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German Pages 218 [238] Year 2020
Elisabeth Schläwe
Ins Gedächtnis geschrieben Leben und Schreiben der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht (1679–1755)
TRANSGRESSIONEN Interdisziplinäre Studien zur Frühen Neuzeit | 1 Franz Steiner Verlag Geschichte Franz Steiner Verlag
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contubernium Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte
Transgressionen Interdisziplinäre Studien zur Frühen Neuzeit Herausgegeben von Gudrun Gersmann und Christine Tauber Band 1
Ins Gedächtnis geschrieben Leben und Schreiben der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht (1679–1755) Elisabeth Schläwe
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, o. J. © Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Zugleich Dissertation der Universität zu Köln 2017 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: Jeanette Frieberg, Buchgestaltung | Mediendesign, Leipzig Druck: mediaprint solutions, Paderborn Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12712-7 (Print) ISBN 978-3-515-12713-4 (E-Book)
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde 2017 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Auf dem Weg dorthin war nicht nur die Protagonistin, Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, meine ständige Begleiterin, sondern eine Vielzahl weiterer Personen, denen mein besonderer Dank gilt. Schon meine erste Vorlesung an der Universität zu Köln habe ich bei meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Gudrun Gersmann, gehört. Sie verstand es, meine Begeisterung für die Beschäftigung mit der Frühen Neuzeit und der Geschichte des rheinischen Adels anhand von Originalquellen zu wecken. Für das in mich gesetzte Vertrauen, ihre Geduld und fortwährende Unterstützung kann ich nur von ganzem Herzen danken. Darüber hinaus gilt ihr und Frau Prof. Christine Tauber mein Dank für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Transgressionen“. Herrn Prof. Dr. Michael Rohrschneider danke ich herzlich für die Übernahme des Zweitgutachtens und viele, hilfreiche Hinweise und Anregungen während des Schreibprozesses. Für die Selbstverständlichkeit, mit der er sich als Drittgutachter zur Verfügung gestellt hat, bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp. Der lebhafte Austausch in den gemeinsamen Oberseminaren von Alter Geschichte und Früher Neuzeit wird mir in besonderer Erinnerung bleiben. Herr Prof. Dr. Frank Hentschel übernahm den Prüfungsvorsitz – auch ihm gilt mein Dank. Ohne die hervorragende Quellengrundlage, die das Archiv Schloss Gracht bietet, wäre die Arbeit nicht zustande gekommen. Ich danke der Wulffen’schen Stiftung und der Familie der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, dass sie mir die uneingeschränkte Nutzung ihres Familienarchivs gestattet haben. Für seine Hilfe, Anregungen und unkomplizierte Einsichtnahme der immer neuen Quellen im Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des LVR in Brauweiler oder direkt im Depot der Vereinigten Adelsarchive e. V. auf Schloss Ehreshoven danke ich Herrn Dr. Hans-Werner Langbrandtner. Wohl kein Zweiter kennt sich in der rheinischen Adelsarchivlandschaft so gut aus wie er. Herr Dr. Werner Wagenhöfer, ehemaliger Leiter des Staatsarchivs Würzburg, machte mir durch sein umfassendes Wissen über das Schönborn-Archiv den Einstieg in
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Danksagung
die Bestände besonders leicht – vielen Dank! Meinen Mitstreitern und Vorgängern im Adelsprojekt, Dr. Martin Braun und Dr. Florian Schönfuß, danke ich ebenfalls. Das Team des Lehrstuhls der Geschichte der Frühen Neuzeit ist ein besonderes. Für eine unvergessliche Kölner Zeit danke ich den (ehemaligen) Kolleg*innen PD Dr. Bernd Klesmann, Jérôme Lenzen, Christian Maiwald und Henrike Stein. Den „Wallrafianern“ Alexandra Nebelung, Kim Opgenoorth, Sebastian Schlinkheider, Vanessa Skowronek und insbesondere Christine Schmitt, die alle Fäden zusammenhält, gebührt mein besonderer Dank. Zu guter Letzt danke ich meinen Freund*innen seit Schulzeiten und meiner Familie: Frau Dr. Eva Esser danke ich für Kost, Logis und ein offenes Ohr in einer intensiven Archivwoche in Würzburg. Bettina und Erik Suhr haben mich durch alle Höhen und Tiefen der Promotionszeit begleitet, ihr Sohn Moritz war im Alter von 20 Tagen der jüngste Gast bei der Verteidigung der Arbeit – ich kann ihnen nicht genug danken! Um meinen Eltern, Christiane und Gottfried Schläwe, zu danken, reichen meine Worte nicht aus. Sie haben mich in jeder erdenklichen Weise unterstützt, meine Zweifel ausgeräumt und mir auf meinem Weg vertraut. Ihnen und meinen Großeltern sei diese Arbeit gewidmet. Marburg, im Januar 2020
Elisabeth Schläwe
Inhaltsverzeichnis Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1 Adelsforschung – ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2 Die Protagonistin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3 Zum Quellenbestand: Schreibkalender in der Frühen Neuzeit. . . . . . . . . . . . I.4 Die Schreibkalender Eleonoras – Quantifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.5 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Vormundschaftsantritt: Die Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Lehrjahre des Stammhalters: Franz Josephs schulische Ausbildung . . . . . 46 IV. Zu Gast beim Kurfürsten: Eleonora als Teil der Hofgesellschaft . . . . . . . . . . 61 V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter: Das Netzwerk Wolff Metternich / Schönborn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 V.1 Kölner Domscholasterwahl 1721 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 VI. Kostspieliger Triumph: Die Kavalierstour Franz Josephs . . . . . . . . . . . . . . . . 106 VII. Herrschaftsverwaltung: Das Beispiel Burgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.1 Inbesitznahme Burgaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.3 Einblicke in die praktische Herrschaftsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.4 Rurbau-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
VIII. Zähe Verhandlungen: Vor dem Reichskammergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VIII.1 Prozess um Bisperode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VIII.2 Die we(h)rdrische Sache weitet sich aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 IX. Allmählicher Rückzug: Übernahme der Herrschaft durch Franz Joseph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 X. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
I. Einleitung I.1 Adelsforschung – ein Überblick „Terra incognita“ – so hatte Hans-Ulrich Wehler zu Beginn der 1990er Jahre die moderne Adelsgeschichte benannt – als unbekanntes Terrain innerhalb der Forschungslandschaft.1 „Gerade ein Dutzend herausragende Arbeiten“ vermochte er in den fast 50 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges dem Thema „Adel“ zuzuschreiben2, darunter Heinz Reifs umfassende Darstellung des westfälischen Adels von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.3 Dies sollte sich in den folgenden Jahren durch die vielfach zitierte „sprunghaft entwickelte Geschichtsschreibung über den Adel“ ändern.4 Neben diversen Sammelwerken und Ausstellungskatalogen5 entstanden bis heute einige Überblicksdarstellungen, die in den vielschichtigen Gegenstand einführen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang als Standardwerk für die Geschichte des Adels in der Frühen Neuzeit, das sich v. a. auf den niederen und landsässigen Adel in verschiedenen Territorien des Reiches bezieht, weiterhin Rudolf Endres’ „Adel in der Frühen Neuzeit“, das relativ zu Beginn des neuerlichen Aufschwungs der Adelsforschung in den 1990er Jahren erschienen ist.6 Weitere Überblicksdarstellungen folgten im ersten
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Hans Ulrich Wehler, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Europäischer Adel 1750–1950 (Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 13), Göttingen 1990, S. 9–18, hier S. 11. Ebd., S. 9. Heinz Reif, Westfälischer Adel 1770–1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 35), Göttingen 1979. Silke Marburg, Adelsarchive und die Fragestellungen der Kulturgeschichte, in: Andreas Hedwig / Karl Murk (Hg.), Adelsarchive. Zentrale Quellenbestände oder Curiosa? (Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 22), Marburg 2009, S. 125–130, hier S. 125. Stellvertretend sei hier verwiesen auf den Band „Adel im Wandel. Politik, Kultur, Konfession 1500–1700. Niederösterreichische Landesausstellung. Rosenburg, 12. Mai–28. Okt. 1990 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F., 251), Wien 1990. Rudolf Endres, Adel in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 18), München 1993. Vorausgegangen war bereits ein Sammelband unter Endres’ Herausgeberschaft: Rudolf Endres (Hg.), Adel in der Frühneuzeit. Ein regionaler Vergleich (Bayreuther historische Kolloquien 5), Köln/Wien 1991.
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I. Einleitung
Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in Form von Roland Aschs „Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit“7, Michael Sikoras „kompakter“ Darstellung zum „Adel in der Frühen Neuzeit“8 sowie Walter Demels Zusammenfassung zum europäischen Adel vom Mittelalter bis in die Neuzeit9, die mittlerweile durch einen ähnlichen Überblick zum deutschen Adel ergänzt wurde.10 Die Arbeiten der 1990er Jahre konzentrierten sich v. a. auf den Aspekt des „Obenbleibens“11, d. h. die Fähigkeit des Adels sich den strukturellen Umbrüchen der jeweiligen Zeit anzupassen und seine Stellung „eminent zählebig“12 zu behaupten. In diesem Zusammenhang rückte auch die Betrachtung bzw. der Vergleich des Adels mit dem aufstrebenden Bürgertum bis ins 20. Jahrhundert in den Fokus der Forschung.13 Aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit sollte man die Beschäftigung mit dem Adel also nicht allein auf die Epocheneinteilungen der Geschichtswissenschaft begrenzen.14 Demgegenüber steht jedoch die durchaus sinnvolle Begrenzung des Adels im eigentlichen Wortsinn – im Rahmen der Betrachtung von regionalen Adelslandschaften15, die sich ebenfalls in diversen Publikationen niedergeschlagen hat. So z. B. in den umfangreichen Sammelbänden zu „Adel und Adelskultur in Bayern“16 und „Adel in Hessen“17 oder den Quellenbänden zu „Adlige[n] Lebenswelten im Rheinland“18 und in Sachsen19. 7 8 9 10 11
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Ronald G. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, Köln/Weimar/ Wien 2008. Michael Sikora, Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2008. Walter Demel, Der europäische Adel. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2005. Walter Demel / Sylvia Schraut, Der deutsche Adel. Lebensformen und Geschichte, München 2014. Zum „Obenbleiben“ vgl. u. a.: Rudolf Braun, Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben: Adel im 19. Jahrhundert, in: Hans Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750–1950 (Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 13), Göttingen 1990, S. 87–95; Ewald Frie, Adel um 1800. Oben bleiben?, in: zeitenblicke 4 (2005), Nr. 3 [13.12.2005], URL: http://www.zeitenblicke.de/2005/3/Frie/ index_html (24.11.2019). Wehler, Einleitung (wie Anm. 1), S. 10. Dazu u. a.: Heinz Reif (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland I. Entwicklungslinien und Wendepunkte im 19. Jahrhundert (Elitenwandel in der Moderne 1), Berlin 2000. Analog dazu der Band zum 20. Jahrhundert: Heinz Reif (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland II. Entwicklungslinien und Wendepunkte im 20. Jahrhundert (Elitenwandel in der Moderne 2), Berlin 2008. Vgl. Silke Marburg / Josef Matzerath, Vom Stand zur Erinnerungsgruppe. Zur Adelsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Dies. (Hg.), Der Schritt in die Moderne. Sächsischer Adel zwischen 1763 und 1918, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 5–15, hier S. 6. Vgl. ebd., S. 9. Walter Demel, Adel und Adelskultur in Bayern (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Beiheft 32), München 2008. Eckart Conze / Alexander Jendorff / Heide Wunder (Hg.), Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 70), Marburg 2010. Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009. Martina Schattkowsky (Hg.), Adlige Lebenswelten in Sachsen. Kommentierte Bild- und Schriftquellen, Köln/Weimar/Wien 2013.
