitzt.77 Dabei geht es um zwei Fragen: Erstens kommt es darauf an, ob selbst geschaffene Absichten, Pläne oder Vorhaben („innere Tatsachen“) Insiderinformationen sind.78 Wenn man 72 s. auch Brümmer, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG, 2010, § 60, Rn. 15; Schmolke, ZGR 2007, 701, 723; zur Diversifikation als Geschäftsmodell Kahan/ Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1070 (2007). 73 Zu beiden Aspekten Schmolke, ZGR 2007, 701, 731. 74 Die Vorabinformation bedeutender Aktionäre kann zulässig sein, s. dazu aus insiderrechtlicher Sicht S. 275, aus aktienrechtlicher Sicht S. 280. 75 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 82; Klöhn, WM 2010, 1869, 1875; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 269 ff.; s. auch Ekkenga, NZG 2001, 1, 3 ff. 76 Gleichwohl bleiben informelle Gespräche das von institutionellen Anlegern bevorzugte Mittel zur Einflussnahme, s. dazu S. 133. Zu möglichen Gründen s. Gerke/ Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 357, 374. 77 Ausführlich Engert, ZIP 2006, 2105, 2108 ff.; s. auch Schmolke, ZGR 2007, 700, 731. 78 So insbesondere EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – C-391/04, Slg. I-3741, Rn. 33 – Georgakis; aus dem Schrifttum s. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 13, Rn. 10, 20 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 644; Cahn,

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diese erste Frage bejaht, ist zweitens entscheidend, ob es sich bei dem Kauf von Wertpapieren „unter Verwendung“ dieser Information um ein nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verbotenes Insidergeschäft handelt. Obwohl das Vorliegen eines Insidergeschäfts in solchen Fällen nach allgemeiner Ansicht zu verneinen ist79, können im Einzelfall Rechtsunsicherheiten bestehen bleiben. Diese Rechtsunsicherheiten rufen auf Seiten der Fondsmanager die Besorgnis hervor, dass sie mit einem Wertpapiererwerb, der in der Absicht erfolgt, Aktionärsaktivismus zu betreiben, möglicherweise eine (Insider-) Straftat begehen. Noch größere Unsicherheit besteht dann, wenn ein institutioneller Anleger seine Absicht zur Einflussnahme auf die Unternehmensführung anderen Aktionären zur Koordinierung des Stimmverhaltens mitteilt. Es wird erwogen, ob ein solches Verhalten unter das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG fällt. Zwar sieht die überwiegende Ansicht eine erforderliche Weitergabe, die nach der normalen Aufgabe und Tätigkeit zu bestimmen ist, als „befugt“ i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG an.80 Dieses Kriterium soll bei dem Werben um die Unterstützung durch Mitaktionäre grundsätzlich erfüllt sein.81 Rechtssicherheit bezogen auf den Einzelfall besteht jedoch auch insoweit nicht. Konzern 2005, 5, 9 f.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2108 f.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 13, Rn. 57 ff.; zu § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG a. F. auch Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 63 (Notwendig sei allerdings eine „dem Beweis zugängliche Gestalt“ der inneren Tatsache.); Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 14. Dagegen Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 13 WpHG, Rn. 22; Schlitt/S. Schäfer, AG 2004, 346, 354; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. (2007), § 12, Rn. 31, unklar die Differenzierung in Rn. 33; in der Tendenz wohl auch Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1900 f.; speziell im Zusammenhang mit dem sogenannten scalping s. BGHSt 48, 373, 377 f. (in Bezug auf § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG a. F.). 79 s. insbesondere Erwägungsgrund 30 der Richtlinie 2003/6/EG v. 28. 01. 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation („Marktmissbrauchsrichtlinie“), ABlEU Nr. L 96 v. 12. 04. 2003, S. 16. Aus dem Schrifttum s. mit zum Teil unterschiedlichen Begründungen Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 31, 49; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 644; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 18; ders., Konzern 2005, 5, 9 f.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2109 f.; Fleischer, DB 2004, 51, 52 f.; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 14, Rn. 65; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 14 WpHG, Rn. 6 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14, Rn. 23. Weber, NZG 2000, 113, 121; ders., NJW 2000, 562, 562 f. verneint unter Verweis auf die Systematik des § 14 WpHG das Vorliegen einer Insidertatsache. 80 s. dazu noch auf S. 273. 81 Engert, ZIP 2006, 2105, 2110; in Bezug auf die Unterstützung bei Übernahmeangeboten auch Assmann, ZGR 2002, 697, 704 f.; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 57; Hopt, ZGR 2002, 333, 338 f. Für die Zulässigkeit der Weitergabe des „selbst gefass-

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bb) USA Die in den USA hervorgehobene Auswirkung des Insiderrechts82 erklärt sich vor dem Hintergrund der bedeutsamen Stellung des boards. Geäußert wird die Befürchtung, dass wenn ein Mitarbeiter eines institutionellen Anlegers Mitglied im board eines Unternehmens ist, dieser zum Insider und sein erlangtes Wissen zugerechnet wird.83 In der Folge ist dem institutionellen Anleger der Handel mit den Aktien des Unternehmens untersagt.84 Dann aber hat er auch keinen Anreiz dazu, zwecks einer besseren Überwachung überhaupt einen eigenen Vertreter in das board zu entsenden. Allerdings können die unerwünschten Auswirkungen des Insiderrechts durch unternehmensinterne chinese walls, die sicherstellen sollen, dass das boardMitglied keine Informationen an den institutionellen Anleger weitergibt, verhindert werden.85 6. Ergebnis Institutionelle Anleger handeln rational, wenn sie von der Ausübung der ihnen zustehenden Stimmrechte absehen. Der wesentliche Aspekt, der aus ihrer Sicht gegen die Ausübung der Stimmrechte spricht, sind die erheblichen Kosten einer aktiven Aktionärsstrategie, deren Amortisation durch Wertsteigerungen der gehaltenen Aktien sehr unsicher ist. Daneben hofft jeder institutionelle Anleger, dass er von der Einflussnahme eines anderen auf die Unternehmenspolitik profitieren kann. Er verhält sich als Trittbrettfahrer. Einfluss haben zudem die auf Seiten der institutionellen Anleger häufig bestehenden Interessenkonflikte, die sie ebenso von der Ausübung der Stimmrechte ebenso absehen lassen wie eine mangelnde Expertise. Von den hier untersuchten bestehenden rechtlichen Vorschriften („Acting in Concert“, Anlagebeschränkungen und Insiderrecht) sind für den Umgang mit den Stimmrechten vor allem die Bestimmungen über das „Acting in Concert“ von Bedeutung. Um dessen häufig unerwünschte Rechtsfolgen zu ten Entschlusses“ an Dritte allgemein Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. (2007), § 12, Rn. 94. Zweifelnd allerdings Schmolke, ZGR 2007, 701, 731. 82 Überblick zum US-amerikanischen Insiderrecht bei Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 298 ff. 83 Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 868 (1992); Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1994, 2065 (1994). 84 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 310. 85 Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 868 f. (1992); Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1994, 2065 (1994).

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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vermeiden, unterbleibt eine Koordination des Abstimmungsverhaltens unter mehreren institutionellen Anlegern.

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern Mit der Unterstützung von Stimmrechtsberatern üben institutionelle Anleger ihre Stimmrechte aus. Angesichts der soeben dargelegten Erwägungen, die die rationale Apathie begründen, erscheint dieser Befund zunächst überraschend. Bei einem genaueren Hinsehen ist aber festzustellen, dass die Unterstützung durch einen Stimmrechtsberater die Ausübung der Stimmrechte attraktiv erscheinen lassen kann. Hinzu kommen Pflichten zur Stimmrechtsausübung in den USA und Frankreich sowie Pflichten zur Offenlegung des Abstimmungsverhaltens.86 1. Überwindung des Kollektivhandlungsproblems Entscheidende Bedeutung kommt zunächst der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems zu. Ruffner hat eine dahingehende Voraussage bereits im Jahr 2000 getroffen: „Es würde [. . .] erstaunen, wenn die Märkte nicht in der Lage wären, institutionelle Formen herauszubilden, diese Gewinnchancen zu nutzen und das Problem der kollektiven Aktion und der rationalen Apathie zu überwinden.“87 Der führende Stimmrechtsberater ISS spricht Abstimmungsempfehlungen gegenüber einer großen Anzahl von institutionellen Anlegern aus, die sich dieses Umstands bewusst sind. Sie können demzufolge davon ausgehen, dass eine von ISS empfohlene Ablehnung eines Verwaltungsvorschlags von zahlreichen anderen Aktionären mitgetragen wird und so entscheidender Einfluss ausgeübt werden kann. ISS fungiert als Koordinator zwischen einer Vielzahl institutioneller Anleger, sodass diese nicht unmittelbar miteinander in Kontakt treten müssen. Das bislang in der Praxis nur unter Inkaufnahme erheblichen Aufwands und erheblicher Kosten mögliche koordinierte Abstimmungsverhalten wird durch das Angebot von ISS signifikant vereinfacht.88 Der Stimmrechtsberater trägt damit zur Umsetzung sogenannter „Wolfsrudeltaktiken“89 bei: „The ISS phenomen [. . .] appears to help add wolves to the pack.“90 86

s. bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 151 f. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 443 f. 88 s. auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 58; aus französischer Sicht Girard/ Gates, 3 Director Notes 1, 3 (Number 4, Februray 2011). 89 Dazu Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 697 ff. (2007). 87

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Einschränkend ist zu beachten, dass ISS unterschiedliche Abstimmungsrichtlinien verwendet und aufgrund dessen die Abstimmungsempfehlungen voneinander abweichen können. Das schränkt das Argument einer Überwindung des Kollektivhandlungsproblems grundsätzlich ein. Allerdings spricht ISS nur dem weitaus kleineren Teil seiner Kunden (350 von rund 1.700) individualisierte Abstimmungsempfehlungen aus. Wie viele Kunden die speziellen Abstimmungsrichtlinien von ISS nutzen, ist nicht bekannt. Aber selbst wenn viele Kunden von dem Angebot Gebrauch machen, verliert ISS dadurch nicht zwangsläufig seine Funktion als Aktionärskoordinator. Schließlich bedeutet die Verwendung unterschiedlicher Abstimmungsrichtlinien ebenso wie eine individualisierte Beratung nicht zwangsläufig, dass auch unterschiedliche Abstimmungsempfehlungen ausgesprochen werden. Vielmehr dürften die Vorstellungen von einer guten Corporate Governance bei den Anlegergruppen, an die sich die speziellen Richtlinien von ISS richten, nicht grundsätzlich von der herkömmlichen Auffassung, die ISS in seinen allgemeinen Richtlinien zum Ausdruck bringt, abweichen. Häufig dürfte es eher um Detailfragen gehen. So zielen etwa die Richtlinien für Taft-Hartley funds darauf ab, den Fonds eine Hilfestellung bei der Rechenschaftsablegung hinsichtlich ihrer Treuepflichten zu geben. Ein völlig anderes Corporate Governance-Konzept steht hinter den speziellen Richtlinien nicht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass am Ende des Entwicklungsprozesses einer Abstimmungsempfehlung immer nur drei unterschiedliche Ergebnisse stehen können: Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Das bedeutet, dass den verschiedenen von ISS unterbreiteten Abstimmungsempfehlungen – je nachdem ob ihnen die allgemeinen, die speziellen oder individuelle Richtlinien zugrunde liegen – zwar sehr unterschiedliche Begründungen und eine voneinander abweichende Gewichtung einzelner Kriterien zugrunde liegen können. Sie münden aber immer in einem der drei möglichen Ergebnisse. Schließlich darf das Kollektivhandlungsproblem nicht aus dem Blick geraten. Stimmrechtsberater entfalten ihren Nutzen für institutionelle Anleger (jedenfalls teilweise) gerade dadurch, dass sie eine Koordination ermöglichen. Das setzt eine überwiegende Einheitlichkeit der den Kunden unterbreiteten Abstimmungsempfehlungen voraus. Die Überwindung des Kollektivhandlungsproblems durch die Mandatierung eines Stimmrechtsberaters weist zudem einen weiteren Vorteil gegenüber der unmittelbaren Kommunikation unter den institutionellen Anlegern auf: Während der direkte Kontakt häufig unter die Vorschriften über das „Acting in Concert“ fällt, wird die Koordinierung über einen Stimmrechtsberater in der Regel nicht erfasst.91 90 91

Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 698 (2007). Zur Rechtslage in Deutschland s. noch ausführlich S. 256 ff.

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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Interessant ist, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem durch das UMAG eingeführten „Aktionärsforum“ (§ 127a AktG)92, das auf einen Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance zurückgeht93, bereits einen Versuch unternommen hat, den institutionellen Anlegern bei der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems Hilfe zu leisten. Über das Forum sollte die Kommunikation untereinander erleichtert werden.94 Erreicht wurde dieses Ziel indes nicht – das Angebot wird so gut wie gar nicht genutzt.95 Dazu hat zum einen sicher beigetragen, dass ein geplantes Abstimmungsverhalten über das Aktionärsforum nicht begründet werden kann.96 Zum anderen ändert das Aktionärsforum aber auch nichts an den dargelegten Kosten-Nutzen-Erwägungen.97 Außerdem setzt es voraus, dass zunächst ein Aktionär aktiv wird und einen Eintrag vornimmt. Dem steht aber das Trittbrettfahrerproblem entgegen. Daher ist aus Sicht der institutionellen Anleger das Angebot eines Stimmrechtsberaters besser geeignet, das Kollektivhandlungsproblem zu überwinden. 2. Möglichkeit zum Aktionärsaktivismus Durch die Überwindung des Kollektivhandlungsproblems wird die Möglichkeit zum Aktionärsaktivismus (shareholder activism) geschaffen. Es erscheint zwar zunächst befremdlich, dass die institutionellen Anleger hieran ein Interesse haben. Schließlich haben sie eine aktive Strategie bislang aus rationalen Gründen abgelehnt. Dass es sich bei dieser Haltung aber allenfalls um eine „zweitbeste Lösung“ handelt, zeigt schon die Kritik, der sich Aktionäre aufgrund ihres Desinteresses seit jeher ausgesetzt sehen.98 Eine 92

Dazu schon oben S. 110. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 131. 94 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/5092, S. 15. 95 Seibert, NZG 2007, 841, 842; Wand/Tillmann, AG 2006, 443, 446; s. auch Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 31, Rn. 5; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 127a, Rn. 3; Schmolke, ZGR 2007, 701, 729; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 127a, Rn. 2. 96 s. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/5092, S. 15. 97 s. auch Spindler, NZG 2005, 825, 828: An der rationalen Apathie ändere sich durch das Aktionärsforum nichts, es werde aber ein gewichtiger Teil der bisherigen Kosten beseitigt. 98 Dem Bankier v. Fürstenberg wird die Aussage zugesprochen, dass Aktionäre „dumm, faul und frech“ seien: Dumm, weil sie Menschen ihr Vermögen anvertrauen, die sie nicht kennen, faul, weil sie nicht arbeiten wollen, und frech, weil sie obendrein noch Dividenden verlangen. Zitiert nach Schanze, in: FS Nobel, 2005, S. 999, 1017 mit Fn. 67. 93

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

aktivistische Strategie wird für Aktionäre demnach dann attraktiv, wenn die Kosten dieser Strategie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Stimmrechtsberater können diese Voraussetzungen schaffen.99 Hinzu kommt, dass die exit-Option den institutionellen Anlegern bisweilen nicht mehr oder nur noch teilweise zur Verfügung steht.100 Das ist der Fall, wenn es den Märkten an der nötigen Liquidität fehlt, sich also kein Käufer für die Aktien findet.101 Der Umfang des von institutionellen Anlegern verwalteten Vermögens ist in den letzten Jahren merklich angestiegen, was dazu geführt hat, dass auch die an einzelnen Gesellschaften gehaltenen Beteiligungen größer geworden sind. Der Verkauf dieser großen Aktienpakete ist nicht immer möglich.102 Zudem müssen Aktionäre selbst in einem an sich liquiden Markt Abschläge hinnehmen müssen, wenn sie sich von größeren Positionen trennen.103 Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Verkaufsabsichten eines Großaktionärs von anderen Investoren als „Signal für ungünstige Aussichten“ interpretiert werden.104 Außerdem kaufen institutionelle Anleger zum Teil ganze Länder- oder Branchenindizes, weil sie diese abbilden wollen. Auch in diesem Fall stellt der Anteilsverkauf keine geeignete Handlungsoption dar, weil die Anlagestrategie gerade darauf ausgerichtet ist, an allen Werten einer bestimmten Branche oder eines bestimmtes Landes beteiligt zu sein.105 Damit soll nicht bestritten werden, 99

Dazu eingehend S. 184 ff. Ausführlich zum Verhältnis von Liquidität und Kontrolle Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 445 ff. 101 Vgl. Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 357, 374; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 446. s. auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 71 m. w. N. Zur Liquidierbarkeit von Kapitalanlagen im Zusammenhang mit exit-Strategien s. allgemein auch Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 465 ff.; Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 177 f. 102 Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 572 f. (1990); Black/Coffee, 92 Mich. L. Rev. 1997, 2040 (1994); Palmiter, 23 Cardozo L. Rev. 1419, 1435 f. (2002); s. auch SEC Release Nos. 33-8188, 34-47304, IC-25922; File No. S7-36-02, unter I. („Introduction and Background“). Aus deutscher bzw. europäischer Sicht s. Seibert, BB 1998, 2536, 2537; Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 59. 103 Vgl. Garrido, in: Hopt/Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 449, 456; s. auch Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 115 m. w. N.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 708. 104 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 446; zu diesem „Herdenverhalten“ s. auch Garrido/Rojo, in: Hopt/ Wymeersch, Capital Markets and Company Law, 2003, S. 427, 435. 105 Vgl. Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 115 ff.; Seibert, BB 1998, 2536, 2537; 100

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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dass einige institutionelle Anleger auch heute noch eine exit-Strategie verfolgen. Soweit der Anteilsverkauf aber nicht möglich ist, kann die Mitsprache in Unternehmensfragen gegenüber einem bloßen „Aussitzen“ vorzugswürdig sein. 3. Einheitliche Kosten für die Stimmrechtswahrnehmung Die durch die Beauftragung eines Stimmrechtsberaters entstehenden Kosten haben neben ihrer vergleichsweise geringen Höhe eine zweite Dimension, die die Beauftragung eines Stimmrechtsberaters gegenüber der selbstständigen Stimmrechtsausübung als vorzugswürdig erscheinen lässt: Es ist davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme der Dienste eines Stimmrechtsberaters für alle institutionellen Anleger einheitliche Kosten verursacht, jedenfalls soweit Abstimmungsempfehlungen für eine identische Anzahl von Unternehmen nachgefragt werden. Dadurch wird das oben beschriebene Trittbrettfahrerproblem zum Teil überwunden: Fondsmanager hoffen darauf, dass andere die Kosten einer aktivistischen Strategie alleine tragen, während sie selbst nur von den daraus resultierenden Gewinnen profitieren. Daher bleiben alle passiv. Stimmrechtsberater bieten den Vorteil, dass sie allen Kunden die gleichen Kosten in Rechnung stellen und somit kein Fondsmanager fürchten muss, höhere Verwaltungskosten zu verursachen als seine Kollegen. Alle werden in gleicher Höhe beteiligt.106 Dabei funktioniert die Unternehmenskontrolle in Zusammenarbeit mit einem Stimmrechtsberater nur dann, wenn eine erhebliche Anzahl der Aktionäre dessen Abstimmungsempfehlungen befolgt. Aus Sicht der institutionellen Anleger besteht somit zum einen die Notwendigkeit zur Mitwirkung, wenn die Umsetzung einer aktivistischen Strategie möglich sein soll. Zum anderen müssen sie nicht fürchten, höhere Kosten zu tragen als ihre Wettbewerber. Ganz beseitigt wird das Trittbrettfahrerproblem freilich nicht. Nach wie vor können institutionelle Anleger darauf spekulieren, dass genügend andere Aktionäre die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters befolgen und sie selbst von dessen Beauftragung absehen können. Das Argument der einheitlichen Kosten ist aber im Zusammenspiel mit den anderen hier dargelegten Erwägungen zu sehen. Insofern gilt, dass das Trittbretts. auch Becht, Neue Zürcher Zeitung v. 29. 08. 2008, „Der Aktionärsaktivismus wird die Finanzkrise überleben“. 106 s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 98, der den „höchstmöglichen Nutzen“ für eine Gruppe von Aktionären dann erwartet, „wenn sich alle Aktionäre, die von einer entsprechenden Maßnahme profitieren würden, an den Kosten beteiligen. Stimmrechtsberater schaffen eine Situation, die dem von Winkler beschriebenen Optimalzustand nahe kommt.

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fahrerproblem – Tragung der Kostenlast durch einen Aktionär, der sich für eine aktivistische Strategie entscheidet – durch die Existenz von Stimmrechtsberatern zumindest erheblich abgeschwächt wird und demzufolge den anderen Gründen, die für die Beauftragung eines Stimmrechtsberaters sprechen, nur in geringem Maße entgegensteht. 4. Ergänzung zum Proxy Voting Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass die Hauptversammlung in den USA und bedingt durch gesetzliche Neuregelungen zunehmend auch in Deutschland als „Willensfeststellungsorgan“ fungiert. Die Willensbildung erfolgt hingegen bereits im Vorfeld. Charakteristisch für diesen Befund ist die weite Verbreitung des proxy voting in den USA und dessen zunehmende Bedeutung in Deutschland. Dieses Institut ermöglicht eine einfache Ausübung der Stimmrechte, sodass der „formelle“ Teil der Stimmrechtsausübung – die Abgabe der Stimmen an sich – für Aktionäre einfach zu bewerkstelligen ist. Die große verbleibende Schwierigkeit besteht aber darin, in inhaltlicher („materieller“) Hinsicht eine Entscheidung über das „Wie“ der Ausübung zu treffen. Unterstützungsbedarf besteht auf Seiten der Aktionäre heute weniger bei der Stimmrechtsausübung in technischer Hinsicht, sondern vielmehr hinsichtlich der Bewertung einzelner Tagesordnungspunkte und der hierzu unterbreiteten Vorschläge der Verwaltung.107 Mit den sinkenden Kosten für die Stimmrechtsausübung entstehen neue Kosten, die für die Bildung einer fundierten Meinung zu Einzelfragen bezüglich einer Gesellschaft aufgewendet werden müssen.108 Es ist zu einer Verlagerung des Problemschwerpunkts von der Stimmrechtsausübung und -vertretung hin zu der Frage inhaltlicher Entscheidungen gekommen. Stimmrechtsberater bieten den institutionellen Anlegern insoweit Unterstützung. Während also das proxy voting den „formellen“ Teil der Stimmrechtsausübung erleichtert, erleichtern Stimmrechtsberater den „materiellen“ Teil.109 107

Ähnlich der Befund von U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 91. So in Bezug auf die Internet-Kommunikation im Allgemeinen Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 31, 36 f. 109 Wilsing, ZGR 2012, 291, 305 ff. sieht hingegen einen Widerspruch in einer Erleichterung der Stimmrechtsausübung einerseits und Forderungen nach einer Regulierung der Stimmrechtsberater andererseits. Dem ist zu widersprechen: Aus der Tatsache, dass die Stimmrechtsausübung erleichtert worden ist, folgt nicht, dass der Gesetzgeber kein Interesse an informierten Abstimmungsentscheidungen und qualitativ hochwertigen Hauptversammlungsbeschlüssen hat. Auch kann die Rolle, die den Stimmrechtsberatern bei der Entscheidungsfindung der institutionellen Anleger zukommt, nicht, wie Wilsing (S. 306) andeutet, per se als positiv eingestuft werden. Vielmehr bedarf es einer differenzierten Abwägung hinsichtlich Kosten und Nutzen der Dienstleistung. 108

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5. Verpflichtung zur Stimmabgabe Auch eine bestehende Verpflichtung zur Stimmabgabe kann einen Anreiz zur Beauftragung eines Stimmrechtsberaters darstellen.110 Institutionelle Anleger können sich in diesem Fall nicht auf eine exit-Strategie beschränken, sondern sind zu einer Meinungsäußerung gezwungen. Zwar könnte man annehmen, dass die Erfüllung dieser Pflicht leicht fällt. Schließlich kann schlicht eine Zustimmung zu den Verwaltungsvorschlägen oder eine Enthaltung erfolgen, ohne dass im Vorfeld ein Gedanke daran verschwendet werden müsste, ob dieses Abstimmungsverhalten für die Wertentwicklung der gehaltenen Beteiligungen vorteilhaft ist. Eine Abstimmungspflicht kann aber so ausgestaltet sein, dass stets zum größtmöglichen Vorteil der wirtschaftlichen Eigentümer des verwalteten Vermögens abzustimmen ist. Ebenso ist es denkbar, dass eine Abstimmungspflicht mit einer Pflicht zur Offenlegung des Abstimmungsverhaltens einhergeht.111 In beiden Fällen wäre eine formale Abgabe der Stimme – um der bloßen Abgabe willen – nicht ausreichend. Nachfolgend soll untersucht werden, inwieweit institutionelle Anleger in den USA und in Deutschland zur Stimmabgabe verpflichtet sind. a) USA Hinsichtlich der Rechtslage in den USA ist zwischen verschiedenen Gruppen institutioneller Anleger zu unterscheiden. Hervorzuheben sind private Pensionsfonds und Investmentgesellschaften. Insoweit ergeben sich Besonderheiten, die für andere institutionelle Anleger nicht gelten. aa) Private Pensionsfonds Für die privaten Pensionsfonds ist das Bestehen einer Abstimmungspflicht bereits seit langem unbestritten. Ihr Ursprung liegt in dem im Jahr 1988 durch das US-amerikanische Arbeitsministerium (U.S. Department of Labor, DOL) versandten Avon Letter112, in dem das DOL sich zur Auslegung einer Bestimmung aus dem Employee Retirement Income Security Act of 1974 (ERISA) äußerte, in der es um bei der Vermögensverwaltung bestehende Treuepflichten (fiduciary duties) geht.113 Das DOL hat die be110 Vgl. European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 9, 10. 111 Zu Offenlegungspflichten institutioneller Anleger s. noch S. 172 ff. 112 Gerichtet war der Brief an Helmuth Fandl, Chairman des Retirement Board of Avon Products, Inc.

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treffende Passage des ERISA dahingehend interpretiert, dass es zu den Treuepflichten eines privaten Pensionsfonds zähle, die Stimmrechte aus den in seinem Portfolio vorhandenen Aktien auszuüben.114 Im Jahr 1994 schrieb das DOL diese Auffassung schließlich im Code of Federal Regulations verbindlich fest. Zwar ist dort nur die Rede davon, dass ein Pensionsfonds sich um das „management of voting rights appurtenant to those shares of stock“ kümmern müsse.115 Die Bestimmung wurde aber einhellig als generelle Abstimmungspflicht aufgefasst. Diese Entwicklung wird in den USA als ursächlich für die erste Wachstumsphase der Stimmrechtsberatung in den 1990er-Jahren angesehen: „According to industry experts, managers of employee retirement plan assets began to seek help in executing their fiduciary responsibility to vote proxies in their clients’ best interests. Consequently, the proxy advisory industry – particularly ISS, which had been established in 1985 – began to grow.“116 Das DOL stellt auch inhaltliche Anforderungen an die Stimmabgabe. Es fordert von den privaten Pensionsfonds, dass diese ihre Abstimmungsentscheidung ausschließlich an den ökonomischen Interessen der wirtschaftlichen Eigentümer des verwalteten Vermögens ausrichten sollen.117 Damit genügt eine bloß formale Stimmabgabe nicht. Vielmehr sind die privaten Pensionsfonds verpflichtet zu untersuchen, wie sich ein bestimmtes Stimmverhalten auf die Wertentwicklung der gehaltenen Unternehmensbeteiligungen auswirkt. Allerdings gilt die Pflicht zur Stimmabgabe nicht ausnahmslos. Bereits in der im Jahr 1994 getroffenen Regelung118, aber auch in der überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 2008, findet sich eine wichtige Einschränkung, die auf den wirtschaftlichen Nutzen abstellt und damit wiederum das Interesse 113

29 U.S.C. § 1104 (Section 404 ERISA). Eingehend Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 165 f.; s. auch U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 6 f.; Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 391 f. (2009). 115 Die ursprünglich in 29 C.F.R. § 2509.94-2 getroffene Regelung wurde inzwischen neu gefasst und befindet sich nunmehr in 29 C.F.R. § 2509.08-2. 116 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 7; s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 392 (2009). 117 29 C.F.R. § 2509.08-2 (1), Abs. 3: „The fiduciary duties described at ERISA Sec. 404(a)(1)(A) and (B), require that, in voting proxies, regardless of whether the vote is pursuant to a statement of investment policy, the responsible fiduciary shall consider only those factors that relate to the economic value of the plan’s investment and shall not subordinate the interests of the participants and beneficiaries in their retirement income to unrelated objectives.“ 118 Dazu Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 166 f. (mit Abdruck der entscheidenden Passage). 114

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der wirtschaftlichen Eigentümer im Blick hat. Dort heißt es, dass die Kosten der Stimmrechtsausübung in Verhältnis zu der durch die Ausübung zu erwartenden Wertsteigerung der gehaltenen Beteiligungen zu setzen seien. In Hinblick darauf erlaubt das DOL Pensionsfonds ausdrücklich in Ausnahmesituation von der Stimmrechtsausübung abzusehen.119 Im Blick hat es dabei wohl vor allem, aber nicht ausschließlich, die Stimmrechte aus Beteiligungen an ausländischen Unternehmen.120 Damit bleibt festzuhalten, dass US-amerikanische private Pensionsfonds ihre Stimmrechte generell ausüben müssen. Es kann aber im Einzelfall, insbesondere bei Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, davon abgesehen werden, wenn die Ausübung als wirtschaftlich unvertretbar erscheint. Dass diese Einschränkung wirklich nur ausnahmsweise gelten kann, folgt schon daraus, dass regelmäßig nur schwer absehbar ist, wie sich ein bestimmtes Abstimmungsverhalten auf die Wertentwicklung eines Unternehmens auswirkt. Diese generelle Unsicherheit kann mit der Einschränkung aber nicht gemeint sein, weil dann die postulierte Abstimmungspflicht in ihrem Anwendungsbereich erheblich beschränkt würde. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten. Dafür spricht auch ein Umkehrschluss aus der Nennung von ausländischen Unternehmen: Wenn die zusätzlichen Kosten für die Ausübung der Stimmrechte aus diesen Beteiligungen explizite Erwähnung finden, geht das DOL offenbar davon aus, dass im Inland der Nutzen der Stimmrechtsausübung die dabei entstehenden Kosten in der Regel übersteigt. Wenn die Dienste eines Stimmrechtsberaters in Anspruch genommen werden, sinken allerdings die Informationskosten.121 Hierdurch kann eine Neubewertung der Sachlage notwendig werden. bb) Investmentgesellschaften Seit 2003 unterliegen Investmentgesellschaften in den USA einer strengeren Regulierung hinsichtlich des Umgangs mit den ihnen zustehenden Stimmrechten. Vor allem erließ die SEC umfangreiche Offenlegungspflichten, auf die noch zurückzukommen sein wird. Im Zuge des Erlasses der 119 29 C.F.R. § 2509.08-2 (1), Abs. 3: „If the responsible fiduciary reasonably determines the the cost of voting (including the cost of research, if necessary, to determine how to vote) is likely to exceed the expected economic benefits of voting, or if the exercise of voting results in the imposition of unwarranted trading or other restrictions, the fiduciary has an obligation to refrain from voting.“ 120 29 C.F.R. § 2509.08-2 (1), Abs. 5: „With respect to proxies appurtenant to shares of foreign corporations, a fiduciary, in deciding whether to purchase shares of a foreign corporation, should consider whether any additional difficulty and expense in voting such shares is reflected in their market price.“ 121 s. dazu noch S. 190 f.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

neuen Vorschriften äußerte sich die SEC aber auch zu der Frage einer Abstimmungspflicht und bejahte diese.122 cc) Öffentliche Pensionsfonds Für öffentliche Pensionsfonds123 gilt der ERISA nicht, sodass sich daraus auch keine Pflicht zur Stimmabgabe für diese Anlegergruppe ergeben kann.124 Sie unterliegen aber den in den einzelnen Bundesstaaten geltenden gesetzlichen Bestimmungen.125 Dort sind zum Teil speziell für öffentliche Pensionsfonds Treuepflichten normiert, die den Bestimmungen aus dem ERISA nahe kommen.126 Beispiele finden sich etwa in Kalifornien127, South Carolina128 und Delaware129. Soweit spezielle Treuepflichten nicht existieren, gilt jedenfalls das Recht des trusts. Danach bestehen für Personen, die fremdes Vermögen verwalten, treuhänderische Verpflichtungen. Die Ausgestaltung dieser fiduciary duties ist aufgrund von Maßnahmen zur Rechtsvereinheitlichung in allen Bundesstaaten sehr ähnlich.130 Die Vereinheitlichung geht auf das vom American Law Institute im Jahr 1992 herausgegebene Restatement of the Law Third, Trusts zurück, das in § 227 die sogenannte prudent investor rule enthält. Auf dessen Grundlage hatte die National Conference of Commissioners on Uniform State Law im Jahr 1994 den Uniform Prudent Investor Act (UPIA) verkündet, der von fast allen Bundesstaaten übernommen wurde.131 122

SEC Release Nos. 33-8188, 34-47304, IC-25922; File No. S7-36-02, unter I. („Introduction and Background“): „Mutual funds are formed as corporations or business trusts under state law and, as in the case of other corporations and trusts, must be operated for the benefit of their shareholders. Because a mutual fund is the beneficial owner of its portfolio securities, the fund’s board of directors, acting on the fund’s behalf, has the right and the obligation to vote proxies relating to the fund’s portfolio securities.“ 123 Zu den größten öffentlichen Pensionsfonds zählen etwa das California Public Employees’ Retirement System (CalPERS) und die Teachers Insurance and Annuity Association – College Retirement Equities Fund (TIAA-CREF). 124 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 169. 125 Vgl. Palmiter, 23 Cardozo L. Rev. 1419, 1443 (2002); Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 169. 126 s. auch Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 177. 127 California Government Code, Section 20151. 128 South Carolina Code, Section 9-16-40. 129 Delaware State Government Code, § 5541. 130 Eingehend Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 178 f. 131 Vgl. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 178: 41 Staaten verwendeten den UPIA zur Kodifizierung eines prudent investor

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Es besteht kein Grund, die bestehenden Treuepflichten bei öffentlichen Pensionsfonds anders zu interpretieren als bei privaten.132 Hinzu kommt, dass die SEC die Abstimmungspflicht für Investmentgesellschaften mit deren Aktionärsstellung und der Verantwortung für ihre Anleger begründet.133 Diese Erwägung ist auf öffentliche Pensionsfonds unmittelbar übertragbar. Daher beinhalten die bestehenden Treuepflichten der Manager öffentlicher Pensionsfonds die Pflicht zur Ausübung der Stimmrechte aus den gehaltenen Beteiligungen. Die Ausübung muss dabei im Interesse der wirtschaftlich Berechtigten erfolgen. Insbesondere die von der SEC getroffene Äußerung spricht dafür, dass die hier vertretene Ansicht auch der US-amerikanischen Praxis entspricht. dd) Andere institutionelle Anleger Für andere Arten institutioneller Anleger gilt das zu den öffentlichen Pensionsfonds Gesagte. Bei der Verwaltung fremden Vermögens findet das trust-Recht einschließlich der dort statuierten Treuepflichten Anwendung. Diese Treuepflichten beinhalten die Pflicht zur Abstimmung.134 ee) Ergebnis In den USA besteht für alle institutionellen Anleger eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung. Diese ergibt sich für einige Anlegergruppen aus speziellen Vorschriften und im Übrigen aus dem trust-Recht. Bei der Stimmrechtsausübung haben sich die institutionellen Anleger von den Interessen der wirtschaftlichen Eigentümer des verwalteten Vermögens leiten zu lassen. b) Deutschland Ob auch in Deutschland eine Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger besteht, ist umstritten. Ausdrückliche gesetzliche Anordnungen gibt es nicht. Bislang eingesetzte Expertenkommissionen waren von dem Nichtbestehen einer Pflicht zur Stimmrechtsausübung überzeugt und haben ihre statute, sieben weitere Staaten übernahmen wesentliche Bestandteile des UPIA (Nennung der jeweiligen Staaten bei Winkler, a. a. O.). 132 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 169. 133 s. oben Fn. 122. 134 Näher Kyriakakis, Die Überwachung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft durch institutionelle Anleger, 2002, S. 180 ff.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 178 f.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Einführung abgelehnt. Mitunter wird jedoch versucht, eine Abstimmungspflicht aus bestehenden Vorschriften, dem Treuhandverhältnis oder aus gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen herzuleiten. Hinzuweisen ist schließlich auf Selbstverpflichtungen der institutionellen Anleger. aa) Diskussion in Expertenkommissionen In jüngerer Vergangenheit wurde die Abstimmungspflicht institutioneller Anleger bereits von mehreren für die Bereiche des Gesellschaftsrechts und der Corporate Governance eingesetzten Expertenkommissionen thematisiert. Stellung zu dieser Frage nahm zunächst die Regierungskommission Corporate Governance („Baums-Kommission“) in ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 2001.135 Die Baums-Kommission beschäftigt sich darin mit der Einführung einer Abstimmungspflicht. Das impliziert, dass die Kommission vom Nichtbestehen einer solchen ausgeht. Der Einführung steht sie skeptisch gegenüber: „Erwägenswert“ sei „eine Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung allenfalls im Hinblick auf institutionelle Investoren, die Aktien treuhänderisch für Dritte halten [. . .]“136. Zwar setzt sich die Kommission mit der für Kapitalanlagegesellschaften maßgeblichen Norm des § 10 Abs. 1 S. 3 KAGG (heutiger § 32 Abs. 1 S. 3 InvG) auseinander.137 Zu der hier maßgeblichen Frage, ob aus der Vorschrift eine allgemeine Pflicht zur Stimmrechtsausübung folgt, äußert sie sich aber nicht (dazu sogleich im Einzelnen). Eine ausdrückliche Empfehlung erteilt die Baums-Kommission lediglich hinsichtlich der Regelung zur Beauftragung unabhängiger Stimmrechtsvertreter, nicht aber hinsichtlich der Einführung einer allgemeinen Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger. Die von der Europäischen Kommission eingesetzte Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts („High Level Group“) legte im November 2002 einen Bericht über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa vor, in dem sie sich ebenfalls mit einer Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger auseinandersetzt. Die High Level Group lehnt die Einführung einer Pflicht zur Stimmrechtsausübung ausdrücklich ab.138 Wenn den institutionellen Anlegern die Offenlegung ihrer Abstimmungspolitik und ihres Abstimmungsverhaltens vor135 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 126 ff. 136 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 127 a. E. 137 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 128. 138 Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 60 f.

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geschrieben werde, dann sei von einer Abstimmungspflicht kein zusätzlicher Nutzen zu erwarten. Vielmehr könne sich eine solche Pflicht kontraproduktiv auswirken: Institutionelle Anleger könnten – nur um der Verpflichtung nachzukommen – dazu geneigt sein, jedem Beschlussvorschlag zuzustimmen. Auch aus den Äußerungen der High Level Group geht hervor, dass nach ihrer Auffassung gegenwärtig keine Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger besteht. Im Zuge der Erstellung ihres Berichts hatte die High Level Group zahlreiche Stellungnahmen zu von ihr formulierten Fragen eingeholt. In Nr. 15 b) des vorgelegten Katalogs findet sich die Frage: „Sollten institutionelle Anleger die Stimmrechte, die mit den von ihnen gehaltenen Aktien verbunden sind, ausüben müssen?“ Beantwortet wurde der Fragenkatalog unter anderem von einer deutschen Expertenkommission, der Group of German Experts on Corporate Law. Diese beantwortete Frage Nr. 15 b) eindeutig: „Nein. Eine allgemeingültige exakte Bestimmung des ‚institutionellen Anlegers‘ dürfte nicht gelingen. Die Abstimmungspflicht würde zu einer nicht wünschenswerten Dominanz der institutionellen Anleger in den Hauptversammlungen führen.“139 Diese Auffassung bekräftigt die Group of German Experts on Corporate Law in ihrer Stellungnahme zum Abschlussbericht der High Level Group.140 Damit bleibt festzuhalten, dass auf deutscher wie auf europäischer Ebene eingesetzte Expertenkommissionen vom gegenwärtigen Nichtbestehen einer Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger ausgehen. Die Einführung einer solchen Pflicht lehnen sowohl die europäische High Level Group als auch die Group of German Experts on Corporate Law ausdrücklich ab, die Baums-Kommission steht ihr zumindest skeptisch gegenüber. bb) § 32 Abs. 1 S. 3 InvG Möglicherweise besteht in Deutschland für eine spezielle Gruppe der institutionellen Anleger, die Kapitalanlagegesellschaften, tatsächlich doch eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung. Kapitalanlagegesellschaften sind 139 Bayer/Fleischer/Hoffmann-Becking, Zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: Stellungnahme der Group of German Experts on Corporate Law zum Konsultationsdokument der High Level Group of Experts on Corporate Law, abgedruckt in ZIP 2002, 1310, 1316. 140 Bayer/Fleischer/Hoffmann-Becking, Zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht (Group of German Experts on Corporate Law) zum Report of the High Level Group of Company Law Experts on a modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, abgedruckt in ZIP 2003, 863, 868.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 6 InvG Unternehmen, deren Hauptzweck in der Verwaltung von inländischem Investmentvermögen besteht. Bei dem Investmentvermögen handelt es sich um ein Sondervermögen der Kapitalanlagegesellschaften, für das besondere Vorschriften gelten. Von Bedeutung sind vor allem § 31 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 InvG, wonach das Sondervermögen nicht für Verbindlichkeiten der Kapitalanlagegesellschaft haftet, und § 2 Abs. 2 InvG, der klarstellt, dass ein Sondervermögen von der Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung der Anleger verwaltet wird. Es besteht regelmäßig in der Form eines Investmentfonds (§ 2 Abs. 1 InvG). Für Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft gilt auch § 32 Abs. 1 InvG, aus dessen S. 3 sich eine Abstimmungspflicht ergeben könnte. Inländisches Investmentvermögen kann nach dem InvG nicht nur als Sondervermögen, sondern auch als Investmentaktiengesellschaft (§§ 2 Abs. 5, 96 ff. InvG) gebildet werden, § 1 S. 1 Nr. 1 InvG.141 Diese Anlageform ist im vorstehenden Zusammenhang jedoch nicht relevant, weil § 32 Abs. 1 S. 3 InvG auf die Investmentaktiengesellschaft keine Anwendung findet. § 99 Abs. 3 InvG verweist nicht auf § 32 Abs. 1 InvG. Nachvollziehbar ist das Fehlen einer Verweisung insoweit als dass die Investmentaktiengesellschaft nie einer schriftlichen Vollmacht zur Stimmrechtsausübung bedarf, weil die Aktien stets in ihrem Eigentum stehen (Vollrechtstreuhand). Bei der Kapitalanlagegesellschaft kann hingegen auch vereinbart werden, dass die Aktien aus dem Sondervermögen im Miteigentum der Anleger stehen, § 30 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 InvG (Ermächtigungstreuhand).142 Hingegen bleibt unklar, warum die Regelung zur Stimmrechtsausübung in § 32 Abs. 1 S. 3 InvG nicht auch auf Investmentaktiengesellschaften Anwendung finden soll.143

In § 32 Abs. 1 S. 3 InvG heißt es, dass Kapitalanlagegesellschaften „das Stimmrecht aus Aktien von Gesellschaften, die ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, im Regelfall selbst ausüben.“ Welchen Bedeutungsgehalt die Norm genau hat, bedarf indessen eines genaueren Hinsehens. Zunächst ist mit der Formulierung unstreitig gemeint, dass sich eine Kapitalanlagegesellschaft im Regelfall keines Stimmrechtsvertreters bedienen, sondern dass sie die ihr zustehenden Stimmrechte selbst ausüben soll. Es geht um das „Wie“ der Stimmrechtsausübung. Ob sich die Regelung darüber hinaus auch auf das „Ob“ der Stimmrechtsausübung bezieht, sie also eine Abstimmungspflicht für Kapitalanlagegesellschaften beinhaltet, ist hingegen unklar.144 In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten vertreten, teilweise ohne auf die voneinander abweichenden Auslegungsmöglich141

s. dazu den Überblick bei Einsele, AG 2011, 141, 144 ff. s. nur Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG, 2010, § 32, Rn. 6. 143 Wie hier Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 142 mit Fn. 437. 144 Differenzierend wie hier Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 143. 142

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keiten hinzuweisen. Soweit aus § 32 Abs. 1 S. 3 InvG eine Abstimmungspflicht hergeleitet wird, erfolgt dies unter Verweis auf den Wortlaut der Regelung.145 Die Vertreter der Gegenauffassung meinen hingegen, dass die Stimmrechte nur dann auszuüben seien, wenn die Ausübung im Anlegerinteresse liege. Das ergebe sich aus § 9 Abs. 1 S. 1 InvG, wonach die Kapitalanlagegesellschaft „das inländische Investmentvermögen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger zu verwalten“ habe.146 Aus § 32 Abs. 1 S. 3 InvG folge lediglich, dass die Stimmrechte, wenn sie denn ausgeübt werden, regelmäßig selbst und nicht durch einen Bevollmächtigten auszuüben seien.147 Angesichts des unklaren Wortlauts kann man sich dem Regelungsgehalt der Norm nur durch andere Auslegungsmethoden nähern. Dabei vermag ein Rückgriff auf den Telos der Norm indessen nicht weiterzuhelfen: Es kann zwar zum Sinn und Zweck des § 32 Abs. 1 S. 3 InvG zählen, Kapitalanlagegesellschaften zur Stimmrechtsausübung zu verpflichten. Zwingend ist der Schluss aber nicht. Vielmehr steht gerade in Frage, ob Sinn und Zweck der Vorschrift auch in der Begründung einer Abstimmungspflicht liegen. Die Entstehungsgeschichte der Norm (historische Auslegung) untermauert hingegen die zuletzt genannte Ansicht. Vorgeschlagen worden war die Regelung zur Stimmrechtsausübung vom Bundesrat mit folgendem Wortlaut: „Die Kapitalanlagegesellschaft hat mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns das Sondervermögen für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber zu verwalten und deren Interessen zu wahren, insbesondere auch die mit dem Sondervermögen verbundenen Stimm- oder Gläubigerrechte pflichtgemäß auszuüben. Vollmacht für die Ausübung dieser Rechte darf sie nur für den Einzelfall erteilen.“148 Bei dieser Formulierung hätte man eine 145

Vgl. Müller, DB 1975, 485, 486; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 31, Rn. 8; s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 148 m. w. N. Hingegen argumentiert Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG, 2010, § 32, Rn. 10 mit dem Wortlaut der Regelung („soll“) gerade gegen eine generelle Pflicht zur Stimmrechtsausübung. 146 Das InvG löste zum 01. 01. 2004 das bis dahin geltende Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) ab. Daher bezieht sich die ältere Literatur noch auf die Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 S. 1 KAGG, die trotz veränderter Begrifflichkeiten inhaltlich deckungsgleich ist, vgl. BT-Drs. 15/1553, S. 85. 147 So insbesondere Beckmann, in: Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Losebl. (Stand: 2. Lfg., 2012) § 32 InvG, Rn. 5a; ähnlich J. Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl. (1997), § 10 KAAG, Rn. 44; in diese Richtung wohl auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 145 f., der zwar eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung bejaht, dabei aber mit dem Anlegerinteresse und nicht mit der Regelung des § 32 Abs. 1 S. 3 InvG argumentiert. 148 BT-Drs. 2/3235, S. 3.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

Abstimmungspflicht im Gegensatz zur heute geltenden Fassung („hat die Stimmrechte pflichtgemäß auszuüben“ gegenüber „soll das Stimmrecht im Regelfall selbst ausüben“) wohl bejahen müssen.149 Die Argumentation, dass auch das Unterlassen der Stimmrechtsausübung eine pflichtgemäße Ausübung darstellt, wenn es im Interesse der Anleger erfolgt, erscheint eher fernliegend. Zwar spricht der Bundesrat in seiner Begründung nicht davon, eine Abstimmungspflicht begründen zu wollen. Es heißt lediglich, dass der Sparer Gewissheit darüber erhalte, dass „der Kleinaktionär künftig imstande sein werde, seine berechtigten Interessen sachkundiger, tatkräftiger und dadurch wirkungsvoller zu vertreten, als es ihm bisher persönlich oder mit Hilfe des Depotstimmrechts möglich war.“150 Die Erwähnung der Abstimmungspflicht unterblieb aber wohl allein wegen der Deutlichkeit des Wortlauts. Im Vermittlungsausschuss einigte man sich jedoch auf eine andere Fassung der Vorschrift, die schließlich auch verkündet wurde.151 Sie lautete: „Die Kapitalanlagegesellschaft hat mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns das Sondervermögen für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber zu verwalten und deren Interessen zu wahren, insbesondere auch bei der Ausübung der mit dem Sondervermögen verbundenen Stimm- und Gläubigerrechte. Sie soll das Stimmrecht im Regelfall selbst ausüben. Sie darf einen anderen zur Ausübung des Stimmrechts nur für den Einzelfall ermächtigen; dabei soll sie Weisungen für die Ausübung erteilen.“152 Die Regelung enthält die vom Bundesrat noch vorgesehene Formulierung „hat die Stimmrechte pflichtgemäß auszuüben“ nicht mehr. Es ist lediglich davon die Rede, dass die Interessen der Anleger auch bei der Stimmrechtsausübung zu wahren seien. Diese Änderung zeigt, dass der Gesetzgeber gerade keine Abstimmungspflicht begründen wollte. Die Entscheidung darüber, ob die Stimmrechte ausgeübt werden, ist vielmehr von der Kapitalanlagegesellschaft zu treffen, die freilich auch insoweit die Anlegerinteressen zu berücksichtigen hat. Zudem hat der Gesetzgeber im Zuge einer Änderung des § 10 Abs. 1 KAGG durch das TransPuG153 im Jahr 2002 eine Äußerung getroffen, die ebenfalls gegen eine Abstimmungspflicht spricht: „Die Änderung des § 10 149 Zurückhaltender Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 144 („Jedoch läßt die vom Bundesrat abgegebene Begründung nicht auf eine zwingende Verpflichtung der Stimmrechtsausübung schließen.“). 150 BT-Drs. 2/3235, S. 3. 151 Vgl. Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) v. 16. 04. 1957, BGBl. I, S. 378, 380. 152 BT-Drs. 2/3282, S. 2. 153 s. oben § 5, Fn. 117.

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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Abs. 1 Satz 4 KAGG ermöglicht es den Kapitalanlagegesellschaften nunmehr, einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter nicht nur für den Einzelfall, sondern auch dauerhaft zur Ausübung des Stimmrechts zu bevollmächtigen. Ziel dieser Deregulierung ist es, die Ausübung der mit dem Sondervermögen verbundenen Stimmrechte zu fördern und die Entwicklung eines Marktes für professionelle unabhängige Stimmrechtsvertreter zu unterstützen.“154 Wenn die Ausübung der Stimmrechte gefördert werden soll, dann besteht aus Sicht des Gesetzgebers ganz offensichtlich keine Ausübungspflicht. Neben der Entstehungsgeschichte spricht auch die systematische Stellung der Norm gegen die Begründung einer Pflicht zur Stimmrechtsausübung. In den Sätzen 1 und 2 des § 32 Abs. 1 InvG geht es zunächst darum, dass der Kapitalanlagegesellschaft das Stimmrecht aus den von ihr gehaltenen Aktien auch ohne Bevollmächtigung durch die Anleger zusteht. Damit ist zwar noch nichts dazu gesagt, ob und wie die Stimmrechte auszuüben sind. Aus der Regelung folgt aber die Entbehrlichkeit einer Vollmachtserteilung durch die Anleger. Damit geht es um eine Frage der Stimmrechtsvertretung. In Satz 3 wird dann geregelt, dass die Stimmrechte, die durch die Entbehrlichkeit einer Vollmacht nach Satz 1 sozusagen „automatisch“ der Kapitalanlagegesellschaft zustehen, durch letztere im Regelfall nicht auf einen Dritten weiter übertragen werden können („selbst ausüben“). Satz 4 bestimmt, dass „das Stimmrecht für den Einzelfall durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden“ kann. Ihm sollen Weisungen für die Ausübung erteilt werden. In Satz 5 heißt es, dass ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter „auf Dauer und ohne Weisungen“ bevollmächtigt werden kann. Während Satz 3 also einen Regelfall bestimmt (Selbstausübung der Stimmrechte), regeln die Sätze 4 und 5 Ausnahmen (Bevollmächtigung eines Dritten zur Stimmrechtsausübung). Satz 3 fügt sich damit logisch in einen Regelungskomplex ein, in dem es um die Notwendigkeit (Sätze 1 und 2) und die Zulässigkeit (Sätze 3 bis 5) von Vollmachten zur Stimmrechtsausübung geht. Eine in Satz 3 enthaltene Pflicht zur Stimmrechtsausübung erschiene in diesem Kontext als Fremdkörper. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass § 32 Abs. 1 S. 3 InvG keine Pflicht zur Stimmrechtsausübung für Kapitalanlagegesellschaften beinhaltet. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Norm und aus ihrer systematischen Stellung.

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BT-Drs. 14/8769, S. 29.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

cc) Treuhänderische Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung Winkler hat den Versuch unternommen, für alle institutionellen Anleger eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung aus dem Treuhandverhältnis zwischen dem institutionellen Anleger (als Treuhänder) und seinen Kunden (als Treugeber) herzuleiten.155 Seine Überlegung beruht darauf, dass der schuldrechtliche Teil156 dieses Treuhandverhältnisses eine Pflicht zur umfassenden Vermögensverwaltung beinhalte. Aufgrund der „rein vermögensorientierten Motivation“157 der Anteilsinhaber habe jeder institutionelle Anleger bei der Vermögensverwaltung auf die Mehrung des Vermögens hinzuwirken. Damit kommt Winkler zu der Frage, ob sich die Ausübung der Stimmrechte generell vermögenssteigernd auswirkt. Wenn das der Fall wäre, ergäbe sich aus dem Treuhandverhältnis eine Abstimmungspflicht. Winkler stellt auf die Kursunterschiede zwischen Stammaktien (die das Stimmrecht gewähren, § 12 Abs. 1 S. 1 AktG) und stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§§ 12 Abs. 1 S. 2, 139 ff. AktG) ab, die an den Börsen in aller Regel festzustellen sind.158 Obwohl der Dividendenvorzug einen im Vergleich zu den Stammaktien höheren Kurs vermuten ließe, seien die Vorzugsaktien in Wahrheit häufig weniger wert. Es wird auf eine Studie verwiesen, derzufolge die Kursdifferenz zwischen den Aktiengattungen bei deutschen börsennotierten Unternehmen zwischen 1956 und 1998 durchschnittlich 17,2% betrug.159 In dieser Differenz sieht Winkler den ökonomischen Wert des Stimmrechts. Es werde der Preis der Einflussnahmemöglichkeit ausgedrückt. Daraus folge, dass sich durch die Geltendmachung des Stimmrechts grundsätzlich eine Vermögenssteigerung erzielen lasse. Andernfalls wäre es nicht rational, für Stammaktien mehr zu zahlen als für Vorzugsaktien.160 Weil institutionelle Anleger aufgrund des zu ihren Kunden bestehenden Treuhandverhältnisses zur Vermögensmehrung verpflichtet sind, habe er „das Stimmrecht der Aktien, die mit den Geldern der Anteilseigner erworben wurden, im Grundsatz stets auszuüben“161. 155 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 146 ff. 156 Zur Unterscheidung von schuldrechtlichem und dinglichem Teil des Treuhandverhältnisses s. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 61 III 2, S. 1828. 157 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 150. 158 s. auch Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. (2011), § 13, Rn. 26. 159 Daske/Ehrhardt, in: HU Berlin, Discussion papers of interdisciplinary research project 373, Discussion paper 5, 2002. 160 Vgl. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 152.

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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Diese Herleitung einer Abstimmungspflicht lässt einen wichtigen Aspekt unberücksichtigt: Dass Stimmrechte allgemein einen Wert haben und sich ihre Ausübung grundsätzlich – die Richtigkeit dieser Annahme unterstellt – positiv auf die Wertentwicklung der Aktien ausübt, sagt noch nichts darüber aus, ob sich die Stimmrechtsausübung auch für den einzelnen institutionellen Anleger lohnt. Aus dessen Sicht wird es oft wirtschaftlich sein, sich selbst als Trittbrettfahrer162 zu verhalten und die Einflussnahme auf die Gesellschaft anderen zu überlassen. Ohne Kosten zu tragen profitiert er so von der Kontrolle des Vorstands durch seine Mitaktionäre. Man könnte möglicherweise sogar soweit gehen zu sagen, dass ein institutionelle Anleger im Interesse seiner Kunden geradezu darauf spekulieren muss, in die Situation eines Trittbrettfahrers zu gelangen, weil dies die größte Rendite verspricht. Nicht nachvollziehbar erscheint es außerdem, dass Winkler die Nutzung informeller Kontrollmittel durch institutionelle Anleger gegenüber der Stimmrechtsausübung niemals als vorzugswürdig erachten will.163 Zwar können auf informeller Ebene keine Beschlüsse gefasst werden, wie Winkler zu Recht ausführt, sie können aber vorbereitet und mit anderen Aktionären abgestimmt werden, sodass ihre Annahme auf der Hauptversammlung zu erwarten ist. Die Einflussnahme auf die Beschlussvorlagen der Verwaltung auf informeller Ebene verspricht vermutlich sehr häufig größere Erfolgsaussichten als sich auf Kampfabstimmungen einzulassen. Bei den Gesprächen mit dem Vorstand stärken die Stimmrechte die Verhandlungsposition der institutionellen Anleger. Ausgeübt werden müssen sie aber nicht unbedingt. Vielmehr kann ein institutioneller Anleger auch darauf setzen, dass die Beschlussvorlagen der Verwaltung – an denen er mitgewirkt hat – von den anwesenden Aktionären angenommen werden. Die sehr hohen Zustimmungsquoten von in aller Regel weit mehr als 90% geben dazu allen Anlass. Unbestritten bleibt, dass es Situationen geben kann, in denen die Stimmrechtsausübung durch einen institutionellen Anleger geboten ist. Das ist etwa bei größeren Beteiligungen denkbar oder wenn unter den Aktionären Uneinigkeit darüber herrscht, ob einer Beschlussvorlage der Verwaltung zuzustimmen ist. Der Ansicht, dass aufgrund der Anlegerinteressen die Stimmrechte so gut wie immer164 auszuüben sind, kann aber nicht gefolgt 161

Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 152. 162 Zur Bedeutung des Trittbrettfahrerproblems für das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger s. schon S. 138. 163 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 152. 164 Winkler lässt Ausnahmen nur in engen Grenzen zu, s. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 154 (mit Nennung eines Beispiels).

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

werden. Dieses Ergebnis stellt keinen Wertungswiderspruch zur Auslegung des Treuhandverhältnisses zwischen US-amerikanischen institutionellen Anlegern und ihren Kunden dar, das grundsätzlich eine Abstimmungspflicht beinhaltet. In den USA haben die bestehenden Treuepflichten durch die Regelungen im Code of Federal Regulations eine besondere Ausprägung erfahren. Diese sehen zwar auch die Berücksichtigung der bei der Ausübung entstehenden Kosten vor und setzen diese in ein Verhältnis zu den zu erwartenden Wertsteigerungen. Es wird aber deutlich, dass die Abstimmung grundsätzlich geboten ist und nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, davon abgesehen werden kann. In Deutschland fehlt es hingegen an Bestimmungen, die die Pflichten des Treuhandverhältnisses konkretisieren. dd) Abstimmungspflicht aus der Aktionärsstellung Diskutiert wird schließlich die Frage, ob sich aus der Aktionärsstellung des institutionellen Anlegers eine Abstimmungspflicht ergibt.165 Erwägenswert erscheint dies im Lichte der Treuepflicht von Aktionären, deren Bestehen heute anerkannt ist.166 Diese Treuepflicht kann sich zu einer „positiven Stimmpflicht“ verdichten.167 Damit ist zunächst gemeint, dass die Aktionäre in einigen, eng begrenzten Ausnahmefällen verpflichtet sein können, ihr Stimmrecht in einer bestimmten Weise auszuüben.168 So können etwa Satzungsänderungen zwingend notwendig werden, weil die Gesellschaft ohne die Änderung nicht fortbestehen kann.169 Ein Aktionär würde seine Treuepflicht verletzen, wenn er gegen eine entsprechende Beschlussvorlage stimmte. Die Frage, ob eine positive Stimmpflicht darüber hinaus auch die Pflicht beinhalten kann, überhaupt abzustimmen, wird hingegen kaum behandelt.170 Entscheidend für die Beantwortung ist, wie sich ein Fernbleiben von der Abstimmung für die Gesellschaft auswirkt. Nur wenn sich Nachteile erge165 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 133 ff. 166 Grundlegend BGHZ 103, 184 – Linotype; 129, 136 – Girmes; s. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 20 IV 2, S. 591 f. 167 Überblick bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 21 II 3, S. 616 m. w. N. 168 Nennung denkbarer Anwendungsfälle bei Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 58 m. w. N. 169 Vgl. das Beispiel nach BGHZ 98, 276 bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 21 II 3, S. 616. 170 Bejahend etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. (2010), § 13, Rn. 29 (in Bezug auf die GmbH).

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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ben, könnte eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung geboten sein.171 Denkbar erschiene das dann, wenn das Aktienrecht besondere Anforderungen an die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung stellte, ein Beschluss also nur dann zustande käme, wenn ein bestimmter Anteil der Stimmrechte anwesend wäre. Das Aktienrecht sieht jedoch im Grundsatz die einfache Stimmenmehrheit vor. Für das Zustandekommen eines Beschlusses genügt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1 Halbsatz 1 AktG). Die Beschlussfähigkeit ist daher regelmäßig bereits dann gegeben, wenn eine stimmberechtigte Aktie vertreten ist.172 Lediglich zwei Ausnahmefälle sind denkbar: In § 52 Abs. 5 S. 2 AktG ist für einen Sonderfall einer Nachgründung geregelt, dass neben dem Erfordernis einer Dreiviertel-Mehrheit in Bezug auf das anwesende Grundkapital auch ein Viertel des gesamten Grundkapitals zustimmen muss. Außerdem kann die Satzung bestimmte Anforderungen an die Beschlussfähigkeit stellen. Für Publikumsgesellschaften wird von einer solchen Regelung aber abgeraten.173 Damit wurde gezeigt, dass das Unterlassen der Stimmrechtsausübung praktisch nie Nachteile dahingehend mit sich bringt, dass Beschlüsse nicht gefasst werden könnten. Es besteht somit keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die unter dem Stichwort der „positiven Stimmpflicht“ diskutiert werden. Eine Ausnahme von Gesetzes wegen bildet nur der seltene Fall des § 52 Abs. 5 S. 2 AktG. Im Übrigen besteht die Beschlussfähigkeit bereits dann, wenn das Stimmrecht aus nur einer Aktie ausgeübt wird. Aus der Treuepflicht, die institutionellen Anlegern als Aktionäre zukommt, folgt daher keine Pflicht zur Stimmrechtsausübung. ee) Selbstverpflichtungen der institutionellen Anleger Schließlich kommt eine Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung auch aufgrund von Wohlverhaltensregeln in Betracht, zu deren Einhaltung sich die institutionellen Anleger verpflichtet haben.174 In Deutschland gibt es 171 Dazu umfassend Kunze, Positive Stimmpflichten im Kapitalgesellschaftsrecht, 2003, S. 5 ff. 172 RGZ 34, 110, 116; 82, 386, 388; Kunze, Positive Stimmpflichten im Kapitalgesellschaftsrecht, 2003, S. 7; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 133, Rn. 10; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 133, Rn. 7. 173 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 143. s. etwa Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 133, Rn. 8; Marsch-Barner, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 34, Rn. 131; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 133, Rn. 11 m. w. N. 174 Dazu auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 157 ff.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

mit dem „Regelbuch für Kapitalanlagegesellschaften“, das vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) herausgegeben wird, sowie dem von einer Expertenkommission unter Leitung von Wolfgang Gerke entwickelten und im Jahr 2005 veröffentlichten „Deutschen Corporate Governance-Kodex für Asset-Management-Gesellschaften“ zwei Verhaltenskodizes.175 Im Regelbuch des BVI geht es in Teil I, Punkt I. 6. um die Wahrnehmung der „mit den Vermögensgegenständen der verwalteten Investmentvermögen verbundenen Aktionärs- und Gläubigerrechte“. Diese Rechte soll die Gesellschaft „unabhängig von den Interessen Dritter und ausschließlich im Interesse der Anleger des jeweiligen Investmentvermögens und der Integrität des Marktes“ ausüben. Zwar heißt es „Die Gesellschaft übt [. . .] aus“. Die Bestimmung ist vor allem wegen der Bezugnahme auf das Interesse der Anleger aber parallel zu § 32 Abs. 1 S. 3 InvG auszulegen. Dass der BVI darüber hinaus eine Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung begründen wollte, ist nicht ersichtlich. Auch nach den Wohlverhaltensregeln muss ein institutioneller Anleger daher zunächst prüfen, ob die Stimmrechtsausübung überhaupt im Interesse seiner Kunden liegt. Nur wenn das der Fall ist, muss er die Stimmrechte ausüben – dann aber eben unabhängig von den Interessen Dritter. Weiter geht indes der Deutsche Corporate Governance-Kodex für AssetManagement-Gesellschaften. In Abschnitt III. 1. dieses Regelwerks geht es um die Ausübung der Aktionärs- und Gläubigerrechte. Im vorstehenden Zusammenhang sind die Punkte 1.2 und 1.3 maßgeblich. Nach Punkt 1.2 S. 1 muss eine Asset-Management-Gesellschaft „Maßnahmen zur Sicherstellung der sorgfältigen Ausübung der Aktionärs- bzw. Gläubigerrechte, insbesondere der ihr zustehenden Stimmrechte ergreifen.“ Damit alleine wird allerdings noch keine Abstimmungspflicht begründet. Diese folgt erst aus Punkt 1.3, wo es heißt: „Die Ausübung der Aktionärs- bzw. Gläubigerrechte soll nur dann unterbleiben, wenn für alle von der Gesellschaft verwalteten Vermögen der damit verbundene Aufwand den Nutzen für die Anleger deutlich übersteigt.“ Aus dieser Bestimmung folgt eindeutig, dass Asset-Management-Gesellschaften, die sich dem Kodex unterworfen haben, grundsätzlich zur Ausübung der ihnen zustehenden Stimmrechte verpflichtet sind. Zwar ist grundsätzlich eine Kosten-Nutzen-Betrachtung durchzuführen. Von der Stimmrechtsausübung darf aber nicht schon dann abgesehen werden, wenn die Kosten den Nutzen marginal übersteigen. Vielmehr müssen die Kosten „deutlich“ höher sein als der Nutzen. Diese Formulierung 175 Auf diese beiden Verhaltenskodizes hinweisend auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 230.

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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macht deutlich, dass die Nichtausübung der Stimmrechte die Ausnahme darstellt. Nach Abschnitt IV. 2. des Regelwerks ist ein solches Verhalten zudem rechtfertigungsbedürftig. ff) Ergebnis In Deutschland besteht für institutionelle Anleger keine Abstimmungspflicht. Zudem wurde die Einführung einer solchen Pflicht von Expertenkommissionen auf deutscher und europäischer Ebene abgelehnt. Institutionelle Anleger haben lediglich zu prüfen, ob die Wahrnehmung der Stimmrechte im Interesse ihrer Kunden liegt. Nur bei Bejahung dieser Frage sind die Stimmrechte auszuüben. Die notwendige Analyse lässt einem institutionellen Anleger freilich erheblichen Spielraum. Eine grundsätzliche Pflicht zur Stimmrechtsausübung statuiert allerdings der Deutsche Corporate Governance-Kodex für Asset-Management-Gesellschaften. Wie viele institutionelle Anleger sich diesem Regelwerk unterworfen haben, ist nicht bekannt. Dass es öffentlich kaum wahrgenommen wird, deutet allerdings daraufhin, dass die Anzahl eher gering ist. c) Frankreich Hinzuweisen ist schließlich noch auf die Rechtslage in Frankreich. Auch dort wurde im Jahr 2005 eine grundsätzliche Pflicht zur Stimmabgabe für Investmentfonds eingeführt. Zwar wird eine Stimmenthaltung nicht gänzlich verboten. Ein solches Verhalten bedarf aber einer besonderen Rechtfertigung gegenüber den eigenen Kunden.176 Die Neuregelung führte zu einer vermehrten Inanspruchnahme der Dienste von Stimmrechtsberatern.177 d) Zusammenfassung Es konnte festgestellt werden, dass in den USA für alle institutionellen Anleger eine grundsätzliche Pflicht zur Stimmrechtsausübung besteht. Insbesondere bei Beteiligungen an ausländischen Unternehmen können jedoch 176 Art. L 533-22 Code Monétaire et Financier (früher Art. L 533-4 Code Monétaire et Financier). s. dazu auch Report Working Group AMF, Improving the exercise of shareholder voting rights at general meetings in France, September 2005, S. 9 f.; Dubois, Shareholders’ General Meetings and the Role of Proxy Advisors in France and Japan, 2011, S. 46 f.; Fleischer, AG 2012, 2, 3 m. w. N. 177 Dubois, Shareholders’ General Meetings and the Role of Proxy Advisors in France and Japan, 2011, S. 48; Fleischer, AG 2012, 2, 3.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

die entstehenden Kosten ein Absehen von der Stimmrechtsausübung gebieten. Hinsichtlich ihrer Beteiligungen an deutschen Unternehmen sind die US-amerikanischen institutionellen Anleger, vor allem die Pensionsfonds, somit nur bedingt zur Stimmrechtsausübung verpflichtet. In Deutschland besteht hingegen keine Abstimmungspflicht für institutionelle Anleger. Angesichts der Äußerungen mehrere Expertenkommissionen ist mit der Einführung einer solchen Abstimmungspflicht vorerst auch nicht zu rechnen. Anders ist die Rechtslage in Frankreich. Dort besteht seit 2005 eine grundsätzliche Abstimmungspflicht für Investmentfonds. Eine bestehende Pflicht zur Stimmrechtsausübung kann somit für USamerikanische institutionelle Anleger einen Grund für die Beauftragung von Stimmrechtsberatern darstellen, nicht aber für deutsche. Soweit US-amerikanische institutionelle Anleger aber zur Ausübung ihrer Stimmrechte aus Beteiligungen an deutschen Unternehmen verpflichtet sind, besteht auch insoweit ein Anreiz zur Beauftragung eines Stimmrechtsberaters. Die in den USA bestehende Abstimmungspflicht ist somit auch für den Einfluss von Stimmrechtsberatern in Deutschland von Bedeutung. 6. Bestimmungen über die Offenlegung der Stimmrechtsausübungspolitik und des Abstimmungsverhaltens Neben der bestehenden Abstimmungspflicht werden in den USAVorschriften über die Offenlegung der Stimmrechtsausübungspolitik und des Abstimmungsverhaltens als gewichtiger Grund für die Beauftragung von Stimmrechtsberatern ausgemacht. Der Grund hierfür liegt nahe: Institutionelle Anleger, die über die Ausübung ihrer Stimmrechte Rechenschaft ablegen müssen, sehen sich möglicherweise öffentlicher Kritik ausgesetzt, wenn die Art und Weise der Ausübung nicht in Übereinstimmung mit anerkannten Gründsätzen einer guten Corporate Governance steht oder wenn eine fundierte Begründung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten nicht zu erkennen ist. Zu vermuten ist das etwa dann, wenn die Stimmrechte zwar ausgeübt werden, die Ausübung aber stets im Sinne der Verwaltungsvorschläge erfolgt und der Aktionär sich dabei auf die Begründung beruft, die die Verwaltung für ihre Vorschläge gegeben hat. Mit der Beauftragung eines renommierten Stimmrechtsberaters kann auf dessen allgemein anerkanntes System einer Corporate Governance-Bewertung und darauf verwiesen werden, dass nur unter Inanspruchnahme der Dienste eines Stimmrechtsberaters das Zusammenwirken mit anderen Aktionären möglich ist. Fondsmanager müssen somit, wenn nicht die Qualität der Arbeit des Stimmrechtsberaters in Zweifel gezogen wird, keine Kritik am Umgang mit den von ihnen ausgeübten Stimmrechten fürchten: „Following ISS constitutes a form of insurance

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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against regulatory criticism“178.179 Das gilt insbesondere hinsichtlich der oben genannten Interessenkonflikte, aufgrund derer institutionelle Anleger grundsätzlich eher geneigt sind, den Vorschlägen der Verwaltung zuzustimmen. Wenn aber aus der offengelegten Stimmrechtsausübungspolitik hervorgeht, dass lediglich den Vorschlägen eines Stimmrechtsberaters gefolgt wurde, dann trägt primär dieser die Verantwortung für das bei der Verwaltung unpopuläre Abstimmungsverhalten und nicht der institutionelle Anleger selbst. Eine rechtsvergleichende Betrachtung zeigt, ob und, wenn ja, welche Offenlegungspflichten in einzelnen Staaten bestehen. a) USA aa) Investmentgesellschaften Für Investmentgesellschaften bestehen in den USA bereits seit dem Jahr 2003 Offenlegungspflichten. Nach von der SEC erlassenen Regelungen180 müssen Investmentgesellschaften zum einen allgemeine Richtlinien zur Stimmrechtsausübung („policies and procedures“) entwickeln und offenlegen. Aus den Richtlinien muss hervorgehen, welche Kriterien für die Stimmrechtsausübung grundsätzlich maßgeblich sind.181 Zum anderen müssen Investmentgesellschaften ihren Anlegern jährlich Auskunft darüber geben, wie die Stimmrechte in konkreten Einzelfällen ausgeübt wurden.182 Mit diesen Regelungen sollten Fondsmanager zu einem stärkeren Engagement in Corporate Governance-Fragen angeregt werden.183 Die Offenlegungspflichten werden heute aber zu Recht als eine wesentliche Ursache 178

Strine, 30 Del. J. Corp. L. 673, 688 (2005). s. auch Rose, 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 64 (2011); Fleischer, AG 2012, 2, 3. 180 Vgl. SEC Release Nos. 33-8188, 34-47304, IC-25922; File No. S7-36-02. Zur Einführung dieser Bestimmungen s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 170 ff. 181 Die betreffende Regelung findet sich nicht im C.F.R. selbst. In 17 C.F.R § 239.15a sowie in 17 C.F.R. § 274.11a wird aber auf die SEC-Bestimmungen in „Form N-1A“ Bezug genommen, aus dessen Item 13, paragraph (f) sich die Pflicht zur Erstellung von „policies and procedures“ ergibt. Form N-1A, Item 13, paragraph (f) ist Bestandteil der genannten SEC Releases (o. Fn. 180). 182 Nach 17 C.F.R. § 270.30b1-4 sowie nach 17 C.F.R. § 274.129 hat die Auskunfterteilung unter Verwendung des Formulars „Form N-PX“ zu erfolgen, das detaillierte Anforderungen stellt. Form N-PX ist Bestandteil der genannten SEC Releases (o. Fn. 180). 183 In der Begründung heißt es: „Finally, requiring greater transparency of proxy voting by funds may encourage funds to become more engaged in corporate governance of issuers held in their portfolios, which may benefit all investors and not just fund shareholders.“ 179

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für die steigende Nachfrage nach den Diensten von Stimmrechtsberatern angesehen.184 Besonders treffend bringt dies Stout zum Ausdruck: „The actual result [of the SEC’s 2003 Rule] has been to drive the fund industry even deeper into the arms of ISS.“185 bb) Private und öffentliche Pensionsfonds Für Pensionsfonds, die neben den Investmentgesellschaften die zweite wichtige Gruppe institutioneller Anleger darstellen, gelten die von der SEC proklamierten Pflichten zur Offenlegung der Abstimmungspolitik indes nicht. Private Pensionsfonds unterfallen jedoch, wie bereits erwähnt, dem ERISA, der unter anderem Bestimmungen über bei der Vermögensverwaltung bestehende Treuepflichten (fiduciary duties) trifft.186 In den Bestimmungen, die das US-amerikanische Arbeitsministerium (U.S. Department of Labor, DOL) zur Auslegung des ERISA erlassen hat, geht es nicht nur um die vielfach thematisierte und in dieser Arbeit bereits behandelte Statuierung einer Abstimmungspflicht für private Pensionsfonds, sondern auch um das Stimmverhalten betreffende Offenlegungsfragen.187 Private Pensionsfonds sind danach verpflichtet, ein Anlagekonzept („Statement of Investment Policy“) zu erstellen. Als wichtigen Teil eines solchen Konzepts sieht das DOL Angaben zur Abstimmungspolitik an.188 Somit sind private Pensionsfonds zur Erstellung von Richtlinien hinsichtlich der Stimmrechtsausübung und zu deren Offenlegung verpflichtet. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob auch das Abstimmungsverhalten im Einzelfall offenzulegen ist. Eine eindeutige Regelung gibt es diesbezüglich nicht. Das DOL grenzt jedoch Richtlinien über die Abstimmungspolitik und die konkrete Ausübung einzelner Stimmrechte explizit voneinander ab.189 Damit impliziert es, dass private Pensionsfonds über die Ausübung einzelner Stimmrechte keine Auskunft geben müssen. 184 So U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 7; Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 392 f. (2009); Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 653 (2009); Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 57. 185 Zitiert nach Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 393 (2009). 186 Dazu schon S. 155 ff. 187 s. auch Palmiter, 23 Cardozo L. Rev. 1419, 1443 (2002); Schmolke, EBOR 7 (2006), 767, 778 f. 188 29 C.F.R. § 2509.08-2, Section 2: „[. . .] a statement of proxy voting would be an important part of any comprehensive statement of investment policy.“ 189 29 C.F.R. § 2509.08-2, Section 2: „A statement of investment policy is distinguished from directions as to the purchase or sale of a specific investment at a specific time or as to voting specific plan proxies.“

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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Für öffentliche Pensionsfonds gelten – worauf bereits hingewiesen wurde – der ERISA und die auf dessen Grundlage erlassenen Regelungen zwar nicht. Aus dem einzelstaatlichen Recht soll sich aber häufig eine Pflicht zur Offenlegung des Stimmverhaltens gegenüber den Anlegern ergeben.190 Zudem wäre es konsequent, wenn die Auslegung der die öffentlichen Pensionsfonds (und alle anderen institutionellen Anleger) treffenden Treuepflichten analog zur Auslegung der Treuepflichten privater Pensionsfonds nach dem ERISA erfolgte.191 Dann wären alle öffentlichen Pensionsfonds – neben zusätzlich geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen über die Offenlegung des konkreten Abstimmungsverhaltens – jedenfalls zur Erstellung von Abstimmungsrichtlinien verpflichtet. In der Praxis verfügen große öffentliche Pensionsfonds wie CalPERS und TIAA-CREF tatsächlich über Abstimmungsrichtlinien, die auf den Internetseiten der Fonds für jedermann abrufbar sind. cc) Investmentberater Hinzuweisen ist schließlich auf die Pflichten von Investmentberatern, die die SEC ebenfalls im Jahr 2003 und damit fast zur gleichen Zeit wie Investmentgesellschaften einer strengeren Regulierung unterworfen hat.192 Investmentberater werden von zahlreichen institutionellen Anlegern, etwa von Investmentgesellschaften und Pensionsfonds, engagiert und dabei häufig auch mit der Ausübung der Stimmrechte beauftragt.193 Die Bestimmungen der SEC sind daher im vorstehenden Zusammenhang von Bedeutung. Inhaltlich bestehen große Ähnlichkeiten zu den Regelungen für Investmentgesellschaften. So wurden auch die Investmentberater zur Einführung von Abstimmungsrichtlinien („policies and procedures“) verpflichtet, an denen sie sich bei der Ausübung der ihnen anvertrauten Stimmrechte orientieren müssen.194 Außerdem müssen sie gegenüber ihren Kunden offenlegen, wie diese sich über die Ausübung einzelner Stimmrechte informieren können.195 Daneben muss ein Investmentberater seinen Kunden auf Nachfrage die Abstimmungspolitik erläutern.196 Die mit der Stimmrechtsausübung in 190

Vgl. Palmiter, 23 Cardozo L. Rev. 1419, 1443 (2002), der auf die California Corporations Code, § 711 verweist. 191 s. dazu im Zusammenhang mit der Abstimmungspflicht bereits S. 158 f. 192 SEC Release No. IA-2106; File No. S7-38-02. 193 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 179. 194 17 C.F.R. § 275.206(4)-6(a). 195 17 C.F.R. § 275.206(4)-6(b). 196 17 C.F.R. § 275-206(4)-6(c).

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Zusammenhang stehenden Unterlagen und Berichte (z. B. Abstimmungsrichtlinien und die Dokumentationen über die Ausübung einzelner Stimmrechte) sind von dem Investmentberater aufzubewahren.197 dd) Ergebnis Pflichten zur Offenlegung der Stimmrechtspolitik sind in den USA für verschiedene Gruppen institutioneller Anleger unterschiedlich ausgestaltet. Den strengsten Anforderungen unterliegen Investmentgesellschaften und Investmentberater, die sowohl Abstimmungsrichtlinien entwickeln und offenlegen müssen als auch hinsichtlich der Ausübung einzelner Stimmrechte auskunftspflichtig sind. Pensionsfonds sind hingegen nur zur Entwicklung und Offenlegung von Abstimmungsrichtlinien verpflichtet. Wie einzelne Stimmrechte ausgeübt wurden, müssen sie nicht mitteilen. Die bestehenden Offenlegungspflichten geben somit vor allem Investmentgesellschaften und Investmentberatern einen Anreiz zur Beauftragung eines Stimmrechtsberaters. Zu beachten ist dabei, dass Investmentberater von vielen institutionellen Anlegern, etwa von Pensionsfonds, engagiert werden. Die für diese Berufsgruppe geltenden Offenlegungspflichten haben somit Auswirkungen auf die Verwaltung der Stimmrechte vieler institutioneller Anleger. b) Vereinigtes Königreich In einigen europäischen Staaten bestehen ähnliche Regelungen wie in den USA. Eine prominente Rolle nimmt der UK Stewardship Code ein, der umfassende Wohlverhaltensregeln für institutionelle Anleger aufstellt.198 Das Regelwerk wurde im Juli 2010 von einem speziellen Regulierungsgremium, dem auch für den UK Corporate Governance Code verantwortlichen Financial Reporting Council (FRC), verabschiedet.199 Im September 2012 wurde eine leicht überarbeitete Neufassung vorgelegt. Der UK Stewardship Code ist vor allem als Reaktion auf die verbreitete Passivität institutioneller Anleger zu verstehen. Vor nicht allzu langer Zeit entzündete sich daran auch im Vereinigten Königreich erhebliche Kritik.200 So sprach Lord Myners, damals Staatssekretär im Finanzministerium, von abwesenden Gutsbesitzern („absentee landlords“) und einer eigentümerlosen Gesellschaft 197

17 C.F.R. § 275.204-2. s. dazu auch Fleischer, ZGR 2011, 155, 162 ff.; Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221; U. H. Schneider, ZGR 2012, 518, 528 f.; Wilsing, ZGR 2012, 291, 293 f.; Winner, ZGR 2012, 246. 199 s. Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 222. 200 Dazu auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 222. 198

III. Gründe für die Mandatierung von Stimmrechtsberatern

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(„ownerless corporation“).201 Im Walker-Bericht war schließlich von einer „duty of stewardship“ für institutionelle Anleger die Rede, also einer Pflicht zur stärkeren Mitwirkung in den Unternehmen, an denen Beteiligungen gehalten werden. Diese „Stewardship-Verantwortung“202 wurde mit den erheblichen Eigentümerrechten der institutionellen Anleger sowie mit dem Vorteil der beschränkten Haftung begründet.203 Der UK Stewardship Code enthält sieben Regeln (principles), die jeweils in einem Satz zum Ausdruck gebracht und sodann in mehreren Stichpunkten weiter ausgeführt werden.204 Mehrere dieser Regeln sind im vorliegenden Zusammenhang relevant. So heißt es in Regel 1, dass institutionelle Anleger offenlegen sollen, wie sie ihrer Aktionärsverantwortung gerecht werden. Nach Regel 2 sind Methoden zur Bewältigung bestehender Interessenkonflikte zu entwickeln und offenzulegen. Regel 3 sieht vor, dass ein institutioneller Anleger eine Gesellschaft, an der er beteiligt ist, aktiv überwacht. Gemäß Regel 4 müssen institutionelle Anleger klare Richtlinien entwickeln, aus denen hervorgeht, wann und wie sie ihre Bemühungen, sich stärker in die Unternehmen einzubringen, intensivieren wollen. Regel 5 formuliert die Erwartungshaltung, dass institutionelle Anleger zu einem Zusammenwirken mit anderen Aktionären bereit sein müssen, soweit ein solches Vorgehen geeignet erscheint. Mit Ausnahme von Regel 2 deuten alle bislang genannten Bestimmungen des UK Stewardship Code daraufhin, dass institutionelle Anleger auch zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den ihnen zustehenden Stimmrechten angehalten werden sollen. Explizit zum Ausdruck bringen diesen Aspekt aber schließlich die Regeln 6 und 7. Danach sollen institutionelle Anleger über eine klare Stimmrechtsausübungspolitik verfügen und ihr Abstimmungsverhalten offenlegen (Regel 6). Mit Blick auf die Bedeutung des Regelwerks für Stimmrechtsberater ist eine erst in der überarbeiteten Fassung des UK Stewardship Code (September 2012) enthaltene Klarstellung der Regel 6 bedeutsam: Institutionelle Anleger sollen auch offenlegen, ob sie sich von einem Stimmrechtsberater haben beraten lassen und wie sie dessen Dienste nutzen. Außerdem ist vorgesehen, dass den Kunden regelmäßig Bericht über die Verantwortungsübernahme und das Abstimmungsverhalten erstattet wird (Regel 7). 201

Myners, Speech at the Association of Investment Companies, 21 April 2009, abrufbar unter http://www.hm-treasury.gov.uk/speech_fsst_210409.htm (Stand: 23. 04. 2012); ders., Speech at the IMA Annual Dinner, 12 March 2009, abrufbar unter http://www.hm-treasury.gov.uk/speech_fsst_190509.htm (Stand: 23. 04. 2012). 202 Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 222. 203 Walker Review, A Review of Corporate Governance in UK Banks and Other Financial Industry Entities, 26 November 2009, Rn. 5.7. 204 Zum Inhalt des UK Stewardship Code s. auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 222.

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Der UK Stewardship Code findet, ähnlich wie der Deutsche Corporate Governance Kodex, nach dem „comply or explain“-Verfahren Anwendung.205 Institutionelle Anleger müssen die aufgestellten Wohlverhaltensregeln also entweder befolgen oder aber Auskunft darüber geben, in welchen Fällen und warum sie von den Vorgaben abgewichen sind. Ob der UK Stewardship Code maßgebliche Auswirkungen auf das Verhalten institutioneller Anleger entfalten wird, ist gegenwärtig noch nicht absehbar.206 Zwar haben inzwischen bereits zahlreiche institutionelle Anleger erklärt, dass sie die Vorgaben befolgen würden.207 Nachvollziehbare Bedenken bestehen aber insbesondere aufgrund des Umstands, dass der UK Stewardship Code selbst keine objektiven Standards setzt, sondern vielmehr den institutionellen Anlegern die Pflicht auferlegt, sich eigene Standards zu geben.208 Die Abgabe einer Entsprechenserklärung falle daher möglicherweise nicht allzu schwer. Ein Indiz für die Bedeutung des UK Stewardship Code in Bezug auf das zukünftige Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger liefern rechtsvergleichende Erfahrungen mit den Bestimmungen der SEC, die inhaltlich vergleichbar sind. Sie setzen ebenfalls keinen objektiven Standard, sondern fordern die institutionellen Anleger zur Entwicklung eigener Abstimmungsrichtlinien auf. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwar darin, dass die Bestimmungen der SEC nicht auf einem „comply or explain“-Verfahren fußen, sondern ausnahmslos anzuwenden sind. Dieser Unterschied wirkt sich aber jedenfalls bei den (zahlreichen) institutionellen Anleger, die sich bereit erklärt haben, den UK Stewardship Code zu befolgen, nicht aus. In den USA haben die durch die SEC im Jahr 2003 begründeten Pflichten durchaus zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit den Aktionärsrechten geführt. Allerdings bedienten sich die institutionellen Anleger in erheblich größerem Umfang als früher der Unterstützung durch Stimmrechtsberater, um den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Es würde nicht überraschen, wenn im Vereinigten Königreich eine ähnliche Entwicklung einsetzte. c) Rechtslage in weiteren europäischen Staaten Das Vereinigte Königreich ist nicht der einzige europäische Staat, in dem Regelungen über die Offenlegung der Stimmrechtspolitik und des Abstimmungsverhaltens bestehen.209 In Frankreich finden sich vergleichbare Vor205

UK Stewardship Code, S. 1. So Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 223 m. w. N. 207 Die Namen der einzelnen Unterstützer finden sich unter http://www.frc.org. uk/corporate/stewardshipstatements.cfm (Stand: 23. 04. 2012). 208 McNeil, 5 Capital Markets L. J. 419, 436 (2010); dazu auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 223. 206

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schriften sogar auf Gesetzesebene. Nach Art. L. 533-22 Code monétaire et financier müssen institutionelle Anleger entsprechend der Bestimmungen der französischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (l’Autorité des marchés financiers, AMF) Rechenschaft über ihre Abstimmungspolitik ablegen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Stimmrechte überhaupt nicht ausgeübt werden.210 In den konkretisierenden Bestimmungen der AMF, dem Règlement général de l’Autorité des marchés financiers, wird festgelegt, welchen Inhalt die Richtlinien zur Stimmrechtsausübung (bezeichnet als politique de vote) haben müssen (Art. 314-100) sowie dass und in welcher Weise eine jährliche Rechenschaftsablegung über die Einhaltung der politique de vote erfolgen muss (Art. 314-101). Außerdem sind die institutionellen Anleger auf Nachfrage der AMF verpflichtet, dieser für jeden Einzelfall mitzuteilen, wie die Stimmrechte ausgeübt wurden und welche Gründe dem Abstimmungsverhalten jeweils zugrunde lagen (Art. 314-102). Daneben gibt es in den Niederlanden, Schweden und Polen „Best Practice“-Regeln für institutionelle Anleger, die – mit Unterschieden in den Details – die Offenlegung der Abstimmungspolitik und die Offenlegung des konkreten Abstimmungsverhaltens vorsehen.211 In Portugal finden sich ähnliche Vorschriften in den Bestimmungen der dortigen Finanzmarktaufsichtsbehörde (Comissa˜o do Mercado de Valores Mobiliários, CMVM). Danach müssen institutionelle Anleger, die mehr als 2% an der betreffenden Gesellschaft halten, unmittelbar nach der Abstimmung mitteilen, wie die Stimmrechte ausgeübt wurden. In einem jährlichen Bericht ist zudem, wenn die Beteiligung an der betreffenden Gesellschaft mehr als 1% der Stimmrechte ausmacht, auf jede Abweichung von der allgemeinen Abstimmungspolitik hinzuweisen und eine Begründung für das Stimmverhalten zu geben.212 In der Schweiz wird die Einführung einer Offenlegungspflicht gegenwärtig diskutiert.213 Inzwischen scheint neben den Forderungen einer Volksinitiative auch ein Vorschlag des Parlaments vorzuliegen, der die Einführung einer entsprechenden Pflicht für institutionelle Anleger vorsieht.214 209 Den Ausführungen liegt der Überblick bei Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 229 zugrunde. 210 Art. L. 533-22 Code monétaire et financier: „[. . .] [Les sociétés des gestion de portefeuille] rendent compte de leur pratiques en matière d’exercis des droits de vote dans des conditions fixées par le règlement général de l’Autorité des marchés financiers. En particulier, lorsqu’elles n’exercent pas ces droits de vote, elles expliquent leur motifs aux porteurs de parts ou actionnaires des organismes de placement collectif en valeurs mobilières.“ 211 Überblick bei Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 229. 212 CMVM Regulation no. 15/2003 Collective Investment Undertakings, Article 81. 213 Vgl. Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 229 m. w. N. 214 Vgl. Ethos Quarterly 4/2010, S. 5.

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d) Diskussionsstand auf Unionsebene Auf Ebene der Europäischen Union gibt es bislang keine Pflicht zur Offenlegung des Stimmverhaltens für institutionelle Anleger, ihre Einführung ist aber auch hier Gegenstand der aktuellen Diskussion.215 Die High Level Group hatte bereits im Jahr 2002 einen dahingehenden Vorschlag unterbreitet: „Regelungen der Mitgliedstaaten für die relevanten Arten institutioneller Anleger sollten diese unter anderem dazu verpflichten, ihre Investitionspolitik und ihre Politik in Bezug auf die Ausübung der Stimmrechte in Unternehmen, in die sie investieren, offenzulegen und ihre Begünstigten auf Wunsch darüber zu informieren, wie die Rechte in einem bestimmten Fall eingesetzt wurden.“216 Die Europäische Kommission hatte diesen Vorschlag zwar in ihren Aktionsplan aus dem Jahr 2003 als mittelfristige Maßnahme, deren Umsetzung für die Jahre 2006 bis 2008 geplant war, aufgenommen217, sodann aber nicht weiterverfolgt. Inzwischen hat die Diskussion wieder etwas an Fahrt aufgenommen. So finden sich im Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“ aus dem Jahr 2010 Fragen danach, ob „die Offenlegung der Abstimmungsstrategie und des Abstimmungsverhaltens verbindlich vorgeschrieben“ und ob institutionelle Anleger auf nationale oder internationale Verhaltenskodizes verpflichtet werden sollten.218 Die Kodizes können, wie die oben genannten Beispiele zeigen, ebenfalls Bestimmungen über die Offenlegung der Abstimmungspolitik enthalten. Die Resonanz war hinsichtlich beider Vorschläge überwiegend positiv.219 e) Rechtslage in Deutschland In Deutschland besteht gegenwärtig keine gesetzlich verankerte Pflicht zur Offenlegung der Abstimmungspolitik und des tatsächlichen Stimmver215 Zum Ganzen auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 229 f.; jüngst auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 90 f. 216 Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 11 (Empfehlung III.7), s. auch S. 59 f. 217 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM(2003) 284 endgültig, S. 15 f., 29. 218 Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, KOM(2010) 284 endgültig, S. 18. 219 European Commission, Feedback Statement, Summary of Responses to Commission Green Paper on Corporate Governance in Financial Institutions, November 2010, S. 16 f.; skeptisch indessen Bachmann, AG 2012, 565, 576.

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haltens.220 Diesbezügliche Bestimmungen finden sich aber im bereits angesprochenen Regelbuch für Kapitalanlagegesellschaften des BVI. In Teil I, Punkt I. 6. a. E. heißt es: „Die Gesellschaft informiert die Anleger in geeigneter Weise über die Grundsätze ihrer Abstimmungspolitik.“ Der BVI statuiert damit eine Pflicht zur Erstellung und zur Offenlegung von Abstimmungsrichtlinien. Auskunft über die Ausübung der Stimmrechte im Einzelfall sollen die Kapitalanlagegesellschaften aber nicht erteilen müssen. Eine vergleichbare Regelung enthält der Deutsche Corporate Governance-Kodex für Asset-Management-Gesellschaften in Abschnitt III. 1. unter 1.2, wonach „Maßnahmen zur Sicherstellung der sorgfältigen Ausübung der Aktionärsbzw. Gläubigerrechte“ zu treffen sind. Dafür müssten „standardisierte Prozesse entwickelt, schriftlich fixiert und implementiert werden.“ Diese Wohlverhaltensregeln sind aber zum einen nicht zwingend und enthalten zum anderen auch keine Pflicht zur konkreten Auskunftserteilung hinsichtlich der Ausübung einzelner Stimmrechte. Dass in Deutschland (bislang) von der Einführung entsprechender Vorschriften abgesehen wurde, hängt möglicherweise auch mit den zurückhaltenden Äußerungen namhafter deutscher Gesellschaftsrechtler zusammen, die sich als Group of German Experts on Corporate Law an dem von der High Level Group initiierten Konsultationsprozess beteiligt hatten. In einer ersten Stellungnahme findet sich nur die knappe Aussage, dass das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger nicht offenlegungspflichtig sein sollte.221 Nachdem die High Level Group ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte, in dem sie – wie bereits dargestellt – zur gegenteiligen Auffassung gelangte, äußerte sich die deutsche Expertengruppe in einer zweiten Stellungnahme etwas ausführlicher. Das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger solle nicht generell offenlegungspflichtig sein. Es sei aber zu überlegen, ob man für klar definierte institutionelle Anleger, insbesondere Investmentfonds, nicht vorschreiben könne, dass diese ihr konkretes Stimmverhalten auf Anforderung gegenüber ihren Investoren offenlegen müssen. Fraglich sei allerdings, ob insoweit ein ausreichendes Bedürfnis für eine europaweite Regelung bestehe.222 Ausgehend von der Entwicklung in anderen europäischen Staaten und der neu belebten Diskussion auf Ebene der Europäischen Union wurde 220 A. A. Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 162, der die Berichtspflicht aus § 44 Abs. 1 S. 2 InvG auch auf „die Ausübung der Stimmrechte“ erstrecken will. 221 Bayer/Fleischer/Hoffmann-Becking, Stellungnahme zum Konsultationsdokument der High Level Group, ZIP 2002, 1310, 1316. 222 Bayer/Fleischer/Hoffmann-Becking, Stellungnahme zum Report of the High Level Group, ZIP 2003, 863, 868.

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§ 6 Warum beauftragen institutionelle Anleger Stimmrechtsberater?

jüngst auch in Deutschland die Forderung nach der Einführung einer Offenlegungspflicht für institutionelle Anleger hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens erhoben. Dabei wurde offen gelassen, ob sich eine solche Pflicht nur auf die Offenlegung der Abstimmungspolitik oder auch auf das konkrete Stimmverhalten beziehen sollte.223 f) Ergebnis Wenn institutionelle Anleger zur Offenlegung ihrer Abstimmungspolitik oder ihres konkreten Stimmverhaltens verpflichtet werden, so befördert dies die Nachfrage nach den Diensten von Stimmrechtsberatern. Als Beleg hierfür dienen die Erfahrungen in den USA, wo umfassende Offenlegungspflichten für Investmentgesellschaften und Investmentberater bestehen. Es konnte festgestellt werden, dass die Einführung ähnlicher Pflichten bereits in mehreren europäischen Staaten – allerdings auf sehr unterschiedliche Weise – erfolgt ist. Sowohl auf Ebene der Europäischen Union als auch in Deutschland wird über die Einführung einer Offenlegungspflicht jüngst wieder diskutiert. Wenn entsprechende Vorschriften geschaffen werden, ist zu erwarten, dass die Dienste von Stimmrechtsberatern auch in Europa bzw. in Deutschland verstärkt nachgefragt werden.

IV. Zusammenfassende Betrachtung Eine zusammenfassende Betrachtung der Gründe für die Beauftragung von Stimmrechtsberatern zeigt, dass Stimmrechtsberater an die rationale Apathie institutioneller Anleger anknüpfen und diese Apathie zu überwinden helfen. Aus Sicht der institutionellen Anleger wird die Stimmrechtsausübung unter Zuhilfenahme von Abstimmungsempfehlungen plötzlich attraktiv. Besonders deutlich tritt diese Beobachtung hinsichtlich des Kollektivhandlungsproblems zu Tage, das dem Aktivismus institutioneller Anleger bislang Grenzen gesetzt hat. Nunmehr können die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters mit großem Marktanteil zu seiner Überwindung beitragen. Die Art und Weise des Zusammenwirkens fällt dabei regelmäßig nicht unter das „Acting in Concert“ und löst folglich auch nicht dessen unerwünschte Rechtsfolgen aus. Auch hierin lag bislang ein Grund für die Apathie institutioneller Anleger. Stimmrechtsberater verfügen außerdem über die Expertise, die den institutionellen Anlegern fehlt. Zwar könnten institutionelle Anleger die Expertise durch die Einstellung einer ausreichenden Anzahl entsprechend qualifizierter Mitarbeiter selbst erlangen. Die 223

Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 230 ff.

IV. Zusammenfassende Betrachtung

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Stimmrechtsberater sind aufgrund zunehmender Skalenerträge aber in der Lage, die gewünschte Beratung günstiger anzubieten als eine eigene Abteilung (Kosten) und versprechen dabei zudem größere Erfolgsaussichten (Nutzen) als eine selbstständige Strategie. Damit verbunden ist zumindest eine Abschwächung des Trittbrettfahrerproblems, da die Kosten für die Beauftragung eines Stimmrechtsberaters für alle institutionellen Anleger gleich sind. Die Dienste der Stimmrechtsberater ergänzen auf diese Weise das proxy voting („formeller“ Teil der Stimmrechtsausübung) in inhaltlicher („materieller“) Hinsicht. Neben diesen ökonomischen Beweggründen spielen rechtliche Zwänge bei der Beauftragung eines Stimmrechtsberaters eine Rolle. So sind in den USA – nicht aber in Deutschland – alle institutionellen Anleger zu einer Stimmabgabe verpflichtet, die im Interesse der wirtschaftlichen Eigentümer erfolgen muss. Hierdurch entsteht Beratungsbedarf. Von Bedeutung sind daneben bestehende Offenlegungspflichten hinsichtlich der Abstimmungspolitik und hinsichtlich des tatsächlichen Stimmverhaltens. Offenlegungspflichten befördern die Nachfrage nach den Diensten der Stimmrechtsberater, weil ein institutioneller Anleger auf dessen Empfehlungen verweisen kann und – wenn nicht die Qualität der Arbeit des Stimmrechtsberaters in Zweifel steht – sich nicht weiter für sein Abstimmungsverhalten rechtfertigen muss. Insbesondere wird eine opponierende Stimmabgabe primär dem Stimmrechtsberater zugerechnet, was die Bereitschaft zu einem solchen Abstimmungsverhalten auch bei bestehenden Interessenkonflikten auf Seiten des institutionellen Anlegers steigert. Offenlegungspflichten bestehen ebenfalls nur in den USA, auf Ebene der Europäischen Union und in Deutschland wird aber über ihre Einführung diskutiert.

§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance Ob eine spezifische Regulierung der Stimmrechtsberater geboten ist, hängt maßgeblich davon ab, wie deren Einflussnahme auf Hauptversammlungsbeschlüsse zu bewerten ist. Dafür muss man sich zunächst – auch unter Berücksichtigung der Richtlinien der Stimmrechtsberater – vergegenwärtigen, zu welchen Verbesserungen in der Corporate Governance Stimmrechtsberater potentiell beitragen können (unter I.). Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt maßgeblich von den Anreizen der Stimmrechtsberater ab (unter II.). Schließlich sollen die theoretischen Überlegungen mit den bislang existierenden empirischen Erkenntnissen abgeglichen werden (unter III.).

I. Potentielle positive Auswirkungen auf die Corporate Governance In der beginnenden Diskussion über die Bedeutung von Stimmrechtsberatern für Aktiengesellschaften werden viele – weitgehend auch berechtigte – Bedenken gegen deren Arbeit vorgebracht. Diese waren nicht zuletzt Anlass auch für die vorliegende Arbeit. Gleichwohl würden institutionelle Anleger – auch rational apathische – Stimmrechtsberater nicht mandatieren, wenn sie sich hiervon keinen Nutzen versprechen würden. 1. Aktionärsaktivismus: Beitrag zur Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts Auf einen wesentlichen Aspekt wurde bereits hingewiesen1: Stimmrechtsberater helfen bei der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems und schaffen dadurch die Möglichkeit zu Aktionärsaktivismus (shareholder activism).2 Der Nutzen eines Stimmrechtsberaters ist in dieser Hinsicht umso 1

Oben S. 149 ff. s. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 9: „ESMA considers that proxy advisors can play a constructive role in facilitating the monitoring of corporate proposals [. . .]. This can translate into greater shareholder involvement with corporate decision making [. . .]“. 2

I. Potentielle positive Auswirkungen auf die Corporate Governance

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höher, je größer die Anzahl der Aktionäre ist, die seine Abstimmungsempfehlungen beziehen. Aktionärsaktivismus ist aus rechtsökonomischen Gründen zu begrüßen3: Charakteristisches Merkmal der Kapitalgesellschaft ist die Trennung von Eigentum und Kontrolle.4 Die Aktionäre als Eigentümer haben Manager engagiert, um die Gesellschaft zu leiten. Schon Adam Smith5 hat auf das Konfliktpotential dieses Verhältnisses hingewiesen, bevor es später von Berle/ Means6 sowie insbesondere von Jensen/Meckling7 umfassend untersucht wurde. Jensen/Meckling haben das Verhältnis von Eigentümern und Managern in der Kapitalgesellschaft als sogenannten Prinzipal-Agenten-Konflikt beschrieben.8 Dieser Konflikt besteht darin, dass die Aktionäre als Prinzipale die Kontrolle über ihr Eigentum (die Gesellschaft) an Manager als Agenten abgegeben haben.9 Dem Agenten ist opportunistisches Verhalten zu unterstellen, was dazu führt, dass er nicht immer die für den Prinzipal optimale Entscheidung treffen wird.10 Manager könnten etwa dazu neigen, unproduktive Wirtschaftsimperien aufzubauen oder ein zu geringes Anstren3 Grundlegend Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395 (1983). s. auch Winter/ Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 50: Aktionärsaktivismus sei ein Merkmal guter Corporate Governance; s. ferner Bebchuk, 119 Harv. L. Rev. 1784 (2006), der in seinem Aufsatz mit dem Titel „Letting Shareholders set the Rules“ für eine Ausweitung der Aktionärsrechte plädiert, weil es dadurch zu Verbesserungen in der Corporate Governance von Aktiengesellschaften komme. 4 Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 1, 12 ff.: Als zwei Merkmale der Kapitalgesellschaft werden dort das „Delegated management with a board structure“ und die „Investor ownership“ beschrieben. 5 Smith, The Wealth of Nations, 1776 (Reprint 2003), S. 941: „The directors of such [joint stock] companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt to consider attention to small matters as not for their masters’s honour, and very easily give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“ 6 Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932. 7 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976). 8 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976). 9 Vgl. Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 174; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 131 f. Speziell vor dem Hintergrund der Kontrollfunktion institutioneller Anleger auch Spillmann, Institutionelle Investoren im Recht der (echten) Publikumsgesellschaften, 2004, S. 201 ff. Zu geschlossenen Gesellschaften s. Weller, ZGR 2012, 386, 390 ff. 10 s. dazu noch unten S. 208 f.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

gungsniveau zu wählen.11 Die Vertretung der Aktionäre durch die Manager verursacht demnach Kosten, die sogenannten Vertretungskosten (agency costs).12 Eine Möglichkeit zur Reduzierung der Vertretungskosten ist eine umfassende Kontrolle des Managements durch die Aktionäre. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Aktionäre als Kollektiv handlungsfähig sind. Das war bislang aus den dargelegten Gründen nicht der Fall, weshalb das Management die rationale Apathie der Aktionäre vergleichsweise umfassend zu seinen eigenen Gunsten ausnutzen konnte.13 Gerade aufgrund des heute häufiger als noch vor einigen Jahren anzutreffenden Streubesitzes dürfte sich der Prinzipal-Agenten-Konflikt noch verschärft haben.14 Unmut über Einzelentscheidungen bringen die meisten institutionellen Anleger über den Verkauf ihrer Anteile zum Ausdruck, sodass sich das Management einem unmittelbaren Rechtfertigungsdruck regelmäßig nicht ausgesetzt sieht. Diszplinierende Wirkung auf das Management entfalten zwar Haftungsnormen wie § 93 Abs. 2 AktG15 und insbesondere auch der Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control)16: Bei infolge der zunehmenden Abwanderung von Aktionären sinkendem Aktienkurs steigt die Gefahr einer Übernahme des Unternehmens. Der Übernehmende tauscht dann regelmäßig die Unternehmensleitung aus und erhofft sich von den strategisch besseren Entscheidungen des neuen Managements Kurssteigerungen.17 Daher besteht für den Vorstand ein Anreiz, Aktionäre vom Verkauf ihrer Anteile abzuhalten.18 Die direkte Möglichkeit der Einflussnahme durch klare Abstimmungsvoten auf der Hauptversammlung bzw. durch ent11

Beispiele nach Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 131. 12 Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 ff. (1976). 13 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 177 m. w. N. 14 Seibert, AG 2002, 417, 418. 15 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 8. 16 s. auch G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 377, der den „verbleibenden Nutzeffekt des Stimmrechts“ darin sieht, dass es den Markt für Unternehmenskontrolle ermöglicht. 17 Grundlegend Manne, 73 J. Pol. Econ. 110 (1965). s. auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 171 ff.; instruktiv auch Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 161 ff. Zur Bedeutung des Marktes für Unternehmenskontrolle in Hinblick auf die Begrenzung von agency costs s. Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047 f. 18 s. etwa Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 173: „Investors benefit even if their corporation never becomes the subject of a tender offer. The reality and prospect of monitoring by outsiders poses a threat of takeover if performance lags. Managers must attempt to improve the firm’s performance, which leads to higher prices for shares and so reduces the chance of takeover.“

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sprechende Gespräche im Vorfeld, durch die der „Umweg der Übernahme“ vermieden würde, hatte wegen der rationalen Apathie der Aktionäre bislang eher geringe Bedeutung.19 Dem entspricht es, dass in der Möglichkeit, Stimmrechte unabhängig von der wirtschaftlichen Beteiligung erwerben zu können, vorwiegend eine Stärkung des Markts für Unternehmenskontrolle erblickt wird.20 Die Stärkung besteht dabei darin, dass nicht erst der Erwerb einer Mehrheit der Aktien nötig ist, um entscheidenden Einfluss auf ein Unternehmen ausüben zu können. Der Erwerb der Stimmrechte genügt. Gleichwohl ist die Bedeutung des reinen Stimmrechtserwerbs nicht auf den Markt für Unternehmenskontrolle begrenzt. Wenn genügend Stimmrechte bei einem Aktionär oder einem Stimmrechtskonsortium gebündelt werden, besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, Abstimmungsentscheidungen unmittelbar zu beeinflussen. In diesem Sinne kann die Zulässigkeit der jüngst in den Fokus der Wissenschaft geratenen empty voting-Konstellationen zu einer Überwindung des Kollektivhandlungsproblems und somit zu einer Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts beitragen.21 Beim empty voting22 geht es um die Entkoppelung von wirtschaftlichen Risiken aus Aktionärsbeteiligungen einerseits und den damit verbundenen Stimmrechten andererseits. Gemeint sind demnach Konstellationen, in denen das Stimmrecht von einer Person ausgeübt wird, die selbst weder von den Gewinnen aus der Beteiligung profitiert noch etwaige Verluste zu tragen hat („risikoentleerte Stimmrechte“).23 19 Vgl. den Befund von Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 55: Die Hauptversammlung könne die „relevanten Governance-Aufgaben“ nicht erfüllen. 20 Fleischer, ZGR 2008, 185, 217. Grundlegend bereits Manne, 64 Colum. L. Rev. 1427, 1435 ff. und passim (1964), der sich dafür ausspricht, den Erwerb von Stimmrechten bezogen auf die einzelne Hauptversammlung unabhängig vom Erwerb des wirtschaftlichen Substrats der Beteiligung zuzulassen. s. dazu auch Kobayashi/ Ribstein, 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 38 ff. (2006). 21 Vgl. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 820 f. (2006); Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 52 ff.; Seibt, ZGR 2010, 795, 819. 22 Grundlegend ist insoweit die Aufsatzserie von Henry Hu und Bernard Black: Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811 (2006); dies., 61 Bus. Law. 1011 (2006); dies., 13 J. Corp. Fin. 343 (2007); dies., 156 U. Penn. L. Rev. 625 (2008); aus deutscher bzw. europäischer Sicht Bachmann, ZHR 173 (2009), 596; Fleischer, ZGR 2008, 185, 215 ff.; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35; Seibt, ZGR 2010, 795; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607. Damit verwandt ist die sogenannte hidden ownership. Gemeint sind damit Fälle, in denen die wirtschaftliche Beteiligung eines Aktionärs größer ist als seine Stimmrechtsmacht. Dazu Hu/ Black, 61 Bus. Law. 1011, 1029 ff. (2006); dies., 13 J. Corp. Fin. 343, 351 f. (2007); Seibt, ZGR 2010, 795, 812 ff.; speziell zum Fall Schaeffler/Continental s. Zetzsche, EBOR 10 (2009), 115. 23 Fleischer, ZGR 2008, 185, 215.

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Ein Beispiel ist ein Wertpapierdarlehen, das als Sachdarlehen i. S. d. § 607 BGB abgeschlossen wird.24 Dabei ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer das Eigentum an den Wertpapieren zu übertragen. Der Darlehensnehmer erlangt dadurch automatisch das Recht zur Ausübung der mit den Wertpapieren verbundenen Verwaltungsrechte (zu denen das Stimmrecht zählt), da das Abspaltungsverbot des § 717 S. 1 BGB auch im Aktienrecht gilt.25 Zum vereinbarten Zeitpunkt muss der Darlehensnehmer Wertpapiere gleicher Art und Menge an den Darlehensgeber zurückübertragen. Eine derartige Vereinbarung führt dazu, dass der Darlehensnehmer zwar Inhaber der Stimmrechte wird, er aber von zwischenzeitlichen Kursschwankungen nicht betroffen ist. Die Kursentwicklung ist für ihn nur dann von Bedeutung, wenn er die ihm übertragenen Papiere verkauft hat und sich daher am Markt neue beschaffen muss, um seiner Rückgabepflicht nachkommen zu können.26 In diesem Fall steht ihm in der Zwischenzeit aber natürlich auch das Stimmrecht nicht zu, sodass es sich nicht um eine Konstellation des empty voting handelt. Das bei den empty voting-Konstellationen anzutreffende Auseinanderfallen von wirtschaftlicher Betroffenheit und der Befugnis zur Stimmrechtsausübung ähnelt der Stimmrechtsberatung. Zwar wird der Stimmrechtsberater – wenn ihm nicht zugleich eine Ausübungsvollmacht erteilt wird – rechtlich nicht Inhaber des Stimmrechts. Faktisch beeinflusst er jedoch die Abstimmungsentscheidung des institutionellen Anlegers. Dadurch entsteht eine in Hinblick auf die Abspaltung des Stimmrechts von dem unternehmerischen Risiko eine mit dem Wertpapierdarlehen vergleichbare Situation: Während von der Kursentwicklung alleine der institutionelle Anleger betroffen ist, steht hinter dessen Abstimmungsverhalten auf der Hauptversammlung oft der selbst an der Gesellschaft nicht beteiligte Stimmrechtsberater. In dessen Hand kommt es zu einer faktischen Bündelung der Stimmrechte. Diese Vergleichbarkeit erlaubt es, im Zusammenhang mit dem empty voting vorgetragene rechtsökonomische Erwägungen (entsprechend) auf Stimmrechtsberater zu übertragen.27 Insbesondere ermöglicht auch die faktische Bündelung von Stimmrechten Aktionärsaktivismus, der aus den dargelegten Gründen grundsätzlich zu begrüßen ist. Die theoretischen rechtsökonomischen Überlegungen werden durch empirische Unter24 Näher Bachmann, ZHR 173 (2009), 596, 600 ff.; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 405 f. 25 Eingehend Habersack, Die Mitgliedschaft, 1996, S. 78 ff.; s. auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 216; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 8, Rn. 30; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447, 448; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 19 III 4, S. 560 ff.; Seibt, ZGR 2010, 795, 816. 26 Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 405. 27 s. dazu noch unten S. 189 f. und S. 209 f.

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suchungen bestätigt. Danach führt Aktionärsaktivismus grundsätzlich zu einer Steigerung des shareholder value.28, 29 Wenn Aktionäre durch die Mandatierung eines Stimmrechtsberaters in die Lage versetzt werden, das Management verstärkt kontrollieren zu können, liegt hierin also an sich ein volkswirtschaftlicher Nutzen. 2. Informiertere Stimmrechtsausübung Die Stimmrechtsbündelung, zu der Stimmrechtsberater beitragen und durch die Aktionärsaktivismus möglich wird, ist aus rechtsökonomischer Sicht noch aus einem weiteren Grund zu begrüßen. Stimmrechtsberatern kommt vor allem die Aufgabe zu, Informationen über Hauptversammlungsbeschlüsse zu sammeln30, diese auszuwerten, ggf. zu übersetzen31 und auf Grundlage der Recherche eine Empfehlung auszusprechen. Da die institutionellen Anleger selbst aus Kostengründen so umfangreiche Recherchen nicht durchführen (würden), tragen die Abstimmungsempfehlungen zu einer informierteren Stimmrechtsausübung bei.32 Dadurch steigt die Qualität der Abstimmungsentscheidung. Bekannt ist dieses Argument aus der Diskussion über das empty voting. Auch dort wurde darauf hingewiesen, dass ein positiver Aspekt des Phänomens die Stimmrechtsbündelung bei einem stärker 28

s. etwa Becht/Franks/Mayer/Rossi, Returns to Shareholder Activism. Evidence from a Clinical Study of the Hermes U.K. Focus Fund, April 2008 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=934712); Brav/Jiang/Partnoy/Thomas, 63 J. Fin. 1729 (2008); Clifford, Value Creation or Destruction? Hedge Funds as Shareholder Activists, June 2007 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=971018); Klein/Zur, Entrepreneurial Shareholder Activism: Hedge Funds and Other Private Investors, September 2006 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=913362); zu diesen Untersuchungen s. Fleischer, ZGR 2008, 185, 188 ff. Allgemein zu den möglichen Vorteilen von Aktionärsaktivismus aus deutscher Sicht Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 223 f. m. w. N.; Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2117 f.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2105 f.; Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 219, 224 f.; Forstmoser, in: FS Wiegand, 2005, S. 785, 801 ff.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA, 2008, S. 98 ff. 29 Speziell zur Bedeutung der Corporate Governance für den Unternehmenserfolg s. noch S. 229 ff. 30 Diesen Aspekt heben Bew/Fields, Voting Decisions at US Mutual Funds: How Investors Really Use Proxy Advisors, June 2012, S. 2 (abrufbar unter http:// ssrn.com/abstract=2084231) hervor. 31 Auf die „Übersetzungsfunktion“ der Stimmrechtsberater hinweisend European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 10. 32 s. auch Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 225 f., die darauf hinweisen, dass die Beauftragung von Stimmrechtsberatern ein Beleg für das mangelnde Expertenwissen auf Seiten der institutionellen Anleger sei.

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interessierten und damit wohl auch besser informierten Aktionär sei.33 Stimmrechtsberater tragen demnach nicht nur zu einer irgendwie gearteten Überwindung des Kollektivhandlungsproblems bei, sondern sie sind auch in der Lage, inhaltlich fundierte Entscheidungen zu treffen. Hierin liegt ein sozialer Nutzen. 3. Senkung von Informationskosten Hirshleifer hat in einem grundlegenden Beitrag aus dem Jahr 1971 zwei unterschiedliche Arten von Informationen beschrieben, die auf dem Kapitalmarkt existieren: Vorauswissen (foreknowledge) und Entdeckungen (discovery).34 Die wesentliche Erkenntnis seines Beitrags besteht darin, dass zwar Entdeckungen immer sowohl für die Gesellschaft als auch für den Entdecker von Nutzen sind.35 Vorauswissen – also solche Informationen, die ohnehin bald veröffentlicht worden wären36 – sei hingegen zwar für die individuellen Anleger wertvoll. Die Gesellschaft profitiere davon aber nur bedingt.37 Daraus folge die Gefahr, dass Anleger erhebliche Ressourcen darauf verwendeten, Wissen früher zu erlangen als andere, diese Investitionen aber keinen sozialen Nutzen generierten.38 Es komme lediglich zu einer Umverteilung von Reichtum.39 Bei Aktionären ist die Situation ähnlich.40 Wenn nicht einer der Aktionäre oder ein Dritter – zum Beispiel ein Stimmrechtsberater – die Informationssuche übernimmt und die gefundenen Informationen an alle Aktionäre verteilt, ist grundsätzlich jeder Aktionär zu einer eigenständigen Recherche angehalten. Auch wenn es insoweit an den Anreizen für eingehende Nachforschungen fehlt, verwendet doch jeder Aktionär Ressourcen darauf. Ein sozialer Nutzen entsteht aber nicht dadurch, dass alle Aktionäre dieselben 33 Vgl. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 821, 889, 907 (2006); aus deutscher Sicht Bachmann, ZHR 173 (2009), 596, 645 f.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 217; Seibt, ZGR 2010, 795, 819; auf die Qualität der Abstimmungsentscheidung als entscheidenden Aspekt weist allgemein auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 hin. 34 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971). s. dazu aus dem deutschen Schrifttum Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 160 f.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 75 ff.; ders., ZBB 2011, 130, 137. 35 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561, 569 f. (1971). 36 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561, 562 (1971). 37 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561, 564 f., 567 und passim (1971). 38 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561, 567 (1971). 39 Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561, 563 ff., insbes. 565 (1971): „pure exchange“. 40 Vgl. bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152.

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Informationen finden, sondern alleine dadurch, dass alle Aktionäre zu einer informierten Abstimmungsentscheidung in der Lage sind. Es ist also volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn nicht jeder für sich nach den notwendigen Informationen sucht, sondern die Informationssuche zentral erfolgt. So wird vermieden, dass bezogen auf dasselbe Gut (die Information) mehrfach Aufwendungen getätigt werden, obwohl eine einmalige Aufwendung ausreicht. Diese zentrale Informationssuche für eine Vielzahl institutioneller Anleger übernehmen Stimmrechtsberater. Ein großer Stimmrechtsberater wie ISS fungiert gewissermaßen als ein verselbstständigtes Joint Venture der institutionellen Anleger. Dabei gilt, dass je größer die Anzahl der Kunden des Stimmrechtsberaters ist, dieser seine Dienste umso günstiger anbieten kann. Aus Sicht eines Stimmrechtsberaters lassen sich aus der vielfachen Verteilung derselben Informationen Skalenerträge erzielen.41 4. Beispiele Wie sich die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters konkret auswirken können, verdeutlichen zwei zentrale Bereiche der Corporate Governance beispielhaft: die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und die Gestaltung des Vergütungssystems für Manager. Beide Bereiche sollen in der Finanzkrise eine Rolle gespielt haben42 und stehen zudem im Zentrum des Interesses von ISS und Glass Lewis.43 Um nachvollziehen zu können, wie Stimmrechtsberater die Zusammensetzung von Aufsichtsräten und die Gestaltung von Vergütungssystemen positiv beeinflussen können, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, welche Probleme jeweils bestehen und worin die Ursachen hierfür liegen. Zwar hat der Gesetzgeber bereits versucht, diese Probleme zu beheben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass die erlassenen Vorschriften hierzu allenfalls bedingt geeignet sind. Notwendig sind daher sachgerechte Einzelfallentscheidungen der Hauptversammlung, der in beiden Bereichen eine Entscheidungszuständigkeit (im Falle des Vergütungssystems konsultativ, dazu noch unten) zukommt. Ein exemplarischer Blick auf die abstrakten Abstimmungsrichtlinien von ISS zeigt, dass der Stimmrechtsberater an bestehende Mängel anknüpft und seine Einflussnahme auf Hauptversammlungsbeschlüsse daher zu Verbesserungen beitragen kann.

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s. dazu schon oben S. 73 ff. s. nur Bachmann, AG 2011, 181, 185 ff. s. die Nachweise in § 5, Fn. 234.

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a) Zusammensetzung des Aufsichtsrats aa) Probleme und Ursachen Perfekt wäre es, wenn nur solche Kandidaten in den Aufsichtsrat gewählt würden, von denen aufgrund ihrer Unabhängigkeit und aufgrund ihrer Qualifikation eine besonders effektive Kontrolle des Vorstands zu erwarten ist.44, 45 Auf diese Weise könnten Agenturkosten, die die Trennung von Eigentum und Kontrolle in der Aktiengesellschaft mit sich bringt, am stärksten reduziert werden.46 In der Realität werden die Kandidaten aber häufig anhand anderer Kriterien ausgewählt. Um diese Vorgehensweise von Aktiengesellschaften nachvollziehen zu können, muss man sich vor allem den Ablauf das Auswahlverfahrens vor Augen führen: Nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG ist an sich nur der Aufsichtsrat dazu berufen, der Hauptversammlung geeignete Kandidaten vorzuschlagen.47 In der Realität hat es sich aber durchgesetzt, dass auch der Vorstand an der Auswahl mitwirkt, der naturgemäß ein Interesse an einer möglichst ineffektiven Beaufsichtigung hat.48 Das Abhängigkeitsverhältnis der Kandidaten bleibt auch nach der Wahl bestehen, da der Vorstand an ihrer Wiederwahl ebenso mitwirkt wie an der Festsetzung der Bezüge.49 Es dürfte eine praktische Folge dieses Auswahlverfahrens sein, dass der Aufsichtsrat zur Verfolgung strategischer Interessen benutzt wird und sich daher unter den Vertretern der Anteilseigner eine hohe Anzahl sogenannter „Unternehmensvertreter“ befindet, also solche Personen, die einem Verwaltungsorgan eines anderen Unternehmens angehören oder früher angehört haben.50 Die Berufung dieser „Unternehmens44 Zur Bedeutung der Kandidatenauswahl s. auch Fleischer, ZGR 2011, 155, 162, v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297. Zu Bedenken hinsichtlich der Überwachungsintensität s. aus jüngerer Zeit Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, KOM(2010) 284 endgültig, S. 9 f.; Larosière, The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report, 2009, Rn. 23; Seibert, DB 2009, 1167, 1169 f. 45 Langenbucher, ZGR 2012, 314 weist daneben auf das Kriterium der Heterogenität hin. 46 Zur Bedeutung des Aufsichtsorgans für die Corporate Governance s. auch Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 62 ff. Zum tendenziell bestätigenden empirischen Befund s. Langenbucher, ZGR 2012, 314, 316 ff. 47 Zu den Auswahlpflichten des Aufsichtsrats s. Lutter, ZIP 2003, 417. 48 Dazu Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 301; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 578 f.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 161. s. auch Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 64. 49 Zu letzterem s. G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 615 f. 50 s. etwa die Übersicht bei Krebs, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 15 ff. sowie das Zahlenmaterial bei G. H. Roth/

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vertreter“ ist problematisch, weil sie in sich „ein vielschichtiges Netz von Treue- und Loyalitätspflichten“51 vereinen. Hieraus können Interessenkonflikte entstehen, die die Effektivität der Kontrolltätigkeit gefährden.52 Bedenklich erscheint außerdem ein direkter Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat derselben Aktiengesellschaft53, weil zum einen der Perspektivwechsel Schwierigkeiten bereitet und weil zum anderen Sachverhalte Gegenstand der Kontrolltätigkeit sein können, die der Aufsichtsrat aufgrund seiner früheren Vorstandstätigkeit (mit) zu verantworten hat.54/55 Während sich die Zahl ehemaliger Vorstandsmitglieder insgesamt in Grenzen hält56, ist der Wechsel des früheren Vorstandsvorsitzenden in den Aufsichtsrat häufig zu beobachten.57 bb) Gesetzgeberische Maßnahmen und ihre Bewertung Der Gesetzgeber begegnet diesen Problemen, indem er die Wahl bestimmter Personen in den Aufsichtsrat verbietet, § 100 Abs. 2 S. 1 AktG.58 Wörle, ZGR 2004, 565, 584 ff. In der Sache s. auch Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310, 316. Zu Zweifeln an der sachgerechten Zusammensetzung der deutschen Aufsichtsräte s. allgemein auch die Auswertung empirischer Studien bei Langenbucher, ZGR 2012, 314, 315 f. 51 G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 611. 52 Vgl. Habersack, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), § 100, Rn. 51 ff., 64 ff. (Fallgruppen); Kort, ZIP 2008, 717, 721 f.; Langenbucher, ZGR 2007, 571, insbes. 573 ff.; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 611 ff.; Säcker, AG 2004, 180, 182 ff.; Seibt, in: FS Hopt, 2010, S. 1363, 1364 ff. (mit aktuellen Beispielen). Für eine Rechtswidrigkeit der Mitwirkung in den Aufsichtsräten konkurrierender Unternehmen Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236 ff.; ders., ZHR 159 (1995), 287, 303; ders./Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. (2008), § 1, Rn. 21 ff. 53 s. dazu jüngst auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 80 ff.; Bachmann, AG 2012, 565, 574. 54 Vgl. Lange, NZG 2004, 265, 266 ff.; Lieder, NZG 2005, 569, 572 f.; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 586 f.; s. auch Wirth, ZGR 2005, 327, 339 ff. 55 In einer aktuellen empirischen Untersuchung konnte allerdings nicht festgestellt werden, dass die Berufung ehemaliger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat, s. J. Grigoleit/Nippa/Steger, zfbf 2011, 578. 56 Fey/Royé, AG-Report 2012, 4 beziffern den Anteil bei den Unternehmen des DAX, MDAX und TecDAX auf 5,5%. 57 Bei den DAX-Unternehmen finden sich mehrere Beispiele (Stand: Juli 2011): Allianz (Henning Schulte-Noelle), BMW (Joachim Milberg), Commerzbank (KlausPeter Müller), K+S (Ralf Bethke), Lufthansa (Jürgen Weber), Münchener Rück (Hans-Jürgen Schinzler), SAP (Hasso Plattner), ThyssenKrupp (Gerhard Cromme). Fey/Royé, AG-Report 2012, 4 haben ermittelt, dass in den Aufsichtsräten der untersuchten 105 Unternehmen insgesamt 24 ehemalige Vorstandsmitglieder sitzen.

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Danach wird eine Höchstzahl zulässiger Aufsichtsratsmandate vorgeschrieben (Nr. 1), die Möglichkeiten zur Berufung von Unternehmensvertretern werden beschränkt (Nrn. 2 und 3) und es werden Anforderungen an den (direkten) Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat derselben Gesellschaft gestellt (Nr. 4). Außerdem muss dem Aufsichtsrat nach § 100 Abs. 5 AktG in kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften i. S. d. § 264d HGB ein unabhängiges Mitglied angehören, das über Sachverstand auf den Gebieten der Rechungslegung oder Abschlussprüfung verfügt.59 Obwohl die Bestimmungen an einige der geschilderten Bedenken anknüpfen, führen sie alleine nicht dazu, dass nur unabhängige Aufsichtsratsmitglieder berufen werden, die zugleich über eine ausreichende Qualifikation verfügen.60 Hinsichtlich der Unabhängigkeit verbietet das AktG die Berufung von Kandidaten, die (potentiell) mit Interessenkonflikten belastet sind, nur in einigen Sachverhalten. Die Qualifikation ist nur bei einem einzigen Aufsichtsratsmitglied, dem unabhängigen Finanzexperten nach § 100 Abs. 5 AktG, ein Auswahlkriterium.61 Die gesetzgeberischen Maßnahmen reichen daher alleine nicht aus, um die bestehenden Probleme bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu beheben. Weiter reichende gesetzliche Anforderungen wären wohl auch nur bedingt sinnvoll, da bei einem vollständigen Verbot der Berufung von Unternehmensvertretern und ehemaligen Vorstandsmitgliedern auch Kandidaten, deren Fachwissen von Nutzen wäre, von der Wahl ausgeschlossen würden.62 Anforderungen an die Qualifikation können in abstrakten Bestimmungen ohnehin kaum getroffen werden.63 58 s. auch Langenbucher, ZGR 2012, 314, 334 ff. Weitere Regelungen, die auf die Vermeidung von Interessenkonflikten abzielen, finden sich in §§ 105 Abs. 1, 114, 115 AktG, s. dazu auch Kort, ZIP 2008, 717, 723 f. 59 Zu den Anforderungen an die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern de lege lata (AktG und DCGK) und de lege ferenda s. kürzlich auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 71 ff.; Bachmann, AG 2012, 565, 571 ff. 60 M. Roth, ZGR 2012, 343, 351 ff. erwartet angesichts anstehender Änderungen im DCGK eine Steigerung der Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte. Er spricht sich mit Blick auf die konkreten Anforderungen an die Unabhängigkeit außerdem für eine stärkere Differenzierung nach Unternehmenstypen aus. 61 s. auch Langenbucher, ZGR 2012, 314, 338. 62 Vgl. etwa Dreher, JZ 1990, 896, 899; Lange, NZG 2004, 265, 266; G. H. Roth/ Wörle, ZGR 2004, 565, 624; Wirth, ZGR 2005, 327, 340, 342. s. auch Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 65. 63 Zu den Schwierigkeiten bei der Kodifizierung von Anforderungen für Aufsichtsräte s. auch Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 544 f.; ders., ZGR 2011, 155, 161 f. Eine andere Regulierungsstrategie zeigt Langenbucher, ZGR 2012, 314, 339 ff. auf. Vorgeschlagen wird dort die Schaffung von mehr Publizität durch die Einführung einer „verpflichtenden Besetzungserklärung mit vorgegebenen Mindestinhalt“.

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cc) Hauptversammlung im Fokus Wenn gesetzgeberische Maßnahmen das Problem einer unzureichenden Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht beheben können, rückt die Hauptversammlung in den Fokus.64 Ihr kommt nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Kompetenz für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zu. Bei der Wahl kann die Hauptversammlung im Einzelfall prüfen, ob der jeweilige Kandidat den Anforderungen an Unabhängigkeit und Qualifikation entspricht und einen entsprechenden Beschluss – Bestellung oder Ablehnung – fassen. Bislang war die Hauptversammlung aufgrund der rationalen Apathie der Aktionäre aber kaum handlungsfähig. Die vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten wurden daher regelmäßig schlicht bestätigt. Stimmrechtsberater helfen bei der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems und verschaffen der Hauptversammlung so die Möglichkeit echter Mitsprache. ISS knüpft in seinen Abstimmungsrichtlinien an die Kriterien der Unabhängigkeit und Qualifikation an.65 Grundsätzlich fordert ISS, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats unabhängig sein muss (in mitbestimmten Unternehmen: ein Drittel).66 Hieran fehlt es unter anderem bei Vertretern eines Großaktionärs, bei Regierungsvertretern, bei Vertretern eines Geschäftspartners und bei füheren Vorstandsmitgliedern, wenn seit ihrem Ausscheiden nicht wenigstens fünf Jahre vergangen sind. ISS stimmt außerdem grundsätzlich gegen die Wahl eines früheren Vorstandsvorsitzenden in den Aufsichtsrat, wenn angestrebt wird, dass der Kandidat auch im Kontrollgremium den Vorsitz übernehmen soll. Eine Zustimmung soll aber dann erfolgen, wenn es hierfür rechtfertigende Gründe gibt. Wenn mehrere Kandidaten zur Wahl vorgeschlagen werden, erfolgt eine Gesamtabwägung. Hierbei spielt auch die Qualifikation eine Rolle. Wenn ISS signifikanten Einfluss auf das Abstimmungsverhalten einer Vielzahl der Aktionäre hat und bei der Entwicklung seiner Empfehlungen die Kriterien in den Abstimmungsrichtlinien konsequent anwendet, kann der Stimmrechtsberater zu Verbesserungen bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats beitragen. Die Stärke der Abstimmungsempfehlungen gegenüber gesetzlichen Anforderungen liegt darin, dass ein umsichtig handelnder Stimmrechtsberater den Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen kann. Für eine entscheidende Einflussnahme muss ein Stimmrechtsberater nicht unbedingt bei einem proxy fight als Sieger vom Platz gehen. Häufig dürfte schon der Hinweis auf eine ablehnende Empfehlung Einfluss darauf haben, welche Kandidaten der Hauptversamm64 s. schon Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310, 319; s. auch Jaspers, ZRP 2010, 8 („Mehr Demokratie wagen“). 65 ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012 (o. Fn. 234), S. 7 ff.; s. dazu auch Diamond/Yevmenenko, 3 Bloomberg Corp. L. J. 606, 609 f. (2008). 66 s. auch M. Roth, ZGR 2012, 343, 352 f.

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lung überhaupt vorgeschlagen werden. Auf ein prominentes Beispiel, den Verzicht von Josef Ackermann auf eine Kandidatur für den Aufsichtsrat der Deutschen Bank, wurde bereits hingewiesen.67 b) Vergütungssysteme für Manager aa) Probleme und Ursachen Manager haben kein originäres Interesse an der Steigerung des Börsenkurses, weil davon nicht sie selbst, sondern die Aktionäre profitieren. Eine Möglichkeit, die Interessen des Managements mit den Interessen der Aktionäre in Einklang zu bringen, ist eine entsprechende Strukturierung des Vergütungssystems (executive compensation).68 Die bestehenden Vergütungssysteme waren und sind Gegenstand heftiger Diskussion.69 Im Kern geht es dabei zum einen um die angemessene Höhe der Vergütung und zum anderen darum, ob die Vergütungssysteme die richtigen Anreize setzen.70 Für eine unangemessene Vergütungshöhe sprechen neben den immensen Steigerungsraten71 einige Bezahlungspraktiken, die auch mit der Anreizwirkung 67

s. den Nachweis in § 1, Fn. 3. s. dazu bereits Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 309 f., 323, 353 (1976); Winter/Garrido Garcia/Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 68 ff.; s. auch Frydman/Jenter, CEO Compensation, November 2010, S. 9 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1582232). 69 Einen Überblick über das umfangreiche Schrifttum geben etwa Frydman/Jenter, CEO Compensation, November 2010 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1582232); s. auch die Nachweise bei Klöhn, ZGR 2012, 1, 8 (in Fn. 43). Zur Bedeutung der Vergütungsstrukturen für die Finanzkrise s. aus deutscher Sicht die Hinweise bei Bachmann, AG 2011, 181, 185; Möslein, JZ 2010, 72, 78 f.; Seibert, DB 2009, 1167, 1168 f.; Spindler, AG 2010, 601, 607. Zurückhaltender allerdings Mülbert, ZHR 173 (2009), 1, 5 f.; ders.; ZHR 174 (2010), 375, 378; ders., Corporate Governance of Banks after the Financial Crisis – Theory, Evidence, Reforms, April 2010, S. 27, 31 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1448118). Zu Mängeln bei den Vergütungssystemen s. auch die Begründung zum VorstAG, BT-Drs. 16/12278, S. 1. Für Äußerungen auf europäischer Ebene s. Larosière, The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report, 2009, Rn. 117 ff., sowie Empfehlung der Europäischen Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor v. 30. 04. 2009, ABlEU Nr. L 120 v. 15. 05. 2009, S. 22, insbes. Erwägungsgründe 2 und 3; Empfehlung der Europäischen Kommission (2009/385/EG) zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften v. 30. 04. 2009, ABlEU Nr. L 120 v. 15. 05. 2009, S. 28, insbes. Erwägungsgrund 2; Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen v. 05. 04. 2011, KOM(2011) 164 endgültig, S. 10 f. 70 Klöhn, ZGR 2012, 1, 8 f.; Larosière, The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report, 2009, Rn. 117; s. auch Edmans/Gabaix, 15 Eur. Fin. Mgmt. 486, 487 ff. (2009); Posner, 58 Duke L. J. 1013, 1020 ff. (2009). 68

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in Zusammenhang stehen72: Diese Praktiken sollen eigentlich verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, führen tatsächlich aber lediglich zu einer Erhöhung der Vergütung. Hierzu gehören das repricing73, also die nachträgliche Herabsetzung ursprünglich vereinbarter Kursziele, und die Gewährung von windfall profits.74 Darunter sind Prämien zu verstehen, die Manager erhalten, obwohl sie selbst zu einem erreichten Ziel nichts beigetragen haben. Im Bereich der Fehlanreize wird vor allem auf die Verfolgung kurzfristiger Wachstumsstrategien (managerial myopia, short-termism) sowie auf die Eingehung zu hoher Risiken (excessive risk-trading) hingewiesen.75 Mit dem short-termism ist gemeint, dass Manager systematisch in Projekte investieren, die kurzfristig den Börsenkurs steigern, sie dabei aber Investitionen etwa in Forschung und Entwicklung, die sich erst langfristig auszahlen, vernachlässigen. Die Gründe hierfür76 liegen nicht nur in der Struktur der Vergütungssysteme, die solche Investitionen belohnen, sondern auch darin, dass Manager zeitlich befristet angestellt sind und sie aufgrund der Übernahmegefahr zudem jederzeit mit einer Entlassung rechnen müssen.77 Lang71 Dazu Edmans/Gabaix, 15 Eur. Fin. Mgmt. 486, 487 f. (2009); Frydman/Jenter, CEO Compensation, November 2010, S. 3 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/ abstract=1582232) jew. m. w. N. Aus deutscher Sicht s. Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 6, Rn. 14. 72 Dazu etwa Adams, ZIP 2002, 1325, wonach die „hoch komplexen Vergütungssysteme nicht so aufgebaut sind, dass sie die ihnen nachgesagten Anreizverbesserungen für die Vorstände auch tatsächlich vermitteln, sondern sich im Wesentlichen nur als Ausplünderungsverfahren begreifen lassen.“ 73 Dazu etwa Bebchuk/Fried/Walker, 69 U. Chi. L. Rev. 751, 821 ff. (2002); Bebchuk/Fried, Pay without Performance, 2004, S. 164 ff. Aus deutscher Sicht auch Adams, ZIP 2002, 1325, 1329 f.; Baums, in: FS Claussen, 1997, S. 3, 17; Sauter/ Babel, in: Kessler/Sauter, Handbuch Stock Options, 2003, Rn. 34; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 6, Rn. 70 ff. 74 Zu den verschiedenen Erscheinungsformen s. etwa Bebchuk/Fried, Pay without Performance, 2004, S. 122 ff., 137 ff., 159 ff.; s. auch Bebchuk/Fried/Walker, 69 U. Chi. L. Rev. 751, 796 ff. (2002). Aus deutscher Sicht s. Baums, in: FS Claussen, 1997, S. 3, 17; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 6, Rn. 58, 68. 75 Vgl. Bebchuk/Fried, 158 U. Pa. L. Rev. 1915 (2010); Klöhn, ZGR 2012, 1, 10 ff. m. w. N. Auf diese beiden Aspekte weist auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 27 f. hin. Zum short-termism s. etwa Stein, 96 J. Pol. Econ. 61 (1988); ders., 104 Q. J. Econ. 655 (1989); s. auch Holden/Lundstrum, 16 J. Empir. Fin. 126 (2009). Zum excessive risk-trading s. Bebchuk/Spamann, 98 Geo. L. J. 247, 255 ff. (2010). 76 Dazu Klöhn, ZGR 2012, 1, 11 f. m. w. N.; s. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 27. 77 Shleifer/Vishny, 80 Am. Econ. Rev.: Papers and Proceedings 148, 151 f. (1990); Stein, 96 J. Pol. Econ. 61, 62 (1988); s. auch Agrawal/Walkling, 49 J. Fin. 985 (1994).

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fristig rentable Investitionen könnten sich daher erst für die Amtsnachfolger auszahlen. Hinzu kommt, dass die Kapitalanleger aus Sicht der Manager langfristige Investitionen im Gegensatz zu kurzfristigen nicht angemessen honorieren.78 Einigkeit besteht darüber, dass die Orientierung an kurzfristigen Erfolgszielen problematisch ist. Das liegt daran, dass bei der Bewertung einer Investition nicht alle Auswirkungen berücksichtigt werden, sondern nur die, die sich kurzfristig bemerkbar machen. Manager, die sich an kurzfristigen Erfolgszielen orientieren, berechnen also den Kapitalwert einer Investition unzutreffend.79 Die Neigung, zu hohe Risiken einzugehen, ist eine direkte Folge der Vergütungssysteme. Wenn das Vergütungssystem erfolgreiche Investitionen honoriert, Manager aber an Verlusten nicht beteiligt werden, dann besteht ein systematischer Anreiz, in zu risikoreiche Projekte zu investieren.80 Worin die Ursachen für die Struktur der Vergütungssysteme liegen, ist nicht abschließend geklärt.81 Eine Sichtweise verweist darauf, dass auch die Aktionäre regelmäßig an kurzfristigem Wachstum interessiert sind82 und sie auch bereit sind, höhere Risiken einzugehen als andere stakeholder (Gläubiger, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit).83 In diesem Fall wären die Vergütungssysteme mit Blick auf ihren sozialen Nutzen zwar nicht optimal. Sie entsprächen aber den Wünschen der Aktionäre (deswegen auch: optimal contract approach), sodass die durch Stimmrechtsberater verbesserten Möglichkeiten zu shareholder activism keinen zusätzlichen Nutzen bringen würden. Nach anderer Ansicht erachten aber auch die Aktionäre die Vergütungs78 s. dazu die Umfrage von Poterba/Summers, 37 Sloan Mgmt. Rev. 43, 47 ff. (1995). Allerdings hat die Umfrage auch ergeben, dass weniger als 1% der Manager aus Gründen der Kommunzierbarkeit am Kapitalmarkt regelmäßig profitable Investitionen auslässt. 79 Fleischer, NZG 2009, 801, 801; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 27; Klöhn, ZGR 2012, 1, 11. Zur Berechnung des Kapitalwerts s. Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, Global Edition, 10. Aufl. (2011), S. 48 ff. 80 Vgl. Bebchuk/Spamann, 98 Geo. L. J. 247, 255 ff., 262 ff. (2010); Klöhn, ZGR 2012, 1, 14 ff. 81 Ausführlicher Überblick zu den Erklärungsmodellen bei Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 28 ff.; s. außerdem Edmans/Gabaix, 15 Eur. Fin. Mgmt. 486 (2009); Frydman/Jenter, CEO Compensation, November 2010, S. 16 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1582232). 82 Grundlegend zur Ausrichtung der Aktionäre auf kurzfristige Erfolgsziele Bolton/Scheinkman/Xiong, 73 Rev. Econ. Stud. 577, 578 ff. (2006); zum Ausmaß von „short-term pressure“ s. Brunzell/Liljeblom/Vaihekoski, Short-Term Expectations in Listed Firms: The Mitigating Impact of Private Equity Owners, July 2011 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1400734). 83 Beispiel bei Bebchuk/Spamann, 98 Geo. L. J. 247, 255 ff. (2010); dazu Klöhn, ZGR 2012, 1, 15 f.

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strukturen als unvorteilhaft. Dass sie dennoch zustande kommen, liegt an der Übermacht des Managements (managerial power approach).84 So vertritt in Deutschland zwar der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG) und setzt die Bezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds fest (§ 87 Abs. 1 S. 1 AktG). Der Aufsichtsrat steht nach dem Gesagten aber seinerseits in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Vorstand. Dieses Abhängigkeitsverhältnis führt nach dem managerial power approach dazu, dass der Aufsichtsrat die Vergütung allzu wohlwollend gestaltet oder der Vorstand gar selbst Einfluss auf die Festsetzung nimmt. In diesem Szenario ist vom Aufsichtsrat eine effiziente Festsetzung der Vergütung, das heißt eine solche, die dem Interesse der Aktionäre entspricht, nicht zu erwarten. Disziplinierende Maßnahmen oder Mechanismen sind notwendig. bb) Gesetzgeberische Maßnahmen und ihre Bewertung Ein möglicher Weg zur Disziplinierung sind gesetzliche Vorgaben für die Managervergütung. So hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2009 mit dem VorstAG85 den Versuch unternommen, das Problem ineffizienter Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder durch eine Änderung des § 87 AktG zu lösen.86 Nach § 87 Abs. 1 AktG soll die Vorstandsvergütung künftig nicht mehr nur die Aufgaben des Vorstandsmitglieds und die Lage der Gesellschaft berücksichtigen, sondern sie soll sich auch an den Leistungen des einzelnen Vorstandsmitglieds orientieren87, die übliche Vergütung nur bei Vorliegen besonderer Gründe übersteigen88 und auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ ausgerichtet sein. Dabei sollen variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemesssungsgrundlage haben.89 § 87 Abs. 2 S. 1 AktG gibt dem Aufsichtsrat schließlich auf, die Bezüge herab84 Grundlegend Bebchuk/Fried/Walker, 69 U. Chi. L. Rev. 751, 764 ff. (2002); Bebchuk/Fried, Pay without Performance, 2004, S. 61 ff., 80 ff.; zu diesem Ansatz s. auch Core/Guay/Thomas, 103 Mich. L. Rev. 1142, 1145 ff. (2005); Thüsing, ZGR 2003, 457, 465 f. 85 s. oben § 5, Fn. 13. 86 Zur Entstehung des Gesetzes s. Kling, DZWIR 2010, 221, 222; Seibert, WM 2009, 1489, 1489. 87 Dazu Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 718 f.; Fleischer, NZG 2009, 801, 802; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 11 ff. 88 Damit ist die „übliche Vergütung“ die Obergrenze der Angemessenheit, dazu BT-Drs. 16/13433, S. 10; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 719 f.; Seibert, WM 2009, 1489, 1490. 89 Hierunter wird ein zeitlicher Rahmen von drei bis fünf Jahren verstanden, s. Fleischer, NZG 2009, 801, 803; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 31 m. w. N.

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zusetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert und die Weitergewährung unbillig wäre.90 Ob von der Neufassung merkliche Verbesserungen der Vergütungsstrukturen zu erwarten sind, ist zu bezweifeln.91 Der Begriff der Angemessenheit in § 87 Abs. 1 AktG weist ein erhebliches Maß an Unbestimmtheit auf und lässt dem Aufsichtsrat daher einen weitreichenden Beurteilungsspielraum.92 Mertens/Cahn haben § 87 Abs. 1 S. 1 AktG vor allem aus diesem Grund als eine „völlig missglückte“ Vorschrift bezeichnet, die bestenfalls weitgehend unschädlich bleibe.93 Zwar erfährt der Begriff weitere Konkretisierungen. Diese Konkretisierungen („Leistungen des Vorstandsmitglieds“, „Lage der Gesellschaft“, „übliche Vergütung“) weisen aber ihrerseits ein hohes Maß an Unbestimmheit auf94, sodass das Angemessenheitskriterium nur bedingt an Schärfe gewinnt. Für das Nachhaltigkeitsgebot gilt nichts anderes.95 Für Verunsicherung sorgt darüber hinaus, dass das Mehrjährigkeitserfordernis für die variable Vergütung lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist. Daraus folgt mindestens, dass der Aufsichtsrat bei Vorliegen besonderer Umstände von einer Bemessungsgrundlage mit mehrjährigem Bezug absehen darf.96 Man könnte die Vorschrift aber – in Abgrenzung zu 90 Dazu zuletzt kritisch Klöhn, ZGR 2012, 1. Da sich die Norm nicht direkt auf die Strukturierung der Vorstandsvergütung bezieht, bleibt sie bei der nachfolgenden Würdigung außer Betracht. 91 Skeptisch hinsichtlich der Wirkungen des VorstAG auch Fleischer, NZG 2009, 801, 806. Allgemein zur Schwierigkeit, materielle Vorgaben für Vergütungsvereinbarungen zu treffen, s. Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 44 f. 92 So auch die wohl einhellige Einschätzung im Schrifttum, s. Bauer/Arnold, AG 2009, 719, 721: begrenzte praktische Folgen für die Arbeit des Aufsichtsrats; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 21: in hohem Maße ausfüllungsbedürftig und dem Rechtsanwender beträchtliche Konkretisierungsspielräume eröffnend; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1982: Fehlen eines klar umrissenen Bedeutungskerns; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 87, Rn. 7: geringe Beschränkungswirkung; Seibert, WM 2009, 1489, 1490: „schillernd“; s. auch Thüsing/Forst, GWR 2010, 515, die den Versuch einer „Konturierung“ unternehmen. 93 Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 87, Rn. 17; s. auch Mertens, AG 2011, 57. 94 In diese Richtung auch Mertens, AG 2011, 57, 57. 95 s. nur den Untertitel des Beitrags von J. Wagner, AG 2010, 774: „Eine Annäherung an den Nachhaltigskeitsbegriff in § 87 Abs. 1 AktG“ sowie Thüsing, AG 2009, 517, 519: klärungsbedürftig. 96 Vgl. Eichner/Delahaye, ZIP 2010, 2082, 2083 ff.; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1984 ff.; s. auch Bauer/Arnold, AG 2009, 719, 722; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 33 f.; Hoffmann-Becking/Krieger, Beil. zu NZG 26/2009, S. 2 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 87, Rn. 12.

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verwaltungsrechtlichen Soll-Vorschriften – auch als bloße Empfehlung des Gesetzgebers verstehen.97 Trotz seiner Unbestimmtheit würde § 87 Abs. 1 AktG dann Disziplinierungswirkung entfalten, wenn den Aktionären effektive Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Festsetzung der Vergütung zur Verfügung stünden. Der Aufsichtsrat müsste dann befürchten, dass ein Gericht seiner Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 87 Abs. 1 AktG nicht folgt und den Vergütungsbeschluss für unwirksam erklärt.98 Rechtsschutz bietet den Aktionären zwar grundsätzlich die Anfechtungsklage nach §§ 243 ff. AktG. Diese Klage ist aber nur statthaft, soweit es um Hauptversammlungsbeschlüsse geht. An der Festsetzung der Vergütung wirkt die Hauptversammlung jedoch grundsätzlich nicht mit, zuständig ist alleine der Aufsichtsrat.99 Allenfalls hinsichtlich einzelner Elemente bedarf es einer Zustimmung der Hauptversammlung, etwa wenn ein Aktienoptionsprogramm durch bedingtes Kapital (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) oder durch eigene Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG100) bedient werden soll.101 Doch auch insoweit dürften nur geringe Erfolgsaussichten bestehen, da Gegenstand der Anfechtungsklage in diesen Fällen nicht das Vergütungsmodell selbst ist, sondern lediglich Maßnahmen, mit denen dessen Umsetzung vorbereitet werden soll. cc) Hauptversammlung im Fokus Damit rückt wiederum die Hauptversammlung als kontrollierende Instanz in den Fokus.102 Die entscheidende Schnittstelle ist das Vergütungsvotum („Say on Pay“), das ebenfalls durch das VorstAG103 geschaffen wurde. Ob Stimmrechtsberater mittels dieses Vergütungsvotums positiven Einfluss auf 97

So Mertens, AG 2011, 57, 59 ff., insbes. 61. Zu den Rechtsbehelfen des Aktionärs gegen ungerechtfertigte Vorstandsbezüge s. Martens, ZHR 169 (2005), 124, 150 ff. 99 Das „Say on Pay“-Votum hat lediglich konsultative Wirkung. Außerdem ist die Anfechtungsklage insoweit explizit ausgeschlossen, § 120 Abs. 4 S. 3 AktG. s. auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 100 Unstreitig fallen Organmitglieder nicht unter § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG („Belegschaftsaktien“), s. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 71, Rn. 60 m. w. N.; Hüffer, 9. Aufl. (2010), § 71, Rn. 12. Anerkannt ist die Bedienung von Aktienoptionen aber als zulässiger Zweck bei § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, s. Cahn, a. a. O., § 71, Rn. 97; Hüffer, a. a. O., § 71, Rn. 19g. 101 Diese Beispiele nennt Martens, ZHR 169 (2005), 124, 150. 102 Auch die High Level Group hat gefordert, dass die Aktionäre jährlich Gelegenheit haben sollten, das Vergütungssystem zu erörtern, s. Winter/Garrido Garcia/ Hopt, Bericht der High Level Group, 2002, S. 69 f. 103 s. oben § 5, Fn. 13. 98

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die Vergütungssysteme ausüben können, hängt davon ab, ob deutsche Aktiengesellschaften das „Say on Pay“-Votum auf die Tagesordnung setzen (1), welche Wirkungen von dem rein konsultativen Beschluss ausgehen (2) und wie Stimmrechtsberater darauf Einfluss nehmen (3). (1) Durchführung des „Say on Pay“-Votums § 120 Abs. 1 S. 1 AktG ist als „kann“-Bestimmung ausgestaltet. Damit wird die Einholung des „Say on Pay“-Votums – abgesehen von dem Minderheitsverlangen nach § 122 Abs. 2 AktG104 – in das Ermessen des Vorstands gestellt, der nach § 121 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 AktG die Hauptversammlung unter Angabe der Tagesordnung einberuft.105 In der Hauptversammlungssaison 2010 hat sich gezeigt, dass die Vorstände dieses Ermessen unterschiedlich ausüben. Vor allem bei größeren Gesellschaften wurde die Vorstandsvergütung ganz überwiegend auf die Tagesordnung gesetzt. So verzichteten von den im DAX 30 notierten Gesellschaften lediglich drei (10%) auf die Durchführung (Infineon AG, MAN SE, Merck KGaA). Bei kleineren, immerhin aber börsennotierten Gesellschaften ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Im M-DAX führten bereits 37% der Unternehmen keine „Say on Pay“-Abstimmung durch, im TEC-DAX verzichteten 56% darauf und im S-DAX 73%.106 Soweit ein „Say on Pay“-Votum durchgeführt wurde, soll dies vor allem aufgrund entsprechender Forderungen von Seiten der institutionellen Anleger geschehen sein.107 Darüber hinaus könnte auch die Haltung von ISS eine Rolle gespielt haben, denn der Stimmrechtsberater fordert in seinen Abstimmungsrichtlinien unter Berufung auf eine Empfehlung der Europäischen Kommission die jährliche Durchführung eines Vergütungsvotums: „In line with European Commission Recommendation 2004/913/EC, ISS believes that seeking annual shareholder approval for a company’s compensation policy is a positive corporate governance provision.“108 Sofern keine Abstimmung über das Vergütungssystem durchgeführt wird, droht ISS an, seinen Unmut darüber in anderen Tagesordnungspunkten – wie der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und den Wahlen zum Aufsichtrat – zum Ausdruck 104

Vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 12; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 681. s. auch BT-Drs. 16/13433, S. 12; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 680; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 120, Rn. 54; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 120, Rn. 58. 106 Ermittlung der prozentualen Anteile auf Grundlage der Datenerhebung von Frhr. v. Falkenhausen/Kocher, AG 2011, 623. Für den DAX 30 s. auch die Datenerhebung bei Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 308 ff. 107 Frhr. v. Falkenhausen/Kocher, AG 2011, 623, 625. 108 ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012 (o. § 5, Fn. 234), S. 18. 105

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zu bringen.109 In der Hauptversammlungssaison 2011 haben viele der Gesellschaften, die im Jahr 2010 noch keine Abstimmung über das Vergütungssystem durchgeführt hatten, nachgezogen. Wenn im Jahr 2010 ein Votum eingeholt worden war und keine Änderungen erfolgt sind, haben die Gesellschaften allerdings auf eine erneute Abstimmung verzichtet. Aufgrund erfolgter Änderungen ließen zehn DAX-Unternehmen erneut abstimmen.110 (2) Tatsächliche Wirkungen eines „Say on Pay“-Votums Da das „Say on Pay“-Votum als rein konsultativer Hauptversammlungsbeschluss111 keine Rechtsfolgen nach sich zieht, sind für die Bedeutung des Votums nur die schon vom Gesetzgeber betonten „rein tatsächlichen Wirkungen“112 von Bedeutung. Grundsätzlich verspricht jedenfalls im vorstehenden Zusammenhang auch ein „nur“ konsultativer Beschluss Beachtung zu finden, weil es sich bei der Managervergütung um ein sensibles Thema handelt, das auf breites öffentliches Interesse stößt.113 Daher ist gerade bei negativen Aktionärsvoten eine umfassende Berichterstattung in der Presse zu erwarten, der somit für die tatsächlichen Wirkungen des „Say on Pay“-Votums eine wichtige Funktion zukommt.114 Unternehmen haben einen Anreiz, diese (negative) Berichterstattung zu verhindern. Der empirische Befund, der sich vor allem auf das Vereinigte Königreich bezieht, stützt diese Vermutung.115 Er deutet überwiegend daraufhin, dass ein konsultativer Hauptversammlungsbeschluss Einfluss auf die Managervergütung hat. So betonen einige Studien, dass die Aktionäre das Vergütungsvotum nutzen, um Unmut über ihnen missfallende Bezahlungspraktiken zum Ausdruck zu bringen. Konkret wenden sich die Aktionäre durch ein ablehnendes Votum gegen die beiden eingangs erwähnten Aspekte, nämlich gegen eine unangemessene Vergütungshöhe und gegen die Schaffung unvorteilhafter Anreize.116 Im zweiten Fall geht es den Aktionären 109

ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012 (o. Fn. 234), S. 22. Zum Ganzen Wettich, NZG 2011, 721, 726. 111 s. die Nachweise in § 5, Fn. 18 und § 5, Fn. 19. 112 BT-Drs. 16/13433, S. 12. 113 s. auch Döll, WM 2010, 103, 109 f.; Fleischer, NZG 2009, 801, 801; Schick, ZIP 2011, 593, 594. 114 Vgl. Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Schüppen, ZIP 2010, 905, 908. Aus dem US-amerikanischen Schrifttum s. Core/Guay/Larcker, 88 J. Fin. Econ. 1 (2008). 115 Für einen Überblick zu den bislang vorliegenden empirischen Erkenntnissen s. auch Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012, S. 115 ff. 116 Alissa, Boards’ Response to Shareholders Dissatisfaction: The Case of Shareholders’ Say on Pay in the UK, May 2009, S. 2 (abrufbar unter http://ssrn.com/abs 110

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

insbesondere darum, dass die Manager nicht auch bei Schlechtleistungen Prämien erhalten („rewards for failure“), etwa in Form hoher Abfindungszahlungen.117 Mehrheitlich kommen die Studien zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaften auf ein negatives Votum reagieren und die Vergütungsstruktur abändern.118 Dafür scheint es häufig noch nicht einmal einer formellen Abstimmungsniederlage zu bedürfen: Eine Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass bei mehr als 20% Gegenstimmen bereits 75 bis 80% der Gesellschaften reagieren.119 In diesem Sinne kann der vermeintlich schwache konsultative Hauptversammlungsbeschluss gegenüber einem verbindlichen Votum sogar von Vorteil sein.120 Einige Gesellschaften scheinen zudem „vorauseilenden Gehorsam“ an den Tag zu legen und ändern die Vergütungsstruktur – um es gar nicht erst zu einem negativen Votum kommen zu lassen – bereits vor der Hauptversammlung.121 In einer anderen Studie war allerdings nur eine schwache Evidenz dafür festzstellen, dass viele Gegenstimmen beim „Say on Pay“-Votum eine Gesellschaft zu Änderungen bei der Managervergütung veranlassen.122 Gemischt fällt das Ergebnis einer weiteren Studie aus, wonach das „Say on Pay“-Votum zwar bei Unternehtract=1412880); Carter/Zamora, Shareholder Remuneration Votes and CEO Compensation Design, January 2009, S. 19 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1004061); Conyon/Sadler, Shareholder Voting and Directors’ Remuneration Report Legislation: Say on Pay in the UK, August 2009, S. 5 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1457921); Ferri/Maber, Say on Pay Votes and CEO Compensation: Evidence from the UK, March 2011, S. 4 (abrufbar unter http://ssrn.com/ abstract=1420394). 117 Ferri/Maber, Say on Pay Votes and CEO Compensation: Evidence from the UK, March 2011, S. 2 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1420394). 118 Alissa, Boards’ Response to Shareholders Dissatisfaction: The Case of Shareholders’ Say on Pay in the UK, May 2009, S. 2 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/ abstract=1412880); Carter/Zamora, Shareholder Remuneration Votes and CEO Compensation Design, January 2009, S. 23 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/ab stract=1004061); Ferri/Maber, Say on Pay Votes and CEO Compensation: Evidence from the UK, March 2011, S. 21 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1420394); Sheehan, Is the outrage constraint an effectice constraint on executive remuneration? Evidence from the UK and preliminary results from Australia, March 2007, S. 3 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 974965). 119 So Ferri/Maber, Say on Pay Votes and CEO Compensation: Evidence from the UK, March 2011, S. 5 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1420394). 120 Levit/Malenko, 66 J. Fin. 1579, 1582 f. (2011); s. dazu auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 121 Ferri/Maber, Say on Pay Votes and CEO Compensation: Evidence from the UK, March 2011, S. 12 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1420394). Zur Bedeutung informeller Gespräche für die Erstellung von Vergütungssystemen s. auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 678; Davis, Does ‚Say on Pay‘ Work? Lessons on Making CEO Compensation Accountable, June 2007, S. 10 ff. (abrufbar unter http://millstein.som.yale.edu/teaching/workingpapers); Davies, Principles of Modern Company Law, 8. Aufl. (2008), Rn. 14-16 a. E.