I.1 Adelsforschung – ein Überblick
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Bei der Beschäftigung mit einzelnen Protagonisten des Adels stehen zudem nicht mehr allein die „großen Männer“ wie Kaiser, Könige oder Kurfürsten im Zentrum des Interesses. Walter Demel konstatierte 2009 in diesem Zusammenhang in einem Überblicksartikel zu „Perspektiven der Adelsforschung“: „Das Thema ‚Die Rolle der adeligen Frau‘ ist zweifellos, für sich genommen, nicht mehr ganz neu.“20 Dies bestätigen die zahlreichen Publikationen zu Adelsfrauen, die in den letzten Jahrzehnten erschienen sind. Angefangen bei Beatrix Bastls umfassender Arbeit zur „adeligen Frau in der Frühen Neuzeit“ aus dem Jahre 200021 finden sich Studien unterschiedlichster Couleur, die – so scheint es – alle Formen und Bereiche weiblichen adligen Lebens im Lauf der Jahrhunderte abbilden.22 „[…] dass der Adel seit dem Mittelalter durchaus einen wichtigen Anteil an der Entwicklung der Gattung der Autobiografie hatte“23, belegen nicht nur Selbstzeugnisse männlicher Adelsvertreter wie z. B. die Schreibkalender des Grafen von PreysingHohenaschau.24 Auch weibliches adliges Schreiben – sei es in Form von Schreibkalendern oder Tagebüchern – hat seinen Weg in die Forschung gefunden. Eine Vorrangstellung nimmt in diesem Zusammenhang Helga Meises Habilitationsschrift „Das archivierte Ich“ ein, in der sie sich nicht nur mit den Schreibkalendern der männlichen Vertreter des Hauses Hessen-Darmstadt beschäftigt, sondern u. a. auch auf die Aufzeichnungen Sophia Eleonoras (1609–1671) und Elisabeth Dorotheas von Hessen-Darmstadt (1640–1709) eingeht.25 Zum Abschluss ihrer Studie erreicht Meise mit
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Walter Demel, Perspektiven der Adelsforschung, in: Christiane Coester / Bernd Klesmann / Marie-Françoise Vajda (Hg.), Adel im Wandel (16.–20. Jahrhundert). 5. Sommerkurs des Deutschen Historischen Instituts Paris in Zusammenarbeit mit dem Centre de recherches sur l’histoire de l’Europe centrale der Universität Paris IV – Sorbonne 2008 (discussions 2) URL: https://per spectivia.net//receive/ploneimport_mods_00000532 (24.11.2019). Beatrix Bastl, Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien/Köln/Weimar 2000. So z. B. in Bezug auf Witwen und Regentinnen: Martina Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003; Pauline Puppel, Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700 (Geschichte und Geschlechter 43), Frankfurt am Main / New York 2004; Joachim Kremer (Hg.), Magdalena Sibylla von Württemberg. Politisches und kulturelles Handeln einer Herzogswitwe im Zeichen des frühen Pietismus (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte 27), Stuttgart 2017. Arianne Baggerman / Rudolf Dekker, Selbstzeugnisse, eine Literaturgattung des Adels?, in: Gunnar Teske (Hg.), Adelige über sich selbst. Selbstzeugnisse in nordwestdeutschen und niederländischen Adelsarchiven (Westfälische Quellen und Archivpublikationen 29), Münster 2015, S. 11–20, hier S. 15. Stefan Pongratz, Adel und Alltag am Münchener Hof. Die Schreibkalender des Grafen Johann Maximilian IV. Emanuel von Preysing-Hohenaschau (1687–1764) (Münchener historische Studien Abteilung Bayerische Geschichte 21), Kallmünz/Opf. 2013. Helga Meise, Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624–1790 (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission, Neue Folge 21), Darmstadt 2002.
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I. Einleitung
den Schreibkalendern der Karoline von Hessen-Darmstadt (1721–1774) die „Schwelle zum Tagebuch“.26 Mit den Tagebüchern einer adligen Dame des 19. Jahrhunderts hat sich Sheila Patel im Rahmen ihrer Dissertation beschäftigt, die nicht nur Einblicke in den Alltag der Maria Esterházy-Galántha (1809–1861) gewährt, sondern auch in ihr Empfinden.27 Neben dem eigentlichen Tagebuch, das Esterházy-Galántha täglich mit Inhalt füllte, führte sie teilweise parallel auch ein „Notizenbuch für allerhand“, ein Wirtschaftstagebuch und ein Kindertagebuch, in dem sie Notizen zu ihren Söhnen festhielt.28 Patel stellt zusammenfassend dazu fest: „Das Schreiben regte zu noch mehr Schreiben an.“29 Die bisher genannten Arbeiten haben eine Gemeinsamkeit: Ihr Fokus liegt auf Vertreterinnen des Hochadels. Es scheint, als würde sich die Forschung zunächst mit „großen Frauen“ beschäftigen, wie zuletzt der 2016 erschienene Tagungsband „Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit“30 oder auch Barbara Stollberg-Rilinger, die aus Anlass des 300. Geburtstages Maria Theresias eine umfangreiche Biographie der Kaiserin verfasst hat.31 Die Konzentration auf den Hochadel hatten bereits Hedwig Herold-Schmidt32 und Julia Frindte33 im Jahr 2005 in ihren Beiträgen zu Handlungsspielräumen um 1800 kritisitert. Auch acht Jahre später stellte Katrin Keller fest: „Der Alltag und die vielfältigen Aktivitäten adliger Frauen nichtfürstlicher Familien dagegen bleiben immer noch weitgehend unbekannt […].“34 Eine Ausnahme bildet hier Anke Hufschmidts
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Ebd., Kapitel IV.2. Sheila Patel, Adeliges Familienleben, weibliche Schreibpraxis. Die Tagebücher der Maria Esterházy-Galántha (1809–1861) (Geschichte und Geschlechter 66), Frankfurt 2015. Vgl. den Beitrag, der das erste Kapitel von Patels Dissertation zusammenfasst: Sheila Patel, Tagebuch und Schreibpraxis: Schreibmotive der Gräfin Maria Esterházy-Galántha (1809–1861), in: Gunnar Teske (Hg.), Adelige über sich selbst. Selbstzeugnisse in nordwestdeutschen und niederländischen Adelsarchiven (Westfälische Quellen und Archivpublikationen 29), Münster 2015, S. 159–166, hier S. 159–161. Ebd., S. 166. Bettina Braun / Katrin Keller / Matthias Schnettger (Hg.), Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 64), Wien 2016. Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017. Hedwig Herold-Schmidt, „[…] daß ich würde lieben können, wenn ich die Gelegenheit hätte, ihn näher kennen zu lernen“. Lebensperspektiven und Handlungsspielräume „land“adeliger Frauen im beginnenden 19. Jahrhundert, in: Julia Frindte / Siegrid Westphal (Hg.), Handlungsspielräume von Frauen um 1800 (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen 10), Heidelberg 2005, S. 223–250, hier v. a. S. 224. Julia Frindte, Handlungsspielräume in Weimar am Beispiel Henriettes von Egloffstein, in: Dies./ Siegrid Westphal (Hg.), Handlungsspielräume von Frauen um 1800 (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen 10), Heidelberg 2005, S. 251–269, hier S. 252. Katrin Keller, „The monstrous regiment of women“. Handlungsspielräume adliger Frauen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 85 (2013), S. 1–16, hier S. 4 f.
I.1 Adelsforschung – ein Überblick
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Dissertation zu „Adlige[n] Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700“35, wobei der Schwerpunkt wie bei Beatrix Bastl auf der Rolle der adligen Frau als Ehefrau und „Hausmutter“ liegt und Themen wie die vormundschaftliche Regierung einer adligen Witwe nur am Rande erwähnt werden.36 Darüber hinaus ist Britta Spies’ Studie zu erwähnen, die sich mit dem Tagebuch einer oberfränkischen (Nieder-)Adligen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt und vergleichbar mit der bereits erwähnten Dissertation von Sheila Patel ist.37 Hier wiederum ist auf die Entwicklung der Schreibprozesse hinzuweisen, die zum Teil stichwortartige Schreibkalendereinträge von ausführlichen, ganz konkret ich-bezogenen, in die Gefühlswelt der Schreibenden vordringenden Tagebucheintragungen unterscheiden und im 19. Jahrhundert selbstverständlicher waren als noch im Jahrhundert davor. Um den Adel wie in den bisher genannten Beispielen erforschen zu können, bedarf es des Zugangs zu den größtenteils noch immer in Familienhand liegenden, privaten Archiven. Dieser ist zumeist stark beschränkt und liegt im Ermessen des jeweiligen Archivbesitzers. Erschwerend kommt hinzu, dass Privatarchive in vielen Fällen nicht tiefenerschlossen sind und somit eine Auswertung der Bestände nicht ohne weiteres möglich ist. Eine andere – komfortablere – Situation stellt sich jedoch in Westfalen und im Rheinland dar: Bereits im Jahre 1923 gründeten sich auf Initiative von Heinrich Glasmeier (1892–1945) die „Vereinigten Westfälischen Adelsarchive“. Die 26 Gründungsmitglieder38 schrieben sich als erstes Vereinsziel „die Fürsorge für die wissenschaftliche Ordnung und Verwaltung der westfälischen Adelsarchive und ihre Erschließung für die historische Forschung“ auf die Fahne.39 Mittlerweile umfasst der Verein mehr als 100 Adelsarchive, die zum größten Teil noch an ihrem Entstehungsort lagern. Etwa 30 Archive befinden sich in einem Depot in den Räumen des LWL-Archivamtes.40
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Anke Hufschmidt, Adlige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700. Status, Rollen, Lebenspraxis (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XXII A: Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gruppe 15), Münster 2001. Darauf weist auch Keller hin und nennt als weiteres Beispiel Bastl, Tugend, Liebe, Ehre (wie Anm. 21), s. Keller, Monstrous regiment (wie Anm. 34), S. 5. Z. B. im Unterkapitel zur Witwenversorgung, Hufschmidt, Adlige Frauen (wie Anm. 35), S. 374– 376, v. a. S. 376. Britta Spies, Das Tagebuch der Caroline von Lindenfels, geb. von Flotow (1774–1850). Leben und Erleben einer oberfränkischen Adeligen am Ende der ständischen Gesellschaft (Internationale Hochschulschriften 531), Münster u. a. 2009. Vgl. Gunnar Teske, Adelsarchivpflege des LWL-Archivamts für Westfalen in Münster, in: Andreas Hedwig / Karl Murk (Hg.), Adelsarchive. Zentrale Quellenbestände oder Curiosa? (Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 22), Marburg 2009, S. 45–52, hier S. 46. Auf der Homepage ist von 23 Gründungsmitgliedern die Rede. Vgl. http://www.archive.nrw.de/weitereArchive/privat archive/AdelspflegeWestf Lippe/wir_ueber_uns/ (24.11.2019). Teske, Adelsarchivpflege (wie Anm. 38), S. 46. Vgl. http://www.archive.nrw.de/weitereArchive/privatarchive/AdelspflegeWestfLippe/bestaende/ index.php (24.11.2019). Das erste Depot war 1976 auf Haus Steinfurt eingerichtet worden. Zehn
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I. Einleitung
Knapp sechs Jahrzehnte später schlossen sich im Jahr 1982, dem westfälischen Vorbild entsprechend, auch rheinische Adelsarchive im Verein der „Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V.“ zusammen, der aktuell 55 Mitglieder zählt. Die Betreuung gewährleistet das Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des LVR mit Sitz in Brauweiler. Fast die Hälfte dieser Archive lagert in einem Depot in der Vorburg von Schloss Ehreshoven41, das sich im Besitz der Rheinischen Ritterschaft befindet und im Gründungsjahr des Vereins eingerichtet wurde. Die übrigen Archive werden weiterhin an ihren Ursprungsorten verwahrt.42 Mit der Erschließung dieser Archive liegt ein wahrer Schatz ununterbrochener Überlieferung nicht nur für die Adelsforschung vor, sondern u. a. auch für die Geschichte des Rheinlandes an sich. Dadurch, dass viele der Archive zum ersten Mal für die Forschung zugänglich gemacht worden sind, eröffnen sich völlig neue Perspektiven. Um diesen nachzugehen, bestand seit dem Jahr 2005 eine Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität zu Köln und dem LVR-Archivberatungszentrum.43 Aus mehreren Hauptseminaren sind dabei neben diversen Abschlussarbeiten zum rheinischen Adel auch zwei Dissertationen entstanden: Während Martin Otto Braun in seiner Arbeit das Verhältnis des rheinischen Adels zur Freimaurerei44 behandelte, beschäftigte sich Florian Schönfuß mit dem rheinischen Adel aus militärhistorischer Perspektive.45 Darüber hinaus ist ebenfalls anhand „neuer“ Quellen eine Biographie des Joseph Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861) entstanden, zu der zahlreiche Adelsforscher kurze Beiträge ihres Spezialgebietes beigesteuert haben. So wurden multiperspektivische Schlaglichter auf das facettenreiche Leben des späteren Fürsten geworfen, der die einschneidenden Umwälzungen und Veränderungen als Kind
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Jahre später wurden die gewachsenen Bestände nach Schloss Cappenberg verlegt. Seit 1999 lagern sie im Magazin des Archivamtes. Vgl. Teske, Adelsarchivpflege (wie Anm. 38), S. 49. Schloss Ehreshoven gehört zur Gemeinde Engelskirchen im Bergischen Land. Vgl. Informationen auf der Internetseite der Vereinigten Adelsarchive: https://adelsarchive-rhein land.de/home.html (24.11.2019) und Hans-Werner Langbrandtner, Aufbruch in die Moderne. Der Rheinische Adel in westeuropäischer Perspektive von 1750 bis 1850. Ein Forschungsprojekt des Deutschen Historischen Instituts Paris und der Archivberatung des Landschaftsverbandes Rheinland, in: Andreas Hedwig / Karl Murk (Hg.), Adelsarchive. Zentrale Quellenbestände oder Curiosa? (Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 22), Marburg 2009, S. 107–115, hier S. 109 f. Zum Projekt vgl. auch Gudrun Gersmann, Aufbruch in die Moderne?! Der rheinische Adel in der Sattelzeit. Überlegungen zu einem deutsch-französischen Forschungsprojekt, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 73 (2009), S. 244–251; Hans-Werner Langbrandtner / Christine Schmitt, Aufbruch in die Moderne. Der Rheinische Adel in westeuropäischer Perspektive 1750–1850. Ein Forschungsprojekt des Deutschen Historischen Instituts Paris und der Archivberatung des Landschaftsverbandes Rheinland, in: Jahrbuch des Kreises Düren 2010 (2009), S. 119–125. Martin Otto Braun, An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765–1815, Köln 2015, DOI: http://dx.doi.org/10.16994/baa (24.11.2019). Florian Schönfuss, Mars im hohen Haus. Zum Verhältnis von Familienpolitik und Militärkarriere beim rheinischen Adel 1770–1830 (V & R Academic 22), Göttingen 2017. Die erwähnten Abschlussarbeiten sind über die Homepage des Vereins zu finden: https://adelsarchive-rheinland.de/ rheinische-adelsgeschichte.html (24.11.2019).