I. Potentielle positive Auswirkungen auf die Corporate Governance

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men mit einer ineffizienten Vergütungsstruktur und einer auch ansonsten eher schlechten Corporate Governance werterhöhend wirke, bei anderen Unternehmen aber wertvernichtend.123 (3) Einflussnahme von Stimmrechtsberatern Stimmrechtsberater können demnach mittelbar zu einer Verbesserung der Managervergütung beitragen, indem sie den Aktionären sachgerechte Empfehlungen zur Stimmrechtsausübung bei „Say on Pay“-Voten unterbreiten und der Hauptversammlung so zu Handlungsfähigkeit verhelfen. Ob es tatsächlich zu Verbesserungen kommt, hängt davon ab, an welchen Kriterien Stimmrechtsberater ihre Empfehlungen ausrichten. ISS verweist darauf, dass die Empfehlungen zum Vergütungssystem grundsätzlich „case-by-case“ entwickelt würden, benennt aber dennoch einige allgemeine Prinzipien.124 Gefordert werden insbesondere eine umfassende Offenlegung des Vergütungssystems gegenüber den Aktionären, „angemessene“ leistungsorientierte Vergütungsbestandteile (pay for performance), die vor allem die langfristige Steigerung des Aktienkurses honorieren, und eine Vermeidung von Vereinbarungen, nach denen auch bei schlechten Leistungen Prämien zu gewähren sind (pay for failure).125 ISS weist außerdem daraufhin, dass sich besonders unerhörte („egregious“) Vergütungssysteme auch auf die Empfehlungen zu anderen Beschlussgegenständen wie die (Wieder-)Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und deren Entlastung auswirken könnten.126 ISS knüpft mit diesen Kriterien vor allem an die Bedenken an, die hinsichtlich der (fehlerhaften) Anreizwirkung von Vergütungssystemen bestehen. Der Stimmrechtsberater ist durch eine Prüfung der Vergütungssysteme im Einzelfall grundsätzlich zu einer Kontrolle von Vergütungssystemen in der Lage, die hinsichtlich Effektivität und Sachgerechtheit größeren Nutzen verspricht als abstrakte Festlegungen des Gesetzgebers. Bedenken gehen allerdings dahin, dass auch ein Stimmrechtsberater Vergütungssysteme nur scheinbar individuell bewertet, indem er sich immer an einem standardisierten Katalog von Kriterien orientiert (one-size-fits-all).127 122 Conyon/Sadler, Shareholder Voting and Directors’ Remuneration Report Legislation: Say on Pay in the UK, August 2009, S. 5 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1457921). 123 Cai/Walkling, Shareholders’ Say on Pay: Does it Create Value?, December 2008 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1101881). 124 s. dazu auch Diamond/Yevmenenko, 3 Bloomberg Corp. L. J. 606, 611 ff. (2008). 125 ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012 (o. Fn. 234), S. 18 f. 126 ISS, European Proxy Voting Guidelines Summary, 2012 (o. Fn. 234), S. 22. 127 s. dazu noch unten S. 242 f.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

c) Fazit Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und die Strukturierung von Vergütungssystemen für Manager sind zwar vom Gesetzgeber in Ansätzen reguliert. Von den Bestimmungen sind allerdings nur geringe Verbesserungen zu erwarten. Eine sachgerechte Kontrolle kann in beiden Bereichen grundsätzlich die Hauptversammlung gewährleisten, der Stimmrechtsberater durch die Überwindung des Kollektivhandlungsproblems eine größere Handlungsfähigkeit verleihen. Die Kriterien in den abstrakten Abstimmungsrichtlinien von ISS deuten daraufhin, dass der Stimmrechtsberater an bestehende Bedenken anknüpft und seine Empfehlungen daher tatsächlich zu Verbesserungen beitragen. Allerdings gewähren die Richtlinien einen breiten Handlungsspielraum. Für die Nutzung dieses Spielraums sind die Anreize der Stimmrechtsberater von Bedeutung.128 5. Zusammenfassung Die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern kann sich in mehrerlei Hinsicht positiv auswirken. Allgemein ist festzustellen, dass ein Stimmrechtsberater mit erheblichem Marktanteil die Möglichkeit zum Aktionärsaktivismus schafft. Er trägt zur Überwindung der rationalen Apathie, insbesondere zur Überwindung des Kollektivhandlungsproblems bei. Die Aktionäre werden so in die Lage versetzt, das Management effektiver als bislang kontrollieren zu können. Hinzu kommt, dass die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters institutionelle Anleger in die Lage versetzen, eine informierte Abstimmungsentscheidung zu treffen. Dadurch steigt die Qualität von Hauptversammlungsbeschlüssen. Da Stimmrechtsberater die Informationssammlung für eine Vielzahl institutioneller Anleger übernehmen, wird außerdem eine Überinvestition in die Informationssuche vermieden. Dass Aktionärsaktivismus eine wichtige Rolle spielen kann, zeigen zwei zentrale Bereiche der Corporate Governance-Diskussion, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und die Struktur von Vergütungssystemen für Manager, beispielhaft.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater Die grundlegende Erkenntnis des vorstehenden Teils dieser Arbeit besteht darin, dass Stimmrechtsberater prinzipiell positiv auf die Corporate Governance von Aktiengesellschaften einwirken können. Ob ein Stimmrechtsbera128 Schouten äußert daher Bedenken hinsichtlich des Einflusses, den Stimrechtsberater auf Vergütungssysteme haben, s. Schouten, The Mechanisms of Voting Efficiency, April 2011, S. 57 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1658397).

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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ter die möglichen Vorteile auch tatsächlich realisiert, hängt in vielen Fällen davon ab, wie er den weiten Beurteilungsspielraum der Abstimmungsrichtlinien nutzt. Optimal wäre es, wenn Stimmrechtsberater ihre Empfehlungen ausschließlich am Interesse der Aktionäre – also an der Steigerung des shareholder value – ausrichten würden.129 Tatsächlich unterliegen Stimmrechtsberater jedoch Fehlanreizen, die die Qualität der Abstimmungsempfehlungen negativ beeinflussen können.130 1. Prinzipal-Agenten-Verhältnis Ein Wirtschaftssubjekt unterliegt Fehlanreizen, wenn es sich in einem Prinzipal-Agenten-Verhältnis befindet und dort die Rolle des Agenten einnimmt.131 Der Begriff des Prinzipal-Agenten-Verhältnisses bezeichnet Beziehungen zwischen einem Auftraggeber (dem Prinzipal) und einem Beauftragten (dem Agenten), deren Merkmal in der „Trennung von Eigentum und Kontrolle“132 besteht: Der Agent trifft Entscheidungen in den Angelegenheiten des Prinzipals, wobei alleine der Prinzipal die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidungen zu tragen hat. Ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis liegt demnach vor, wenn der Agent in gewissem Maße über einen Entscheidungsspielraum verfügt bzw. wenn die Verwirklichung der Interessen des Prinzipals vom Verhalten des Agenten abhängig ist. Außerdem müssen Informationsasymmetrien hinzukommen, der Agent muss also einen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal besitzen.133 Anzutreffen sind derartige Beziehungen in vielen Lebensbereichen.134 Beispiele sind das Verhältnis zwischen Patient und Arzt135 oder das Verhältnis zwischen Mandant und Anwalt. Erstere nehmen die Rolle des Prinzipals ein, letztere die Rolle 129

So bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 151 („Die ideale Welt“). Zu den Fehlanreizen von Stimmrechtsberatern s. auch Fleischer, ZGR 2011, 155, 171 f.; ders., AG 2012, 2, 4 f.; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152 f. 131 Zum Prinzipal-Agenten-Verhältnis s. auch oben S. 184 ff. 132 So der Titel des grundlegenden Aufsatzes von Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301 (1983) (in englischer Sprache: „Separation of Ownership and Control“); speziell zum Verhältnis zwischen Aktionären und Managern früher bereits Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932; Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976). 133 Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 35, 35; Steffek, in: Beiträge für Hopt, 2008, S. 291, 294; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 173 f.; zu verschiedenen Arten asymmetrischer Information s. Spremann, ZfB 60 (1990), 561, 564 ff. 134 s. auch die Anwendungsbeispiele bei Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 311 ff. (1983). 135 s. dazu bereits oben S. 30. 130

208

§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

des Agenten. Auch im Kapitalgesellschaftsrecht sind mehrere PrinzipalAgenten-Verhältnisse anzutreffen.136 Die wohl prominenteste Rolle nimmt dabei die Beziehung zwischen Aktionären und Managern ein, auf die bereits hingewiesen wurde.137 Hier soll der Frage nachgegangen werden, ob die Beziehung zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern die Merkmale eines Prinzipal-Agenten-Konflikts erfüllt.138 Stimmrechtsberater nehmen mit ihren Abstimmungsempfehlungen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte, die den institutionellen Anlegern aufgrund ihres Aktienbesitzes zustehen. Die Stimmrechtsausübung hat Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens und damit auch auf den Wert der Aktien. Dieser ist zwar für die institutionellen Anleger von Belang, nicht aber für deren Stimmrechtsberater, der in der Regel selbst kein Aktionär der betreffenden Gesellschaft ist. Es liegt demnach eine Trennung von Eigentum und Kontrolle vor: Während der Stimmrechtsberater als Agent (faktisch) die Entscheidung über die Ausübung der Stimmrechte trifft, ist alleine der institutionelle Anleger als Aktionär (Prinzipal) von den wirtschaftlichen Folgen betroffen. Zudem verfügt nur der Stimmrechtsberater über eine vollumfängliche Kenntnis der der Abstimmungsempfehlung zugrunde liegenden Informationen, bestimmt über deren Auswahl und wertet sie aus. Dem institutionellen Anleger werden zwar in der Regel die für die ausgesprochene Empfehlung relevanten Informationen zur Verfügung gestellt. Er ist aber weder in der Lage noch willens, sich eine vollkommen unabhängige eigene Meinung zu bilden und auf diese Weise die Entscheidung des Stimmrechtsberaters zu kontrollieren. Dafür spricht neben der Vorauswahl der Informationen durch den Stimmrechtsberater vor allem, dass institutionelle Anleger Stimmrechtsberater (unter anderem) engagieren, um sich selbst Arbeit zu ersparen. Zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern bestehen demnach auch Informationsasymmetrien. Die Beziehung zwischen den beiden Wirtschaftssubjekten ist somit als ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis zu klassifizieren. In einem Prinzipal-Agenten-Verhältnis bestehen Fehlanreize (daher: Prinzipal-Agenten-Konflikt). Für den Prinzipal birgt das Abhängigkeitsverhältnis insbesondere die Gefahr des moralischen Risikos (moral hazard). Dieses be136 Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 35 ff.; Davies/Hopt, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 225 ff. Speziell zu den Erscheinungsformen von Agenturkonflikten in geschlossenen Gesellschaften s. kürzlich Weller, ZGR 2012, 386, 390 ff. 137 Oben S. 184 ff. 138 Dazu auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 404 ff. (2009). Verdam, An Exploration of the Role of Proxy Advisors in Proxy Voting, December 2006, S. 20 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=978835) spricht von einem „ ‚interest vacuum‘ “.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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steht darin, dass dem Agenten als homo oeconomicus opportunistisches Verhalten zu unterstellen ist, er also in bestimmten Situationen den eigenen Interessen gegenüber denen des Prinzipals den Vorzug einräumen wird.139 Der Prinzipal kann zwar versuchen, den Agenten zu einem für ihn vorteilhaften Verhalten anzuhalten – entweder indem er entsprechende Anreize schafft oder indem er eine umfassende Überwachung gewährleistet.140 Eine vollständige Beseitigung des Konflikts wird ihm jedoch nicht gelingen, weil die dabei entstehenden Kosten zu hoch wären.141 Für den Prinzipal verursacht die Übertragung der Kontrolle über sein Eigentum demnach Kosten, die als Vertretungskosten (agency costs) bezeichnet werden. Sie setzen sich zusammen aus den Kosten, die der Prinzipal für die Überwachung und die Schaffung von Anreizen aufwenden muss, den Kautionsausgaben des Agenten (etwa die Zusicherung, den Prinzipal für Aktionen, die ihm schaden, zu entschädigen) und dem Wohlfahrtsverlust des Prinzipals, der trotz der Versuche zur Beschränkung der Auswirkungen des Prinzipal-Agenten-Konflikts verbleibt.142 Im hier beschriebenen Konflikt zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern ist aufgrund der rationalen Apathie der institutionellen Anleger nicht davon auszugehen, dass diese erhebliche Ressourcen auf die Kontrolle der Arbeit ihres Stimmrechtsberaters verwenden. Die agency costs dürften daher im Wesentlichen aus den Wohlfahrtsverlusten des Prinzipals bestehen. Diese Überlegungen sind entsprechend für die Konstellationen des empty voting vorgetragen worden143: Dort übersteigt die Stimmrechtsmacht eines 139 Grundlegend Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 304 (1983): „Without effective control procedures, such decision managers are more likely to take actions that deviate from the interests of residiual claimants.“; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 47 ff. s. auch Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 35, 35; Elschen, zfbf 43 (1991), 1002, 1004 f.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; Richter/ Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 64, 174; Steffek, in: Beiträge für Hopt, 2008, S. 291, 294; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 3, 10 ff.; im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auch Hellgardt, in: FS Hopt, 2010, S. 765, 769 f. Allgemein zum Modell des homo oeconomicus s. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 30 ff. 140 Vgl. Elschen, zfbf 43 (1991), 1002, 1005; Spremann, ZfB 60 (1990), 561, 581 ff. 141 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 174. 142 Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 ff. (1976); Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 304 f. (1983); s. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 15 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 176 f. 143 s. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 850 ff. (2006); Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409 f.; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609; s. auch Seibt, ZGR 2010, 795, 815 ff.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Aktionärs seine wirtschaftliche Beteiligung. Die zusätzliche Stimmrechtsmacht widerspricht dem Grundsatz one share – one vote144, sodass der Einfluss auf das Unternehmen größer ist als das Residualrisiko, das auf den Aktionär entfällt. Es besteht daher sowohl die Gefahr, dass Kontrollrechte nicht optimal genutzt werden, als auch die Gefahr, dass die zusätzliche Stimmrechtsmacht genutzt wird, um sich auf Kosten der Mitgesellschafter zu bereichern.145 Im Unterschied zu den typischen Konstellationen der Stimmrechtsberatung besteht in Fällen des empty voting (jedenfalls in der Regel) aber überhaupt eine wirtschaftliche Betroffenheit desjenigen, der die Stimmrechte ausübt. Da die Intensität des Fehlanreizes davon abhängt, in welchem Maße die Stimmrechtsmacht das Residualrisiko überschreitet, wäre der Fehlanreiz eines Stimmrechtsberaters geringer, wenn er selbst an den Gesellschaften beteiligt wäre, für deren Hauptversammlungen er Abstimmungsempfehlungen ausspricht.146 Insbesondere bei Governance for Owners und Ethos, die beide auch Fonds betreiben, könnten sich solche Situationen ergeben. Für beide Phänome – empty voting und Stimmrechtsberatung – gilt, dass sie der Intention des mitgliedschaftlichen Abspaltungsverbots (§ 717 S. 1 BGB)147 zuwider laufen.148 Zwar werden die Inhaberschaft an den Aktien und die damit verbundenen Stimmrechte nicht voneinander getrennt, sodass kein Verstoß im Rechtssinne vorliegt. Faktisch führen die Phänomene aber gleichwohl dazu, dass die Entscheidungen über die Ausübung mitgliedschaftlicher Teilhaberechte nicht oder nicht in einer dem Umfang der Teilhaberschaft entsprechenden Maß von den Mitgliedern getroffen werden. Ökonomisch betrachtet erscheinen empty voting und Stimmrechtsberatung daher im Lichte des Abspaltungsverbots bedenklich. Bedeutsam ist eine Schlussfolgerung, die sich aus der Herstellung eines Bezugs zu den oben beschriebenen positiven Aspekten der Stimmrechtsberatung ergibt. Dort stand die Ermöglichung von Aktionärsaktivismus im Mittelpunkt, die zur Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts zwischen Managern und Aktionären beiträgt. Nun wurde festgestellt, dass Stimm144 Dazu grundlegend Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395 (1983), insbes. S. 408 ff.; s. auch dies., The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 72 ff. 145 So kürzlich Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 50 ff. 146 Vgl. Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609: Es seien solche Fälle des empty voting weniger problematisch, „in denen der Stimmrechtsinhaber zumindest teilweise im Risiko steht“. 147 Zum mitgliedschaftlichen Abspaltungsverbot und seiner Geltung im Aktienrecht s. bereits die Nachweise in Fn. 25. 148 Dazu mit Blick auf Stimmrechtsberater auch Fleischer, AG 2012, 2, 2; U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 88; Wilsing, ZGR 2012, 291, 295.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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rechtsberater selbst Agenten sind. Daraus folgt die Erkenntnis, dass die Tätigkeit der Stimmrechtsberater zwar zur Auflösung des einen PrinzipalAgenten-Konflikts (Manager/Aktionäre) beiträgt, dadurch aber ein neuer Prinzipal-Agenten-Konflikt (Stimmrechtsberater/Aktionäre) entsteht. Für die faktische Überwachung von Managern durch Stimmrechtsberater gilt daher das, was Black vor ungefähr zwanzig Jahren in Hinblick auf die Rolle von institutionellen Anlegern als Aktionäre festgestellt hat: „Agents Watching Agents“.149 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die (faktische) Übertragung der Kompetenz zur Stimmrechtsausübung durch institutionelle Anleger auf Stimmrechtsberater ökonomischen Bedenken begegnet. Da Stimmrechtsberater von den wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns nicht betroffen sind, bestehen Fehlanreize. Mit dem Beitrag zur Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts zwischen Aktionären und Managern geht die Begründung eines neuen Konflikts einher. 2. (Fehlende) Treuepflicht der Stimmrechtsberater Für Personen, die in unmittelbarer Beziehung zu einer Aktiengesellschaft stehen, gelten in der Regel besondere Loyalitätspflichten. So besteht für die Aktionäre der Gesellschaft – wenngleich auch nur in sehr beschränktem Umfang – eine Treuepflicht150, die sich (wohl) aus § 242 BGB ergibt.151 Vorstandsmitglieder tragen zwar nicht das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung, doch auch sie stehen als Organmitglieder und als Angestellte in einer unmittelbaren Beziehung zur Aktiengesellschaft und schulden ihr daher ebenfalls ein loyales Verhalten.152 Zu unterscheiden ist zwischen der organschaftlichen Sorgfaltspflicht, die in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG explizit genannt wird153, und der Treuepflicht. Die Treuepflicht ergibt sich nicht 149 Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 850 ff. (1992), s. auch den Titel des Beitrags: „Agents Watching Agents: The Promise of Institutional Investor Voice“; zur Problematik auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 478 f. Wie hier bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152. 150 Näher Grunewald, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. (2011), 2. C. Rn. 39 f.; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. (2006), S. 195 f.; Saenger, Gesellschaftsrecht, 2010, Rn. 569; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 20 IV 2, S. 591 ff., § 28 I 4, S. 799 ff. 151 Ausführlich zur Frage der Rechtsgrundlage Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 ff. 152 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 28 II 4, S. 815 f. 153 Vgl. Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7, Rn. 1 f.; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 10 ff. jew. m. w. N.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

explizit aus dem Gesetz, ist aber dennoch allgemein anerkannt. Einzelne Ausprägungen sind das Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) sowie die Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG).154 Im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht bestehen mit der duty of care und der duty of loyalty ähnliche Bindungen der directors sowie der executive officers an die corporation.155 In Hinblick auf die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Aktionären und Vorstand ist insbesondere die Treuepflicht von Bedeutung. Das Bestehen der Treuepflicht beruht auf dem Umstand, dass die Vorstandsmitglieder fremdes Vermögen verwalten, sie also als Treuhänder für die Aktionäre tätig werden.156 Die Pflicht gebietet daher, dass die Vorstandsmitglieder „in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Aktiengesellschaft berühren, allein deren Wohl und Wehe und nicht ihren eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer“ im Auge haben dürfen.157 Bei einer Verletzung der Sorgfalts- oder Treuepflicht haftet der Vorstand der Aktiengesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG.158 Nach US-amerikanischem Gesellschaftsrecht sind auch executive officers dazu verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen.159 Die Treuepflicht und die bei ihrer Verletzung drohende Inanspruchnahme durch die Gesellschaft hält den Vorstand von opportunistischem Verhalten ab, hat also eine disziplinierende Wirkung und schränkt dadurch die Fehlanreize ein, die aus dem Prinzipal-Agenten-Konflikt resultieren. Stimmrechtsberater stehen hingegen in keiner unmittelbaren Beziehung zu den Aktiengesellschaften, für deren Hauptversammlungen sie Abstimmungsempfehlungen abgeben. Ob auch für sie eine Treuepflicht besteht, ist daher 154

Vgl. Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 9, Rn. 1; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 113 ff. jew. m. w. N. 155 Im Einzelnen Martin, NZG 2003, 948, 949 ff.; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 820 ff., 827 ff., 877 ff.; s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 422 (2009). 156 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 9, Rn. 2; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 114 m. w. N.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), § 93, Rn. 92; s. auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 93, Rn. 95; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Corporate Governance, 2. Aufl. (2009), S. 423, 427; aus der Rechtsprechung BGHZ 129, 30, 34; 159, 30, 42. 157 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 9, Rn. 2; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 114 m. w. N.; s. auch Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 16; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 93, Rn. 95, 100, 105 m. w. N. 158 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 93, Rn. 200 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 93, Rn. 4. 159 Martin, NZG 2003, 948, 951 f.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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fraglich.160 Sofern das Bestehen einer solchen Pflicht zu verneinen ist, begegnete die Kontrolle der Manager durch Stimmrechtsberater nicht nur deshalb Bedenken, weil auch der Kontrolleur Agent ist („Agents Watching Agents“). Hinzu käme, dass der kontrollierende Agent (Stimmrechtsberater) aufgrund fehlender Treuepflichten stärkeren Fehlanreizen unterläge als der kontrollierte Agent (Manager), der Treuepflichten unterliegt.161 Ob für Stimmrechtsberater tatsächlich keine Treuepflicht besteht, bedarf allerdings eines genaueren Hinsehens. Ganz fernliegend ist die Annahme einer Treuepflicht für nicht unmittelbar mit der Gesellschaft verbundene Akteuere nämlich nicht, wie die vor dem Hintergrund des Falls „Girmes“162 geführte Diskussion über eine Treuepflicht des Stimmrechtsvertreters zeigt.163 Der BGH hat dort zwar argumentiert, dass es sich bei der Treuepflicht um einen „Ausfluss der mitgliedschaftlichen Beteiligung“ handele und daher die Pflicht von der Mitgliedschaft nicht getrennt werden könne.164 Der Stimmrechtsvertreter sei aber eben kein Aktionär, sodass für ihn auch keine Treuepflicht gelte.165 Im Schrifttum wurde eine Treuepflicht zum Teil jedoch bejaht, wobei die Begründungen unterschiedlich ausfallen. Einige stellen auf die Übertragung der Stimmrechtsmacht, mit der auch die Treuepflicht auf den Stimmrechtsvertreter übergehe.166 Andere verweisen hingegen auf die Besonderheiten der institutionellen Stimmrechtsvertretung.167 Hier sei es häufig der Stimmrechtsvertreter, der die Stimmrechte zahlreicher Aktionäre bündele und dadurch selbst zum Initiator des Wider160 Im US-amerikanischen Schrifttum wird das Vorliegen einer Treuepflicht – soweit ersichtlich einhellig – verneint, s. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 422 ff. (2009); Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 872 (2010); Strine, 119 Harv. L. Rev. 1759, 1765 (2006). Referierend auch Fleischer, ZGR 2011, 155, 171 f. 161 Ähnlich bereits Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 423 (2009): „The trend of substituting ISS’ recommendations for those of company managers means that mutual funds are replacing agents who are constrained by relatively strong fiduciary duties with agents who have relatively weak fiduciary duties.“ 162 BGHZ 129, 136. 163 Überblick bei A. Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 111 ff.; Schmitt, Die Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 77 ff. 164 BGHZ 129, 136, 148 f. 165 Vgl. Hammen, ZBB 1993, 239, 242 f.; Heermann, ZIP 1994, 1243, 1244 f.; s. auch Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 165 ff., nach dessen Auffassung allerdings die Bindungen aus der Treuepflicht den Stimmrechtsvertreter treffen sollen, während die Haftung bei den Aktionären verbleibe. 166 Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 184 f.; ähnlich Schöne, WM 1992, 209, 212. 167 Zur Differenzierung zwischen privaten und institutionellen Stimmrechtsvertretern s. Lutter, JZ 1995, 1053, 1056.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

stands gegen Beschlussvorschläge der Verwaltung werde.168 Eine Bewertung seiner Stellung als bloßer Stimmrechtsvertreter werde der „Wirklichkeit des Lebens“ und der „Macht der Tatsachen“ daher nicht gerecht.169 Möglicherweise können die für die Existenz einer Treuepflicht der Stimmrechtsvertreter vorgetragenen Argumente auf Stimmrechtsberater übertragen werden. Soweit allerdings argumentiert wird, dass die Treuepflicht der Stimmrechtsmacht folge, ist die Situation bei Stimmrechtsberatern eine andere. Diese üben das Stimmrecht ja – jedenfalls soweit es alleine um die Beratungstätigkeit geht170 – nicht selbst aus, sodass die Stimmrechtsmacht rechtlich beim Aktionär verbleibt. Die Besonderheiten institutioneller Stimmrechtsvertreter, die als Initiatoren des Widerstands gegen die Verwaltung ausgemacht werden, gelten hingegen grundsätzlich auch für Stimmrechtsberater. Deren Funktion ist gerade die einer Kontrollinstanz für die Beschlussvorschläge der Verwaltung. Allerdings steht hinter der Annahme einer Treuepflicht für Stimmrechtsvertreter das Schutzbedürfnis der Aktionäre171: Diese haften grundsätzlich nach § 278 BGB für das Fehlverhalten des Bevollmächtigten.172 Bei institutionellen Stimmrechtsvertretern wird bzw. wurde173 dies zum Teil als unangemessen angesehen174, weshalb solche Akteure aufgrund einer eigenen Treuepflicht175 bzw. im Wege einer Eigenhaftung des Vertreters selbst haften sollen. Die Eigenhaftung des Vertreters wird damit begründet, dass zwar nicht die anerkannte Fallgruppe des wirtschaftlichen Eigeninteresses vorliege, dass es aber keinen Unterschied machen könne, ob es sich um ein wirtschaftliches oder ein immaterielles Eigeninteresse handele.176 Diese Erwägungen sind auf Stimmrechtsberater 168 Vgl. Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 262 ff., der allerdings nicht vom Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ausgeht, sondern die Frage einer Eigenhaftung des Vertreters behandelt. Aus ähnlichen Gründen für eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht aber Lutter, JZ 1995, 1053, 1056; Timm, WM 1991, 481, 488. 169 Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 266. 170 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass einige Stimmrechtsberater auch die Stimmrechtsvertretung anbieten. 171 s. auch Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 166. 172 Hammen, ZBB 1993, 239, 239 f.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 264; Lutter, JZ 1995, 1053, 1055. 173 Heute würde das Schutzbedürfnis der Aktionäre aufgrund des Weisungserfordernisses nach § 135 Abs. 1 S. 4, Abs. 8 AktG wohl als geringer eingestuft. 174 s. nur Lutter, JZ 1995, 1053, 1056: „Soll in diesem System aber der kleine Aktionär für die riesigen Schäden haften, die sein wildgewordener Bevollmächtigter unter dem Schirm seiner Vollmacht anrichtet?“. 175 Lutter, JZ 1995, 1053, 1056. 176 Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 265 f.; s. auch Henssler, ZHR 157 (1993), 91, 116.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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jedoch nicht übertragbar.177 Stimmrechtsberater sprechen lediglich Empfehlungen gegenüber den Aktionären aus, die zwar häufig, aber nicht automatisch befolgt werden. Letztlich obliegt die Ausübung des Stimmrechts dem Aktionär selbst. Die Kausalität der Empfehlung eines Stimmrechtsberaters für das Abstimmungsverhalten des Aktionärs liegt zwar nahe, kann für den Einzelfall aber praktisch nie belegt werden. Die inneren Beweggründe für sein Votum kennt alleine der einzelne Aktionär. Somit fungiert ein Stimmrechtsberater nicht als Treuhänder der Aktionäre. Die bloße Einflussnahme auf die Stimmabgabe genügt für die Annahme einer Treuepflicht nicht.178 Der Aktionär ist für sein Handeln selbst verantwortlich.179 Aufgrund des Fehlens einer Treuepflicht der Stimmrechtsberater gilt die oben geschilderte Folgerung: Der Prinzipal-Agenten-Konflikt zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern begründet gegenüber der Gesellschaft stärkere Fehlanreize als der Prinzipal-Agenten-Konflikt zwischen Aktionären und Managern.180 Der Nutzen einer Kontrolle der Manager durch die Aktionäre, die von einem Stimmrechtsberater initiiert wird, erscheint somit fraglich. 3. Interessenkonflikte Institutionelle Anleger erwarten von einem Stimmrechtsberater, dass dessen Abstimmungsempfehlungen ausschließlich an ihren Interessen ausgerichtet sind. Sofern ein Unternehmen, von dem eine unabhängige Einschätzung erwartet wird, zugleich die Interessen weiterer Akteure zu beachten hat, entstehen ebenfalls Fehlanreize. Bei der Tätigkeit von Stimmrechtsberatern treten in mehrfacher Hinsicht Interessenkonflikte auf.181 177

A. A. Vaupel, AG 2011, 63, 65. So im Ergebnis auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 97; vgl. auch die Argumentation von Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 166 ff., der in Bezug auf Stimmrechtsvertreter die Eigenverantwortung der Aktionäre betont. 179 s. auch Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 169: „Auch für Koalitionsaktionäre gilt die alte Mahnung, bei jeder Handlung deren Weisheit zu bedenken und auf das Ende des Tuns zu sehen.“ 180 Zur Haftung des Stimmrechtsberaters gegenüber der Gesellschaft aus anderen Gründen sowie zur Haftung gegenüber den institutionellen Anlegern s. noch eingehend S. 284 ff. 181 s. auch SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 116 ff.; Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 42 ff. 178

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

a) Gleichzeitige Beratung von institutionellen Anlegern und Unternehmen Zuvorderst ist eine Besonderheit des Geschäftsmodells von ISS von Bedeutung, auf die bereits bei der Darstellung des Unternehmens hingewiesen wurde. ISS berät nicht nur institutionelle Anleger, sondern bietet unter dem Label ICS auch eine Corporate Governance-Beratung für Unternehmen, das heißt für die Manager von Aktiengesellschaften an.182 aa) Interessenkonflikt aufgrund des Prinzipal-Agenten-Verhältnisses zwischen Aktionären und Managern Aktionäre und Manager stehen zueinander, wie bereits beschrieben, in einem Prinzipal-Agenten-Verhältnis. Daraus folgt, dass die Interessen der beiden Gruppen nicht parallel verlaufen müssen, sondern einander widersprechen können. Daher müssen die Aktionäre, um die Vertretungskosten gering zu halten, die Kontrolle des Vorstands gewährleisten und auf die Setzung der für sie vorteilhaften Anreize hinwirken. Zwar sind diese Aufgaben im deutschen Aktienrecht nicht unmittelbar den Aktionären zugewiesen, sondern dem von ihnen (und ggf. von den Arbeitnehmern als weiteren stakeholdern) eingesetzten Aufsichtsrat. Dessen Funktion ist jedoch (jedenfalls in Hinblick auf die Anteilseignervertreter) die eines „Hauptversammlungsausschusses“. Der Aufsichtsrat fungiert gewissermaßen als Stellvertreter der Aktionäre und wahrt deren Interessen außerhalb der Hauptversammlung.

Ein Stimmrechtsberater, der sowohl die Aktionäre als auch den Vorstand berät, muss demnach unterschiedliche Interessen berücksichtigen.183 Setzt man die Beratungsleistung mit der Rolle des Beratenen gleich, fungiert ISS sowohl als Aktionär als auch als Manager. Weil die Rollenverteilung tatsächlich erhalten bleibt, kommt es dadurch jedoch nicht zu einer Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts zwischen Aktionären und Managern, sondern zu dessen Zuspitzung. Pointierter ausgedrückt: ISS kontrolliert sich selbst. 182

s. dazu auch Diamond/Yevmenenko, 3 Bloomberg Corp. L. J. 606, 614 f. (2008); European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 21; Fleischer, AG 2012, 2, 4; Verdam, An Exploration of the Role of Proxy Advisors in Proxy Voting, December 2006, S. 14 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=978835). 183 s. auch U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 9 f.; s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 399 f. (2009); Choi/ Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 650, 653 (2009); Gordon, 46 Harv. J. on Legislation 323, 352 (2009). Aus deutscher Sicht U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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Das U.S. Government Accountability Office (GAO) hat in seiner Untersuchung zu Stimmrechtsberatern auf ein Beispiel hingewiesen, in dem der beschriebene Interessenkonflikt zum Tragen kommt184: ISS könnte dem Vorstand einer Gesellschaft bei der Strukturierung eines Vergütungsmodells behilflich sein und sodann den Aktionären die Zustimmung zu der entsprechenden Beschlussvorlage empfehlen. Von einer unabhängigen Abstimmungsempfehlung kann in diesem Fall keine Rede sein: Die Ablehnung eines unter eigener Mitwirkung zustande gekommenen Vergütungssystems wird der Stimmrechtsberater kaum empfehlen. Ganz im Gegenteil könnten sich Unternehmen sogar gezwungen sehen, die Beratungsdienste von ISS in Anspruch zu nehmen, um zustimmende Empfehlungen zu erhalten.185 Bei der Beratungstätigkeit für Unternehmen besteht ein entscheidender Unterschied zum bloßen Dialog zwischen Stimmrechtsberater und Vorständen, mit denen die Unternehmensleitung vorab sicherstellen will, ob der Stimmrechtsberater die Zustimmung empfehlen wird bzw. welche Änderungen hierzu notwendig wären. Sobald der Stimmrechtsberater gegen Entgelt engagiert wird, begibt er sich in ein Abhängigkeitsverhältnis und hat einen Anreiz – die Erhaltung des Mandats – dem Vorstand entgegenzukommen. Er lässt sich daher nicht nur von den Interessen der Aktionäre leiten, sondern auch von den Interessen des Vorstands, unterliegt also einem Interessenkonflikt. Die konträren Anreize lassen ineffiziente Arbeitsergebnisse erwarten. Die beschriebenen Strukturen erinnern an die Tätigkeit der im Zuge der Subprime-Krise heftig in die Kritik geratenenen Ratingagenturen: Diese beraten Emittenten bei der Strukturierung von Finanzprodukten und werden sodann mit deren Bewertung beauftragt. Auch hierin wurde ein erhebliches Konfliktpotential erblickt.186 bb) Entgegenwirkende Maßnahmen von ISS ISS wurde von Seiten der institutionellen Anleger aufgrund seiner parallelen Beratungstätigkeit für Unternehmen kritisiert und musste die Abwanderung eines Teils seiner Kunden zu Konkurrenzunternehmen, vor allem zu Glass Lewis, hinnehmen.187 Daher hat der Stimmrechtsberater Maßnah184

U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 10. Dazu U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 10: „Some industry professionals also contend that corporations could feel obligated to subscribe to ISS’s consulting services in order to obtain favorable proxy vote recommendations on their proposals and favorable corporate governance ratings.“ 186 Vgl. Blaurock, ZGR 2007, 603, 643; Haar, ZBB 2009, 177, 182. 187 Dazu bereits oben S. 44 f. und S. 79 f. 185

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

men ergriffen, um dem Interessenkonflikt entgegenzuwirken. Dazu zählt insbesondere die organisatorische Trennung (chinese walls) der Geschäftsbereiche für die Beratung der institutionellen Anleger und die Beratung der Unternehmen.188 Die Beratung der Unternehmen nimmt die hundertprozentige Tochtergesellschaft ISS Corporate Services (ICS) wahr. Die organisatorische Trennung soll auch die Verwendung unterschiedlichen Personals beinhalten, das in unterschiedlichen Gebäuden arbeitet und auf unterschiedliche Arbeitsmaterialen zurückgreift.189 Zudem gibt ISS institutionellen Anlegern die Möglichkeit zu erfahren, ob und inwieweit Unternehmen die Dienste von ICS in Anspruch nehmen.190 Die Unternehmen wiederum müssen eine Vereinbarung unterzeichnen, nach der die Inanspruchnahme der Dienste von ICS keine zustimmenden Empfehlungen von ISS garantiert.191 Zwar wird die Effektivität der Maßnahmen von ISS von einem Gutachten der Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell bestätigt192: „Based on the information we have gathered in the performance of our services and the experience we have gained through our practice, it is our view that Risk Metrics Group’s current protections effectively manage the potential for conflict, and perceived conflict, between ICS and ISS.“ Allerdings wurde das Gutachten von ISS selbst in Auftrag gegeben und ist daher seinerseits nicht frei von Interessenkonflikten zustande gekommen. Tatsächlich dürften die von ISS getroffenen Maßnahmen zu einer Abschwächung des Interessenkonflikts geführt haben. Dies entspricht der Einschätzung einiger institutioneller Anleger, die gegenüber dem GAO erklärten, mit den von ISS getroffenen Maßnahmen zufrieden zu sein.193 Von einer vollständigen Aufhebung des Interessenkonflikts kann man jedoch nicht mit Sicherheit ausgehen, da die Effektivität der von ISS getroffenen Maßnahmen bislang nicht von unabhängiger Seite bewertet werden konnte. Die insoweit nötigen Informationen hat das Unternehmen nicht veröffentlicht.194 Außerdem steht die Effektivi188

Allgemein zum Instrument der chinese walls als Mittel zur Bewältigung von Interessenkonflikten s. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 4. Aufl. (2011), § 109, Rn. 141 ff.; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 86 f. 189 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 10. 190 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 10; s. auch ISS, Regulatory Code of Ethics, November 2010, S. 15 ff., abrufbar unter http://www.issgovernance.com/practices (Stand: 23. 04. 2012). 191 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 10 f. 192 Sullivan & Cromwell, Gutachten für RiskMetrics, Inc., Nominating and Corporate Governance Committee, November 29, 2007, abrufbar unter http://www.iss governance.com/practices (Stand: 23. 04. 2012). 193 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 11. Repräsentativ ist die Umfrage jedoch nicht, s. S. 20 f. der Studie.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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tät von chinese walls, die das Kernstück der von ISS getroffenen Maßnahmen darstellen, grundsätzlich in Zweifel. Sie scheinen zur Auflösung von Interessenkonflikten nur bedingt geeignet zu sein.195 So kommt eine empirische Studie für den Bereich der Wertpapierunternehmen (securities firms) zu dem Ergebnis, dass die dort errichteten Barrieren zwischen den einzelnen Abteilungen durchlässig und ineffektiv seien.196 Für den Bereich der Banken wird der englische Kapitalmarktrechtler Gower mit einer Bemerkung zitiert, die in dieselbe Richtung deutet.197 Konkrete Bedenken in Bezug auf ISS lässt der Umstand aufkommen, dass die Empfehlungen von ISS nicht selten in den Medien thematisiert werden, sodass die unterschiedlichen Abteilungen des Stimmrechtsberaters jedenfalls auf diesem Wege Informationen über die Tätigkeit des jeweils anderen Geschäftsbereichs erhalten können.198 Im Ergebnis kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Interessenkonflikt, der aufgrund der Beratung von institutionellen Anlegern und Unternehmen besteht, durch die Maßnahmen vollständig beseitigt würde, die der Stimmrechtsberater bislang getroffen hat. b) Weitere Interessenkonflikte bei Stimmrechtsberatern Bei der Tätigkeit der Stimmrechtsberater können weitere Interessenkonflikte auftreten. Zunächst kommt in Betracht, dass die Eigentümer oder die Mitglieder der Geschäftsführung eines Stimmrechtsberaters in einer Beziehung zu Unternehmen stehen, für deren Aktionäre Abstimmungsempfehlungen abgegeben werden.199 Denkbar sind eine Kapitalbeteiligung, eine Mitgliedschaft im board bzw. Aufsichtsrat oder geschäftliche Verbindungen. Möglich ist es auch, dass der Stimmrechtsberater selbst Beteiligungen an den Unternehmen hält.200 In allen Fällen könnten Erwägungen in die Entwicklung der Abstimmungsempfehlungen einfließen, die nicht nur die Interessen der Kunden, sondern möglicherweise auch eigene strategische Ziele 194 So die Äußerung eines vom GAO befragten Wissenschaftlers, s. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 11. 195 So auch die Einschätzung von Hopt, in: FS Heinsius, 1991, S. 289, 320; Tuch, 24 Comp. & Sec. L. J. 107, 123 f. (2006). 196 Seyhun, Insider Trading and Effectiveness of Chinese Walls in Securities Firms, March 2007, S. 4 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1016865). 197 Nach Hopt, in: FS Heinsius, 1991, S. 289, 320; ders., ZGR 2002, 333, 368: „I have never met a Chinese wall that did not have a grapevine trailing over it.“ 198 Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 11. 199 Dazu U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95; U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 11. 200 Das gilt insbesondere für Ethos und für Governance for Owners. Beide Unternehmen sind als Stimmrechtsberater tätig und betreiben zugleich Fonds. s. dazu die Darstellungen auf S. 48 ff. (Ethos) und S. 60 f. (Governance for Owners).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

berücksichtigen. Die Interessen müssen zwar nicht konträr verlaufen – beispielsweise können, wenn sowohl der beratene institutionelle Anleger als auch der Stimmrechtsberater an einem Unternehmen beteiligt sind, beide an einer bloßen Steigerung des Aktienkurses interessiert sein –, sie können es aber. Zudem wird angeführt, dass sich ein Interessenkonflikt dann ergeben könne, wenn ein institutioneller Anleger, der Kunde eines Stimmrechtsberaters ist, auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft einen eigenen Antrag stellt. Für den Stimmrechtsberater bestehe ein Anreiz, solchen Anträgen zuzustimmen, um den institutionellen Anleger nicht als Kunden zu verlieren.201 Allerdings erscheint es eher abwegig, dass der den Antrag stellende institutionelle Anleger von seinem Stimmrechtsberater tatsächlich eine zustimmende Empfehlung erwartet. Schließlich müsste er dann davon ausgehen, dass der Stimmrechtsberater auch in anderen Fällen Empfehlungen „auf Zuruf“ abgibt und nicht objektiv entscheidet. Langfristig betrachtet kann es daher nicht im Interesse des institutionellen Anlegers und damit auch nicht im Interesse des Stimmrechtsberaters sein, wenn der Stimmrechtsberater den Anträgen seiner Kunden bevorzugt zustimmt. Mit diesem Aspekt verwandt ist die Frage, inwieweit ein Stimmrechtsberater – angesichts in der Regel identischer Empfehlungen – in der Lage ist, den unterschiedlichen Interessen seiner Kunden gerecht zu werden. Ein Beispiel ist die Abstimmung über die Fusion zweier Unternehmen A und B, wobei ein institutioneller Anleger am Unternehmen B und ein anderer an dessen Konkurrenten C beteiligt ist.202 In solchen und ähnlichen Konstellationen ist es für einen Stimmrechtsberater nahezu unmöglich, eine „objektiv richtige“ Abstimmungsempfehlung zu entwickeln. Individualisierte Abstimmungsempfehlungen, wie sie etwa ISS anbietet, vermögen den Interessenkonflikt nicht zu beseitigen: Sie erlauben die Berücksichtigung von Partikularinteressen nur hinsichtlich der Empfehlung für den jeweils betroffenen institutionellen Anleger. Dieser hat aber ein weitergehendes Interesse, das darin besteht, dass auch die anderen Kunden des Stimmrechtsberaters die für ihn günstige Empfehlung erhalten. Möglicherweise vermag jedoch eine hohe Kundenzahl zu einer Abschwächung der Problematik beizutragen: Es besteht eine Interessenpluralität, der ein Stimmrechtsberater niemals gerecht werden kann. Daher kann er, um nicht einzelne Kunden zu bevorzugen und andere zu benachteiligen, einen Anreiz haben, seine Empfehlungen nur anhand der eigenen Überzeugung von guter Corporate 201

Vgl. U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 12; s. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 21 f. 202 Nach U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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Governance zu entwickeln. Auf diese Weise verhielte sich der Stimmrechtsberater neutral. Von Bedeutung ist daneben, dass Stimmrechtsberater häufig keine völlig selbstständigen Unternehmen sind, sondern im Eigentum anderer Finanzmarktakteure stehen.203 So ist ISS eine Tochtergesellschaft des Finanzdienstleisters MSCI, Glass Lewis steht vollständig im Eigentum eines Pensionsfonds, des Ontario Teachers’ Pension Plan Board. Diese Verbindungen begründen aufgrund der bestehenden Eingriffsmöglichkeiten der Eigentümer (beispielsweise hinsichtlich der Besetzung des boards) einen Anreiz, die Interessen der verbundenen Unternehmen in die Entwicklung der Abstimmungsempfehlungen einzubeziehen. Es kann zu einem Konflikt zwischen diesen Interessen und den Interessen der institutionellen Anleger als Kunden kommen.204 Dieser Interessenkonflikt ist oben bereits bezogen auf die institutionellen Anleger selbst beschrieben worden. Bei einem Stimmrechtsberater ist die Bedeutung des Konflikts jedoch ungleich größer, weil dessen (faktische) Stimmrechtsmacht die des durschnittlichen institutionellen Anlegers häufig übersteigt und der Interessenkonflikt daher in stärkerem Maße Einfluss auf den Ausgang der Abstimmung hat. 4. Intransparente Entscheidungsfindung Ein weiterer Fehlanreiz resultiert daraus, dass die Tätigkeit der Stimmrechtsberater jedenfalls teilweise „im Verborgenen“ geschieht und somit weder die beratenen institutionellen Anleger noch die übrigen Kapitalmarktteilnehmer eine Möglichkeit zur Kontrolle und Bewertung der Einflussnahme haben.205 Stimmrechtsberater üben, wie bereits erwähnt, einen wesentlichen Teil ihres Einflusses nicht durch ablehnende Abstimmungsempfehlungen aus. Vielmehr finden häufig bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Gespräche zwischen Management und Stimmrechtsberatern statt, in denen die Beschlussempfehlungen abgestimmt werden.206 Die Öffentlichkeit wird jedoch – jedenfalls nicht automatisch, das heißt von Rechts wegen – weder darüber informiert, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat, noch welche Vereinbarungen dort getroffen wurden. Es ist folglich auch nicht – nocht nicht einmal bei den den Einfluss vermittelnden institutionellen Anlegern – bekannt, auf welche Unternehmen und in welchem Maße Stimmrechtsberater überhaupt Einfluss nehmen. Wenn derart grundlegende 203 Vgl. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 21. 204 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 12. 205 s. auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 418 ff. (2009). 206 s. dazu schon oben S. 88 f.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Informationen der Öffentlichkeit nicht bekannt sind, dann besteht für Stimmrechtsberater keinerlei Rechtfertigungsdruck. Sie können in informellen Gesprächen, unbeobachtet von Kunden und Öffentlichkeit, sachfremde Erwägungen anstellen und unangemessene Forderungen äußern.207 Insofern begründet die informelle Einflussnahme einen Fehlanreiz. Doch auch abseits der informellen Einflussnahme, also bei der Einflussnahme in Form der Abstimmungsempfehlungen selbst, besteht kaum Transparenz. Die Empfehlungen werden in der Regel nicht veröffentlicht, sondern lediglich den Kunden mitgeteilt. Nur diese kennen das Ergebnis der Bewertung durch den Stimmrechtsberater und werden auch mit Informationen versorgt, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Den institutionellen Anlegern fehlen jedoch die nötigen Anreize, um die Entscheidung zu überprüfen. Durchgeführt würde eine Überprüfung jedoch möglicherweise dann, wenn die Abstimmungsempfehlungen und die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würden. Das ist aber gerade nicht der Fall. 5. Keine Kontrolle der Stimmrechtsberater durch Marktkräfte Fehlanreizen kann die Disziplinierungskraft des Marktes entgegenwirken. Wenn entsprechende Mechanismen bestünden, würden Stimmrechtsberater, deren Abstimmungsempfehlungen nicht perfekt an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet sind, nicht mandatiert.208 Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass bei Stimmrechtsberatern vom Wettbewerbsmarkt (unter a)), von den Kunden (unter b)) sowie vom Kapitalmarkt (unter c)) kaum heilsame Wirkungen ausgehen.209 a) Kontrolle durch den Wettbewerbsmarkt Der Markt für Stimmrechtsberatung ist oligopolistisch strukturiert und weist hohe Marktzutrittsschranken auf. Wettbewerb kann demnach nur zwischen den Oligopolisten selbst, also zwischen ISS und Glass Lewis, beste207 Ähnlich Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 419 (2009): „Lack of transparency enables the agent to act without fear of public sanction, increases the risk of residual loss to the principal, provides fertile ground for opportunistic and self-regarding behavior, results in information asymmetry, creates opportunity fort the agent to make decisions based on unfounded assuptions and/or unprincipled arguments, and limits the principal’s ability to monitor the agent.“ s. auch Verdam, An Exploration of the Role of Proxy Advisors in Proxy Voting, December 2006, S. 21 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=978835). 208 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 153. 209 s. dazu bereits Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 408 ff. (2009).

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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hen.210 Dass dennoch eine disziplinierende Wirkung entstehen kann, zeigt der Aufstieg von Glass Lewis in den letzten Jahren. Dem Stimmrechtsberater ist es gelungen, trotz hoher Zutrittsschranken erhebliche Marktanteile hinzuzugewinnen. Der Grund hierfür liegt vor allem darin, dass Glass Lewis keine Corporate Governance-Beratung anbietet und daher insoweit keinem Interessenkonflikt unterliegt. ISS hat Maßnahmen zur Abschwächung seines Interessenkonflikts ergriffen und versucht so, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Obwohl diese Beobachtung zeigt, dass der Wettbewerb auch Einfluss auf das Verhalten von Monopolisten hat, bedeutet sie nicht, dass die Konkurrenzsituation zwischen ISS und Glass Lewis auch eine umfassende Disziplinierungswirkung entfaltet. Hierfür sprechen im Wesentlichen zwei Aspekte. Zum einen steht Glass Lewis, wie bereits erwähnt, im Eigentum des Ontario Teachers’ Pension Plan Board. Der Stimmrechtsberater unterliegt daher dem Anreiz, den Interessen dieses Pensionsfonds den Vorzug gegenüber einer neutralen Bewertung einzuräumen. Glass Lewis dürfte insoweit einem stärkeren Interessenkonflikt unterliegen als ISS. Eigentümer dieses Stimmrechtsberaters ist schließlich der Finanzdienstleister MSCI, der vor allem Aktienindizes berechnet und daher weniger stark zur Verfolgung von Partikularinteressen neigen dürfte als ein einzelner institutioneller Anleger.211 Zum anderen sind die Markttransparenz und damit auch die Qualitätstransparenz notwendige Voraussetzungen für einen Qualitätswettbewerb.212 Diese Voraussetzung ist in Hinblick auf den Interessenkonflikt aus einer parallelen Corporate Goverance-Beratung erfüllt, sodass sich Glass Lewis als Wettbewerber deutlich und für die institutionellen Anleger erkennbar von ISS abgrenzen konnte, indem man auf ein solches Parallelangebot verzichtete. Andere Qualitätsmängel – etwa in Bezug auf Fragen des Verfahrens und der Methodik – sind für die institutionellen Anleger weniger offensichtlich und nachvollziehbar. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, stößt der (oligopolistische) Wettbewerb an seine Grenze und kann kaum noch eine disziplinierende Wirkung entfalten.213 Die Informationsasymmetrie blockiert Anreize für Innovationen.214 Es liegt somit eine ähnliche 210 Zum Wettbewerb im Oligopol s. auch Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1123; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 8. Aufl. (2005), S. 65 f. 211 Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 153. 212 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 8. Aufl. (2005), S. 65 f.; s. auch Kerber/Schwalbe, Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbsrechts, in: MünchKomm-WettbR, 2007, Einl., Rn. 1073. 213 Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 153. 214 Zur asymmetrischen Information aus wettbewerblicher Sicht s. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Aufl. (2011), S. 803 ff.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Situation vor wie auf dem Markt der Ratingagenturen, für den die Anreizwirkung des Wettbewerbs ebenfalls bestritten wird.215 b) Kontrolle durch die institutionellen Anleger aa) Überwachungskosten und fehlende Sanktionsmöglichkeit In vielen Märkten kontrollieren die Kunden die Produkte oder Dienstleistungen der Anbieter. Wenn die Produkte den Anforderungen der Kunden nicht entsprechen, fragen sie diese nicht mehr nach und wechseln zu einem Wettbewerber. Institutionelle Anleger können jedoch kaum überprüfen, ob die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters optimal ihre Interessen widerspiegeln. Das Problem bei der Kontrolle eines Informationsintermediärs wie einem Stimmrechtsberater besteht darin, dass die Kontrolle genau den Aufwand verursachen würde, der mit seiner Mandatierung gerade vermieden werden soll.216 Institutionelle Anleger sind allenfalls in der Lage, Evidenz- oder Stichpunktkontrollen durchzuführen. Eine vollständige Überprüfung der Methodik des Stimmrechtsberaters und der Information und Beweggründe, auf denen jede einzelne Empfehlung beruht, wäre hingegen viel zu aufwendig. Hinzu kommt, dass die Durchführung der Kontrolle nur begrenzt sinnvoll ist. Die allgemeine Sanktion bei einem unbefriedigenden Angebot – der Wechsel des Anbieters – steht institutionellen Anlegern aufgrund der oligopolistischen Marktstruktur schließlich häufig gar nicht zur Verfügung. Zu diesen theoretischen Überlegungen passt das Beispiel des Absolute Return Tracker Fund von Goldman Sachs.217 Im Statement of Additional Information zu diesem Fonds heißt es, dass die Stimmrechte auf einen Investmentberater übertragen worden seien und dieser bei deren Ausübung von einem Stimmrechtsberater („a third-party proxy voting service“) unterstützt werde. Grundsätzlich folge der Investmentberater den Empfehlungen 215 s. nur Blaurock, ZGR 2007, 603, 606 f., 642; Deipenbrock, WM 2005, 261, 263; Möllers, JZ 2009, 861, 863, 871. 216 In diese Richtung auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 408 ff. (2009). Ähnliche Argumentation in Hinblick auf die Kontrolle von Ratingagenturen durch Investoren bei Deipenbrock, WM 2005, 261, 263; aus Sicht der für den Investor anfallenden Kosten s. auch Möllers, JZ 2009, 861, 861. Zu Stimmrechtsberatern bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152. 217 Abrufbar über http://www.goldmansachs.com/gsam/individuals/products/fea tured_funds/art-fund/index.html (Stand: 23. 04. 2012); Statement of Additional Information v. 02. 04. 2012, S. B-96; dieses Beispiel nennt unter Bezugnahme auf eine frühere Version des Statements Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 410 (2009).

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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des Stimmrechtsberaters. Zwar ist eine Abweichung grundsätzlich möglich. Es findet dann aber eine interne Überprüfung statt: „Such decisions are subject to a review and approval process [. . .]“. Die Androhung einer internen Überprüfung begründet für die Mitarbeiter, die für die Stimmrechtsausübung verantwortlich sind, einen Anreiz die Empfehlungen des Stimmrechtsberaters grundsätzlich zu befolgen. Durch die Begründung eines solchen Anreizes werden Überwachungskosten eingespart. Zumindest etwas bessere Überprüfungsmöglichkeiten bestünden möglicherweise dann, wenn ein institutioneller Anleger mehrere Stimmrechtsberater parallel mit der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen beauftragt. Die Entscheidung über die Stimmrechtsausübung stünde dann auf einer breiteren Informationsgrundlage und offensichtliche Fehleinschätzungen eines Stimmrechtsberaters könnten durch die Expertise eines Konkurrenzunternehmens leichter ins Auge fallen.218 Allerdings dürften für viele institutionelle Anleger nur die Marktführer ISS und Glass Lewis als Stimmrechtsberater in Betracht kommen, sodass die Erteilung von Mehrfachmandaten von vornherein nur bedingt möglich ist. Doch selbst wenn einem institutionellen Anleger die Empfehlungen verschiedener Stimmrechtsberater vorliegen, wird er aus Gründen der Wirtschaftlichkeit regelmäßig auch hier (wegen der doppelten Expertise sogar erst recht) auf eine eingehende Überprüfung verzichten. Anlass zu genauerem Hinsehen bestünde jedoch vor allem dann, wenn die Empfehlungen einmal unterschiedlich ausfallen. bb) Behavioral Finance Schließlich ist zu berücksichtigen, dass selbst ein institutioneller Anleger, der die Empfehlungen seines Stimmrechtsberaters umfassend überprüft und eine unabhängige Entscheidung über die Stimmrechtsausübung treffen möchte, nach den Erkenntnissen der Behavioral Finance mutmaßlich Urteilsverzerrungen unterliegt. Die Behavioral Finance zieht die Annahme, dass der Kapitalmarktteilnehmer als homo oeconomicus stets vernünftige Entscheidungen trifft (rational choice theory)219, in Zweifel.220 So müsste ein rational handelnder institutioneller Anleger, der die Abstimmungsemp218 Vgl. (auch allgemein zur Mandatierung mehrerer Stimmrechtsberater) European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 10, 17 f. 219 Dazu Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1060 ff. (2000); aus dem deutschen Schrifttum Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 30 ff.; ders., JZ 2005, 216, 217 f.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 84 ff. 220 Instruktiver Überblick bei Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S. 575, 576 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 90 ff.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

fehlungen seines Stimmrechtsberaters einer Überprüfung unterzieht, eigentlich alle verfügbaren Informationen zur anstehenden Hauptversammlung in seine Überlegungen einbeziehen, sie zutreffend bewerten, auf dieser Grundlage eine eigenständige Entscheidung über die Stimmrechtsausübung treffen und diese Entscheidung mit der Empfehlung des Stimmrechtsberaters abgleichen. Nach den Forschungserkenntnissen der Behavioral Finance sieht die Realität vermutlich anders aus. Danach unterliegen Menschen (und damit auch Fondsmanager) systematisch Urteilsverzerrungen (cognitive biases), die sich unter anderem auf die Informationsverarbeitung beziehen.221 Unter anderem tendieren Menschen dazu, von einem einmal gefassten Entschluss bzw. einer einmal gefassten Meinung nicht mehr abzuweichen. Sie empfinden Informationen, die ein entsprechendes Handeln nahelegen, als „kognitive Dissonanz“ und ignorieren sie demzufolge (conservatism bias, belief-perseverance).222 Ebenso beeinflusst ein vorgegebener Initialwert die eigene Meinungsfindung: Der vorgegebene Wert bildet den Ausgangspunkt und wird lediglich nach oben oder nach unten korrigiert (anchoring, Ankereffekt).223 Festzustellen ist außerdem, dass Menschen nicht alle verfügbaren Informationen gleichermaßen in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. Sie greifen vielmehr verstärkt auf solche Informationen zurück, die leichter verfügbar sind als andere (availability heuristic, Verfügbarkeitsheuristik).224 Betrachtet man die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters vor diesem Hintergrund, liegt es nahe, dass selbst ein institutioneller Anleger, der zur Durchführung einer Kontrolle bereit ist, diese kaum unabhängig durchführen kann. Zunächst geht der institutionelle Anleger davon aus, dass die Empfehlung des Stimmrechtsberaters seinen Interessen entspricht. Würde er das nicht tun, hätte er wahrscheinlich keinen oder einen anderen Stimmrechtsberater beauftragt. Dies vorausgeschickt, lässt die conservatism bias vermuten, dass der institutionelle Anleger sich schwer dabei tun wird, von der Empfehlung abzuweichen. Doch selbst wenn er eine Überprüfung durchführt, kann er sich kaum davor bewahren, dass er die 221

Überblick bei Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 102 ff. 222 Grundlegend Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance, 1957. Zum Überblick s. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 106 ff. 223 Grundlegend Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124, 1128 ff. (1974); s. auch Strack/Mussweiler, 73 J. Personality & Soc. Psychol. 437 (1997); aus dem deutschen Schrifttum Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S. 575, 577; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 108. 224 Dazu grundlegend Tversky/Kahnemann, 5 Cog. Psychol. 207 (1973); Tversky/ Kahnemann, 185 Science 1124, 1127 f. (1974). Darstellung des Phänomens im Überblick bei Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 108 ff. m. w. N.

II. Die Anreize der Stimmrechtsberater

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Abstimmungsempfehlung nicht im Sinne des anchoring als Ausgangspunkt betrachtet und die verfügbaren Informationen lediglich darauf „abklopft“, ob sie dem Ausgangspunkt entsprechen. Zwar ist bei der Stimmrechtsausübung ein (minimales) Abweichen nach oben oder nach unten nicht möglich, da nur zwei maßgebliche Handlungsoptionen bestehen: die Zustimmung zu einem Beschluss oder seine Ablehnung. Ein Ankereffekt bestünde aber auch darin, dass ein institutioneller Anleger einzelne Elemente in der Begründung der Abstimmungsempfehlung für nicht stichhaltig erachtet, deswegen aber im Ergebnis nicht von der Empfehlung abweicht. Schließlich spricht die Verfügbarkeitsheuristik dafür, dass ein institutioneller Anleger die Abstimmungsempfehlung seines Stimmrechtsberaters vor allem anhand der leicht zugänglichen Informationen überprüft. Das sind im Wesentlichen die, die der Stimmrechtsberater ihm zusammen mit der Abstimmungsempfehlung übermittelt hat. Es besteht daher die Gefahr, dass diese Informationen – die die Empfehlung fast immer stützen werden – stärker in die Kontrollüberlegungen einbezogen werden als andere Informationen, die erst mühsam beschafft werden müssten.225 Die Überlegungen zeigen, dass nicht nur die Überwachungskosten gegen eine umfassende Kontrolle der Stimmrechtsberater durch ihre Kunden sprechen. Die Behavioral Finance-Forschung deutet darüber hinaus daraufhin, dass selbst ein kontrollwilliger institutioneller Anleger kaum zur Durchführung einer (völlig) unabhängigen Kontrolle in der Lage ist, sondern dass er hierbei systematischen Urteilsverzerrungen unterliegt. c) Kontrolle durch den Kapitalmarkt Schließlich kommt auch eine Kontrolle der Geschäftspraktiken von Stimmrechtsberatern über den Kapitalmarkt in Betracht.226 Die disziplinierende Wirkung des market for corporate control, auf die bereits hingewiesen wurde, gilt grundsätzlich auch für einen börsennotierten Stimmrechtsberater. Dieser muss bei einer mangelhaften Qualität seiner Arbeit damit rechnen, dass die eigenen Aktionäre davon ausgehen, dass Kunden abwandern und infolgedessen die Rendite sinkt. Sie werden ihre Anteile zunehmend verkaufen, wodurch die Gesellschaft zum Übernahmekandidaten wird. Um ein solches Szenario – das für die Manager nicht selten den Verlust der eigenen Position zur Folge hat – zu vermeiden, besteht ein Anreiz auf eine hohe Qualität der Arbeit zu achten. Bei den wichtigsten Stimmrechtsberatern greift dieser Mechanismus indessen nicht, weil sie selbst nicht börsen225 Zur Einflussnahme eines Stimmrechtsberaters durch Informationsauswahl s. auch Choi/Fisch/Kahan, 59 Emory L. J. 869, 881 f. (2010). 226 Dazu bereits Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 417 f. (2009).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

notiert sind, sondern im Alleineigentum anderer Unternehmen stehen. Hinzu kommt, dass andere Kapitalmarktteilnehmer die Qualität von Abstimmungsempfehlungen ebenso kaum bewerten können wie die Kunden der Stimmrechtsberater. 6. Zusammenfassung Stimmrechtsberater unterliegen verschiedenen Fehlanreizen, die es fraglich erscheinen lassen, ob ihre Einflussnahmemöglichkeiten zu wünschenswerten Veränderungen in der Corporate Governance-Struktur von Aktiengesellschaften führen. Fehlanreize resulierten erstens aus dem Prinzipal-Agenten-Konflikt zwischen dem Stimmrechtsberater, der selbst nicht das Residualrisiko der Unternehmen trägt, und den Aktionären; zweitens aus dem Fehlen einer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft; drittens aus bestehenden Interessenkonflikten und viertens aus der fehlenden Transparenz bei der Entscheidungsfindung. Fünftens wirkt die Disziplinierungskraft des Marktes den Fehlanreizen nicht oder kaum entgegen.

III. Empirische Erkenntnisse Stimmrechtsberater ermöglichen Aktionärsaktivismus. Dadurch können sie prinzipiell die Agenturkosten beschränken und shareholder value schaffen. Allerdings unterliegen sie Fehlanreizen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Abstimmungsempfehlungen tatsächlich ausschließlich am Interesse der Aktionäre ausgerichtet sind. Der rechtstheoretische Befund fällt demnach zweideutig aus: Stimmrechtsberater können einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Trifft diese Annahme zu, wäre eine strenge Regulierung unter Umständen schlecht, weil sie einen vorhandenen Nutzen der Branche vernichten oder zumindest beschränken könnte. Allerdings besteht aufgrund der Fehlanreize, denen Stimmrechtsberater unterliegen, auch die Gefahr, dass ihre Einflussnahme auf Aktiengesellschaften die Agenturkosten weiter erhöht. Dann wäre die Existenz der Branche in der gegenwärtigen Form volkswirtschaftlich schlecht. Es müssten geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um dem Problem entgegenzuwirken. Von welchem Szenario Regulierungsinstanzen ausgehen sollten, beantwortet möglicherweise ein Blick auf die existierenden empirischen Erkenntnisse zu Stimmrechtsberatern.227

227

Vgl. bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 154.

III. Empirische Erkenntnisse

229

1. Zusammenhang zwischen Corporate Governance und zukünftigem Unternehmenserfolg im Allgemeinen Stimmrechtsberater geben an, durch Verbesserungen in der Corporate Governance shareholder value schaffen zu wollen. Die erwähnten empirischen Erkenntnisse228, nach denen Aktionärsaktivismus den Börsenkurs erhöht, deuten daraufhin, dass dies tatsächlich möglich ist. Ob gerade Verbesserungen in der Corporate Governance-Struktur positiven Einfluss auf den zukünftigen Unternehmenserfolg haben, war indessen Gegenstand eigenständiger Untersuchungen.229 Diese Untersuchungen stehen zwar nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit von Stimmrechtsberatern. Von Interesse sind sie aber deshalb, weil sie einen methodisch ähnlichen Ansatz verfolgen: Die Qualität der Corporate Governance-Struktur einer Gesellschaft wird durch einen Index ausgedrückt und in eine Beziehung zum künftigen Unternehmenserfolg gesetzt. Hierzu ist es notwendig, den Lebenssachverhalt zu bewerten. Stimmrechtsberater verfahren ähnlich. Auch sie analysieren, in welcher Hinsicht eine Gesellschaft den eigenen Anforderungen an eine gute Corporate Governance, die sich aus den Abstimmungsrichtinien ergeben, entspricht und geben auf dieser Grundlage Empfehlungen ab. Entspricht eine Gesellschaft den Kriterien in dem Index bzw. in den Abstimmungsrichtlinien, so sollte dies zu einer besseren Bewertung (Index) bzw. zu zustimmenden Empfehlungen (Stimmrechtsberater) führen. Große Beachtung fand zunächst die Arbeit von Gompers/Ishii/Metrick, die darin einen eigenen Corporate Governance-Index, den G-Score, entwickelt haben.230 Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob die durch den G-Score ausgedrückte Beachtung eines Katalogs von Corporate Governance-Kriterien einen Zusammenhang mit der Unternehmensrendite aufweist. Die einzelnen Kriterien231 beziehen sich vor allem darauf, inwieweit Aktionärsaktivismus möglich ist bzw. inwieweit das Management über unkontrollierte Entscheidungsmacht verfügt. Je umfassender die Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre sind, desto besser fällt das Rating aus.232 Gompers/Ishii/Metrick kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen der durch den G-Score ausgedrückten Qualität der Corporate Governance und dem Unternehmenserfolg ein signifikanter Zusammenhang besteht. So wiesen 228

s. die Nachweise in Fn. 28. Einen Überblick geben auch Larcker/Tayan, Corporate Governance Matters, 2011, S. 448 ff.; Rose, 32 J. Corp. L. 887, 907 ff. (2007); Vo, 34. J. Corp. L. 1, 18 ff. (2008). 230 s. Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107 (2003). 231 Auflistung bei Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 112, 145 ff. (2003). 232 Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 114 f. (2003). 229

230

§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

etwa die Unternehmen mit den besten Ratings gegenüber den Unternehmen mit den schlechtesten Ratings eine um 8,5% bessere Rendite auf.233 Außerdem wurde ein Zusammenhang zwischen dem durch den Tobin’s Q234 ausgedrückten Unternehmenswert und der Corporate Governance festgestellt – Unternehmen mit einer besseren Corporate Governance werden nach dem Befund höher bewertet.235 Offen bleibt allerdings die Frage, ob die Qualität der Corporate Governance für den Unternehmenserfolg ursächlich ist. Die insoweit von den Autoren aufgestellten Hypothesen ließen sich empirisch nicht eindeutig belegen.236 Zu einem ähnlichen Befund gelangen Bebchuk/Cohen/Ferrell, die den Zusammenhang zwischen Corporate Governance und Unternehmenserfolg anhand des von ihnen kreierten E-Index bewerten.237 Der E-Index setzt sich aus sechs für die Corporate Governance eines Unternehmens relevanten Faktoren zusammen. Bei diesen Faktoren handelt es sich um (1) staggered board (ein board, dessen directors in verschiedene Klassen unterteilt sind, wobei sich die Amtszeiten der verschiedenen Klassen überlappen); (2) limitation on amending bylaws (Beschränkung der Aktionäre, die bylaws der Gesellschaft ändern zu können); (3) limitation on amending the charter (Beschränkung der Aktionäre, die charter bzw. die articles of incorporation der Gesellschaft ändern zu können)238; (4) supermajority to approve a merger (Erforderlichkeit einer qualifizierten Mehrheit bei der Zustimmung zu einer Fusion); (5) golden parachute (Vereinbarungen mit dem Management, nach denen im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeit im Unternehmen erhebliche Zahlungen an den betreffenden Manager zu leisten sind) und (6) poison pill (Ermöglichung von Maßnahmen, unter deren Anwendung ein Unternehmen für Übernahmeinteressenten unattraktiv wird).239 Auch Bebchuk/Cohen/Ferrell kommen zu dem Ergebnis, dass der von ihnen entwickelte E-Index einen Zusammenhang mit der Aktionärsrendite aufweist – eine bessere Corporate Governance korreliert mit einer höheren Rendite.240 Gleiches gilt für den auch in dieser Studie anhand des Tobin’s Q gemessenen Unternehmenswert. Dieser fällt bei einer besseren Corporate Govern233

Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 121 ff. (2003). Der Tobin’s Q ist eine Kennzahl zur Unternehmensbewertung. Sie drückt das Verhältnis zwischen dem Marktwert und dem Substanzwert eines Unternehmens aus. 235 s. Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 129 ff. (2003). 236 Im Einzelnen Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 125 ff. (2003). 237 Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783 (2009). 238 Das deutsche Pendant sowohl zu den bylaws als auch zu den articles of incorporation ist die Satzung einer Aktiengesellschaft. 239 s. Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783, 788 ff. und 824 (2009). 240 Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783, 812 ff. (2009). 234

III. Empirische Erkenntnisse

231

ance höher aus.241 Hinsichtlich anderer Corporate Governance-Merkmale, die auch Bestandeil des G-Score sind, konnten die genannten Zusammenhänge hingegen nicht festgestellt werden.242 Auch Bebchuk/Cohen/Ferrell lassen offen, ob die Corporate Governance kausal für den Unternehmenserfolg ist. Sie weisen vielmehr daraufhin, dass auch andere Erklärungen in Betracht kommen: Beispielsweise kann ein niedrig bewertetes Unternehmen die in den E-Index einfließenden Einschränkungen auch erst vorgenommen haben, nachdem es bereits niedrig bewertet war – etwa um eine Übernahme zu verhindern.243 Diese These wird von anderen Untersuchungen gestützt.244 So haben etwa Lehn/Patro/Zhao sowohl den G-Score als auch den E-Index auf einen anderen Zeitraum angewendet als es in den vorgenannten Studien der Fall war (nämlich auf die 1980er anstatt auf die 1990er und die frühen 2000er-Jahre). Sie konnten für diesen Zeitraum keinen Zusammenhang zwischen Corporate Governance und Unternehmenswert feststellen. Allerdings bestehe eine Korrelation zwischen dem Unternehmenswert und der Corporate GovernanceQualität zu einem späteren Zeitpunkt.245 Diesen Befund interpretieren die Autoren als Beleg dafür, dass wohl eher der Unternehmenswert ursächlich für die Corporate Governance sei – nicht umgekehrt. Nachvollziehbar erscheine dies deshalb, weil Unternehmen mit einem geringen Wert potentielle Kandidaten für eine Übernahme seien und daher einen starken Anreiz hätten, übernahmefeindliche Maßnahmen zu ergreifen – etwa die, die in den E-Index einfließen. Auch so ließen sich die vor allem für die 1990er-Jahre festgestellten Zusammenhänge erklären.246 Zu einem ähnlichen Befund gelangen Core/Guay/Rusticus in einer weiteren Untersuchung zum G-Score.247 Die Autoren vertreten die Ansicht, dass die von Gompers/Ishii/Metrick für eine bestimmte Zeitperiode geschilderten Beobachtungen nicht verallgemeinert werden könnten.248 Schließlich zweifeln auch Johnson/Moorman/ Sorescu daran, dass eine schlechte Corporate Governance für eine geringe Aktienrendite ursächlich ist. Die in früheren Untersuchungen festgestellte überdurchschnittliche Rendite von Unternehmen mit einer guten Corporate Governance könne vielmehr auch branchenspezifische Ursachen haben.249 241

Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783, 800 ff. (2009). Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783, 801 ff. und 821 ff. (2009). 243 Näher Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 783, 809 ff. (2009). 244 s. dazu auch den Überblick bei Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1826 ff. (2008). 245 Lehn/Patro/Zhao, 13 J. Corp. Fin. 907, 910 ff. (2007). 246 Lehn/Patro/Zhao, 13 J. Corp. Fin. 907, 908 f. (2007). 247 Core/Guay/Rusticus, 61 J. Fin. 655 (2006). 248 Core/Guay/Rusticus, 61 J. Fin. 655, 681 ff. (2006). 249 Johnson/Moorman/Sorescu, 22 Rev. Fin. Stud. 4753, 4755 f. (2009). 242

232

§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Die Studie von Cremers/Nair stützt zwar die These, dass bei einer guten Corporate Governance höhere Renditen zu erwarten sind.250 Allerdings bedürfe es dafür einer Kombination verschiedener Corporate Governance-Mechanismen. Erforderlich seien sowohl die Anwesenheit eines aktivistischen Großaktionärs als auch das Fehlen von Mechanismen zur Übernahmeabwehr.251 Sowohl der G-Score als auch der E-Index beziehen sich jedoch nur auf die Übernahmeabwehr, sodass Cremers/Nair die Aussagekraft dieser Studien in Zweifel ziehen.252 Larcker/Richardson/Tuna geben zwar ebenfalls keine Auskunft zu der Frage, ob die Corporate Governance für den zukünftigen Unternehmenserfolg kausal ist. Sie untersuchen aber – wie schon die Autoren der zuvor dargestellten Studien – den Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten.253 Nach Larcker/Richardson/Tuna sollen 14 Faktoren für die Corporate Governance eines Unternehmens von Bedeutung sein. Die Autoren stellen schließlich fest, dass der aus diesen 14 Faktoren gebildete Index einen schwachen Zusammenhang mit dem zukünftigen Unternehmenserfolg (gemessen an der Gesamtkapitalrentabilität, return on assets) und der zukünftigen Rendite aufweist.254 Weitere Untersuchungen belegen, dass bei einer guten Corporate Governance die Eigenkapitalkosten geringer sind255 bzw. dass die Unternehmen auch ein besseres Kreditrating erhalten.256 Dies deutet daraufhin, dass die Unternehmen mit einer guten Corporate Governance im Verhältnis zu solchen mit Mängeln offenbar als erfolgreicher und weniger risikoreich bewertet werden, da Eigen- und Fremdkapitalgeber eigentlich nur dann bereit sein dürften, den Unternehmen Geld zu besseren Bedingungen zu verleihen. Einen besonderen Ansatz wählen Cun˜at/Gine/Guadalupe.257 Sie wenden sich dem Problem zu, das alle Ereignisstudien haben, die sich auf Hauptversammlungsbeschlüsse beziehen: Es kann sein, dass die Anleger vor der Hauptversammlung eine (sicher) zu erwartende Verbesserung in der Corporate Governance des Unternehmens bereits eingepreist haben.258 Dann könnte der Beschluss keine Erhöhung des Börsenkurses mehr zur Folge ha250

Cremers/Nair, 60 J. Fin. 2859 (2005). Cremers/Nair, 60 J. Fin. 2859, 2862 (2005). 252 s. auch Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1832 (2008). 253 Larcker/Richardson/Tuna, 82 Acc. Rev. 963 (2007). 254 Larcker/Richardson/Tuna, 82 Acc. Rev. 963, 990 ff. (2007). 255 Ashbaugh/Collins/LaFond, Corporate Governance and the Cost of Equity Capital, December 2004 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=639681). 256 Ashbaugh-Skaife/Collins/LaFond, 42 J. Acct. & Econ. 203 (2006). 257 Cun ˜ at/Gine/Guadalupe, 67 J. Fin. 1943 (2012). 258 Zu diesem Problem s. noch S. 238 ff. 251

III. Empirische Erkenntnisse

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ben, obwohl die Anleger den Beschluss positiv bewerten. Cun˜at/Gine/Guadalupe werten daher nur solche Hauptversammlungsbeschlüsse aus, die knapp angenommen oder abgelehnt worden sind. Hier sei eine vorherige Einpreisung nicht zu erwarten, weil das Zustandekommen des Beschlusses unsicher gewesen sei. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Verbesserungen in der Corporate Governance, ausgedrückt durch Kriterien des G-Score259, zu sinkenden Akquisitions- und Kapitalkosten sowie zu einem höheren Unternehmenswert führen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die empirischen Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Zwar wurde mehrfach ein Zusammenhang zwischen der Corporate Governance-Qualität und dem zukünftigen Unternehmenswert sowie der zukünftigen Aktionärsrendite festgestellt. Zweifel bestehen jedoch vor allem dahingehend, ob die Corporate Governance für diesen Zusammenhang ursächlich ist. Einige empirische Erkenntnisse deuten vielmehr auf das Gegenteil hin: Es wird für möglich gehalten, dass der Unternehmenserfolg ursächlich für die Corporate Governance-Qualität ist. Ob sich Verbesserungen in der Corporate Governance tatsächlich positiv auf den Unternehmenswert und die Rendite auswirken, ist nach den allgemeinen empirischen Erkenntnissen also zumindest unsicher. 2. Rückschlüsse anhand des Corporate Governance-Ratings von ISS (CGQ/GRId) Von eigentlichem Interesse ist jedoch nicht die Frage, wie sich Verbesserungen in der Corporate Governance im Allgemeinen auf eine Gesellschaft auswirken, sondern ob speziell die Abstimmungsempfehlungen von Stimmrechtsberatern shareholder value schaffen. Eine Möglichkeit zur Beantwortung dieser Frage bietet das von ISS selbst erstellte Corporate Governance-Rating, das bereits mehrfach wissenschaftlich untersucht worden ist. Die Bezeichnung des Ratings wurde zwischenzeitlich von Corporate Governance Quotient (CGQ) auf Governance Risk Indicators (GRId) abgeändert.260 Das ISS-Rating ähnelt den in der Wissenschaft entwickelten Indizes (G-Score, E-Index) und gibt ebenfalls Auskunft über die Qualität der Corporate Governance eines Unternehmens. Zwar ist zwischen dem Rating von ISS und den Abstimmungsempfehlungen im Rahmen der Stimmrechts259

Signifikant seien insbesondere die Eliminierung von classified boards und poison pills, s. Cun˜at/Gine/Guadalupe, 67 J. Fin. 1943, 1945 f. (2012). 260 s. unter http://www.issgovernance.com/grid-info (Stand: 23. 04. 2012). Inwieweit sich der GRId vom CGQ unterscheidet, ist mangels einer Offenlegung der jeweils verwendeten Methode allerdings unklar, s. Larcker/Tayan, Corporate Governance Matters, 2011, S. 439 f.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

beratung zu differenzieren. Wenn das ISS-Rating eine Korrelation mit dem zukünftigen Unternehmenserfolg, ausgedrückt durch den Börsenkurs und die Rendite, aufwiese, läge darin aber jedenfalls eine indizielle Bedeutung für die Qualität von ISS. Ein stärkeres Indiz speziell für die Qualität der Abstimmungsempfehlungen ergäbe sich, wenn ISS bei der Erstellung des Ratings einerseits und bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen andererseits dieselben Kriterien anlegen würde, Rating und Abstimmungsempfehlungen also „Kehrseiten derselben Medaille“ wären.261 Diese Annahme liegt zwar nahe262, empirische Erkenntnise wecken jedoch Zweifel an der Richtigkeit.263 a) Vorzüge von kommerziellen Corporate Governance-Ratings Mehrere Gründe werden dafür angeführt, dass kommerzielle Corporate Governance-Ratings gegenüber den in der Wissenschaft entwickelten Indizes besser geeignet sein könnten, eine Aussage über die zu erwartende Rendite zu treffen.264 Erstens spreche für diese Annahme, dass die Anbieter kommerzieller Ratings diese Ratings erfolgreich verkaufen. Das lege nahe, dass die Ratings für die Kunden einen Nutzen haben – andernfalls würden sie kaum Geld dafür ausgeben. Zweitens griffen die Anbieter kommerzieller Ratings bei deren Erstellung auf ein komplexes Berechnungsverfahren zurück, das auf langjähriger Erfahrung beruhe. Bei den in der Wissenschaft entwickelten Indizes würden die einzelnen Faktoren hingegen schlicht addiert. Drittens finde bei kommerziellen Ratings auch die Branche und die Größe des Unternehmens Berücksichtigung, während die wissenschaftlichen Indizes diese Aspekte unberücksichtigt ließen. Viertens werde das Verfahren zur Berechnung kommerzieller Ratings jedes Jahr abgeändert, um aktuellen Markttrends gerecht zu werden. Fünftens stünden kommerziellen Anbietern von Corporate Governance-Ratings umfangreichere Datenbestände zur Verfügung als den Wissenschaftlern. Auch dadurch steige die Qualität der Ratings. b) Tatsächlicher Befund Die erste Studie zum Corporate Governance Quotient (CGQ) von ISS bestätigt den Optimismus gegenüber kommerziellen Corporate Govern261

So schon Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 154 mit Fn. 67. Vgl. Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 455 (2010); Rose, 32 J. Corp. L. 887, 907 (2007). 263 Zu diesen empirischen Erkenntissen s. noch unten S. 237 f. 264 s. Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 441 (2010). 262

III. Empirische Erkenntnisse

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ance-Ratings. Brown/Caylor kommen darin zu dem Ergebnis, dass der CGQ und der Unternehmenserfolg in einem Zusammenhang stehen. Bei Unternehmen mit einem guten Rating (nach dem CGQ) sind nach Brown/Caylor höhere Renditen, höhere Gewinne, eine geringere Volatilität (Schwankungen des Aktienkurses) und höhere Dividendenzahlungen festzustellen.265 Allerdings bezieht sich die Studie auf Ratings aus dem Jahr 2003 und vergleicht diese mit dem Unternehmenserfolg in der Zeit davor. Zur Beantwortung der eigentlich interessierenden Frage, ob der CGQ Auskunft über die zukünftige Rendite gibt, ist die Studie demnach untauglich.266 Zudem bestehen Zweifel an der Neutralität der Analyse, weil ISS die Studie selbst in Auftrag gegeben hat. In einer zweiten Untersuchung entwickeln Brown/Caylor aus 51 Corporate Governance-Faktoren einen eigenen Index, den Gov-Score.267 Dabei handele es sich um solche Faktoren, die auch in den CGQ von ISS einflössen; außerdem lägen der Studie von ISS zur Verfügung gestellte Daten zugrunde. Im Ergebnis stellen die Autoren fest, dass ein Zusammenhang zwischen dem Gov-Score und dem durch den Tobin’s Q ausgedrückten Unternehmenswert besteht.268 In einer früheren Version der Studie wurde außerdem ein positiver Zusammenhang zwischen dem Gov-Score einerseits und der Rendite, dem Gewinn, den ausgezahlten Dividenden sowie dem Umfang von Aktienrückkaufprogrammen andererseits ausgemacht.269 Allerdings handelt es sich zunächst wiederum um eine auf die Vergangenheit bezogene Betrachtung: Untersucht wird der Zusammenhang zwischen dem für den 01. 02. 2003 ermittelten Gov-Score und dem Unternehmenswert im Jahr 2002.270 Später wird die Untersuchung zwar auf die Jahre 2001 und 2003 ausgedehnt, für die der Zusammenhang ebenfalls festgestellt wird.271 Jedenfalls wurde aber nicht die langfristige zukünftige Entwicklung des Unternehmenswerts untersucht. Außerdem bezieht sich die Studie nicht auf den CGQ selbst, sondern nur auf Faktoren, die auch der CGQ berücksichtigt.272 Im Ergebnis lässt die Studie somit keinen verlässlichen Schluss dahingehend zu, ob der CGQ mit der zukünftigen Rendite in Zusammenhang steht. 265 Brown/Caylor, The Correlation between Corporate Governance and Company Performany, 2004 (abrufbar unter http://www.stybelpeabody.com/issscoresandshare holdervalue.pdf; Stand: 23. 04. 2012). 266 Ebenso Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 442 (2010): „backwardlooking“. 267 Brown/Caylor, 25 J. Acct. & Pub. Pol. 409 (2006). 268 Brown/Caylor, 25 J. Acct. & Pub. Pol. 409, 416 ff. (2006). 269 Brown/Caylor, Corporate Governance and Firm Performance, December 2004, S. 15 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=586423). 270 Brown/Caylor, 25 J. Acct. & Pub. Pol. 409, 414 ff. (2006). 271 Brown/Caylor, 25 J. Acct. & Pub. Pol. 409, 423 ff. (2006). 272 Ebenso Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 442 (2010).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Aggarwal/Williamson wenden eine ähnliche Methodik an. Auch sie untersuchen Faktoren, die in den CGQ einfließen und verwenden von ISS zur Verfügung gestellte Daten, sie untersuchen jedoch nicht den CGQ selbst.273 Die Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der Corporate Governance und dem zukünftigen Unternehmenswert besteht. Offen bleibt allerdings wiederum die Frage der Kausalität.274 Eine Untersuchung, die sich auf den CGQ selbst bezieht, wurde von Koehn/Ueng durchgeführt.275 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass anhand des CGQ keine Vorhersage hinsichtlich des künftigen Gewinns (genauer: hinsichtlich der künftigen Gewinnqualität) möglich sei.276 Die bislang umfassendste Studie zu kommerziellen Corporate Governance-Ratings stammt von Daines/Gow/Larcker.277 Darin wird hinsichtlich mehrerer den Unternehmenserfolg betreffender Aspekte analysiert, inwieweit die Ratings von verschiedenen Anbietern mit diesen Aspekten korrelieren.278 Untersucht werden neben dem CGQ das GMI-Rating und das The Corporate Library’s-Rating (TCL-Rating). Außerdem wird auch das Audit Integrity’s Accounting and Governance-Rating (AGR-Rating) berücksichtigt, das sich – so die Autoren – von drei zuerst genannten Ratings darin unterscheide, dass fast ausschließlich Informationen aus den Rechenschaftsberichten eines Unternehmens berücksichtigt würden.279 Zunächst wird geprüft, ob die Ratings eine Voraussage darüber zulassen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es zu nachträglichen Bilanzänderungen bzw. -berichtigungen (accounting restatements) kommt. Im Ergebnis stellen die Autoren fest, dass der CGQ keinen Zusammenhang mit zukünftigen Bilanzänderungen aufweise, während ein solcher insbesondere beim GMI-Rating auszumachen sei.280 Der zweite untersuchte Aspekt betrifft den Zusammenhang zwischen den Corporate Governance-Ratings und zukünftigen Sammelklagen (classaction lawsuits) gegen das Unternehmen. Während einzig bei einer nach dem AGR-Rating gemessenen Corporate Governance festzustellen sei, dass 273 Aggarwal/Williamson, Did New Regulations Target the Relevant Corporate Governance Attributes?, April 2006, S. 11 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/ab stract=859264). 274 Aggarwal/Williamson, Did New Regulations Target the Relevant Corporate Governance Attributes?, April 2006, S. 29 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/ab stract=859264). 275 Koehn/Ueng, 9 J. Mgmt. & Gov. 111 (2005). 276 Koehn/Ueng, 9 J. Mgmt. & Gov. 111, 120 ff. (2005). 277 Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439 (2010). 278 s. auch die Zusammenfassung bei Larcker/Tayan, Corporate Governance Matters, 2011, S. 446 f. 279 s. Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 442 (2010). 280 Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 446 ff. (2010).

III. Empirische Erkenntnisse

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es bei einem besseren Rating zu weniger Sammelklagen kommt, ergäbe sich für den CGQ sogar ein umgekehrter Befund: Ein höherer CGQ (also eine bessere Corporate Governance) korreliere mit mehr Sammelklagen.281 Drittens wurde untersucht, ob die Corporate Governance-Ratings dem zukünftigen Unternehmenserfolg, gemessen an der Gesamtkapitalrentabilität (return on assets), entsprechen. Zu bejahen sei dies wiederum nur für das AGR-Rating, während die anderen – insbesondere der CGQ – keine Vorhersage über die künftige Gesamtkapitalrentabilität zuließen.282 Viertens wurde der Zusammenhang zwischen den Corporate Governance-Ratings und dem zukünftigen Unternehmenswert – auch hier gemessen am Tobin’s Q – untersucht. Insgesamt ließen insoweit alle Ratings keine verlässlichen Voraussagen zu.283 Hinsichtlich des – fünftens – interessierenden Zusammenhangs zwischen den Ratings und der zu erwartenden Rendite kommen Daines/ Gow/Larcker zu dem Ergebnis, dass ein solcher mit der Dauer des betrachteten Zeitraums zunehme. Letztlich bestehe ein signifikanter Zusammenhang jedoch nur für das AGR-Rating, während für den CGQ und das TCLRating nur eine schwache Evidenz auszumachen sei.284 Sechstens ließen die Corporate Governance-Ratings regelmäßig keinen Rückschluss auf das zukünftige Kreditrating eines Unternehmens zu.285 Abschließend stellen Daines/Gow/Larcker fest, dass der CGQ, das TCL-Rating und das GMIRating keine verlässlichen Voraussagen hinsichtlich des zukünftigen Unternehmenserfolgs zuließen. Einzig in Bezug auf das AGR-Rating sei ein stärkerer Zusammenhang feststellbar.286 c) Korrelation zwischen CGQ und Abstimmungsempfehlungen Bereits eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die Korrelation des CGQ mit dem Unternehmenserfolg jedenfalls indizielle Qualität für die Arbeit von ISS hat. Ein verlässlicher Schluss in Hinblick auf die Abstimmungsempfehlungen wäre indessen dann möglich, wenn die Empfehlungen anhand derselben Kriterien entwickelt würden wie das Rating. Daines/Gow/Larcker haben diese Frage durch einen Vergleich des CGQ eines Unternehmens mit den für dieses Unternehmen unterbreiteten Abstimmungsempfehlungen untersucht.287 Sie stellen insoweit fest, dass sich anhand des CGQ eines Unter281 282 283 284 285 286 287

Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker, Daines/Gow/Larcker,

98 98 98 98 98 98 98

J. J. J. J. J. J. J.

Fin. Fin. Fin. Fin. Fin. Fin. Fin.

Econ. Econ. Econ. Econ. Econ. Econ. Econ.

439, 439, 439, 439, 439, 439, 439,

448 (2010). 448 ff. (2010). 451 f. (2010). 453 ff. (2010). 455 (2010). 455, 460 (2010). 455 ff. (2010).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

nehmens kaum abschätzen lasse, mit welcher Wahrscheinlichkeit ISS den Beschlussempfehlungen der Verwaltung zustimmen wird. Daraus folgern die Autoren, dass ISS seiner eigenen Bewertung der Corporate Governance bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen offenbar kein großes Gewicht beimesse.288 ISS könnte für die Entwicklung von Ratings und von Abstimmungsempfehlungen unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Daines/Gow/ Larcker haben außerdem untersucht, ob die Bewertung der Corporate Governance in Form des CGQ Einfluss darauf hat, ob die Aktionäre den Beschlussempfehlungen der Verwaltung zustimmen oder nicht. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass entweder überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem CGQ und der Zustimmungsquote festzustellen sei oder dass ein besserer CGQ sogar mit einer geringeren Zustimmungsquote korreliere.289 Diese Befunde implizieren zunächst, dass die empirischen Befunde zum CGQ lediglich indizielle Bedeutung für die Arbeit von ISS haben, unmittelbare Rückschlüsse für die Abstimmungsempfehlungen aber nicht möglich sind. Gleichzeitig verstärken sie die Zweifel an der Qualität der Arbeit von ISS. Überzeugungen in Hinblick auf die Corporate Governance bestehen unabhängig davon, ob sie in ein Rating übertragen oder ob sie zur Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen verwendet werden. Ein nachvollziehbarer Grund für eine unterschiedliche Betrachtung ist nicht ersichtlich. d) Beschränkte Aussagekraft der empirischen Befunde Die empirischen Erkenntnisse zum Corporate Governance-Rating von ISS deuten insgesamt auf einen allenfalls schwachen volkswirtschaftlichen Nutzen der Stimmrechtsberatung hin. In eine abschließende Bewertung sind jedoch drei Aspekte einzubeziehen, die die Aussagekraft der Untersuchungen in Hinblick auf die Qualität der Abstimmungsempfehlungen beschränken. aa) Kapitalmarkteffizienz Die erste Einschränkung betrifft den Zusammenhang zwischen dem CGQ und der Rendite der Aktionäre. Ein solcher konnte nur in der ersten Untersuchung von Brown/Caylor festgestellt werden, deren methodischer Ansatz jedoch fragwürdig ist. Daines/Gow/Larcker verneinen einen Zusammenhang. Überträgt man dieses Ergebnis auf die Abstimmungsempfehlungen, 288

Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 459 (2010): „This is rather odd, as it suggests that ISS does not place much weight on its own measure when developing voting recommendations.“ 289 Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 459 f. (2010).

III. Empirische Erkenntnisse

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erscheint der volkswirtschaftliche Nutzen der Stimmrechtsberatung beschränkt: Wenn das Rating nicht mit der Rendite korreliert, dann führt möglicherweise auch das Befolgen der Abstimmungsempfehlungen von ISS nicht zu einer Renditesteigerung. Berücksichtigt man die These der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Capital Market Hypothesis, ECMH), ist der Befund von Daines/Gow/Larcker in Bezug auf das Rating aber möglicherweise gar nicht allzu überraschend290: Nach der halbstrengen Variante der ECMH291 sind am Kapitalmarkt zu jeder Zeit alle öffentlich verfügbaren Informationen eingepreist, die Preise sind also unter Berücksichtigung all dieser Informationen ermittelt worden.292 Wenn tatsächlich eine Kapitalmarkteffizienz in diesem Sinne besteht, müssten auch die öffentlich verfügbaren Informationen über die Corporate Governance von Unternehmen und die Corporate GovernanceRatings – soweit sie auf zusätzlichen Informationen beruhen – Eingang in die Aktienpreise gefunden haben. Sofern der Kapitalmarkt in der Corporate Governance eine für den künftigen Unternehmenserfolg entscheidende Größe erblickt, wären Unternehmen mit einer guten Corporate Governance folglich entsprechend ihres zu erwartenden größeren Erfolgs von vornherein höher bewertet als Unternehmen mit einer schlechten Corporate Governance. Ist der zu erwartende größere Unternehmenserfolg bereits eingepreist, ist eine Korrelation zwischen dem CGQ und der Rendite jedoch gerade nicht zu erwarten.293 Der Befund von Daines/Gow/Larcker, die eine solche Korrelation nicht feststellen konnten, deutete folglich nicht auf eine mangelhafte Qualität des Ratings hin. Ob die Annahme der ECMH in Bezug auf die Corporate Governance-Struktur und die diesbezüglichen Ratings zutreffend ist, diese Informationen also tatsächlich eingepreist werden, ist nach den gegenwärtigen empirischen Erkenntnissen nicht sicher zu beantworten294: Zuerst haben Core/ Guay/Rusticus überprüft, ob die von Gompers/Ishii/Metrick erwogene 290

s. auch Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 154. Zur ECMH und ihren drei Varianten (schwach, halbstreng, streng) s. grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383 (1970); für Darstellungen im deutschen Schrifftum s. etwa Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 123 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 59 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. (1996), S. 129 f.; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 91 ff. 292 Vgl. Klöhn, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. (2008), § 6, Rn. 6; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 94 ff. 293 Vgl. Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 453 (2010); Gompers/Ishii/ Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 121 (2003); Larcker/Richardson/Tuna, 82 Acct. Rev. 963, 997 (2007). 291

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Erklärung, der von ihnen festgestellte Zusammenhang zwischen G-Score und zukünftiger Rendite beruhe möglicherweise auf einer Marktineffizienz295, zutreffend ist. Dazu wird die These aufgestellt, dass ein ineffizienter Markt von dem geringen Erfolg von Unternehmen mit einer schlechten Corporate Governance ebenso überrascht sein müsste wie von dem großen Erfolg von Unternehmen mit einer guten Corporate Governance. Jedoch konnte weder festgestellt werden, dass die Voraussagen von Analysten insoweit unzutreffend wären296, noch dass bei der Bekanntgabe von Gewinnzahlen durch die Unternehmen die Aktienpreise unterschiedlich reagierten.297 Diese Studie deutet daher daraufhin, das die Akteure auf dem Kapitalmarkt die Corporate Governance-Qualität eines Unternehmens zutreffend in Wertpapierpreise umsetzen.298 Cremers/Nair finden hingegen nur einen Beleg dafür, dass zwar einzelne Corporate Governance-Faktoren (hier: Anwesenheit eines aktivistischen Großaktionärs einerseits und das Fehlen von Mechanismen zur Übernahmeabwehr andererseits) zutreffend bewertet werden. Ob eine zutreffende Bewertung durch den Kapitalmarkt auch dann stattfindet, wenn beide Faktoren bei einem Unternehmen vorliegen, lassen sie hingegen offen.299 Schließlich sind Daines/Gow/Larcker in ihrer bereits angesprochenen Studie der Frage nachgegangen, ob bei der Änderung eines Corporate Governance-Ratings kurzfristig Besonderheiten bei der zu erzielenden Rendite zu beobachten sind, ob also die Aktienkurse auf die Änderung des Ratings reagieren.300 Dabei ziehen sie auch die Möglichkeit in Betracht, dass es nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ratingänderung zu einer Reaktion des Aktienkurses kommen muss, sondern dass die Faktoren, die zu der Änderung geführt haben, bereits vorher eingepreist wurden. Daines/Gow/Larcker kommen zu dem Ergebnis, dass insgesamt nur eine schwache Reaktion der Aktienkurse zu beobachten sei. Auffällig seien alleine der CGQ von ISS, dessen Änderung aber auch nur schwach mit Kursreaktionen in Zusammenhang stehe, und das TCL-Rating, bei dem ein etwas stärkerer Zusammenhang bestehe. Die Erkenntnisse von Daines/Gow/Larcker deuten in der Tendenz daraufhin, dass Corporate Governance-Faktoren nicht oder nur in geringem Maße eingepreist werden. 294 s. in diesem Kontext auch die Studie von Cun ˜ at/Gine/Guadalupe, 67 J. Fin. 1943 (2012), die das Problem einer vorheringen Einpreisung zu lösen versuchen; dazu schon oben S. 257. 295 Gompers/Ishii/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107, 130 ff. (2003) – „Hypothesis I“. 296 Core/Guay/Rusticus, 61 J. Fin. 655, 668 ff. (2006). 297 Core/Guay/Rusticus, 61 J. Fin. 655, 672 ff. (2006). 298 s. auch Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1829 (2008). 299 Cremers/Nair, 60 J. Fin. 2859, 2889 (2005); s. auch die Zusammenfassung bei Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1830 ff. (2008). 300 Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 453 (2010).

III. Empirische Erkenntnisse

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bb) Steigerung des Ratings durch Abstimmungsempfehlungen Die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen CGQ und Rendite können aus einem weiteren Grund nur bedingt für die Bewertung der Abstimmungsempfehlungen von ISS herangezogen werden. Der CGQ ist eine statische Größe, die sich auf die gegenwärtige Corporate Governance-Struktur eines Unternehmens bezieht. ISS zielt mit seinen Abstimmungsempfehlungen jedoch auf eine Verbesserung der Corporate Governance und damit auch auf eine Steigerung des CGQ ab. Da die empirischen Erkenntnisse nicht auf eine negative Korrelation des CGQ mit der Rendite hindeuten, liegt es nicht fern, dass eine Steigerung des CGQ tatsächlich mit einer Verbesserung der Rendite einhergehen könnte. Das spräche für einen volkswirtschaftlichen Nutzen der Stimmrechtsberatung durch ISS. Gegen diese Annahme sprechen allerdings einige der empirischen Untersuchungen, die sich allgemein mit dem Zusammenhang von Corporate Governance und Unternehmenswert befassen. Dort wird angedeutet, dass möglicherweise der Unternehmenswert ursächlich für die Corporate Governance ist, das Kausalitätsverhältnis also umgekehrt ist. Dann wäre bei einer Steigerung des CGQ – als Ausdruck der Corporate Governance-Qualität – keine Wertsteigerung zu erwarten. cc) Berücksichtigung der Einflussnahme über informelle Gespräche Die nicht vorhandene Korrelation zwischen CGQ und Abstimmungsempfehlungen, die Daines/Gow/Larcker festgestellt haben301, ist möglicherweise nicht so verwunderlich, wie es zunächst erscheint. Aus dem Befund folgt nämlich nicht unbedingt, dass ISS bei der Erstellung des CGQ einerseits und bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen andererseits mit zweierlei Maß misst. Vielmehr kommt eine andere Begründung in Betracht: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ISS einen wesentlichen Teil seines Einflusses nicht über umkämpfte Abstimmungsentscheidungen (proxy fights) ausübt, sondern dass häufig bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Gespräche zwischen ISS und dem Unternehmensmanagement stattfinden. Vor allem das Management hat ein Interesse an der Durchführung dieser Gespräche, da sie die Gelegenheit bieten, um die Unterstützung des Stimmrechtsberaters zu werben. ISS selbst kann darauf hinwirken, dass bereits die Beschlussempfehlungen der Verwaltung an die von dem Stimmrechtsberater benannten Kriterien angepasst werden. Die Schlussfolgerung für den empirischen Befund von Daines/Gow/Larcker liegt auf der Hand: Dass ISS bei Unternehmen mit einem schlechten CGQ nicht deutlich häufi301

s. oben S. 237 f.

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

ger gegen die Beschlussempfehlungen der Verwaltung stimmt, kann auch damit zusammenhängen, dass der Stimmrechtsberater bereits bei der Erstellung der Beschlussempfehlungen seinen Einfluss ausgeübt hat und dadurch bereits die Empfehlungen seinen Abstimmungsrichtlinien entsprechen.302 Die methodischen Zweifel, die die fehlende Korrelation zunächst auslöst, könnten daher nicht oder nur mit Einschränkungen begründet sein. dd) Gründe Trotz der einschränkenden Aspekte deuten die empirischen Befunde auf eine geringe Voraussagekraft des CGQ für den zukünftigen Unternehmenserfolg hin. In einigen Beiträgen wird über die Gründe spekuliert, die hierfür ausschlaggebend sein könnten. Im Zentrum der Kritik steht der Einwand, dass die Berücksichtigung einer Vielzahl von Corporate GovernanceFaktoren – wie es bei den kommerziellen Corporate Governance-Ratings der Fall ist – möglicherweise nicht sinnvoll ist. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den einzelnen Kriterien einer guten Corporate Governance nicht unbedingt immer um Komplementäre handeln müsse, sondern sie sich zueinander auch substitutiv verhalten könnten. Bei Vorliegen eines Kriteriums sei es also möglicherweise nicht nur möglich, sondern sogar sinnvoll auf ein anderes zu verzichten. Diese Möglichkeit werde von den Corporate Governance-Ratings nicht berücksichtigt.303 In der Folge gehe ein erheblicher Teil der Aussagekraft eines Ratings verloren, der Zustand der Corporate Governance eines Unternehmens werde demnach möglicherweise falsch bewertet.304 Möglicherweise sei es daher sinnvoll, ein Rating nur anhand weniger Kriterien zu erstellen305 oder gar nur einen einzigen Faktor zu berücksichtigen.306 Diese Erwägungen gelten für die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen entsprechend. Wenn Stimmrechtsberatern vorgeworfen wird, dass sie eine one-size-fits-all-Methode bzw. ein check-the-box-System verwenden würden und dies möglicherweise nicht sinnvoll sei307, ist nichts anderes ge302

s. auch Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 154. Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1834 (2008): „[. . .] good governance features may well be substitutes and the interactions among them may also be complex and subtle. Given these possibilities, it is incorrect to treat them simply as complements [. . .]“. 304 s. auch Daines/Gow/Larcker, 98 J. Fin. Econ. 439, 460 f. (2010): „measurement error“. 305 Vgl. Rose, 32 J. Corp. L. 887, 910 ff. (2007) m. w. N. 306 s. dazu Bhagat/Bolton/Romano, 108 Colum. L. Rev. 1803, 1832 ff. (2008). 307 s. etwa Rose, 32 J. Corp. L. 887, 908 ff. (2007); SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 119; Europäische Kommission, Grünbuch Euro303

III. Empirische Erkenntnisse

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meint als wenn in Bezug auf Corporate Governance-Ratings von einem measurment error die Rede ist308: Auch in Bezug auf Abstimmungsempfehlungen gilt, dass sich verschiedene Corporate Governance-Kriterien zueinander substitutiv verhalten können. Konkret ist es somit möglicherweise nicht sinnvoll, auf eine bestimmte Zusammensetzung des board of directors hinzuwirken, wenn durch ein gut strukturiertes Vergütungssystem bereits ausreichende Anreize geschaffen bzw. wenn Übernahmehindernisse bereits beseitigt wurden. Wenn die einzelnen Faktoren tatsächlich – zumindest teilweise – Substitute sind, dann müssten Stimmrechtsberater für jedes Unternehmen eine individuelle Bewertung der Corporate Governance anfertigen; es würde nicht genügen, schlicht einen Kriterienkatalog durchzugehen („check-the-box“) und bei allen nicht vorliegenden Kriterien darauf hinzuwirken, dass sie zukünftig erfüllt sind. Außerdem besteht die Gefahr, dass in einzelnen Abstimmungsfragen nur ganz bestimmte Lösungen akzeptiert werden. Denkbar erscheint dies insbesondere in Bezug auf das Vergütungssystem für das Management.309 3. Wertsteigerung bei Übereinstimmung mit den Abstimmungsrichtlinien? Direkte Rückschlüsse in Bezug auf den volkswirtschaftlichen Nutzen der Abstimmungsempfehlungen erlaubt eine Ereignisstudie von Larcker/ McCall/Ormazabal. Sie untersucht die Frage, ob sich die Anpassung von Beschlussempfehlungen an die Abstimmungsrichtlinien der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis werterhöhend auswirkt. Bei dem untersuchten Ereignis handelt es sich um Programme zum Tausch von Bezugsrechten (stock option exchanges).310 Dabei geht es um Fälle, in denen bestehende Bezugsrechte durch ein Absinken des Aktienkurses unter den festgelegten Ausgabepreis wertlos (underwater; out-of-the-money) geworden sind und päischer Corporate Governance-Rahmen, KOM(2011) 164 endgültig, S. 17; aus dem deutschen Schrifttum s. Fleischer, ZGR 2011, 155, 171; ders., AG 2012, 2, 5. 308 Ebenso Rose, 32 J. Corp. L. 887, 909 (2007): „While the use of a set of onesize-fits-all governance criteria is obviously a concern with governance ratings, the problem is also apparent in the rather rigid review of various proxy proposals.“ 309 Vgl. Fleischer, NZG 2009, 801, 805: „Unerwünschte Nebeneffekte [des „Say on Pay“-Votums, Anm. d. Verf.] könnten darin liegen, dass sich durch den Druck institutioneller Investoren suboptimale Einheitslösungen durchsetzen, die den unternehmerischen Besonderheiten nicht gerecht werden und innovativen Vergütungskonzepten kaum Raum lassen.“ Speziell mit Blick auf Stimmrechtsberater auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 678 („professionelle Stimmrechtsvertreter“); Gordon, 46 Harv. J. on Legislation 323, 352 f. (2009). 310 Larcker/McCall/Ormazabal, Proxy Advisory Firms and Stock Option Exchanges, August 2011, S. 4 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1811130).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

daher durch neue ersetzt werden sollen.311 Larcker/McCall/Ormazabal stellen zwei wesentliche Dinge fest: Erstens wirke sich die Einführung eines Tauschprogramms für Bezugsrechte zwar positiv auf den Aktienkurs aus, der festzustellende positive Effekt sei aber mit einem zunehmenden Grad an Übereinstimmung mit den Abstimmungsrichtlinien der Stimmrechtsberater abnehmend. Zweitens gehe die Einführung eines Tauschprogramms zwar mit einer höheren Gesamtkapitalrentabilität einher, der Zuwachs sei aber ebenfalls mit der zunehmenden Übereinstimmung mit den Abstimmungsrichtlinien der Stimmrechtsberater abnehmend.312 Insgesamt wirke sich die Übereinstimmung mit den Abstimmungsrichtlinien von Stimmrechtsberatern, soweit es um den Tausch von Bezugsrechten gehe, für die Aktionäre nicht werterhöhend aus.313 Tendenziell deutet diese Studie daraufhin, dass die Stimmrechtsberatung durch ISS und Glass Lewis nicht nur keinen volkswirtschaftlichen Nutzen hat, sondern vielmehr weitere soziale Kosten verursacht. Einschränkend ist allerdings der eng gefasste Untersuchungsgegenstand zu berücksichtigen, der eine allgemeine Bewertung der Tätigkeit der Stimmrechtsberater nicht erlaubt. 4. Unterschiedliche Gewichtung von Kriterien Eine weitere Studie betrifft vor allem die bei der Entwicklung der Abstimmungsempfehlungen angewandte Methodik. Choi/Fisch/Kahan haben untersucht, ob die für dieselben Abstimmungen unterbreiteten Empfehlungen von vier verschiedenen Stimmrechtsberatern – ISS, Glass Lewis, PGI und Egan-Jones – miteinander übereinstimmen, wobei dabei nur die Wahlen zum board of directors berücksichtigt werden.314 Choi/Fisch/Kahan kommen zu dem Ergebnis, dass die von den Stimmrechtsberatern unterbreiteten Abstimmungsempfehlungen zum Teil sehr unterschiedlich ausfallen. Das liege daran, dass sie sich bei der Entwicklung der Abstimmungsemp311 Zum Hintergrund der Studie s. auch Larcker/Tayan, Do ISS Recommendations create Shareholder Value?, April 2011, S. 2 (abrufbar unter http://ssrn.com/ abstract=1816543). 312 s. die Ergebnisübersicht: Larcker/McCall/Ormazabal, Proxy Advisory Firms and Stock Option Exchanges, August 2011, S. 5 (abrufbar unter http://ssrn.com/ab stract=1811130). 313 Larcker/McCall/Ormazabal, Proxy Advisory Firms and Stock Option Exchanges, August 2011, S. 5 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1811130): „[C]ompliance with ISS or Glass Lewis guidelines on stock option exchanges limits the recontracting benefits of these transactions and is not value increasing for shareholders.“ 314 Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649 (2009).

III. Empirische Erkenntnisse

245

fehlungen durchweg von unterschiedlichen Kriterien leiten ließen bzw. dass dieselben Kriterien unterschiedlich gewichtet würden. Dabei nennt die Studie die jeweils relevanten Kriterien und ihre Wichtigkeit bei dem jeweiligen Stimmrechtsberater. Ein Beispiel: Bei ISS seien vor allem Kriterien entscheidend, die Zusammensetzung des boards betreffen. Glass Lewis berücksichtige diese Kriterien zwar auch, im Zentrum stünde jedoch, ob die jeweilige Gesellschaft ihren Offenlegungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist und ob ein Kandidat zuvor dem audit committee, das für die Kontrolle der executive officers zuständig ist315, angehört hat. Diese Aspekte lasse ISS völlig unberücksichtigt.316 Choi/Fisch/Kahan zeigen sich angesichts des von ihnen gefundenen Ergebnisses besorgt: Zwar sei die „Heterogenität“ unter den Stimmrechtsberatern im Prinzip wünschenswert, da ein institutioneller Anleger sich so an den Anbieter wenden könne, von dessen Corporate Governance-Verständnis er sich den größten Wertzuwachs erhofft.317 Voraussetzung dafür sei jedoch, dass sich die institutionellen Anleger dieser Heterogenität bewusst seien, sie also die durch eine Abstimmungsempfehlung übermittelte Aussage – diese hängt von den ihr zugrundeliegenden Kriterien ab – tatsächlich verstünden. Andernfalls folgten die institutionellen Anleger möglicherweise blind ihrem Stimmrechtsberater, obwohl dieser andere Kriterien für wichtig hält als sie selbst.318 Es bestünde die Gefahr, dass Stimmrechtsberater dieses Unverständnis ausnutzten: „Likewise, the criticism of proxy advisors – as powerful governance actors that lack proper incentives and accountability as to the content of their recommendations and have the ability to base these recommendations on their whim, to follow their own ideological agenda, or perhaps even to pursue their own conflicting business interests – would warrent serious attention“319. Die Untersuchung von Choi/Fisch/Kahan gibt Anlass zu zwei weitergehenden Überlegungen. Erstens spricht einiges dafür, dass institutionelle Anleger sich des Umstands, dass Stimmrechtsberater ihre Abstimmungsempfehlungen anhand unterschiedlicher Kriterien entwickeln tatsächlich nicht bewusst sind: Stimmrechtsberater geben nicht öffentlich bekannt, wie sie ihre Abstimmungsempfehlungen entwickeln. Choi/Fisch/Kahan haben – soweit ersichtlich – erstmals ermittelt, ob die dabei angewandten Kriterien unterschiedlich sind. Es fehlt also schon an der faktischen Möglichkeit, 315

Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 599. Zum Ganzen Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 670 ff. (2009); zum Überblick s. insbesondere die Tabelle auf S. 675. 317 Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 696 f. (2009). 318 Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 697 (2009). 319 Choi/Fisch/Kahan, 82 S. Cal. L. Rev. 649, 697 (2009). 316

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

Kenntnis darüber zu erlangen, welche Kriterien ein Stimmrechtsberater für wichtig hält und welche nicht. Außerdem herrscht bei institutionellen Anlegern – wie in dieser Arbeit gezeigt – rationale Apathie vor. Sie selbst haben mangels ausreichender Expertise gerade keine „Vorlieben“ hinsichtlich der Corporate Governance; gerade deshalb engagieren sie einen Stimmrechtsberater. Es kommt für sie einzig darauf an, ob die Abstimmungsempfehlungen shareholder value schaffen. Zweitens ruft auch der empirische Befund von Choi/Fisch/Kahan Zweifel am volkswirtschaftlichen Nutzen der Stimmrechtsberater hervor. Offenbar bestehen auch unter den Beratern selbst, die stets auf ihre Expertise in Fragen der Corporate Governance verweisen, unterschiedliche Überzeugungen davon, welche Maßnahmen Agenturkosten senken. Die Stimmrechtsberater hegen also, poiintierter formuliert, Skepsis gegenüber der Methodik ihrer Wettbewerber. Wenn die Branche selbst uneins darüber ist, welche Maßnahmen zur Senkung von Agenturkosten sinnvoll sind, dann ist auch fraglich, ob jeder einzelne Stimmrechtsberater einen sozialen Ertrag generieren kann. Von Bedeutung ist diese Feststellung vor allem für ISS und Glass Lewis, da der Einfluss dieser Anbieter am größten ist. 5. Überprüfung der Abstimmungsempfehlungen durch die Kunden Gegenstand empirischer Untersuchungen war schließlich die Frage, ob institutionelle Anleger den Abstimmungsempfehlungen von Stimmrechtsberatern „blind“ folgen oder ob die Empfehlungen lediglich Ausgangspunkt einer eigenen Abstimmungsentscheidung sind.320 Diese Frage ist für den sozialen Nutzen der Stimmrechtsberater von Interesse: Wenn die Empfehlungen der Stimmrechtsberater lediglich zur Bildung einer eigenen Meinung herangezogen werden, dann ermöglichen sie den Kunden eine informierte Abstimmungsentscheidung zu vergleichsweise geringen Kosten. Die Empfehlungen würden trotzdem noch zur Überwindung des Kollektivhandlungsproblems beitragen, da sie zumindest ein Indiz für das Abstimmungsverhalten der Mitaktionäre darstellen. Gleichzeitig würde die Gefahr, dass auch fehlerhafte oder gar missbräuchliche, also die Agenturkosten erhöhende, Empfehlungen befolgt werden, sinken. Die Fehlanreize, denen Stimmrechtsberater unterliegen, könnten sich demnach nicht oder zumindest nur in einem weniger starken Maße auswirken. Wenn institutionelle Anleger die Abstimmungsempfehlungen hingegen „blind“ befolgen, üben die Stimmrechts320 Zu diesem Aspekt s. allgemein European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 17 ff.

III. Empirische Erkenntnisse

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berater faktisch die Stimmrechte aus. Bestehende Fehlanreize haben einen potentiell größeren Einfluss auf das Abstimmungsergebnis. Rechtsökonomisch betrachtet liegt das „blinde“ Befolgen der Abstimmungsempfehlungen nahe.321 Die institutionellen Anleger betonen indessen, sie würden die Abstimmungsempfehlungen von Stimmrechtsberatern nur unterstützend heranziehen.322 Der empirische Befund fällt wiederum gemischt aus. So deutet die Untersuchung von Cotter/Palmiter/Thomas darauf hin, dass institutionelle Anleger (hier: mutual funds) in der Regel keine umfassende Überprüfung der ISS-Empfehlungen durchführen. Konkret konnte erstens festgestellt werden, dass die Gruppe der mutual funds häufiger entsprechend der Abstimmungsempfehlungen votiert als dies alle Aktionäre tun.323 Zweitens hat die Studie ergeben, dass die mutual funds eher ISS folgen, wenn die Empfehlungen des Stimmrechtsberaters anders lauten als die des Managements.324 Insgesamt stimmten die Empfehlungen von ISS und das Abstimmungsverhalten der mutual funds zu einem hohen Grad überein („highly consistent“).325 Allerdings ist die Studie nur ein Indiz für ein „blindes“ Befolgen der Abstimmungsempfehlugen, denn die große Übereinstimmung kann auch darauf zurückzuführen sein, dass die mutual funds die Ergebnisse von ISS schlicht für gut befinden und ihnen deshalb – also nach einer Überprüfung – folgen.326 Zu einem tendenziell ähnlichen Ergebnis gelangt Schouten. Er hat ebenfalls ermittelt, dass die Übereinstimmungsquote zwischen dem Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger und den Empfehlungen der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis hoch ist. Durchschnittlich sei lediglich in 3,7% der Fälle eine Abweichung feststellbar. Auch Schouten stellt fest, dass institutionelle Anleger eher den Empfehlungen ihres Stimmrechtsberaters als denen des Managements folgen.327 In drei Fällen wichen institutionelle Anleger jedoch stärker von den Empfehlungen ihres Stimmrechtsberaters ab: erstens, wenn sie besonders große Anteile an einer Gesellschaft hal321 Dazu schon oben S. 224 ff. s. auch Verdam, An Exploration of the Role of Proxy Advisors in Proxy Voting, December 2006, S. 4 (abrufbar unter http:// ssrn.com/abstract=978835): 15 bis 20% der ISS-Kunden lassen ihre Stimmrechte sogar automatisch entsprechend der Abstimmungsempfehlungen des Stimmrechtsberaters ausüben. 322 Vgl. Altman Group, Proxy Advisory Firms: The Debate Over Changing the Regulatory Framework, March 2011, S. 25 ff. 323 Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 30 ff. (2010). 324 Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 46 ff. (2010). 325 Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 2 (2010). 326 Cotter/Palmiter/Thomas, 55 Villanova L. Rev. 1, 2 und 56 (2010). 327 Schouten, Do Institutional Investors follow Proxy Advice blindly?, January 2012, S. 14 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1978343).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

ten bzw. wenn die Anteile einen besonders hohen Wert aufweisen328; zweitens, wenn es um Beschlüsse mit besonders hohem Einfluss auf den Börsenkurs geht (z. B. bei Unternehmenszusammenschlüssen, mergers)329 und drittens, wenn der Börsenkurs der Gesellschaft fallend ist.330 In allen drei Fällen besteht eine nahe liegende Erklärung für die Befunde darin, dass der Anreiz institutioneller Anleger, eine informierte Abstimmungsentscheidung zu treffen, größer ist als sonst. Eine stärkere Kontrolle der Abstimmungsempfehlungen von ISS durch die institutionellen Anleger legt der Befund von Choi/Fisch/Kahan nahe. Die Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der mutual funds331, deren Abstimmungsverhalten den Empfehlungen von ISS sehr häufig entspricht (nämlich in 80% bzw. 90% der Fälle), unter 10% liegt. Konkret wurde für den Bereich von 90% und mehr ein Anteil von rund 3% ermittelt, für den Bereich von 80% und mehr ein Anteil von rund 8%.332 Der weitaus größere Anteil der mutual funds, nämlich 36%, stimmt hingegen nur gelegentlich (nämlich in 40 bis 70% der Fälle) so ab, wie ISS es empfohlen hat.333 Aus diesem Befund folgern Choi/Fisch/Kahan, dass der weitaus größere Anteil der mutual funds die ISS-Empfehlungen nicht „blind“ befolgt, sondern sie lediglich als Anhaltspunkt für eine eigene Abstimmungsentscheidung verwendet.334 In diese Richtung deutet auch das Ergebnis der Studie von Ertimur/ Ferri/Oesch. Dort wurde ermittelt, dass die (ablehnenden) Abstimmungsempfehlungen von ISS zwar Einfluss auf das Ergebnis von „Say on Pay“-Voten haben.335 Der Grad des Einflusses soll aber davon abhängen, 328

Schouten, Do Institutional Investors follow Proxy Advice blindly?, January 2012, S. 15 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1978343). 329 Schouten, Do Institutional Investors follow Proxy Advice blindly?, January 2012, S. 18 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1978343). 330 Schouten, Do Institutional Investors follow Proxy Advice blindly?, January 2012, S. 19 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1978343). 331 Gemeint ist, genauer gesagt, nicht die Anzahl der mutual funds, sondern der Anteil der Aktien, die mutual funds halten. 332 Choi/Fisch/Kahan, Voting Through Agents: How Mutual Funds Vote on Director Elections, January 2012, S. 19 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1912772). Die Daten beziehen sich ausschließlich auf ablehnende Abstimmungsempfehlungen. 333 Choi/Fisch/Kahan, Voting Through Agents: How Mutual Funds Vote on Director Elections, January 2012, S. 21 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1912772). 334 Choi/Fisch/Kahan, Voting Through Agents: How Mutual Funds Vote on Director Elections, January 2012, S. 21, 45 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1912772). 335 s. oben S. 86.

III. Empirische Erkenntnisse

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aus welchem Grund ein Stimmrechtsberater die Ablehnung empfiehlt.336 Das spricht dafür, dass zumindest einige Investoren eigene Überlegungen anstellen und die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters dabei nur als Informationsgrundlage dienen. 6. Zusammenfassung und Ergebnis Die empirischen Erkenntnisse beantworten nicht eindeutig, ob Stimmrechtsberater die Agenturkosten erhöhen oder ob ihre Tätigkeit einen volkswirtschaftlichen Nutzen verspricht. In der Tendenz deutet sich allerdings an, dass Stimmrechtsberater soziale Kosten verursachen. Dieses Ergebnis legen zunächst die Untersuchungen zum Corporate Governance-Rating von ISS, dem Corporate Governance Quotient (CGQ), nahe. Der CGQ scheint allenfalls schwach mit dem zukünftigen Unternehmenserfolg, ausgedrückt durch den Unternehmenswert und die Rendite der Aktionäre, zu korrelieren. Die Untersuchungen zum CGQ haben jedenfalls indizielle Bedeutung für die Qualität der Arbeit von ISS, also auch für die Abstimmungsempfehlungen. Noch größer wäre die Aussagekraft, wenn bei der Erstellung des Ratings und bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen jeweils dieselben Kriterien maßgeblich wären. Der insoweit einzige emprische Befund weckt hieran jedoch Zweifel. Aus drei Gründen ist der Erkenntniswert der Untersuchungen zum CGQ jedoch begrenzt: Erstens ist das Ergebnis in Bezug auf die Rendite nicht überraschend, wenn – wie es auf einem effizienten Kapitalmarkt anzunehmen ist – der Markt die Relevanz von Corporate Governance-Faktoren für den Unternehmenserfolg erkennt und zutreffend einpreist. Überrenditen sind dann nicht zu erzielen. Zweitens zielen Abstimmungsempfehlungen auf Verbesserungen in der Corporate Governance ab, während Ratings den gegenwärtigen Zustand bewerten. Dass das Rating nicht mit dem Unternehmenswert korreliert, bedeutet also nicht zwangsläufig, dass die Stimmrechtsberatung keinen shareholder value schafft. Drittens weckt der offenbar fehlende Zusammenhang zwischen CGQ und Abstimmungsempfehlungen nicht unbedingt methodische Zweifel an ISS. Wenn der Stimmrechtsberater bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Einfluss auf die Beschlussempfehlungen nimmt, ist nämlich bei Unternehmen mit einem niedrigen CGQ keine höhere Anzahl ablehender Abstimmungsempfehlungen zu erwarten. Empirische Erkenntnisse bestehen zu drei weiteren Fragen. Eine Ereignisstudie hat ermittelt, dass Beschlussempfehlungen der Verwaltung weniger 336 Ertimur/Ferri/Oesch, Shareholder Votes and Proxy Advisors: Evidence from say on Pay, March 2012, S. 3 (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2019239).

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§ 7 Stimmrechtsberater und ihr Einfluss auf die Corporate Governance

shareholder value schaffen, wenn sie mit den Richtlinien der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis übereinstimmen. In einer weiteren Studie wurde festgestellt, dass die Abstimmungsempfehlungen von Stimmrechtsberatern offenbar häufig unterschiedlich ausfallen. Das lässt darauf schließen, dass die Stimmrechtsberater Zweifel an der Methodik der Wettbewerber hegen. Schließlich deutet sich an, dass die Kunden der Stimmrechtsberater deren Abstimmungsempfehlungen keiner Überprüfung mehr unterziehen, sondern den Empfehlungen eher „blind“ folgen. Eindeutig ist der empirische Befund insoweit allerdings nicht. Die Studien zu allen drei Fragen deuten überwiegend an, dass Stimmrechtsberater soziale Kosten verursachen.

§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater Eine spezifische Regulierung der Stimmrechtsberater ist schließlich nur geboten, wenn ihre Tätigkeit nicht schon bestehenden Regelungen unterfällt und hiervon bereits eine disziplinierende Wirkung ausgeht. Nach einem kurzen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater in den USA (unter I.) ist mit Blick auf die Rechtslage in Deutschland von Bedeutung, ob einzelne Bestimmungen des Kapitalmarkt- (unter II. 1.) und Aktienrechts (unter II. 2.) für Stimmrechtsberater gelten. Ein Anreiz zur Erstellung „guter“ Abstimmungsempfehlungen ergäbe sich schließlich vor allem dann, wenn Stimmrechtsberater bei Abgabe „schlechter“ Empfehlungen einem effektiven Haftungsregime unterlägen (unter II. 3.).

I. Rechtliche Rahmenbedingungen in den USA In den USA wird hinsichtlich zwei bestehender Regelwerke diskutiert, ob die Tätigkeit der Stimmrechtsberater diesen unterfällt. Dabei handelt es sich zum einen um die von der SEC erlassenen proxy rules, die an sich Anforderungen an die Einwerbung von Stimmrechtsvollmachten (proxy solicitation) durch professionelle Stimmrechtsvertreter stellen. Zum anderen können sich aus dem Investment Advisers Act of 1940 Regeln für Tätigkeit von Stimmrechtsberatern ergeben. Erwogen wird außerdem, die Treuepflichten des ERISA auf Stimmrechtsberater zu erstrecken. Schließlich könnte die Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen den Tatbestand des „Acting in Concert“ erfüllen. 1. Proxy Rules Die Anwendbarkeit der proxy rules hängt davon ab, ob die Beratung der institutionellen Anleger durch einen Stimmrechtsberater als solicitation im Sinne der Rule 14a-1 (l) (1) einzuordnen ist. Nach 14a-1 (l) (1) (iii) ist unter einer solicitation sowohl die Einholung einer Vollmacht („the furnishing of a form of proxy“) als auch jede andere Kommunikation mit den Wertpapierinhabern zu verstehen, von der man vernünftigerweise annehmen muss, dass sie die Erteilung, Versagung oder Zurücknahme einer Vollmacht

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§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater

zur Folge hat.1 Da die Empfehlungen von Stimmrechtsberatern typischerweise Einfluss auf die Vollmachtserteilung haben, insbesondere auf deren Inhalt, handelt es sich bei deren Unterbreitung um eine proxy solicitation.2 Allerdings sind auf bestimmte Formen der solicitation weite Teile der proxy rules, insbesondere die umfassenden Informationspflichten und Verfahrensvorschriften3, nicht anwendbar.4 Relevant ist die Ausnahme in Rule 14a-2 (b) (3), die für die Beratung hinsichtlich der Stimmrechtsausübung greift, sofern bestimmte Bedingungen vorliegen: (1) Die Beratungsleistung muss eine übliche Tätigkeit des Beratenden sein, also zu dessen Geschäftsmodell gehören. (2) Der Beratende muss jede Verbindung, die er oder eine seiner Tochtergesellschaften zu der betroffenen Gesellschaft unterhält, ebenso offenlegen wie eine Verbindung zu einem Aktionär, der den betreffenden Beschlussantrag gestellt hat, und ein etwaiges eigenes Interesse an dem jeweiligen Beschluss. (3) Der Beratende darf für die Beratungsleistung von niemand anderem als dem Beratenen eine Entlohnung erhalten. (4) Die Beratungsleistung darf nicht im Auftrag eines Dritten erfolgen, der selbst um die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten wirbt. Die SEC geht offenbar davon aus, dass Stimmrechtsberater diese Bedingungen erfüllen und infolgedessen weiten Teilen der proxy rules nicht unterfallen.5 Allerdings verweist die SEC darauf, dass das Verbot einer falschen oder irreführenden Beratung nach Rule 14a-9 auch für Stimmrechtsberater gelte.6 2. Investment Advisers Act of 1940 Der Investment Advisers Act of 1940 definiert den investment adviser als eine Person, die andere entgeltlich, entweder direkt oder durch Publikationen oder Schreiben, hinsichtlich des Ertrags von Wertpapieren oder hinsichtlich der Frage, ob sie diese kaufen, halten oder verkaufen sollten, beraten. Gemeint sind außerdem solche Personen, die andere Arten von Analysen in Bezug auf Wertpapiere herausgeben.7 Stimmrechtsberater werden 1 Rule 14a-1 (l) (1) (iii) lautet: „[The terms ‚solicit‘ and ‚solicitation‘ include:] The furnishing of a form of proxy or other communication to security holders under circumstances reasonably calculated to result in the procurement, withholding or revocation of a proxy.“ 2 So auch SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 107 f. 3 Kurzüberblick bei Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 789 ff.; zur proxy solicitation s. bereits oben S. 43 und S. 65. 4 Die wichtigsten Ausnahmen nennen Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2006), Rn. 787. 5 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 108 f. 6 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 109. 7 Section 202 (a) (11) und 15 U.S.C. 80b-2 (a) (11).

I. Rechtliche Rahmenbedingungen in den USA

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engangiert, weil sich die institutionellen Anleger von deren Dienstleistungsangebot eine Steigerung der Börsenkurse ihrer Aktien erhoffen. Daher erfüllen Stimmrechtsberater nach Ansicht der SEC die Definition eines investment advisers, denn sie geben Analysen in Bezug auf Wertpapiere heraus.8 Allerdings greift für Stimmrechtsberater auch in Bezug auf den Investment Advisers Act of 1940 eine Ausnahmebestimmung: Investment advisers können sich grundsätzlich nur dann als solche registrieren lassen, wenn sie Vermögensgegenstände im Wert von mindestens 25 Millionen Dollar verwalten.9 Da Stimmrechtsberater jedoch typischerweise kein Vermögen verwalten, sondern rein beratend tätig sind, sind sie von der Registrierung zunächst ausgeschlossen.10 Von der Ausnahme gibt es jedoch eine Rückausnahme: Eine Registrierung als pension consultant unter dem Investment Advisers Act of 1940 ist dann möglich, wenn zwar nicht der Beratende selbst, aber die von ihm beratenen Pensionsfonds Vermögensgegenstände in Höhe von mindestens 50 Millionen Dollar verwalten.11 Von dieser Möglichkeit hatten im Dezember 2010 mit ISS, PGI und MCG drei Stimmrechtsberater Gebrauch gemacht.12 Zwischenzeitlich war auch Glass Lewis registriert, der Stimmrechtsberater machte diese Entscheidung jedoch im Jahr 2005 rückgängig.13 Einige Pflichten gelten allerdings unabhängig von einer Registrierung unter dem Investment Advisers Act of 1940. Hierunter fällt zunächst die Feststellung des Supreme Court, dass allen investment advisers gegenüber ihren Kunden Treuepflichten obliegen. Daraus folge die Pflicht zur Beseitigung, wenigstens aber zur Offenlegung von Interessenkonflikten.14 Außerdem sind betrügerische und den Interessen des Kunden widersprechende Handlungen unzulässig, was näher ausgeführt wird.15 8

SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 109 f. Section 203A (a) (1) (A) und 15 U.S.C. 80b-3a (a) (1) (A). 10 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 112; s. auch Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 63. 11 17 C.F.R. § 275.203A-2 (b). 12 s. Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 63. Dieselbe Feststellung traf im Jahr 2007 das U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 8. PGI hat seine Tätigkeit inzwischen allerdings, wie bereits erwähnt wurde, eingestellt. 13 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 9. 14 Transamerica Mortgage Advisors, Inc. v. Lewis, 444 U.S. 11, 17 (1979); SEC v. Capital Gains Research Bureau, Inc., 375 U.S. 180, 191 f. (1963); s. dazu auch SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 110. 15 Section 206 und 15 U.S.C. 80b-6. 9

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§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater

Strengere Anforderungen gelten für registrierte Stimmrechtsberater.16 Diese müssen verschiedene Offenlegungspflichten erfüllen, etwa hinsichtlich bestehender Interessenkonflikte. Sie müssen ein „Compliance-Programm“ entwickeln, mit dem eine Verletzung der Bestimmungen des Investment Advisers Act of 1940 vermieden werden soll und das jährlich zu überprüfen ist. Hierzu ist ein Chief Compliance Officer zu bestellen. Außerdem ist der Missbrauch nicht-öffentlicher Informationen sicherzustellen und es sind bestimmte Daten aufzubewahren, anhand derer die SEC die Tätigkeit des Stimmrechtsberaters überprüfen kann. Hinsichtlich dieser Überprüfungen berichtete das GAO im Jahr 2007, dass die SEC keine Rechtsverletzungen durch die Stimmrechtsberater feststellen konnte.17 3. Treuepflichten aus dem ERISA Zu nennen ist schließlich ein Regulierungsvorschlag des US-amerikanischen Arbeitsministeriums (U.S. Department of Labor, DOL), das offenbar beabsichtigt, die Treuepflichten des ERISA auch auf Stimmrechtsberater zu erstrecken.18 In der Begründung zu einer möglichen Regelung in 29 C.F.R. 2510.3-21(c)(1)(i)(A)(3)19 heißt es: „[. . .] the proposal [. . .] makes specific reference to advice and recommendations as to the management of securities or other property. This would include, for instance, advice and recommendations as to the exercise of rights appurtenant to shares of stock (e. g., voting proxies), and as to the selection of persons to manage plan investments.“20 Welche Folgen es hätte, wenn Stimmrechtsberater dem ERISA und damit dessen Pflichtenprogramm unterfielen, ist indessen unklar. Gemutmaßt wird allerdings, dass eine gleichzeitige Corporate Governance-Beratung, wie sie ISS zurzeit anbietet, dann nicht mehr zulässig sein könnte.21

16 Überblick bei SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 113 f. m. w. N.; Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 63. 17 U.S. Government Accountability Office, GAO-07-765, June 2007, S. 12; s. dazu auch Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 63 f. 18 s. dazu Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 65 f. 19 Der vorschlagene Wortlaut findet sich in 75 Fed. Reg. 65263, 65277 (October 22, 2010). 20 75 Fed. Reg. 65263, 65266 (October 22, 2010).

II. Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

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4. „Acting in Concert“ Die in den USA geltenden Bestimmungen über das Zusammenwirken mehrerer Aktionäre zur Verfolgung eines gemeinsamen Ziels, das sogenannte „Acting in Concert“, wurden bereits erläutert.22 Relevant ist Section 13 (d) (3) des Securities Exchange Act of 1934 sowie die diesbezügliche Spezifizierung der SEC, nach der die Vorschrift auch die Verabredung zur gemeinsamen Ausübung der Stimmrechte erfasst.23 Für die Anwendung der Vorschrift ist ein abgestimmtes Handeln erforderlich, während die schlicht gleichgerichtete Abstimmung nicht ausreicht.24 Regelmäßig bedarf es daher wohl einer Kommunikation zwischen den Aktionären selbst, wobei die Gerichte auch bei Vorliegen einer solchen nicht unbedingt ein „Acting in Concert“ annehmen.25 Angesichts dessen dürfte das gleichgerichtete Abstimmungsverhalten, dessen Ursache in identischen Empfehlungen des gemeinsamen Stimmrechtsberaters liegt, erst recht kein konzertiertes Verhalten darstellen.26

II. Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland 1. Kapitalmarktrecht Wenn eine gleichgerichte Stimmrechtsausübung durch mehrere Aktionäre herbeigeführt wird, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit kapitalmarktrechtlicher Zurechnungstatbestände. Diese gibt es sowohl im Wertpapier- als auch im Übernahmerecht. Da Stimmrechtsberater eine Dienstleistung in Bezug auf Wertpapiere erbringen, erscheint es außerdem denkbar, die Verhaltens- und Organisationspflichten der §§ 31 ff. WpHG anzuwenden. Schließlich wirft der informelle Kontakt zwischen Stimmrechtsberatern und Emittenten insiderrechtliche Fragen auf. 21

s. Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 66. 22 Oben S. 143 ff. 23 17 C.F.R. § 240.13d-5 (b) (1). 24 Kahan/Rock, 155 U. Penn. L. Rev. 1021, 1079 (2007); s. auch Spindler, WM 2007, 2357, 2363; Kumpan, AG 2007, 461, 467. Allerdings wurde in Financial General Bankshares, Inc. v. Lance, 1978 WL 1082, S. 9 (D.D.C. 1978) die gleiche Stimmrechtsausübung als Indiz für ein abgestimmtes Verhalten angesehen. 25 Hallwood Realty Partners, LP v. Gotham Partners, LP, 286 F. 3d 613, 618 (2d Cir. 2002); meVC Draper Fisher Jurvetson Fund I, Inc. v. Millennium Partners, LP, 260 F. Supp. 2d, 616, 631 ff. (S.D.N.Y. 2003); s. dazu auch Spindler, WM 2007, 2357, 2363. 26 So wohl auch Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 697 ff. (2007).

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§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater

a) Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG Ein Aktionär muss nach den §§ 21 ff. WpHG, die auf der Transparenzrichtlinie27 (s. dort Art. 9 ff.) beruhen, das Erreichen, das Überschreiten und das Unterschreiten der Schwellenwerte von 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 30%, 50% oder 75% der Stimmrechte an einer Gesellschaft sowohl dem Emittenten der Wertpapiere (also der Gesellschaft) als auch der BaFin unverzüglich mitteilen. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils sind dabei nicht ausschließlich die Stimmrechte maßgeblich, die dem Meldepflichtigen aus den von ihm selbst gehaltenen Aktien zustehen. Er muss sich vielmehr unter den Voraussetzungen des § 22 WpHG die Stimmrechte Dritter zurechnen lassen. In Bezug auf Konstellationen der Stimmrechtsberatung sind zwei dort geregelte Fälle von Interesse, nämlich das Anvertrauen von Stimmrechten bzw. die Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG) sowie die Verhaltensabstimmung („Acting in Concert“, § 22 Abs. 2 WpHG). aa) § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG Eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG ist für Stimmrechte aus solchen Aktien vorzunehmen, „die dem Meldepflichtigen anvertraut sind oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen.“ Es sind demnach zwei Tatbestandsalternativen zu unterscheiden. Ein „Anvertrautsein“ setzt voraus, dass derjenige, dem zugerechnet wird, die Vermögensinteressen des Aktionärs aufgrund eines Rechtsverhältnisses wahrzunehmen hat. Innerhalb der Grenzen, die sich aus diesem Rechtsverhältnis ergeben, muss es dem Meldepflichtigen möglich sein, die Stimmrechte nach eigenem Ermessen auszuüben.28 Demnach ist die bloße Stimmrechtsvertretung nicht ausreichend. 27 Richtlinie 2004/129/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. 12. 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABlEU Nr. L 390 v. 31. 12. 2004, S. 38. 28 v. Bülow, in: KölnKomm-WpÜG, 2. Aufl. (2010), § 30, Rn. 188, 194; Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, Losebl. (Stand: 5. Lfg., Januar 2011), § 30, Rn. 60 ff.; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22 WpHG, Rn. 69, 72; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 118 f. Wie hier werden die Kommentierungen zum WpÜG auch im Folgenden herangezogen, weil die dortigen Regelungen den hier thematisierten Vorschriften aus dem WpHG entsprechen. Zur Vergleichbarkeit s. auch die Nachweise in Fn. 74 und Fn. 75.

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Vielmehr bedarf es einer darüber hinausgehenden Überlassung der Rechte aus den Aktien.29 Stimmrechtsberater werden in der Praxis jedoch allenfalls (zusätzlich zu dem in der Beratung liegenden Schwerpunkt ihrer Tätigkeit) als Stimmrechtsvertreter tätig. Eine darüberhinausgehende Überlassung der Rechte aus den Aktien erfolgt hingegen nicht. Somit scheidet ein „Anvertrautsein“ der Stimmrechte und damit eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 WpHG aus.30 Die zweite Tatbestandsalternative ist erfüllt, wenn ein von dem Aktionär verschiedener Dritter die Stimmrechte aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht ausüben kann.31 Erforderlich ist auch hier, dass der Bevollmächtigte nach eigenem Ermessen abstimmen kann, er also nicht den Weisungen des Aktionärs unterliegt.32 Viele Stimmrechtsberater bieten neben der bloßen Beratung auch die Ausübung der Stimmrechte an, Bevollmächtigungskonstellationen kommen in der Praxis also vor. Die Bevollmächtigung kann dabei unterschiedlich ausgestaltet sein: Ein institutioneller Anleger kann darauf bestehen, dass ihm die Abstimmungsempfehlungen zunächst zugeleitet werden und er dem Stimmrechtsberater sodann mitteilt (auch durch Schweigen), ob entsprechend abgestimmt werden soll. Er kann jedoch auch auf eine Prüfung der Abstimmungsempfehlungen verzichten und dem Stimmrechtsberater bereits bei der Bevollmächtigung mitteilen, dass die Stimmrechte in jedem Fall entsprechend der Abstimmungsempfehlungen ausgeübt werden sollen. In Hinblick auf § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG ist zwischen diesen Konstellationen zu unterscheiden. Sofern die Abstimmungsempfehlungen den institutionellen Anlegern zunächst zugeleitet werden, ist die Situation mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Depotstimmrechts der Kreditinstitute vergleichbar.33 Kreditinstitute können sich eine generelle Vollmacht von Aktionären nur erteilen lassen, wenn das Kreditinstitut darin ermächtigt wird, entsprechend eigener Vorschläge (§ 135 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AktG) oder entsprechend der Vorschläge der Verwaltung (§ 135 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 AktG) abzustimmen. Sofern das 29

U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 93. So auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 93; unklar Vaupel, AG 2011, 63, 74 f. 31 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 72; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22 WpHG, Rn. 70. 32 s. Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, Losebl. (Stand: 5. Lfg., Januar 2011), § 30, Rn. 64; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22 WpHG, Rn. 72; s. auch Süßmann, in: Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2008, § 30, Rn. 27. 33 Hierauf haben bereits U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 93 f. hingewiesen. 30

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Kreditinstitut zur Abstimmung entsprechend eigener Vorschläge ermächtigt wird und auf Grundlage einer solchen Vollmacht die Ausübung der Stimmrechte beabsichtigt, muss es zunächst eigene Abstimmungsvorschläge entwickeln und diese dem Aktionär „zugänglich machen“, § 135 Abs. 2 S. 1 AktG. Erteilt der Aktionär daraufhin keine Weisungen, muss das Kreditinstitut die Stimmrechte nach § 135 Abs. 3 S. 1 AktG grundsätzlich entsprechend der eigenen Vorschläge ausüben.34 In Hinblick auf die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG kommt es darauf an, ob das Kreditinstitut die Stimmrechte bei fehlenden ausdrücklichen Weisungen des Aktionärs35 noch „nach eigenem Ermessen“ abstimmt.36 Bejaht worden ist dies mit dem Argument, dass das Kreditinstitut zwar an seine Vorschläge gebunden sei, dass es sich aber dennoch um seine Vorschläge handele. Bei deren Entwicklung sei das Kreditinstitut weitgehend frei, sodass eine Stimmrechtsausübung nach eigenem Ermessen vorliege.37 Von der überwiegenden Auffassung wird dem entgegengehalten, dass das Ermessen des Kreditinstituts sich nur auf die Erstellung der Vorschläge beziehe und der Aktionär sich diese Vorschläge durch sein Schweigen, respektive durch das Absehen von der Erteilung anderslautender Weisungen, zu Eigen mache. Daher erfolge die Abstimmung des Kreditinstitus nicht nach eigenem Ermessen und eine Zurechnung scheide aus.38 Auch der Gesetzgeber hat mit derselben Argumentation auf die Unanwendbarkeit der Vorschrift in Hinblick auf das Vollmachtsstimmrecht der Kreditinstitute hingewiesen.39 Die Argumentation ist auf Stimmrechtsberater übertragbar: Wenn ein institutioneller Anleger Abstimmungsempfehlungen erhält und er dem Stimmrechtsberater – je nach Absprache: ausdrücklich oder konkludent durch 34 Eine Ausnahme gilt nach § 135 Abs. 3 S. 1 AktG dann, wenn das Kreditinstitut „den Umständen nach annehmen darf, dass der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde.“ 35 Sofern ausdrückliche Weisungen vorliegen, scheidet eine Zurechnung in jedem Fall aus, s. U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 129. 36 Für eine Darstellung des Streitstands s. auch Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22, Rn. 76 ff.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 130 ff. 37 In diesem Sinne etwa Burgard, BB 1995, 2069, 2076 f.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 411; Witt, AG 1998, 171, 176 f. 38 Vgl. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 77; Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, Losebl. (Stand: 5. Lfg., Januar 2011), § 30, Rn. 66; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22, Rn. 76c; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 134; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 15 jew. m. w. N. 39 BT-Drs. 12/6679, S. 54; BT-Drs. 16/2498, S. 35.

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Schweigen – sodann mitteilt, dass dieser die Stimmrechte entsprechend der Empfehlungen ausüben soll, dann macht sich der institutionelle Anleger die Auffassung des Stimmrechtsberaters zu Eigen. Mangels eines dem Stimmrechtsberater zukommenden Ermessensspielraums scheidet in dieser Konstellation eine Zurechnung der Stimmrechte auf den Stimmrechtsberater nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG aus.40 Wenn ein institutioneller Anleger einem Stimmrechtsberater hingegen eine Vollmacht mit dem Inhalt erteilt, dass die Stimmrechte stets entsprechend der Abstimmungsempfehlungen ausgeübt werden sollen, stellt sich die Rechtslage anders dar. Zwar liegt die Ermessensausübung auch hier in der Entwicklung der Abstimmungsempfehlungen. Das Ermessen des Stimmrechtsberaters findet jedoch unmittelbaren Niederschlag in der Entscheidung über die Ausübung der Stimmrechte, da sich der institutionelle Anleger das Ermessen nicht zu Eigen macht. Folglich sind die Stimmrechte dem Stimmrechtsberater nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG zuzurechnen.41 bb) § 22 Abs. 2 WpHG Für eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 Abs. 2 S. 1 WpHG ist erforderlich, dass der Meldepflichtige sein Verhalten in Bezug auf den Emittenten mit einem anderen „aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt“ („Acting in Concert“), wobei „Vereinbarungen in Einzelfällen“ hiervon ausgenommen sind. Der Begriff des „abgestimmten Verhaltens“ ist in § 22 Abs. 2 S. 2 WpHG legaldefiniert als Verständigung über die Ausübung der Stimmrechte oder das Zusammenwirken in sonstiger Weise „mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten“. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Konstellationen der Stimmrechtsberatung ist – ähnlich wie bei § 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG, dort jedoch im Zusammenhang mit dem Inhalt der Vollmacht – danach zu differenzieren, ob ein institutioneller Anleger bereits grundsätzlich oder im Vorfeld einer Hauptversammlung erklärt hat, den Abstimmungsempfehlungen des Stimmrechtsberaters Folge zu leisten.42 Außerdem kommt eine Zurechnung sowohl auf den Stimmrechtsberater als auch eine wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern in Betracht. 40 So auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 93 f.; Vaupel, AG 2011, 63, 75 hält hingegen für maßgeblich, ob die Abstimmungsrichtlinien dem Stimmrechtsberater einen Beurteilungsspielraum eröffnen. 41 Ebenso U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94. 42 Eine Zurechnung allgemein bejahend: U. H. Schneider, ZGR 2012, 518, 531.

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(1) Zurechnung auf den Stimmrechtsberater bei fehlender Vorab-Festlegung Regelmäßig legen institutionelle Anleger sich nicht bereits im Voraus dahingehend fest, ob sie den Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters folgen werden. Daher handelt es sich bei der fehlenden VorabFestlegung, der Stimmrechtsberatung im eigentlichen Sinne, um die in der Praxis bedeutsamste Konstellation. Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Stimmrechte der beratenen institutionellen Anleger dem Stimmrechtsberater nach § 22 Abs. 2 WpHG zuzurechnen sind. Dem könnte entgegenstehen, dass der Stimmrechtsberater selbst (jedenfalls zumeist) kein Aktionär ist. Im Schrifttum wird die Frage, ob auch ein Nicht-Aktionär Teilnehmer an einer Verhaltensabstimmung sein kann, unterschiedlich beurteilt.43 Für die Beantwortung ist vor allem der Wortlaut der Vorschrift maßgeblich: Dort ist von dem „Meldepflichtigen“ (dem zugerechnet wird) sowie von dem „Dritten“ (dessen Stimmrechte Gegenstand der Zurechnung sind) die Rede. Für den Dritten wird in § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG festgestellt, dass für die Berechnung von dessen Stimmrechtsanteil § 22 Abs. 1 WpHG entsprechend gilt. Hierdurch entsteht zwar zunächst der Eindruck, dass Anforderungen nur an die Person des Dritten, nicht jedoch an die Person des Meldepflichtigen gestellt werden. Zu berücksichtigen ist indessen aber, dass die Begriffe des „Meldepflichtigen“ und des „Dritten“ in § 22 Abs. 2 WpHG als austauschbar angesehen werden, da eine wechselseitige Zurechnung der Stimmrechte erfolgen soll.44 Somit gilt § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG auch für den Meldepflichtigen. Nach dem Wortlaut kommen für eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 Abs. 2 WpHG daher nur solche Personen in Betracht, die entweder selbst Aktionäre (und damit Stimmrechtsinhaber) sind oder denen – das folgt aus § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG – Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 WpHG zugerechnet werden. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Telos der Vorschrift, der in der Aufdeckung der 43 Dafür Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22, Rn. 86 ff. (s. dort die Konstellationen (3) und (4)); U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94, Vaupel, AG 2011, 63, 75; wohl auch U. H. Schneider, WM 2006, 1321, 1321; dagegen v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 710 f.; v. Bülow, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 22, Rn. 190; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 87, 89; wohl auch Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1012 („zwischen Gesellschaftern der Zielgesellschaft“; Hervorhebung durch Verf.). 44 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 102; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22, Rn. 81 m. w. N.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 193a; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 18.

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durch eine Verhaltensabstimmung angehäuften Stimmrechtsmacht mehrerer Personen und der diesbezüglichen Information des Kapitalmarkts besteht: Zu einer Anhäufung von Stimmrechtsmacht kann nur beitragen, wer auch über Stimmrechte verfügt.45 Einem Stimmrechtsberater können die Stimmrechte der institutionellen Anleger, die seine Abstimmungsempfehlungen beziehen, somit allenfalls dann nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet werden, wenn der Stimmrechtsberater selbst Aktionär der betreffenden Gesellschaft ist oder wenn ihm bereits nach § 22 Abs. 1 WpHG, in der Praxis kommt insbesondere dessen Nr. 6 in Betracht, Stimmrechte zugerechnet werden. Wenn der Stimmrechtsberater selbst unmittelbar (als Aktionär) oder mittelbar (in den Fällen des § 22 Abs. 1 WpHG) Stimmrechtsinhaber ist46, kommt es für eine Zurechnung der Stimmrechte darauf an, ob ein abgestimmtes Verhalten im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 2 WpHG vorliegt. Hierfür bedarf es eines bewusst praktizierten Zusammenwirkens, während ein lediglich unbewusstes gleichgerichtes Vorgehen nicht ausreichend ist.47 Gemeint ist ein „Prozess der gemeinsamen Willensbildung“48, der jedenfalls die Kenntnis von der Absicht des anderen49 und einen kommunikativen Prozess50 erfordert. Der Kontakt zwischen Stimmrechtsberater und institutionellen Anlegern findet indessen regelmäßig nur einseitig statt und erschöpft sich in der Übermittlung von Abstimmungsempfehlungen. Auch besteht keine sichere Kenntnis von dem beabsichtigten Abstimmungsverhalten des anderen: Für die institutionellen Anleger liegt es zwar nahe, dass der Stimmrechtsberater die von ihm selbst auszuübenden Stimmrechte entsprechend der unterbreiteten Empfehlungen ausübt; an einer ausdrücklichen Absichtsbekundung fehlt es jedoch. Der Stimmrechtsberater ist sich zwar des Umstands bewusst, dass seine Empfehlung das Abstimmungsverhalten der institutionellen Anleger beeinflusst. Welche einzelnen institutionellen Anle45 In diesem Sinne auch v. Bülow, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 22, Rn. 190 („ ‚Substrat‘ für die Abstimmungshandlung“); Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 89. 46 Auch wenn es nicht den Regelfall darstellt, dass der Stimmrechtsberater selbst Aktien hält oder er bevollmächtigt wird (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG), könnte die Voraussetzung dennoch häufig erfüllt sein. Schließlich genügt es, wenn nur ein einziger institutioneller Anleger dem Stimmrechtsberater eine dahingehende Vollmacht erteilt, dass seine Stimmrechte stets entsprechend der Abstimmungsempfehlungen ausgeübt werden sollen. 47 v. Bülow, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 22, Rn. 151 f.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 173 f.; ders.; WM 2006, 1321, 1323; s. auch OLG Frankfurt/M., ZIP 2008, 1309, 1312. 48 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 91. 49 Vgl. Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007. 50 Casper, ZIP 2003, 1469, 1475; Pentz, ZIP 2003, 1478, 1481.

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ger den Empfehlungen letztlich folgen, weiß er jedoch nicht.51 Zwar wird mitunter vertreten, dass auch die einseitige Ansprache oder Bitte des Meldepflichtigen an einen Dritten für ein abgestimmtes Verhalten genüge52, die Kommunikation also nicht interaktiv sein müsse.53 Ein „Acting in Concert“ soll in solchen Fällen vorliegen, wenn der Dritte die Stimmrechte schließlich entsprechend der Bitte ausübt. Eine solch weite Auslegung erscheint jedoch zweifelhaft, da das Vorliegen einer Abstimmung nicht davon abhängen kann, wie die Stimmrechte letztlich ausgeübt werden.54 Jedenfalls fehlt es den Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters aber an der hier wohl vorausgesetzten Finalität. Selbst wenn der Stimmrechtsberater sich aufgrund eigener Interessen insgeheim wünscht, dass seine Kunden den Empfehlungen folgen, macht er dies typischerweise nicht deutlich. Aus Sicht der institutionellen Anleger handelt es sich um eine Dienstleistung, der objektive Erwägungen zugrunde liegen. Dass die bloße Unterbreitung einer Abstimmungsempfehlung kein „abgestimmtes Verhalten“ darstellt, verdeutlicht auch ein Blick auf die Historie des § 22 Abs. 2 WpHG: In Bezug auf die Vorgängervorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a. F. war streitig, ob die dort ausschließlich genannte „Vereinbarung“ eine rechtliche Verpflichtung der Beteiligten zu einer Stimmrechtsausübung in der vereinbarten Weise voraussetzt.55 Mit der Erweiterung um das Tatbestandsmerkmal „oder in sonstiger Weise“ sollte klargestellt werden, dass dies nicht erforderlich ist.56 Entbehrlich sollte allerdings nur die Notwendigkeit einer rechtlichen Verbindlichkeit sein, nicht hingegen der gegenseitige (!) Austausch von Absichtsbekundungen. Bei fehlender Vorabfestlegung der institutionellen Anleger fehlt es somit an einem abgestimmten Verhalten, eine Zurechnung der Stimmrechte auf den Stimmrechtsberater kommt nicht in Betracht. Nimmt man entgegen der hier vertretenen Auffassung doch eine Zurechnung der Stimmrechte auf den Stimmrechtsberater an, ist als Folgefrage die 51

Vgl. Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 544; U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94; Vaupel, AG 2011, 63, 75. 52 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 22, Rn. 83a. 53 v. Bülow, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 22, Rn. 150; ausdrücklich für Interaktion aber etwa Casper, ZIP 2003, 1469, 1475. 54 Vgl. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 90; U. H. Schneider, WM 2006, 1321, 1324 (s. dort zum „Aufrufer“); sehr deutlich (zu § 30 Abs. 2 WpÜG) auch Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 30 WpÜG, Rn. 26. 55 s. etwa U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 173; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 23. 56 s. auch BT-Drs. 14/7034, S. 70: „Klarstellung bestimmter Sachverhalte“.

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Zulässigkeit sogenannter „Kettenzurechnungen“ zu klären. Dabei geht es hier57 um die Frage, ob die Abstimmung des Aktionärs B (hier: Stimmrechtsberater) sowohl mit dem Aktionär A als auch mit dem Aktionär C dazu führt, dass A und C sich ihre Stimmrechte wechselseitig zurechnen lassen müssen.58 Mit Verweis auf die klare Rechtsfolge des § 22 Abs. 2 WpHG („auch Stimmrechte eines Dritten [. . .] zugerechnet“), wonach ausdrücklich nur die Stimrechte des Abstimmungspartners (einschließlich der diesem nach § 22 Abs. 1 WpHG zugerechneten Stimmrechte, § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG) erfasst sind, und auf das Analogieverbot wird eine Kettenzurechnung jedoch zu Recht abgelehnt.59 (2) Wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern bei fehlender Vorab-Festlegung Zu erwägen ist allerdings, ob nicht bereits eine Verhaltensabstimmung zwischen den institutionellen Anlegern, die Empfehlungen desselben Stimmrechtsberaters beziehen, vorliegt. Im soeben erwähnten Beispiel ist also zu prüfen, ob eine Abstimmung zwischen A und C vorliegt.60 Zwar treten A und C nicht unmittelbar miteinander in Kontakt. Es ist jedoch anerkannt, dass die Kontaktaufnahme auch über eine Mittelsperson erfolgen kann.61 Hier kommt B, der Stimmrechtsberater, als Mittelsperson in Betracht. Allerdings entfällt durch die Einschaltung einer Mittelsperson nicht die Notwendigkeit einer Abstimmung, die nach dem Gesagten jedenfalls voraussetzt, dass den Aktionären das geplante Abstimmungsverhalten der anderen bekannt ist. Typischerweise wissen institutionelle Anleger jedoch noch nicht einmal, welche weiteren Kunden ein Stimmrechtsberater hat, geschweige denn, ob diese sich an dessen Empfehlungen halten werden. 57 Nicht gemeint sind die gesetzlich geregelten Fälle der Kettenzurechnung. Hierzu zählt die Zurechnung von Stimmrechten des Dritten auf den Meldepflichtigen, die dem Dritten nach § 22 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 zugerechnet werden. Zu diesem und anderen Fällen der Kettenzurechnung s. nur Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 13 ff.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 18 ff. 58 s. v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 713 mit graphischer Darstellung. 59 v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 713; Casper, ZIP 2003, 1469, 1476 f.; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1009 f.; s. auch Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 101 m. w. N. 60 s. auch den Hinweis von v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 714. 61 v. Bülow, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 22, Rn. 150; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 103 f.; Pentz, ZIP 2003, 1478, 1486; U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94; s. auch Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, Losebl. (Stand: 5. Lfg., Januar 2011), § 30, Rn. 69. Im Zusammenhang mit Stimmrechtsberatern Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 544.

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Wenn eine Vorab-Festlegung fehlt, kommt somit auch eine wechselseitige Zurechnung der Stimmrechte unter den institutionellen Anlegern, die Empfehlungen desselben Unternehmens beziehen, nicht in Betracht. (3) Zurechnung auf den Stimmrechtsberater bei Vorab-Festlegung Eine andere rechtliche Beurteilung kommt in Betracht, wenn institutionelle Anleger bereits im Vorfeld der Hauptversammlung erklären, dass sie den Abstimmungsempfehlungen eines bestimmten Stimmrechtsberaters folgen werden. Für eine Zurechnung auf den Stimmrechtsberater muss dieser indessen zunächst selbst Aktionär sein oder ihm müssen Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 zugerechnet werden. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt die Zurechnung vom Vorliegen einer Verhaltensabstimmung ab. Ob eine solche anzunehmen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Erklärt ein institutioneller Anleger, dass er den Empfehlungen „in jedem Fall“ folgen werde, liegt zumindest eine einseitige Absichtsbekundung vor.62 Um eine Kommunikation mit dem Stimmrechtsberater handelt es sich allerdings nur dann, wenn die Absichtsbekundung auch an diesen gerichtet ist63 und nicht etwa lediglich gegenüber den Fondsbeteiligten oder gegenüber Journalisten erfolgt.64 Notwendig ist jedoch auch eine entsprechende Absichtsbekundung des Stimmrechtsberaters. Diese wird man, wie bereits erläutert, nicht alleine in der dem institutionellen Anleger unterbreiteten Empfehlung sehen können. Zu fordern ist vielmehr eine sichere Kenntnis des institutionellen Anlegers darüber, ob der Stimmrechtsberater überhaupt – als Aktionär oder aufgrund einer Zurechnung nach § 22 Abs. 1 WpHG – selbst Stimmrechte ausübt65 und, wenn ja, ob er dies entsprechend seiner Abstimmungsempfehlungen tut. Beides ist nicht zwingend: Stimmrechtsberater müssen weder Aktionäre sein noch werden ihnen in jedem Einzelfall Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 WpHG zugerechnet. Ein Stimmrechtsberater kann außerdem eine alleine nach objektiven Gesichtspunkten entwickelte Abstimmungsempfehlung unterbreiten, seine eigenen Stimmrechte aber aufgrund persönlicher Interessen, die sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, anders ausüben. Mag es sich dabei auch um eine wohl eher seltene Konstellation handeln, ist sie gleichwohl möglich. Sie verdeutlicht, dass die 62 Als ausreichend für die Annahme eines „Acting in Concert“ erachten eine solche wohl U. H. Schneider, ZGR 2007, 440, 449; ders./Anzinger, NZG 2007, 88, 94; Vaupel, AG 2011, 63, 75. 63 s. auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94. 64 So auch Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 544. 65 Bei einer Tätigkeit des Stimmrechtsberaters als Stimmrechtsvertreter kommt es insoweit darauf an, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG erfüllt sind. s. dazu bereits S. 256 ff.