I.2 Die Protagonistin
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des Ancien Régime über die französische Herrschaft bis in die Preußenzeit miterlebte und sich mit ihnen zu arrangieren wusste.46 Die vorliegende Arbeit stellt ein weiteres Ergebnis des Forschungsprojektes zum rheinischen Adel dar und beleuchtet das Leben einer niederadligen Frau im Rheinland des 18. Jahrhunderts: Eleonora Wolff Metternich zur Gracht geborene Truchsess von Wetzhausen (1679–1755). (Abb. 1) I.2 Die Protagonistin Als Angehörige des Adelsgeschlechts der Truchsess von Wetzhausen entstammte Eleonora uraltem, fränkischem Adel. Die erste urkundliche Erwähnung des Geschlechts geht auf das Jahr 1217 (Thegen dapifer) zurück. Ab 1346 führte Dietericus dapifer den Zusatz „de Weczhusen“. Die Stammlinie begründete Theodoricus dapifer junior im Jahr 1289.47 Im Laufe des 14. Jahrhunderts entstanden durch Erbteilungen unter den Söhnen und Enkeln des Hans Truchsess von Wetzhausen (um 1300–1330) mehrere Nebenlinien – darunter die Linien zu Brennhausen, Elßfeld, Trappstadt und Sternberg.48 Der Begründer der letztgenannten Linie zu Sternberg war Otto Truchsess von Wetzhausen (um 1330). Von ihm ausgehend lässt sich die Linie bis ins 16. Jahrhundert zu Philipp Albrecht Truchsess von Wetzhausen (1588–1663) verfolgen. Dieser war der nachgeborene Sohn des Joachim Truchsess von Wetzhausen (gest. 1606). Eigentlich hätte der Erstgeborene, Wolff Dietrich (gest. 1639), Würzburger Geheimrat, Obrist und Amtmann zu Trimperg, die Linie zu Sternberg fortführen sollen. Doch aus seinen beiden Ehen ging nur jeweils eine Tochter hervor. So wurde Philipp Albrecht nach dem Tod seines Bruders im Jahr 1639 zum Herrn der Sternberger Linie. Er besaß zudem die Güter Schweickershausen, Ober- und Untereisfeld, Zimmerau, Schulzdorf und Rappershausen, und war Ritterrat des Kantons Baunach. Wie sein Bruder war auch er zweimal verheiratet. Insgesamt brachten seine Frauen 14 Kinder zur Welt, von denen aber
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Die Biographie wurde als genuin digitale Publikation veröffentlicht: Florian Schönfuss / Martin Otto Braun / Elisabeth Schläwe (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), in: historicum-estudies.net, URL: http://www.historicum-estudies.net/epublished/ netzbiographie/ (24.11.2019). Vgl. Eintrag „Truchseß von Wetzhausen“ in: Genealogisches Handbuch des Adels (GHdA), Adelslexikon Band XV, Band 134 der Gesamtreihe, Limburg an der Lahn 2004, S. 45; Hilmann von Halem, Das fränkische Reichsrittergeschlecht Truchseß von Wetzhausen in Preußen, Band 13, in: Peter Bahl / Eckart Henning (Hg.), Herold-Jahrbuch, Neue Folge 13, Insingen 2008, S. 65–131, hier S. 68. Vgl. Johann Gottfried Biedermann, Geschlechtsregister der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Baunach welches aus denen bewährtesten Urkunden, Kauf-, Lehen- und Heyrathsbriefen gesamleten Grabschriften und eingeholten genauen Nachrichten von innen beschriebenen Gräflich-, Freyherrlich- und Edlen Häusern in gegenwärtige Ordnung verfasset und richtig zusammen getragen worden, Bayreuth 1747, Tafel 165; Vgl. Halem, Reichsrittergeschlecht (wie Anm. 47), S. 68.
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I. Einleitung
nur vier das Erwachsenenalter erreichen sollten. Sieben Söhne starben bereits im Kindesalter, doch immerhin zwei männliche Erben sorgten für den Fortbestand der Linie: Joachim Ernst (1624–1709) und Wolff Dietrich (1625–1699).49 (Abb. 2) Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1663 wurde Wolff Dietrich offenbar in Sternberg ansässig.50 Warum nicht der ältere der beiden Brüder, der bereits verheiratet war und auf einen potentiellen Erben hoffen konnte, den Stammsitz einnahm, bleibt unklar.51 Zu Beginn des Jahres 1663 wurden die Güter zwischen den beiden Brüdern aufgeteilt. Joachim Ernst erhielt die Güter Schweickershausen, Ober- und Untereisfeld, Rappershausen, Oberlauringen, Alten Münster und Zimmerau. Zu Wolff Dietrichs Besitz gehörten der Stammsitz Sternberg, Zimmerau, Sulzdorf und Schwanhausen.52 Eben dieser Wolff Dietrich Truchsess von Wetzhausen zu Sternberg war der Vater Eleonoras. Er war Oberforst- und Jägermeister von Kurmainz und Amtmann von Bischofsheim ob der Tauber und Aschaffenburg.53 Der ursprünglich protestantische Adlige trat zu Beginn des Jahres 1669 zum katholischen Glauben über. Ein Beweggrund dafür könnte die Ehe sein, die er im November desselben Jahres schloss. Ende November heiratete er die 19jährige Eva Rosina von Schönborn (1650–1715), zweitjüngste Tochter von Philipp Erwein von Schönborn (1607–1668) und Maria Ursula von Greiffenklau zu Vollraths (1610–1682).54 Während für die Schönborns bei dieser Verbindung „[…] auf der Habenseite nur die Begüterung der Wetzhausens in Franken bestehen [blieb]“, scheint die Heirat für Wolff Dietrich zu einem Karriereaufschwung geführt zu haben.55 Am 4. März 1676 wurden Wolff Dietrich und sein Bruder Joachim Ernst in den Reichsfreiherrenstand erhoben.56 Im Jahre 1681 folgte eine Stelle als Amtmann von Lohr am Main und 1692 wurde er schließlich Geheimer Rat in Kurmainz.57 49
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Vgl. Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafeln 165–207. Beide genannten Söhne entstammten der zweiten Ehe mit Helena Kunigunde von Münster zu Lisberg (1608–1641), ebd. Tafel 205 und Stammbaum Eleonoras, in: ASG, Akten, Nr. 792, Familiengeschichte Truchsess von Wetzhausen. Vgl. Reinhold Albert, Wolff Dietrich Truchseß von Wetzhausen (1625–1699), in: Echo der Lederhecke. Mitteilungsblatt der Gemeinde Sulzdorf an der Lederhecke 67 (1999), S. 28–29, hier S. 28. Vgl. Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 207. Joachim Ernst hatte 1662 Maria von Bibra geheiratet, die ihm Anfang März 1663 eine Tochter schenkte. Vgl. ebd., Tafeln 206 und 207 und Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 28. Albert gibt an, die Erbteilung habe am 28. Januar 1665 stattgefunden, nennt aber als Zeitpunkt der Belehnung durch Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn den Dezember des Jahres 1663. Vgl. Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 28. U. a. befindet sich das mainzische Oberjägermeisterpatent im Archiv Schloss Gracht: ASG, Akten, Nr. 792. Albert gibt als Hochzeitstag den 24. November an. Vgl. Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 29. Der Ehevertrag, der im Archiv Schloss Gracht überliefert ist, datiert jedoch auf den 26. November 1669: ASG, Akten, Nr. 792. S. a. Sylvia Schraut, Das Haus Schönborn. Eine Familienbiographie. Katholischer Reichsadel 1640–1840, Paderborn 2005, S. 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 79. Vgl. Eintrag „Truchseß von Wetzhausen“ (wie Anm. 47), S. 46. Vgl. Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 29.
I.2 Die Protagonistin
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Doch so erfolgreich seine Karriere verlief, so verlustreich war sein Familienleben: Vier Kinder sollten aus der Verbindung mit Eva Rosina von Schönborn hervorgehen.58 Schon mit der Geburt des ersten Kindes schien der Fortbestand der Linie zu Sternberg gesichert. Für den im Januar 1671 geborenen Sohn, nach seinem Vater Wolff Dietrich genannt, sollte das Geburtsjahr auch das Todesjahr sein. Auf ihn folgten im Abstand von jeweils zwei Jahren die Geburten der Töchter Anna Barbara (geb. 1673) und Eva Katharina (geb. 1675), die beide ebenfalls jung verstarben.59 Einzig die jüngste Tochter Eleonora Anna Maria sollte das Erwachsenenalter erreichen. Geboren wurde sie Ende Oktober des Jahres 1676 oder 1679.60 Über ihre Kindheit ist nichts Näheres bekannt. Aufgewachsen ist Eleonora wohl auf Schloss Sternberg, nord-östlich von Schweinfurt, dem Stammsitz der Sternberger Nebenlinie.61 Das Schloss hatte ihr Vater Wolff Dietrich vor seiner Hochzeit mit Eva Rosina von Schönborn neu aufbauen lassen, da der Vorgängerbau, Burg Sternberg, noch aus der Zeit des Stifters der Sternberger Linie, dem Ende des 12. Jahrhunderts, stammte, und knapp 400 Jahre später baufällig war.62 Als Maßstab für die Ausbildung Eleonoras kann man vermutlich die Erziehung der Schönborn’schen Töchter nehmen, also die Ausbildung, die auch ihre Mutter Eva Rosina genossen hatte. Sylvia Schraut hat in ihrer Familienbiographie der Schönborns die Erziehung der Töchter untersucht und dieser eine wichtige Rolle innerhalb der Aufstiegsstrategie des Geschlechts zugewiesen.63 Den Ausgangspunkt der Schönborn’schen Mädchenerziehung bildete „die ihnen zugedachte Rolle als Vermittlerinnen zwischen den Interessen der Herkunftsfamilie und der erheirateten Familie“ sowie das Ziel, dass sie in der Lage sein mussten, „kurzfristig und mitunter auch längerfristig den Familienhaushalten allein vorzustehen“.64 Daher legte man Wert darauf, dass die
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Vgl. ebd.; Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 206. Vgl. Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel. 206. Anna Barbara verstarb in der Jugend. Eva Katharina verstarb noch im selben Jahr. Siehe auch: Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 29. In Ernst von Oidtmans Sammlung ist der 29. Oktober 1679 als Geburtsdatum angegeben. Vgl. Ernst von Oidtman und seine genealogisch-heraldische Sammlung in der Universitäts-Bibliothek zu Köln. Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen für den Druck bearbeitet, ergänzt und mit Registern versehen von Herbert M. Schleicher, hg. v. Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, 18 Bde. (Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e. V. 58 ff.), Köln 1992–1999, hier Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722; Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 206 gibt als Geburtsjahr 1676 an. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird vom Geburtsjahr 1679 ausgegangen. Das Schloss gehört zur Gemeinde Sulzdorf an der Lederhecke in Unterfranken. Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 28. Der Aufbau geschah zwischen 1667 und 1669 und kostete 24 000 Taler. Zu Otto Truchsess von Wetzhausen siehe: Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 165. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), Kapitel A 2.1 „Die Erziehung der Töchter“. Ebd., S. 64 f.