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Unterbreitung einer Abstimmungsempfehlung alleine für die Annahme einer Absichtsbekundung des Stimmrechtsberaters nicht ausreicht. In der Praxis wird es daher auch bei einer Vorab-Festlegung von institutionellen Anlegern an einer Verhaltensabstimmung mit dem Stimmrechtsberater fehlen. (4) Wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern bei Vorab-Festlegung Schließlich ist zu klären, ob eine wechselseitige Zurechnung unter den institutionellen Anlegern in Betracht kommt, die im Vorfeld einer Hauptversammlung erklärt haben, den Empfehlungen desselben Stimmrechtsberaters folgen zu wollen. Auch insoweit kommt es darauf an, ob eine Kommunikation zwischen den institutionellen Anlegern stattgefunden hat. Eine solche setzt jedenfalls voraus, dass ein institutioneller Anleger eine Absichtsbekundung zielgerichtet gegenüber einem anderen institutionellen Anleger zum Ausdruck bringt und dieser daraufhin eine ebensolche Erklärung gegenüber dem anderen abgibt.66 Eine lediglich öffentliche Bekanntgabe, dass man den Abstimmungsempfehlungen folgen werde, genügt nicht.67 Zu fordern ist außerdem, dass die Absichtsbekundungen inhaltlich mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen, dass der Erklärende den Abstimmungsempfehlungen folgen wird.68 Bei einer dahingehenden Aussage, dass man sich „grundsätzlich“ oder „prinzipiell“ nach den Empfehlungen richte oder sich an diesen „orientiere“, handelt es sich nicht um eine Verhaltensabstimmung. Typischerweise ist daher auch bei einer Vorab-Festlegung institutioneller Anleger der Tatbestand des „Acting in Concert“ nicht erfüllt. (5) Vereinbarungen in Einzelfällen In allen hier unter (1) bis (4) geschilderten Konstellationen ist, selbst wenn man eine Verhaltensabstimmung annähme, weiter zu prüfen, ob es sich um eine Vereinbarung in einem Einzelfall handelt. Sofern lediglich eine solche vorliegt, scheidet ein „Acting in Concert“ nach § 22 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 WpHG aus. Wann ein Einzelfall anzunehmen ist, ist umstritten. Zum Teil wird eine formale Auslegung bevorzugt, wonach alleine 66

Ähnlich Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 544. Für eine weitere Auslegung aber U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 198. 68 In diese Richtung auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 94: Eine Zurechnung sei „jedenfalls zwischen den Aktionären vorzunehmen, die dauerhaft oder bereits vor Veröffentlichung der Abstimmungsempfehlungen für die anderen wahrnehmbar erklärt haben, den Abstimmungsempfehlungen ‚blind‘ zu folgen.“ 67

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die Häufigkeit der Verhaltensabstimmung maßgeblich sein soll.69 Andere stellen auf materielle Gesichtspunkte ab. Danach kommt es vor allem auf die Bedeutung des konkreten Beschlussgegenstands an. Die Abstimmung über einen einzelnen Beschlussgegenstand soll dann keinen Einzelfall darstellen, wenn sie längerfristige Bedeutung für die Gesellschaft hat.70 Bei einer materiellen Betrachtung steht die Einzelfallausnahme der Annahme eines „Acting in Concert“ nicht entgegen, soweit die Abstimmungsempfehlung des Stimmrechtsberaters sich nur auf einen hinreichend gewichtigen Beschlussgegenstand bezieht. Hält man hingegen die Häufigkeit der Verhaltensabstimmung für maßgeblich, ist die Beurteilung schwieriger. Wenn die institutionellen Anleger nicht erklärt haben, dass sie der Empfehlung des Stimmrechtsberaters in jedem Fall folgen werden, kann ihr Abstimmungsverhalten von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt unterschiedlich sein – teils wird der Empfehlung entsprochen, teils nicht. Damit liegt allenfalls eine Verhaltensabstimmung der institutionellen Anleger vor, die in Bezug auf einen konkreten Tagesordnungspunkt der Empfehlung folgen – und zwar immer nur in Bezug auf diesen einzelnen Beschluss. Der einzelne Beschluss ist bei einer formalen Betrachung (Häufigkeit) die denkbar kleinste „Einheit“. Es liegt daher immer ein Einzelfall i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 WpHG vor.71 Bei institutionellen Anlegern, die bereits im Vorfeld erklärt haben, ihre Stimmrechte entsprechend der Empfehlungen auszuüben, handelt es sich dann nicht um einen Einzelfall, wenn man die Abstimmung – erneut: wenn man überhaupt eine solche annähme – in Hinblick auf alle Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung eines Jahres als ausreichend erachtet. Gerade dies wird jedoch in Frage gestellt; gefordert wird eine Abstimmung mit längerfristigem Horizont.72 Diese Län69 v. Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1799; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 22, Rn. 100; Kocher, BB 2006, 2436; Krause, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 669, 698 f.; Lange, ZBB 2004, 22, 27; Saenger/Kessler, ZIP 2006, 837, 840; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 588 f.; in der Tendenz auch BGHZ 169, 98, 107. Dazu, dass auch mehrere Handlungen, die einen einheitlichen Lebenssachverhalt betreffen, als Einzelfall anzusehen sein können s. v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 700. 70 Jeweils mit unterschiedlicher Akzentuierung: Borges, ZIP 2007, 357, 363 f.; Casper, ZIP 2003, 1469, 1476; ders./Bracht, NZG 2005, 839; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1008; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 191b; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 24; Wackerbarth, ZIP 2007, 2340, 2344 f. 71 s. nur U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 191c. 72 Vgl. v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 700; v. Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1799; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 24; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 588 f.; Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Risikobegrenzungsgesetz,

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gerfristigkeit wird man nicht schon alleine darin erblicken können, dass das Beratungsverhältnis zwischen Stimmrechtsberatern und institutionellen Anlegern typischerweise mehrere Jahre andauert.73 Vielmehr sind Anhaltspunkte zu fordern, wonach mehrere institutionelle Anleger konkret planen, den Abstimmungsempfehlungen eines bestimmten Stimmrechtsberaters über einen längeren Zeitraum zu folgen. (6) Ergebnis Ob ein „Acting in Concert“ zwischen einem Stimmrechtsberater und einem institutionellen Anleger bzw. zwischen mehreren institutionellen Anlegern vorliegt, muss fallspezifisch geprüft werden. Typischerweise dürften die Voraussetzungen jedoch weder erfüllt sein, wenn unklar ist, ob den Abstimmungsempfehlungen Folge geleistet wird, noch wenn einige institutionelle Anleger im Vorfeld der Hauptversammlung entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Selbst wenn man eine Verhaltensabstimmung annähme, wird diese regelmäßig unter die Einzelfallausnahme des § 22 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 WpHG fallen. Der Bezug von Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberater löst daher typischerweise weder für den Stimmrechtsberater selbst noch für die beratenen institutionellen Anleger Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG aus. b) Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG Die Zurechnung von Stimmrechten ist bekanntermaßen nicht nur im wertpapierrechtlichen, sondern auch im übernahmerechtlichen Kontext von Bedeutung. Konkret geht es um die Frage, ob es durch die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 WpÜG zu einer Kontrollerlangung des Stimmrechtsberaters oder eines institutionellen Anlegers kommen kann. Die Kontrolle über eine Gesellschaft erwirbt, wer 30% der Stimmrechte an einer Gesellschaft – einschließlich der nach § 30 WpÜG zugerechneten – hält, § 29 Abs. 2 WpÜG. Er muss nach § 35 Abs. 2 WpÜG ein Pflichtangebot abgeben. Die Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 und 2 WpÜG entsprechen dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 und 2 WpHG, sie sind lediglich an den überBT-Drs. 16/9821, S. 12; s. auch Lange, ZBB 2004, 22, 27: jedenfalls Verhaltensabstimmung bei zwei aufeinander folgenden Hauptversammlungen ausreichend; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 191c: Verlangt sei „in der Regel eine Verständigung über mindestens zwei Hauptversammlungsperioden.“ 73 So in der Tendenz aber Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 544 f.

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nahmerechtlichen Kontext angepasst. Zwar sind die Vorschriften wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung nicht unbedingt parallel auszulegen74; die zu § 22 Abs. 1 und 2 angestellten Überlegungen sind aber dennoch weitgehend übertragbar.75 Dies gilt zunächst für den Fall, dass dem Bieter Stimmrechte anvertraut werden oder er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann (§ 30 Abs. 1 Nr. 6 WpÜG). In Bezug auf § 30 Abs. 2 WpÜG stellt sich wiederum die Frage, ob auch ein Nicht-Aktionär als Bieter in Betracht kommt. Im Unterschied zu § 22 Abs. 2 WpHG wird man diese Frage im übernahmerechtlichen Kontext bejahen müssen76, da dem Begriff des Bieters in § 30 Abs. 2 WpÜG nicht die Notwendigkeit einer bereits vorhandenen Gesellschafterstellung inne wohnt. Vielmehr kann auch ein Nicht-Aktionär die Absicht zu einem Kontrollerwerb hegen. Es spricht somit dem Telos des § 30 Abs. 2 WpÜG, die Vorschrift auch auf Nicht-Aktionäre, die ihr Verhalten mit Stimmrechtsinhabern (unmittelbar als Aktionäre oder mittelbar aufgrund einer Zurechnung nach § 30 Abs. 1 WpÜG) abstimmen, anzuwenden. Prinzipiell kommt wiederum die Zurechnung der Stimmrechte auf den Stimmrechtsberater sowie eine wechselseitige Zurechnung unter den beratenen institutionellen Anlegern in Betracht. Möglicherweise müsste man den Stimmrechtsberater aber auch als „Stimmführer“ ansehen und ihm alleine die Stimmrechte zurechnen.77 Die Frage kann hier offen bleiben, weil ein „Acting in Concert“ schon aus anderen Gründen fernliegt: Die erheblichen Folgen, die ein Pflichtangebot mit sich bringt, können nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Bieter willentlich eine Verhaltensabstimmung durchführt und für ihn erkennbar ist, wer die Partner der Abstimmung sind. Für den Fall, dass keine klaren Absichtsbekundungen der Gesprächspartner vorliegen, wäre es nicht verhältnismäßig, eine Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots anzuordnen. Insoweit gelten zunächst die im Rahmen des § 22 Abs. 2 WpHG für die unterschiedlichen Fallgruppen vorgetragenen Bedenken, die in Konstellationen der Stimmrechtsberatung gegen die Annahme einer Verhaltensabstimmung bestehen, entsprechend. Zu berücksichtigen ist im übernahmerechtlichen Kontext aber außerdem, dass der Stimmrechtsberater einen Kontrollerwerb nicht beabsichtigt. Er agiert als Dienstleister 74

So jedenfalls die h. M., zum Streitstand s. v. Bülow, in: KölnKomm-WpÜG, 2. Aufl. (2010), § 30, Rn. 19 f.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 22, Rn. 10 ff. jew. m. w. N. 75 So im Grundsatz auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95. 76 So auch v. Bülow, in: KölnKomm-WpÜG, 2. Aufl. (2010), § 30, Rn. 209 m. w. N.; U. H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider, WpÜG, 2005, § 30, Rn. 94; ders./Anzinger, NZG 2007, 88, 95. 77 Zur Stimmführerschaft s. allgemein Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 30 WpÜG, Rn. 37.

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für jeden einzelnen institutionellen Anleger, wodurch dem Stimmrechtsberater zwar faktisch ein mitunter erheblicher Einfluss erwächst. Seine Intention besteht jedoch darin, den institutionellen Anlegern Gebühren für die erhaltenen Empfehlungen in Rechnung stellen zu können, nicht in der faktischen Beeinflussung von deren Stimmrechtsausübung. Mit anderen Worten: In der Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen alleine liegt von Seiten des Stimmrechtsberaters noch nicht die Bekundung, an einer Verhaltensabstimmung interessiert zu sein.78 Daher kommt es selbst bei einer einseitigen Erklärung institutioneller Anleger gegenüber dem Stimmrechtsberater79, man werde den Empfehlungen „blind“ folgen, nicht zu einer Verhaltensabstimmung.80 c) Verhaltens- und Organisationspflichten nach §§ 31 ff. WpHG Die §§ 31 ff. WpHG beruhen auf der Finanzmarktrichtlinie81 (nachfolgend: MiFID), die sowohl der Verbesserung des Anlegerschutzes als auch dem Funktionieren der Wertpapiermärkte dient.82 Inhaltlich geht es in der MiFID vor allem darum, Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, bestimmte Verhaltens- und Organisationspflichten aufzuerlegen.83 Wenn die §§ 31 ff. WpHG auf einen Stimmrechtsberater Anwendung fänden, wäre dieser etwa dazu verpflichtet, die von ihm angebotenen Dienstleistungen mit der „erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) und Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Aus den Organisationspflichten folgte dann unter anderem, dass der Stimmrechtsberater „angemessene Grundsätze aufstellen, Mittel vorhalten und Verfahren einrichten“ müsste, mit denen die Einhaltung des WpHG sichergestellt wird (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Die Einhaltung der §§ 31 ff. WpHG unterliegt 78 Notwendig ist jedoch Einverständlichkeit, s. Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2008, § 30, Rn. 32. Ähnlich Casper, ZIP 2003, 1469, 1474: „Abstimmen bedeutet, dass zwei Einzelinteressen aufeinander bezogen werden.“ 79 Erfolgt die Erklärung nicht gegenüber dem Stimmrechtsberater, liegt auch von Seiten des institutionellen Anlegers keine auf eine Verhaltensabstimmung abzielende Bekundung vor. s. dazu bereits oben zu § 22 Abs. 2 WpHG. 80 A. A. U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95. 81 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 04. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30. 04. 2004, S. 1. 82 s. Erwägungsgrund 44 zu der Richtlinie. 83 Zum Überblick s. etwa Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 31 ff.

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einer aufsichtsbehördlichen Kontrolle; außerdem kann bei einer Verletzung der Regeln ein Bußgeld verhängt werden.84 Ob die Verletzung zudem Einfluss auf die Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze hat, ist umstritten.85 Allerdings gelten die §§ 31 ff. WpHG entsprechend der MiFID nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, worunter gemäß § 2 Abs. 4 WpHG solche Unternehmen zu verstehen sind, „die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise errichteten Geschäftsbetrieb erfordert.“ Welche Angebote als Wertpapierdienstleistung oder als Wertpapiernebendienstleistung zu qualifizieren sind, ergibt sich aus § 2 Abs. 3, 3a WpHG. Die Erstellung von Abstimmungsempfehlungen könnte unter § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG fallen, wonach „die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“ eine Wertpapierdienstleistung darstellt. Erfasst sind nach dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nur solche Empfehlungen, die sich auf „Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen“. Unter den Geschäftsbegriff fällt dabei nur „die Anschaffung oder die Veräußerung“ von Finanzinstrumenten.86 Abstimmungsempfehlungen beziehen sich indessen auf den Umgang bzw. die Verwaltung mit einem bereits erworbenen Finanzinstrument. Daher handelt sich nicht um eine Anlageberatung und infolgedessen auch nicht um eine Wertpapierdienstleistung.87 Stimmrechtsberater sind keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sodass die §§ 31 ff. WpHG grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine Ausnahme muss man jedoch möglicherweise für § 34b WpHG machen, da diese Vorschrift sich nicht nur an Wertpapierdienstleistungsunternehmen richtet, sondern für alle Personen gilt, die im Rahmen ihrer Berufs84

s. nur Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), Vor § 31 ff. WpHG, Rn. 18. 85 Überblick zum Streitstand etwa bei Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 57 ff. 86 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung („Merkblatt Anlageberatung“), Stand: Mai 2011, s. unter Gliederungspunkt 2. Das Merkblatt, das sich eigentlich auf das KWG bezieht, soll auch für die Auslegung von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG herangezogen werden können, s. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 2, Rn. 112, 118. 87 I. E. ebenso Bachmann, WM 2011, 1301, 1307.

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oder Geschäftstätigkeit Finanzanalysen erstellen.88 Unter einer Finanzanalyse ist nach der Legaldefinition in § 34b Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 WpHG eine solche Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten zu verstehen, „die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll.“ Da sich die Empfehlung auf eine Anlageentscheidung beziehen muss, kommt jedoch auch im Rahmen des § 34b WpHG wiederum nur der (direkte oder indirekte) Rat zum Kauf, zum Verkauf oder zum Halten eines Finanzinstruments in Betracht.89 Abstimmungsempfehlungen beziehen sich jedoch – das sei nochmals gesagt – gerade nicht auf eine Transaktion, sondern auf den Umgang mit den Rechten, die einem Wertpapierinhaber zustehen.90 Für Beschlüsse, die einen Bezug zu den Vermögensinteressen der Aktionäre aufweisen, ist keine Ausnahme zu machen.91 Dies folgt zum einen daraus, dass auf den Transaktionscharakter abzustellen ist, der auch bei Empfehlungen zu „vermögensrelevanten“ Beschlüssen nicht auszumachen ist. Zum anderen spricht die erhebliche Unschärfe einer solchen Differenzierung gegen eine Ausnahme, denn zumindest mittelbar wird man keinem Hauptversammlungsbeschluss einen Bezug zu den Vermögensinteressen der Aktionäre absprechen können. Daher findet auch § 34b WpHG keine Anwendung auf Stimmrechtsberater. d) Insidergeschäfte nach §§ 13 ff. WpHG Die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen kann auf die Weise erfolgen, dass Stimmrechtsberater ausschließlich öffentlich bekannte Informationen sammeln und diese in Hinblick auf die konkreten Sachfragen, die auf der Hauptversammlung zur Entscheidung anstehen, bewerten. Die Bewertung mündet in die Zustimmung oder in die Ablehnung der jeweiligen Beschlussvorlage. Häufig finden jedoch bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Gespräche zwischen Stimmrechtsberatern und Management statt. Im Rahmen dieser Gespräche erlangt das Management Kenntnis von der geplanten Abstimmungsempfehlung des Stimmrechtsberaters und kann gegebenenfalls versuchen, den zu einer Ablehnung neigenden Stimmrechtsberater von seiner Ansicht zu überzeugen. Umgekehrt kann aber auch der 88 s. auch Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 34b WpHG, Rn. 14; Koller, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 34b, Rn. 7. 89 Vgl. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 34b, Rn. 23; Koller, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 34b, Rn. 16. 90 s. auch Vaupel, AG 2011, 63, 70. 91 So aber Vaupel, AG 2011, 63, 71.

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Stimmrechtsberater über Umstände informiert werden, die ihm bislang nicht bekannt waren.92 Das Aktienrecht geht zwar schon in Hinblick auf die Aktionäre selbst im Grundsatz davon aus, dass der Kontakt zwischen ihnen und dem Management in der Hauptversammlung stattfindet. Hieraus ist aber nicht zu folgern, dass informelle Gespräche unzulässig wären.93 Vielmehr ist ihre Durchführung erlaubt, zu beachten sind jedoch die gesetzlichen Grenzen. Solche ergeben sich (vor allem) aus dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz94 sowie aus insiderrechtlichen Bestimmungen. Im Bereich des Insiderrechts sind § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG und § 15 Abs. 1 S. 4, 5 WpHG für die Kommunikation zwischen dem Emittenten und ausgewählten Marktteilnehmern relevant.95 aa) § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG ordnet für Inlandsemittenten eine allgemeine Ad-hoc-Publizitätspflicht an. Die Inlandsemittenten müssen Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen. Dabei sind Insiderinformationen solche nicht öffentlich bekannten Umstände, die im Falle ihres Bekanntwerdens geeignet sind, den Börsenpreis zu beeinflussen, § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG. Eine Ausnahme von der Publizitätspflicht gilt nach § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG, wenn vorrangige Geheimhaltungsinteressen des Emittenten bestehen. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG verfolgt das Ziel, von vornherein eine möglichst weitreichende Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer zu gewährleisten.96 Aus der Vorschrift folgt, dass informelle Gespräche zwischen Emittenten und Stimmrechtsberatern insiderrechtliche Fragen vor allem insoweit hervorrufen, als es um Insiderinformationen geht, die den Emittenten nicht un92 Die European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 24, hat darauf hingewiesen, dass Stimmrechtsberater gerade wegen der Gefahr, möglicherweise Insiderinformationen zu erhalten, von der Durchführung informeller Gespräche abgehalten werden könnten. Diese Befürchtung greift indessen nur dann ein, wenn ein Stimmrechtsberater durch seinen Umgang mit der Insiderinformation selbst gegen das Insiderrecht verstoßen würde. Zu den insoweit geltenden Maßstäben s. noch S. 276 oben. 93 Schaefer, NZG 2007, 900, 901. 94 Dazu noch S. 278 ff. 95 Vgl. Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 334 ff.; Klöhn, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 634 f.; s. auch Fleischer, ZGR 2009, 505, 511 f. 96 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 15, Rn. 2; Klöhn, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 634; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 15, Rn. 34 f.; s. auch Versteegen, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 15, Rn. 8.

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mittelbar betreffen oder für die ein gegenüber der sofortigen Veröffentlichung vorrangiges Geheimhaltungsinteresse besteht.97 In beiden Fällen gilt die allgemeine Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht. bb) § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Für die selektive Weitergabe von Insiderinformationen spielt vor allem § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Rolle. Die Vorschrift verbietet es, eine Insiderinformation einem anderen unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Das Tatbestandsmerkmal der Unbefugtheit wird richtlinienkonform98 dahingehend ausgelegt, dass jede Weitergabe einer Insiderinformation verboten ist, wenn die Weitergabe nicht im normalen Rahmen der Ausübung der Arbeit oder des Berufs oder zum Zwecke der Erfüllung von Aufgaben erfolgt (erforderliche Weitergabe).99 Der EuGH ist der Auffassung, dass eine Weitergabe nur rechtmäßig ist, wenn sie für die Ausübung der Arbeit oder des Berufs oder zum Zwecke der Erfüllung von Aufgaben unerlässlich und verhältnismäßig ist.100 Grundsätzlich ist die Weitergabe von Insiderinformationen demnach als unbefugt anzusehen.101 Speziell für Gespräche des Emittenten mit einem Stimmrechtsberater bedarf es indessen eines genaueren Hinsehens. Allgemein gilt, dass bei Dritten, die als Analysten tätig sind, für die Zulässigkeit der Informationsweitergabe danach unterschieden wird, ob sie im Auftrag des Unternehmens tätig sind (sell-side) oder ob sie unabhängig bzw. für die Aktionäre arbeiten (buy-side).102 Bei sell-side-Analysten wird die Weitergabe vertraulicher Informationen grundsätzlich als befugt angesehen, wenn der Emittent davon ausgehen muss, dass die Information für den Analysten notwendig ist, um den Beratungsauftrag zu erfüllen.103 Bei Analysten, die nicht auf Seiten des 97

Vgl. Klöhn, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 634 f. Das Insiderrecht in seiner heutigen Form beruht auf der Marktmissbrauchsrichtlinie (o. § 6, Fn. 79). 99 Vgl. Art. 3 lit. a) Marktmissbrauchsrichtlinie; s. dazu auch Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 73 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 46. 100 EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – C-384/02, Slg. I-9939, Rn. 34 – Grongaard und Bang. 101 Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 337; Fleischer, ZGR 2009, 505, 512; s. auch Klöhn, WM 2010, 1869, 1875; ders., in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 635 mit Fn. 8 jew. m. w. N. 102 s. nur Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 62. 103 Vgl. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 97; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 14, Rn. 259 f.; Schwark/Kruse, in: 98

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Emittenten tätig werden, gilt die Weitergabe hingegen als unzulässig.104 Eine rechtmäßige Weitergabe sei nur dann gegeben, wenn zugleich eine allgemeine Veröffentlichung, die jedenfalls Bereichsöffentlichkeit herstellt, erfolgt.105 Speziell für Ratingagenturen, die wie Stimmrechtsberater als Informationsintermediäre fungieren, ist die Rechtslage indessen umstritten. Einige bejahen die Zulässigkeit einer exklusiven Weitergabe von Insiderinformationen jedenfalls dann, wenn die Agentur das Rating – wie regelmäßig – im Auftrag des Emittenten (sell-side) erstellt.106 Unter Verweis darauf, dass ein Rating, sofern es öffentlich verfügbar ist, das gesamte Anlegerpublikum informiere, wird die Weitergabe zum Teil auch grundsätzlich als zulässig angesehen.107 Nach anderer Ansicht ist die Weitergabe von Insiderinformationen an Ratingagenturen in allen Fällen, also unabhängig von der Auftragserteilung durch den Emittenten, als unbefugt einzustufen. Die Interessen des Unternehmens müssten hinter denjenigen des Anlegerpublikums und des Kapitalmarkts zurücktreten.108 Stimmrechtsberater sind im Unterschied zu Ratingagenturen nicht auf Seiten des Emittenten tätig, sondern als Analysten für einzelne Aktionäre (buy-side). Sie fallen daher von vornherein nicht unter die Ausnahme für sell-side-Analysten. Doch auch eine Ausnahme vom Mitteilungsverbot entsprechend des für Ratingagenturen vorgetragenen Arguments, das gesamte Anlegerpublikum werde informiert, kommt für Stimmrechtsberater nicht in Betracht: Die Abstimmungsempfehlungen werden in aller Regel nur den Kunden mitgeteilt, eine allgemeine Veröffentlichung erfolgt nicht. Das spricht dafür, dass der Emittent vertrauliche Informationen grundsätzlich Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 62 f.; s. auch Pawlik, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 14, Rn. 46: „need to know-Prinzip“. 104 Assmann, AG 1997, 50, 57; ders., in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 104. 105 Götz, DB 1995, 1949, 1951; Pawlik, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 14, Rn. 54; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 14 WpHG, Rn. 42 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 62. 106 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 28. 04. 2009), S. 41; Pawlik, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 14, Rn. 54; Süßmann, AG 1999, 162, 165 f.; s. auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 625: Weitergabe komme „im Einzelfall grundsätzlich in Betracht“; S. H. Schneider, NZG 2005, 702, 706: Weitergabe sei „unter Umständen befugt“. Allgemein für Analysten s. auch Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hocPublizität, 2001, Rn. 131. 107 So mit rechtsvergleichender Herleitung Klöhn, WM 2010, 1869, 1875 f.; i. E. ebenso Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. (2011), § 107, Rn. 60 mit Fn. 214; Stemper, WM 2011, 1740, 1741 f.; wohl auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 14 WpHG, Rn. 63: Ratingagenturen seien „Berufsinsider“. 108 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 14, Rn. 265.

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unbefugt weitergibt. Allerdings wird in Bezug auf das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG) die Auffassung vertreten, dass die Vorabinformation von Großaktionären im Einzelfall auch dann zulässig, bisweilen sogar geboten sein kann, wenn eine allgemeine Veröffentlichung aufgrund von Geheimhaltungsinteressen gerade nicht in Betracht kommt.109 Folgt man dieser Ansicht, wird man nicht nur einen Verstoß gegen § 53a AktG verneinen, sondern die Mitteilung der Information auch insiderrechtlich als befugt einstufen müssen.110 Eine besondere Situation besteht dann, wenn ein Stimmrechtsberater auch als Berater für den Emittenten tätig ist. Zu denken ist insoweit vor allem an die Corporate Governance-Beratung, die ISS über seine Tochtergesellschaft ICS anbietet. ICS wird als sell-side-Analyst tätig, sodass die Weitergabe zwar prinzipiell als zulässig anzusehen ist. ICS dürfte die Information allerdings tatsächlich nur für die Corporate Governance-Beratung verwenden, sie jedoch nicht an ISS weitergeben, wo sie auch zur Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen eingesetzt werden könnte. Die Weitergabe an ISS ist zur Erfüllung des Beratungsauftrags, den der Emittent ICS erteilt hat, nicht erforderlich und demnach unzulässig.111 Aufgrund der engen Verbindung zwischen ISS und ICS ist die Gefahr einer unbefugten Weitergabe durch ICS indessen ungleich größer als bei anderen Analysten wie Rechtsanwälten, Unternehmensberatern oder Wirtschaftsprüfern.112 Es ist somit fraglich, ob ICS die Geheimhaltung der Information gewährleisten kann. Die Errichtung unternehmensinterner Informationsbarrieren (chinese walls), über deren Wirksamkeit keine näheren Erkenntnisse bestehen113, wird man insoweit wohl kaum als ausreichend ansehen können. Es gilt daher nicht fern, auch die Weitergabe vertraulicher Informationen an ICS als unbefugt anzusehen. Hält man die Weitergabe von Insiderinformationen an einen Stimmrechtsberater für zulässig oder gibt ein Emittent unter Verstoß gegen das Insider109

s. dazu die Nachweise in Fn. 138. Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 316: „Das Kapitalmarktrecht folgt insoweit dem verbandsrechtlichen Maßstab exklusiver Informationsweitergabe, solange nicht Marktverzerrungen und ungeordneter Informationsfluss zu befürchten sind.“ In der Sache ebenso Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 92; Pawlik, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 14, Rn. 53; s. auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre, 2008, S. 272 f. 111 Vgl. in Bezug auf die Weitergabe durch die Berater an deren Mitarbeiter Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14, Rn. 97. 112 Vgl. die Auflistung bei Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 63. 113 Dazu bereits oben S. 218 f.; s. auch Fleischer, AG 2012, 2, 10: „schwer einzuschätzen“. 110

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recht vertrauliche Kenntnisse an einen Stimmrechtsberater weiter, stellt sich die Frage, ob und wie der Stimmrechtsberater die Informationen verwenden darf. Insoweit ist zunächst allgemein festzustellen, dass Analysten, die Kenntnis von einer Insiderinformation erlangen, ihrerseits dem Weitergabeverbot unterliegen.114 Allerdings wird man eine Weitergabe nicht schon darin erblicken können, dass ein Stimmrechtsberater die Insiderinformation bei der Entwicklung einer Abstimmungsempfehlung berücksichtigt, ohne diesen Beweggrund seinen Kunden mitzuteilen. Lediglich in der Weitergabe der konkreten Information selbst liegt ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.115 cc) § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG erlegt dem Emittenten eine Pflicht zur Veröffentlichung solcher Insiderinformationen auf, die er im Rahmen seiner Befugnis einem anderen mitteilt oder zugänglich macht, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Ob der Vorschrift neben § 15 Abs. 1 S. 1 und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine nennenswerte eigenständige Bedeutung zukommt, ist zweifelhaft.116 Zwar ist der Anwendungsbereich gegenüber § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG nach überwiegender Auffassung weiter, weil § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG auch für solche Insiderinformationen gilt, die den Emittenten nur mittelbar betreffen.117 Allerdings sind solche Informationen häufig ohnehin öffentlich bekannt, bevor sie vom Emittenten weitergegeben werden könnten. Erkennt der Emittent früher als der Markt die Kursrelevanz einer ihn nur mittelbar betreffenden Information und gibt er die Information mitsamt dieser „Interpretation“ weiter, handelt es sich um eine neue, den Emittenten unmittelbar betreffende Information. Er muss nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG grundsätzlich veröffentlichen.118 Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG außerdem nur auf solche Insiderinformationen, die der Emittent befugt weitergegeben hat. 114 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 14, Rn. 263; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG, Rn. 63. 115 Vgl. in Bezug auf Ratingagenturen Klöhn, WM 2010, 1869, 1876. 116 s. die „Belastungsprobe“ bei Klöhn, WM 2010, 1869. 117 Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 340; Klöhn, WM 2010, 1869, 1878 jew. m. w. N.; s. auch Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 15, Rn. 111; Versteegen, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 15, Rn. 218; a. A. und für eine Begrenzung auf den Emittenten unmittelbar betreffende Informationen Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 15, Rn. 114; Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 15 WpHG, Rn. 85. 118 Klöhn, WM 2010, 1869, 1877 f.

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§ 15 Abs. 1 S. 4 WpHG beträfe demnach vor allem119 Fälle, in denen der Emittent eine ihn nur mittelbar betreffende Insiderinformation einem anderen befugt weitergibt, wobei der andere rechtlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Da jedoch eine befugte Weitergabe nur dann vorliegt, wenn sie für die Ausübung der Arbeit oder des Berufs oder zum Zwecke der Erfüllung von Aufgaben unerlässlich und verhältnismäßig ist120, wird der Informationsempfänger regelmäßig auch zur Vertraulichkeit verpflichtet sein. Fälle, in denen Letzteres einmal nicht der Fall ist, sind kaum vorstellbar.121 Größere Bedeutung hätte § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG indessen dann, wenn man die Vorschrift auch auf die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen erstrecken würde.122 Die herrschende Ansicht lehnt dies ab und verweist zur Begründung vor allem auf das Analogieverbot im Bußgeldrecht123, das angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift eine Anwendung auf die unbefugte Weitergabe verbiete.124 Bejaht wird eine Anwendung auf die unbefugte Weitergabe unter Berufung auf den Zweck des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG: Erstens müsse eine Pflicht zur Veröffentlichung bei befugter Weitergabe für die unbefugte Weitergabe erst recht gelten.125 Zweitens ergebe sich der Vorteil, dass der Emittent – anders als bei einem bloßen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG – bei Unterlassen der Ad-hoc-Mitteilung nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig würde. In der Folge bestehe ein Anreiz, neben der Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung selbst auch das insiderrechtliche Weitergabeverbot einzuhalten.126 Drittens ergebe sich nur bei einer Anwendung des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG auch auf die unbefugte Weitergabe überhaupt ein „dogmatisch relevanter Anwendungsbereich“.127 Das Analogieverbot stehe letztlich nicht entgegen, 119 Zum übrigen eigenständigen Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 S. 4, 5 WpHG s. Klöhn, WM 2010, 1869, 1869 f. 120 s. dazu bereits auf S. 273. 121 So schon Klöhn, WM 2010, 1869, 1878. 122 Ausführlich hierzu Klöhn, WM 2010, 1869, 1878 ff. 123 Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG bußgeldbewehrt. Das Analogieverbot ergibt sich aus § 3 OWiG. 124 Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 15, Rn. 291; Widder/Gallert, NZG 2006, 451, 453; i. E. ebenso Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 15, Rn. 116; Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 341; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. (2011), Rn. 356; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 15 WpHG, Rn. 114; Versteegen, in: KölnKomm-WpHG, 2007, § 15, Rn. 224; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 15 WpHG, Rn. 87. Überblick zu diesem und weiteren Argumenten bei Klöhn, WM 2010, 1869, 1879. 125 Klöhn, WM 2010, 1869, 1880. 126 Klöhn, WM 2010, 1869, 1879, 1880. 127 Klöhn, WM 2010, 1869, 1880 f.

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weil es um die Ausdehnung des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG in Hinblick auf dessen zivilrechtliche Rechtsfolgen gehe.128 Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG für informelle Gespräche von Emittenten mit Stimmrechtsberatern nur geringe Bedeutung hat. Stimmrechtsberater dürften vor allem an Informationen interessiert sein, die den Emittenten unmittelbar betreffen. Diese fallen schon unter § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG; § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG hat keine eigenständige Relevanz. Soweit doch einmal eine mittelbare Insiderinformation weitergegeben wird, hängt die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG nach herrschender Auffassung davon ab, ob die Weitergabe befugt oder unbefugt erfolgt ist. Oben wurde festgestellt, dass die Weitergabe von Insiderinformationen an einen Stimmrechtsberater grundsätzlich als unbefugt anzusehen ist, da ein Stimmrechtsberater als buy-side-Analyst fungiert.129 Auf die unbefugte Weitergabe soll § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG aber gerade keine Anwendung finden. Nur wenn man die Vorschrift mit der dargestellten Gegenauffassung auch auf die unbefugte Weitergabe anwendet, hat sie für informelle Gespräche zwischen Emittenten und Stimmrechtsberatern eine eigenständige, freilich auf mittelbare Insiderinformationen begrenzt bleibende, Bedeutung. 2. Aktienrecht Die informationelle Gleichbehandlung der Aktionäre wirft nicht nur insiderrechtliche Fragen auf, sondern ist auch von aktienrechtlichem Interesse. Die verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgebote der §§ 53a, 131 Abs. 4 AktG gebieten, die Aktionäre grundsätzlich gleich zu behandeln. Welche Bedeutung diese Vorschriften für Gespräche des Managements mit einem Stimmrechtsberater haben, der regelmäßig kein Aktionär ist, bedarf des genaueren Hinsehens. Eine andere aktienrechtliche Frage besteht darin, ob die Vorschrift für institutionelle Stimmrechtsvertreter, § 135 AktG, analog auf institutionelle Stimmrechtsberater anzuwenden ist. a) Aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebote In § 53a AktG heißt es schlicht, dass Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln sind. Anders gewendet folgt daraus, dass eine 128 Näher Klöhn, WM 2010, 1869, 1881; s. auch Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 341. 129 Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn die Abstimmung mit einem Stimmrechtsberater aufgrund des Gesellschaftsinteresses geboten ist, s. oben S. 274 f. sowie unten S. 280 f.

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Privilegierung einzelner Aktionäre zulässig sein kann, wenn rechtfertigende Umstände vorliegen.130 § 131 Abs. 4 AktG bezieht sich auf die informationelle Privilegierung einzelner Aktionäre und ist insoweit eine Ausformung des § 53a AktG131: Ist einem Aktionär „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ außerhalb der Hauptversammlung eine Auskunft erteilt worden, so kann jeder Aktionär in der Hauptversammlung verlangen, dass ihm dieselbe Auskunft erteilt wird. Demnach legitimiert § 131 Abs. 4 AktG nicht seinerseits die selektive Information einzelner Aktionäre, sondern knüpft daran lediglich eine Rechtsfolge.132 aa) § 53a AktG Grundsätzlich gilt § 53a AktG nur für Aktionäre. Die Vorschrift findet demnach keine Anwendung, wenn alle Aktionäre dadurch benachteiligt werden, dass die Gesellschaft einem Dritten Vorteile zuwendet.133 Wenn Stimmrechtsberater – wie regelmäßig – nicht an der Gesellschaft beteiligt sind, die ihnen Informationen zukommen lässt, verstößt dies also zunächst nicht gegen § 53a AktG. Allerdings soll das Gleichbehandlungsgebot dann gelten, wenn es sich „bei dem Dritten nur formal um einen Nichtaktionär handelt, der bei objektiver Betrachtung einem Aktionär gleichzustellen ist.“134 Insoweit wird vorgeschlagen, die zu § 57 AktG (Verbot der Einlagenrückgewähr) und § 136 Abs. 1 AktG (Stimmrechtsverbot bei persönlicher Betroffenheit) entwickelten Grundsätze heranzuziehen.135 Bei beiden Vorschriften geht es darum, das Verbot der Einlagenrückgewähr bzw. das Stimmrechtsverbot auch auf solche Personen zu erstrecken, die einem Ak130

s. etwa Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 18 ff.; Fleischer, ZGR 2009, 505, 520; ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 31 ff.; allgemein zur „Abstufung der Gleichbehandlungspflicht“ s. Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 173 ff. 131 Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 332; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 95 m. w. N. 132 Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 512; dem folgend Bachmann, in: FS Schwark, 2009, S. 331, 332. 133 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 5; Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 19; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 19; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 53a, Rn. 31. 134 Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 20; in der Sache ebenso Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 19; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 53a, Rn. 39. 135 So Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 20; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 19; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 53a, Rn. 40.

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tionär in der Sache gleich stehen. So wird beispielsweise dafür plädiert, § 57 AktG auch auf Stimmrechtsvertreter zu erstrecken, da hier andernfalls der Verdacht einer Umgehung der Vorschrift nahe liege.136 Dass § 136 Abs. 1 AktG auch für Stimmrechtsvertreter gilt, ergibt sich unmittelbar aus Satz 2 der Vorschrift. Durch den Ausschluss der Stimmrechtsvertretung soll auch hier eine Umgehung der Stimmverbote verhindert werden.137 Bei der selektiven Weitergabe von Informationen an einen Stimmrechtsberater liegt es nahe, dass der Stimmrechtsberater auch auf Grundlage dieser Informationen seine Abstimmungsempfehlungen entwickelt und beides – Informationen und Empfehlungen – seinen Kunden übermittelt. In diesem Fall kommt es zu einer Privilegierung der institutionellen Anleger, die die Empfehlungen des informierten Stimmrechtsberaters beziehen. Typischerweise entsteht infolge der Unterrichtung eines Stimmrechtsberaters durch das Management also eine Informationsasymmetrie unter den Aktionären. Dass ein Stimmrechtsberater im Einzelfall die nur ihm mitgeteilte Information nicht an seine Kunden weitergibt, ändert nichts daran, dass jedenfalls die Möglichkeit einer Privilegierung einzelner Aktionäre besteht. Daher muss eine Gesellschaft bei der Weitergabe von Informationen an einen Stimmrechtsberater die Vorschrift des § 53a AktG beachten. Wie eingangs bereits angedeutet, folgt aus § 53a AktG jedoch nicht die generelle Unzulässigkeit der informationellen Bevorzugung einzelner Aktionäre (bzw. ihnen insoweit gleich gestellter Stimmrechtsberater). Vielmehr ist es für den Vorstand häufig wichtig, bereits im Rahmen der Vorbereitung einer Hauptversammlung zu erfahren, wie die Großaktionäre der Gesellschaft zu den beabsichtigten Beschlussempfehlungen stehen. Der Unterrichtung aller Aktionäre stehen jedoch häufig Geheimhaltungsinteressen entgegen. Deshalb wird die Vorabinformation bedeutender Aktionäre als zulässig angesehen.138 Als wichtiger Anwendungsfall wird etwa die beabsichtigte Durchführung einer Kapitalerhöhung genannt.139 Zwar ist der Stimmrechtsberater selbst kein Großaktionär. Sein Einfluss auf Hauptversammlungsbeschlüsse ist aber ebenfalls sehr groß, wenn eine hinreichend 136 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 57, Rn. 69; i. E. ebenso Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 57, Rn. 31; Henze, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 57, Rn. 83. 137 So ausdrücklich Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 136, Rn. 23 m. w. N. 138 Fleischer, ZGR 2009, 505, 521 ff.; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 314 ff.; U. H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, 1998, S. 585, 603; Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 535 f.; Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S. 365 ff., 372 ff. 139 s. etwa Fleischer, ZGR 2009, 505, 521 m. w. N.

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hohe Anzahl der Aktionäre einer Gesellschaft seinen Empfehlungen folgt. Das Interesse des Vorstands an einer frühzeitigen Fühlungnahme ist bei bedeutenden Stimmrechtsberatern nicht geringer als bei Großaktionären. Im Einzelfall kann eine Ungleichbehandlung durch informationelle Privilegierung eines Stimmrechtsberaters daher gerechtfertigt sein. bb) § 131 Abs. 4 AktG § 131 Abs. 4 AktG knüpft in doppelter Weise an die Aktionärsstellung an: Einem Aktionär muss gerade wegen seiner Stellung als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung erteilt worden sein. Der Wortlaut der Vorschrift scheint zunächst gegen eine Anwendbarkeit auf Stimmrechtsberater zu sprechen. Bei näherem Hinsehen gilt § 131 Abs. 4 AktG aber auch, wenn einem Stimmrechtsberater, der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist, exklusiv eine Vorabinformation erteilt wurde. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur gilt, wenn „einem Aktionär“ eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung erteilt wurde. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei § 131 Abs. 4 AktG um eine Ausformung des § 53a AktG.140 Wenn also – wie hier befürwortet – § 53a AktG auf einen Stimmrechtsberater als Nicht-Aktionär anzuwenden ist, dann kann für § 131 Abs. 4 AktG nichts anderes gelten. Die Informationserteilung an einen Stimmrechtsberater ist auch in Bezug auf § 131 Abs. 4 AktG der Informationserteilung an einen Aktionär gleichzustellen.141 Tatbestandsvoraussetzung des § 131 Abs. 4 AktG ist darüber hinaus, dass dem Aktionär gerade „wegen seiner Stellung als Aktionär“ eine Auskunft erteilt wurde. Diese Beschränkung dient vor allem dazu, eine Anwendbarkeit auf Aktionäre mit einer Doppelfunktion – etwa solche, die Mitglieder des Aufsichtsrats sind – auszuschließen.142 Stimmrechtsberater üben eine solche Doppelfunktion nicht aus, sodass insoweit keine Bedenken bestehen. Da ein Stimmrechtsberater (regelmäßig) kein Aktionär ist, kann ihm freilich nicht „wegen seiner Stellung als Aktionär“ eine Auskunft erteilt werden. Wenn man aber § 53a AktG auf Stimmrechtsberater anwendet und auch in 140

s. die Nachweise in Fn. 131. Für eine Anwendbarkeit auf Fälle, in denen eine „Zurechnung“ auf einen Aktionär möglich ist s. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 75; s. auch Decher, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 131, Rn. 339; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 131, Rn. 37; Kersting, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 131, Rn. 430: Auskunft an Aktionärsvertreter genügt. 142 Decher, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 131, Rn. 342 ff.; Kubis, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 131, Rn. 130 f.; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 76; s. auch Kersting, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 131, Rn. 434 ff. 141

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Bezug auf § 131 Abs. 4 AktG die Informationserteilung an einen Stimmrechtsberater der Informationserteilung an einen Aktionär gleichstellt, kann die tatbestandsmäßige Beschränkung „wegen seiner Stellung als Aktionär“ nicht dazu führen, dass § 131 Abs. 4 AktG im Falle der Auskunftserteilung an einen Stimmrechtsberater nicht gilt. Vielmehr ist auch insoweit eine weite Auslegung in dem Sinne geboten, dass auch die Informationserteilung „wegen einer aktionärsgleichen Stellung“ ausreicht. Stimmrechtsberater erfüllen dieses Kriterium. Eine allzu große Bedeutung dürfte die Anwendbarkeit des § 131 Abs. 4 AktG auf Stimmrechtsberater indessen nicht erlangen. Wie auch bei der Informationserteilung an Aktionäre selbst, wird sich auf das Recht auf Auskunftserteilung nur berufen (können), wer auf anderem Wege erfahren hat, dass andere Aktionäre bzw. deren Stimmrechtsberater besonders informiert worden sind.143 Dahingehende „Ausforschungsfragen“ sind von § 131 Abs. 4 AktG nämlich gerade nicht gedeckt.144 Hinzu kommt, dass eine Berufung auf § 131 Abs. 4 AktG nur in der Hauptversammlung möglich ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann das Informationsinteresse schon wieder entfallen sein.145 b) § 135 AktG Eine weitere aktienrechtliche, von den Gleichbehandlungsgeboten jedoch losgelöste Frage besteht darin, ob sich auch Stimmrechtsberater an § 135 AktG halten müssen. § 135 AktG stellt für Kreditinstitute, die eine Stimmrechtsvertretung anbieten, bestimmte Verhaltenspflichten auf. Nach § 135 Abs. 8 AktG gilt die Vorschrift auch für Aktionärsvereinigungen und für Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten. Daraus folgt zunächst, dass die Pflichten des § 135 Abs. 8 AktG dann gelten, wenn ein Stimmrechtsberater den Aktionären auch die Stimmrechtsvertretung anbietet und die Aktionäre seine Dienste auch insoweit in Anspruch nehmen. 143 Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 73; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 103. 144 Decher, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 131, Rn. 360; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 131, Rn. 41; Kersting, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2010), § 131, Rn. 460 ff.; Kubis, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 131, Rn. 136; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 80; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 103. 145 Kubis, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 131, Rn. 125; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 73; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 131, Rn. 95; s. auch Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010); § 131, Rn. 36.

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Soweit es um die reine Stimmrechtsberatung geht, spielt § 135 AktG in weiten Teilen deshalb keine Rolle, weil es darin vorwiegend um spezifische Vertretungsfragen wie die Erteilung und den zulässigen Inhalt einer Vollmachtserklärung geht. Von unmittelbarem Interesse ist einzig § 135 Abs. 2 S. 2 AktG. Diese Vorschrift stellt inhaltliche Anforderungen an die Entwicklung eigener Abstimmungsvorschläge. Das Kreditinstitut hat sich „vom Interesse des Aktionärs leiten zu lassen und inhaltliche Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Eigeninteressen aus anderen Geschäftsbereichen nicht einfließen“. Wenn diese Vorgaben nicht beachtet werden, droht dem Kreditinstitut eine Haftung für etwaige erlittene Schäden (klarstellend: § 135 Abs. 9 AktG). § 135 Abs. 2 S. 2 AktG findet jedenfalls keine unmittelbare Anwendung auf Stimmrechtsberater, da die Norm ausdrücklich nur für solche Personen gilt, die sich zur Stimmrechtsvertretung erbieten. In Betracht kommt aber eine analoge Anwendung. Der Gesetzgeber wollte mit § 135 Abs. 2 S. 2 AktG sicherstellen, dass ein Dritter, den ein Aktionär mit der Stimmrechtsausübung betraut hat, die Interessen des Aktionärs verfolgt und nicht seine eigenen. In Bezug auf die reine Stimmrechtsberatung ließe sich zwar argumentieren, dass hier ja die Ausübung des Stimmrechts beim Aktionär verbleibt und der Aktionär daher die Möglichkeit behält, im Falle ihm missfallender Erwägungen des Stimmrechtsberaters dessen Empfehlung nicht zu befolgen. Jedoch fehlt es den beratenen institutionellen Anlegern an dem Willen und an den Möglichkeiten die ihnen unterbreiteten Empfehlungen zu überprüfen – sie müssten dazu den Aufwand betreiben, den sie mit der Mandatierung eines Stimmrechtsberaters gerade vermeiden wollen.146 Daher liegt eine mit der Stimmrechtsvertretung vergleichbare Interessenlage vor, die eine analoge Anwendung rechtfertigt.147 Eine explizite Gleichstellung, wie sie der Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins vorschlägt148, hätte daher jedenfalls in Bezug auf die Pflichten des § 135 Abs. 2 S. 2 AktG nur klarstellende Funktion. Sowohl hinsichtlich der direkten Anwendung des § 135 AktG (im Falle der Stimmrechtsvertretung durch einen Stimmrechtsberater) als auch hinsichtlich der analogen Anwendung des § 135 Abs. 2 S. 2 AktG (bei reiner Stimmrechtsberatung) stellt sich die Frage nach dem internationalen Anwendungsbereich der Norm. Da die bedeutenden Stimmrechtsberater ihren Sitz nicht in Deutschland, sondern in den USA haben, handelt es sich häufig um Sachverhalte mit Auslandsberührung. Nach (fast) einhelliger Auffassung soll § 135 AktG jedoch auch auf ausländische Kreditinstitute Anwen146 147 148

s. dazu bereits oben S. 224. Im Ergebnis ebenso Vaupel, AG 2011, 63, 71 f. Vgl. DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 940.

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dung finden. Begründet wird dies damit, dass die Stimmrechtsausübung einschließlich der Stimmrechtsvertretung dem Gesellschaftsstatut unterfallen. Daher gilt für die Stimmrechtsausübung in der Hauptersammlung einer deutschen Aktiengesellschaft auch deutsches Aktienrecht.149 Es besteht kein Grund, bei einer analogen Anwendung der Norm abweichend zu verfahren. 3. Haftung Wenn Stimmrechtsberater einem effektiven Haftungsregime unterlägen, hätten sie einen Anreiz, „gute“ Abstimmungsempfehlungen auszusprechen. Dasselbe gilt für Ratingagenturen, über deren Haftung bereits seit einigen Jahren diskutiert wird.150 In Bezug auf Stimmrechtsberater steht die Diskussion hingegen noch am Anfang.151 Die Ausgangslage ist dabei eine ähnliche: Wie bei Ratingagenturen152 fehlt es an einem eigenständigen Haftungsregime für Stimmrechtsberater, sodass die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze Anwendung finden. Als potentiell Geschädigte kommen erstens die beratenen institutionellen Anleger, zweitens die übrigen Aktionäre der Gesellschaft, für deren Hauptversammlung der Stimmrechtsberater Empfehlungen abgegeben hat, und drittens diese Gesellschaft selbst in Betracht. a) Haftung gegenüber den beratenen institutionellen Anlegern Bei der Haftung eines Stimmrechtsberaters gegenüber den von ihm beratenen institutionellen Anlegern besteht im Vergleich zur Haftung einer Ra149 So Grundmann, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), § 135, Rn. 22 m. w. N.; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 135, Rn. 11 m. w. N.; s. auch Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 135, Rn. 4; Semler, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 38, Rn. 55; abweichend Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 135, Rn. 4: keine Anwendung für ausländische Kreditinstitute, die keine Zweigniederlassungen in Deutschland unterhalten (jedoch für eine entsprechende Anwendung des § 135 Abs. 3 AktG); ähnlich Schröer, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2004), § 135, Rn. 25. 150 s. nur Berger/Stemper, WM 2010, 2289; Blaurock, ZGR 2007, 603, 627 ff.; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851 ff.; Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 8 ff.; Haar, NZG 2010, 1281; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199 ff.; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875; v. Schweinitz, WM 2008, 953, 954 ff.; Vetter, WM 2004, 1701, 1705 ff.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349 ff.; monographisch Eisen, Haftung und Regulierung internationaler Rating-Agenturen, 2007; Peters, Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001. 151 Bislang, soweit ersichtlich, nur Vaupel, AG 2011, 63, 65 ff. 152 Allerdings wird auf europäischer Ebene gegenwärtig die Schaffung eines Haftungsregimes erwogen, s. dazu Bremer, NZG 2011, 100; o. Verf., EuZW 2011, 493.

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tingagentur gegenüber der Gesamtheit der Aktionäre ein struktureller Unterschied: Während die Ratingagentur den Auftrag zur Erstellung eines Ratings vom Emittenten erhält und folglich mit diesem in einer vertraglichen Beziehung steht, kommt bei Stimmrechtsberatern ein Vertrag mit einem Teil der Aktionäre zustande, nicht jedoch mit den Aktiengesellschaften, auf deren Hauptversammlungen sich die Abstimmungsempfehlungen beziehen. Die für Ratingagenturen angestellten Überlegungen sind daher nur unter Beachtung dieses Unterschieds übertragbar. aa) Vertragliche Haftung (1) Anwendbares Recht Insbesondere kommt für die beratenen institutionellen Anleger ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in Betracht. Welche Rechtsordnung für das Vertragsverhältnis maßgeblich ist, hängt für deutsche Gerichte von dem Vertragsstatut des Internationalen Privatrechts ab. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-Verordnung153, die heute154 europaweit einheitlich das Internationale Vertragsrecht regelt, ist zunächst das von den Parteien gewählte Recht maßgeblich. Sofern es an einer solchen Vereinbarung fehlt, regelt Art. 4 Rom I-Verordnung, welches Recht anzuwenden ist. Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem Vertrag über die Erstellung von Abstimmungsempfehlungen um einen in Art. 4 Abs. 1 Rom I-Verordnung erwähnten spezifizierten Vertragstyp handelt. In Betracht kommt insbesondere ein Dienstleistungsvertrag, Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-Verordnung. Der Begriff der Dienstleistung wird in Anlehnung an Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) weit verstanden.155 Art. 57 AEUV definiert solche Leistungen als Dienstleistungen, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.“ Zwar wird die Definition des AEUV in Bezug auf Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-Verordnung insoweit spezifiziert, als dass unter Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-Verordnung auch unentgeltliche 153 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. 06. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEU Nr. L 177 v. 04. 07. 2008, S. 6; ber. ABlEU Nr. L 309 v. 24. 11. 2009, S. 87. 154 Zur früheren Rechtslage s. etwa Koch/Magnus/Winkler v. Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, 4. Aufl. (2010), § 5, Rn. 24 ff. 155 Vgl. Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. (2012), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 4, Rn. 27; Mankowski, RIW 2006, 321, 322; Martiny, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2010), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 4, Rn. 18.

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Tätigkeiten fallen können156; da Stimmrechtsberater aber gegen Entgelt tätig sind, spielt diese Einschränkung hier keine Rolle. Charakteristisch für das Verhältnis zwischen institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberater ist die Beratungsleistung des Stimmrechtsberaters, die wohl als Dienstleistung in dem beschriebenen Sinne einzuordnen ist.157 Maßgeblich ist dann das Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Stimmrechtsberater haben ihren Sitz überwiegend in den USA, sodass häufig US-amerikanisches Recht Anwendung finden wird. Ordnet man den Vertrag zwischen institutionellem Anleger und Stimmrechtsberater nicht als Dienstleistungsvertrag ein, bestimmt Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung das anzuwendende Recht. Maßgeblich ist das Recht des Staates, in dem der Erbringer der charakteristischen Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Charakteristisch ist die Leistung, die den Vertrag von anderen Vertragsarten unterscheidet. Da sich regelmäßig Geldleistung und NichtGeldleistung gegenüberstehen, ist die Unterscheidung anhand der NichtGeldleistung vorzunehmen.158 Das ist hier wiederum die Beratungsleistung des Stimmrechtsberaters, sodass auch nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung häufig US-amerikanisches Recht anzuwenden sein wird. Allerdings eröffnet Art. 4 Abs. 3 Rom I-Verordnung die Möglichkeit, das Recht eines anderen Staates anzuwenden als nach Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-Verordnung zunächst vorgesehen, wenn sich nach der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag zu diesem anderen Staat eine offensichtlich engere Verbindung aufweist. Eine Anwendung deutschen Rechts nach Art. 4 Abs. 3 Rom I-Verordnung ist etwa dann in Betracht zu ziehen, wenn ein US-amerikanischer Stimmrechtsberater einen deutschen institutionellen Anleger in Bezug auf einen deutschen Emittenten berät. (2) Vertragstyp Wenn deutsches Recht Anwendung findet, richtet sich die Haftung des Stimmrechtsberaters nach den allgemeinen Grundsätzen. Daher kommt es zunächst darauf an, ob die rechtsgeschäftliche Übereinkunft zwischen einem Stimmrechtsberater und einem institutionellen Anleger einem gesetzlich geregelten Vertragstyp zugeordnet werden kann. Für das Verhältnis zwischen Ratingagenturen und Emittenten ist die Qualifikation umstritten 156 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. (2012), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 4, Rn. 27; zu weiteren Unterschieden s. Mankowski, RIW 2006, 321, 322. 157 Zum „Consultingvertrag“ s. auch Martiny, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2010), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 4, Rn. 43. 158 s. Martiny, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2010), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 4, Rn. 148 m. w. N.

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– teils wird für einen Werkvertrag (§ 631 BGB) plädiert159, teils für einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB)160 und teils für einen atypischen Vertrag.161 Bei der Beauftragung mit der Erstellung eines Ratings wie auch bei der Beauftragung mit der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen wird ein Erfolg geschuldet, was zunächst die Annahme eines Werkvertrags nahe legt.162 In Bezug auf Ratings ist dagegen eingewandt worden, das Werk müsse nicht vom Besteller abgenommen werden. Die Ratingagentur könne die Bonitätseinstufung auch veröffentlichen, während eine Übergabe an den Auftraggeber nicht stattfinde.163 Außerdem sei es dem Emittenten nicht möglich, das Rating zu beeinflussen.164 Schließlich soll der Annahme eines Werkvertrags entgegenstehen, dass die Agentur das Rating auch für eigene Zwecke nutze.165 Allerdings ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Einwände gegen einen Werkvertrag sprechen.166 Vielmehr steht die Bonitätsbewertung der Anfertigung eines Expertengutachtens nahe167, da der Besteller auf dieses ebenfalls keinen Einfluss hat (zumindest nicht haben sollte), der Verfasser es auch für eigene Zwecke nutzen kann und eine Veröffentlichung ebenso in Betracht kommt. Die Zulässigkeit von Letzterem hängt bei Ratings wie bei Gutachten von der getroffenen Vereinbarung ab. Wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, liegt unstreitig ein Werkvertrag vor.168 Was die Entbehrlichkeit der Abnahme an159 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203; Vetter, WM 2004, 1701, 1705; Witte/ Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349; s. auch Lemke, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 2. Aufl. (2007), S. 611, 614: „Werkvertrag gemäß § 631 BGB bzw. als Vertrag sui generis mit überwiegend werkvertraglichem Charakter“ (Hervorhebung im Original). 160 v. Schweinitz, WM 2008, 953, 956. 161 Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 7; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 878 ff. 162 Vgl. Busche, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 631, Rn. 1, 14; Jauernig/Mansel, BGB, 14. Aufl. (2011), § 631, Rn. 3; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 631, Rn. 12. 163 So Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 7; s. auch Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 879. 164 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1996, S. 483, 487 f. 165 Vgl. Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1996, S. 483, 487; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 879. 166 So auch Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203; Vetter, WM 2004, 1701, 1705. 167 Zu diesem Vergleich s. auch Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349; Vetter, WM 2004, 1701, 1705. 168 Vgl. Busche, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 631, Rn. 261 f.; Jauernig/Mansel, BGB, 14. Aufl. (2011), Vor § 631, Rn. 6; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), Einf v § 631, Rn. 24.

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geht, so ergibt sich deren Zulässigkeit sogar unmittelbar aus § 640 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 BGB.169 Beauftragt ein institutioneller Anleger einen Stimmrechtsberater mit der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen, sind die für Ratings angestellten Erwägungen weitgehend übertragbar. Geschuldet wird, wie bereits festgestellt, der Erfolg. Unbeachtlich ist, dass ein institutioneller Anleger keinen Einfluss auf den Erstellungsprozess hat und dass der Stimmrechtsberater die Empfehlungen für eigene Zwecke verwendet, sie insbesondere auch anderen Kunden unterbreitet. Warum eine (auch konkludent) vereinbarte Befugnis zur Veröffentlichung der Empfehlungen gegen einen Werkvertrag sprechen könnte, erschließt sich ebenfalls nicht. Im Unterschied zum Ratingprozess übermittelt ein Stimmrechtsberater die Abstimmungsempfehlungen seinen Kunden unmittelbar, sodass es ohne Zweifel zu einer Abnahme des versprochenen Werks kommt. Die bei Ratings insoweit angeführten Einwände können daher nicht übertragen werden. Nach dem bislang Gesagten ist die Annahme eines Werkvertrags indessen nicht zwingend; in Betracht kommt auch ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter (§ 675 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Eine Geschäftsbesorgung soll dann vorliegen, wenn sich der Geschäftsbesorger gegenüber dem Geschäftsherrn dazu verpflichtet, eine selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen vorzunehmen.170 Zwar wird man einem Stimmrechtsberater nicht absprechen können, dass seine Empfehlungen sehr häufig Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Kunden haben und damit deren Vermögensinteressen berühren. Auch erfolgt die Erstellung der Abstimmungsempfehlungen vollumfänglich selbstständig. Der Stimmrechtsberater nimmt, wenn ein institutioneller Anleger nur die Empfehlungen bezieht, aber nicht unmittelbar fremde Vermögensinteressen wahr. Die Vermögensinteressen werden erst durch die Ausübung der Stimmrechte selbst berührt, die in dieser Konstellation bei dem institutionellen Anleger verbleibt. Um eine Geschäftsbesorgung handelt es sich demnach nur dann, wenn ein institutioneller Anleger den Stimmrechtsberater auch beauftragt, die Stimmrechte ohne eine vor169

In der Praxis wird indessen aber eine Abnahme vorliegen, jedenfalls in Form einer konkludenten Billigung, s. Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 879; Vetter, WM 2004, 1701, 1705. s. auch Lemke, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 2. Aufl. (2007), S. 611, 614, wonach eine fehlende Abnahme jedenfalls dann nicht gegen einen Werkvertrag spreche, wenn „die Veröffentlichung des Ratings vereinbarungsgemäß von der Zustimmung des Emittenten abhängt.“ 170 BGHZ 45, 223, 228 f.; s. auch Heermann, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 675, Rn. 3; Jauernig/Mansel, BGB, 14. Aufl. (2011), § 675, Rn. 4; Staudinger/Martinek, BGB, Neubearb. 2006, § 675, Rn. A9; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 675, Rn. 2 jew. m. w. N.

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herige Überprüfungsmöglichkeit entsprechend der Empfehlungen auszuüben.171 In Fällen der schlichten Stimmrechtsberatung liegt hingegen ein Werkvertrag i. S. d. § 631 BGB vor. (3) Voraussetzungen der Haftung Die Rechte des Bestellers bei einem mangelhaften Werk richten sich nach § 634 BGB, nach dessen Nr. 1 vorrangig Nacherfüllung verlangt werden kann. Dieser Anspruch kann jedoch nur vor der Hauptversammlung, auf die sich die Abstimmungsempfehlungen beziehen, geltend gemacht werden. Hat die Hauptversammlung bereits stattgefunden, wird die Nacherfüllung unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB. In der Praxis dürfte jedoch allenfalls der Fall relevant sein, dass sich eine mangelhafte Abstimmungsempfehlung im Abstimmungsergebnis niedergeschlagen hat und die Mangelhaftigkeit erst danach offenkundig wird. In diesem Fall kommt für die geschädigten Kunden des Stimmrechtsberaters nur die Forderung nach Schadensersatz statt der Leistung in Betracht, der sich nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 BGB richtet. Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist zunächst eine Pflichtverletzung des Stimmrechtsberaters, die der geschädigte institutionelle Anleger nachweisen muss. Um nachweisen zu können, dass der Stimmrechtsberater einen Fehler begangen hat, müsste jedoch zunächst ein Maßstab existieren, an dem die tatsächlich geleistete Arbeit gemessen werden kann. Bei einem Informationsintermediär wie dem Stimmrechtsberater bereitet es jedoch große Schwierigkeiten, insoweit objektive Kriterien festzulegen. Schließlich spielen bei der Methode, mit der die Abstimmungsempfehlungen entwickelt werden, subjektive Überzeugungen eine große Rolle. Es bestehen gerade keine gesicherten Erkenntnisse darüber, welche einzelnen oder welche Kombinationen von Corporate Governance-Maßnahmen sich für die Aktionäre positiv auswirken. Vielmehr schließen die institutionellen Anleger sich mit der Beauftragung eines Stimmrechtsberaters bewusst dessen Überzeugungen – wohl wissend, dass es sich um solche handelt – an. Bei der Anwendung der Kriterien spielen zudem nicht selten die Umstände des Einzelfalls eine große Rolle, weshalb die abstrakten Richtlinien in vielen Punkten sehr allgemein gehalten sind. In der Sache stellen Abstimmungsempfehlungen daher Meinungsäußerungen dar, die zwar auf Tatsachen fußen, aber selbst keine Tatsachen sind.172 Meinungsäußerungen sind den Kategorien von „richtig“ und „falsch“ nur bedingt zugänglich.173 171 Für die Einordnung der Stimmrechtsbevollmächtigung als Geschäftsbesorgung s. auch Henssler, ZHR 157 (1993), 91, 97; Than, ZHR 157 (1993), 125, 136.

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§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater

Der Beweis, dass die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters fehlerhaft waren, wird für einen geschädigten institutionellen Anleger schwer zu führen sein.174 Gelingen dürfte ihm das allenfalls in Evidenzfällen.175 Für Ratingagenturen hat man versucht, sich solchen Evidenzkriterien zu nähern. Plädiert wird – häufig im Zusammenhang mit deliktischen Ansprüchen – für eine Übertragung der Warentest-Rechtsprechung des BGH.176 Warentests müssen danach objektiv, neutral und sachkundig durchgeführt werden. Außerdem müssen die Prüfungsmethoden und -kriterien vertretbar erscheinen.177 Diese Kriterien können im Grundsatz auf Stimmrechtsberater übertragen werden.178 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Stimmrechtsberater nach eigenem Verständnis und nach dem Verständnis des Marktes nicht als unabhängige Instanz agieren, deren Ziel die Steigerung des volkswirtschaftlichen Wohls ist. Stimmrechtsberater vertreten eindeutig die Interessen der Aktionäre, die für die Abstimmungsempfehlungen bezahlen. Stimmrechtsberater agieren daher dann objektiv, wenn sie sich bei der Erstellung von Abstimmungsempfehlungen ausschließlich von den Interessen der Aktionäre leiten lassen. Die Empfehlungen müssen auf geeigneten Kriterien beruhen und die zu dem jeweiligen Emittenten existierenden Informationen müssen sorgfältig ausgewählt und weitgehend vollständig sein.179 Neutralität bedeutet, dass ein Stimmrechtsberater wirtschaftlich und politisch unabhängig sein muss und sich nicht von persönlichen und wirtschaftlichen Interessen leiten lassen darf.180 Er muss also 172 Ähnlich in Bezug auf Ratingagenturen Blaurock, ZGR 2007, 603, 627 f.; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1350. Jüngst für eine entsprechende Bewertung von „Bonitätsbeurteilungen“ auch BGH NJW 2011, 2204, 2205. 173 Vgl. Blaurock, ZGR 2007, 603, 627 f.; Vetter, WM 2004, 1701, 1704 (jeweils zu Ratingagenturen). 174 s. in Bezug auf Ratingagenturen exemplarisch Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 880 f.: „Ein einziges ‚richtiges‘ Ergebnis kann es hier schwerlich geben, nur (aber immerhin!) eine Bandbreite vertretbarer Ergebnisse.“; skeptisch auch Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203; Vetter, WM 2004, 1701, 1706. 175 So bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157. 176 So etwa Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Däubler, BB 2003, 429, 432 f.; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 9; v. Schweinitz, WM 2008, 953, 957; Vetter, WM 2004, 1701, 1704 f.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1350 f.; in der Sache auch Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2294. Aus der Rechtsprechung s. KG WM 2006, 1432, 1433. 177 BGHZ 65, 325, 334; BGH NJW 1987, 2222, 2223. 178 Einschränkend Vaupel, AG 2012, 63, 71, nach dessen Ansicht die Anwendung davon abhängen sollte, wie viele Investoren den Empfehlungen von Stimmrechtsberatern folgen. 179 Ähnlich für Ratingagenturen Vetter, WM 2004, 1701, 1705. 180 So in Bezug auf Ratingagenturen Vetter, WM 2004, 1701, 1705.

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geeignete Vorkehrungen dafür treffen, dass Interessenkonflikte entweder gar nicht auftauchen oder sie sich zumindest nicht auf die Beratungstätigkeit gegenüber den institutionellen Anlegern auswirken. Relevant ist das Kriterium der Neutralität daher vor allem, wenn ein Stimmrechtsberater auch Corporate Governance-Beratung anbietet und wenn er in Konzernstrukturen eingegliedert ist. Die Sachkunde bezieht sich auf die Qualifikation des Personals eines Stimmrechtsberaters.181 Dieses muss über fundierte Kenntnisse in der Unternehmensbewertung, dem Aktienrecht, der Corporate Governance und den insoweit bestehenden empirischen Erkenntnissen verfügen. Weitere Anhaltspunkte für den richtigen Haftungsmaßstab ergeben sich aus der Vorschrift des § 135 Abs. 2 S. 2 AktG, die nach hier vertretener Auffassung für Stimmrechtsberater entsprechend gilt.182 Der Stimmrechtsberater begeht demnach dann eine Pflichtverletzung, wenn er sich entgegen § 135 Abs. 2 S. 2 AktG nicht ausschließlich vom Interesse des Aktionärs leiten lässt und wenn er nicht die notwendigen inhaltlichen Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass Eigeninteressen aus anderen Geschäftsbereichen keinen Einfluss auf die Erstellung der Abstimmungsempfehlungen haben. Diese Vorgaben entsprechen weitgehend der Übertragung der Grundsätze aus der Warentest-Rechtsprechung. Ob geschädigten institutionellen Anlegern mit den so umrissenen Evidenzkriterien viel geholfen ist, erscheint dennoch fraglich. Den wenigen Unternehmen, die Stimmrechtsberatung anbieten, wird man kaum Sachkunde und Objektivität absprechen. Ein Verstoß gegen die Objektivität wäre zwar dann indiziert, wenn ein Stimmrechtsberater gegen seine eigenen Richtlinien über die Stimmrechtsausübung verstößt.183 Da diese Richtlinien aber sehr allgemein gehalten sind, wird ein solcher Verstoß kaum einmal festzustellen sein. Der Stimmrechtsberater wird sich so gut wie immer auf den unbestimmten Wortlaut oder ausdrückliche Einzelfallvorbehalte berufen können. Zwar könnte das Kriterium der Neutralität angesichts der Interessenkonflikte, denen Stimmrechtsberater (in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung) unterliegen, von größerer Relevanz sein. Stimmrechtsberater können allerdings – wie es ISS offenkundig tut – auf entgegenwirkende Maßnahmen wie chinese walls verweisen.184 Dass diese Maßnahmen ineffektiv sind, wird ein institutioneller Anleger schon angesichts fehlender Überprüfungsmöglichkeiten kaum belegen können. 181 182 183 184

Vgl. Vetter, WM 2004, 1701, 1705 (zu Ratingagenturen). Zur Bedeutung als Haftungsmaßstab s. auch Vaupel, AG 2011, 63, 71 f. So bereits Vaupel, AG 2011, 63, 68. Dazu schon oben S. 217 ff.

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Gelingt einem beratenen institutionellen Anleger doch einmal der Nachweis einer Pflichtverletzung, begründet das alleine noch keine Schadensersatzforderung. Er muss im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität weiter belegen, dass die Pflichtverletzung des Stimmrechtsberaters auch ihren Niederschlag in der Abstimmungsempfehlung gefunden hat.185 Zugespitzt formuliert müsste es also gerade aufgrund der Pflichtverletzung anstatt zu einer zustimmenden Empfehlung zu einer ablehnenden gekommen sein oder umgekehrt. Dieser Nachweis mag gelingen, wenn es etwa um die Missachtung der eigenen Richtlinien in einem Einzelfall geht oder wesentliche Informationen über den Emittenten nicht berücksichtigt wurden. In vielen anderen Fällen, insbesondere bei systematischen Pflichtverletzungen wie dem Bestehen eines Interessenkonflikts, dürfte die Darlegung der Kausalität jedoch große Schwierigkeiten bereiten. Der BGH hat außerdem in mehreren Entscheidungen zu § 826 BGB die Anforderung aufgestellt, dass der Anleger bei einem Schadensersatzverlangen wegen Fehlinformationen nachweisen müsse, seine Anlageentscheidung gerade aufgrund der Fehlinformation getroffen zu haben.186 Übertragen auf fehlerhafte Abstimmungsempfehlungen müssten institutionelle Anleger die Entscheidung über die Stimmrechtsausübung also gerade wegen der Empfehlungen ihres Stimmrechtsberater getroffen haben. Dieser Nachweis dürfte angesichts der allgemein großen Bedeutung der Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten nicht allzu schwer fallen. Ein starkes Indiz wären etwa interne Richtlinien, wonach den Abstimmungsempfehlungen grundsätzlich zu folgen ist. Gänzlich entfiele die Problematik dann, wenn die Rechtsprechung auf das Erfordernis der haftungsbegründenden Kausalität insoweit vollständig verzichten würde. Eine entsprechende Tendenz ergibt sich aus einer kürzlich ergangenen Entscheidung zum Schadensersatz wegen verspäteter bzw. fehlerhafter Ad-hoc-Publizität nach §§ 37b, 37c WpHG.187 Während das Vertretenmüssen des Stimmrechtsberaters nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird, liegt die Beweislast für den Zusammen185 Vgl. zu Ratingagenturen Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2294; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 883. 186 BGHZ 160, 134, 147; BGH NZG 2008, 382, 384 m. w. N.; s. auch Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 519 mit Fn. 1; Bachmann, in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 93, 134 f. Auf die Problematik der Kausalität hinweisend auch Gottschalk, DStR 2005, 1648, 1649 („ ‚Knackpunkt‘ “); Körner, NJW 2004, 3386, 3387 („Nadelöhr“); Schäfer, NZG 2005, 985, 986 („Achillesferse“). 187 BGHZ 192, 90 = ZIP 2012, 318 (Rn. 67) – IKB. Zur haftungsbegründenden Kausalität im Zusammenhang mit diesem Urteil s. Klöhn, AG 2012, 345, 356 f.; Schmolke, ZBB 2012, 165, 176 f.; allgemein s. auch Hellgardt, DB 2012, 673.

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hang zwischen Pflichtverletzung und Schaden, die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität188, wiederum bei dem institutionellen Anleger.189 Der institutionelle Anleger muss nachweisen, dass die Pflichtverletzung des Stimmrechtsberaters bei ihm zu einem Schaden geführt hat. Ein möglicher Schaden wird fast immer darin bestehen, dass sich entweder der Aktienkurs schlechter entwickelt hat190 oder die Dividende geringer ausgefallen ist als von den Aktionären erhofft.191 Der erste Umstand ist potentiell, der zweite immer davon abhängig, welche Beschlüsse die Hauptversammlung gefasst hat.192 Zur Herstellung einer haftungsausfüllenden Kausalität müsste ein institutioneller Anleger daher zunächst geltend machen und nachweisen, dass die Abstimmungsempfehlung eines Stimmrechtsberaters für das Zustandekommen eines Beschlusses ursächlich war und der Beschluss bei einer anderslautenden Empfehlung nicht zustande gekommen wäre. Ein Stimmrechtsberater könnte dem leicht entgegenhalten, dass seine Empfehlungen nur beratenden Charakter haben. Es ist daher unklar, ob der getroffene Beschluss auf seiner Empfehlung beruht und auch ob bei einer entgegengesetzt lautenden Empfehlung der Beschluss nicht zustande gekommen wäre.193 Ein institutioneller Anleger müsste außerdem beweisen, dass es gerade aufgrund des getroffenen Beschlusses zu einer für ihn nachteiligen Entwicklung gekommen ist. Bezogen auf ein Absinken des Aktienkurses müsste also dargelegt werden, dass das Absinken auf dem von der Hauptversammlung getroffenen Beschluss beruht und es ohne den Beschluss nicht zu einem Absinken gekommen wäre. Beide Nachweise sind angesichts der zahlreichen Faktoren, die die Preisbildung beeinflussen, kaum zu führen. Ein weiteres Problem besteht darin, welcher Zeithorizont maßgeblich ist. So stellt sich ein kurzfristiges Absinken des Aktienkurses aufgrund eines bestimmten Beschlusses für den Aktionär nicht als nachteilig dar, wenn es auf längere Sicht zu einem 188 Vgl. allgemein zur haftungsausfüllenden Kausalität im Kapitalmarktrecht Wagner, ZGR 2008, 495, 527 ff. 189 Allerdings gilt die Beweiserleichterung des § 287 ZPO. Das Gericht entscheidet also „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. s. dazu auch Foerste, in: Musielak, ZPO, 8. Aufl. (2011), § 287, Rn. 3; speziell zum Kapitalmarktrecht Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 541. 190 s. auch § 23 Abs. 2 Nr. 2 BörsG, wonach der Anspruch aus § 21 Abs. 1 WpPG (Prospekthaftung) ausgeschlossen ist, wenn der Sachverhalt nicht zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen hat. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 530 sieht darin ein „allgemeines Prinzip des Kapitalmarktdeliktsrechts“. 191 Allgemein zur haftungsausfüllenden Kausalität im Kapitalmarktdeliktsrecht s. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 529 ff. 192 Es mag aber auch Fälle geben, in denen eine hohe Anzahl von Gegenstimmen unterhalb der Mehrheit Einfluss auf den Aktienkurs hat. 193 s. aber auch Vaupel, AG 2011, 63, 73, der für eine Bejahung des Kausalitätszusammenhangs plädiert, wenn institutionelle Anleger sich dazu bekennen, den Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters zu folgen.

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Anstieg kommt. Leichter zu führen ist der Nachweis wohl dann, wenn aus Sicht des Aktionärs eine zu niedrige Dividende gezahlt wird. In Bezug auf die Bewertung einer Dividende, die der Vorstand vorgeschlagen hat, dürfte dem Stimmrechtsberater allerdings ein breiter Beurteilungsspielraum zukommen. Das erschwert wiederum den Nachweis einer Pflichtverletzung. (4) Ergebnis Die vertragliche Haftung eines Stimmrechtsberaters gegenüber seinen Kunden richtet sich nur ausnahmsweise nach deutschem Recht. In den Kategorien des deutschen Zivilrechts ist der Beratungsvertrag als Werkvertrag einzustufen. Zwar haftet der Stimmrechtsberater prinzipiell aus diesem Vertrag. Da es sich bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen jedoch um eine Tätigkeit handelt, die stark von subjektiven Wertungen abhängt, dürfte einem institutionellen Anleger schon der Nachweis einer Pflichtverletzung schwer fallen. Auch die Darlegung eines Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Empfehlung sowie zwischen Pflichtverletzung und Schaden dürfte in den meisten Fällen kaum möglich sein. bb) Deliktische Haftung Mit dem vertraglichen Anspruch auf Schadensersatz kann ein deliktischer Anspruch grundsätzlich konkurrieren. Auch insoweit stellt sich zunächst die Frage nach dem anwendbaren Recht. (1) Anwendbares Recht Welches Recht auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden ist, bestimmt die Rom II-Verordnung.194 Einschlägig ist hier die allgemeine Kollisionsregel des Art. 4 Rom II-Verordnung. Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung bestimmt, dass das Tatortprinzip Anwendung findet. Danach ist das Recht des Staates zur Anwendung berufen, in dem sich das Delikt zugetragen hat (lex loci delicti commissi).195 Früher fand nach Art. 40 Abs. 1 S. 1, 2 EGBGB grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (Handlungsort), der Geschädigte konnte 194 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. 07. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEU Nr. L 199 v. 31. 07. 2007, S. 40. 195 s. auch Koch/Magnus/Winkler v. Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, 4. Aufl. (2010), § 6, Rn. 12.

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aber auch das Recht des Staates wählen, in dem der Erfolg eingetreten ist (Erfolgsort). Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung verweist nunmehr ausschließlich auf das Recht des Staates am Erfolgsort (lex loci damni). Den Schaden erleidet ein institutioneller Anleger dadurch, dass seine Aktien einen geringeren Wert aufweisen oder er eine geringere Dividende erhält. Der Erfolgsort ist daher der Sitz des institutionellen Anlegers. Für deutsche institutionelle Anleger findet im Bereich der deliktischen Haftung deutsches Recht Anwendung. (2) Anspruchsgrundlagen In Betracht kommt zunächst eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB. Allerdings kann ein Schadensersatzanspruch aus dieser Vorschrift nur dann vorliegen, wenn eines der dort genannten Rechtsgüter verletzt wurde. Der Schaden der beratenen institutionellen Anleger stellt sich jedoch als reiner Vermögensschaden dar, der gerade nicht ersatzfähig ist.196 Eine Haftung aus § 824 Abs. 1 BGB wegen Kreditgefährdung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den Abstimmungsempfehlungen um Meinungsäußerungen (Werturteile) handelt und es daher an der vom Wortlaut der Vorschrift geforderten Tatsachenbehauptung oder -verbreitung fehlt. Es bleibt daher alleine bei einer Haftung aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, die jedoch aufgrund ihrer hohen Voraussetzungen allenfalls Extremfälle erfassen wird.197 b) Haftung gegenüber den nicht beratenen Aktionären Durch die Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters können auch die Aktionäre geschädigt werden, die nicht dessen Abstimmungsempfehlungen beziehen. Schließlich betreffen die Beschlüsse der Hauptversammlung die Gesellschaft und damit alle Aktionäre gleichermaßen. aa) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Eine (direkte) vertragliche Haftung kommt hier zwar nicht in Betracht; möglicherweise entfaltet der Vertrag zwischen einem Stimmrechtsberater und seinen Kunden aber Schutzwirkung zugunsten Dritter. 196

s. nur Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 823, Rn. 184. Vgl. zur vergleichbaren deliktischen Haftung einer Ratingagentur gegenüber Anlegern Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2293; s. auch Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 18 f. 197

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(1) Anwendbares Recht Für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist bislang nicht abschließend geklärt, ob sich das anwendbare Recht nach der Rom I- oder der Rom II-Verordnung richtet.198 Sofern man die der Rom I-Verordnung anwendet, kann auf die Ausführung zu den beratenen institutionellen Anlegern verwiesen werden. Für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gilt das Recht, das für den drittschützenden Vertrag selbst gilt. Wendet man hingegen die Rom II-Verordnung an, richtet sich das anwendbare Recht nach deren Art. 4 Abs. 1. Für deutsche institutionelle Anleger ist dann wiederum deutsches Recht anwendbar. (2) Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter? Die Rechtsprechung hat den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelt, weil die alleinige Anwendung des Rechts der unerlaubten Handlung in bestimmten Fällen zu unangemessenen Ergebnissen führen konnte.199 Allerdings darf das Rechtsinstitut auch nicht zu einer übermäßigen Ausdehnung der vertraglichen Haftung führen. Die Anwendbarkeit bleibt daher auf Fälle beschränkt, in denen der Dritte mit den vertraglichen Leistungen in nahem Kontakt steht.200 (a) Leistungsnähe Voraussetzung ist daher zunächst, dass die nicht beratenen Aktionäre den Gefahren aus dem Schuldverhältnis genauso ausgesetzt sind wie die beratenen Aktionäre (Leistungsnähe).201 Die oben beschriebenen Nachteile fehlerhafter Abstimmungsempfehlungen wirken sich nur dann aus, wenn sie zum Zustandekommen eines bestimmten Hauptversammlungsbeschlusses führen 198

Ausführlich und für eine Anwendung der Rom II-Verordnung Dutta, IPRax 2009, 293; ebenso Martiny, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2010), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 1, Rn. 9; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), Rom II 1 (IPR), Rn. 5; offen gelassen von Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. (2012), VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 1, Rn. 6. 199 s. nur Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. (2010), Anh § 328, Rn. 1 m. w. N. 200 Zur eingeschränkten Anwendung der Haftung für besonderes Vertrauen im Kapitalmarktrecht im Zusammenhang mit § 311 Abs. 3 BGB s. auch Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 93, 108 f. 201 Vgl. Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. (2010), Anh § 328, Rn. 16; Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 120; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. (2012), § 328, Rn. 17 jew. m. w. N.

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oder einen solchen verhindern. Ein Beschluss der Hauptversammlung betrifft regelmäßig alle Aktionäre gleichermaßen. Das gilt insbesondere, soweit der geltend gemachte Schaden in einem Absinken des Aktienkurses oder in einer zu niedrigen Dividende besteht. Die Leistungsnähe ist zu bejahen. (b) Gläubigernähe Gläubigernähe soll nach der älteren Rechtsprechung des BGH vorliegen, wenn der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten verantwortlich ist. Gemeint sind damit insbesondere Rechtsverhältnisse mit personenrechtlichem Einschlag, insbesondere solche des Familien- und Arbeitsrechts.202 Heute wird diese Begrenzung auf persönliche Fürsorgepflichten jedoch als zu eng angesehen.203 Vielmehr liege die Gläubigernähe schon dann vor, wenn die Leistung auch dem Dritten zugute kommen soll.204 Abzustellen sei auf den Vertragszweck205, das Verhältnis des Dritten zum Leistungsgegenstand und sein objektives Schutz- und Sicherheitsbedürfnis.206 Außerdem komme es darauf an, ob der Gläubiger ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Vertrag hat.207 Ein Stimmrechtsberater ist direkt nur gegenüber den Aktionären verpflichtet, denen er Abstimmungsempfehlungen unterbreitet. Die beratenen Aktionäre erhoffen sich von der Einflussnahme des Stimmrechtsberaters auf Hauptversammlungsbeschlüsse jedoch eine Steigerung des shareholder value. Dabei sind sie sich darüber im Klaren, dass im Erfolgsfall nicht nur sie selber profitieren, sondern alle Aktionäre der Gesellschaft. Zwar liegt es nicht unbedingt im unmittelbaren Interesse der beratenen institutionellen Anleger, anderen Aktionären finanzielle Vorteile zu verschaffen. Wenn ein Stimmrechtsberater zur Steigerung des Aktienkurses einer Gesell202 BGHZ 51, 91, 96; BGH NJW 1970, 38, 40; s. auch Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 121; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. (2012), § 328, Rn. 17a; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. (2010), Anh § 328, Rn. 15. 203 So etwa Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 121 m. w. N. 204 BGHZ 69, 82, 86 ff.; s. auch Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 122; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. (2010), Anh § 328, Rn. 15. 205 So auch BGHZ 69, 82, 89; 75, 321, 325; 138, 257, 261; BGH NJW 1976, 1843, 1844. 206 Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 122 m. w. N. 207 BGHZ 138, 257, 260 ff.; 159, 1, 4 f.; BGH NJW 2001, 3115, 3116; s. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. (2012), § 328, Rn. 17a; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2007), § 328, Rn. 52.

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schaft engagiert wird, dann liegt darin aber jedenfalls ein mittelbares Interesse zur Förderung des Wohls aller Aktionäre.208 Für die nicht beratenen Aktionäre besteht daher Gläubigernähe. (c) Erkennbarkeit Das Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung von Dritten und der Kreis der geschützten Personen müssen für den Schuldner erkennbar sein.209 Der BGH fordert, dass die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist210 und allgemein der Kreis der in den Schutzbereich fallenden Personen nicht uferlos ausgeweitet wird.211 Man wird hier sogleich an die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Investoren denken. Dort ist in Bezug auf den Drittschutz des Vertrags zwischen der Ratingagentur und dem Wertpapieremittenten stark umstritten, ob der Kreis der geschützten Personen für die Agentur erkennbar ist.212 Allerdings ist die Veröffentlichung von Ratings mit der Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen insoweit nicht vergleichbar. Ratings richten sich an das allgemeine Anlegerpublikum, sodass in der Tat die Gefahr einer uferlosen Ausweitung der vertraglichen Haftung besteht. Welche Anleger von den Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters (unmittelbar) betroffen sein können, ist hingegen von vornherein eindeutig feststellbar. Es handelt sich dabei um die Anleger, die zum Zeitpunkt der betroffenen Hauptversammlung Aktien an der Gesellschaft halten. Insoweit ist eine Erkennbarkeit für den Stimmrechtsberater zu bejahen. Damit ist zugleich die Grenze der Erkennbarkeit gezogen: Andere Anleger, die keine Aktien an der Gesellschaft halten, aber mittelbar die Auswirkungen von deren Hauptversammlungsbeschlüssen spüren, unterfallen nicht dem Kreis der geschützten Dritten.

208 A. A. in Bezug auf Stimmrechtsvertreter Hammen, ZBB 1993, 239, 244; Henssler, ZHR 157 (1993), 91, 109 ff. 209 Gottwald, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 328, Rn. 126; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl. (2012), § 328, Rn. 18; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. (2010), Anh § 328, Rn. 17; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2007), § 328, Rn. 53 jew. m. w. N. 210 BGH NJW 1984, 355, 355. 211 BGHZ 133, 168, 174. 212 Skeptisch bzw. verneinend Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Haar, ZBB 2009, 177, 185 (optimistischer aber Haar, NZG 2010, 1281, 1283); Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206 ff.; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 890; s. auch Vetter, WM 2004, 1701, 1709 ff.; bejahend jedoch Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 14 („Idealtyp eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte“); v. Schweinitz, WM 2008, 953, 956 f.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1351. Differenzierend Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2291 f.

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(d) Schutzbedürftigkeit Schließlich müsste der Dritte auch schutzbedürftig sein. An der Schutzbedürftigkeit des Gläubigers fehlt es, wenn ihm ein inhaltsgleicher Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Schuldner zusteht. In solchen Fällen muss der Gläubiger sich an diesen anderen Schuldner halten; für eine Berufung auf die drittschützende Wirkung eines anderen Vertrags besteht kein Bedürfnis.213 Für geschädigte Aktionäre, die ihr Abstimmungsverhalten nicht an den Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters ausrichten, kommt ein Schadensersatzanspruch gegen die beratenen Aktionäre in Betracht.214 Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Der nachteilige Beschluss kommt letztlich durch das Abstimmungsverhalten der Aktionäre selbst zustande und wird durch die Empfehlungen des Stimmrechtsberaters lediglich beeinflusst. Die nicht beratenen Aktionäre können daher gegen die beratenen Aktionäre einen Anspruch wegen der Verletzung der Treuepflicht haben, die die Aktionäre einander schulden.215 Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei stets um einen inhaltsgleichen Anspruch handelt.216 Dafür kommt es auf den Inhalt der Treuepflicht unter den Aktionären an. Diese spielt bei der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten der Aktionäre eine Rolle, wobei grundsätzlich nach eigennützigen und uneigennützigen (gesellschaftsbezogenen) Mitgliedschaftsrechten differenziert wird. Zu den eigennützigen Mitgliedschaftsrechten werden vor allem Vermögensrechte (z. B. das Gewinnbezugsrecht, § 58 Abs. 4 AktG), Auskunftsrechte, das Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen und das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung gezählt.217 Eine Treuepflichtverletzung soll in diesen Bereich nur dann vorliegen, wenn ein Mitgliedschaftsrecht missbräuchlich ausgeübt wird.218 Soweit es um die Aus213

s. nur Janoschek, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2007), § 328, Rn. 54; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. (2012), § 328, Rn. 18 jew. m. w. N. 214 Aus diesem Grund gegen Schutzbedürftigkeit, wenn ein Stimmrechtsvertreter die Stimmrechte treuwidrig ausübt BGHZ 129, 136, 168 ff.; zuvor bereits LG Düsseldorf, ZIP 1993, 350, 355; skeptisch auch Hammen, ZBB 1993, 239, 244; Henssler, ZHR 157 (1993), 91, 110 f. 215 Zur Treuepflicht der Aktionäre untereinander s. allgemein Dreher, ZHR 157 (1993), 150; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 20 IV 1, S. 587 ff., § 28 I 4, S. 799 ff. 216 Verneinend Vaupel, AG 2011, 63, 68. 217 Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 54; Wiesner, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 17, Rn. 5. 218 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 51; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 53; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 16; Wiesner, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 17, Rn. 20.

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übung uneigennütziger Mitgliedschaftsrechte geht, ist der Aktionär hingegen verpflichtet, sich vorrangig am Gesellschaftsinteresse zu orientieren und eigene Interessen zurückzustellen.219 Das Stimmrecht wird zum Teil pauschal als uneigennütziges Mitgliedschaftsrecht eingeordnet220, während nach anderer Auffassung nach dem Beschlussgegenstand zu differenzieren ist: So handele es sich etwa bei der Stimmabgabe zum Gewinnverwendungsbeschluss nach § 174 Abs. 1 AktG um ein eigennütziges, bei der Stimmabgabe zu Geschäftsführungsmaßnahmen auf Verlangen des Vorstands (§ 119 Abs. 2 AktG) aber um ein uneigennütziges Mitgliedschaftsrecht.221 Für einen Vergleich zwischen den Ansprüchen aus dem Beratungsvertrag und den Ansprüchen wegen Treuepflichtverletzung ist somit zu differenzieren: Jedenfalls soweit es um eigennützige Mitgliedschaftsrechte geht, wird eine Verletzung der Treuepflicht nur in Ausnahmefällen vorliegen. Der Stimmrechtsberater hat – wenn nichts anderes vereinbart wurde – seine Empfehlungen aber auch im Bereich eigennütziger Mitgliedschaftsrechte, zu denen bisweilen etwa der nicht unwichtige Gewinnverwendungsbeschluss gezählt wird, ausschließlich am Interesse der Gesellschaft auszurichten. Hierfür spricht insbesondere, dass der Stimmrechtsberater seine Empfehlungen einer Vielzahl von Aktionären unterbreitet und Partikularinteressen aus diesem Grund keine Rolle spielen sollten. Außerdem ginge, wenn der Stimmrechtsberater bei solchen Beschlüssen systematisch unterschiedliche Empfehlungen unterbreitete, seine Koordinationsfunktion verloren. Daraus folgt, dass eine Verletzung des Beratungsvertrags – und damit ein Schadensersatzanspruch für in den Schutzbereich einbezogene Dritte – auch vorliegen kann, wenn eine Treuepflichtverletzung nicht in Betracht kommt. Im Bereich der uneigennützigen Mitgliedschaftsrechte ist die Rechtslage weniger eindeutig, da die Aktionäre in diesem Bereich vorrangig das Gesellschaftsinteresse fördern müssen. Dieselbe Aufgabe obliegt nach dem Bera219 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 51; Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 97; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 53; Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 16; Wiesner, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 17, Rn. 19; zurückhaltender Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), Vor § 53a, Rn. 28. Davon zu unterscheiden ist eine aktive Förderpflicht der Aktionäre, die nur in sehr engen Grenzen besteht, s. etwa Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 55; ausführlich auch Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 122 ff.; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 81 ff. 220 Hüffer, AktG, 9. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 16. 221 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 52; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 54; Wiesner, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 17, Rn. 5; in der Sache ebenso Drygala, in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. (2011), § 53a, Rn. 98.

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tungsvertrag – stellt man auf die umschreibende Formel („Förderung des Gesellschaftsinteresses“) ab – auch einem Stimmrechtsberater. Ob sich hinter dem gesellschaftsrechtlichen Pflichtenprogramm der Aktionäre aber tatsächlich genau dasselbe verbirgt wie hinter dem vertraglichen Pflichtenprogramm eines Stimmrechtsberaters, bedarf eines näheren Hinsehens. Hingewiesen wird etwa darauf, dass das Bestehen einer Treuepflicht nichts daran ändere, dass „die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte grundsätzlich im Ermessen der Aktionäre steht.“222 Das Bestehen einer Treuepflicht soll nicht dazu führen, dass das Ermessen der Aktionäre durch das Ermessen eines Gerichts ersetzt wird.223 Vielmehr greife die Treuepflicht erst ein, wenn „das Verhalten eines Aktionärs mitgliedschaftliche Interessen anderer Aktionäre (einschließlich des Gesellschaftsinteresses) in erheblichem Maße zu beeinträchtigen droht, ohne dass schützenswerte mitgliedschaftliche Interessen des durch die Treuepflicht gebundenen Aktionärs auf dem Spiel stünden.“224 Ansonsten steht der Hauptversammlung und damit den Aktionären ein unternehmerisches Ermessen zu, innerhalb dessen Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen zulässig sein können.225 Aus diesem Grund wird die Bedeutung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht insgesamt als gering eingestuft.226 Das Pflichtenprogramm, dem der Stimmrechtsberater aus dem Beratungsvertrag unterliegt, ist hingegen vergleichsweise streng: Er muss nicht nur vertretbare Beschlussempfehlungen unterbreiten, sondern vielmehr solche, die optimal am Interesse der Gesamtheit der Aktionäre, also an der Schaffung von shareholder value, ausgerichtet sind. Das setzt voraus, dass der Stimmrechtsberater stets umfassend über die Auswirkungen von Hauptversammlungsbeschlüssen auf die kurz- und langfristige Entwicklung des Aktienkurses informiert ist und das Verfahren zur Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen hieran ausrichtet. Derart strenge Anforderungen stellt die Treuepflicht an Aktionäre nicht. Sowohl im Bereich eigennütziger als auch im Bereich uneigennütziger Mitgliedschaftsrechte gelten für den Stimmrechtsberater somit strengere Voraussetzungen als für die abstimmenden Aktionäre. Dennoch bleibt es da222 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 53; ebenso Solveen, in: Hölters, AktG, 2011, § 53a, Rn. 18. 223 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 53; s. auch Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), Vor § 53a, Rn. 38 m. w. N.; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 58. 224 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 53; Solveen, in: Hölters, AktG, 2011, § 53a, Rn. 18. 225 Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), Vor § 53a, Rn. 38; Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2008), Anh § 53a, Rn. 98; Wiesner, in: Münchener Handbuch GesR, Band 4 – AG, 3. Aufl. (2007) § 17, Rn. 19; s. auch Solveen, in: Hölters, AktG, 2011, § 53a, Rn. 18. 226 Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl. (2008), Vor § 53a, Rn. 39.

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bei, dass die beratenen Aktionäre selbst für ihr Abstimmungsverhalten verantwortlich sind und somit bei einer Verletzung ihrer Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären auch haften. Ein Schutzbedürfnis, das die Einbeziehung der Mitaktionäre in den Schutzbereich des Beratungsvertrags mit einem Stimmrechtsberater rechtfertigt, besteht jedoch dann, wenn die Schwelle der Treuepflichtverletzung nicht überschritten ist. Dabei dürfte es sich nach dem Gesagten allerdings um den Regelfall handeln. (e) Ergebnis Die nicht beratenen Aktionäre sind grundsätzlich in den Schutzbereich der Beratungsverträge zwischen dem Stimmrechtsberater und anderen Aktionären einbezogen. Ein Schutzbedürfnis besteht allerdings nur dann, wenn in der Stimmrechtsausübung der beratenen Aktionäre nicht zugleich eine Treuepflichtverletzung liegt. Liegt eine Treuepflichtverletzung vor, sind vorrangig die beratenen Aktionäre in Anspruch zu nehmen. (f) Praktische Bedeutung Ob die Einbeziehung in den Schutzbereich des Beratungsvertrags den nicht beratenen Aktionären viel nützt, erscheint zweifelhaft. Soll auf dieser Grundlage tatsächlich ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden, tragen schließlich auch Dritte die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Nachgewiesen werden muss außerdem die Kausalität der Pflichtverletzung für eine bestimmte Abstimmungsempfehlung, deren Einfluss auf den Hauptversammlungsbeschluss und dessen Auswirkungen auf den Aktienkurs. Auch die Hürden für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch Dritter sind demnach hoch. bb) Haftung aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB („Expertenhaftung“) Für Ratingagenturen ist bisweilen diskutiert worden, ob gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum eine „Expertenhaftung“ aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB227 in Betracht kommt.228 Abstimmungsemp227

Das anwendbare Recht richtet sich insoweit nach der Rom II-Verordnung, s. ausführlich Lüttringhaus, RIW 2008, 193, 196. 228 s. etwa Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292 f.; Haar, NZG 2010, 1281, 1283 ff.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206 ff.; Hennrichs, in: FS Hadding, 2004, S. 875, 889; Vetter, WM 2004, 1701, 1709 ff.; zu einer „Vertrauenshaftung“ von Ratingagenturen schon früher Ebenroth/Daum, WM 1992, SBeil. 5, S. 16 ff.

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fehlungen von Stimmrechtsberatern sind allerdings – im Unterschied zu Ratings229 – nicht für das allgemeine Anlegerpublikum bestimmt. Die Empfehlungen werden zwar hin und wieder im Vorfeld der Hauptversammlung bekannt, sie richten sich jedoch nur an die institutionellen Anleger, die mit dem Stimmrechtsberater in einem Vertragsverhältnis stehen und für dessen Dienste bezahlen. Der Kreis derjenigen, die Vertrauen in seine Expertise setzen dürfen, ist jedoch auf die Adressaten beschränkt.230 Schon aus diesem Grund liegt die Annahme einer Expertenhaftung gegenüber anderen Aktionären fern. Eine andere Beurteilung könnte allerdings dann geboten sein, wenn ein Stimmrechtsberater bereits im Vorfeld einer Hauptversammlung begründete Abstimmungsempfehlungen veröffentlicht, auf seine Expertise zur Bewertung von Beschlussvorschlägen verweist und die Aktionäre aufruft, seinen Empfehlungen zu folgen. Gegen eine Anwendung der Expertenhaftung spricht indessen auch hier, dass der Aufruf nicht auf den Abschluss eines Vertrags abzielt, sondern auf die Ausübung bereits bestehender mitgliedschaftlicher Rechte in einem bestimmten Sinne. In Betracht käme daher wohl allenfalls eine analoge Anwendung. cc) Deliktische Haftung Die deliktische Haftung besteht unabhängig von einer vertraglichen Verbindung. Für die nicht beratenen Aktionäre gilt daher das zu den beratenen Aktionären Gesagte: Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Stimmrechtsberater kommt alleine nach § 826 BGB und damit nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. c) Haftung gegenüber der Gesellschaft Ein Stimmrechtsberater kann potentiell nicht nur die Aktionäre einer Gesellschaft schädigen, sondern auch die Gesellschaft selbst.231 Ein potentieller Schaden kann für die Gesellschaft etwa darin bestehen, dass ein Stimm229 Vetter, WM 2004, 1701, 1709 f. verweist darauf, dass Ratings unmittelbar nur für den Emittenten bestimmt seien. Jedenfalls mittelbar richten sie sich aber auch an das allgemeine Anlegerpublikum. Das ist als ausreichend anzusehen, s. Koch, AcP 204 (2004), 59, 76; zu unrichtigen Bankauskünften auch Berger, ZBB 2001, 238, 247 f. 230 Allgemein Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 230; ders., in: 2. FS Larenz, 1983, S. 27, 95; Koch, AcP 204 (2004), 59, 75 f. m. w. N.; H. Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 259 f.; speziell zu unrichtigen Bankauskünften auch Berger, ZBB 2001, 238, 247 f. 231 Zum jeweils anwendbaren Recht vgl. die Ausführungen zu den nicht beratenen Aktionären.

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rechtsberater einen bedeutenden Beschluss vereitelt, etwa eine Kapitalmaßnahme, und in der Folge die Sanierung der Gesellschaft scheitert. Wenn aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Zustimmung etwa zu einer Geschäftsführungsmaßnahme, § 119 Abs. 2 AktG, verweigert wird, können außerdem Gewinnchancen entgehen. Im Bereich des immateriellen Schadens soll zudem eine Rufschädigung in Betracht kommen.232 aa) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Die Gesellschaft steht mit den Stimmrechtsberatern in keiner vertraglichen Beziehung. Selbst bei einer Inanspruchnahme der Corporate Governance-Beratung von ISS fehlt es an einer solchen, da die Dienstleistung durch die hundertprozentige Tochtergesellschaft ICS erbracht wird.233 Somit kommt auch in Bezug auf die Gesellschaft ein Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht.234 (1) Leistungsnähe Wenn institutionelle Anleger Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters beziehen, richten sie ihr Abstimmungsverhalten typischerweise an diesen Empfehlungen aus. Dem Stimmrechtsberater erwächst somit Einfluss auf die Beschlüsse der Hauptversammlung, die unmittelbar die Gesellschaft betreffen und Auswirkungen auf deren Tätigkeit haben. Die Gesellschaft ist den Gefahren einer Schlechtleistung eines Stimmrechtsberaters der Aktionäre damit genauso ausgesetzt wie die Aktionäre selbst. Leistungsnähe liegt vor.235 (2) Gläubigernähe Von der Beauftragung eines Stimmrechtsberaters erhoffen sich institutionelle Anleger, dass der Börsenkurs der Aktien an einer Gesellschaft steigt. Der Börsenkurs spiegelt die Einschätzung der Marktteilnehmer über die wirtschaftliche Konstitution und die Gewinnerwartungen einer Gesellschaft wider. Zumindest mittelbar hat ein Stimmrechtsberater demnach den Auf232

So Vaupel, AG 2011, 63, 72. Selbst wenn ISS die Corporate Governance-Beratung im Rechtssinne selbst erbringen würde, folgte aus der Verletzung des Beratungsvertrags mit den institutionellen Anlegern nicht zwangsläufig die Verletzung des Beratungsvertrags mit einer Gesellschaft. 234 Dazu auch Vaupel, AG 2011, 63, 66 ff. 235 Ebenso Vaupel, AG 2011, 63, 66. 233

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trag, positiv auf die preisbildenden Faktoren einzuwirken. Er soll insoweit zum Wohle der Gesellschaft tätig werden. Daraus folgt ein Interesse der beratenen institutionellen Anleger an einer Einbeziehung der Gesellschaft in den Vertrag. Die Gläubigernähe ist daher zu bejahen. (3) Erkennbarkeit Das Interesse seiner Kunden an der Einbeziehung der Gesellschaft in die Schutzwirkungen des Vertrags in dem beschriebenen Sinn ist für einen Stimmrechtsberater nicht nur ohne Weiteres erkennbar. Vielmehr ist das Interesse an der Einbeziehung geradezu zentraler Gegenstand des Beratungsvertrags. Die Gefahr einer uferlosen Ausdehnung des vertraglichen Schutzbereichs besteht hier nicht, da es immer nur um die Erstreckung auf eine juristische Person geht.236 (4) Schutzbedürftigkeit Auch für die Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft gilt, dass die Aktionäre den schädigenden Hauptversammlungbeschluss selbst herbeigeführt haben und diese daher primär für den entstandenen Schaden aufkommen müssen. Allerdings besteht ein Anspruch seitens der Gesellschaft gegen die eigenen Aktionäre nur, wenn in deren Abstimmungsverhalten eine Treuepflichtverletzung liegt. Die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Treuepflicht, die sich die Aktionäre untereinander schulden.237 Es kann daher auf die Ausführungen zur Schutzbedürftigkeit der nicht beratenen Aktionäre verwiesen werden. Danach kommt eine Treuepflichtverletzung eher im Bereich der uneigennützigen Hauptversammlungsbeschlüsse in Betracht als im Bereich der eigennützigen. Wenn eine Treuepflichtverletzung vorliegt, fehlt es an der Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft. (5) Ergebnis Der Vertrag zwischen einem Stimmrechtsberater und einem institutionellen Anleger erfüllt in Bezug auf die jeweils betroffene Gesellschaft grundsätzlich die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten 236

Im Ergebnis ebenso Vaupel, AG 2011, 63, 67. Vgl. Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 53a, Rn. 49: „Die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft bezeichnet nichts anderes als die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das gemeinschaftliche Interesse der Aktionäre.“ 237

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Dritter. Allerdings besteht eine Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft nur dann, wenn diese keinen Anspruch aus Treuepflichtverletzung gegen ihre Aktionäre hat. (6) Praktische Bedeutung Die Gesellschaft muss dem Stimmrechtsberater ebenso wie die beratenen und die nicht beratenen Aktionäre nachweisen, dass Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt wurden.238 Mangels eines anerkannten Sorgfaltsmaßstabs dürfte das auch der Gesellschaft große Schwierigkeiten bereiten. Zu belegen ist außerdem, dass die Pflichtverletzung Einfluss auf die unterbreitete Abstimmungsempfehlung hatte, die Empfehlung entscheidend für das Zustandekommen oder Scheitern eines Beschlusses der Hauptversammlung war und der erlittene Schaden auf dem Fassen bzw. Scheitern dieses Hauptversammlungsbeschlusses beruht. Unterschiede zu den Nachweispflichten der Aktionäre ergeben sich für die Gesellschaft nur in Bezug auf die Kausalität zwischen Fassen bzw. Scheitern eines Hauptversammlungsbeschlusses und dem Erleiden eines Schadens. Die Gesellschaft kann sich bei der Begründung des Anspruchs auf den konkreten Sachverhalt beziehen und kann – etwa wenn die Hauptversammlung die Zustimmung nach § 119 Abs. 2 AktG verweigert hat – vorrechnen, welche Einnahmen die beabsichtigte Maßnahme der Gesellschaft gebracht hätte. Eine solche Berechnung dürfte regelmäßg leichter fallen als der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem Absinken des Aktienkurses und dem Abstimmungsverhalten der Hauptversammlung. Während einzelne Maßnahmen der Geschäftsführung und – in Grenzen – auch andere Beschlüsse wie Kapitalmaßnahmen abstrakt betrachtet und auf ihren Nutzen hin untersucht werden können, hängt der Aktienkurs von so vielen Faktoren ab, dass hypothetische Berechnungen große Schwierigkeiten bereiten. Im Ergebnis dürfte – in Anbetracht der weiteren aufgezählten Beweisprobleme – allerdings auch die Gesellschaft kaum einmal in der Lage sein, einen Schadensersatzanspruch gegen einen Stimmrechtsberater geltend zu machen. Obwohl der Stimmrechtsberater prinzipiell aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haftet, bleiben die praktischen Folgen dieser Haftung begrenzt. bb) Deliktische Haftung Eine Haftung von Stimmrechtsberatern aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber der Gesellschaft liegt näher als eine Haftung gegenüber den Aktionären aus 238 Vgl. die Ausführungen zu einem vertraglichen Schadensersatzanspruch der beratenen Aktionäre.

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dieser Vorschrift. Im Unterschied zu den Aktionären kann die Gesellschaft sich sowohl auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen. (1) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Durch die Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird ein Unternehmen „in seinem Bestande und in seinen Ausstrahlungen“239 geschützt. Faktisch kommt es damit zu einem jedenfalls partiellen Vermögensschutz, obwohl ein reiner Vermögensschaden nach § 823 Abs. 1 BGB an sich gerade nicht ersatzfähig ist.240 Aus diesem Grund ist nicht jeder Schaden, den ein Unternehmen erleidet, nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähig. Es bedarf vielmehr einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Gemeint ist damit ein unmittelbarer Eingriff241, der sich gegen das Unternehmen als solches richtet.242 In der Sache geht es darum, „diffuse Schadensbilder auszuklammern [. . .], also Fälle, in denen das Unternehmen nicht anders betroffen ist als eine Vielzahl anderer Personen auch“243. Zur Abgrenzung können die in Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelten Fallgruppen herangezogen werden.244 In Bezug auf die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern kommt vor allem die Einordnung fehlerhafter Abstimmungsempfehlungen als schädigende Werturteile in Betracht, denn bei den Empfehlungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, wenn auch um solche, die auf Tatsachen beruhen.245 Derjenige, der eine Äußerung über ein Unternehmen trifft, kann sich grundsätzlich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, berufen.246 Durchzuführen ist eine Interessenabwägung, in deren Rahmen Werturteile grundsätzlich nur dann unzulässig sein sollen, wenn es sich um Schmähkritik 239

BGHZ 29, 65, 70. Gegen eine Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb daher Canaris, VersR 2005, 577, 582 f.; zu dieser Kritik s. auch Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2008), § 823, Rn. 104; Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 823, Rn. 189 ff. 241 RGZ 163, 21, 32. 242 BGHZ 29, 65, 74. 243 Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 823, Rn. 194. 244 Überblick bei Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2008), § 823, Rn. 117 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 823, Rn. 129 ff. 245 Das tatsächliche Element beseitigt den Meinungsschutz nicht, s. jüngst BGH NJW 2011, 2204, 2205. Zum Vergleich mit Ratings s. bereits die Nachweise in Fn. 172. 246 s. etwa Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh V, Rn. 83; Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2008), § 823, Rn. 129; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 823, Rn. 131. 240

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handelt.247 Unzulässige Schmähkritik setzt voraus, dass bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht.248 Das wird bei Abstimmungsempfehlungen praktisch nie der Fall sein; zumindest wird eine entsprechende Absicht kaum öffentlich bekannt werden. Schließlich hätte der mit dem Bekanntwerden einhergehende Reputationsverlust (wohl) zur Folge, dass institutionelle Anleger den Stimmrechtsberater nicht mehr mandatieren würden. Im Rahmen der Interessenabwägung bei Werturteilen sind außerdem Grundsätze speziell für Warentests entwickelt worden.249 Diese Grundsätze sind, worauf bereits im Rahmen des vertraglichen Haftungsmaßstabs hingewiesen wurde, grundsätzlich auf Stimmrechtsberater übertragbar. Sowohl im Bereich vertraglicher als auch im Bereich deliktischer Haftung dürfte es einem geschädigten Unternehmen allerdings schwer fallen, einem Stimmrechtsberater fehlende Neutralität, Sachkunde oder Objektivität nachzuweisen.250 (2) Unternehmenspersönlichkeitsrecht Neben einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht251, auf das sich auch Unternehmen berufen können (Unternehmenspersönlichkeitsrecht).252 In der Sache geht es darum, den „sozialen Geltungsanspruch“253 als Wirtschaftsunternehmen einem deliktischen Schutz zu unterstellen.254 Es kommt darauf an, ob der Persönlichkeitsschutz sinngemäß übertragbar ist.255 Danach werden Unternehmen geschützt etwa vor Verletzungen ihrer Ehre, vor Offenbarungen ihrer Geheimnisse, vor Unterstellungen und enstellender Wiedergabe von Äußerungen, vor Verfälschungen ihrer Identität sowie vor dem Belauschen der Worte ihrer Angehörigen.256 247 s. auch Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2008), § 823, Rn. 129; Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 823, Rn. 209. 248 Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh V, Rn. 84 m. w. N. 249 s. allgemein Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh V, Rn. 87 ff.; Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2008), § 823, Rn. 133 ff. 250 s. dazu bereits oben S. 289 ff. 251 s. die Erwägung von Vaupel, AG 2011, 63, 69. 252 Soergel/Beater, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh IV, Rn. 23 f.; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 823, Rn. 129. 253 BGH NJW 1975, 1882, 1883 f. 254 Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. (2012), § 823, Rn. 93; Jauernig/Teichmann, BGB, 14. Aufl. (2011), § 823, Rn. 68. 255 Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh IV, Rn. 23.

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Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht kann vor allem relevant werden, wenn ein Stimmrechtsberater bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen vertrauliche Informationen über ein Unternehmen verwendet und diese gemeinsam mit den Empfehlungen veröffentlicht. Je nach Gehalt der Information kann hierin eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts liegen. Abzuwenden ist der drohende Schaden allerdings nur dann, wenn die Empfehlung noch nicht veröffentlicht wurde. Analog § 1004 BGB kann das Unternehmen dann verlangen, dass die Empfehlung den Aktionären nicht unterbreitet wird. Bei Wiederholungsgefahr besteht außerdem ein Unterlassungsanspruch für zukünftigte Beeinträchtigungen.257 Ein Widerruf kommt bei Meinungsäußerungen indessen nicht in Betracht.258 Gleiches gilt für eine Entschädigung in Geld, die bei einer Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts ausgeschlossen ist.259 Die praktische Relevanz von Verletzungen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts dürfte insgesamt gering sein, weil die insiderrechtlichen Bestimmungen Stimmrechtsberatern bereits einen erheblichen Anreiz geben, von der Veröffentlichung vertraulicher Informationen abzusehen.260 (3) Weitere Voraussetzungen des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB Sowohl bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch bei dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht handelt es sich um sogenannte „Rahmenrechte“. Tatbestandsmäßig sind daher nicht schon solche Handlungen, die lediglich den Schutzbereich betreffen. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall.261 Außer256 Rixecker, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh § 12, Rn. 22 m. zahlr. w. N.; instruktiv auch Klippel, JZ 1988, 625, 630 ff. (zusammenfassende Benennung der Fallgruppen auf S. 633). 257 Zum Unterlassungsanspruch beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht s. Soergel/ Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh IV, Rn. 214 ff.; Rixecker, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh § 12, Rn. 214 ff. 258 Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh IV, Rn. 227; Eine Ausnahme kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein Stimmrechtsberater grob fahrlässig handelt und Sachverstand nur vortäuscht, vgl. Rixecker, in: MünchKommBGB, 6. Aufl. (2012), Anh § 12, Rn. 222. Hat die Hauptversammlung bereits stattgefunden, ist der Widerruf allerdings praktisch bedeutungslos, weil die Beschlüsse der Hauptversammlung dadurch weder ungültig werden noch zu wiederholen sind. 259 Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. (2005), § 823 Anh IV, Rn. 23; Rixecker, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh § 12, Rn. 22; näher Klippel, JZ 1988, 625, 634 f. 260 Zur Geltung des Weitergabeverbots des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG für Stimmrechtsberater s. bereits oben S. 273 ff. 261 Kropholler, BGB, 13. Aufl. (2011), § 823, Rn. 9; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 15. Aufl. (2010), Rn. 1308.

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dem muss den Stimmrechtsberater ein Verschulden treffen (s. § 823 Abs. 1 BGB: „vorsätzlich oder fahrlässig“). Der Schaden der Gesellschaft muss schließlich auf der Rechtsgutsverletzung durch den Stimmrechtsberater beruhen. Mögliche Beispiele sind die bereits eingangs erwähnten Fälle einer verhinderten Kapitalmaßnahme oder der Verweigerung einer Zustimmung nach § 119 Abs. 2 AktG. (4) Weitere Anspruchsgrundlagen Für die Gesellschaft kommt – wie für die Aktionäre – im Falle einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht. Vorliegen wird dieser jedoch nur in Ausnahmefällen. (5) Ergebnis Die Gesellschaft, auf die sich die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters beziehen, ist in die Schutzwirkungen des Vertrags zwischen Stimmrechtsberater und institutionellen Anlegern einbezogen. Allerdings müsste auch die Gesellschaft einem Stimmrechtsberater eine Pflichtverletzung sowie deren Kausalität für einen erlittenen Schaden nachweisen, was praktisch kaum möglich sein dürfte. Vor allem unter dem Aspekt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt daneben ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Beweisschwierigkeiten in Bezug auf Pflichtverletzung und Kausalität bestehen indessen auch hier. Die Möglichkeit einer Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts besteht zwar ebenfalls, kommt wegen des von vornherein eingeschränkten Anwendungsbereichs einerseits und wegen der disziplinierenden Wirkung des Insiderrechts andererseits aber ebenfalls nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. d) Gerichtsstand (Internationale Zuständigkeit) Wenn deutsches Recht anwendbar ist und ein Stimmrechtsberater danach haftet, stellt sich die Folgefrage, ob die Schadensersatzansprüche vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden können. Die internationale Zuständigkeit ist nur teilweise gesetzlich geregelt. Bedeutung haben vor allem die EuGVVO262 und das Luganer Übereinkommen263. Allerdings regelt die 262 Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) v. 22. 12. 2000, ABlEU Nr. L 307 v. 24. 11. 2001, S. 28.

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EuGVVO die internationale Zuständigkeit nur für den Bereich der Europäischen Union264, während das Luganer Übereinkommen im Verhältnis zu Island, Norwegen und der Schweiz gilt.265 Die bedeutenden Stimmrechtsberater haben ihren Sitz jedoch in den USA, sodass beide Regelwerke keine Anwendung finden. Es handelt sich also um einen gesetzlich nicht geregelten Fall, der nach ganz herrschender Auffassung in analoger Anwendung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zu lösen ist („Doppelfunktionalität“).266 Der allgemeine Gerichtsstand ist demnach der Sitz der juristischen Person, §§ 12, 17 ZPO, sodass die USA international zuständig sind. In Betracht kommen kann allerdings auch eine Klage am besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, § 21 ZPO. Wenn ein Stimmrechtsberater also von einem deutschen Büro aus unmittelbar Geschäfte schließt, kann er, wenn die Klage einen Bezug zum Geschäftsbetrieb der Niederlassung aufweist, auch in Deutschland verklagt werden. Allerdings unterhält Glass Lewis gegenwärtig gar kein europäisches Büro und auch ISS unterhält echte Niederlassungen nur in Brüssel, London und Paris.267 In Deutschland unterhält ISS gegenwärtig wohl lediglich die GermanDutch Governance Research, die aber (offenbar) nicht selbst Geschäfte betreibt. Von Interesse ist daneben der besondere Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung, § 32 ZPO. Hier steht es dem Geschädigten nach herrschender Auffassung frei, ob sich die internationale Zuständigkeit nach dem Handlungs- oder dem Erfolgsort bestimmen soll.268 Wenn deutsche Anleger oder deutsche Gesellschaften geschädigt werden, liegt der Erfolgsort in Deutschland. Die Geschädigten können für die deliktischen Ansprüche also deutsche Gerichte anrufen.269 In Betracht kommen kann außerdem eine Zuständigkeit nach § 23 ZPO, wonach der Ort maßgeblich ist, an dem sich Vermögen des Beklagten oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Das OLG Frankfurt/M. hat vor kurzem unter Berufung auf diese Vorschrift die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage gegen eine ausländische Ratingagentur bejaht, da 263 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (revidiertes Luganer Übereinkommen, LugÜ) v. 30. 10. 2007, ABlEU Nr. L 339 v. 21. 12. 2007, S. 3. 264 s. den Überblick bei v. Hofmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. (2007), § 3, Rn. 182 ff. 265 v. Hofmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. (2007), § 3, Rn. 187. 266 s. nur Patzina, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. (2008), § 12, Rn. 90; v. Hofmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. (2007), § 3, Rn. 38 jew. m. w. N. 267 s. unter http://www.issgovernance.com/locations (Stand: 23. 04. 2012). 268 v. Hofmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. (2007), § 3, Rn. 54; s. auch Heinrich, in: Musielak, ZPO, 8. Aufl. (2011), § 32, Rn. 15; Patzina, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. (2008), § 12, Rn. 20, 39. 269 s. allgemein Patzina, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. (2008), § 12, Rn. 41.

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§ 8 Rechtliche Rahmenbedingungen für Stimmrechtsberater

der Agentur aus Verträgen Ansprüche gegen Kunden zustehen, die in Deutschland ansässig sind.270 Für ausländische Stimmrechtsberater, die in Deutschland ansässige institutionelle Anleger beraten, kann man grundsätzlich dieselbe Erwägung anstellen. e) Zusammenfassung zur Haftung von Stimmrechtsberatern Gegenüber ihren Kunden haften Stimmrechtsberater für Pflichtverletzungen aus dem Beratungsvertrag. Die Kunden tragen als Anspruchsteller allerdings die Beweislast, müssen einem Stimmrechtsberater also sowohl die Pflichtverletzung als auch deren Kausalität für den erlittenen Schaden nachweisen. Das dürfte in der Praxis große Schwierigkeiten begleiten, da Abstimmungsempfehlungen stark von subjektiven Überzeugungen geprägt und demzufolge nur bedingt überprüfbar sind. Die nicht beratenen Aktionäre sind zwar grundsätzlich in die Schutzwirkungen des Beratungsvertrags einbezogen, allerdings bestehen die Beweislastprobleme für sie gleichermaßen. Deliktisch können sie sich nur auf § 826 BGB berufen, dessen hohe Voraussetzungen in der Regel nicht erfüllt sein werden. Die von den Abstimmungsempfehlungen betroffene Gesellschaft ist ebenfalls in die Schutzwirkungen des Vertrags zwischen dem Stimmrechtsberater und den institutionellen Anlegern einbezogen, wiederum bestehen jedoch die beschriebenen Beweisprobleme. In Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB kann eine Gesellschaft sich sowohl auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht berufen. Für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bestehen indessen ähnliche Beweisprobleme wie bei den vertraglichen Ansprüchen. Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht wird nur äußerst selten verletzt sein; außerdem kann gestützt auf dessen Verletzung Schadensersatz in Geld nicht verlangt werden. Angesichts dieses Befunds ist nicht zu erwarten, dass die Haftung von Stimmrechtsberatern eine große praktische Bedeutung erlangen wird. Demzufolge entfaltet die Haftung auch nur eine sehr geringe Disziplinierungswirkung auf die Anbieter von Abstimmungsempfehlungen.

270 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28. 11. 2011 – 21 U 23/11, ZIP 2012, 293. Nach der Entscheidung kommt es außerdem darauf an, dass der Rechtsstreit einen Inlandsbezug aufweist. s. nunmehr auch die Hinweise, die der BGH im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde in dieser Sache erteilt hat, BGH ZIP 2013, 239.

§ 9 Regulierungsstrategien Das Geschäftsmodell der Stimmrechtsberater ist – vor allem aufgrund der Ermöglichung von Aktionärsaktivismus – grundsätzlich geeignet, einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Form einer Senkung von Agenturkosten zu generieren. Auch ist der Einfluss der Stimmrechtsberater inzwischen so groß, dass sie nennenswerten Einfluss auf Aktiengesellschaften nehmen können. Allerdings unterliegen Stimmrechtsberater Fehlanreizen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob tatsächlich Agenturkosten gesenkt werden. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass Stimmrechtsberater diese Kosten weiter erhöhen. Der empirische Befund gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, welches Szenario der Realität am nächsten kommt. Allerdings deutet er in der Tendenz darauf hin, dass Stimmrechtsberater eher soziale Kosten verursachen. Gegenwärtig unterliegen Stimmrechtsberater weder in den USA noch in Deutschland bzw. in der Europäischen Union rechtlichen Regelungen, die diesem Problem begegnen. Eine Regulierung erscheint daher im Grundsatz geboten.1 Dabei orientiert sich die nachfolgende Bewertung von Regulierungsstrategien an den Erkenntnissen, die in dieser Arbeit hinsichtlich des Nutzens und der Gefahren der Stimmrechtsberatung gewonnen wurden: Optimal wären solche Vorgaben, die die potentiell positiven Auswirkungen von Stimmrechtsberatern erhalten, gleichzeitig aber die Fehlanreize, die die Branche heute prägen, beseitigen.

I. Überblick Stimmrechtsberater sind mit anderen Informationsintermediären vergleichbar, die in jüngerer Vergangenheit bereits eine Regulierung erfahren haben. Mehrfach wurde bereits auf die Parallele zu Ratingagenturen hingewiesen, gewisse Ähnlichkeiten bestehen aber auch mit Abschlussprüfern, Vergütungsberatern und Finanzanalysten.2 Die Regulierungsansätze aus diesen Bereichen können daher in Erwägungen für eine Regulierung von Stimmrechtsberatern einbezogen werden. Konkret kommt zunächst eine direkte Regulierung der Branche in Betracht, also Vorgaben, die sich an 1

Gegen eine Regulierung aber Bundesrechtsanwaltskammer, NZG 2012, 96, 99; Peltzer, NZG 2011, 961, 966; Wilsing, ZGR 2012, 291, 302 ff. (dazu schon Fn. 109); wohl auch Jahn, AG 2011, 454, 457. 2 Fleischer, AG 2012, 2, 7.

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§ 9 Regulierungsstrategien

Stimmrechtsberater selbst richten. Form und Intensität einer solchen Regulierung können sehr unterschiedlich ausfallen.3 Sie reichen von einer Wettbewerbsstimulierung über Offenlegungspflichten und Verfahrensanforderungen bis hin zu methodischen Vorgaben, der Schaffung eines Haftungsregimes und strikten Verboten. Daneben kann erwogen werden, wie die jeweiligen Maßnahmen effektiv durchgesetzt werden können. Denkbar ist außerdem eine indirekte Regulierung der Stimmrechtsberater. Die kann dadurch erfolgen, dass Anforderungen an institutionelle Anleger in Hinblick auf die Stimmrechtsausübung gestellt werden. Sie werden dann nur solche Abstimmungsempfehlungen in Auftrag geben, deren Verwendung nicht gegen die Anforderungen an die Stimmrechtsausübung verstößt.

II. Direkte Regulierung 1. Intensivierung des Wettbewerbs Im Zuge einer direkten Regulierung ist zuvorderst an solche Maßnahmen zu denken, die den Wettbewerb unter den Stimmrechtsberatern intensivieren. Mit einer steigenden Konkurrenz steigt die Gefahr, dass Kunden zu den Mitbewerbern abwandern. Stimmrechtsberater haben daher einen Anreiz zur bestmöglichen Befriedigung der Aktionärsinteressen. a) Staatliche Konkurrenz Eine Intensivierung des Wettbewerbs kann zunächst dadurch erreicht werden, dass der Staat eine Konkurrenzinstitution errichtet, die wie die bestehenden Stimmrechtsberater Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger erstellt. So wird etwa im Bereich der Ratingagenturen, deren Markt wie der Markt für Stimmrechtsberatung eine oligopolistische Struktur aufweist, über die Gründung einer unabhängigen Ratingstiftung durch die Europäische Union nachgedacht.4 Allerdings stellt sich die Frage, ob ein vom Staat kontrollierter Stimmrechtsberater über optimale oder zumindest über bessere Anreize verfügen würde als die existierenden privaten Anbieter. Zweifelhaft erscheint dies zunächst deshalb, weil auch ein staatlich kontrollierter Stimm3

Auf Spektra möglicher Maßnahmen weisen auch Schouten, The Mechanisms of Voting Efficiency, April 2011, S. 56 f. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract= 1658397), und Wilsing, ZGR 2012, 291, 303 hin. 4 Das Europäische Parlament hat die Europäische Kommission in seiner Entschließung vom 08. 06. 2011 zu den Zukunftsperspektiven der Ratingagenturen, P7_TA(2011)0258, aufgefordert, hinsichtlich der Errichtung einer „völlig unabhängigen Europäischen Ratingstiftung“ eine Folgenabschätzung vorzunehmen und eine Durchführbarkeitsstudie zu erstellen.

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rechtsberater einem Prinzipal-Agenten-Konflikt unterliegen würde. Schließlich wäre er ebenso wenig wie die privaten Stimmrechtsberater an den Gesellschaften, für deren Hauptversammlungen er Abstimmungsempfehlungen entwickelt, beteiligt. Hieraus folgt die Gefahr, dass in die Abstimmungsempfehlungen ebenfalls andere Interessen einfließen als nur die Maximierung des shareholder value: Zwar mag die Gefahr opportunistischen Handelns im eigentlichen Sinne – also der Maximierung des eigenen Gewinns auf Kosten der Kunden – geringer sein als bei einem privaten Stimmrechtsberater. Der Staat verfolgt aber in anderen Zusammenhängen – vornehmlich bei der Gesetzgebung – politische Ziele, die Einfluss auch auf die Abstimmungsempfehlungen eines vom Staat kontrollierten Stimmrechtsberaters haben könnten. Zum Beispiel könnte der Stimmrechtsberater seine Einflussnahme ausnutzen, um die Vorgaben eines an sich freiwilligen Corporate Governance-Kodex durchzusetzen. Der Stimmrechtsberater könnte sogar darüber hinaus gehen und etwa faktisch eine Frauenquote im Aufsichtsrat einführen (vgl. bislang Ziffer 5.1.2 DCGK).5 Außerdem hätte ein staatlicher Anbieter einen geringeren Anreiz zu Innovationen als ein privater. Schließlich könnte sich ein solches Institut darauf verlassen, stets von staatlicher Seite subventioniert zu werden. Zu Beginn der Tätigkeit wäre diese Maßnahme nötig, um überhaupt ein Institut aufbauen zu können. Zu einem späteren Zeitpunkt müsste der Staat jedenfalls bei drohender Zahlungsunfähigkeit unterstützend eingreifen, da andernfalls die wettbewerbsstimulierende Funktion verloren ginge. Insgesamt erscheint es daher zweifelhaft, ob die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen durch einen staatlichen Stimmrechtsberater überhaupt besser wäre als die Stimmrechtsberatung durch Private. b) Essential facilities-Doktrin Als ein weiteres Mittel zur Intensivierung des Wettbewerbs kommt grundsätzlich die essential facilities-Doktrin des Kartellrechts in Betracht.6 Die Regelungen auf europäischer (Art. 102 AEUV) und deutscher (§ 19 Abs. 4 GWB) Ebene verfolgen das Ziel, Wettbewerb in solchen Situationen zu schaffen, in denen der Zugang zu wesentlichen Einrichtungen (essential facilities) Voraussetzung für die Schaffung eines Angebots ist, die wesentlichen Einrichtungen sich aber in der Hand eines Anbieters befinden.7 Typi5 Vgl. Rose, 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 68 (2011), der Stimmrechtsberater als „de facto regulater“ bezeichnet. Zur Bedeutung von Stimmrechtsberatern als private Standardsetzer s. auch Fleischer, ZGR 2012, 160, 194 f.; in der Sache auch Wilsing, ZGR 2012, 291, 296. 6 Erwägend bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 155. 7 Vgl. Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. (2009), § 19, Rn. 86; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 5, Rn. 82.

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sche Beispiele sind das Schienen- und das Telekommunikationsnetz sowie Flug- und Seehäfen.8 Voraussetzung für die Anwendung der Doktrin ist zunächst, dass der Zugang zu einer Einrichtung begehrt wird, die wesentlich ist. Das ist der Fall, wenn es ohne Zugang zu der Einrichtung nicht möglich ist, auf dem jeweiligen Markt tätig zu werden.9 Ob die Marktführer für Stimmrechtsberatung, ISS und Glass Lewis, über solche Einrichtungen verfügen, erscheint zweifelhaft. In Betracht kommen die Methode, mit der die Abstimmungsempfehlungen entwickelt werden, sowie der Mitarbeiterstab, der diese Methode anwendet. Allerdings ist es für Wettbewerber nicht völlig unmöglich, selbst eine Methode zur Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen zu entwickeln und Mitarbeiter einzustellen, die diese Methode pflegen und auf ihrer Grundlage Abstimmungsempfehlungen entwickeln. Der Wettbewerb wird vielmehr dadurch behindert, dass die Marktzutrittsschranken entsprechende Investitionen unwirtschaftlich erscheinen lassen. Grundsätzlich können indessen auch wirtschaftliche Gründe im Rahmen der essential facilities-Doktrin Berücksichtigung finden.10 Gefordert wird allerdings eine Unwirtschaftlichkeit in so hohem Maße, dass jeder vernünftige Wettbewerber ohne Zugang zu der wesentlichen Einrichtung seine Pläne, in den Markt einzutreten, aufgibt.11 Hiergegen spricht bei Stimmrechtsberatern schon die tatsächliche Erfahrung: Es gibt zwar nur wenige, aber eben nicht nur einen Anbieter. Wettbewerbern ist es durchaus gelungen, Marktanteile zu erringen. Zu nennen sind vor allem Glass Lewis und, in der Schweiz, Ethos. Es ist demnach durchaus möglich, ein Konkurrenzangebot zu schaffen.12 Die Methode eines Stimmrechtsberaters und sein Mitarbeiterstab sind daher nicht als wesentliche Einrichtung anzusehen. Die essential facilitiesDoktrin ist unanwendbar. c) Branchenspezifische Maßnahmen In Betracht kommen außerdem branchenspezifische Vorgaben, die positive Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. So hat die Europäische 8

Vgl. Emmerich, Kartellrecht, 10. Aufl. (2006), § 27, Rn. 109. Deselears, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Losebl. (Stand: 46. Lfg., Oktober 2011), Art. 102 AEUV, Rn. 468; s. auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. (2007), Art. 82, Rn. 240. 10 Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. (2009), § 19, Rn. 86; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. (2007), Art. 82, Rn. 240. 11 Deselears, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Losebl. (Stand: 46. Lfg., Oktober 2011), Art. 102 AEUV, Rn. 470. 12 s. auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. (2007), Art. 82, Rn. 240: An einer wesentlichen Einrichtung fehle es, „wenn auch nur besonders leistungsfähige Wettbewerber zu einer solchen Investition in der Lage sind.“ 9

II. Direkte Regulierung

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Kommission etwa jüngst für den Bereich der Abschlussprüfer erwogen, den Wettbewerb durch ein Rotationssystem bzw. durch die gemeinsame Prüfung zweier Abschlussprüfer zu fördern.13 Das deutsche Recht enthält in § 319a Abs. 1 Nr. 4 HGB bereits heute eine funktional vergleichbare Regelung.14 Übertragen auf Stimmrechtsberater ließe sich erwägen, institutionellen Anlegern den regelmäßigen Wechsel des Stimmrechtsberaters aufzugeben bzw. im Falle der Einholung von Abstimmungsempfehlungen zur Auflage zu machen, dass diese Empfehlungen mit den Empfehlungen eines zweiten Anbieters abzugleichen sind. Gegen eine Rotation spricht indessen, dass sich dadurch an den Anreizen der Stimmrechtsberater nichts ändern würde. Zwar gäbe es möglicherweise mehr Stimmrechtsberater, diese würden aber nicht wegen der Qualität ihrer Abstimmungsempfehlungen gewählt, sondern wegen des Rotationsgebots. Der Wettbewerb hätte also nicht den gewünschten Effekt. Darüber hinaus könnte eine Rotation sogar hemmende Wirkung auf den Markt haben, weil sie die Abkehr auch von einem solchen Stimmrechtsberater geböte, der optimale Abstimmungsempfehlungen ausspricht. In diesem Fall ist ein Wechsel zum einen wegen der dadurch entstehenden Kosten nicht sinnvoll, zum anderen aber auch aufgrund der Gefahr, dass der neue Anbieter weniger gute Abstimmungsempfehlungen ausspricht als der vorherige. Es würde gewissermaßen ein Markt für fehlerhafte Abstimmungsempfehlungen geschaffen. Auf den ersten Blick sinnvoller erscheint die Idee, institutionelle Anleger zur Beauftragung von zwei Stimmrechtsberatern zu verpflichten. Man müsste hier wohl gar nicht so weit gehen wie es die Kommission für Abschlussprüfer erwogen hat, nämlich die beiden Stimmrechtsberater zu einer Zusammenarbeit zu verpflichten. Ein institutioneller Anleger ist grundsätzlich schon dann zu einer effektiveren Kontrolle der Stimmrechtsberater in der Lage, wenn er zwei unabhängig voneinander erstellte Empfehlungen erhält. Weichen diese nämlich voneinander ab, kann ein institutioneller Anleger beide Stimmrechtsberater dazu auffordern, die Abweichung zu erklären. Schon die bloße Möglichkeit, die eigenen Empfehlungen gegenüber denen eines Wettbewerbers rechtfertigen zu müssen, kann einen Anreiz zu einer ausschließlichen Ausrichtung der Empfehlungen an den Aktionärsinteressen schaffen. Gegen diesen Regulierungsansatz sprechen indessen zwei Gründe: 13

Europäische Kommission, Grünbuch Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise, KOM(2010) 561 endgültig, S. 18 f.; Europäische Kommission, Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, KOM(2011) 779 endgültig, 2011/0359 (COD), s. dort Erwägungsgründe 26 und 27 sowie Art. 33. 14 Zu den Ausschlussgründen für Abschlussprüfer nach dem HGB s. auch noch unten S. 350.

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§ 9 Regulierungsstrategien

Zum einen verursacht der Ansatz für die institutionellen Anleger höhere Kosten, weil sie nicht nur einen, sondern zwei Stimmrechtsberater bezahlen müssen. Zum anderen lehrt die Erfahrung aus dem Bereich der Ratingagenturen, dass eine doppelte Expertise nicht unbedingt den Wettbewerb fördert und auch nicht unbedingt effektivere Kontrollmöglichkeiten für die Nutzer der Dienstleistung schafft. Schließlich beauftragen Emittenten typischerweise – und zwar ohne regulatorisch dazu gezwungen zu sein – mehr als eine Agentur mit der Erstellung eines Kreditratings.15 Allerdings erhalten dabei – vor allem aus Reputationsgründen16 – häufig nur die Marktführer Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch ein Mandat. Wenn man institutionelle Anleger zum Bezug der Abstimmungsempfehlungen von zwei verschiedenen Stimmrechtsberatern verpflichtet, ist Ähnliches zu befürchten. Schließlich liegt ein Grund für die Beauftragung von Stimmrechtsberatern darin, dass institutionelle Anleger sich der Kritik entziehen wollen, sie würden nicht verantwortungsvoll mit ihren Stimmrechten umgehen.17 Zudem ist nicht zu vernehmen, dass sich Ratingagenturen bei unterschiedlichen Bonitätseinschätzungen genötigt sehen, ihre Methodik und ihr Verfahren zu rechtfertigen oder gar Änderungen daran vorzunehmen. Vielmehr genügen regelmäßig Verweise auf tatsächliche Umstände, die zu dem jeweiligen Rating führen. Unterschiedliche Einschätzungen seitens der Agenturen nimmt der Markt weitgehend kommentarlos hin. Daneben kommen solche Maßnahmen in Betracht, die es einem Stimmrechtsberater unmöglich machen, eine beliebig große Anzahl institutioneller Anleger mit Abstimmungsempfehlungen zu versorgen. So könnte Stimmrechtsberatern entweder vorgegeben werden, dass sie nur einen festgelegten Anteil der Aktionäre einer Gesellschaft beraten dürfen (gesellschaftsbezogene Beschränkung), oder dass das von den Kunden eines Stimmrechtsberaters verwaltete Vermögen eine bestimmte Summe nicht überschreiten darf (marktbezogene Beschränkung). In beiden Fällen müsste ein Stimmrechtsberater bei Überschreiten des jeweils festgelegten Grenzwerts die Beratung weiterer institutioneller Anleger ablehnen. Deren Nachfrage nach Beratungsleistungen könnte dann durch Marktneulinge befriedigt werden. Eine direkte Folge dieses Regulierungsansatzes wäre auch die Beschränkung der faktischen Einflussnahmemöglichkeit eines einzelnen Stimmrechtsberaters. Allerdings gilt auch für eine Wettbewerbsstimulierung auf diese Art der soeben bereits geschilderte Einwand: Die Wahl eines bestimmten Stimmrechtsberaters erfolgte in diesem Modell nicht aufgrund der Qualität der 15

Vgl. Däubler, NJW 2003, 1096, 1097. Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; zum Aspekt der Netzwerkeffekte s. Haar, ZBB 2009, 177, 179. 17 Vgl. Fleischer, AG 2012, 2, 11. 16

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Abstimmungsempfehlungen, sondern danach, welcher Anbieter den ihm gewährten Marktanteil – sei es bezogen auf einzelne Gesellschaften oder bezogen auf den Gesamtmarkt – noch nicht ausgeschöpft hat. Ein Wechsel zu einem anderen Stimmrechtsberater wäre ebenfalls nur innerhalb der gesetzlich gewährten Kapazitätsgrenzen zulässig. Auch eine Wettbewerbsstimulierung durch gesellschafts- oder marktbezogene Beschränkungen der Kundenzahl ist daher nicht empfehlenswert. d) Allgemeine Bedenken gegen eine Intensivierung des Wettbewerbs Neben den bereits genannten Einwänden sprechen gegen eine Intensivierung des Wettbewerbs zwei weitere Aspekte. Zum einen entfaltet Wettbewerb unter mehreren Stimmrechtsberatern die erwünschte Wirkung – die ausschließliche Ausrichtung der Abstimmungsempfehlungen am shareholder value – nur, wenn die Kunden in der Lage und willens sind, die Qualität der Abstimmungsempfehlungen zu bewerten. Erst dann hat ein Marktneuling die Möglichkeit, sich in für die Kunden erkennbarer Weise von den etablierten Anbietern abzugrenzen. Sowohl für den Marktneuling als auch für die etablierten Stimmrechtsberater entsteht ein Anreiz, „gute“ Abstimmungsempfehlungen auszusprechen. Tatsächlich müssten institutionelle Anleger für eine effektive Kontrolle der Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters jedoch den Aufwand betreiben, den sie mit der Mandatierung gerade vermeiden wollen.18 Dieses rechtsökonomische Argument ist trotz des gemischten empirischen Befunds ein Indiz dafür, dass eine Kontrolle nicht stattfindet und infolgedessen mehr Wettbewerb nicht unbedingt zu besseren Abstimmungsempfehlungen führt.19 Zum anderen besteht eine wesentliche Funktion der Stimmrechtsberater in der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems der Aktionäre. Betrachtet man alleine diesen Aspekt, wird der Markt durch einen einzigen Stimmrechtsberater optimal versorgt. Zwar kann auch bei der Existenz mehrerer Stimmrechtsberater mit maßgeblichen Marktanteilen noch von einer Überwindung des Kollektivhandlungsproblems die Rede sein. Offensichtlich ist jedoch, dass mit einer zunehmenden Anzahl von Stimmrechtsberatern deren Fähigkeit, den Aktionären bei der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems behilflich zu sein, sinkt. Einer Steigerung des Wettbewerbs steht demnach nicht nur entgegen, dass Fehlanreize allenfalls bedingt abgeschwächt werden. Hinzu kommt, dass auch der Nutzen der Stimmrechtsberatung beschränkt würde. Insgesamt erscheint eine Intensivierung des Wettbewerbs daher nicht geeignet, um die Fehlanreize der Stimmrechtsberater zu beseitigen, dabei aber ihren Nutzen zu erhalten. 18 19

s. dazu bereits S. 224 f. Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 155.

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§ 9 Regulierungsstrategien

2. Verhaltenskodex Wenn eine Intensivierung des Wettbewerbs keinen Erfolg verspricht, kann der Gesetzgeber versuchen, die einzelnen Stimmrechtsberater oder die gesamte Branche zu einer Selbstregulierung zu bewegen.20 Ein denkbarer Weg des Anstoßes könnte etwa in einer an die institutionellen Anleger gerichteten Empfehlung liegen, nur solche Stimmrechtsberater zu engagieren, die sich einem branchenweiten Kodex unterworfen haben.21 Wie eine solche Selbstregulierung aussehen kann, zeigt etwa der Verhaltenskodex (code of conduct), den das Millstein Center for Corporate Governance and Performance der Yale School of Management vorgelegt hat (nachfolgend Draft Code of Conduct for the Proxy Advisory Industry).22 Stimmrechtsberater sollen auf Grundlage dieses Entwurfs einen eigenen Verhaltenskodex entwickeln, diesen veröffentlichen und nach dem Prinzip des comply or explain auf Abweichungen vom Draft Code of Conduct for the Proxy Advisory Industry hinweisen (IV.A.1., IV.A.2.). Ein solcher Kodex, der grundsätzlich von der gesamten Branche berücksichtigt werden soll, hätte den Vorteil, dass die Regelwerke der einzelnen Stimmrechtsberater einfacher miteinander verglichen werden können.23 Inhaltlich fordert der Draft Code of Condut for the Proxy Advisory Industry zum Beispiel, dass Stimmrechtsberater über abstrakt festgelegte Methoden und Verfahren verfügen sollen, die – soweit möglich – vorhersehen lassen, welche Abstimmungsempfehlung in bestimmten Konstellationen unterbreitet wird (I.A.1., I.A.2.). Zudem sollen die Mitarbeiter ausreichend qualifiziert sein (I.A.6.) und der Stimmrechtsberater soll über ausreichende Ressourcen verfügen, um stets qualitativ hochwertige Abstimmungsempfehlungen aussprechen zu können (I.A.9.). Stimmrechtsberater sollen außerdem Auskunft darüber geben, ob sie den Emittenten, auf die sich die Abstimmungsempfehlungen beziehen, ihre Empfehlungen vorab zuleiten und den Emittenten eine Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen (I.A.12.). Allerdings sollte vor der endgültigen Abgabe nicht die Unterbreitung einer bestimmten Empfehlung zugesichert werden (I.C.4.). Benannt werden soll zudem ein Compliance-Beauftragter, der die Einhaltung des Verhaltenskodex, den sich der Stimmrechtsberater selbst gibt, sowie die Einhaltung von Geset20

Befürwortend etwa Wollmert/Oser/Orth, BB 2011, 1432, 1434. Dazu Fleischer, AG 2012, 2, 8, der eine solche Empfehlung im Ergebnis aber als zu streng und mit der Idee der Selbstregulierung nicht vereinbar erachtet. Zuvor bereits allgemein erwägend ders., ZGR 2011, 155, 173. 22 Millstein Center for Corporate Governance and Performance, Voting Integrity: Practices for Investors and the Global Proxy Advisory Industry, Policy Briefing No. 3, 2009, Appendix A (S. 22 ff.). 23 Fleischer, AG 2012, 2, 8; ders., ZGR 2012, 160, 190. 21

II. Direkte Regulierung

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zen und sonstigen Regelungen überwacht (I.C.5.). In Bezug auf Interessenkonflikte bei Stimmrechtsberatern sieht der Draft Code of Condut for the Proxy Advisory Industry vor, dass Abstimmungsempfehlungen nicht von einer parallelen Corporate Governance-Beratung beeinflusst werden sollen (II.A.4.). Ein Stimmrechtsberater soll jedenfalls nicht solche Gesellschaften beraten, für deren Aktionäre er zugleich Abstimmungsempfehlungen ausspricht (II.A.6.). Zudem soll ein Stimmrechtsberater in Richtlinien festlegen, wie er mit Interessenkonflikten in Hinblick auf ihre Identifikation, ihre Beseitigung und ihre Offenlegung umgeht (II.B.1.). Schließlich fordert der Verhaltenskodex eine hinreichende Unabhängigkeit der Angestellten eines Stimmrechtsberaters (II.C.), ein transparentes Handeln (III.A.) und einen verantwortungsvollen Umgang mit geheimen Informationen (III.B.). In Frankreich hat die Kapitalmarktaufsichtsbehörde, die Autorité des Marchés Financiers (AMF), Stimmrechtsberater in Form einer Empfehlung aufgefordert, sich jedenfalls für die Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten einen Verhaltenskodex zu geben.24 Die britische Regierung befürwortet gegenwärtig allgemein einen Verhaltenskodex, weil sie für eine „harte“ Regulierung die Tatsachengrundlage als nicht ausreichend erachtet.25 Die Effektivität einer freiwilligen Selbstregulierung muss in einem oligopolistisch strukturierten Markt indessen bezweifelt werden. Stimmrechtsberater haben kaum einen Anreiz, sich selbst einem strengen Regelungsregime zu unterwerfen, da hierin keine Voraussetzung für den Erhalt von Kundenbeziehungen liegt. Die Kunden können mangels Vorhandenseins eines Konkurrenzangebots nicht zwischen mehreren Stimmrechtsberatern wählen und haben infolgedessen nicht die Möglichkeit, einen Stimmrechtsberater, der einem Anstoß zur Selbstregulierung nicht folgt, durch Abwanderung zu einem „regulierten“ Mitbewerber zu sanktionieren. Das zeigt sich etwa darin, dass zumindest ISS bereits heute über einen Verhaltenskodex verfügt, der dem hier vorgeschlagenen teilweise nahe kommt.26 Allerdings verzichtet ISS nach dem Kodex nicht auf die Corporate GovernanceBeratung, sondern hält unternehmensinterne Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkollisionen für ausreichend.27 Offenbar besteht also – obwohl 24 Autorité des Marchés Financiers, AMF Recommendation Nº 2011-06 sur les agences de conseil de vote, 18 Mars 2011, Punkt 4; dazu Fleischer, AG 2012, 2, 5 m. w. N. 25 Department for Business Innovation & Skills, UK Government, Response to European Commission Green Paper, July 2011, S. 14 f.; dazu Fleischer, AG 2012, 2, 6. 26 ISS, Regulatory Code of Ethics, November 2010. 27 ISS, Regulatory Code of Ethics, November 2010, S. 15 ff.

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§ 9 Regulierungsstrategien

Mitbewerber keine Beratungsdienste für Emittenten anbieten – kein ausreichender Anreiz, freiwillig ein lukratives Betätigungsfeld aufzugeben.28 Außerdem besteht eine wesentliche Schwäche eines Verhaltenskodex darin, dass die enthaltenen Regeln ein hohes Maß an Unbestimmtheit aufweisen. Es wird einem Stimmrechtsberater beispielsweise nicht schwer fallen, in einem Kodex die „hohe Qualifikation der Mitarbeiter“ oder die „hohe Qualität der Abstimmungsempfehlungen“ zu betonen, wenn unklar ist, was hierunter genau zu verstehen ist. Bereits gegenwärtig zeigt sich der begrenzte Nutzen abstrakter Festlegungen in Hinblick auf die Entwicklung der Abstimmungsempfehlungen.29 Zumindest die maßgeblichen Kriterien, einen Teilbereich der Methode, benennen die Stimmrechtsberater schließlich schon heute in den veröffentlichten Abstimmungsrichtlinien. Häufig lässt sich aus den Richtlinien jedoch gerade nicht ablesen, was ein Stimmrechtsberater in bestimmten Konstellationen empfehlen wird, da die verwendeten Begriffe nicht selten ein hohes Maß an Unbestimmtheit aufweisen und zudem auf die Umstände des Einzelfalls verwiesen wird. Unbekannt ist auch die Gewichtung der einzelnen Kriterien zueinander.30 Dass es im Zuge einer Selbstregulierung zu wesentlich konkreteren Festlegungen kommen würde, ist nicht ersichtlich und möglicherweise auch gar nicht sinnvoll. Schließlich zeigen auch die Erfahrungen aus anderen Bereichen des Kapitalmarktrechts, vornehmlich bei den Ratingagenturen, dass von freiwilligen Verhaltenskodizes nur eine geringe Disziplinierungswirkung ausgeht.31 Der ernüchternde Befund sollte zwar nicht dazu führen, einen Anstoß zur Selbstregulierung bei Stimmrechtsberatern gänzlich unversucht zu lassen. Allzu große Hoffnungen sollten in diesen Ansatz aber wohl nicht gesetzt werden. 3. Offenlegungspflichten Da eine Intensivierung des Wettbewerbs und ein branchenweiter Verhaltenskodex für eine Regulierung der Stimmrechtsberater nicht oder nur bedingt geeignet erscheinen, ist über strengere Mittel nachzudenken. Im Bereich der echten Zwangsregulierung kommen zunächst Offenlegungspflichten in Betracht – ein im Kapitalmarktrecht häufig verwendetes Instrument. 28

s. dazu auch Rose, 32 J. Corp. L. 887, 923 f. (2007). Der Draft Code of Conduct for the Proxy Advisory Industry fordert insoweit die Verwendung von „written procedures and methodologies“, s. unter I. A.1. s. außerdem I. A.2. und I. A.3. 30 Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 155. 31 s. auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1307. 29

II. Direkte Regulierung

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Bei Stimmrechtsberatern können Offenlegungspflichten, je nach Ausgestaltung, zwei Funktionen zukommen32: Zum einen können sie dazu dienen, den Markt, insbesondere die institutionellen Anleger als Kunden, besser über das Zustandekommen der Abstimmungsempfehlungen und den Umgang mit Interessenkonflikten zu informieren. Offenlegungspflichten schaffen somit Transparenz und erleichtern dadurch grundsätzlich eine Bewertung der Qualität von Abstimmungsempfehlungen. Zum anderen können Offenlegungspflichten aber auch dazu dienen, den Grad der Einflussnahme eines Stimmrechtsberaters besser bestimmen zu können. Das ist möglich, wenn sich aufgrund der Pflichten bestimmen lässt, welcher Anteil der Aktionäre einer Gesellschaft die Empfehlungen eines einzelnen Stimmrechtsberaters bezieht. a) Offenlegungspflichten zur Schaffung von Transparenz Die Europäische Kommission hat in ihrem Grünbuch zum Corporate Governance-Rahmen die Frage aufgeworfen, ob Stimmrechtsberater in Hinblick auf „Analysemethoden, Interessenkonflikte und ihre Konfliktbewältigungsstrategien“ zu mehr Transparenz verpflichtet werden sollten.33 Im Rahmen des Konsultationsprozesses wurden erhöhte Transparenzanforderungen von der Mehrzahl der Beteiligten befürwortet.34 Daneben existieren bereits mehrere konkrete Regulierungsvorschläge, die dem Bereich der Transparenzschaffung zuzuordnen sind.35 aa) Überblick über aktuelle Regulierungsvorschläge Gefordert wird etwa, Stimmrechtsberater zur Veröffentlichung der Informationen zu verpflichten, auf denen ihre Abstimmungsempfehlungen beruhen.36 Zudem könnte eine Offenlegungspflicht für die Methode angeordnet 32

Zu dieser Differenzierung s. bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate GovernanceRahmen, KOM(2011) 164 endgültig, S. 17 (s. dort Frage 18). 34 European Commission, Feedback Statement, Summary of Responses to the Commission Green Paper on the EU Corporate Governance Framework, November 15, 2011, S. 14; s. auch die Stellungnahmen: Wollmert/Oser/Orth, DB 2011, 1432, 1434; DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 940; Deutsches Aktieninstitut, Response to Green Paper „The EU corporate governance framework“, S. 16 f. 35 s. auch den Überblick bei Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 155. 36 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 434 (2009); Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 70 f. Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations In33

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werden, mit der die Empfehlungen entwickelt werden.37 In Bezug auf Interessenkonflikte wurde vorgeschlagen, dass Stimmrechtsberater in den Abstimmungsempfehlungen über einen Emittenten Auskunft darüber geben sollen, ob und in welcher Höhe sie von diesem Emittenten Beratungshonorare erhalten haben.38 Schließlich wurde vorgeschlagen, dass auch die Abstimmungsempfehlungen selbst öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Da es sich bei der Stimmrechtsberatung um eine entgeltliche Dienstleistung handelt, dürfte nur die nachträgliche Veröffentlichung in Betracht kommen.39 Zwei unterschiedliche Varianten bieten sich an: Stimmrechtsberater könnten verpflichtet werden, ihre Empfehlungen entweder unmittelbar nach einer jeden Hauptversammlung zu veröffentlichen oder aber in gesammelter Form, etwa durch einen jährlichen Bericht.40

stitute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 8; s. auch Autorité des Marchés Financiers, AMF Recommendation Nº 2011-06 sur les agences de conseil de vote, 18 Mars 2011, Punkt 2, wonach ein Stimmrechtsberater die Gründe für das Zustandekommen einer Empfehlung darlegen soll. Ähnlich zudem SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 122: Stimmrechtsberater könnten verpflichtet werden, dass Ausmaß durchgeführter Recherchen darzulegen. Eine Übersicht zu den Stellungnahmen zum Concept Release on the U.S. Proxy System der SEC findet sich bei Altman Group, Proxy Advisory Firms: The Debate Over Changing the Regulatory Framework, March 2011. 37 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 434 (2009); Fleischer, AG 2012, 2, 8; Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 98; Rose, 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 66 (2010); Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 70 f.; Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 7. s. auch SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 122: Stimmrechtsberater könnten verpflichtet werden, Auskunft über Kontrollmechnanismen zu geben, mit denen die Richtigkeit von Emittentendaten sichergestellt werden soll. 38 Fleischer, AG 2012, 2, 8; erwägend auch die SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 120 f. Das Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 85 f. befürwortet ebenfalls die Offenlegung von Interessenkonflikten, plädiert aber speziell in Hinblick auf die Corporate Governance-Beratung für das strengere regulatorische Mittel eines Verbots. Allgemein für eine Offenlegungspflicht für „Interessenkonflikte nebst Konfliktvermeidungs- und Konfliktbewältigungsstrategien“ Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag, 2012, S. 98. 39 s. auch SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 122: „at least on a delayed basis“.

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bb) Vergleich mit anderen Informationsintermediären Offenlegungspflichten wie die hier für Stimmrechtsberater in Betracht gezogenen sind aus anderen Bereichen in vergleichbarer Form bekannt. So sind etwa Ratingagenturen nach Art. 8 Abs. 1 Rating-VO41 zur Offenlegung der Methode und nach Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anhang I, Abschnitt B, Nr. 1 Rating-VO zur Offenlegung von Interessenkonflikten verpflichtet. Zudem müssen die Agenturen nach Art. 12 Rating-VO einen umfassenden Transparenzbericht erstatten. Für Finanzanalysten ergibt sich eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aus § 34 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 Nr. 2 WpHG.42 Der Verordnungsentwurf für Abschlussprüfer43 sieht die Offenlegung von Finanzinformationen (Art. 26 VO-E) und die Erstattung eines Transparenzberichts (Art. 27 VO-E) vor. Hervorzuheben ist Art. 26 Abs. 2 VO-E, wonach die erhaltenen Honorare aufzuschlüsseln sind. Zumindest mittelbar führt die Vorschrift zu einer Offenlegung von Interessenkonflikten, die durch die Erbringung „prüfungsverwandter Leistungen“ (Art. 10 Abs. 2 VO-E) entstehen können. In Hinblick auf Vergütungsberater wird erwogen, dass die Unternehmen aufgeschlüsselt nach verschiedenen Geschäftsbeziehungen angeben sollen, welche Honorare an Vergütungsberater gezahlt wurden.44 Auch dieser Vorschlag zielt auf die Offenlegung von Interessenkonflikten ab.45 cc) Offenlegung der Empfehlungen, der Methode und der Informationsgrundlage Ob die Schaffung von mehr Transparenz für die Branche der Stimmrechtsberater ein geeignetes Regulierungsinstrument darstellt, bedarf allerdings eines genaueren Hinsehens. Für einige Marktteilnehmer sind die Informationen, auf deren Veröffentlichung die Regulierungsvorschläge abzie40

Letzteres wird offenbar favorisiert, vgl. Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 435 (2009); Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 8. 41 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 09. 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17. 11. 2009, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. 05. 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 145 v. 31. 05. 2011, S. 30. 42 s. dazu auch Seibt, ZGR 2006, 501, 521 f. 43 s. Nachweis in Fn. 13. 44 Fleischer, BB 2010, 67, 73. 45 Zu Interessenkonflikten bei Vergütungsberatern vgl. Fleischer, BB 2010, 67, 68, 71.

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len, nämlich bereits heute verfügbar. Zumindest die Kunden eines Stimmrechtsberaters kennen dessen Abstimmungsempfehlungen sowie die Informationen, auf denen die Empfehlungen beruhen.46 Eine Offenlegungspflicht hinsichtlich dieser beiden Aspekte würde also die Kontrollmöglichkeiten seitens der institutionellen Anleger kaum verbessern.47 Allerdings könnte es für tatsächliche wie für potentielle Wettbewerber unter Umständen nützlich sein, die Informationsgrundlage aller Abstimmungsempfehlungen zu kennen. Sie könnten die Empfehlungen dann daraufhin untersuchen, ob ihrer Ansicht nach relevante Informationen systematisch außer Acht gelassen oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Gegebenenfalls bestünde grundsätzlich die Möglichkeit, mit der Schaffung eines Konkurrenzangebots zu reagieren. Behindert wird die wettbewerbsstimulierende Wirkung jedoch von den bestehenden Marktzutrittsschranken sowie von der rationalen Apathie der institutionellen Anleger – ein Marktneuling kann die bessere Qualität seiner Empfehlungen nur schwer signalisieren.48 Ob von einer Offenlegung der Informationsgrundlage tatsächlich ein Nutzen zu erwarten ist, ist daher zu bezweifeln. Wenn die Abstimmungsempfehlungen (auch ohne die ihnen zugrunde liegenden Informationen) zumindest nachträglich allgemein bekannt gemacht werden, könnte hierdurch aber möglicherweise besser eingeschätzt werden, in welchem Maße ein Stimmrechtsberater Einfluss auf einen Beschluss genommen hat.49 Eine Offenlegungspflicht hinsichtlich der Methode verspricht ebenfalls nur begrenzten Nutzen. Bereits gegenwärtig geben jedenfalls die bedeutenden Stimmrechtsberater in Form von Abstimmungsrichtlinien Auskunft darüber, welche Kriterien bei der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen maßgeblich sind.50 Allerdings sind die Richtlinien allgemein gehalten, nicht selten spielen die Umstände des Einzelfalls eine große Rolle. Gleichwohl könnte eine regulatorische Vorgabe aus zwei Gründen wohl kaum über diesen Rahmen hinausgehen: Erstens besteht in der genauen Methode gerade das Geschäftsgeheimnis der Stimmrechtsberater, sodass bei einer umfassenden Offenlegung der Anreiz nach Verbesserungen zu suchen gesenkt würde.51 Zweitens können die bislang in weiten Teilen unbestimmten und auf den Einzelfall abstellenden Formulierungen in den Abstimmungsrichtlinien methodisch sinnvoll sein. Begründet man eine Pflicht zu detail46 Vgl. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 15. 47 So schon Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 155 f. 48 Dazu bereits oben S. 222 ff. 49 Zur Statuierung von Offenlegungspflichten zum Zwecke der Bemessung des Einflusses von Stimmrechtsberatern s. noch S. 331 ff. 50 Darauf weist auch Wilsing, ZGR 2012, 291, 304 hin. 51 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156.