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I. Einleitung
Ausbildung über „rudimentäre Wissensvermittlung“ hinausging.65 Gelegen kam in diesem Zusammenhang die Ursulinenbewegung, welche im 16. Jahrhundert ihren Anfang genommen hatte und von den Schönborns genutzt und unterstützt wurde, indem sie „den weiblichen Lehrorden auch in den von ihnen besetzten Bistümern heimisch“ machten.66 In den Ursulinenschulen, die das „weibliche Pendant“ zu den Jesuitengymnasien für den männlichen Nachwuchs bildeten, bestand der Fächerkanon in „Lesen und Schreiben der Muttersprache, [den] Grundrechenarten und Handarbeiten“ sowie „religiöse[r] Unterweisung, Moral- und Sittenlehre“.67 Darüber hinaus besuchten die Töchter des katholischen Adels die Pensionate der Ursulinen in denen auch Fremdsprachen wie Französisch oder Latein sowie Geographie unterrichtet wurden und zudem „Gelegenheit zu Tanz-, Instrumental- und Gesangsunterricht“ geboten wurde.68 Eben jenen typisch adligen Fächern, die parallel zu den Reit- und Fechtstunden der männlichen Nachkommen zu sehen sind. Geht man davon aus, dass Eva Rosina von Schönborn eine solch umfassende Ausbildung erhalten hat, liegt die Vermutung nahe, dass auch bei ihrer Tochter Wert auf eine ähnlich gute Erziehung gelegt wurde, zumal sie das einzige Kind ihrer Eltern war und gut verheiratet werden sollte. Eine geeignete Heiratsverbindung fand sich im Rheinland: Im Alter von vermutlich 15 Jahren heiratete sie am 16. August 1695 den rheinischen Freiherren Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht (1651–1722).69 Vier Monate später verkaufte ihr Vater Schloss Sternberg und sämtliche umliegenden Besitzungen an den Würzburger Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg (1645–1698). Kaufverhandlungen mit seinem protestantischen Bruder Joachim Ernst waren zuvor gescheitert.70 Damit war ohne männlichen Nachkommen schon vier Jahre vor Wolff Dietrichs Tod das Aussterben der Sternberger Linie der Truchsessen von Wetzhausen unvermeidlich. Wolff Dietrich selbst scheint sich danach nach Lohr am Main zurückgezogen zu haben, wo er nach seinem Tod am 1. April 1699 beigesetzt wurde.71 Seine Tochter lebte als Angehörige des Geschlechts Wolff Metternich im Rheinland auf Schloss Gracht. Seit dem 15. Jahrhundert ist die Adelsfamilie Wolff im Rheinland ansässig. Den Namenszusatz „Metternich“ erhielt das ursprünglich aus Hessen stammende Rittergeschlecht durch die Hochzeit des Godhard Wolff (gest. 1454) mit Sibilla von Metternich (gest. nach 1454). Drei Generationen später wurden Besitz und Name durch eine weitere glückliche Heiratsverbindung ergänzt: „Hieronymus Wolff Metternich (1519–1592) heiratete 1538 Katharina von Buschfeld, die Erbin von Schloss Gracht bei Liblar, das 65 66 67 68 69 70 71
Ebd., S. 65 f. Ebd., S. 67. Ebd., S. 70. Ebd. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), hier Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722; Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 206. Vgl. Albert, Wolff Dietrich Truchseß (wie Anm. 50), S. 29. Vgl. Biedermann, Geschlechtsregister (wie Anm. 48), Tafel 206.
I.2 Die Protagonistin
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zum Stammsitz der Familie wurde.“72 Mit dem wachsenden Besitz und der weiteren Verankerung im Rheinland ging auch die vermehrte Besetzung von Ämtern in der Verwaltung einher. Schon Hieronymus’ Vater Heinrich (1483/4–1540) war u. a. Amtmann in der Grafschaft Vianden und von Kerpen gewesen und war mit dem kurkölnischen Lehen Liedberg belehnt worden. Auch Hieronymus selbst war Amtmann zu Liedberg und Bliesheim und sein Stammhalter Hermann (1542–1603) war wiederum Amtmann zu Lechenich und Bliesheim.73 Doch nicht nur in weltlichen Ämtern gelang es den Wolff Metternichs Fuß zu fassen: Als erste männliche Nachkommen besetzten die nachgeborenen Söhne Hieronymus’ Domherrenstellen in Speyer und Trier.74 Adolf Wolff Metternich (1559–1619) brachte es gar zum Domdechanten in Speyer und Hofmeister der Söhne des Herzogs von Pfalz-Bayern.75 Er war es auch, der nach dem frühen Tod beider Elternteile als Pate die Erziehung und Vormundschaft für den alleinigen Stammhalter des Geschlechts, Johann Adolf I. (1592–1669), übernahm.76 Letzterem und seinen zahlreichen Nachkommen gelang eine erneute Ausweitung des Wirkungskreises des Geschlechts, v. a. in geistlichen Ämtern. An den nahezu einzigartigen Erfolg Johann Adolfs I., der nicht nur in Kurköln diverse Ämter innehatte, sondern u. a. auch kurbayrischer Oberkämmerer und Prinzenerzieher wurde77, konnte keiner seiner Nachkommen anknüpfen, wenngleich sie von der Vermehrung des Ansehens der Familie noch lange zehrten. Mit seiner ersten Frau Maria Katharina von Hall zu Strauweiler (1599–1663) hatte Johann Adolf 16 Kinder. Erstgeborener Sohn und Stammhalter war der 1616 zur Welt gekommene Degenhard Adolf (1616–1668). Die nachgeborenen Söhne wurden alle erfolgreich mit zum Teil mehreren Domherrenstellen versorgt. Sie besetzten Stellen in den Bistümern Münster, Worms, Paderborn, Speyer und Hildesheim. Hermann Werner Wolff Metternich zur Gracht (1625–1705) brachte es im Jahr 168378 gar zum Bischof
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Einleitung, in: Findbuch Archiv Graf Wolff Metternich zur Gracht, S. I–IX, hier S. II. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), hier Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 718–720; Einleitung Findbuch Gracht (wie Anm. 72), S. I. Gemeint ist neben Adolf Wolff Metternich auch sein jüngerer Bruder Wilhelm (1563–1636). Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), hier Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 721. Vgl. ebd. Der Vater, Hermann, starb im Februar 1603, die Mutter, Maria von Hochsteden, zwei Jahre später, kurz vor dem 13. Geburtstag Johann Adolfs. Vgl. ebd., S. 720. Vgl. ebd.; Elisabeth Schläwe, Kavalierstouren aus dem rheinischen Adel in die Niederlande – ein Beispiel aus dem Geschlecht Wolff Metternich, in: Gunnar Teske (Hg.), Adelige über sich selbst. Selbstzeugnisse in nordwestdeutschen und niederländischen Adelsarchiven (Westfälische Quellen und Archivpublikationen 29), Münster 2015, S. 101–119, hier S. 105. Vgl. Einleitung Findbuch Gracht (wie Anm. 72), S. II; Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 720 gibt 1677 an.
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I. Einleitung
von Paderborn. Eine Tochter Johann Adolfs, Anna Adriana (1621–1698) war Äbtissin zu St. Maria im Kapitol in Köln.79 (Abb. 3) Auch der älteste Sohn, Degenhard Adolf, war zunächst Domherr in Speyer. Er resignierte vermutlich kurz vor der Eheschließung mit Philippine Agnes Freiin von Reuschenberg-Setterich im Jahre 1648. Degenhard Adolf selbst machte zwar eine nicht ganz so steile Karriere wie sein Vater vor ihm, doch auch er war kurkölnischer Geheimrat und bekleidete als Oberstallmeister ein hohes Amt am Kölner Kurfürstenhof.80 Eine weitere Gemeinsamkeit mit seinem Vater stellt die reiche Kinderschar dar, mit der seine erste Ehe gesegnet war: Seine Frau schenkte ihm zehn Kinder, darunter drei Söhne81, von denen jeder auf seine Weise zum Erhalt und Stand des Geschlechts beitrug. Franz Arnold Josef (1658–1718) beerbte seinen Onkel Hermann Werner und wurde im Jahr 1706 Bischof von Paderborn und Münster. Ihm folgte in diesem Amt kein geringerer als Clemens August von Bayern (1700–1761), der spätere Kurfürst von Köln.82 Der 1661 geborene Sohn Hieronymus Leopold (1661–1719) war Domherr zu Mainz und Hildesheim.83 Deren ältester Bruder, nach seinem bedeutenden Großvater und wohl auch Paten Johann Adolf benannt, hatte im Jahr 1679 Anna Maria Freiin von Fürstenberg (gest. 1692) geheiratet. Mit ihr bekam er drei Töchter – der Fortbestand des Geschlechts war somit noch nicht gesichert.84 Als Johann Adolfs II. Frau im Jahr 1692 starb, sah man diesen in besonderer Gefahr. Um am Erhalt der Stammlinie mitzuwirken, resignierte Hieronymus Leopold von seinen Domherrenstellen.85 Noch im Juli 1692 heiratete er Anna Antonia Freiin von der Horst-Hellenbroich (1673–1764). Aus der Verbindung gingen neben vier Töchtern auch drei Söhne hervor, die wohl vor 1700 geboren wurden.86 Doch auch Johann Adolf II. sah sich erneut nach einer Braut um und schien eine geeignete Kandidatin ebenfalls noch im Todesjahr seiner ersten Frau gefunden zu haben. Der Entwurf der Eheberedung zwischen ihm und einem Fräulein von Lands-
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Vgl. dazu Nicole Reck / Christine Schmitt / Monika Gussone, Epitaph und Grabstätte, in: Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 216–220; Einleitung Findbuch Gracht (wie Anm. 72), S. II; Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 720. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722. Ein vierter Sohn wurde nur drei Jahre alt. Vgl. ebd., S. 723. Vgl. Einleitung Findbuch Gracht (wie Anm. 72), S. II. Vgl. Peter Hersche, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert. I: Einleitung und Namenslisten, Bern 1984, S. 100 und 129. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722. Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S. 100 (Hildesheim) und S. 129 (Mainz). Als Grund der Resignation ist eine Hochzeit angegeben. Oidtman gibt mit dem Jahr 1700 nur das Jahr an, in dem der dritte Sohn geboren worden ist. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 724 f.
I.2 Die Protagonistin
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berg lässt sich im Archiv Schloss Gracht finden – er trägt allerdings den Vermerk, dass die Braut noch vor der Eheschließung verstorben ist.87 Erst weitere drei Jahre später, in denen immer noch kein männlicher Nachfolger des Geschlechts das Licht der Welt erblickt hatte, trat der mittlerweile 44-jährige Johann Adolf II. wieder vor den Traualtar. Er heiratete, wie erwähnt, die knapp 30 Jahre jüngere Eleonora Truchsess von Wetzhausen, sodass die Chance auf einen Stammhalter noch einmal erhöht wurde. Durch die Hochzeit und die dazugehörige Eheberedung88 vom 16. August 1695 wird die junge fränkische Adlige zum ersten Mal für die Forschung greifbar und die Ausgangslage für ihr weiteres Leben als Angehörige des rheinischen Adels wird deutlich. Die Eheberedung, die in Lohr, in der Heimat der Braut, ausgestellt wurde, gibt dabei u. a. Auskunft über die Höhe der Mitgift, die Widerlage und Morgengabe sowie die Bestimmungen darüber, wie im Falle des Todes eines oder beider Ehepartner zu verfahren sei. Eleonoras Mitgift belief sich auf 10 000 Reichstaler. Die Dos wurde mit 5 Prozent jährlich verzinst, sodass Eleonora im Jahr insgesamt 1 000 Reichstaler zu ihrer eigenen Verfügung erhielt, da die Widerlage durch ihren Mann in gleicher Höhe ausfiel.89 Im Vergleich mit anderen Mitgiften war der Betrag von Eleonoras Dos relativ hoch. Sylvia Schraut vermerkt, dass die Schönborn Töchter in der Regel mit 4 000 Gulden ausgestattet wurden und auch bei Anke Hufschmidts Untersuchung zu den adligen Frauen des Weserraumes stellt eine Mitgift in vergleichbarer Höhe eher eine Ausnahme dar und kam fast ausnahmslos bei Erbtöchtern wie Eleonora zum Tragen.90 Darüber hinaus wurden in mehreren Paragraphen die verschiedenen Szenarien durchgespielt, die im Falle des Todes eines oder beider Ehepartner und im Falle von hinterlassenen Kindern eintreten konnten. Da im Kontext der vorliegenden Arbeit vor allem die Regelungen nach dem Tod Johann Adolfs II. von Bedeutung sind, sollen diese kurz dargelegt werden. Eleonora sollte demnach nach dem Tode ihres Mannes die Vormundschaft (Tutel) über die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder und die Verwaltung der Güter übernehmen. Voraussetzung dafür war – wie in jedem anderen Ehevertrag üblich –, dass sie im Witwenstand verblieb und nicht erneut heiratete. Darüber hinaus sollte sie Rat bei den „negsten Freundten und Verwandten“ suchen. Allerdings war sie nicht zur Übernahme der Vormundschaft verpflichtet: Es stand ihr 87 88 89 90
Concept der Heiratsverschreibung Johann Adolf II. Wolff Metternich und Fräulein von Landsberg (sie verstorben vor der Ehe) 1692, in: ASG, Akten, Nr. 500. Ehevertrag Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht und Eleonora Truchsess von Wetzhausen, Lohr, 16. August 1695, in: ASG, Akten, Nr. 500. Zu Eheverträgen vgl. Bastl, Tugend, Liebe, Ehre (wie Anm. 21), Kapitel 2.0 Das adelige Gabensystem, S. 25–83. Vgl. Ehevertrag Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht und Eleonora Truchsess von Wetzhausen, Lohr, 16. August 1695, in: ASG, Akten, Nr. 500. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 74; Hufschmidt, Adlige Frauen (wie Anm. 35), S. 297–299.