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lierteren methodischen Angaben, sehen sich die Stimmrechtsberater möglicherweise genötigt, den Umständen des Einzelfalls künftig weniger Bedeutung beizumessen und noch stärker als bisher einen one-size-fits-all-Ansatz zu verfolgen. Insofern könnte eine Pflicht zur Offenlegung der Methode die Qualität der Abstimmungsempfehlungen verschlechtern. dd) Offenlegung bestehender Interessenkonflikte Es bleibt die Idee, Stimmrechtsberater zur Offenlegung bestehender Interessenkonflikte zu verpflichten. Dieser Vorschlag betrifft vor allem die parallele Corporate Governance-Beratung, die gegenwärtig nur ISS über seine Tochtergesellschaft ICS anbietet. Er erscheint insofern diskutabel, als es sich bei diesem Interessenkonflikt um einen potentiellen Qualitätsmangel handelt, den die Kunden im Vergleich zu methodischen Mängeln leicht identifizieren können.52 Das zeigt sich unter anderem daran, dass zumindest einige institutionelle Anleger ihre Beratungsverträge mit ISS gekündigt haben und zu Glass Lewis abgewandert sind.53 Eine Offenlegungspflicht könnte den institutionellen Anlegern ein klareres Bild über das Ausmaß des Interessenkonflikts verschaffen, der ihnen bislang nur abstrakt bekannt ist. Eine konkrete Einschätzung wäre möglich, wenn ein Stimmrechtsberater zusammen mit der Abstimmungsempfehlung für einen Emittenten mitteilen muss, ob er von diesem Emittenten Beratungshonorare erhalten hat.54 Die Angabe der genauen Höhe der Honorare erscheint indessen entbehrlich, da sie nur einen Vergleich der Beratungshonorare unter mehreren Emittenten ermöglicht.55 Für das Gewicht des Interessenkonflikts, also für die Gefahr, dass ein Stimmrechtsberater den Wünschen des Managements den Vorzug gegenüber einer strikten Orientierung am Aktionärsinteresse einräumt, bedürfte es jedoch eines Vergleichs zwischen dem vom Emittenten gezahlten Honorar einerseits und dem hinsichtlich dieses Emittenten durch die Stimmrechtsberatung generierten Umsatzes andererseits. Eine Offenlegung in dieser Form dürfte aber deshalb nicht in Betracht kommen, weil Stimmrechtsberater regelmäßig nicht für einzelne Emittenten abrechnen, sondern von den institutionellen Anlegern einen Gesamtbetrag für alle unterbreiteten Empfehlungen verlangen. Eine Aufschlüsselung der erhaltenen Honorare, vergleichbar dem Verordnungsvorschlag für Abschlussprüfer und dem Vorschlag für Vergütungsberater, ist somit nicht ohne Weiteres möglich.

52 53 54 55

Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 153. Dazu bereits S. 44, S. 79 f. und S. 217 f. So der Vorschlag von Fleischer, AG 2012, 2, 8. Auch insoweit befürwortend aber Fleischer, AG 2012, 2, 8.

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ee) Regulierungszugriff des deutschen oder europäischen Gesetzgebers? Ob eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten (sinnvoll) begründet werden kann, hängt zudem davon ab, wie weit der Regulierungszugriff des deutschen oder europäischen Gesetzgebers reicht. Schließlich haben die bedeutenden Stimmrechtsberater ihren Sitz in den USA und damit außerhalb des deutschen bzw. außerhalb des europäischen Hoheitsgebiets.56 Dieses Problem ist von den Ratingagenturen bekannt, die ihren (Haupt-)Sitz ebenfalls außerhalb der Europäischen Union haben. Der europäische Gesetzgeber hat sich insoweit darauf beschränkt, nur die in der Gemeinschaft registrierten Ratingagenturen zu regulieren (Art. 2 Abs. 1 Rating-VO57). Die Registrierungspflicht gilt nur für solche Agenturen, die als Rechtspersönlichkeit ihren Sitz in der Gemeinschaft haben (Art. 14 Abs. 1 Rating-VO). Demzufolge gilt die Verordnung gegenwärtig nicht für die beiden größten Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s, sondern lediglich für deren europäische Tochtergesellschaften. Fitch hat hingegen einen seiner beiden Hauptsitze im Vereinigten Königreich, sodass auch die Muttergesellschaft in der Europäischen Union registriert ist und der Rating-VO unterfällt.58 Für Abschlussprüfer ist nach Art. 47 des VO-E die Geltung des Herkunftslandprinzips vorgesehen, wonach ein Mitgliedsstaat nur dann handlungsbefugt ist, wenn der Abschlussprüfer in diesem Mitgliedstaat zugelassen ist und das geprüfte Unternehmen dort seinen Sitz hat. Ob für Stimmrechtsberater ähnliche Zurückhaltung geboten ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Internationalen Kapitalmarktrechts. Für das Kapitalmarktrecht gibt es – anders als im Internationalen Privatrecht – keine eigenständigen, allseitigen Kollisionsnormen. Grundsätzlich ergibt sich aus einer jeden Norm selbst, also „vom Gesetz her“, welche Sachverhalte erfasst werden sollen.59 Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung eingriffsrechtlicher Normen das Territorialitätsprinzip beachten, er darf also nur Sachverhalte innerhalb seines Hoheitsgebiets regeln.60 Bestimmt man das „Territorium“ nach dem Sitz der juristischen Person, wären US-amerikanische Stimmrechtsberater dem Regulierungszugriff des deutschen und 56

Darauf hinweisend Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. s. oben Fn. 41. 58 s. die Auflistung registrierter Ratingagenturen unter http://www.esma.europa. eu/page/List-registered-and-certified-CRAs (Stand: 23. 04. 2012). 59 Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217, 226 ff.; s. auch U. H. Schneider, AG 2001, 269, 273 f.; Schnyder, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2010), IntKapMarktR, Rn. 38; Spindler, WM 2001, 1689, 1690. 60 s. allgemein Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. (2004), § 23 I 2, S. 1095 f. 57

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auch dem des europäischen Gesetzgebers vollständig entzogen. Allerdings ist das Territorialitätsprinzip für den Bereich des Kapitalmarktrechts zu einem Marktortprinzip (auch: Auswirkungsprinzip) weiterentwickelt worden.61 Danach kommt es nicht auf den Sitz eines Dienstleisters an, sondern darauf, wo er seine Dienstleistung erbringt respektive wo die Dienstleistung sich auswirkt. Begibt sich der Dienstleister also auf einen ausländischen Markt, so muss er damit rechnen, sich auch nach den Regeln dieses Markts richten zu müssen.62 Die Regulierung eines ausländischen Dienstleisters ist aber nicht schon dann gerechtfertigt, wenn inländische Kunden ihrerseits aktiv werden und deutsches Hoheitsgebiet verlassen. Die Inländer können in diesem Fall nicht darauf vertrauen, sich uneingeschränkt auf den Schutz inländischen Rechts berufen zu können. Ein Zugriff des Gesetzgebers kommt vielmehr nur für solche ausländischen Akteure in Betracht, die aktiv den inländischen Markt ansprechen.63 Bei Stimmrechtsberatern ist zunächst danach zu fragen, welcher Markt insoweit überhaupt maßgeblich ist. Es kommt sowohl der Markt in Betracht, auf dem die Abstimmungsempfehlung unterbreitet wird, als auch der Markt, auf dem die Empfehlung letztlich Bedeutung erlangt. Im ersten Fall müsste man hinsichtlich des Regulierungszugriffs danach unterscheiden, an welchen institutionellen Anleger eine Abstimmungsempfehlung gerichtet ist. Nur wenn ein institutioneller Anleger seinen Sitz in Deutschland bzw. in der Europäischen Union hat, könnte der jeweilige Gesetzgeber Regelungen für die Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen an diesen institutionellen Anleger treffen. Im zweiten Fall käme es hingegen auf den Sitz des Emittenten an. Liegt dessen Sitz in Deutschland bzw. in der Europäischen Union, so könnten Vorgaben für alle Abstimmungsempfehlungen in Bezug auf diesen Emittenten getroffen werden. Es wären also auch Empfehlungen erfasst, die an institutionelle Anleger mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets gerichtet sind. Der maßgebliche Markt kann mit Blick auf den Schutzzweck der hier vorgeschlagenen Regelung bestimmt werden.64 Kapitalmarktrecht hat klas61 Ausführlich Kiel, Internationales Kapitalanlegerschutzrecht, 1994, S. 297 ff. s. auch Assmann, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl. (2004), Einl., Rn. 694; Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283, passim; U. H. Schneider, AG 2001, 269, 276; Spindler, WM 2001, 1689, 1699. Im Zusammenhang mit § 32 Abs. 1 KWG auch Freiwald, WM 2008, 1537, 1543; Rögner, WM 2006, 745, 748; Vahldieck, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl. (2008), § 53, Rn. 164; Voge, WM 2007, 381, 385. 62 Zum Ganzen Christoph, ZBB 2009, 117, 119; s. auch U. H. Schneider, AG 2001, 269, 272. 63 Grundlegend Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 67 ff.; s. auch Christoph, ZBB 2009, 117, 120; Spindler, WM 2001, 1689, 1699 (im Zusammenhang mit der „Streuwirkung des Internets“); auf die entsprechende Verwaltungspraxis der BaFin bei der Anwendung des § 32 Abs. 1 KWG hinweisend Vahldieck, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl. (2008), § 53, Rn. 143.

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sischerweise zwei unterschiedliche Funktionen. Es will zum einen die Funktionsfähigkeit der Märkte gewährleisten, zum anderen aber auch die Interessen der Anleger schützen.65 Wenn man eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten in der hier vorgeschlagenen Form anordnet, die Offenlegung also zusammen mit der Unterbreitung einer Abstimmungsempfehlung erfolgen soll, dann wird die Information über das Vorliegen des Interessenkonflikts (direkt) nur den Kunden des Stimmrechtsberaters bekannt. Somit steht der individuelle Anlegerschutz im Zentrum der Regelung. Maßgeblich sollte daher der Markt sein, auf dem die Abstimmungsempfehlung unterbreitet wird.66 Demnach kann der europäische bzw. der deutsche Gesetzgeber eine Offenlegungspflicht nur für solche Abstimmungsempfehlungen anordnen, die an institutionelle Anleger mit Sitz im Inland gerichtet sind. Ob eine entsprechende Norm tatsächlich Anwendung finden kann, hängt nach dem Gesagten weiter davon ab, ob ein Stimmrechtsberater sein Angebot aktiv an den inländischen Markt richtet. Sicher kann man hiervon wohl dann ausgehen, wenn ein Stimmrechtsberater im Inland Zweigstellen unterhält.67 Eine entsprechende Wertung enthält auch § 53 Abs. 1 KWG, wonach Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute als dem KWG unterfallende Kreditinstitute gelten. Dass ein Stimmrechtsberater Abstimmungsempfehlungen für inländische Emittenten anbietet, wird hingegen alleine nicht ausreichen. Schließlich kann ein Stimmrechtsberater sein Angebot auch nur an ausländische Aktionäre dieses Emittenten richten. Zumindest ist aber auch keine derart große Zurückhaltung geboten wie sie etwa in der Rating-VO zum Ausdruck kommt, nämlich dass eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten nur in Bezug auf solche Stimmrechtsberater angeordnet werden könnte, die im Inland physisch präsent sind oder gar nur für solche, die auch ihren Sitz dort haben.

64

Vgl. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 60. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 40 ff. m. zahlr. w. N.; s. auch Göthel, IPRax 2001, 411, 415; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 165 ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 51 f., 333 ff.; ders., ZHR 141 (1977), 389, 429, 431; ders., ZHR 159 (1995), 135, 158 f.; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. (2011), Rn. 14.141 ff. Für das Europäische Kapitalmarktrecht s. Klöhn, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. (2008), § 6, Rn. 13 (unter Verweis auf Erwägungsgrund 1 der Transparenzrichtlinie, oben § 8, Fn. 27). 66 Im Zusammenhang mit § 32 Abs. 1 KWG auf den Sitz des Kunden abstellend Freiwald, WM 2008, 1537, 1543; Rögner, WM 2006, 745, 748. 67 ISS unterhält in der Europäischen Union Büros in Brüssel, London und Paris, s. den Nachweis in § 8, Fn. 267. 65

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b) Offenlegungspflichten zur Bemessung des Einflusses von Stimmrechtsberatern Offenlegungspflichten kann darüber hinaus die Funktion zukommen, den Markt über die Einflussnahmemöglichkeiten einzelner (natürlicher oder juristischer) Personen auf einen Emittenten aufzuklären. Diesen Zweck verfolgen vor allem die §§ 21 ff. WpHG (Art. 9 ff. Transparenzrichtlinie68)69, wonach Aktionäre den Markt informieren müssen, wenn ihre Beteiligung an einem Emittenten bestimmte Schwellenwerte überschreitet (§ 21 WpHG).70 Bei der Berechnung sind neben der Höhe der eigenen Beteiligung die zuzurechnenden Stimmrechte (§ 22 WpHG) zu berücksichtigen. Stimmrechtsberater nehmen zwar faktisch mitunter erheblichen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung ihrer Kunden. Wie dargelegt unterfallen die Sachverhalte jedoch in aller Regel nicht den Mitteilungspflichten der §§ 21 ff. WpHG.71 Es stellt sich daher die Frage, ob die Mitteilungspflichten erweitert werden sollten und, wenn ja, wie eine solche Erweiterung aussehen könnte. aa) Sollte eine Erweiterung erfolgen? („Ob“) Die in dieser Arbeit dargestellten empirischen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die einflussreichen Stimmrechtsberater die Ausübung eines erheblichen Teils der Stimmrechte beeinflussen können. Aufgrund des hohen Anteils ausländischer institutioneller Anleger bei deutschen Aktiengesellschaften sind die Erkenntnisse wohl jedenfalls in der Tendenz auf die tatsächliche Situation in Deutschland übertragbar. Wenn der Markt über die Einflussnahme eines Stimmrechtsberaters, die sich in dem koordinierten Abstimmungsverhalten einer Vielzahl institutioneller Anleger niederschlägt, keine Kenntnis erlangt, dann bleibt die Öffentlichkeit über die Beherrschungsverhältnisse im Unklaren. Ein hoher Streubesitz kann nicht mehr unbedingt als Indiz für eine handlungsunfähige Hauptversammlung gelten. Das Wissen um die Beherrschungsverhältnisse wird jedoch als wichtiger 68

s. den Nachweis in § 8, Fn. 27. BT-Drs. 12/6679, S. 52; s. auch Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30, Rn. 16; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), Vor § 21, Rn. 19. 70 Zwar ist in § 21 Abs. 1 WpHG von den Stimmrechten an einem Emittenten die Rede. Die Stimmrechte können aber nicht erworben oder veräußert werden wie es in § 21 Abs. 1 WpHG heißt. Es kommt daher auf den Anteil der gehaltenen Aktien an. Vgl. U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 21, Rn. 31 f. 71 Oben S. 256 ff. 69

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Aspekt sowohl für Anlageentscheidungen als auch für die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte angesehen.72 Aus diesem Grund sollte über die Einflussnahmemöglichkeit eines Stimmrechtsberaters Klarheit herrschen.73 Dass es sich – da die Letztentscheidung über die Stimmrechtausübung bei den Aktionären verbleibt – tatsächlich nur um eine mögliche Einflussnahme handelt, steht einer Offenlegungspflicht nicht entgegen. Vielmehr zeigt eine systematische Betrachtung, dass die §§ 21 ff. WpHG schon heute ähnliche Regelungen enthalten. So geht es in § 22 Abs. 1 WpHG zum Teil auch um Fälle, in denen ein Zusammenwirken lediglich für möglich gehalten wird, ohne dass es tatsächlich vorliegen müsste. Exemplarisch ist § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu nennen: Für die Zurechnung genügt die bloße Stellung als Tochterunternehmen, auch wenn eine Abstimmung mit der Muttergesellschaft tatsächlich gar nicht stattfindet. Umgekehrt kommt es bei einer Zurechnung wegen abgestimmten Verhaltens (§ 22 Abs. 2 WpHG) lediglich auf die Verhaltensabstimmung an. Wie die Stimmrechte letztlich ausgeübt werden, spielt keine Rolle.74 Auch insoweit geht es also um eine Vereinbarung, die nur möglicherweise im tatsächlichen Abstimmungsverhalten zum Ausdruck kommen wird. bb) Erweiterungsstrategien („Wie“) Strebt man eine Erweiterung der Offenlegungspflichten an, so ist zunächst die Frage der Regulierungsebene zu klären.75 Zwar wären nationale Regelungen nicht völlig nutzlos, da sie – je nach Ausgestaltung – durchaus Klarheit über den Einfluss von Stimmrechtsberatern auf inländische Emittenten verschaffen könnten. Dem Problem der grenzüberschreitend agierenden Stimmrechtsberater würden aber Regelungen auf supranationaler Ebene besser gerecht. Angestrebt werden sollte daher ein Rechtsakt der Europäischen Union. Denkbar ist sowohl der Erlass einer Verordnung oder einer Richtlinie speziell für Stimmrechtsberater als auch eine Anpassung der Art. 9 ff. Transparenzrichtlinie.76 72 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30, Rn. 15 f.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), Vor § 21, Rn. 19. 73 In diesem Sinne auch U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 96: „Mit der wachsenden Bedeutung der Stimmrechtsberatung werden sich aus der Veröffentlichung der Beteiligungsverhältnisse keine zutreffenden Aussagen mehr über die wirkliche Stimmrechtsmacht im Unternehmen ableiten lassen. Die §§ 21 ff. WpHG greifen vor diesem Hintergrund zu kurz.“; s. auch Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156, 158. Ohne Begründung dagegen Kocher/Heydel, AG 2011, 543, 546. 74 s. die Nachweise in § 8, Fn. 54. 75 Zur Konkurrenz zwischen nationalem und europäischen Gesetzgeber in Corporate Governance-Fragen s. allgemein Fleischer, ZGR 2012, 160, 164 ff.

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Wendet man sich dann der konkreten Ausgestaltung einer Offenlegungspflicht zu, so sollte dabei an sich demjenigen die Meldepflicht auferlegt werden, der die Pflicht zu den geringsten Kosten erfüllen kann (least cost provider).77 Diese Rolle dürfte dem Stimmrechtsberater zukommen: Der Stimmrechtsberater weiß, wen er berät und kennt möglicherweise auch die genaue Höhe der jeweiligen Anteile. Zumindest könnte er die Kunden dazu anhalten, ihm die genaue Höhe mitzuteilen. Er bräuchte dann nur die Einzelangaben zusammenzurechnen und wäre dadurch in der Lage eine Auskunft darüber zu erteilen, wie groß der Anteil der Aktionäre ist, der seine Abstimmungsempfehlungen bezieht.78 Mangels Kenntnis kann der Stimmrechtsberater zwar keine Auskunft darüber geben, wie viele Aktionäre seinen Empfehlungen letztlich folgen. Das ist aber, wie bereits angedeutet, auch nicht der Anspruch der hier befürworteten Offenlegungspflicht. Die Pflicht dient lediglich der Annäherung an den tatsächlichen Einfluss einzelner Stimmrechtsberater. Problematisch ist die Begründung einer so gestalteten Offenlegungspflicht allerdings wiederum in Hinblick auf die internationale Dimension typischer Sachverhalte. Die bedeutenden Stimmrechtsberater haben ihren Sitz in den USA und unterliegen daher dem Regulierungszugriff des deutschen oder europäischen Gesetzgebers nur bedingt. Um die genaue Grenze des (noch) Zulässigen bestimmen zu können, hilft ein Blick auf die bestehenden Meldepflichten. Hier stellt sich ein vergleichbares Problem, da der Kreis der Aktionäre ebenfalls international sein kann. Die §§ 21 ff. WpHG knüpfen an den „Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist“ an. Der Begriff wird in § 2 Abs. 6 WpHG definiert; er ist von dem in § 2 Abs. 7 WpHG beschriebenen „Inlandsemittenten“ zu unterscheiden. Details sind im vorstehenden Zusammenhang nicht von Belang. Entscheidend ist nur die Erkenntnis, dass die §§ 21 ff. WpHG an den Sitz des Emittenten anknüpfen. Die Pflichten gelten also sowohl für in- als auch für ausländische Aktionäre.79 Dass der Gesetzgeber eine solche Regelung, die auch Auslandssachverhalte erfasst, treffen durfte, ergibt sich wiederum 76 Im Ergebnis ähnlich Fleischer, AG 2012, 2, 7 f.; ders., ZGR 2012, 160, 167, 172, der eine Rechtsgrundlage für ein Handeln der EU in Art. 114 AEUV sieht. Für eine Regelung auf europäischer Ebene auch Bachmann, AG 2012, 565, 578; Klöhn/ Schwarz, ZIP 2012, 149, 158. 77 Vgl. Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213 (1961); Easterbrook/Fischel, 70 Virginia L. Rev. 669, 680 ff. (1984); dies., The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 286 ff.; im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht s. auch Klöhn, WM 2010, 1869, 1878. 78 So bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. 79 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 21, Rn. 4 f.; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 21 WpHG, Rn. 10a f.; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider,

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aus dem Marktortprinzip als dem reasonable link („sinnvolle Anknüpfung“)80: Der entscheidende Markt im Sinne dieses Prinzips ist auch im vorstehenden Zusammenhang entsprechend des Schutzzwecks der jeweiligen Regelung zu bestimmen.81 Die §§ 21 ff. WpHG verfolgen das Ziel, zum Schutz der Anleger größtmögliche Beteiligungstransparenz zu schaffen. Die Beteiligungstransparenz bezieht sich auf den Emittenten, sodass die Anknüpfung an dessen Herkunftsstaat als eine sachgerechte Lösung erscheint.82 Der Schutzzweck kann nur verwirklicht werden, wenn auch ausländische Aktionäre der Meldepflicht unterliegen. Andernfalls entstünde in der Öffentlichkeit ein unvollständiges – und damit falsches – Bild über die Beherrschungsverhältnisse in einer Gesellschaft.83 Hinzu kommt, dass sich die ausländischen Aktionäre durch den Aktienkauf bewusst auf den „Heimatmarkt“ des Emittenten begeben und daher mit der Geltung der dortigen Regeln rechnen müssen. Dies vorausgeschickt lässt sich beantworten, ob Stimmrechtsberatern mit Sitz im Ausland eine Offenlegungspflicht auferlegt werden darf. Bejaht man eine Notwendigkeit für die Erweiterung der Meldepflichten, so liegt deren Schutzzweck ebenfalls im Anlegerschutz. Der Anlegerschutz soll durch die Schaffung größtmöglicher Beherrschungstransparenz erreicht werden. Auch wenn aufgrund der professionellen Beratung der Aktionäre durch einen Dritten neue Anforderungen an die Beherrschungstransparenz zu stellen sind, so bezieht sich diese Transparenz doch auch hier auf den Emittenten. Die Tätigkeit der Stimmrechtsberater wirkt sich bei dem Emittenten aus (daher auch: Auswirkungsprinzip), sodass der Bezug zu dessen Herkunftsstaat gegeben ist. Nicht ganz einfach zu beantworten ist indessen die Frage, ob Stimmrechtsberater sich auch bewusst an den „Heimatmarkt“ des Emittenten richten und insofern mit der Geltung des dortigen Rechts rechnen müssen. Man könnte argumentieren, dass insoweit auf die Kundenbeziehung abzustellen ist. Dann könnte eine Meldepflicht für einen StimmWpHG, 6. Aufl. (2012), § 21, Rn. 9; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 10. 80 s. auch Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 21 WpHG, Rn. 10b; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), Vor § 21, Rn. 52, 54; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 10. 81 Ähnlich Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Losebl. (Stand: 5. Lfg., Oktober 2010), § 21 WpHG, Rn. 10b: Maßgeblich für die Eingriffsbefugnis sei das inländisch geschützte Rechtsgut. s. dazu bereits den Text zu Fn. 64. 82 Vgl. U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), Vor § 21, Rn. 50 ff. 83 Vgl. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2009, § 21, Rn. 13; U. H. Schneider, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), Vor § 21, Rn. 53.

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rechtsberater nur in Bezug auf den Anteil seiner Kunden begründet werden, die ihren Sitz im Herkunftsstaat des Emittenten haben. Dieses Ergebnis wäre allerdings unbefriedigend. Der vom Stimmrechtsberater gemeldete Wert wäre schlicht falsch und würde wohl mehr Verwirrung stiften als Nutzen bringen. Überzeugender erscheint es, die Gerichtetheit des Angebots im Lichte des verfolgten Schutzzwecks zu bestimmen. Wenn also Beherrschungstransparenz geschaffen werden soll und die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern zu diesem Zweck erfasst werden muss, dann kommt es hinsichtlich der Gerichtetheit der Tätigkeit auf den Aspekt an, der die Notwendigkeit für die Erfassung begründet. Diese Notwendigkeit besteht darin, dass Stimmrechtsberater Abstimmungsempfehlungen für inländische Emittenten anbieten. Insoweit richten sich Stimmrechtsberater an den Herkunftsstaat des Emittenten und müssen daher in dem Rahmen, den die dort verfolgten Schutzzwecke verlangen, die Regeln dieses Markts befolgen. Das Marktortprinzip rechtfertigt also die Begründung einer Meldepflicht auch für Stimmrechtsberater mit Sitz im Ausland. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Begründung einer Offenlegungspflicht für Interessenkonflikte, die nach hier vertretener Auffassung nur für inländische institutionelle Anleger angeordnet werden darf. Die unterschiedliche Beurteilung resultiert aus unterschiedlichen Schutzzwecken: Während bei der Offenlegung eines Interessenkonflikts der individuelle Anleger geschützt werden soll, dient die Schaffung von Beherrschungstransparenz der Gesamtheit tatsächlicher und potentieller Investoren. Auch wenn die Anordnung einer Offenlegungspflicht für ausländische Stimmrechtsberater prinzipiell möglich ist, dürften sich bei ihrer praktischen Umsetzung Schwierigkeiten ergeben. Ob Stimmrechtsberater der Meldepflicht nachkommen, dürfte nämlich maßgeblich davon abhängen, welche Sanktionen im Falle einer Missachtung drohen. Verletzen Aktionäre die Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG, so droht ihnen vor allem der Verlust ihrer Stimmrechte (§ 28 S. 1 WpHG). Diese Sanktion kommt für Stimmrechtsberater nicht in Betracht, da ihnen selbst gar keine Stimmrechte zustehen. Zwar könnte man erwägen, einen Verstoß des Stimmrechtsberaters gegen die Meldepflicht damit zu sanktionieren, dass dessen Kunden ihre Stimmrechte verlieren. Hierfür fehlt es allerdings schon an einer umfassenden Kenntnis darüber, welcher institutionelle Anleger Abstimmungsempfehlungen von welchem Stimmrechtsberater bezieht. Zudem erscheint eine Sanktion für die institutionellen Anleger deshalb als zu weitgehend, weil ihnen als bloße Kunden keine unmittelbaren Einflussnahmemöglichkeiten zur Verfügung stehen.84 Um den Verlust ihrer Stimmrechte zu vermeiden, könnten Anleger daher ganz auf die Mandatierung eines Stimmrechtsbera84

Ähnlich Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156.

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ters verzichten oder gar – weil die Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre ohne die Hilfe eines Stimmrechtsberaters schlechter sind – auf Beteiligungen an deutschen bzw. europäischen Unternehmen verzichten. Beides ist nicht erwünscht. Die Regulierung von Stimmrechtsberatern ist, wie eingangs beschrieben, vielmehr so vorzunehmen, dass lediglich die Fehlanreize der Anbieter beseitigt werden, die positiven Auswirkungen des Phänomens aber erhalten bleiben. Als weiteres Sanktionsmittel ist in § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e), Abs. 4 WpHG die Möglichkeit vorgesehen, den Meldepflichtigen mit einem Bußgeld zu belegen. Dessen Vollstreckung im Ausland kann jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Gleiches gilt für die Ermittlungsmöglichkeiten, die § 4 Abs. 3 WpHG der BaFin einräumt.85 Insgesamt erscheint die Begründung einer Meldepflicht zumindest für Stimmrechtsberater mit Sitz im Ausland aus den genannten Gründen als ein ungeeignetes Regulierungsinstrument. Zur Schaffung von Beherrschungstransparenz kommt jedoch ein weiterer Weg in Betracht, der in der Praxis wohl leichter umsetzbar ist86: Wie gezeigt unterliegen bereits gegenwärtig alle Aktionäre, auch die ausländischen, einer Offenlegungspflicht. Da der Regulierungszugriff insoweit grundsätzlich zu bejahen ist, könnte die bestehende Offenlegungspflicht durch einen hauptversammlungsbezogenen Zusatz erweitert werden. So könnte man die Aktionäre verpflichten, dem Emittenten im Vorfeld der Hauptversammlung, etwa zum record date (§ 123 Abs. 3 S. 3 AktG), unter Angabe der Höhe ihrer Beteiligung mitzuteilen, ob sie sich bei der Stimmrechtsausübung von einem Dritten beraten lassen und, wenn ja, um wen es sich hierbei handelt. Der Emittent müsste die einzelnen Anteile der beratenen Aktionäre nur addieren und könnte dann eine Mitteilung darüber veröffentlichen, welcher Anteil seiner Aktionäre die Abstimmungsempfehlungen welches Stimmrechtsberaters bezieht. Das Ziel, den Markt über die Beherrschungsverhältnisse in einer Gesellschaft zu informieren, wäre erreicht. Im Falle einer Missachtung der Pflicht bieten die bereits heute im WpHG vorgesehenen Sanktionsmittel geeignete Handlungsmöglichkeiten. Die in § 21 Abs. 1 WpHG enthaltenen Schwellenwerte sollten für die Mitteilungspflicht der Aktionäre hinsichtlich der Beratung durch einen Stimmrechtsberater jedoch keine Anwendung finden: Einem Stimmrechtsberater erwächst Einfluss auch und gerade dadurch, dass er viele institutionelle Anleger berät, von denen jeder für sich genommen nur eine sehr kleine Beteiligung hält. Allerdings erscheint auch der Nutzen einer so gestalteten Mitteilungspflicht begrenzt. Zum einen ist unklar, wie viele Aktionäre den Empfehlun85 Zu letzterem Aspekt s. auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. (2010), § 22 WpHG, Rn. 10. 86 s. dazu bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156.

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gen ihres Stimmrechtsberaters tatsächlich blind folgen. Der ermittelte Anteil der von einem Stimmrechtsberater beratenen Aktionäre ist daher nur (aber immerhin) ein Indiz für dessen Einfluss auf die Gesellschaft. Zum anderen gibt die Meldepflicht nur Auskunft über den Einfluss auf Hauptversammlungsbeschlüsse. Tatsächlich üben Stimmrechtsberater einen erheblichen Teil ihres Einflusses aber nicht auf diesem Wege, sondern im Rahmen persönlicher Gespräche mit dem Vorstand aus.87 Für das Gewicht, das der Vorstand den dort an ihn gerichteten Forderungen beimisst, ist der zum record date mitgeteilte Wert noch mehr nur Indiz denn ernstzunehmende Größe als schon in Bezug auf die Hauptversammlung. Gleichwohl bietet eine Meldepflicht in der hier vorgeschlagenen Form einen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Einflusses der Stimmrechtsberater auf deutsche Emittenten und dient daher der bereits mehrfach geforderten Schaffung bzw. Ausweitung einer verlässlichen Tatsachengrundlage.88 4. Verfahrensanforderungen Da eine Offenlegungspflicht für bestehende Interessenkonflikte nur einen bestehenden Fehlanreiz betrifft und diesen auch nicht eliminiert, sondern lediglich abschwächt, sind weitere Regulierungsinstrumente in Betracht zu ziehen. Auf der nächsten Intensitätsstufe geht es um Regelungen für die Tätigkeit der Stimmrechtsberater selbst. Insoweit ist zu differenzieren zwischen Anforderungen an das Verfahren und Anforderungen an die Methode.89 a) Vergleich mit anderen Informationsintermediären Verfahrensanforderungen sind aus der Diskussion über andere Informationsintermediäre bekannt. Für Ratingagenturen sieht etwa Art. 8 Abs. 2 Rating-VO unkonkret vor, dass „geeignete Verfahren“ anzunehmen und durchzusetzen sind, um eine gründliche Analyse aller Informationen bei der Rating-Erstellung sicherzustellen. Eine besondere Vorgabe enthält Art. 8 Abs. 3 Rating-VO, wonach Ratingagenturen „Rückvergleiche“ vorzunehmen haben. Sie sollen also aus einer ex post-Perspektive überprüfen, ob ihre Ratings zur Kreditausfallwahrscheinlichkeit den Kreditausfällen, die tatsächlich zu verzeichnen waren, entsprechen. Außerdem bestimmt 87

Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. Zu dieser Forderung s. etwa Bachmann, AG 2012, 565, 578; Fleischer, AG 2012, 2, 7; ders., ZGR 2011, 155, 172; DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 940 (Tatsachengrundlage „noch nicht verlässlich“). 89 Zu methodischen Vorgaben für Stimmrechtsberater s. noch S. 344 ff. 88

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die Verordnung, dass alle Ratings unterschiedslos und rechtzeitig bekanntzugeben sind (Art. 10 Abs. 1 Rating-VO). Von Bedeutung ist schließlich, dass die Mitarbeiter einer Ratingagentur ausreichend qualifiziert sein sollen. Auf die Unabhängigkeit der Analysten zielt Art. 6 Abs. 1 Rating-VO ab, wonach Auswirkungen von Interessenkonflikten vermieden werden sollen. Nach Art. 7 Abs. 2 Rating-VO sollen zudem die Analysten, die die Vergütung ausgehandelt haben, nicht auch das Rating erstellen. Der Verordnungsentwurf für Abschlussprüfer enthält ebenfalls Anforderungen an das Verfahren. So sollen Prüfungsgesellschaften nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission künftig etwa geeignete Grundsätze und Verfahren festlegen, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ihrer einzelnen Abschlussprüfer (Art. 6 Abs. 1 lit. a) VO-E) sowie deren Qualifikation (Art. 6 Abs. 1 lit. c) VO-E) zu gewährleisten. Zudem sollen Abschlussprüfer über solide interne Kontrollmechanismen verfügen (Art. 6 Abs. 1 lit. b) VO-E) und ein internes Qualitätssicherungssystem einrichten (Art. 6 Abs. 1 lit. g) VO-E). Schließlich strebt die Kommission eine Regelung an, wonach die Vergütung von Mitarbeitern nicht von den Einnahmen abhängen darf, die der Abschlussprüfer von dem geprüften Unternehmen erhält (Art. 6 Abs. 1 lit. j) VO-E). Art. 7 VO-E sieht, in Ergänzung hierzu, die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer von dem geprüften Unternehmen vor. b) Institutionalisierung des Kontakts zwischen Stimmrechtsberatern und Emittenten Auch für Stimmrechtsberater existieren bereits Vorschläge für eine Regulierung von Verfahrensfragen. Zu dieser Kategorie zählt etwa die Erwägung, den Kontakt zwischen Stimmrechtsberatern und Emittenten zu institutionalisieren. Der Erwägung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Mitglieder der Verwaltungsorgane den besten Einblick in „ihr“ Unternehmen haben, sie in der Regel Experten für die jeweilige Branche sind und sie daher (lässt man die Prinzipal-Agenten-Beziehung zu den Aktionären einmal außer Betracht) auch am ehesten in der Lage sein müssten, sinnvolle Beschlussempfehlungen abzugeben. Stimmrechtsberater verfügen hingegen nicht über ausgefeiltes unternehmensspezifisches Wissen. Es besteht daher die Gefahr, dass ein einflussreicher Stimmrechtsberater eine Beschlussempfehlung der Verwaltungsorgane ablehnt und dadurch das Zustandekommen eines Beschlusses verhindert, obwohl er bei Kenntnis der spezifischen Faktoren, die der Grund für die Empfehlung sind, seine Zustimmung erklärt hätte. Dem Problem kann man möglicherweise durch eine Regelung begegnen, wonach Stimmrechtsberater jede ihrer Empfehlungen noch vor deren Abgabe dem betroffenen Emittenten zuleiten und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme

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einräumen müssen.90 Wer noch weiter gehen will, verpflichtet Stimmrechtsberater für den Fall eines Dissenses mit dem Emittenten dessen Gegendarstellung zusammen mit der eigenen Abstimmungsempfehlung zu verbreiten.91 Der Nutzen einer solchen Stellungnahmemöglichkeit für den Emittenten wäre aber wohl begrenzt, da bereits heute im Vorfeld von Hauptversammlungen Gespräche zwischen Stimmrechtsberatern und Emittenten stattfinden.92 Diese Gespräche dienen gerade der Abstimmung von Beschlussvorschlägen der Verwaltung und Empfehlungen der Stimmrechtsberater. Faktisch besteht also häufig auch ohne Regulierung eine Stellungnahmemöglichkeit.93 Die Erwägung, Stimmrechtsberater im Falle eines Dissenses auch zur Verbreitung der Gegenauffassung zu verpflichten, erscheint indessen unverhältnismäßig. Schließlich steht es den Verwaltungsorganen frei, sich selbst an die Aktionäre zu wenden und in einer Stellungnahme die fehlerhaften Annahmen einzelner Stimmrechtsberater aufzuzeigen. Die voranschreitende Umstellung auf Namensaktien vor allem bei den großen Aktiengesellschaften erleichtert insoweit das Auffinden der Aktionäre. Diese Möglichkeit steht dem Emittenten nur dann nicht zur Verfügung, wenn der Stimmrechtsberater seine Empfehlung erst unmittelbar vor der Hauptversammlung ausspricht und infolgedessen für die Verbreitung der Gegenauffassung nicht ausreichend Zeit bleibt. Insoweit kann eine Fristenregelung helfen, wonach ein Stimmrechtsberater seine Empfehlungen in ausreichendem zeitlichen Abstand zur Hauptversammlung aussprechen und sie zeitgleich auch dem Emittenten mitteilen muss.94 Auch wenn man mit Blick auf das Marktortprinzip und den mit einer solchen Fristenregelung verfolgten Schutzzweck – Sicherstellung eines Abstimmungsverhaltens, das dem Wohle des Emittenten dient – den Regulierungszugriff des deutschen oder 90 Autorité des Marchés Financiers, AMF Recommendation Nº 2011-06 sur les agences de conseil de vote, 18 Mars 2011, Punkt 3; Deutsches Aktieninstitut, Response to Green Paper „The EU corporate governance framework“, S. 16 f.; in dieselbe Richtung deutet die Erwägung der SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, July 2010, S. 122. Zum Vorschlag s. auch Fleischer, AG 2012, 2, 9; ders., ZGR 2011, 155, 173. Zu einem entsprechenden Vorschlag für Ratingagenturen s. Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1353. 91 Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 8; erwägend auch Deutsches Aktieninstitut, Response to Green Paper „The EU corporate governance framework“, S. 16 f. 92 s. auch European Securities and Markets Authority, An Overiew of the Proxy Advisory Industry, March 2011, S. 14 f. 93 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156; Wilsing, ZGR 2012, 291, 304; skeptisch in Hinblick auf entstehende Kosten und drohende Haftungsgefahren Fleischer, AG 2012, 2, 9. 94 Vgl. Fleischer, AG 2012, 2, 9.

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europäischen Gesetzgebers an sich bejahen müsste, erscheint es unsicher, ob eine entsprechende Bestimmung im Ausland auch durchgesetzt werden könnte. c) Nachträgliche Überprüfungspflicht für Abstimmungsempfehlungen Eine weitere Möglichkeit zur Regulierung besteht darin, Stimmrechtsberatern eine Pflicht zur nachträglichen Überprüfung ihrer Abstimmungsempfehlungen (historical accuracy) aufzuerlegen und über das Ergebnis dieser Überprüfung öffentlich zu berichten.95 Der Vorschlag ist inspiriert von Bestimmungen für Ratingagenturen, wonach diese „Rückvergleiche“ vornehmen müssen.96 Er ist der Schnittmenge von Verfahrens- und Methodikanforderungen zuzuordnen, wird hier aber wegen seines formalen Charakters bei den Verfahrensfragen behandelt. Ratingagenturen können Rückvergleiche vornehmen, indem sie für jede einzelne Ratingstufe untersuchen, wie viele der dieser Stufe zugeordneten Emittenten ihre Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen konnten. Wenn eine bessere Notenstufe in jedem Einzelfall mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit des Zahlungsfalls einhergeht als bei der jeweils niedrigeren Stufe festgestellt, ist das ein Indiz für die Richtigkeit der angewandten Methode und damit auch – vorausgesetzt, die abstrakt festgelegte Methode wird auch tatsächlich eingehalten – für die Richtigkeit der Bewertungen im Einzelfall. Für Stimmrechtsberater macht eine Pflicht zur nachträglichen Überprüfung der Abstimmungsempfehlungen nur dann Sinn, wenn aus einer ex post-Perspektive in ähnlich sicherer Weise beurteilt werden könnte, ob eine abgegebene Abstimmungsempfehlung „richtig“ war. Institutionelle Anleger streben mit der Befolgung von Abstimmungsempfehlungen eine Steigerung des shareholder value an, sodass diese Größe auch als Bezugspunkt einer nachträglichen Überprüfungspflicht in Betracht kommt. Die tatsächliche Durchführung einer Überprüfung dürfte allerdings schwer fallen: Zunächst kann ein Zusammenhang zwischen Abstimmungsempfehlung und Aktienkurssteigerung überhaupt nur dann gemessen werden, wenn der letztlich gefasste Beschluss und die Empfehlung des Stimmrechtsberaters übereinstimmen. Ist das nicht der Fall, hat sich die Empfehlung des Stimmrechtsberaters nicht im Ergebnis der Abstimmung 95 Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 70 f.; ähnlich Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 8 f. 96 Zu dieser Bestimmung aus der Rating-VO s. oben S. 337.

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und damit regelmäßig auch nicht im Aktienkurs97 niedergeschlagen. Dem Stimmrechtsberater kann damit weder bei einem Absinken des Kurses noch bei dessen Anstieg ein Vorwurf gemacht werden: Es könnte sein, dass bei einer Beschlussfassung entsprechend seiner Empfehlung der Kurs nicht oder nicht so stark abgesunken bzw. dass ein noch stärkerer Anstieg zu verzeichnen gewesen wäre. Daneben wird der Aktienkurs eines Unternehmens nicht nur von den Beschlüssen der Hauptversammlung beeinflusst, sondern von zahlreichen weiteren externen Faktoren. Hierzu zählen etwa die allgemeine und die branchenspezifische Wirtschaftslage. Es kann also sein, dass ein Stimmrechtsberater trotz eines sinkenden Börsenkurses die „richtige“ bzw. trotz eines steigenden Börsenkurses die „falsche“ Empfehlung ausgesprochen hat. Statistiker mögen versuchen, den Einfluss der Abstimmungsempfehlungen auf den Börsenkurs unter Beachtung externer Faktoren zu ermitteln. Das ändert jedoch nichts daran, dass Rückvergleiche bei Abstimmungsempfehlungen im Vergleich zu Rückvergleichen bei Ratingagenturen nur bedingt belastbar sind.98 Hinzu kommt, dass ein Stimmrechtsberater, wenn er die Kontrolle – wie es der Vorschlag vorsieht – selbst durchführt, einen Anreiz hat, den bestehenden Ermessensspielraum zu seinen Gunsten zu nutzen. Schließlich wird ein Stimmrechtsberater kaum selbst (!) Kontrollergebnisse veröffentlichen wollen, die geeignet sind seine Reputation zu gefährden. Aus diesen Gründen verspricht eine Pflicht zur Durchführung von Rückvergleichen bei Stimmrechtsberatern kaum einen Nutzen. d) Unabhängigkeit und Qualifikation der Mitarbeiter Im weitesten Sinne sind dem Bereich der Verfahrensfragen auch solche Regelungen zuzuordnen, die besondere Anforderungen an die Unabhängigkeit und an die Qualifikation der Mitarbeiter stellen. Entsprechende Regelungen sind, wie eingangs erwähnt, von der Regulierung der Ratingagenturen und aus der geplanten Verordnung für Abschlussprüfer bekannt. Grundsätzlich kommen entsprechende Vorgaben auch für Stimmrechtsberater in Betracht. Insbesondere sollten dieselben Mitarbeiter nicht mit der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen betraut sein und zugleich Emittenten in Corporate Governance-Fragen beraten. Der für den Stimmrechtsberater als juristische Person bestehende Interessenkonflikt würde andernfalls gewissermaßen „personifiziert“. Ob insoweit zwingende Regelungen notwendig sind, erscheint allerdings fraglich. Der Aufstieg von Glass Lewis hat gezeigt, dass trotz der grundsätzlich beschränkten Disziplinierungswirkung 97 Im Einzelfall ist allerdings nicht auszuschließen, dass auch eine hohe, aber die Mehrheit verfehlende Anzahl an Gegenstimmen Einfluss auf den Aktienkurs hat. 98 Ähnlich bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156 f.

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des Wettbewerbs auf dem Markt für Stimmrechtsberatung gerade in Bezug auf den Umgang mit Interessenkonflikten auf Seiten der institutionellen Anleger eine hohe Sensibilität herrscht. ISS hat den Geschäftsbereich der Corporate Governance-Beratung daher organisatorisch weitgehend von dem Geschäftsbereich, der sich mit der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen beschäftigt, abgespalten. Das betrifft auch und insbesondere die Beschäftigung unterschiedlichen Personals.99 Wenn der Markt auf den Umgang mit Interessenkonflikten disziplinierende Wirkung entfaltet, bedarf es keiner zwingenden Vorgaben. Erwägenswert ist mit Blick auf Art. 7 Abs. 2 Rating-VO zudem, ob grundsätzlich vermieden werden sollte, dass mit Analysetätigkeiten betraute Mitarbeiter auch an Vergütungsverhandlungen beteiligt sind.100 Anders als bei Ratingagenturen birgt die einzelne Geschäftsbeziehung bei Stimmrechtsberatern aber kein so großes Konfliktpotential, als dass durch zwingendes Recht die Teilnahme von Analysten an Vergütungsverhandlungen untersagt werden müsste. Während Emittenten, die sich an eine Ratingagentur wenden, ein Interesse an einer besonders guten Bewertung haben – vom Rating hängen vor allem die für Kredite zu zahlenden Zinsen ab –, erwarten institutionelle Anleger in der Regel eine rein objektive Bewertung. Dann besteht aber nicht die Gefahr, dass durch die Zahlung einer höheren Vergütung günstigere Abstimmungsempfehlungen „erkauft“ werden könnten. Es mag zwar Fälle geben, in denen ein institutioneller Anleger einmal aufgrund besonderer Umstände an einer Empfehlung101 interessiert ist, die nicht der Steigerung des Börsenkurses des betroffenen Emittenten dient, und er durch die Zahlung einer überobligatorischen Vergütung versucht, dieses Ziel zu erreichen. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein institutioneller Anleger mit Blick auf eine weit umfangreichere Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen eine an sich sinnvolle Kapitalerhöhung bei dem betroffenen Emittenten verhindern will. Allerdings dürfte sich ein Stimmrechtsberater schon zum Schutz seiner Reputation nicht auf derartige Vereinbarungen einlassen.102 Es kommt darüber hinaus der Erlass von Bestimmungen in Betracht, die Stimmrechtsberater zur Beschäftigung ausreichend qualifizierten Personals verpflichten. Da es aber keine spezifische Ausbildung gibt, die sich als Eingangsvoraussetzung zur Tätigkeit als Analyst bei einem Stimmrechtsberater 99

ISS, Regulatory Code of Ethics, November 2010, S. 15 (Punkt 1. b) bis e)). Zu einer vergleichbaren Erwägung in Bezug auf Stimmrechtsberater s. auch Rose, 32 J. Corp. L. 887, 922 f. (2007). 101 Das Interesse zielt dann natürlich darauf ab, dass die gewünschte Empfehlung nicht nur gegenüber dem intervenierenden institutionellen Anleger selbst ausgesprochen wird – er könnte seine Stimmrechte schließlich einfach entsprechend seiner individuellen Absichten ausüben –, sondern gegenüber allen Kunden. 102 Im Zusammenhang mit Interessenkonflikten s. dazu auch S. 220. 100

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anbieten würde, müsste es der Gesetzgeber – wie schon bei Ratingagenturen geschehen und bei Abschlussprüfern angestrebt – wohl bei einer unbestimmten Regelung belassen. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber sich durch die Aufstellung detaillierter Anforderungen ein Wissen anmaßen würde, über das er nicht im gleichen Maße verfügt wie die Stimmrechtsberater. Aufgrund ihrer Erfahrung können sie selbst am besten entscheiden, welche Personen der Tätigkeit als Analyst gewachsen sind und welche nicht. Bei einer unbestimmt gehaltenen Regelung (s. Art. 7 Abs. 2 RatingVO, Art. 6 Abs. 1 lit. c) Abschlussprüfer-VO-E: „angemessene Kenntnisse und Erfahrungen“) überlässt der Gesetzgeber den Stimmrechtsberatern im Ergebnis aber doch völlig freie Hand bei der Mitarbeiterauswahl. Die Stimmrechtsberater werden bei einem derart breiten Ermessensspielraum in etwaigen Rechenschaftsberichten leicht darlegen können, warum sie glauben der Bestimmung zu entsprechen. Dann entfaltet die Bestimmung aber kaum disziplinierende Wirkung und erscheint infolgedessen verzichtbar. e) Errichtung eines internen Kontrollsystems Vorgeschlagen wurde schließlich, Stimmrechtsberater wie zuvor schon Ratingagenturen und demnächst möglicherweise auch Abschlussprüfer zur Errichtung eines internen Kontrollsystems zu verpflichten.103 Mit einem solchen Kontrollsystem sollen Stimmrechtsberater feststellen, ob sie die Vorgaben, die sie sich selbst gegeben haben, in jedem Einzelfall tatsächlich einhalten. Die Kontrolle müsste sich demnach vor allem auf die festgelegte Methode, zu der die Abstimmungsrichtlinien zählen, und die festgelegten Verfahrensstandards beziehen. Bei der konkreten Ausgestaltung sind unterschiedliche Wege denkbar. Stimmrechtsberater könnten lediglich zur Durchführung einer Kontrolle und zur Berücksichtigung der festgestellten Ergebnisse bei ihrer zukünftigen Tätigkeit verpflichtet werden, man könnte aber auch eine Pflicht zur Offenlegung des Kontrollberichts oder eine Pflicht zur Weitergabe an eine Aufsichtsbehörde anordnen. Unabhängig davon, für welchen Weg man sich entscheidet, erscheint der Nutzen eines internen Kontrollsystems eher begrenzt. Die gegenwärtig bereits existierenden Abstimmungsrichtlinien bringen zum Ausdruck, dass Stimmrechtsberater sich in den vor allem interessierenden materiellen Fragen, also den für eine Empfehlung ausschlaggebenden Kriterien und deren Gewichtung, nur bedingt festlegen wollen. Diese Praxis mag sinnvoll sein, um den Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen zu können. Mit Blick auf 103 Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 435 (2009); Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 70 f.

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ein Kontrollsystem ist sie aber ungünstig, weil bei breitem Ermessensspielraum ein Verstoß nur äußerst selten festzustellen sein wird.104 In Hinblick auf (andere) Verfahrensfragen hängt die Sinnhaftigkeit eines internen Kontrollsystems davon ab, welche Anforderungen man konkret an Stimmrechtsberater stellt. Bislang ist vor allem erwogen worden, Emittenten vor Abgabe einer Abstimmungsempfehlung eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Begründet man tatsächlich eine solche Pflicht für Stimmrechtsberater, so erscheint in Bezug darauf ein internes Kontrollsystem entbehrlich: Wenn eine solche Pflicht besteht, dann kennen sie auch die Emittenten. Verzichtet ein Stimmrechtsberater dennoch auf die Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit, würde ein Emittent den Verstoß bemerken und vermutlich auch öffentlich bekanntgeben. Bei häufigen Verstößen wären Stimmrechtsberater, deren Reputation ihr Kapital ist, mutmaßlich erheblicher Kritik ausgesetzt. Es besteht demnach ein starker Anreiz, eine Vorlagepflicht zu befolgen. Bei anderen angesprochenen Verfahrensregeln wie der nachträglichen Überprüfungspflicht und der Qualifikation der Mitarbeiter werden Stimmrechtsberater sich bei der Festlegung abstrakter Kriterien von vornherein einen Beurteilungsspielraum einräumen, der so groß ist, dass man sich in einem Rechenschaftsbericht nicht selbst Verstöße attestieren muss. Insoweit gilt demnach derselbe Einwand, der schon gegen ein internes Kontrollsystem in Hinblick auf die Methode vorgebracht wurde. 5. Methodische Vorgaben Wenn auch Verfahrensregeln nicht weiterhelfen, kommen auf der nächsten Intensitätsstufe Eingriffe in die Methode der Stimmrechtsberater in Betracht. Damit sind solche Regelungen gemeint, die Stimmrechtsberatern konkrete Vorgaben für die Bewertung von Beschlussempfehlungen auferlegen. So könnten etwa detaillierte Kriterien benannt werden, anhand derer Vergütungssysteme für Vorstandsmitglieder zu beurteilen sind. Auch die Gewichtung der Kriterien zueinander könnte festgeschrieben werden. In Hinblick auf die Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern könnte ein Anforderungskatalog für vorgeschlagene Kandidaten erstellt werden, den Stimmrechtsberater bei der Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen beachten müssen. Stimmrechtsberater unterlägen dann zwar nach wie vor Fehlanreizen. Die Fehlanreize hätten aber keine oder jedenfalls nur noch eingeschränkte Bedeutung, weil immer nur solche Empfehlungen ausgesprochen werden könnten, die den regulatorischen Anforderungen genügen.105 104 105

So schon Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. Vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157.

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Gegen Eingriffe in die Methode sprechen allerdings gewichtige Argumente. Erstens ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber besser als der Stimmrechtsberater in der Lage ist, abstrakte Vorgaben für die Bewertung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu erlassen.106 Wenn er das könnte, würde er seine Überzeugungen vermutlich auch nicht im Zuge einer Regulierung von Stimmrechtsberatern umzusetzen versuchen, sondern entsprechende Vorgaben direkt in das Gesellschaftsrecht integrieren.107 Tatsächlich macht der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit aber nur sehr zurückhaltend Gebrauch, was ein Blick auf die beiden erwähnten Beispiele zeigt: Vorgaben für die Gestaltung der Vergütungssysteme trifft, in sehr allgemeiner Form, nur § 87 Abs. 1 AktG.108 Für Aufsichtsratsmitglieder enthält § 100 Abs. 1, 2 AktG zwar einige Ausschlusskriterien; zudem fordert § 100 Abs. 5 AktG in bestimmten Fällen die Mitgliedschaft wenigstens eines unabhängigen Finanzexperten. Insgesamt verfügen die Aktionäre bei der Wahl des Gremiums aber über breites Ermessen.109 Zweitens müssten methodische Vorgaben besonders starr sein, da sie ja gerade darauf abzielen, den Stimmrechtsberatern ihren Ermessensspielraum zu nehmen. Das ist zum einen problematisch, weil die Gefahr entsteht, dass ein Stimmrechtsberater wegen der methodischen Restriktionen den Umständen des Einzelfalls nicht in angemessener Weise Rechnung tragen kann. Zum anderen kann ein Stimmrechtsberater auf aktuelle Entwicklungen oder neue Erkenntnisse, die die Berücksichtigung neuer, die Streichung alter oder die Veränderung der Gewichtung von Kriterien notwendig machen, nur in den Grenzen der methodischen Bestimmungen reagieren. Es kommt also zu einer Beschränkung von Innovationen. Das senkt auf längere Sicht nicht nur die Qualität von Abstimmungsempfehlungen, sondern begründet auch eine weitere Marktzutrittsschranke: Marktneulinge sind nur bedingt in der Lage, durch innovative Modelle auf sich aufmerksam zu machen und so Marktanteile zu erobern.110 Drittens würden weitgehende methodische Restriktionen die Beauftragung von Stimmrechtsberatern auch unattraktiver erscheinen lassen, weil die Stimmrechtsberater zum Teil nur als Ausführungsorgan des Gesetzgebers fungierten. Eigene Überzeugungen von guter Corporate Governance wären nur in den Grenzen umsetzbar, die der Gesetzgeber den Stimmrechts106

Vgl. Rose, 32 J. Corp. L. 887, 924 f. (2007). Zu diesem Gedanken s. bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157. 108 Zur Unbestimmtheit dieser Norm und der Rolle der Aktionäre s. S. 199 ff. 109 Dazu schon oben S. 193 f. 110 So in Bezug auf Ratingagenturen Blaurock, ZGR 2007, 603, 645; Haar, ZBB 2009, 177, 181; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194 f.; für Stimmrechtsberater vgl. Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157. 107

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beratern lässt. Ab einem bestimmten Punkt wäre der Markt nicht mehr bereit, für den begrenzten Nutzen, den die Dienstleistung dann noch hat, zu bezahlen. Der Branche würde die Geschäftsgrundlage entzogen. Aktionäre stünden dann wieder vor dem Problem kollektiven Handelns, dessen Überwindung gerade ein zu begrüßender Verdienst der Stimmrechtsberater ist. „Gute“ regulatorische Maßnahmen sollten nur die Fehlanreize der Stimmrechtsberater beseitigen, dabei aber ihren Nutzen erhalten. 6. Haftung für fehlerhafte Abstimmungsempfehlungen Sieht man aus den genannten Gründen von der Aufstellung methodischer Standards ab, bietet möglicherweise das Haftungsrecht eine Möglichkeit, Stimmrechtsberater zur Entwicklung „guter“ Abstimmungsempfehlungen anzuhalten. Eine drohende Haftung schafft einen Anreiz zur Einhaltung von Verhaltenspflichten, verhilft ihnen also zur Durchsetzung.111 Bislang agieren Stimmrechtsberater ohne „nennenswerte Risikoexposition“112: Sie haben eine Inanspruchnahme für Schäden, die durch fehlerhafte Abstimmungsempfehlungen entstehen, weder durch die Anleger noch durch die Emittenten ernsthaft zu befürchten.113 a) Modelle eines eigenständigen Haftungsregimes Dieser Zustand kann durch die Schaffung eines eigenständigen Haftungsregimes für Stimmrechtsberater geändert werden.114 Ein ähnliches Vorgehen erwägt die Europäische Kommission gegenwärtig für den Bereich der Ratingagenturen, die im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften sollen.115 Die Strukturierung einer Haftungsvorschrift sollte den branchenspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen, die zu den beschriebenen Problemen bei einer Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsnormen führen. Als solche haben sich die Begründung einer Pflichtverlet111 Vgl. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 186 ff. (zur „unternehmenssteuernden Wirkung“ des Kapitalmarktdeliktsrechts), S. 200 ff. (zur ökonomischen Rechtfertigung zwingender Regulierung im Bereich des Haftungsrechts). 112 Fleischer, ZGR 2011, 155, 171; rechtsvergleichend s. auch die Nachweise in § 7, Fn. 160. 113 Zur Haftung von Stimmrechtsberatern de lege lata s. oben S. 284 ff. 114 Allgemein für die Schaffung von Haftungsvorschriften für Marktintermediäre Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 297. 115 European Commission, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1060/2009 on credit rating agencies, COM(2011) 747 final, 2011/0361 (COD), s. dort den Vorschlag für einen neuen Art. 35a Abs. 1 Rating-VO.

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zung sowie der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden erwiesen.116 Beide Probleme lassen sich haftungsrechtlich im Prinzip lösen. Zunächst käme man über die Feststellung einer Pflichtverletzung hinweg, wenn man eine Gefährdungshaftung für Stimmrechtsberater begründete. Eine Gefährdungshaftung wird typischerweise in solchen Fällen angeordnet, in denen ein Handeln immer als gefährlich anzusehen ist und den Handelnden daher immer, das heißt unabhängig von einem Verschulden, eine Haftung treffen soll. Ein prominentes Beispiel ist die Kraftfahrzeughalterhaftung aus § 7 Abs. 1 StVG.117 Man könnte bei Stimmrechtsberatern ebenso verfahren und einen speziellen Tatbestand einer Gefährdungshaftung schaffen, sodass es bei Schäden durch Abstimmungsempfehlungen nicht mehr darauf ankäme, ob die Empfehlung tatsächlich fehlerhaft war oder nicht. Stimmrechtsberater würden dann haften, wenn ihre Abstimmungsempfehlung zu einem bestimmten Hauptversammlungsbeschluss geführt hat und es infolgedessen zu einem Absinken des Börsenkurses gekommen ist. Will man nicht ganz so weit gehen, kommt auch eine Haftung für vermutetes Verschulden in Betracht. Solche Tatbestände sind dem deutschen Recht ebenfalls bekannt, etwa in § 833 S. 2 BGB oder in § 18 Abs. 1 StVG.118 Übertragen auf Stimmrechtsberater würde bei jeder Abstimmungsempfehlung vermutet, dass diese fehlerhaft ist. Dem Stimmrechtsberater wäre es aber erlaubt, das Gegenteil zu beweisen. Beide Möglichkeiten kommen sowohl für die Haftung gegenüber Emittenten als auch für die Haftung gegenüber institutionellen Anlegern in Betracht. Eine Gefährdungshaftung ersetzt allerdings nur das Verschuldenserfordernis; die Haftung für vermutetes Verschulden kehrt nur die diesbezügliche Beweislast um. Die Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität verbleibt hingegen in beiden Fällen bei dem Geschädigten.119 Über diese 116

Dazu oben S. 289 ff. Zur Gefährdungshaftung s. allgemein Deutsch, NJW 1992, 73; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 15. Aufl. (2010), Rn. 1363 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl. (2005), Vor § 823, Rn. 44 ff.; Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), Vor § 823, Rn. 16 ff. 118 Zur Haftung für vermutetes Verschulden s. etwa Grundmann, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2007), § 276, Rn. 44 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 15. Aufl. (2010), Rn. 1339 ff. 119 Zur Gefährdungshaftung s. Deutsch, NJW 1992, 73, 75; Steffen, NJW 1990, 1817, 1820; auch Staudinger/Kohler, BGB, Neubearb. 2010, Umwelthaftungsrecht, Rn. 216; zur Haftung für vermutetes Verschulden s. exemplarisch im Zusammenhang mit § 831 und § 833 BGB Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl. (2005), § 831, Rn. 73, § 833, Rn. 50. Instruktiv auch BGH NJW 1994, 2756, 2757 (Geschädigter trägt die Beweislast dafür, dass ihm der Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Anspruchsgegners zugefügt wurde). 117

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§ 9 Regulierungsstrategien

Hürde käme man nur mit einer neben die Gefährdungshaftung bzw. die Haftung aus vermutetem Verschulden tretenden Beweislastumkehr in Hinblick auf die Kausalität hinweg. Durch die Umkehr müsste dem Stimmrechtsberater zum einen der Beweis dafür auferlegt werden, dass ein Hauptversammlungsbeschluss auch unabhängig von seiner Empfehlung zustande gekommen wäre. Das wird ihm ohne Weiteres nur bei besonders deutlichen Abstimmungsergebnissen gelingen, an deren Ergebnis sich auch dann nichts ändern würde, wenn alle an der betroffenen Gesellschaft beteiligten Kunden des Stimmrechtsberaters ihre Stimmrechte dem Ergebnis entgegengesetzt ausgeübt hätten.120 In anderen Fällen121 müsste der Stimmrechtsberater hingegen beweisen, dass seine Kunden den Empfehlungen nicht blind gefolgt sind und es daher auch bei einer anders lautenden Empfehlung bei dem gefassten Beschluss geblieben wäre. Zum anderen müsste eine Beweislastumkehr dem Stimmrechtsberater auch den Beweis dafür auferlegen, dass der durch ihn (mit-)verursachte Hauptversammlungsbeschluss sich nicht negativ auf den Börsenkurses ausgewirkt hat.122 Nur bei einer Haftung aus vermutetem Verschulden müsste im Bereich der Kausalität außerdem vermutet werden, dass die Pflichtverletzung des Stimmrechtsberaters zu einer anderslautenden Abstimmungsempfehlung geführt hat.123 b) Kritik Obwohl solche Haftungsregime – so man sie denn im deutschen oder europäischen Recht für Stimmrechtsberater mit Sitz im Ausland schaffen könnte – die Haftungsgefahr für Stimmrechtsberater ganz erheblich erhöhen würden, sollte von ihrer Schaffung abgesehen werden.124 Dies gilt zunächst 120 Beispiel: Einer Beschlussempfehlung der Verwaltung stimmen 90% der anwesenden Aktionäre zu, 10% stimmen dagegen. Ein Stimmrechtsberater, dessen Kunden zusammen 20% der Stimmrechte kontrollieren, hatte die Zustimmung empfohlen. Selbst wenn man hier unterstellt, dass alle Kunden den Empfehlungen blind folgen, hätte sich auch im Falle eines ablehnenden Votums des Stimmrechtsberaters am Ergebnis nichts geändert: Es hätten immer noch 70% der Aktionäre zugestimmt. 121 Etwa: Beispiel aus Fn. 120, nur kontrollieren die Kunden des Stimmrechtsberaters jetzt 50% der Stimmrechte. 122 Für die Frage, ob ein institutioneller Anleger gerade aufgrund der Abstimmungsempfehlung eine bestimmte Entscheidung über die Ausübung der Stimmrechte getroffen hat, bedarf es einer Beweislastumkehr wohl nicht. Diesen Beweis dürften die Kunden relativ einfach führen können. s. dazu schon oben S. 292. 123 Ähnlich nunmehr der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Haftung von Ratingagenturen (Fn. 115), s. dort Art. 35a Abs. 4. 124 s. auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1307; Fleischer, AG 2012, 2, 8 f., die eine Verhaltenssteuerung mittels zivilrechtlicher Haftung ebenfalls für ungeeignet halten.

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für die Begründung einer Gefährdungshaftung mit Beweislastumkehr bei der Kausalität. Eine nach diesen Grundsätzen gestaltete Regelung würde nämlich die bestehenden Probleme bei der Beweislast hinsichtlich der Kausalität nicht beseitigen, sondern sie lediglich auf die Stimmrechtsberater verlagern. Diese hätten erhebliche Schwierigkeiten einen Entlastungsbeweis zu führen, zumal die Entlastung in Bezug auf die Qualität der Abstimmungsempfehlung – Gefährdungshaftung (!) – ohnehin nicht in Betracht käme. Das so entstehende Haftungsrisiko wäre wahrscheinlich so groß, dass ein Stimmrechtsberater es vernünftigerweise nicht übernehmen und sein Geschäft lieber aufgeben würde. Das ist aber nicht gewollt – regulatorische Maßnahmen sollen so erfolgen, dass Stimmrechtsberatung möglich bleibt. Problematisch ist eine Gefährdungshaftung aber noch aus einem anderen Grund. Wenn die Haftung unabhängig vom Verschulden eintritt, die Qualität der Abstimmungsempfehlungen also keine Rolle spielt, wird ein Anreiz zur Entwicklung „guter“ Abstimmungsempfehlungen nicht begründet. Auch die Schaffung einer Norm, die eine Haftung für vermutetes Verschulden vorsieht und eine Beweislastumkehr bei der Kausalität herbeiführt, stößt auf Bedenken. Die Haftungsgefahr für den Stimmrechtsberater würde bei einer so gestalteten Norm im Vergleich zur Gefährdungshaftung zwar begrenzt, weil der Entlastungsbeweis geführt werden könnte. Aus demselben Grund entstünde im Prinzip auch ein Anreiz zur Abgabe „guter“ Abstimmungsempfehlungen. Problematisch wäre insoweit allerdings, dass bei der Führung des Entlastungsbeweises wiederum eine Entscheidung darüber getroffen werden müsste, wann eine Abstimmungsempfehlung „richtig“ und wann „falsch“ ist. Anders gewendet würde die im Zusammenhang mit der Methode abgelehnte Festlegung von Verhaltensstandards nicht hinfällig, sondern der Gesetzgeber übertrüge die Aufgabe lediglich an die Gerichte. Doch auch die Gerichte sind (von Evidenzfällen abgesehen) nicht in der Lage, allgemeingültige Verhaltensstandards für eine komplexe Dienstleistung wie die Stimmrechtsberatung zu entwickeln.125 Außerdem ist es, wie im Zusammenhang mit der Methode erläutert, überhaupt nicht erwünscht, dass sich detaillierte Kriterien herausbilden. 7. Verbot der parallelen Corporate Governance-Beratung Das drastischste Regulierungsinstrument sind Verbote. Ein Verbot der Stimmrechtsberatung selbst scheidet allerdings aus: Es wurde gezeigt, dass die Stimmrechtsberatung prinzipiell positiv zu beurteilen ist – sie hilft den Aktionären bei der Überwindung des Kollektivhandlungsproblems und führt 125

Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157.

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grundsätzlich zu einer informierteren Stimmrechtsausübung. Regulatorische Eingriffe sollten diese Vorteile erhalten und nur die Fehlanreize beseitigen. Ein wesentlicher Fehlanreiz resultiert aus der zumindest bei ISS anzutreffenden parallelen Corporate Governance-Beratung.126 Würde man Stimmrechtsberatern untersagen, neben den Aktionären auch Emittenten in Fragen der Corporate Governance zu beraten, fiele dieser Fehlanreiz weg. Die Europäische Union hat den Weg eines Verbots konfliktträchtiger Geschäftspraktiken etwa bei den Ratingagenturen gewählt: Nach Art. 6 Abs. 2 Rating-VO i. V. m. Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 dürfen Ratingagenturen keine Beratungsleistungen für Emittenten erbringen. Die Regelung soll verhindern, dass Ratingagenturen zuerst einen Emittenten beraten und später auch die Bewertung dieses Emittenten bzw. seiner Finanzprodukte vornehmen. Für diese Praxis waren Ratingagenturen zuvor kritisiert worden.127 Auch der Kommissionsvorschlag für Abschlussprüfer128 sieht in Art. 10 ein „Verbot der Erbringung prüfungsfremder Leistungen“ vor, das auf die Vermeidung von Interessenkonflikten abzielt. Im deutschen Recht enthalten die §§ 319 ff. HGB bereits heute Bestimmungen, wonach ein Abschlussprüfer nicht bestellt werden kann, der mit den dort näher bezeichneten Interessenkonflikten belastet ist. Von Interesse ist insbesondere § 319a HGB, der für kapitalmarktorientierte Unternehmen (§ 264d HGB) gilt. Die Vorschrift verbietet die Bestellung solcher Abschlussprüfer, die bestimmte Arten von Beratungsleistungen für das zu prüfende Unternehmen erbracht haben (§ 319a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 HGB). In Bezug auf Vergütungsberater empfiehlt die Kommission den Vergütungsausschüssen der Aufsichtsräte, solche Anbieter nicht zu mandatieren, die gleichzeitig die Personalabteilung oder Vorstandsmitglieder des eigenen Unternehmens beraten.129 Obwohl das Verbot der Corporate Governance-Beratung eine130 potentielle Quelle von Interessenkonflikten vollständig austrocknen würde, sollte eine so drastische Maßnahme nur dann ergriffen werden, wenn andere Regulierungsinstrumente scheitern.131 Diese Voraussetzung ist hier zumindest gegenwärtig nicht erfüllt132 und das aus drei Gründen133: Erstens ist die 126

s. dazu oben S. 216 ff. s. etwa Blaurock, ZGR 2007, 603, 643; Haar, ZBB 2009, 177, 182. 128 s. oben Fn. 13. 129 Empfehlung der Europäischen Kommission (2009/385/EG) zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften v. 30. 04. 2009, ABlEU Nr. L 120 v. 15. 05. 2009, S. 28, s. dort Erwägungsgrund 12 und Ziffer 9.2. 130 Zu weiteren Quellen von Interessenkonflikten s. oben S. 219 ff. 131 Zum entsprechenden Vorgehen bei Vergütungsberatern vgl. Fleischer, BB 2010, 67, 73 (unter „Inkompatibilitätsvorschriften für Vergütungsberater“). 127

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Anreizfunktion des Wettbewerbs auf dem Markt für Stimmrechtsberatung zwar insgesamt als nicht besonders stark einzuschätzen. Gerade in Bezug auf die parallele Corporate Governance-Beratung scheint der Markt aber zumindest im Ansatz doch zu funktionieren. Schließlich besteht in dem Geschäftsmodell von ISS offensichtlich ein wesentlicher Grund dafür, dass Glass Lewis Marktanteile hinzugewinnen konnte.134 Zweitens haben die bislang bestehenden empirischen Erkenntnisse kein eindeutiges Ergebnis über den Wert der Stimmrechtsberatung zutage gefördert. Sollte sich bei zukünftigen Studien herausstellen, dass der Wert hoch ist, wäre die Corporate Governance-Beratung sogar zu begrüßen135: Stimmrechtsberater wirken durch dieses Beratungsangebot bereits frühzeitig an der Entwicklung von Beschlussempfehlungen mit, sodass umkämpfte Beschlüsse (proxy fights) in der Regel vermieden werden. Das spart grundsätzlich Kosten, weil nicht erst eine Abstimmungsniederlage herbeigeführt werden muss, um ein bestimmtes Beschlussergebnis zu erzielen. Drittens wurde in dieser Arbeit die Einführung einer Offenlegungspflicht für den Interessenkonflikt aus einer parallelen Corporate Governance-Beratung befürwortet. Diese Maßnahme sollte als milderes Mittel vor der Anordnung eines Verbots ergriffen werden. Nur wenn sich die mit der Maßnahme verbundene Hoffnung einer besseren Kontrolle der Stimmrechtsberater durch ihre Kunden, letztlich also eine Stimulierung des Wettbewerbs, nicht bewahrheiten sollte, ist über ein Verbot neu nachzudenken.136 8. Durchsetzung von Verhaltensstandards: Schaffung einer Aufsichtsbehörde? Schließlich stellt sich die Frage nach der Durchsetzung von Verhaltensstandards bei Stimmrechtsberatern. Ins Spiel gebracht worden ist insoweit die Schaffung eines Aufsichtsregimes, mit dem eine Registrierungspflicht – wie sie für Ratingagenturen bereits existiert (Art. 14 Rating-VO) – ein132 Im Grünbuch zum Europäischen Corporate Governance-Rahmen hatte die Europäische Kommission einen Konsultationsprozess initiiert, in dessen Zuge sich einige der Beteiligten auch zu dieser Frage geäußert haben. Zum Teil wurde dabei ein Verbot der Corporate Governance-Beratung durch Stimmrechtsberater befürwortet. s. European Commission, Feedback Statement, Summary of Responses to the Commission Green Paper on the EU Corporate Governance Framework, November 15, 2011, S. 15. 133 Ähnlich bereits Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 157. 134 Dazu schon oben S. 44, S. 79, S. 217 f. und S. 327. 135 Zu diesem Gedanken im Zusammenhang mit Vergütungsberatern s. Fleischer, BB 2010, 67, 73. 136 Ähnlich Fleischer, AG 2012, 2, 9 f.

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§ 9 Regulierungsstrategien

hergehen könnte.137 Die Aufgabe einer solchen Aufsichtsbehörde bestünde darin zu überwachen, ob die registrierten Stimmrechtsberater abstrakt festgelegte Verhaltensstandards einhalten. Der Aufsichtsbehörde müssten Ermittlungsbefugnisse eingeräumt und – für den Fall, dass sie Verstöße feststellt – auch Sanktionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Zu denken ist insoweit – wiederum in Analogie zur Regulierung der Ratingagenturen (Art. 24 Rating-VO) – an einen Widerruf der Registrierung (mit der Folge, den Geschäftsbetrieb aufgeben zu müssen), ein vorübergehendes Verbot zur Abgabe von Abstimmungsempfehlungen, eine öffentliche Bekanntmachung des Verstoßes bzw. an die Anordnung von Auflagen, die an den konkreten Verstoß anknüpfen. Letzterer Aspekt könnte etwa hinsichtlich der Intensität unternehmensinterner chinese walls, mit denen Interessenkonflikte vermieden werden sollen, von Belang sein. Gleichwohl sprechen vier Aspekte gegen die Schaffung einer Aufsichtsbehörde für Stimmrechtsberater: Erstens verursachen die Erfüllung regulatorischer Anforderungen und die Auseinandersetzung mit einer Aufsichtsbehörde grundsätzlich Kosten. Bei Stimmrechtsberatern könnten die Kosten dadurch in die Höhe getrieben werden, dass es sich bei ihrem Angebot um eine komplexe Dienstleistung handelt, der ein ausgeklügeltes Entwicklungsverfahren zugrunde liegt. Der Aufsichtsbehörde zu erläutern, dass und inwiefern das angewandte Verfahren den geltenden Verhaltensregeln genügt, kann sich als aufwendig erweisen.138 Im Extremfall könnten die Kosten Stimmrechtsberater sogar von einer Registrierung und damit von dem Erhalt ihres Geschäftsbetriebs abhalten. Eine solche Entwicklung ist jedoch, wie erläutert, gerade nicht erwünscht. Aus wettbewerbsökonomischer Sicht stellen sich die für Stimmrechtsberater entstehenden Aufsichtskosten als versunkene Kosten und damit als Marktzutrittsschranken dar.139 Für einen neu in den Markt eintretenden Anbieter mit einem innovativen 137 So etwa die Forderung von Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 436 f. (2009); Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 6 f.; Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 86. Erwägend auch Hopt, EuZW 2011, 609, 610. 138 So im Zusammenhang mit Hedgefonds Kumpan, ZHR 170 (2006), 39, 63; s. auch Bolter, 57 Admin. L. Rev. 595, 616 (2005). 139 Vgl. Rose, 32 J. Corp. L. 887, 924 (2007); ders., 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 66 (2011); s. auch Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 74; im Zusammenhang mit Hedgefonds auch Kumpan, ZHR 170 (2006), 39, 64; relativierend im Zusammenhang mit Ratingagenturen indessen Möllers, JZ 2009, 861, 870.

II. Direkte Regulierung

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Geschäftsmodell könnten die Aufsichtskosten sogar noch höher sein als etablierte Anbieter, weil sein Geschäftsmodell nich schon durch die Anzahl seiner Kunden als vertrauenswürdig erscheint und die Aufsichtsbehörde daher skeptischer gestimmt sein könnte. Aus diesem Grund entfaltet die Schaffung eines Aufsichtsregimes samt Registrierungspflicht grundsätzlich wettbewerbshemmende Wirkung und trägt damit tendenziell dazu bei, dass sich „die gegenwärtigen Markt- und Machtverhältnisse [. . .] zementieren“140. Zweitens könnte die Aufsichtsbehörde selbst mit der Überwachung der Stimmrechtsberater überfordert sein. Eine Überwachung ist nur dann sinnvoll, wenn die Behörde über eine ausreichende Anzahl qualifizierter Mitarbeiter verfügt, die zu einer Bewertung der Tätigkeit von Stimmrechtsberatern in der Lage sind. Abhängig davon, welche Anforderungen konkret an Stimmrechtsberater gestellt werden, können der Überwachungsaufwand und damit die verbundenen Kosten erheblich sein.141 Es kommt drittens hinzu, dass die bedeutenden Stimmrechtsberater ihren Sitz im Ausland haben und die Ermittlungsmöglichkeiten einer deutschen oder europäischen Behörde aus diesem Grund erheblich begrenzt sind. Auch bei den Ratingagenturen unterliegen nur die europäischen Tochtergesellschaften der Aufsicht durch hiesige Behörden, nicht aber die US-amerikanischen Muttergesellschaften. Stimmrechtsberater haben, wenn hierzulande eine Aufsicht droht, einen Anreiz in noch stärkerem Maße als bisher auf europäische Dependancen zu verzichten. Die aufwendige Errichtung einer Aufsichtsbehörde hätte dann kaum noch einen Nutzen. Viertens erscheint es auch fraglich, ob eine Aufsicht in Hinblick auf die konkret zu befürwortenden Regulierungsmaßnahmen überhaupt sinnvoll ist. Vorgeschlagen wurde in dieser Arbeit zum einen die Offenlegung von Interessenkonflikten aus einer parallelen Corporate Governance-Beratung für Emittenten. Ob Stimmrechtsberater dieser Pflicht überhaupt nachkommen, werden die institutionellen Anleger als Kunden selbst bemerken. Zwar kann ein Stimmrechtsberater im Einzelfall einen Interessenkonflikt nicht offenlegen, ohne dass dies unmittelbar auffällt. Er läuft dann aber Gefahr, dass einzelne institutionelle Anleger von der Geschäftsbeziehung zum jeweiligen Emittenten wissen, sie daher den Verstoß des Stimmrechtsberaters erkennen und diesen öffentlich machen. Es droht ein Reputationsverlust. Ein Stimmrechtsberater, der – wie momentan ISS – seine Dienste auch Emittenten anbietet, hat daher einen Anreiz die Offenlegungspflicht zu erfüllen. Einer 140

Fleischer, AG 2012, 2, 9. Für Hedgefonds wird daran gezweifelt, ob eine Aufsichtsbehörde durch Ermittlungen bestehende Bedenken überhaupt ausräumen kann, s. Bolter, 57 Admin. L. Rev. 595, 616, 620 (2005); Kumpan, ZHR 170 (2006), 39, 63 f. 141

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§ 9 Regulierungsstrategien

(zusätzlichen) aufsichtsbehördlichen Kontrolle bedarf es insoweit – jedenfalls zunächst – nicht. Die in dieser Arbeit außerdem befürwortete Schaffung von Transparenz zur Bemessung des Einflusses von Stimmrechtsberatern erfolgt nach dem vorgeschlagenen Konzept ohnehin völlig unabhängig von den Stimmrechtsberatern: Die Aktionäre sollen dem Emittenten neben der Höhe ihrer Beteiligung mitteilen, ob und, wenn ja, von welchem Stimmrechtsberater sie Abstimmungsempfehlungen beziehen. Der Emittent addiert sodann die jeweils gemeldeten Anteile und gibt Auskunft darüber, welcher Teil seiner Aktionäre die Empfehlungen welches Stimmrechtsberaters bezieht. Insoweit wäre eine Aufsichtsbehörde für Stimmrechtsberater vollständig nutzlos. Aus den dargelegten Gründen sollte jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt von ihrer Schaffung abgesehen werden.142 9. Zusammenfassung Im Bereich direkter Regulierung erscheint der Nutzen der in Betracht kommenden Maßnahmen in weiten Teilen begrenzt. Zu befürworten ist vor allem eine Offenlegungspflicht für Interessenkonflikte aus einer parallelen Corporate Governance-Beratung, die für die Unterbreitung von Abstimmungsempfehlungen gegenüber inländischen institutionellen Anlegern durch den deutschen oder den europäischen Gesetzgeber angeordnet werden kann. Außerdem sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den tatsächlichen Einfluss von Stimmrechtsberatern besser abschätzen zu können. Es bietet sich eine Erweiterung der Art. 9 ff. Transparenzrichtlinie an. Dabei sollten die Aktionäre veranlasst werden, dem Emittenten das Bestehen einer Geschäftsbeziehung zu einem Stimmrechtsberater mitzuteilen. Der Emittent kann dann offenlegen, wie viele Aktionäre den Empfehlungen welches Stimmrechtsberaters folgen. Die Schaffung einer Aufsichtsbehörde erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ratsam.

III. Indirekte Regulierung Man könnte die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern auch beeinflussen, indem man institutionellen Anlegern Auflagen für die Ausübung der Stimmrechte erteilt. In der Folge würden institutionelle Anleger nur solche Stimmrechtsberater mandatieren, deren Unterstützung den Anforderungen 142 So im Ergebnis auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1307; Fleischer, AG 2012, 2, 9; wohl auch DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 940. Gänzlich gegen die Schaffung einer Aufsichtsbehörde U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 96.

III. Indirekte Regulierung

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an die Stimmrechtsausübung nicht widerspricht. Stimmrechtsberater haben einen Anreiz, ein entsprechendes Angebot zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne werden Stimmrechtsberater indirekt, man könnte auch sagen: mittelbar, reguliert.143 1. Offenlegungspflicht So könnten institutionelle Anleger etwa verpflichtet werden offenzulegen, ob sie die Dienste eines Stimmrechtsberaters in Anspruch nehmen und wie sie mit dessen Empfehlungen umgehen. Institutionelle Anleger hätten dann einen Anreiz, die Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters nicht blind zu befolgen, sondern sie lediglich unterstützend zur Meinungsbildung heranzuziehen. Schließlich müsste ein institutioneller Anleger, der die Empfehlungen ungeprüft übernimmt und dies der Öffentlichkeit so mitteilt, Kritik dahingehend befürchten, er gehe nicht verantwortungsvoll mit seinen Stimmrechten um.144 Ob eine solche Offenlegungspflicht am Umgang mit den Abstimmungsempfehlungen wirklich etwas ändern würde, erscheint allerdings fraglich. Selbst wenn institutionelle Anleger öffentlich angeben, die Abstimmungsempfehlungen ihres Stimmrechtsberaters einer Überprüfung zu unterziehen, ist im Einzelfall unklar, in welcher Weise die Überprüfung erfolgt und wie intensiv sie ausfällt. Grundsätzlich besteht ein Anreiz, eine Überprüfung zwar durchzuführen, um Kritik am Umgang mit den Stimmrechten zu vermeiden. Aus Kostengründen besteht aber parallel der Anreiz, die Überprüfung auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die einzelnen Anleger, die institutionellen Anlegern Kapital zur Verfügung stellen, können die Intensität der Überprüfung kaum kontrollieren. Sie werden demnach ihr Kapital nicht nur solchen institutionellen Anlegern zur Verfügung stellen, die einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit den Stimmrechten pflegen und die Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters eingehend hinterfragen. Der Wettbewerb um Kapital wirkt dem Anreiz, aus Kostengründen nur eine oberflächliche Überprüfung von Abstimmungsempfehlungen durchzuführen, also nicht entgegen. Für die Einführung einer Offenlegungspflicht wurde zudem angeführt, dass die Rolle der Stimmrechtsberater in der Corporate Governance so besser beurteilt werden könne.145 Zwar ist diesem Argument zuzustimmen. Hier wurde aber bereits ein anderer Weg befürwortet, der ebenfalls dazu dient, den Einfluss der Stimmrechtsberater besser bemessen zu können. Danach soll der Emittent mittei143 Den Begriff der „indirekten Regulierung“ hat im Zusammenhang mit Stimmrechtsberatern zuerst Fleischer, AG 2012, 2, 10 verwendet. 144 Vgl. Fleischer, AG 2012, 2, 10 („Warnfunktion“). 145 Vgl. Fleischer, AG 2012, 2, 10 („Informationsfunktion“).

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len, wie viele Aktionäre die Empfehlungen eines bestimmten Stimmrechtsberaters beziehen. Auf diese Weise entsteht eine verlässlichere Information über den Einfluss von Stimmrechtsberatern als wenn jeder Aktionär für sich Auskunft über das Bestehen eines Beratungsverhältnisses gibt: Abgesehen davon, dass bei Einzelmitteilungen der Markt die Addition vornehmen müsste, besteht häufig Unkenntnis über die genaue Höhe der Beteiligungen. Die Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG greifen schließlich nur bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der dort genannten Schwellenwerte. Eine zusätzliche „Informationsfunktion“ von Einzelmitteilungen ergäbe sich zwar grundsätzlich dann, wenn institutionelle Anleger neben dem Bestehen eines Beratungsvertrags auch mitteilen müssten, wie sie mit den Abstimmungsempfehlungen umgehen. Insoweit gelten aber die in Hinblick auf die „Warnfunktion“ dargelegten Einschränkungen. Institutionelle Anleger zur Offenlegung von Geschäftsbeziehungen zu Stimmrechtsberatern zu verpflichten, verspricht demnach keinen großen (zusätzlichen) Nutzen. 2. Verschärfung der Treuepflichten gegenüber den beneficial owners Auf der nächsten Intensitätsstufe könnte eine indirekte Regulierung von Stimmrechtsberatern erfolgen, indem man die Treuepflichten institutioneller Anleger verschärft.146 Institutionelle Anleger sind gegenüber ihren Kapitalgebern als den wirtschaftlichen Eigentümern (beneficial owners) der gehaltenen Aktien zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Stimmrechten verpflichtet. Um hieraus konkrete Pflichten ableiten zu können, bedarf es aber hinreichender Konkretisierungen. Das zeigt sich schon bei der Frage, ob aus der Treuepflicht eine Pflicht zur Stimmrechtsausübung folgt.147 In Bezug auf den Umgang mit Abstimmungsempfehlungen hat die USamerikanische Kapitalmarktaufsichtsbehörde SEC die Treuepflicht dahingehend interpretiert, dass institutionelle Anleger eine due diligence durchführen und sich in diesem Rahmen vergewissern müssen, dass der Stimmrechtsberater zur Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen im Interesse 146 In diese Richtung auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 437 f. (2009); Rose, 32 J. Corp. L. 887, 926 (2007); ders., 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 66 (2011). s. auch Center on Executive Compensation, A Call for Change in the Proxy Advisory Industry Status Quo – The Case for Greater Accountability and Oversight, January 2011, S. 86; Society of Corporate Secretaries & Governance Professionals/National Investor Relations Institute, Proxy Advisory Services: The Need for More Regulatory Oversight and Transparency, Discussion Draft, March 4, 2010, S. 8. 147 Dazu eingehend oben S. 155 ff.

III. Indirekte Regulierung

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seiner Kunden in der Lage ist und er keinen Interessenkonflikten unterliegt.148 Man könnte erwägen, eine solche Pflicht für institutionelle Anleger auch in Deutschland bzw. Europa einzuführen. Ein besonders großer Nutzen ginge hiervon allerdings wohl nicht aus, da eine abstrakte Bewertung des Entwicklungsprozesses von Abstimmungsempfehlungen einem institutionellen Anleger nur in begrenztem Maße möglich ist. Er vertraut schließlich gerade auf die Expertise des Stimmrechtsberaters. Es steht daher zu befürchten, dass Stimmrechtsberater ihren Kunden gerade so viele Informationen zur Verfügung stellen, die genügen, um die verschärften Treuepflichten zu erfüllen. Eine eingehende Überprüfung mit Anreizwirkung für die Stimmrechtsberater ergäbe sich aus einer solchen Praxis kaum. Die Treuepflicht institutioneller Anleger könnte auch dahingehend verschärft werden, dass die einzelnen Abstimmungsempfehlungen einer Überprüfung zu unterziehen sind.149 Allerdings – darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen – fehlt es auch insoweit an einem Anreiz für die Kunden eines Stimmrechtsberaters. Sie müssten mit der Überprüfung den Aufwand betreiben, den sie mit der Mandatierung eines Stimmrechtsberaters gerade vermeiden wollen.150 Es gelten daher die Bedenken, die schon in Hinblick auf eine Offenlegungspflicht für institutionelle Anleger angeführt wurden: Begründet man eine Überprüfungspflicht für institutionelle Anleger ist damit noch nichts darüber gesagt, in welcher Weise sie dieser Pflicht nachkommen. Gegen eine intensive Prüfung spricht der Anreiz, kostensparend zu agieren. Es erscheint daher allenfalls bedingt ratsam, Stimmrechtsberater indirekt zu regulieren, indem man den institutionellen Anlegern eine Pflicht zur Überprüfung des Stimmrechtsberaters selbst oder eine Pflicht zur Überprüfung von dessen Abstimmungsempfehlungen auferlegt. 3. Stimmrechtsberater als „Joint Venture“ Auf einer noch höheren Intensitätsstufe kommt im Bereich der indirekten Regulierung schließlich ein dritter Weg in Betracht. Der Vorschlag geht von dem eingangs formulierten Leitgedanken guter Regulierung aus: Regulatorische Eingriffe sollten die Fehlanreize von Stimmrechtsberatern beseitigen, dabei aber den Nutzen der Branche erhalten.

148 SEC, No-Action Letter, Institutional Shareholder Services, Inc., September 15, 2004; SEC, No-Action Letter, Egan Jones Proxy Services, May 27, 2004; s. dazu auch Belinfanti, 14 Stan. J. L. Bus. & Fin. 384, 437 (2009); Rose, 109 Mich. L. Rev. First Impressions 62, 66 (2011). 149 In diese Richtung Fleischer, AG 2012, 2, 10: „Plausibilitätskontrolle“. 150 s. dazu S. 224 f.

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§ 9 Regulierungsstrategien

a) Vorstellung des Vorschlags Ausgehend von diesem Gedanken könnte eine Lösungsmöglichkeit in der Begründung einer Pflicht für institutionelle Anleger bestehen, Abstimmungsempfehlungen nur von einem Stimmrechtsberater zu beziehen, an dem sie selbst beteiligt sind und der auch im Übrigen ausschließlich oder zumindest mehrheitlich im Eigentum institutioneller Anleger steht. Jeder Stimmrechtsberater ist dann ein Gemeinschaftsunternehmen (auch: „Joint Venture“) mehrerer institutioneller Anleger. Die institutionellen Anleger würden in diesem Szenario weiterhin mit Abstimmungsempfehlungen versorgt. Im Unterschied zur gegenwärtigen Realität hätten sie aber die Möglichkeit, als Gesellschafter auf den Stimmrechtsberater Einfluss zu nehmen. Eines genaueren Hinsehens bedarf die konkrete Ausgestaltung des Gemeinschaftsunternehmens in Hinblick auf die Wahl der Rechtsform. In Betracht kommen dürfte angesichts der zu erwartenden Größe und der Anonymität des Gesellschafterkreises nur eine Körperschaftsform, bei der die Haftung begrenzt ist. Das ist vor allem bei den Kapitalgesellschaften der Fall.151 Bei den Kapitalgesellschaften hängt der Grad des Einflusses eines Gesellschafters allerdings von der Höhe seiner Beteiligung ab.152 Hieraus könnte bei der Errichtung eines als „Joint Venture“ fungierenden Stimmrechtsberaters ein Problem resultieren: Wenn sich institutionelle Anleger in unterschiedlicher Höhe an dem Gemeinschaftsunternehmen beteiligen, folgt daraus eine unterschiedlich starke Möglichkeit zur Einflussnahme. Da institutionelle Anleger untereinander Konkurrenten sind und sie im Einzelfall möglicherweise individuelle Interessen verfolgen, könnte die Neutralität der Abstimmungsempfehlungen eines „Joint Venture“-Stimmrechtsberaters gefährdet sein. Institutionelle Anleger mit hohem Beteiligungsumfang könnten ihren entsprechend großen Einfluss dazu ausnutzen, die Abstimmungsempfehlungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Um diese Gefahr zu vermeiden, kommen zwei Wege in Betracht: Zum einen könnte man die Wahl der Gesellschaftsform dem Markt, also den institutionellen Anlegern, überlassen. Die institutionellen Anleger haben grundsätzlich ein Interesse, Skalenerträge zu erzielen. Das geschieht umso mehr, je mehr institutionelle Anleger sich an dem Gemeinschaftsunternehmen beteiligen. Die Kosten der Unternehmung verteilen sich dann auf mehr Schultern. Zwar sagt die Anzahl der Beteiligten noch nichts darüber aus, ob die Höhe der Beteiligungen und damit der Einfluss gleich hoch ausfallen. 151

s. nur Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 1, 9 ff. („Limited liability“). 152 Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies, The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 1, 14 ff. („Investor ownership“).

III. Indirekte Regulierung

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Es liegt aber nicht fern, dass die institutionellen Anleger selbst das Konfliktpotential, das sich aus dem übermäßigen Einfluss einzelner Gesellschafter ergibt, erkennen und sie daher darauf achten, dass die Beteiligungen gleich hoch ausfallen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beratungsbedarf der einzelnen Gesellschafter – wegen mutmaßlich unterschiedlich stark diversifizierter Portfolios – unterschiedlich groß sein wird. Diesem Aspekt kann ein Gemeinschaftsunternehmen dadurch begegnen, dass es seinen Nutznießern Gebühren in Rechnung stellt, die von der Intensität der Nutzung abhängig sind. Zum anderen könnte den institutionellen Anlegern für die Gründung eines Stimmrechtsberaters aber auch, wenn man nicht auf den Markt vertrauen will, eine Rechtsform vorgeschrieben werden. Das deutsche Recht kennt eine Rechtsform „deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder [. . .] durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“, nämlich die Genossenschaft (§ 1 Abs. 1 GenG).153 Genau darum geht es bei einem als Stimmrechtsberater fungierenden Gemeinschaftsunternehmen: Die institutionellen Anleger haben ein gemeinsames Interesse, nämlich die informierte und gleichgerichtete Ausübung ihrer Stimmrechte. Sie können diesem Interesse aber nur gerecht werden, indem sie zusammenarbeiten. Da die einzelfallspezifische Zusammenarbeit zu hohe Transaktionskosten verursacht, bietet sich eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit in Form eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs an.154 Ein solcher ist die Genossenschaft. Hinzu kommt, dass ein gemeinschaftlich betriebener Stimmrechtsberater nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet wäre, sondern von den beteiligten institutionellen Anlegern wohl lediglich Gebühren verlangen würde, die zur Deckung der Betriebskosten ausreichen. Auch das ist, wenngleich das Erwirtschaften eines Jahresüberschusses keinen „Betriebsunfall“155 darstellt, für die Genossenschaft typisch.156 Beide Aspekte rechtfertigen es allerdings nicht, institutionellen Anlegern, die zum Zwecke der Stimmrechtsberatung ein Gemeinschaftsunternehmen gründen wollen, die Rechtsform der Genossenschaft zwingend vorzuschreiben. Die Genossenschaft genießt gerade kein „förderwirtschaftliches Förderzweckmonopol“157, sodass die Verfolgung gemeinsamer Interessen ohne Weiteres auch durch ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer anderen Rechtsform geschehen kann. Der wesentliche Aspekt, der für eine Bevor153

s. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 41 I 1, S. 1264. s. dazu noch die rechtsökonomische Rechtfertigung des Regulierungsmodells, S. 362 ff. 155 Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 19, Rn. 1. 156 Vgl. Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 1, Rn. 9, § 19, Rn. 4. 157 Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 1, Rn. 8 a. E., s. auch Rn. 81. 154

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zugung der Genossenschaft spricht, liegt vielmehr darin, dass die Stimmrechtsmacht nicht von der Höhe der Kapitalbeteiligung abhängt. Es gilt das Prinzip des „Kopfstimmrechts“, wonach jedes Mitglied grundsätzlich eine Stimme hat (s. § 43 Abs. 3 S. 1 GenG).158 Ermöglicht man institutionellen Anlegern bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens keine Abweichung von diesem Prinzip, könnte die oben beschriebene Gefahr eines übermäßigen Einflusses einzelner Gesellschafter (hier: Genossen) nicht auftreten. Allerdings kann ein Kopfstimmrecht, abweichend von der gesetzlichen Regelung (§ 47 Abs. 1, 2 GmbHG), auch bei der GmbH vereinbart werden.159 Dennoch erscheint bei einer funktionalen Betrachtung die Rechtsform der Genossenschaft nahe liegender, da dort das Kopftstimmrecht eben die gesetzlich vorgesehene Regelform darstellt, während bei der GmbH eine Abweichung vom Gesetz erforderlich wäre. Hinzu kommt, dass eine Genossenschaft im Gegensatz zur GmbH über eine nicht geschlossene Mitgliederzahl verfügt160 und außerdem der Ein- und Austritt leichter möglich ist.161 Das ist für einen gemeinschaftlich betriebenen Stimmrechtsberater förderlich, weil sich weitere institutionelle Anleger stets und ohne Probleme an dem Unternehmen beteiligen können. Wenn die Mitgliedschaft doch unattraktiv erscheint, ist ein Austritt verhältnismäßig einfach möglich. Aus dem Kopfstimmrecht folgt indessen nicht, dass auch alle Genossen Kapital in derselben Höhe zur Verfügung stellen müssten. Auf zweierlei Weise kann eine Differenzierung erfolgen: Zum einen kann in der Satzung die Einzahlung gestaffelter Pflichtbeiträge (zu Pflichtbeiträgen s. § 7 Nr. 1 Fall 2 GenG) vorgesehen werden, wenn hiefür sachliche Gründe bestehen.162 Ein sachlicher Grund wird etwa darin gesehen, dass die Leistungen der Genossenschaft in unterschiedlich starkem Maße in Anspruch genommen werden.163 Zum anderen ist es möglich, dass ein Mitglied mehrere Geschäftsanteile erwirbt und demzufolge entsprechend des auf die Geschäftsanteile eingezahlten Geschäftsguthabens an der Genossenschaft beteiligt ist.164 Eine 158 Dazu auch Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 43, Rn. 21; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl. (2007), § 43, Rn. 30; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. (2011), 2. C. Rn. 13; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 41 II 2, S. 1270 f.; unklar Beuthien, AG 2002, 266, 273 f. 159 s. nur Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. (2010), § 47, Rn. 67. 160 Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 1, Rn. 6; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl. (2007), § 1, Rn. 18 ff. 161 Für einen Vergleich zwischen GmbH und Genossenschaft in Hinblick auf die Förderzwecktauglichkeit s. Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 1, Rn. 83. 162 Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 7, Rn. 8 a. E. 163 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl. (2007), § 7, Rn. 9. 164 s. § 7a Abs. 1 GenG. s. auch Beuthien, AG 2002, 266, 275. Nochmals: Auch ein Mitglied, das mehrere Geschäftsanteile hält, verfügt über nur ein Stimmrecht.

III. Indirekte Regulierung

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Genossenschaft erlaubt es also, dass institutionelle Anleger mit einem höheren Beratungsbedarf mehr Kapital einzahlen als institutionelle Anleger mit einem geringeren Beratungsbedarf. Das ist insofern von Interesse, als sich die Zahlungskraft (bzw. die Fähigkeit, Kapital zur Verfügung stellen zu können) häufig proportional zum Beratungsbedarf verhalten wird. Unbedingt nötig müssen Differenzierungen bei der Kapitalbeteiligung allerdings nicht sein. Ist ein Stimmrechtsberater einmal gegründet, kann eine gerechte Verteilung der Betriebskosten, wie oben bereits angedeutet, erreicht werden, indem den Genossen Gebühren in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität in Rechnung gestellt werden165: Wer an vielen Gesellschaften Anteile hält und demzufolge viele Abstimmungsempfehlungen benötigt, kann mehr zahlen als ein Genosse mit einem weniger stark diversifizierten Portfolio. Für die Geeignetheit der Genossenschaft als Rechtsform für einen von mehreren institutionellen Anlegern betriebenen Stimmrechtsberater ist auch entscheidend, wie die Genossen für Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften. Insoweit bestimmt § 2 GenG, dass den Gläubigern nur das Vermögen der Genossenschaft haftet, Direktansprüche gegen deren Mitglieder also nicht bestehen. Allerdings bestimmt § 23 Abs. 1 GenG, dass Mitglieder für Verbindlichkeiten der Genossenschaften „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ haften. Relevant ist insoweit neben der möglichen Pflicht, den Geschäftsanteil voll einzahlen zu müssen (§ 87a Abs. 1 GenG), vor allem die Nachschusspflicht nach § 105 GenG. Nach § 105 GenG müssen die Mitglieder grundsätzlich Nachschüsse zur Insolvenzmasse leisten, wenn das Vermögen der Genossenschaft nicht ausreicht, um die ausstehenden Forderungen zu begleichen. Allerdings kann die Nachschusspflicht in der Satzung der Genossenschaft ausgeschlossen werden, § 105 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2, § 6 Nr. 3 GenG.166 Somit bietet die Genossenschaft institutionellen Anlegern eine Rechtsform, bei der das Haftungsrisiko für die Mitglieder auf ein überschaubares Maß beschränkt werden kann. Für die Rechtsform einer Genossenschaft spricht daneben, dass zu ihr mit der Societas Cooperativa Europaea (SCE)167 ein Pendant auf europäischer Im Zusammenhang mit § 7a GenG s. Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl. (2007), § 7a, Rn. 4. 165 Zur Erwirtschaftung der Förderkosten durch Förderentgelte s. Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 1, Rn. 21. 166 So Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 6, Rn. 9. Nach a. A. soll eine Nachschusspflicht sogar nur dann bestehen, wenn sie in der Satzung ausdrücklich angeordnet wurde, s. Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl. (2007), § 6, Rn. 9; Schulte, in: Lang/Weidmüller, GenG, 36. Aufl. (2008), § 6, Rn. 19. 167 Geregelt in der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates v. 22. 07. 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABlEU Nr. L 207 v. 18. 08. 2003, S. 1.

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§ 9 Regulierungsstrategien

Ebene besteht. Eine solche suprantionale Rechtsform erleichtert institutionellen Anlegern aus verschiedenen Ländern einen Zusammenschluss. Auch bei der SCE gilt das Prinzip des Kopfstimmrechts (Art. 59 Abs. 1 SCE-Statut); zudem haften auch die Mitglieder einer SCE grundsätzlich nur bis zur Höhe des eingezahlten Geschäftsanteils (Art. 1 Abs. 2 S. 3 SCE-Statut). Schließlich ist von Interesse, dass der hier vorgeschlagene Zusammenschluss institutioneller Anleger zum Zwecke der gemeinsamen Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen nichts völlig Neues ist. Der schweizerische Stimmrechtsberater Ethos kann als Prototyp eines solchen Gemeinschaftsunternehmens gelten: Gegründet von zwei Genfer Pensionskassen sind heute 130 institutionelle Anleger an der Ethos-Stiftung beteiligt.168 b) Rechtsökonomische Rechtfertigung Der Vorschlag, institutionellen Anlegern nur den Bezug von Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters zu erlauben, an dem neben dem einzelnen institutionellen Anleger selbst auch nur institutionelle Anleger beteiligt sind, bedarf angesichts der starken Eingriffsintensität zunächst einer rechtsökonomischen Rechtfertigung. Bereits hingewiesen wurde auf den institutionenökonomischen Hintergrund des Vorschlags: Die auf dem Markt anfallenden Transaktionskosten für eine einzelfallspezifische Zusammenarbeit der institutionellen Anleger sind zu hoch, sodass eine gemeinsame Meinungsbildung und eine Koordination des Abstimmungsverhaltens unterbleiben. Die Transaktionskosten können reduziert werden, wenn die Zusammenarbeit der institutionellen Anleger durch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens institutionalisiert wird. Allgemein hat bereits Coase in seinem grundlegenden Aufsatz „The Nature of the Firm“ aus dem Jahr 1937 darauf hingewiesen, dass die jeweils anfallenden Transaktionskosten maßgeblich dafür sind, ob ein Unternehmer bestimmte Leistungen durch den Abschluss von Verträgen am Markt erwirbt oder ob er das Geschäft des Leistungserbringers übernimmt.169 Wenn sich der Unternehmer für die Übernahme entscheidet, entsteht eine hierarchische Struktur: Der Leistungserbringer wird zum Angestellten, seine Handlungen werden durch das Direktionsrecht des Unternehmers bestimmt. Diese Hierarchie führt unter Umständen zur Einsparung von Transaktionskosten.170 Williamson hat 168 s. unter http://www.ethosfund.ch/d/ethos-stiftung/ethos-stiftung.asp (Stand: 23. 04. 2012). 169 Coase, 4 Economica 386 (1937); s. auch ders., 3 J. L. & Econ. 1 (1960). Zur Unterscheidung von Markt- und Unternehmenstransaktionskosten s. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 57 ff. 170 Treffend Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1042: Die Transaktionskosten „können im Einzelfall so hoch werden, daß es sich lohnt, den Koordinationsmechanismus

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diesen Ansatz aufgegriffen und verfeinert, etwa durch die Unterscheidung von Transaktionskosten, die vor Vertragsschluss anfallen und solchen, die erst danach entstehen.171 Der Zuspruch, den Stimmrechtsberater heute finden, ist ein Beleg dafür, dass die Transaktionskosten für ein hauptversammlungsbezogenes Zusammenwirken der Aktionäre durch eine Institutionalisierung sinken. „Gute“ Regulierung ist weiter daran zu messen, ob sie Stimmrechtsberatung weiterhin ermöglicht, dabei aber die Fehlanreize, denen die Anbieter der Dienstleistung gegenwärtig (in unterschiedlicher Intensität) unterliegen, beseitigt. Zunächst erlaubt der hier entwickelte Regulierungsvorschlag institutionellen Anlegern weiterhin, ihre Stimmrechte unter Zuhilfenahme der Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters auzuüben. Stimmrechtsberatung wird also nicht verboten, sondern bleibt erlaubt. Da nach dem Vorschlag die Eigentümerstruktur eines Stimmrechtsberaters entscheidend dafür ist, ob institutionelle Anleger dessen Empfehlungen verwenden dürfen, dürften die Empfehlungen der gegenwärtigen Marktführer ISS und Glass Lewis allerdings nicht weiter verwendet werden. Das führt zu der Frage, ob Stimmrechtsberatung bei Umsetzung des „Joint Venture“-Vorschlags nicht faktisch unmöglich wird, weil der Aufbau eines neuen Anbieters, der die Beteiligungserfordernisse erfüllt, nicht möglich ist. Der Einwand erscheint jedoch eher fernliegend. Der Regulierungsansatz schafft einen neuen Markt für Stimmrechtsberatung, der von den etablierten Anbietern nicht bedient werden kann. Die auf dem Markt für Stimmrechtsberatung grundsätzlich bestehenden Marktzutrittsschranken haben somit – jedenfalls zunächst – keine Bedeutung, weil es einen etablierten Anbieter (noch) nicht gibt. Ob die institutionellen Anleger zur Gründung eigenständiger Stimmrechtsberater bereit und in der Lage sind, bleibt zwar ihnen selbst überlassen. Da die Dienste der Stimmrechtsberater gegenwärtig aber so großen Zuspruch finden, ist nicht anzunehmen, dass die institutionellen Anleger die möglichen Renditechancen, die die Stimmrechtsberatung bietet, ungenutzt lassen würden. Hierauf deutet auch die bereits zitierte Einschätzung Ruffners hin.172 Institutionelle Anleger würden sich daher wohl eher auf die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen einstellen, also unter Beachtung der aufgestellten Vorgaben eigene Stimmrechtsberater gründen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum solche Stimmrechtsberater nicht die gleiche Expertise sollten erlangen können wie die gegenwärtigen Marktführer. Ihre des Marktes durch denjenigen der Hierarchie zu substitutieren.“ Instruktiv zum Transaktionskostenkonzept auch ders., Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 91 ff. 171 Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 20 ff. und passim. s. dazu auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 53 ff. 172 s. oben S. 149.

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§ 9 Regulierungsstrategien

Empfehlungen würden auf Seiten der institutionellen Anleger demnach ebenfalls zu einer – positiv zu bewertenden – informierteren Stimmrechtsausübung führen.173 Bei Umsetzung des hier entwickelten „Joint Venture“-Ansatzes würden zudem die Fehlanreize, denen die wichtigsten Stimmrechtsberater heute unterliegen, beseitigt oder zumindest abgeschwächt. Das betrifft zunächst den Prinzipal-Agenten-Konflikt, dem jeder unabhängige Stimmrechtsberater unterliegt: Ein Gemeinschaftsunternehmen repräsentiert die institutionellen Anleger selbst. Die Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen würde also gar nicht im eigentlichen Sinne delegiert, sondern es würde lediglich die Zusammenarbeit der institutionellen Anleger institutionalisiert. Ein Prinzipal-Agenten-Konflikt entsteht zwar auch bei einem Gemeinschaftsunternehmen dadurch, dass dieses Gemeinschaftsunternehmen über eine Unternehmensleitung verfügt und die Unternehmensleitung als Agent der institutionellen Anleger zu qualifizieren ist. Die Möglichkeiten, diesen Agenten zu kontrollieren, sind jedoch ungleich besser als die gegenwärtig bestehenden Möglichkeiten zur Kontrolle von Stimmrechtsberatern. Als Gesellschafter haben die institutionellen Anleger schließlich insbesondere die Möglichkeit, die Geschäftsführung unmittelbar (s. etwa § 24 Abs. 2 S. 1 GenG, § 46 Nr. 5 GmbHG174) oder über den Aufsichtsrat (s. etwa § 84 Abs. 3 S. 1 AktG) abzuberufen. Zwar könnte man entgegenhalten, dass institutionelle Anleger gerade rational apathisch sind und daher von einer aktiven Einflussnahme absehen werden. Diese für sonstige Beteiligungen zutreffende Feststellung wird man auf einen Stimmrechtsberater, der als Gemeinschaftsunternehmen betrieben wird, aber nicht ohne Weiteres übertragen können. Die Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen, das Abstimmungsempfehlungen entwickelt, ist schließlich gerade keine Beteiligung, die auf die Erwirtschaftung einer „eigenen“ Rendite abzielt. Sie dient vielmehr dazu, die Rendite aus anderen Beteiligungen zu steigern. Insofern haben institutionelle Anleger einen großen Anreiz zur Beaufsichtigung des Gemeinschaftsunternehmens: Die Beaufsichtigung des Stimmrechtsberaters macht die Beaufsichtigung aller anderen Unternehmen, an denen der institutionelle Anleger beteiligt ist, fast überflüssig. Wenn nur sichergestellt ist, dass sich die Abstimmungsempfehlungen ausschließlich am Interesse der institutionellen Anlegern orientieren, erfolgt durch die (unmittelbare) Kontrolle des „Joint Venture“-Stimmrechtsberaters eine zumindest mittelbare Kontrolle sämtlicher Unternehmensleitungen, deren Über173

Zu diesem positiven Effekt der Stimmrechtsberatung s. oben S. 189 f. Bei beiden Rechtsformen kann auch der Aufsichtsrat zuständig sein. Das kann sich für die Genossenschaft aus der Satzung ergeben, s. Beuthien, GenG, 15. Aufl. (2011), § 24, Rn. 20, und für die GmbH aus §§ 31, 33 MitbestG, s. Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, 2012, § 46, Rn. 100. 174

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wachung andernfalls jeder einzelne institutionelle Anleger gewährleisten müsste. Eine rationale Apathie in Bezug auf den gemeinsam betriebenen Stimmrechtsberater ist daher wohl nicht zu befürchten. Als eine weitere Quelle potentieller Fehlanreize hat sich die fehlende Treuepflicht von Stimmrechtsberatern erwiesen. Zwar schuldet auch ein von mehreren institutionellen Anlegern gemeinschaftlich betriebener Stimmrechtsberater den Gesellschaften, für die er Abstimmungsempfehlungen unterbreitet, keine Treue. Das ist aber insofern zu verschmerzen, als die Eigentümer des Stimmrechtsberaters auch Träger des Residualrisikos der Gesellschaften sind, auf die sich die Abstimmungsempfehlungen beziehen. Eine Treuepflicht soll vorwiegend Anreize für Dritte schaffen, die nicht das Residualrisiko tragen. Das ist zwar für den gemeinschaftlich betriebenen Stimmrechtsberater selbst an sich zutreffend. Wenn aber dessen mit Kontrollmöglichkeiten und -anreizen ausgestattete Gesellschafter das Residualrisiko tragen, resultiert aus dem Fehlen einer (eigenständigen) Treuepflicht allenfalls ein schwacher Fehlanreiz. Ein Fehlanreiz folgt auch aus bestehenden Interessenkonflikten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht insoweit die von ISS parallel zur Stimmrechtsberatung angebotene Corporate Governance-Beratung für die Manager von Aktiengesellschaften. Ein Stimmrechtsberater, der als Gemeinschaftsunternehmen betrieben wird, würde eine entsprechende Dienstleistung aller Voraussicht nach nicht anbieten. Bietet er sie doch an, sind negative Einflüsse auf die Abstimmungsempfehlungen davon kaum zu erwarten. Schließlich geht es den institutionellen Anlegern als Eigentümern primär um deren Qualität. Die Corporate Governance-Beratung stellt sich aus ihrer Sicht allenfalls als eine willkommene Möglichkeit dar, die Kosten des Gemeinschaftsunternehmens durch ein weiteres Angebot für Unternehmen zu refinanzieren. Sinn macht das aber nur, wenn keine Fehlanreize für das Gemeinschaftsunternehmen enstehen. Institutionelle Anleger werden als Gesellschafter daher darauf drängen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um – wenn überhaupt eine Corporate Governance-Beratung angeboten wird – das Entstehen eines Fehlanreizes zu verhindern. Wenn diese Maßnahmen effektiv sind, ist die parallele Corporate Governance-Beratung volkswirtschaftlich sogar sinnvoll.175 Problematisch ist zudem die gegenwärtige Wettbewerbssituation auf dem Markt für Stimmrechtsberatung. Zwar wird bei Umsetzung des hier vorgeschlagenen Regulierungsmodells unmittelbar ein Markt für Abstimmungsempfehlungen geschaffen, den die etablierten Anbieter nicht bedienen können. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wie sich die Wettbewerbs175

s. dazu schon oben S. 351.

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situation zukünftig entwickeln wird. Grundsätzlich gilt auch bei „Joint Venture“-Unternehmen, dass der Wettbewerb einen Anreiz für ein qualitativ hochwertiges Angebot schafft. Institutionelle Anleger werden sich schließlich immer an dem Stimmrechtsberater beteiligen wollen, der die besten Empfehlungen abgibt. Daraus resultiert für die Geschäftsleiter eines Stimmrechtsberaters der Anreiz, möglichst „gute“ Abstimmungsempfehlungen abzugeben. Andernfalls droht die Abwanderung der Gesellschafter, die zugleich die Kunden des Stimmrechtsberaters sind. Eine derartige Sanktion setzt zunächst allerdings voraus, dass die institutionellen Anleger die Qualität der Abstimmungsempfehlungen überhaupt bewerten können. Das ist zurzeit allenfalls bedingt der Fall. Auch bei einer Konzeption von Stimmrechtsberatern als Gemeinschaftsunternehmen bleibt das Problem im Grundsatz bestehen, wird aber insofern abgeschwächt, als den institutionellen Anlegern zumindest in Hinblick auf den „eigenen“ Stimmrechtsberater umfassendere Auskunftsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass institutionelle Anleger die eigene Rendite mit der Rendite ihrer Konkurrenten vergleichen können. Bei überproportionalen Renditen der Konkurrenz besteht ein Anlass zu überprüfen, ob möglicherweise ein Zusammenhang mit der Qualität der Abstimmungsempfehlungen besteht, die die institutionellen Anleger jeweils beziehen. Förderlich ist für den Wettbewerb außerdem, dass Marktzutrittsschranken abgebaut werden. Voraussetzung für die Gründung eines neuen Stimmrechtsberaters ist lediglich, dass sich genug institutionelle Anleger finden, um ein solches Gemeinschaftsunternehmen wirtschaftlich betreiben zu können. Im Grundsatz gilt, dass die Wirtschaftlichkeit zwar mit der Anzahl der beteiligten institutionellen Anleger steigt, dass aber die individuellen Kontrollmöglichkeiten mit einer steigenden Anzahl an Mitgesellschaftern abnehmen. Der Markt wird herausfinden, welche Größe die Bedürfnisse institutioneller Anleger am besten befriedigt. Kunden müssten hingegen nicht (zusätzlich) gewonnen werden, da die Abstimmungsempfehlungen nach dem hier vorgeschlagenen Konzept nur für die gesellschaftsrechtlich beteiligten institutionellen Anleger entwickelt werden. Insgesamt scheint das „Joint Venture“-Konzept somit in Hinblick auf die Wettbewerbssituation förderlich zu sein. Schließlich resultiert ein Fehlanreiz von Stimmrechtsberatern aus der häufig intransparenten Entscheidungsfindung. Vor allem nehmen Stimmrechtsberater von der Öffentlichkeit wie von ihren Kunden unbemerkt über informelle Gespräche mit Managern Einfluss auf Unternehmen. Auch dieses Problem bestünde bei einem „Joint Venture“-Stimmrechtsberater nur noch in abgeschwächter Form, da die beteiligten institutionellen Anleger über umfassendere Auskunftsmöglichkeiten verfügten als bislang. Der Stimmrechtsberater müsste gegenüber den Aktionären also Rechenschaft darüber ablegen, in welcher Weise er auf welches Unternehmen Einfluss genommen hat.

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Die rechtsökonomische Betrachtung hat gezeigt, dass eine Vorgabe für institutionelle Anleger, nur noch die Empfehlungen eines Stimmrechtsberaters beziehen zu dürfen, an dem sie selbst und auch im Übrigen nur institutionelle Anleger beteiligt sind, im Vergleich zur gegenwärtigen Marktsituation einige Vorteile aufweisen würde. Vor allem würde das Konzept der wesentlichen Anforderung an eine „gute“ Regulierung der Branche gerecht: Stimmrechtsberatung bliebe weiterhin möglich, die Fehlanreize würden aber beseitigt bzw. jedenfalls abgeschwächt. c) Umsetzbarkeit im Lichte des Internationalen Kapitalmarktrechts Die Bewertung des hier entwickelten Vorschlags für eine Regulierung der Stimmrechtsberater hängt zudem von seiner Umsetzbarkeit ab. Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass die wichtigsten Stimmrechtsberater ihren Sitz in den USA haben und daher der Regulierungszugriff des deutschen bzw. des europäischen Gesetzgebers eines genaueren Hinsehens bedarf. Ob der Vorschlag, institutionellen Anlegern nur noch die Mandatierung eines „Joint Venture“-Stimmrechtsberaters zu erlauben, umsetzbar ist, hängt von den Grenzen ab, die das Internationale Kapitalmarktrecht den Gesetzgebern setzt. Maßgeblich ist dort das Marktortprinzip, wonach der Gesetzgeber solche Sachverhalte regulieren darf, die sich auf seinem Territorium auswirken. Für die Bestimmung des Markts ist der Schutzzweck maßgeblich, der mit der jeweiligen Regelung verfolgt wird.176 Mit dem hier entwickelten Konzept für eine indirekte Regulierung der Stimmrechtsberater sollen vor allem die inländischen Emittenten, auf deren Hauptversammlungen sich die Abstimmungsempfehlungen beziehen, sowie deren Aktionäre geschützt werden. Wenn zu diesem Zweck Anforderungen an die Stimmrechtsausübung gestellt werden müssen, so sind entsprechende Bestimmungen sowohl für Aktionäre mit Sitz im Inland als auch für Aktionäre mit Sitz im Ausland zulässig. Diese Sichtweise wird durch einen vergleichenden Blick auf § 135 Abs. 2 S. 2 AktG bestätigt. Die Norm stellt bereits gegenwärtig sowohl für inländische als auch für ausländische Kreditinstitute inhaltliche Anforderungen an die Stimmrechtsausübung.177 Das hier entwickelte Regulierungskonzept wäre demnach mit Blick auf das Internationale Kapitalmarktrecht sowohl auf deutscher (zum Schutz von Emittenten mit Sitz in Deutschland) als auch auf europäischer Ebene (zum Schutz von Emittenten mit Sitz in Europa) umsetzbar.

176 177

s. die Nachweise in § 3, Fn. 64 und § 3, Fn. 81. s. dazu oben S. 283 f.

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d) Verhältnismäßigkeit Das hier entwickelte Regulierungskonzept ist auf einer Intensitätsskala möglicher Eingriffe in die Tätigkeit der Stimmrechtsberater am oberen Ende einzuordnen. Vor allem die existierenden Stimmrechtsberater würden (wenn auch mittelbar) drastisch beeinträchtigt, weil alle von der Regulierung betroffenen institutionellen Anleger ihre Dienste nicht mehr nachfragen würden. Möglicherweise müssten sie ihren Geschäftsbetrieb ganz aufgeben. Doch auch die institutionellen Anleger würden in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt, weil sie die Stimmrechtsausübung nicht mehr wie bisher betreiben könnten. Sie wären gezwungen, entweder ganz auf Stimmrechtsberatung zu verzichten – was Einbußen bei der Rendite zur Folge haben könnte – oder sie müssten die Gründung eines „Joint Venture“-Stimmrechtsberaters initiieren bzw. sich an einer Gründung beteiligen. Diese Beschneidungen verdeutlichen, dass die Umsetzung des hier entwickelten Regulierungskonzepts unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur in Betracht kommt, wenn die existierenden Stimmrechtsberater tatsächlich soziale Kosten verursachen und wenn mildere Mittel keine Verbesserungen versprechen. Daher sollte zunächst mittels (weiterer) empirischer Studien eine detailliertere Tatsachengrundlage über den sozialen Nutzen der Stimmrechtsberater geschaffen werden. Die Tatsachengrundlage würde in anderer Hinsicht auch durch die in dieser Arbeit befürworteten Offenlegungspflichten verbreitert. Es wäre eine verlässlichere Einschätzung über die Bedeutung des Interessenkonflikts aus einer parallelen Corporate GovernanceBeratung möglich und der tatsächliche Einfluss der Stimmrechtsberater auf deutsche bzw. europäische Emittenten könnte näher bestimmt werden. Nur wenn sich dann abzeichnet, dass strengere Eingriffe notwendig sind, sollte die Umsetzung des hier entwickelten Regulierungskonzepts in Betracht gezogen werden. Die Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Art und Weise der Umsetzung zu beachten. Insbesondere müssten institutionelle Anleger (jedenfalls zunächst) nicht durch „harte“ Regulierung zur Gründung eigener Stimmrechtsberater gezwungen werden. Möglicherweise genügt es, die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen zum Zwecke der Entwicklung von Abstimmungsempfehlungen in einem Verhaltenskodex anzuregen. Selbst wenn dem Kodex nur einige institutionelle Anleger folgten und die so entstehenden Stimmrechtsberater neben den etablierten Anbietern agierten, ergäben sich positive Auswirkungen insbesondere auf die Wettbewerbssituation auf dem Markt für Stimmrechtsberatung. Erste Gründungen von „Joint Venture“-Stimmrechtsberatern würden den etablierten Anbietern zudem den Eindruck vermitteln, dass nunmehr zumindest ein potentieller Wettbewerb besteht. Hiervon gingen positive Anreize aus, eine hohe Qualität der Abstimmungsempfehlungen zu gewährleisten.

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e) Ergebnis Ein mögliches Instrument zur Regulierung des Markts für Stimmrechtsberatung besteht darin, institutionelle Anleger zur Gründung von Gemeinschaftsunternehmen zu verpflichten, die für ihre Mitglieder Abstimmungsempfehlungen entwickeln. Auf diese Weise bliebe Stimmrechtsberatung weiterhin möglich. Die Fehlanreize, die bei den existierenden Anbietern bestehen, würden aber beseitigt oder jedenfalls abgeschwächt. Das Konzept ist dem Bereich der indirekten Regulierung zuzuordnen, es knüpft also nicht bei den Stimmrechtsberatern selbst an, sondern stellt Anforderungen an die Stimmrechtsausübung durch institutionelle Anleger. Aus diesem Grund könnte im Lichte des Internationalen Kapitalmarktrechts ein effektiver Schutz des Binnenmarkts auch mit Blick darauf erfolgen, dass die wichtigsten Stimmrechtsberater ihren Sitz in den USA haben. Allerdings wäre die Eingriffsintensität des Konzepts hoch, sodass vor seiner Umsetzung zunächst eine verlässlichere Tatsachengrundlage geschaffen und der Versuch einer Regulierung mit milderen Mitteln unternommen werden sollte. Die Umsetzung muss zudem nicht unbedingt durch eine Zwangsregelung erfolgen. Möglicherweise genügt es, institutionelle Anleger in einem Verhaltenskodex zur Gründung von Gemeinschaftsunternehmen anzuregen. Als Rechtsform eines solchen Gemeinschaftsunternehmens bietet sich die Genossenschaft an.

§ 10 Zusammenfassung Institutionelle Stimmrechtsberater sind privatwirtschaftlich betriebene Unternehmen, die im Auftrag von Aktionären Abstimmungsempfehlungen für die Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften entwickeln. Der Markt wird zurzeit von den US-amerikanischen Unternehmen Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis beherrscht, er weist also eine oligopolistische Struktur auf. Die Marktzutrittsschranken sind hoch, sodass kein potentieller Wettbewerb besteht.1 In welchem Maße Stimmrechtsberater auf Hauptversammlungsbeschlüsse Einfluss nehmen, lässt sich nur schwer beziffern. Studien zu US-amerikanischen Emittenten zufolge haben die Abstimmungsempfehlungen von ISS Einfluss auf die Ausübung von 6 und 30% der Stimmrechte. Für deutsche Aktiengesellschaften liegen (noch) keine empirischen Befunde vor. Hinzu kommt, dass Stimmrechtsberater ihren Einfluss nicht nur durch (ablehnende) Abstimmungsempfehlungen ausüben, sondern häufig bereits im Vorfeld der Hauptversammlungen Gespräche mit dem Management führen.2 Der Bedeutungsaufstieg der Stimmrechtsberater ist vor dem Hintergrund der jüngeren aktienrechtlichen Entwicklung in den USA und Deutschland zu betrachten. Wenn man die gesetzgeberischen Maßnahmen in den beiden Staaten analysiert, ist festzustellen, dass sich die Systeme sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufeinander zu bewegen.3 Für die Tätigkeit von Stimmrechtsberatern sind die Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung und die Stärkung der Aktionärsrechte förderlich. In wirtschaftlicher Hinsicht hat die Nachfrage nach Abstimmungsempfehlungen durch den Bedeutungsaufstieg der institutionellen Anleger vermutlich erheblich zugenommen.4 Dass das (aktien-)rechtliche und wirtschaftliche Umfeld für das Dienstleistungsangebot für die Nachfrage nach Abstimmungsempfehlungen förderlich ist, sagt noch nichts darüber aus, warum institutionelle Anleger Stimmrechtsberater mandatieren. Insoweit ist zweierlei festzustellen: Zum einen führt das Angebot der Stimmrechtsberater zu einer ökonomischen Neubewertung der Stimmrechtsausübung: Eine Kontrolle des Managements durch eine voiceStrategie wird attraktiver, wenn Stimmrechtsberater eine Vielzahl institutio1 2 3 4

S. S. S. S.

61 ff. 83 ff. 90 ff. 127 ff.

§ 10 Zusammenfassung

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neller Anleger mit Abstimmungsempfehlungen versorgen.5 Zum anderen spielen rechtliche Bestimmungen eine Rolle, wonach vor allem US-amerikanische institutionelle Anleger ihre Stimmrechte ausüben bzw. Rechenschaft darüber ablegen müssen, worauf ihr Abstimmungsverhalten beruht.6 Wie ist die Einflussnahme von Stimmrechtsberatern auf Hauptversammlungsbeschlüsse zu bewerten? In positiver Hinsicht ist zu bemerken, dass Stimmrechtsberater Aktionärsaktivismus ermöglichen und so zur Auflösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts beitragen, der zwischen Aktionären und Managern besteht. Außerdem führt ihr Dienstleistungsangebot zu einer informierteren Stimmrechtsausübung durch die Aktionäre. Tendenziell steigt somit die Qualität von Hauptversammlungsbeschlüssen. Volkswirtschaftlich werden Informationskosten dadurch gesenkt, dass sich nicht mehr jeder institutionelle Anleger komplett eigenständig auf Hauptversammlungen vorbereiten muss.7 Wie wichtig eine Kontrolle des Managements durch die Aktionäre sein kann, zeigen zwei Bereiche der Corporate GovernanceDiskussion, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und die Strukturierung von Vergütungssystemen für Manager, exemplarisch.8 Ob Stimmrechtsberater tatsächlich einen sozialen Nutzen haben, hängt aber auch von ihren Anreizen ab. Insoweit ist festzustellen, dass Stimmrechtsberater selbst Agenten der Aktionäre sind. Bei der verstärkten Kontrolle des Managements durch Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters handelt es sich also um eine Konstellation des „agents watching agents“. Hinzu kommt, dass Stimmrechtsberater den Aktiengesellschaften, für deren Hauptversammlungen sie Abstimmungsempfehlungen aussprechen, nicht zur Treue verpflichtet sind. Stimmrechtsberater unterliegen darüber hinaus in mehrerlei Hinsicht Interessenkonflikten. Öffentliche Beachtung kommt vor allem dem Umstand zu, dass ISS nicht nur die Aktionäre berät, sondern seine Dienste über die Tochtergesellschaft ICS auch Managern zur Verfügung stellt. Problematisch erscheint es außerdem, dass Stimmrechtsberater häufig im Verborgenen agieren und dass sie keiner effektiven Kontrolle durch Marktkräfte unterliegen.9 Der empirische Befund zum sozialen Nutzen der Stimmrechtsberater liefert kein eindeutiges Ergebnis, deutet in der Tendenz aber daraufhin, dass wohl eher soziale Kosten verursacht werden.10 Eine Analyse de lege lata zeigt, dass Stimmrechtsberater gegenwärtig weder in den USA noch in Deutschland einer effektiven Regulierung unter5

S. 149 ff. S. 155 ff. 7 S. 184 ff. 8 S. 191 ff. 9 S. 206 ff. 10 S. 228 ff. 6

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§ 10 Zusammenfassung

liegen.11 In Deutschland besteht insbesondere kein effektives Haftungsregime für Stimmrechtsberater.12 In Anbetracht des erheblichen Einflusses einerseits und der bestehenden Fehlanreize andererseits erscheint daher eine Regulierung der Branche geboten. Optimal wären dabei solche Maßnahmen, bei denen der Nutzen der Stimmrechtsberatung erhalten bleibt, die aber die Fehlanreize, die die Branche heute prägen, beseitigen. In Betracht kommen dabei zunächst Maßnahmen gegenüber den Stimmrechtsberatern selbst (direkte Regulierung).13 Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass im Bereich der direkten Regulierung nur eine Offenlegungspflicht zur Bemessung des Einflusses der Stimmrechtsberater sinnvoll ist. Diese Offenlegungspflicht sollte so gestaltet werden, dass institutionelle Anleger gegenüber dem Emittenten unter Angabe ihres Stimmrechtsanteils mitteilen, ob sie Abstimmungsempfehlungen eines Stimmrechtsberaters beziehen und, wenn ja, von welchem. Der Emittent gibt dann eine Mitteilung darüber heraus, welcher Anteil seiner Aktionäre Abstimmungsempfehlungen einzelner Stimmrechtsberater bezieht.14 Im Bereich der Maßnahmen gegenüber den institutionellen Anlegern (indirekte Regulierung) versprechen Offenlegungspflichten und eine Verschärfung der Treuepflichten gegenüber den beneficial owners kaum Aussicht auf Erfolg.15 In dieser Arbeit wird daher ein Regulierungsmodell vorgestellt, das – wenn sich die Bedenken gegenüber den Stimmrechtsberatern verfestigen und mildere Mittel nicht zu Verbesserungen geführt haben – für Gesetzgeber eine Handlungsoption darstellen könnte. Danach sind die institutionellen Anleger zu verpflichten, sich an einem Stimmrechtsberater, dessen Abstimmungsempfehlungen sie beziehen, zu beteiligen. Im Optimalfall werden Abstimmungsempfehlungen von einem als „Joint Venture“ mehrerer institutioneller Anleger betriebenen Stimmrechtsberater entwickelt, für das sich die Rechtsform der Genossenschaft anbietet. Aus rechtsökonomischer Sicht fiele vor allem der PrinzipalAgenten-Konflikt zwischen Stimmrechtsberater und Aktionären weg, da die Abstimmungsempfehlungen letztlich von den Aktionären selbst entwickelt werden und hierfür lediglich der Weg einer institutionalisierten Zusammenarbeit gewählt wird. Auf diese Weise werden Transaktionskosten eingespart, die Spontanabsprachen unattraktiv erscheinen lassen. Ein institutioneller Anleger könnte durch die Beteiligung an einem „Joint Venture“-Stimmrechtsberater und dessen Überwachung die informierte Ausübung aller seiner Stimmrechte effektiv gewährleisten und würde so mittelbar das Management aller Aktiengesellschaften. 11 12 13 14 15

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251 284 314 331 354

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Sachwortregister Abschlussprüfer 29, 91, 94, 313 – Ausschlussgründe nach HGB 317, 350 – doppelte Expertise 317 – Herkunftslandprinzip 328 – prüfungsverwandte Leistungen 325 – Rotationssystem siehe dort – Unabhängigkeit 338 – Verbot der Erbringung prüfungsfremder Leistungen 350 – Verordnungsentwurf 325, 338, 341, 343 Absolute Return Tracker Fund (Goldman Sachs) 224 Abspaltungsverbot siehe Aktie Abstimmungsempfehlung – als Meinungsäußerung 289 – Kontrolle durch Kunden (Empirie) 246 – Kontrolle durch Kunden (Theorie) 224 – Korrelation mit Corporate Governance-Rating 237 – nachträgliche Überprüfungspflicht siehe Rückvergleiche – Nachweis der Fehlerhaftigkeit 290 Abstimmungspflicht 155 – aus der Aktionärsstellung 168 – aus treuhänderischer Verpflichtung 166 – Kapitalanlagegesellschaft siehe dort – Pensionsfonds, öffentliche siehe dort – Pensionsfonds, private siehe dort – prudent investor rule 158 – Rechtslage in den USA 155 – Rechtslage in Deutschland 159

– Rechtslage in Frankreich 171 – trust 158–159 Abstimmungsrichtlinien siehe Stimmrechtsberater (Richtlinien) Abstimmungsverhalten(s), Offenlegung des 172 Ackermann, Josef siehe Deutsche Bank Acting in Concert 140, 143, 255, 259 – Einzelfallvereinbarung 265 – Teilnahme eines Nicht-Aktionärs 260 Ad-hoc-Mitteilung siehe Insiderrecht agency costs siehe Prinzipal-AgentenKonflikt (Vertretungskosten) Agents Watching Agents 211, 213 Agenturkosten siehe Prinzipal-AgentenKonflikt (Vertretungskosten) AGR-Rating siehe Corporate Governance-Rating Aktie – Abspaltungsverbot 188, 210 – Dividende 124, 166, 293–294, 297 – Hinterlegung 109 – Namensaktien, Umstellung auf 116, 339 – Stammaktie 124, 166 – Veräußerungssperre 109 – Vorzugsaktie 124, 166 Aktionärsaktivismus 151, 184, 189, 198 Aktionärsforum siehe Hauptversammlung Aktionärsrechte, Stärkung der 129 American Law Institute 158 Analysten, Finanzanalysten siehe dort Analysten siehe Insiderrecht Anekdotische Evidenz 84, 86

Sachwortregister Angebotssubstitution siehe Wettbewerb angreifbare Märkte siehe Wettbewerb Anlageberatung 270 Anlagebeschränkungen 145 Anvertrauen von Stimmrechten siehe Stimmrecht Arbeitsministerium, US-amerikanisches siehe Department of Labor Arbitrage 36 ARUG 110 atypischer Vertrag 287 Aufsichtsbehörde (für Stimmrechtsberater) 351 Aufsichtsrat 191, 344–345 – ehemalige Vorstandsmitglieder 193 – gesetzliche Regelungen 193 – Qualifikation 192, 194 – unabhängiger Finanzexperte 194, 345 – Unabhängigkeit 192, 194 – Unternehmensvertreter 192 Ausforschungsfragen 282 Auswirkungsprinzip siehe Internationales Kapitalmarktrecht (Marktortprinzip) Autorité des Marchés Financiers (AMF) 179, 321 Avon letter siehe Department of Labor BaFin siehe Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Baums-Kommission siehe Regierungskommission Corporate Governance Bedarfsmarktkonzept siehe Wettbewerb Behavioral Finance 111, 225 – anchoring, Ankereffekt 226 – availability heuristic, Verfügbarkeitsheuristik 226 – belief-perseverance 226 – cognitive biases 226 – conservatism bias 226 – rational choice theory 225 – status quo bias 111 – Urteilsverzerrungen 226

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beneficial owner 34, 96, 114, 127, 356 Betriebsbezogenheit des Eingriffs siehe Haftung (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) Beweislast siehe Haftung biases siehe Behavioral Finance board of directors siehe corporation Brandeis, Louis D. 43 Briefwahl siehe Hauptversammlung broker 96, 114, 118 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 141, 256, 336 Bundesministerium der Justiz 107 Bundesrat 163 Bundesverband Investment und Asset Management 39, 54, 57 – Regelbuch für Kapitalanlagegesellschaften 170, 181 Business Roundtable 85 Bußgeld (WpHG) 141, 270, 277, 336 buy-side-Analyst siehe Insiderrecht BVI siehe Bundesverband Investment und Asset Management Chief Compliance Officer 254 chinese walls 148, 218–219, 275, 291, 352 Coase, Ronald H. 362 Colorado Public Employees Retirement Association 80 contestable markets siehe Wettbewerb (angreifbare Märkte) Corporate Governance-Beratung 31, 41, 81, 216, 223, 254, 291, 321, 327 – ISS Corporate Services (ICS) siehe dort – Verbot (Regulierungsmaßnahme) 349 Corporate Governance Quotient (CGQ) siehe Corporate Governance-Rating Corporate Governance-Rating siehe auch Stimmrechtsberater (empirische Erkenntnisse) – AGR-Rating 236

410

Sachwortregister

– check-the-box-System 242 – Corporate Governance Quotient (CGQ) 41, 233–238, 241, 249 – E-Index 230–231, 233 – Glass Lewis Monitor 43 – GMI-Rating 236 – Governance Risk Indicators (GRId) 41, 233 – Gov-Score 235 – G-Score 229, 231, 233, 240 – Korrelation des CGQ mit Abstimmungsempfehlungen 237 – Kriterien – Gewichtung 244 – Komplementäre 242 – Substitution 242 – measurement error 243 – one-size-fits-all siehe dort – TCL-Rating 236, 240 – Vorzüge kommerzieller Ratings 234 corporation 94 – articles of incorporation 94, 100 – board of directors 90, 94–95, 97–100, 114, 127, 129, 148, 243 – bylaws 94, 98–100 – duty of care 212 – duty of loyalty 212 – konsultativer Beschluss 99 – majority voting 100, 113–114, 129 – Mehrheitserfordernisse 99, 114 – plurality voting 100, 114 – proxy access siehe dort – proxy-Hauptversammlung 95, 101, 127 – proxy rules siehe dort – proxy solicitation siehe dort – routine matters 96, 114 – simple majority 99 – Spontananträge 95 – super majority 99 – vote no-campaign 98 – Willensfeststellungsorgan 97 – withhold campaign 100–101

DAX 30 83, 122–123 debt siehe Fremdkapital Delaware 94, 158 Deliktsstatut siehe Internationales Privatrecht Department of Labor 45, 155, 174, 254 – Avon Letter 155 Depotstimmrecht siehe Hauptversammlung Deutsche Bank 28, 85, 105, 121 – Ackermann, Josef 28, 196 Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) 59, 66 Deutscher Corporate GovernanceKodex für Asset-ManagementGesellschaften 170 Deutschland AG siehe Konvergenz Dienstleistungsvertrag 285 disclosure philosophy 117 discovery siehe Entdeckungen (Information) diversified (Fonds) 145 Diversifikation (Portfolio) 27, 58, 69, 73, 120, 136, 145, 359, 361 Dodd-Frank Act 96, 98–99 doppelte Expertise siehe Abschlussprüfer, Stimmrechtsberater Douglas, William O. 43 Drucker, Peter 27 due diligence 356 duty of care siehe corporation duty of loyalty siehe corporation economies of scale siehe Skalenerträge Efficient Capital Market Hypothesis (ECMH) 239 Egan-Jones 46 Eigenkapital 29, 119 eight-factor test 144 E-Index siehe Corporate GovernanceRating Einfluss von Stimmrechtsberatern siehe Stimmrechtsberater

Sachwortregister empirische Erkenntnisse siehe Stimmrechtsberater Empty Voting 187, 209 Entdeckungen (Information) 190 equity siehe Eigenkapital ERISA 155, 158, 174, 254 essential facilities-Doktrin siehe Kartellrecht Ethos 39, 48, 52, 362 – Ethos Engagement Pool 51 EuGVVO siehe Gerichtsstand Europäische Kommission 65, 160, 180, 202, 317, 338, 346, 350 – Aktionsplan 32 – Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen 32, 323 – Konsultationsprozess 323 European Corporate Governance Service (ECGS) 57 European Securities and Markets Authority 32 executive compensation siehe Managervergütung exit-Strategie 133, 152–153, 155 Expertengutachten 287, 302 Expertenhaftung siehe Haftung Fehlanreize siehe Stimmrechtsberater Financial Reporting Council (FRC) 176 Finanzanalysten 29–30, 271, 313, 325 Finanzkrise 191 first-mover advantage siehe Wettbewerb FOLIOfn 48 Fondsmanager 139–140, 147, 153, 172–173, 226 foreknowledge siehe Vorauswissen Frankreich 83, 179, 321 – Abstimmungspflicht 171 – Autorité des Marchés Financiers (AMF) siehe dort free rider siehe rationale Apathie (Trittbrettfahrer) Fremdkapital 29, 103, 119

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GAO siehe U.S. Government Accountability Office Gegenauffassung, Pflicht zur Verbreitung 339 Geheimhaltungsinteressen siehe Insiderrecht Gemeinschaftsunternehmen siehe Joint Venture Genossenschaft 359, 361 – Nachschusspflicht 361 – Pflichtbeiträge 360 Gerichtsstand 310 – am Ort der Niederlassung 311 – am Ort der unerlaubten Handlung 311 – am Sitz der juristischen Person 311 – bei Klagen gegen Ratingagenturen 311 – Doppelfunktionalität der ZPO 311 German-Dutch Governance Research siehe Institutional Shareholder Services Gesamtkapitalrentabilität 232, 237 Geschäftsbesorgungsvertrag 287–288 gesellschaftsbezogene Beschränkung (Wettbewerb) 318 Girmes-Urteil siehe Stimmrechtsvertreter Glass Lewis 42 – Aufstieg als Wettbewerber 38, 44, 79, 81, 217, 341, 351 – Glass Lewis Monitor siehe Corporate Governance-Rating – Richtlinien 130 Gläubigernähe siehe Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Gleichbehandlungsgebot, aktienrechtliches 272, 275, 278 – Geltung für Nicht-Aktionär 279, 281 – selektive Weitergabe von Informationen siehe Insiderrecht GmbH 360

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Sachwortregister

GMI-Rating siehe Corporate Governance-Rating Governance for Owners 60 Governance Risk Indicators (GRId) siehe Corporate Governance-Rating Gov-Score siehe Corporate Governance-Rating Grenzerlös siehe Wettbewerb Grenzkosten siehe Wettbewerb Group of German Experts on Corporate Law 161, 181 G-Score siehe Corporate GovernanceRating Habersack, Mathias, Gutachten für den 69. DJT 32, 133, 180, 193–194, 215, 324 Haftung 284 – Beweislast 289–290, 292, 302, 306 – Beweislastumkehr 347, 349 – Expertenhaftung 302 – Gefährdungshaftung 347 – Haftungsmaßstab siehe dort – Kausalität 292, 302, 306, 310 – Kausalität, haftungsausfüllende 293, 347 – Kausalität, haftungsbegründende 292 – Pflichtverletzung 289 – Rahmenrechte 309 – Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 307 – Unternehmenspersönlichkeitsrecht 308 – Vermögensschaden 295, 307 – vermutetes Verschulden 347, 349 – Vertragstyp siehe Stimmrechtsberater (Einordnung des Beratungsvertrags) haftungsausfüllende Kausalität siehe Haftung haftungsbegründende Kausalität siehe Haftung Haftungsmaßstab 290, 306 – Evidenzkriterien 290–291 – Neutralität 290

– Objektivität 290–291 – Sachkunde 290–291 – Warentest-Rechtsprechung 290 Haftungsregime(s), Schaffung eines siehe Stimmrechtsberater, Ratingagenturen Hauptversammlung 91 – Aktionärsforum 110, 151 – Briefwahl 112, 115, 127 – corporation siehe dort – Depotstimmrecht 102, 104, 106–107, 110, 115, 117, 128, 257, 282 – Holzmüller-Maßnahme 91 – Informationsverbreitung im Vorfeld 115 – konsultativer Beschluss 93, 203 – Mehrheitserfordernisse 93, 114 – Mehrstimmrecht, faktisches 84 – Online-Teilnahme 112, 115 – Online-Übertragung 108 – Präsenzhauptversammlung 115, 117, 127, 129 – Präsenzquote 83, 110, 134 – record date 110, 336 – Sitz der Aktionärsdemokratie 91 – Spontananträge 113, 127 – Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung 113, 115, 127 – Willensfeststellungsorgan 113, 128 Hedgefonds 36, 132, 135 Hermes Equity Ownership Service 39 High Level Group 160, 180–181 Hinterlegung von Aktien siehe Aktie Hirshleifer, Jack 190 historical accuracy siehe Rückvergleiche hit and run entry siehe Wettbewerb homo oeconomicus 209, 225 hypothetischer Monopoltest siehe Wettbewerb IKB-Urteil 292 Infineon 28, 135, 202

Sachwortregister – Berchtold, Willi 28 – Kley, Max Dietrich 29 – Wucherer, Klaus 28 Informationen, selektive Weitergabe siehe Insiderrecht Informationsintermediär 29, 289, 313, 325, 337 informelle Gespräche siehe one-on-one innere Tatsachen siehe Insiderrecht Insiderinformation siehe Insiderrecht Insiderrecht 146, 271 – Ad-hoc-Mitteilung 272, 277, 292 – Analysten 273, 275–276 – Bußgeldrecht, Analogieverbot 277 – buy-side-Analyst 273, 278 – Geheimhaltungsinteressen 272, 275, 280 – Gleichbehandlung 272 – innere Tatsachen 146 – Insiderinformation (Definition) 272 – Insiderinformation, befugte Weitergabe 276 – Insiderinformation, unbefugte Weitergabe 273, 275, 277 – selektive Weitergabe von Informationen 273, 279–280 – sell-side-Analyst 273 – Vertraulichkeit, Verpflichtung zur 276–277 – Weitergabe, unbefugte 146 Institutional Shareholder Services 40 – Corporate Governance Quotient (CGQ) siehe Corporate GovernanceRating – German-Dutch Governance Research 311 – Governance Risk Indicators (GRId) siehe Corporate Governance-Rating – ISS Corporate Services (ICS) siehe dort – Niederlassungen 311 – Richtlinien 78, 130, 150, 195, 205 – Sullivan & Cromwell, Gutachten 218

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Institutionalisierung der Zusammenarbeit 359, 362, 364 institutioneller Anleger (Definition) 34 institutioneller Stimmrechtsberater (Definition) 37 Institutionenökonomik 362 Interessenkonflikte 291 Internationale Zuständigkeit siehe Gerichtsstand Internationales Kapitalmarktrecht 328, 367 – Kollisionsnormen 328 – Marktortprinzip 329, 334–335, 339, 367 – reasonable link 334 – Sitz des Emittenten 329 Internationales Privatrecht – charakteristische Leistung 286 – Deliktsstatut 294 – Internationale Zuständigkeit siehe Gerichtsstand – Internationales Kapitalmarktrecht siehe dort – Tatortprinzip 294 – Vertragsstatut 285 Intransparenz siehe one-on-one Investment Advisers Act of 1940 252 Investmentaktiengesellschaft 162 Investmentberater 175 Investmentfonds 162 Investmentgesellschaft 35, 119, 157, 173 Investmentgesetz 145, 160, 162 ISS (Stimmrechtsberater) siehe Institutional Shareholder Services ISS Corporate Services (ICS) 42, 76, 81, 216, 218, 275, 304, 327, 342, 365 – sell-side-Analyst 275 Ivox 39, 54 – Ivox AGM reports 55 Joint Venture 191, 357, 363–364 Juschus, Alexander 54–55

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Sachwortregister

Kapitalanlage, Entwicklungsstufen der 29 Kapitalanlagegesellschaft 145, 160–161, 164 – Regelbuch siehe Bundesverband Investment und Asset Management Kapitalmarkteffizienz 238 kapitalmarktorientiertes Unternehmen 194, 350 Kapitalmarktrecht, Schutzzwecke 329 Kapitalwert 198 Kartellrecht 65 – essential facilities-Doktrin 315 Kausalität siehe Haftung Kleinaktionär 27, 164 Kollektivhandlungsproblem siehe rationale Apathie Konsultationsprozess siehe Europäische Kommission konsultativer Beschluss siehe corporation, Hauptversammlung KonTraG 104 Kontrolle (von Stimmrechtsberatern) siehe Stimmrechtsberater Kontrollerlangung siehe Pflichtangebot Kontrollmechanismen 338, 343 Kontrollsystem, internes siehe Kontrollmechanismen Konvergenz 90 – Bedeutung für Stimmrechtsberater 127 – Deutschland AG 121 – Hauptversammlungsrecht 90 – rechtliche 90, 127, 129 – wirtschaftliche Rahmenbedingungen 118, 130 Koordinationsfunktion (Stimmrechtsberater) siehe Stimmrechtsberater Kopfstimmrecht 360 Kreditgefährdung 295 Kreditinstitut 102, 104, 106, 109–111, 117, 258, 282, 330, 367 – Depotstimmrecht siehe Hauptversammlung

Kreuzpreiselastizität siehe Wettbewerb KWG 330 least cost provider 333 Leistungsnähe siehe Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Lerner-Index siehe Wettbewerb Leroy, Pierre-Henri 52 Liquidität der Märkte 152 Luganer Übereinkommen siehe Gerichtsstand Macht der Banken 101 majority voting siehe corporation managerial myopia siehe Managervergütung managerial power approach siehe Managervergütung Managervergütung 191, 196, 345 – excessive risk-trading 197 – gesetzliche Anforderungen 199 – managerial myopia 197 – managerial power approach 199 – optimal contract approach 198 – Rechtsschutz der Aktionäre 201 – repricing 197 – rewards for failure 204 – short-termism 197 – VorstAG 199 – windfall profits 197 Manifest 39 Marco Consulting Group 45 market for corporate control siehe Markt für Unternehmenskontrolle Markt für Unternehmenskontrolle 186, 227 Marktabgrenzung siehe Wettbewerb Marktanteile siehe Stimmrechtsberater marktbezogene Beschränkung (Wettbewerb) 318 Marktmacht siehe Wettbewerb Marktortprinzip siehe Internationales Kapitalmarktrecht

Sachwortregister Marktzutrittsschranken siehe Wettbewerb Mehrstimmrecht, faktisches siehe Hauptversammlung Meinungsäußerung siehe Abstimmungsempfehlung Meldepflichten 256 Mengenanpasser siehe Wettbewerb methodische Vorgaben (Regulierung) 343–344 MiFID 269 Millstein Center for Corporate Governance and Performance 320 Mitarbeiter – Anforderungen 341 – spezifische Ausbildung 342 – Unbestimmtheit der Anforderungen 343 Monks, Robert 40 Monopol, Monopolist siehe Wettbewerb Monopoltest, hypothetischer siehe Wettbewerb moral hazard siehe Prinzipal-AgentenKonflikt Myners, Lord 176 Nacherfüllung 289 nachträgliche Überprüfungspflicht siehe Rückvergleiche Namensaktie siehe Aktie, NaStraG NaStraG 105, 131 New York Stock Exchange (NYSE) 96 Offenlegungspflichten (Regulierungsmaßnahme) 322 – Bemessung des Einflusses von Stimmrechtsberatern 331 – Beratungshonorare 324, 327 – Interessenkonflikte 327 – Schaffung von Transparenz 323 Ohio Public Employees Retirement System 80

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Oligopol siehe Wettbewerb one-on-one 56, 88, 133, 146, 221, 241, 278, 339 – Intransparenz als Folge 221 one-size-fits-all 205, 242, 327 Ontario Teachers Pension Plan Board 42, 221, 223 Opportunismus siehe Prinzipal-Agenten-Konflikt optimal contract approach siehe Managervergütung Pensionsfonds – öffentliche 158, 174 – private 155, 174 persönliche Gespräche siehe one-onone Pflichtangebot 142, 267 – Bedeutung für Nicht-Aktionär 268 – Kontrollerlangung 267 Pflichtverletzung siehe Haftung Piëch, Ferdinand 28, 85 plurality voting siehe corporation poison pill 95 Portugal 179 positive Stimmpflicht 168–169 potentieller Wettbewerb siehe Wettbewerb Präsenzhauptversammlung siehe Hauptversammlung Präsenzquote siehe Hauptversammlung Preisnehmer siehe Wettbewerb Preissetzungsspielraum siehe Wettbewerb Prinzipal-Agenten-Konflikt 185, 207, 212, 216, 364 – Arzt-Patienten-Verhältnis 30, 207 – Informationsasymmetrien 207, 223 – Kollektivhandlungsproblem 246 – moral hazard 208 – Opportunismus 185, 209, 315 – Vertretungskosten 186, 192, 209, 216, 228, 246, 249, 313 Proxinvest 52

416

Sachwortregister

proxy 100 proxy access 97–98 proxy fight 195, 241, 351 Proxy Governance 48 Proxy Monitor 38 proxy rules 95, 97, 107, 117, 128, 144, 251 proxy solicitation 97, 144, 251 proxy voting 154 – Vergleich zum von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter 106 prudent investor rule siehe Abstimmungspflicht Rahmenrechte siehe Haftung Rating, Corporate Governance siehe Corporate Governance-Rating Ratingagenturen 29, 31, 41, 274, 303, 325, 340–341 – Aufsichtsbehörde 351 – Gerichtsstand siehe dort – Haftung 284, 290 – Haftungsregime 346 – Ratingstiftung, unabhängige 314 – Rating-VO 325, 328, 330, 337, 342–343, 350–351 – Regulierungszugriff 328 – Reputation, Bedeutung der 318 – Unabhängigkeit 338 – Verbot von Beratungsleistungen 350 – Vertragstyp 286 – Weitergabe von Insiderinformationen 274 rational choice theory siehe Behavioral Finance rationale Apathie 136, 209, 326, 364 – Acting in Concert 140 – Gefangenen-Dilemma 138 – Interessenkonflikte 139 – Kollektivhandlungsproblem 137, 149, 184, 186–187, 190, 319 – Kosten-Nutzen-Erwägungen 136 – Trittbrettfahrer 138, 153

reasonable link siehe Internationales Kapitalmarktrecht Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb siehe Haftung record date siehe Hauptversammlung record owner 96 Regierungskommission Corporate Governance 109, 151, 160 Regulierung – direkte 314 – indirekte 354 Regulierungsebene siehe Stimmrechtsberater Regulierungszugriff siehe Stimmrechtsberater Reputation 308, 341–342, 344, 353 – bei Ratingagenturen siehe dort Restatement of the Law Third, Trusts 158 return on assets siehe Gesamtkapitalrentabilität returns to scale siehe Skalenerträge Revised Model Business Corporation Act 94 Richtlinien siehe Stimmrechtsberater Risikodiversifikation siehe Diversifikation (Portfolio) risikoentleerte Stimmrechte siehe Empty Voting Risikostreuung siehe Diversifikation (Portfolio) RiskMetrics 40 Rom I-Verordnung 285, 296 Rom II-Verordnung 294, 296 Rose, Paul 83 Rotationssystem 317 Rückvergleiche 337, 340 Ruffner, Markus 149, 363 savings planner 30 Say on Pay 92, 99, 118, 129, 201 – Dodd-Frank Act 99 – Durchführung des Votums 202

Sachwortregister – Einflussnahme von Stimmrechtsberatern 205 – empirischer Befund 203 – VorstAG 92, 201 – Wirkungen des Votums 203 Schadensersatz statt der Leistung 289 Schutzbedürftigkeit siehe Vertrag mit Schutzwirkung zugunsen Dritter Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) 59, 66 Schweiz 179 Securities and Exchange Commission 31, 95, 97–98, 117, 143–144, 157, 159, 173–175, 178, 251, 356 Securities Exchange Act of 1934 98–99, 143, 255 Securities Exchange Act of 1940 95 Selbstregulierung 320 sell-side-Analyst siehe ISS Corporate Services (ICS), Insiderrecht shareholder activism siehe Aktionärsaktivismus shareholder value 189, 207, 228–229, 246, 297, 319 short termism siehe Managervergütung simple majority siehe corporation SIX Swiss Exchange 49 Skalenerträge 73–75, 80–81, 132, 183, 191, 358 SMI Expanded 50 Smith, Adam 185 Societas Cooperative Europaea 361 Sondervermögen 145, 162 staatliche Konkurrenz 314 stakeholder 198, 216 Stammaktie siehe Aktie status quo bias siehe Behavioral Finance Stellungnahmemöglichkeit (für Emittenten) 339 Stimmabgabe, Verpflichtung zur siehe Abstimmungspflicht Stimmpflicht, positive siehe positive Stimmpflicht

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Stimmrecht – Abstimmungspflicht siehe dort – Anvertrautsein 256, 268 – Offenlegung des Abstimmungsverhaltens siehe Abstimmungsverhalten – ökonomischer Wert 166, 187 – risikoentleerte Stimmrechte siehe Empty Voting – Stimmrechtsausübungspolitik siehe dort – Verlust bei Verstoß gegen Meldepflichten 141, 335 Stimmrechtsausübungspolitik, Offenlegung der 172 Stimmrechtsberater – als buy-side-Analyst siehe Insiderrecht – doppelte Expertise 317 – Einfluss 83 – Einordnung des Beratungsvertrags 286 – empirische Erkenntnisse 228 – Fehlanreize 207, 228 – Haftungsmaßstab siehe dort – Haftungsregime 284, 346, 348 – institutioneller Stimmrechtsberater (Definition) 37 – Interessenkonflikte 31, 215 – Kontrolle durch Kunden 224, 246 – Kontrolle durch Marktkräfte 222 – Kontrolle durch Wettbewerb 222 – Koordinationsfunktion 149, 184 – Marktanteile 39, 44, 64, 69–70, 80 – Pflichtverletzung siehe Haftung – Regulierungsebene 332 – Regulierungszugriff 328–329, 333 – Reputation siehe dort – Richtlinien 41, 47, 50, 59, 73, 76, 78, 130, 150, 184, 191, 195, 205, 207, 243, 289, 326 – Treuepflicht 211 – Wettbewerbssituation 79 Stimmrechtsvertreter 257, 278, 280, 282

418

Sachwortregister

– – – – –

Girmes-Urteil 213 Meldepflicht 256 Organmitglieder als 106 Treuepflicht 213 von der Gesellschaft benannter 105–106, 112, 114–115, 128 Streubesitz 122, 125, 186 Strine, Leo E. 88 Substitutionswettbewerb siehe Wettbewerb sunk costs siehe Wettbewerb (versunkene Kosten) sunshine patriots siehe rationale Apathie (Trittbrettfahrer) super majority siehe corporation switching costs siehe Wettbewerb (Wechselkosten) Taft-Hartley funds 45, 48, 78, 150 Tatortprinzip siehe Internationales Privatrecht TCL-Rating siehe Corporate Governance-Rating tender offer 143 Territorialitätsprinzip 328 Theorie angreifbarer Märkte siehe Wettbewerb (angreifbare Märkte) Tobin’s Q 230, 235, 237 Transaktionskosten 362 Transparenzrichtlinie 256, 331–332, 354 TransPuG 107, 164 Treuepflicht – von Aktionären 211, 299, 302 – von Stimmrechtsberatern siehe dort – von Stimmrechtsvertretern siehe dort Trittbrettfahrer siehe rationale Apathie trust siehe Abstimmungspflicht Übernahmeangebot 143 – eight-factor test siehe dort – Pflichtangebot siehe dort UBS (Bank) 84

UK Corporate Governance Code 176 UK Stewardship Code 176 UMAG 108, 151 – Aktionärsforum siehe Hauptversammlung Uniform Prudent Investor Act 158 Unternehmensberater 275 Unternehmenspersönlichkeitsrecht siehe Haftung Urteilsverzerrungen siehe Behavioral Finance U.S. Government Accountability Office 38, 43, 47–48, 69, 81, 217 Vereinigtes Königreich 176 Verfahrensanforderungen 337 Vergütungsberater 29, 313, 325 Vergütungssystem für Manager siehe Managervergütung Verhaltenskodex (Stimmrechtsberater) 320 Verhaltensökonomik siehe Behavioral Finance Verhältnismäßigkeit, des Joint VentureVorschlags 368 Vermittlungsausschuss 164 Vermögensschaden siehe Haftung vermutetes Verschulden siehe Haftung Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 295, 304 – anwendbares Recht 296 – Erkennbarkeit 298, 305 – Gläubigernähe 297, 304 – Leistungsnähe 296, 304 – Schutzbedürftigkeit 299, 305 Vertragsstatut siehe Internationales Privatrecht Vertretungskosten siehe PrinzipalAgenten-Konflikt Verwaltungsstimmrecht 107 voice-Strategie 133, 135, 138–139, 370 Vorauswissen 190

Sachwortregister VorstAG siehe Managervergütung, Say on Pay Vorverlagerung der Aktionärsentscheidung siehe Hauptversammlung Vorzugsaktie siehe Aktie Warentest-Rechtsprechung siehe Haftungsmaßstab Wechselkosten siehe Wettbewerb Werkvertrag 287–288 Wertpapierdarlehen 188 Wertpapierdienstleistung 270 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 270 Wertpapiernebendienstleistung 270 Werturteil, schädigendes 307 Wettbewerb 61 – Angebotssubstitution 67 – angreifbare Märkte 71 – Bedarfsmarktkonzept 65–66 – Disziplinierungswirkung 31, 79, 342, 351 – Duopol 79 – first-mover advantage 72, 77 – Grenzerlös 63 – Grenzkosten 62–63, 73 – hit and run entry 72 – hypothetischer Monopoltest 65–66 – Kreuzpreiselastizität 66 – Lerner-Index 63 – Marktabgrenzung 65 – Marktmacht 61, 63–64, 67 – Marktzutrittsschranken 64, 71–72, 79–81, 222, 316, 326, 345, 352 – Mengenanpasser 62

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– Monopol 62 – Monopol, natürliches 74 – Monopolist 62, 64 – Netzwerkeffekte 75 – Oligopol 79, 82, 222 – potentieller Wettbewerb 71 – Preiselastizität 63 – Preisnehmer 62 – Preissetzungsspielraum 61 – Regulierungsmaßnahme 314 – Skalenerträge siehe dort – strategies of spatial preemption 78 – Substitutionswettbewerb 80 – uncommited entry 67 – versunkene Kosten 67, 73, 352 – vollkommener 62 – Wechselkosten 76 – Wettbewerbsbedingungen 71 Wettbewerbssituation (Markt für Stimmrechtsberatung) siehe Stimmrechtsberater Wettbewerbsstimulierung, Bedenken gegen 319 widely held siehe Streubesitz Williamson, Oliver E. 362 Wirtschaftsprüfer 275 withhold campaign siehe corporation Wolfsrudeltaktik 36, 149 Yale School of Management 320 Zuständigkeit der Gerichte siehe Gerichtsstand Zwangsregulierung 322