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I. Einleitung
frei, sich auf einen – von ihr auszuwählenden und nicht im Vertrag festgelegten – Witwensitz zurückzuziehen – sei es in der Stadt oder auf dem Land – und die Verwaltung der Herrschaft den männlichen Vertretern des Geschlechts zu überlassen.91 Bevor der Vertrag nicht nur von den zukünftigen Eheleuten und den Eltern der Braut nebst zahlreichen Zeugen unterschrieben wurde, musste er zunächst erst einmal von den ranghöchsten Vertretern der beiden Geschlechter genehmigt werden. Der Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn (1655–1729), und Hermann Werner Wolff Metternich zur Gracht als Bischof von Paderborn gaben beide mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis.92 Zwei Jahre nach der Eheschließung kam das erste gemeinsame Kind zur Welt. Eine Tochter, die man auf den Namen Maria Anna taufen ließ.93 Der so dringend benötigte Stammhalter ließ weiter auf sich warten. Im Jahr 1699 sollte eine weitere Tochter geboren werden: Charlotta Clara Maria Wolff Metternich zur Gracht verstarb aber schon im Kindesalter.94 Nach sieben Jahren, Johann Adolf II. war inzwischen 55 Jahre alt, gab es noch einmal Geburtsnachrichten auf der Gracht. Doch wie zuvor gebar Eleonora eine Tochter – Christiana Clara Maria Gabriela Felicitas. Zwei weitere Jahre später kam Josepha Franziska Maria Sophia Elisabeth Anna Magdalena zur Welt.95 Erst 15 Jahre nach ihrer Hochzeit – Johann Adolf II. befand sich mittlerweile in seinem 60. Lebensjahr – wurde am 25. Juni 1710 der lang ersehnte Erbe geboren. Noch am selben Tag ließ man ihn in der Kirche St. Kolumba in Köln auf den Namen Franz Arnold Anton Joseph taufen.96 Am nächsten Tag übermittelte der stolze Vater die frohe Kunde nach Würzburg. Unter dem Datum des 26. Juni schrieb er aus Köln an den Onkel seiner Frau, Melchior Friedrich von Schönborn (1644–1717), Obermarschall von Mainz und Würzburg, dass tags zuvor „zwischen zehne und eylff uhren“ Eleonora von „einem gesunden wohlgestalten jungen Söhnlein“ entbunden worden sei. Mutter und Sohn seien wohlauf und er hoffe, dass Melchior Friedrich das Kind „die hohe Gnade der Protection genießen laßen [würde]“.97 Johann Adolfs II. bereits erwähnter jüngerer Bruder Hieronymus Leopold, der nach dem Tod der ersten Frau Johann Adolfs II. geheiratet hatte, wurde nunmehr mit seinen 91 92 93 94 95 96 97
Vgl. Ehevertrag Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht und Eleonora Truchsess von Wetzhausen, Lohr, 16. August 1695, in: ASG, Akten, Nr. 500. Vgl. ebd. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722. Sie wurde 1697 geboren und heiratete später Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu Bornheim. Im ersten Testament ihres Vaters von 1708 wird sie noch erwähnt, im zweiten von 1720 nicht mehr. Vgl. Testament Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht, Köln, 20. Oktober 1708, in: ASG, Akten, Nr. 504. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60). Vgl. ebd. Im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgt eine Beschränkung auf den Vornamen Franz Joseph. Johann Adolf Wolff Metternich zur Gracht an Melchior Friedrich von Schönborn, Köln, 26. Juni 1710, in: StaW, SAW, Melchior Friedrich, 1615, Korrespondenz mit seinem Neffen von Metternich 1706–1710.
I.3 Zum Quellenbestand: Schreibkalender in der Frühen Neuzeit
23
drei Söhnen zum Begründer der westfälischen Nebenlinie der Wolff Metternichs, die ihren Stammsitz auf Schloss Wehrden nahm. Das Schloss hatte der Bischof von Paderborn, Hermann Werner Wolff Metternich, seinem Neffen Hieronymus vermacht.98 Nach der Geburt des Sohnes verblasst aufgrund der dünnen Quellenlage das Bild, das sich die Forschung von Eleonora Wolff Metternich zur Gracht machen kann. Erst im Jahr 1722 – dem Todesjahr ihres Mannes – tritt sie als kalenderführende Witwe wieder in Erscheinung.99 I.3 Zum Quellenbestand: Schreibkalender in der Frühen Neuzeit Die im Archiv der Wolff Metternich zur Gracht erhaltenen Schreibkalender bilden die Basis der vorliegenden Arbeit und geben Einblick in das Leben der verwitweten Eleonora. Daher soll im Folgenden zunächst das Medium „Schreibkalender“ näher dargestellt, bevor das Adelsarchiv und der untersuchte Quellenbestand intensiver beleuchtet werden. Kalender waren eines der Massenmedien der Frühen Neuzeit. Übertroffen wurde die Zahl der gedruckten Kalender in Buchform nur von der Menge gedruckter Bibeln und des Katechismus.100 Die ersten Kalendarien, die im 15. Jahrhundert entstanden, hatten wenig mit einem heutigen Kalender gemein. Sie enthielten „Tafeln der Neu- und Vollmonde“ und wiesen auf „die ‚auserwählten‘ Tage für die Anwendung des Aderlasses und das Einnehmen von Laxiermitteln“ hin.101 Die erste Kalenderform, die dem heutigen Verständnis von einem Kalender in Form einer Auflistung von Tagen und Monaten entsprach, war die des Wandkalenders. Dieser entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts.102 Aus ihm entwickelte sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts der Buchkalender, der zunächst in Form eines Quartheftes hergestellt wurde.103 98
Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 724 f.; Hermann Werner „errichtete daraus [aus seinen westfälischen Gütern] für seine Familie ein Fideikomiß […].“ Albert Ludorff, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Höxter (Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen / hrsg. vom Provinzial-Verbande der Provinz Westfalen. Bearb. von A. Ludorff 37), Münster i. W. 1914, S. 19. 99 Eine Ausnahme bildet das Jahr 1721 mit den Quellen zur Domscholasterwahl ihres Vetters Franz Georg von Schönborn. Vgl. V.1 Kölner Domscholasterwahl 1721. 100 Vgl. Meise, Schreibkalender (wie Anm. 25), S. 37; Raphaela Tkotzyk / Monika Gussone, Biographische Quellen, in: Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 200–205, hier S. 201. 101 Klaus Matthäus, Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Die Entwicklung der in Nürnberg gedruckten Jahreskalender in Buchform, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 965–1396, hier Sp. 995. Ältestes Beispiel ist nach Matthäus der „Laxier-Kalender“ aus dem Jahre 1457. 102 Vgl. ebd., Sp. 982. 103 Vgl. ebd., Sp. 998.
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I. Einleitung
Der Aufbau der Buchkalender sah wie folgt aus: Eine Doppelseite entsprach einem Monat, wobei die Verso-Seite die Wochentage aufführte. Die gegenüberliegende RectoSeite wurde freigelassen. Hier konnte der Besitzer des Kalenders eigene Eintragungen vornehmen. Betitelt wurde der Kalender zunächst weiterhin als „Almanach“. Da er aber im Gegensatz zu seinem Vorläufer, dem Wandkalender, durch die leeren Recto-Seiten ausreichend Platz für Notizen bot, bürgerte sich kurzerhand die Bezeichnung „Schreibalmanach“ bzw. „Schreibkalender“ ein.104 Ebenso rasch wie sich der Begriff „Schreibkalender“ für das Quartformat durchsetzte, entstanden auch Buchkalender in kleineren Formaten wie dem Oktavformat oder Duodez- und Sedezformat.105 Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den großen Absatz. Jedoch waren nur die Oktavkalender auch Schreibkalender. Diese waren so aufgebaut, dass eine Woche auf einer Doppelseite abgedruckt wurde und zwischen den Tagesangaben ausreichend Platz zum Beschreiben vorhanden war.106 Ein Format, das auch heute noch häufige Verwendung findet. Im Duodez- oder Sedezkalender waren keine Freiräume für Eintragungen vorgesehen – sie boten vermutlich schlichtweg zu wenig Platz. Neben dem Kalendarium bildeten die sog. Praktiken den zweiten Teil der Kalender. Zunächst noch als separates Heft publiziert, wurden sie spätestens seit dem 18. Jahrhundert an das Kalendarium des Quartheftes angebunden.107 Inhaltlich beschäftigten sie sich auf Grundlage der Astrologie mit „Wettervorhersagen“, „Prognosen zu Fruchtbarkeit und Krankheiten“ und „Vorhersagen über Krieg und Frieden“.108 Praktiken waren jedoch nicht in allen Kalenderarten vorhanden: Kanzleikalender, die laut Titelblatt u. a. für den Gebrauch in „Canzeleyen“ und von Gelehrten vorgesehen waren, verzichteten darauf. Da verschiedene Kalenderarten nebeneinander existierten, verweist Helga Meise ganz richtig darauf, „dass die Kalenderbranche selbst zwischen Schreibkalendern für berufliche Zwecke und anderen zu differenzieren scheint.“109 Auf „praktische“ Angaben mussten die Verwender des Kanzleikalenders jedoch nicht verzichten. Dem Adressatenkreis des Kalenders angepasst, verfügten sie über Informationen zu Märkten und Messen sowie zu Abfahrtszeiten der Postkutsche im Umfeld des Druckortes des jeweiligen Kalenders. Dass sich aufgrund der Vielzahl und Diversität der Quellen im Archiv Graf Wolff Metternich zur Gracht auch Schreibkalender mehrerer Familienangehöriger aus ver104 105 106 107 108
Ebd., Sp. 999. Vgl. ebd. Vgl. ebd., Sp. 999 f. Vgl. ebd., Sp. 1005. Zwischenüberschriften des Kapitel VII „Die Praktik“, in: Ebd., Sp. 1199–1234. Siehe auch Helga Meise, Erzählen ohne Ich. Genealogie und Kalenderführung in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, in: Sigrid Weigel u. a. (Hg.), Generation. Zur Genealogie des Konzepts – Konzepte von Genealogie (Trajekte), München 2005, S. 191–213, hier S. 193. 109 Meise, Schreibkalender (wie Anm. 25), S. 47.
I.3 Zum Quellenbestand: Schreibkalender in der Frühen Neuzeit
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schiedenen Jahrhunderten finden lassen, verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass es sich um eines der bedeutendsten Adelsarchive im Rheinland handelt. Dies macht schon die im Jahr 1988 erfolgte Eintragung in das „Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes und national wertvoller Archive“ deutlich.110 Allein der Bestand Schloss Gracht, der beinahe 120 Regalmeter füllt und dessen Archivalien einen Zeitraum von 730 Jahren abdecken, unterstreicht die Besonderheit des Archivs.111 Das prominenteste Beispiel für Kalenderführung innerhalb des Adelsgeschlechts stellt dabei wohl Johann Adolf I. Wolff Metternich zur Gracht dar: Seit seiner Vorstellung auf dem kurkölnischen Landtag Ende Januar 1614 führte er bis ins Jahr 1658 ohne Unterbrechung Schreibkalender, die vollständig im Familienarchiv überliefert sind.112 Die insgesamt 45 Schreibkalender im halben Oktavformat ließ Johann Adolf vermutlich selbst in drei Bände binden.113 Aufgrund des handlichen Formats wird der jeweilige Kalender auch auf Reisen Johann Adolfs ständiger Begleiter gewesen sein, wodurch es ihm möglich war, seine Einträge tagesgenau und detailliert vorzunehmen. Anhand dieser einmaligen Quellengrundlage konnte Karl Stommel das Leben Johann Adolfs nachzeichnen. Die Einträge, die Johann Adolf in lateinischer, französischer und deutscher Sprache selbst verfasste, spiegeln nicht nur die beispiellose Karriere „vom Landritter zum Landhofmeister“114 des 1637 in den Freiherrenstand115 erhobenen Adligen wider, sondern geben auch Einblick in das adlige Familienleben.116 Auf den Buchrücken der drei Kalenderbände sind die jeweiligen Jahreszahlen angegeben – die Bände werden daher für alle Familienmitglieder präsent in der Bibliothek gestanden und vielleicht als Anreiz der eigenen Kalender- oder Tagebuchführung
110 111 112
113 114 115
116
Einleitung Findbuch Gracht (wie Anm. 72), S. I. Vgl. ebd., S. IV. Vgl. Karl Stommel, Johann Adolf Freiherr Wolff genannt Metternich zur Gracht. Vom Landritter zum Landhofmeister. Eine Karriere im 17. Jahrhundert, Köln 1986, S. 28. Im ostwestfälischen Adel gibt es aus dem 17. Jahrhundert ein ganz ähnliches Beispiel. Ausführlich dazu: Stephanie Haberer, Die Schreibkalender des Clamor Eberhard von dem Bussche zu Hünnefeld (1611–1666) – ein Selbstzeugnis aus dem Osnabrücker Land, in: Gunnar Teske (Hg.), Adelige über sich selbst. Selbstzeugnisse in nordwestdeutschen und niederländischen Adelsarchiven (Westfälische Quellen und Archivpublikationen 29), Münster 2015, S. 63–87 und die Edition der Kalender: Lene Freifrau von dem Bussche-Hünefeld / Stephanie Haberer (Hg.), „wobei mich der liebe Gott wunderlich beschutzet“. Die Schreibkalender des Clamor Eberhard von dem Bussche zu Hünnefeld (1611–1666), Bramsche 2017. Vgl. ASG, Akten, Nr. 561–563, Schreibkalender Johann Adolfs I. Wolff Metternich zur Gracht; Tkotzyk/Gussone, Biographische Quellen (wie Anm. 100), hier v. a. S. 204, Anm. 23. So der Untertitel der von Karl Stommel verfassten Monographie: Stommel, Johann Adolf (wie Anm. 112). Vgl. ebd., S. 189; Hans-Werner Langbrandtner, Standeserhöhung und Adelsbrief, in: Gudrun Gersmann / Ders. (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 171–178, hier S. 175 gibt als Jahr der Standeserhöhung 1641 an. Ebenso Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 720. Vgl. Tkotzyk/Gussone, Biographische Quellen (wie Anm. 100), S. 201.
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I. Einleitung
gedient haben. Dafür sprechen die Kalender des Enkels und Patenkindes Johann Adolf II., die dieser im Jahr 1694 – im Jahr vor seiner zweiten Hochzeit mit Eleonora Truchsess von Wetzhausen, der Protagonistin der vorliegenden Untersuchung – zu führen begann und die seine zweite Frau nach seinem Tod 1722 fortführte.117 Auch für das 19. und 20. Jahrhundert sind im Familienarchiv Beispiele für die beschriebene Quellenart vorhanden: Max Werner Wolff Metternich (1770–1839), der Urenkel Johann Adolfs II., führte von 1799 bis 1834 Schreibkalender118 und auch von Flaminia Wolff Metternich (1853–1913), einer geborenen Prinzessin zu Salm-Salm, sind Schreibkalender überliefert, die sie 1891 zu führen begann.119 Man kann vielleicht soweit gehen zu behaupten, dass die Schreibkalenderführung im Hause Wolff Metternich zur Gracht Tradition hatte. Zumindest ist kein weiteres Archiv des rheinischen Adels bekannt, in dem eine ähnliche Anzahl Schreibkalender überliefert wäre. Wohingegen in fast jedem Adelsarchiv ähnliche Quellen in Form von Tagebüchern, v. a. von Kavalierstouren der jungen Adligen, zu finden sind. Auch in diesem Bereich weist das Grachter Archiv eine Quellenfülle über mehrere Jahrhunderte bzw. Generationen hinweg auf. Von Eleonora Wolff Metternich zur Gracht sind insgesamt 14 Kalender erhalten.120 Lediglich aus dem Jahr 1724 ist kein Exemplar überliefert. Sie verwendete vier verschiedene Kalender, die allesamt von Verlegern aus Nürnberg stammten. Dies kann zum einen in ihrer Herkunft aus Franken begründet sein, zum anderen aber auch lediglich unterstreichen, dass Nürnberg die Hochburg des Kalenderdrucks in der Frühen Neuzeit war. In den Jahren 1722, 1735 und 1736 hielt sie ihre Aufzeichnungen im „SchreibAlmanach“ von Nicolaus Schmidt (1606–1671) fest, der im Verlag Endter erschien. Dieser Verleger gab auch den Almanach von Marcus Freund heraus, den Eleonora in den Jahren 1725, 1730 bis 1732 und 1734 verwendete. Die Firma Endter mit Sitz in Nürnberg war eine wahre Verleger-Dynastie des 17. und 18. Jahrhunderts, die es selbst in der Zeit des 30jährigen Krieges vermochte, ihre Produktion weiter auszubauen oder zumindest nicht einschränken zu müssen. In den 1650er Jahren hatte sie in der Reichsstadt sogar eine „nie dagewesen Monopolstellung behaupten“ können.121 Zeitweise vertrieben sie mehr als 15 verschiedene Kalenderausgaben allein im Quartformat.122 Darunter u. a. die Kalender des Theologen Marcus Freund (1603–1662), der „zu den erfolgreichsten Kalendermännern seiner Zeit“ zu 117 118 119
Vgl. ASG, Akten, Nr. 566–612, Schreibkalender Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht. Vgl. Tkotzyk/Gussone, Biographische Quellen (wie Anm. 100), S. 204, Anm. 24. Vgl. ASG, Akten, Nr. 614–636, Schreibkalender der Flaminia Wolff Metternich zur Gracht geb. Prinzessin zu Salm-Salm; Tkotzyk/Gussone, Biographische Quellen (wie Anm. 100), S. 204, Anm. 24. 120 Vgl. ASG, Akten, Nr. 599–612, Schreibkalender der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, geb. Truchsess von Wetzhausen. 121 Matthäus, Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens (wie Anm. 101), Sp. 1297. 122 Vgl. ebd., Sp. 1297.
I.3 Zum Quellenbestand: Schreibkalender in der Frühen Neuzeit
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zählen ist.123 (Abb. 4) Sein erster Kalender erschien Mitte des 17. Jahrhunderts noch bei einem anderen Verleger. Nach dessen Bankrott wurden die Freund’schen Kalender – es gab allein sieben verschiedene Quartkalender – ausschließlich bei Endter verlegt.124 Die Kalender waren so erfolgreich, dass ihre Produktion den Tod ihres Urhebers um zwei Jahrhunderte überdauerte: Bis ins 19. Jahrhundert konnten die Kalender erworben werden.125 Einen ebenso langen Erscheinungszeitraum hat auch der zweite von Eleonora verwendete Kalendertyp aus dem Hause Endter vorzuweisen: Der Kalender des „gelehrten Bauern“ Nicolaus Schmidt erschien ebenfalls bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.126 (Abb. 5) Anders als Freund scheint Schmidt jedoch weniger Kalenderarten verfasst zu haben. Zumindest die Aufzählung der Quartkalender umfasst bei Matthäus nur den „Almanach, das ist: … Schreibkalender“.127 Hinzu kommt in jedem Fall ein Schreibalmanach im Oktavformat, wie ihn Eleonora benutzte. Auch der Schreibkalender eines Konkurrenten der Verleger-Dynastie Endter diente der Witwe auf der Gracht für ihre Notizen. Bei Johann Georg Lochner erschien der Schreibkalender von Michael Christoph Han, den Eleonora für die Jahre 1726 bis 1728 und das Jahr 1733 anschaffte. (Abb. 6) Im ersten Jahr ihrer eigenen Kalenderführung benutzte sie einen anderen Kalender. Bei einem weiteren Endter-Konkurrenten – dem Verlag Felsecker – erschien der Schreibkalender von Johann Christoph Wagner (1640–1703).128 (Abb. 7) Eleonora verwendete ausschließlich Kanzleikalender, d. h. Schreibkalender im Oktavformat ohne Praktik. Als Beispiel sei der Titel des Kalenders von Marcus Freund zitiert:
123 Ebd., Sp. 1235. 124 Vgl. ebd., Sp. 1238 f. Eine Auflistung der Quartkalender des Marcus Freund findet sich hier: Ebd., Sp. 1349. 125 Vgl. ebd., Sp. 1156. Für eine ausführlichere Darstellung zu Marcus Freund und seinen Kalendern siehe v. a.: Ebd., Sp. 1236–1243. Vgl. auch Art. „Freund, Marcus“, in: Klaus-Dieter HERBST, Bibliographisches Handbuch der Kalendermacher von 1550–1750, 2015, URL: https://www.presseforschung. uni-bremen.de/dokuwiki/doku.php?id=freund_marcus (24.11.2019). 126 Matthäus, Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens (wie Anm. 101), Sp. 1156. Zu seiner Person vgl. Art. „Schmidt, Nicolaus“, in: Klaus-Dieter HERBST, Bibliographisches Handbuch der Kalendermacher von 1550–1750, 2015, URL: https://www.presseforschung.uni-bremen.de/dokuwiki/ doku.php?id=schmidt_nicolaus (24.11.2019). 127 Vgl. Matthäus, Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens (wie Anm. 101), Sp. 1361. 128 Felsecker gab u. a. den Simplicissimus heraus, der später aber von Endter übernommen wurde. Vgl. ebd., Sp. 1374. Ausführlich zum Verlag Felsecker s. ebd., Sp. 1309–1313. Zur Person Johann Christoph Wagners s. ebd., Sp. 1270 f. sowie Art. „Wagner, Johann Christoph“, in: Klaus-Dieter Herbst, Bibliographisches Handbuch der Kalendermacher von 1550–1750, 2015, URL: http://www.presse forschung.uni-bremen.de/dokuwiki/doku.php?id=wagner_johann_christoph (24.11.2019). Dort wird auch unter „Titel (2)“ der Schreibkalender im Oktavformat erwähnt, der an dieser Stelle aber nur für 1679 belegt ist. Das vorliegende Exemplar beweist, dass er mindestens bis ins Jahr 1723 erschienen ist.
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I. Einleitung
Schreibalmanach auf das Jahr Christi M DCC XXV. Welches ein gemein Jahr ist. Denen Canzeleyen, Gelehrten, Schreibern, wie auch Kauff- und Handwercksleuten zum nuzlichen Gebrauch wochenweis eingerichtet, samt einer accuraten Aderlaß-Tafel. Durch Marcum Freund, der Astronomischen Wissenschaft Ergebnen.129
Ähnlich lautet auch der Titel des Wagner’schen und der Schmidt’schen Kalender. Michael Christoph Han beschränkt seinen Adressatenkreis auf „Cantzeleyen, Kauffund Handelsleute“.130 Von außen betrachtet sehen alle Kalender einheitlich aus. Alle sind in einen hellen Pergamenteinband mit Überschlag gebunden, der mit ein bis zwei grünen Bändern verschlossen werden konnte. Der identische Einband der unterschiedlichen Kalenderausgaben könnte darauf schließen lassen, dass Eleonora die Kalender nach dem Erwerb einbinden ließ. Allerdings weisen auch die von Helga Meise untersuchten Darmstädter Kalender u. a. der Elisabeth Dorothea von Hessen den hellen Einband und die grünen Bänder auf.131 Die Größe der Kalender beträgt ca. 16 × 10 cm. Auf den Buchrücken hat Eleonora von eigener Hand die jeweilige Jahreszahl geschrieben. Denkbar wäre daher, dass die Kalender in der Familienbibliothek aufgestellt waren und man sie anhand der Jahreszahl leicht identifizieren konnte, um nach Bedarf in den Eintragungen des jeweiligen Jahres etwas nachzuschlagen. Bei 13 der 14 vorhandenen Kalender handelt es sich um sogenannte durchschossene Exemplare, bei denen jeweils die Recto-Seite unbedruckt ist und so größerer Raum für eigene Notizen geschaffen wurde.132 Ebenso wurden auch Lagen mit unbedruckten Blättern vor und nach dem Kalendarium eingefügt. Diese finden sich in unterschiedlicher Anzahl in allen 14 Kalendern und wurden in den meisten Fällen jedoch nicht beschrieben. Der Aufbau der von Eleonora benutzten Kalender ist bei allen überlieferten Exemplaren nahezu identisch. Nach dem Titelblatt mit den Angaben zum Jahr, Adressatenkreis, Autor, Erscheinungsort und Verlag folgt eine genaue zeitliche Einordnung mit Bezug auf bedeutende historische Ereignisse. Diese begann immer mit der Geburt Jesu Christi und endete mit der Kaiserkrönung des regierenden Kaisers. Dazwischen fanden sich die Daten zur Erschaffung der Welt oder der Erbauung der Stadt Rom. Da Nürnberg der Erscheinungsort der Kalender war, wurde auch immer der Errichtung
129 130 131 132
ASG, Akten, Nr. 601, Schreibkalender 1725. Vgl. ebd. und ASG, Akten, Nr. 602, Schreibkalender 1726. Vgl. Meise, Schreibkalender (wie Anm. 25), S. 74. Lediglich der Kalender des Jahres 1734 bildet eine Ausnahme: Er ist nicht durchschossen und damit im Umfang ca. um die Hälfte schmaler als die übrigen Kalender. Zu durchschossenen Kalendern siehe Arndt Brendecke, ‚Durchschossene Exemplare‘. Über eine Schnittstelle zwischen Handschrift und Druck, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 59 (2005), S. 50–64, hier S. 53 f.
I.4 Die Schreibkalender Eleonoras – Quantifizierung
29
dieser Stadt gedacht.133 Darunter finden sich u. a. Hinweise auf die Goldene Zahl und den Sonntags-Buchstaben des Jahres. Nach den einführenden Beschreibungen beginnt das eigentliche Kalendarium. Die sieben Tage der Woche sind auf zwei Seiten verteilt – Sonntag bis Mittwoch und Donnerstag bis Samstag. Vor jedem Sonntag wird der Kurztitel des Sonntagsevangeliums mit der entsprechenden Bibelstelle genannt. Bei allen Wochentagen finden sich Symbole zu Tierkreiszeichen oder den sieben Planeten sowie Hinweise auf Mondphasen oder medizinische Ratschläge. Dazu zählen Symbole an Tagen, die geeignet zum Aderlass oder Purgieren waren. Die benutzten Zeichen werden in einer kurzen Darstellung am Anfang oder am Ende des Kalenders erläutert. Außerdem gibt es einen Eintrag zu Sonnen- und Mondfinsternissen sowie ein separates „Aderlass-Täfelein“, das noch einmal alle Tage, die sich dafür anbieten, auflistet. Vorhersagen, wie sie in Praktiken gemacht wurden, sind nicht vorhanden. Stattdessen haben alle Kalender ab dem Jahr 1725 ein mehrseitiges Verzeichnis, das Auskunft darüber gibt, zu welchem Zeitpunkt die Post oder berittene Boten in den Städten Nürnberg, Frankfurt und Leipzig abgingen. Ab 1734 werden zusätzlich die „führnehmsten Messen und Märkte“ angegeben. Mit dieser Ergänzung einher geht eine Interesse-Rechnung für eine Verzinsung von viereinhalb oder fünf Prozent über einen Zeitraum von einem Jahr oder einem Monat. I.4 Die Schreibkalender Eleonoras – Quantifizierung Wie bereits erwähnt übernahm Eleonora die Praxis der Kalenderführung von ihrem verstorbenen Mann Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht, sodass das erste Kalenderexemplar mit Eintragungen von ihr aus dem Todesjahr ihres Gatten stammt. Mit dem 18. Juni 1722, dem Todestag Johann Adolfs II., beginnen die Einträge von Eleonoras Hand. Die ersten Aufzeichnungen von Eleonora sind spärlich: Lediglich 46 Vermerke nahm sie in „ihrer“ Jahreshälfte, die immerhin fast 200 Tage umfasste, vor. Demgegenüber stehen die Notizen ihres verstorbenen Mannes in den ersten fünf Monaten des Jahres, die mit knapp 60 Notaten zunächst nicht umfangreicher scheinen. Tatsächlich hat er aber fast jeden zweiten Tag eine Eintragung vorgenommen.
133
Als Beispiel der Eintrag aus dem Schreibkalender des Jahres 1722: Schreib-Almanach auf das Jahr / nach Christi Geburt 1722 / nach Erschaffung der Welt 5671 / nach der Sündfluth 4015 / nach Erbauung der Stadt Rom 2474 / nach Anfang des Römischen Reichs undter Julius Caesare, dem ersten Kayser 1769 / nach dem Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi 1689 / nach der Erbauung der Stadt Nürnberg 1690 / nach der jämmerlichen Zerstörung der Stadt Jerusalem 1652 / nach Mahomets Ankunfft 1099 / nach Ubergebung der Augspurgischen Confession Kaiser Carolo V. 191 / nach der Geburt ihro Römischen Kaiserlichen Majestät Caroli VI. den 1. October 37 / dero Crönung zum Römischen Kaiser den 22. December 11, in: ASG, Akten, Nr. 599.
30
I. Einleitung
Im Jahr 1723 begann Eleonora ihren ersten „eigenen“ Schreibkalender zu führen. Interessant ist hierbei die Inbesitznahme des Kalenders. Diese vollzieht sie, indem sie auf eine der vorderen leeren Seiten Folgendes vermerkte: „Ahn Gottes Seegen ist gelegen 1723“.134 (Abb. 8) Darunter folgte ihre Unterschrift. Sie stellte das Jahr somit unter einen religiösen Leitspruch und war durch ihre Unterschrift eindeutig als Besitzerin des Kalenders und somit Verfasserin der darin enthaltenen Einträge zu identifizieren. Trotz dieser „Inbesitznahme“ änderte sich am Umfang der Aufzeichnungen auch im Jahr 1723 nicht viel. Für die ersten sechs Monate sind nur rund 20 Einträge vorhanden. In der zweiten Jahreshälfte vergrößert sich diese Zahl jedoch um mehr als das Doppelte. Insgesamt gesehen sind gerade einmal ein Fünftel der 365 Tage des Jahres mit einem Eintrag versehen worden. Von diesen umfasst der Großteil wiederum meist nur einen kurzen Satz. Es scheint als wollte sich Eleonora ganz genau an die vorgegebenen Schreibräume halten. Die wenigen Einträge, die mehr Platz einnehmen als der jeweilige Tag zur Verfügung stellt, schrieb sie von vorneherein auf die gegenüberliegende freie Seite ihres durchschossenen Kalenderexemplares.135 Dies lässt darauf schließen, dass sich noch keine Routine für die Eintragungen eingestellt hatte, sondern Eleonora sich ganz bewusst und sorgfältig ihre Notate überlegte und eintrug. Für die geringe Zahl der Notizen wäre somit eine Art „Eingewöhnungsphase“ eine mögliche Erklärung. Vielleicht hielt sie aber auch vieles für nicht erwähnenswert oder es hatte sich schlicht nichts ereignet. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Eleonora sich zunächst in ihre Rolle als Witwe einfinden musste und erst im Lauf der Zeit einen regelmäßigen Schreibrhythmus entwickelte. Dafür spricht die langsam steigende Eintragszahl ab der zweiten Hälfte des Jahres 1723. Aufgrund des Fehlens eines Kalenders für das Jahr 1724 lässt sich keine kontinuierliche Steigerung der Schreibfrequenz nachvollziehen. Ein Vergleich mit dem Kalender des Jahres 1725 ergibt jedoch, dass dieser bereits mehr als doppelt so viele Einträge enthält. Auch im Umfang nehmen diese nun deutlich zu. Nach zweieinhalb Jahren der Kalenderführung scheint sich eine Routine eingestellt zu haben, die auch am Aussehen der Notate deutlich wird. Eleonora beschränkte sich nun nicht mehr nur auf den vorgegebenen Raum unterhalb der Datumsangabe, sondern weitete diesen in vielen Fällen auf die nächste Zeile unterhalb des Folgedatums oder auf die gegenüberliegende, freie Seite aus. Diese fortgesetzten Notizen kennzeichnete sie jeweils am Ende bzw. am Anfang durch eine Raute (#) – bei mehreren Fortsetzungen auf einer Seite zur besseren Unterscheidung auch durch andere Symbole. (Abb. 9) Gänzlich fehlt in diesem Band jedoch der Leitspruch zu Beginn, ebenso wie eine Unterschrift. Im Kalender des Jahres 1726 ist beides ebenfalls nicht vorhanden, wenn auch ein weiterer Anstieg der Eintragungen festzuhalten ist.
134 135
ASG, Akten, Nr. 600. Ein Beispiel dafür ist der Eintrag gegenüber dem 28. April bis 1. Mai 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600.
I.4 Die Schreibkalender Eleonoras – Quantifizierung
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Im Jahr 1727 nahm die Anzahl der Einträge noch einmal zu. Zudem trug Eleonora wieder ihren Leitspruch auf eine der ersten Seiten ein. Ihre Unterschrift fehlte jedoch weiterhin.136 Dies gilt ebenso für 1728. Hinzu kommt in diesem Jahr, dass neben dem handschriftlichen Vermerk des Jahres auf dem Buchrücken nunmehr auf dem Buchdeckel ein Hinweis auf das Jahr gedruckt war: „Calender Aufs Iahr 1728“.137 Knapp fünfeinhalb Jahre nach ihrem ersten Eintrag hatte sich die Schreibfrequenz Eleonoras vervierfacht. Sie schrieb nicht nur wesentlich regelmäßiger in ihren Kalender, sondern auch der Umfang der einzelnen Notate hatte sich stark vergrößert. Diese Beobachtung trifft ebenso für den Kalender des Jahres 1729 zu, der die weitaus größte Anzahl an Eintragungen enthält. Neben ihren Notizen griff Eleonora in diesem Exemplar noch einmal eine Angewohnheit ihres verstorbenen Mannes auf. Zu Beginn des Kalenders hielt sie vor dem Titelblatt vier Kostenpunkte fest, die in dem entsprechenden Jahr angefallen waren.138 In die Folge der besonders umfangreichen Kalendereintragungen reiht sich noch das Jahr 1730 ein, wenngleich nicht mehr so viele wie im Vorjahr vorhanden sind. Nach fünf Jahren findet man 1730 auch zum ersten Mal unter dem Leitspruch wieder den Namenszug Eleonoras vor. Diese „vollständige“ Inbesitznahme des Kalenders hielt sie für die folgenden zwei Jahre durch. An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass sich die Jahre 1728, 1729 und 1730 deutlich anhand der vielfältigen Eintragungen von den anderen Kalendern abheben. Betrachtet man das gesamte Kalenderkorpus, so bilden die Notate dieser drei Jahre mehr als ein Drittel aller von Eleonora vorgenommenen Notizen. Der Produktivität können verschiedene Faktoren zugrunde liegen. Eine Ursache könnte in der sich immer weiter verstärkenden Routine der Kalenderführung liegen. Nachdem sie seit sechs Jahren Witwe war und die Herrschaftsverwaltung übernommen hatte, agierte sie möglicherweise freier und selbstbewusster, was sich wiederum in den Eintragungen spiegeln könnte. Diese konnten ihr z. B. als Gedankenstütze bei laufenden Verfahren o. ä. dienen. Eine weitere, so simple wie naheliegende Erklärung könnte zudem sein, dass in diesen drei Jahren diverse Ereignisse stattfanden, die es sich lohnte schriftlich zu fixieren. Ab 1730 nahm die Zahl von Eleonoras Notizen stetig ab. Das religiöse Motto ihrer Kalender behielt sie aber, wie erwähnt, bis zu ihrem letzten Kalender 1736 bei. Entweder ergänzte sie dieses durch ihre Unterschrift oder durch die Jahreszahl.139 Der letzte 136 137 138 139
ASG, Akten, Nr. 603. ASG, Akten, Nr. 604. „Den Hamm 197,40 / nach Leyden vor das haus 29,50 / den Wingarte von Lulsdorff 3,60 / den Schnejder 14,65“, in: ASG, Akten, Nr. 605. In den Kalendern der Jahre 1732 und 1735 findet man alle drei Bestandteile ihrer Inbesitznahme. In den Kalendern der Jahre 1733 und 1734 gibt sie neben dem Leitspruch nur die Jahreszahl an. Im Jahr 1736 verzichtete sie sowohl auf ihren Namenszug als auch auf ein weiteres Hinzufügen der Jahreszahl.
32
I. Einleitung
Schreibkalender aus dem Jahr 1736 hat im Vergleich zu allen anderen Exemplaren den geringsten Umfang was die Eintragungen betrifft. Es sind zwar für jeden der zwölf Monate Notate vorhanden, doch selbst im ersten halben Kalenderjahr 1722 notierte Eleonora häufiger etwas im Kalender ihres Mannes als im Jahr 1736. Betrachtet man die Schreibkalender abschließend in ihrer Gesamtheit, ist grundsätzlich festzuhalten, dass Eleonora nicht jeden Tag etwas im Kalender vermerkte. Es konnten auch schon einmal Wochen vergehen, ohne dass sie in den Kalender schrieb. Das Geschriebene selbst variiert stark im Umfang. Neben kurzen Sätzen über Reiseaktivitäten im Stil von „heut nach der Gracht“ sind auch mehrseitige, ausführliche Beschreibungen vorhanden. Oftmals reichte der Platz unter dem Tagesdatum nicht für den Eintrag aus. Alle Kalender haben gemeinsam, dass sich Eleonoras Notizen auf das eigentliche Kalendarium beschränken. In den nützlichen Hinweisen finden sich keine Bemerkungen o. ä., die auf eine Verwendung schließen lassen. Wobei einschränkend zu erwähnen ist, dass z. B. der Postabgang in Nürnberg für sie in Köln oder Bonn auch keine weitere Relevanz gehabt haben kann. Inhaltlich lassen sich je nach Abgrenzung voneinander vier bzw. sieben Themenkomplexe, von denen die Aufzeichnungen zeugen, festhalten, die fast alle bereits aus dem ersten Schreibkalender abzuleiten sind (Abb. 10): Zum Ersten handelt es sich dabei um „Familiennachrichten“, die sich auf den engsten Familienkreis beziehen. Darunter fallen Vermerke zu Todesfällen und Krankheiten, aber v. a. auch die Geburten ihrer Enkel aus dem Hause Waldbott von Bassenheim zu Bornheim. Als eigener Themenbereich muss aufgrund seiner herausgehobenen Stellung und der daraus resultierenden Vielzahl von Einträgen die Erziehung und Ausbildung des Stammhalters Franz Joseph betrachtet werden. Diese machen gut ein Sechstel der Gesamtheit der Notate aus und sind damit eines der vier großen Themen der Schreibkalender Eleonoras. Einen minimal größeren Anteil haben die Notizen, welche die „Reisetätigkeit“ der Protagonistin betreffen, wenngleich sie sich hauptsächlich auf die Fahrten zwischen den Familienbesitzungen beschränken. Den größten Teil bilden die Aufzeichnungen zu Herrschaft und Verwaltung des Besitzes – rund ein Drittel bezieht sich auf diesen Themenkomplex. Darin nicht inbegriffen sind alle Einträge zu laufenden Verfahren und Prozessen, die sich zumeist aus Erbstreitigkeiten ergeben haben. Die beiden letztgenannten Bereiche decken zusammengefasst mehr als die Hälfte aller Aufzeichnungen ab, sodass hier ein eindeutiger thematischer Schwerpunkt innerhalb der Schreibkalender Eleonoras erkennbar wird. Betrachtet man die einzelnen Jahre, bewegt sich der Anteil der entsprechenden Einträge zwischen 40 und 66 Prozent. Im letzten Jahr machen Bemerkungen zur Herrschaftsverwaltung und Prozessführung lediglich 15 Prozent an den ohnehin nur noch spärlich vorhandenen Eintragungen aus. Die übrigen Beiträge befassen sich mit dem erweiterten familiären Netzwerk, das sich auf die Schönborns und dabei v. a. auf Eleonoras Vetter Franz Georg (1682–1756) konzentriert, sowie Notizen, die auf Verbindungen zum Kurfürsten und die Anwesen-
Tafelteil
Abb. 1 Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, o. J.
Otto Truchsess von Wetzhausen (um 1330) Begründer der Linie zu Sternberg
Joachim Truchsess von Wetzhausen (vor 1552–1606)
Philipp Albrecht (1588–1663)
Joachim Ernst (1624–1709)
Wolff Dietrich (vor 1588–1639)
Wolff Dietrich (1625–1699)
Eleonora Wolff Metternich zur Gracht geb. Truchsess von Wetzhausen (1679–1755) Abb. 2 Vereinfachte Stammtafel der Truchsessen von Wetzhausen zu Sternberg
Johann Adolf II. (1651–1722)
Hieronymus Leopold (1661–1719)
Wilhelm Hermann (1665–1722)
Hermann Werner (1625–1705)
Abb. 3 Vereinfachte Stammtafel Wolff Metternich zur Gracht
Franz Arnold Josef (1658–1718)
Degenhard Adolf (1616–1668)
Johann Adolf I. Wolff Metternich zur Gracht (1592–1669)
Abb. 4 Schreibalmanach Marcus Freund, 1725
Abb. 5 Schreibalmanach Nicolaus Schmidt, 1722
Abb. 6 Schreibkalender Michael Christoph Han, 1726
Abb. 7 Schreibkalender Johann Christoph Wagner, 1723
Abb. 8 Besitzvermerk im Kalender des Jahres 1723
Abb. 9 Beispielseite vom Ende des Monats Mai 1728
6%
20%
4% 17%
18%
Kurfürstlicher Hof
Schönborn (v. a. Franz Georg)
Herrschaftsverwaltung
Prozessführung
"Reise"
Franz Joseph
Familiennachrichten
Abb. 10 Quantifizierung der thematischen Schwerpunkte der Notate
33%
2%
Abb. 11 „Assertiones ex universa logica“, Disputationsschrift Franz Josephs, 1726
Abb. 12 „Theses physicae de causa efficiente“, Disputation zum Abschluss der Physica, 1727
Abb. 13 „Synopsis discursum feudalium […]“, Dissertation zum Feudalrecht, 1729
Abb. 14 Konflikt um die Hofratsstelle, November 1729
Abb. 15 Wappen des Reichsgrafen Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, 1731
I.5 Vorgehensweise
33
heit am kurkölnischen Hof hinweisen. Notizen zu Franz Georg von Schönborn finden sich ausschließlich in den Jahren 1728 bis 1730. Der Kurfürst von Köln bzw. Vermerke zur kurkölnischen Hofgesellschaft sind in nahezu allen Kalendern, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, vorhanden. Lediglich die Jahre 1722 und 1727 scheinen eine Ausnahme zu bilden. Das Fehlen von Einträgen zu einem bestimmten Themenbereich bedeutet jedoch nicht, dass es im entsprechenden Jahr keine Bedeutung gehabt hätte. Eleonora wird nicht jede einzelne Begebenheit schriftlich festgehalten haben. Vielmehr scheint sie zwischen „notatwürdigen“ und nicht-„notatwürdigen“ Ereignissen unterschieden zu haben. Nicht eindeutig zu klären ist, ob sie die Einträge zeitnah vorgenommen hat oder ob sie nach einer gewissen Zeit mehrere Daten aus der Erinnerung füllte. Dabei könnten wiederum Lücken entstanden sein. Insgesamt umfassen die Schreibkalender mehr als 2 000 Einträge. Oftmals behandelt ein Eintrag unter einem bestimmten Datum mehrere der hier festgelegten Themen, sodass eine eindeutige Zuordnung nicht in jedem Fall möglich ist. I.5 Vorgehensweise Im Folgenden sollen anhand der soeben vorgestellten „neuen“, bisher nicht ausgewerteten Quellen, die im Rahmen des bereits erwähnten Forschungsprojekts zum rheinischen Adel entdeckt worden sind, Schlaglichter auf das Leben der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht geworfen werden. Denn obwohl sie 75 Jahre140 alt wurde, ist bisher kaum mehr als ihre Lebensdauer, die Bestimmungen des Heiratsvertrages und die Anzahl der Kinder, die sie geboren hat, von ihr bekannt. Sie teilt das Schicksal der meisten adligen Frauen – besonders des niederen Adels: Sie sind in den überlieferten Quellen nicht sichtbar, außer in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter. Selbst wenn sie eigene handschriftliche Quellen hinterlassen haben sollten, konnten diese immer noch der Willkür eines Archivars – gleich in welchem Jahrhundert – zum Opfer fallen. Schließlich bestand die Hauptaufgabe der Adelsarchive zunächst einmal in der Bewahrung der Herrschaftslegitimation, sodass „v. a. rechtsrelevante Urkunden und Dokumente“ archiviert wurden.141 Auch wenn Heide Wunder auf ein Anwachsen der „Selbstzeugnisse von Frauen in Briefen und Familienbüchern“142 seit dem 16. Jahrhundert gerade innerhalb des Adels verweist und Silke Marburg konstatiert, dass „mit dem Übergang zur Moderne“ sogar „Lebenszeugnisse jener adligen Männer und Frauen,
140 Als Geburtsjahr wird 1679 angenommen. 141 Marburg, Adelsarchive (wie Anm. 4), S. 127. 142 Heide Wunder, „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, S. 27.
34
I. Einleitung
die außerhalb der familiären Kerngruppe agierten […] dokumentiert [wurden]“143, kann diese Annahme zumindest für die rheinischen Adelsarchive und eben vorrangig für die weiblichen Angehörigen nicht pauschal bestätigt werden. Selbst der weibliche Part des Hauses Schönborn, zu dem Eleonora im weiteren Sinne gehört, ist bisher auch aufgrund mangelnder Quellenlage nicht eingehend betrachtet worden.144 Ändern konnte sich diese Rolle innerhalb des adligen „Arbeitspaares“ meist erst durch den Tod des Mannes und wirklich in Erscheinung treten konnte die Witwe auch dann häufig nur, wenn der Stammhalter unmündig war und der Vormundschaft bedurfte.145 Eine Garantie war das freilich noch immer nicht, da die Errungenschaften unter weiblicher Vormundschaft meist der Regierungszeit der Mündel zugerechnet wurden.146 Dies soll noch einmal kurz die gute Ausgangslage im Falle Eleonoras verdeutlichen, die anhand ihrer Schreibkalender selbst zu Wort kommen kann. Zumindest lassen sich auf diese Weise 15 Jahre im Leben der fränkischen bzw. rheinischen Adligen betrachten. Ob man dadurch tatsächlich ihrer Lebenswelt oder noch spezieller ihrem Denken und Handeln näherkommt, bleibt dabei zunächst offen. Zudem soll nach dem Zweck der Kalenderführung – möglicherweise zur reinen „Gedächtnisstütze“147 – gefragt werden und ob sich ein verbindendes Element der behandelten Themenschwerpunkte erkennen lässt. Dazu sollen die zuvor skizzierten Themenfelder exemplarisch vorgestellt werden, wobei nicht nur die quantitativ häufiger vertretenen Schwerpunkte zu Herrschaftsund Prozessführung eine Rolle spielen, sondern auch der auf die gesamte Kalenderlaufzeit bezogen seltener vertretene Bereich der verwandtschaftlichen Beziehung zur Schönborn-Dynastie – v. a. konzentriert auf Franz Georg von Schönborn – in den 143 Marburg, Adelsarchive (wie Anm. 4), S. 127. 144 Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 281–292. Auch wenn Arne Karsten bereits die entscheidende Beteiligung der Schönborn-Frauen am Aufstieg des Geschlechts betont: Vgl. Arne Karsten, Familienglanz und Reichsgedanke. Der Aufstieg des Hauses Schönborn, in: Ders. / Hillard von Thiessen (Hg.), Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, Göttingen 2006, S. 114–136, hier S. 121. 145 Zum Arbeitspaar vgl. Wunder, Frauen (wie Anm. 142), S. 94–100; Anke Hufschmidt, Starke Frauen an der Weser? Rahmenbedingungen und Lebenspraxis verwitweter Frauen in den Familien des niederen Adels um 1600, in: Martina Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003, S. 345–357, hier S. 346. 146 Vgl. Heide Wunder, Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Dies. (Hg.), Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht (Zeitschrift für historische Forschung Beiheft 28), Berlin 2002, S. 9–27, hier S. 13; Stephanie Marra, Gräfin Johannetta Elisabeth von Bentheim (1592–1654). Witwenherrschaft und Vormundschaftsregierung im Dreißigjährigen Krieg, in: Martina Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003, S. 227–248, hier S. 248 Anm. 64. 147 Wunder, Frauen (wie Anm. 142), S. 27.
I.5 Vorgehensweise
35
Blickpunkt gerückt wird. Daneben soll auch Eleonoras Rolle am Kölner Kurfürstenhof betrachtet werden. Als „Anker“ zwischen den einzelnen Feldern dient die Ausbildung des Stammhalters. Ergänzt wird die Darstellung der Kalendereinträge dabei vorrangig durch Korrespondenzen, die sowohl im Archiv Schloss Gracht als auch im Gräflich Schönbornschen Archiv Wiesentheid, das im Staatsarchiv Würzburg angesiedelt ist, vorhanden sind. Nachdem die Protagonistin bereits als Mitglied ihrer Herkunfts- und ihrer Schwiegerfamilie verortet worden ist, soll im Folgenden zunächst die Ausgangssituation ihrer Witwenschaft, die mit dem Beginn der Kalenderführung einhergeht, dargestellt werden.
II. Vormundschaftsantritt Die Ausgangssituation Eleonoras Mann, Johann Adolf II., starb am 18. Juni 1722 – zwölf Jahre nach der Geburt seines einzigen Sohnes. Er hinterließ seine 42-jährige Witwe, die ältere Tochter Maria Anna, die bereits mit dem kurkölnischen Geheimrat und späteren Hofkammerpräsidenten Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu Bornheim (1683–1755)148 verheiratet war, seine jüngere Tochter Felicitas sowie den noch minderjährigen Franz Joseph. Anhand seines Testaments, das er zwei Jahre vor seinem Tod aufgesetzt hatte, sollen im Folgenden die Voraussetzungen der Witwenzeit Eleonoras und des Beginns ihrer Kalenderführung dargestellt werden. Bis in den Mai 1722 hatte Johann Adolf II. regelmäßig Eintragungen in seinem Schreibkalender vorgenommen. Am 16. des genannten Monats sollte sich dies aber grundlegend ändern. Eine Vorahnung auf die bevorstehenden Ereignisse gibt die letzte Eintragung von seiner Hand: „Zuruck in Bonn und haben beyden heid angefangen todlich zu krancken.“149 Johann Adolf II. und seine Frau Eleonora waren von einer nicht näher benannten Krankheit betroffen und für ihn sollte diese tatsächlich einen tödlichen Ausgang nehmen. Dies macht allein das Schriftbild der nächsten Eintragung im Schreibkalender rund einen Monat später deutlich, denn sie stammt von anderer Hand: Es war seine Frau Eleonora, die zu Feder und Tinte griff. Sie vermerkte, dass man sie am 27. Juni über den Tod ihres Mannes informiert habe.150 Unter dem Datum des Todestages hielt sie daher nachträglich fest:
148 Zu seiner Person vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 15, Mappe 1234 „Waldbott von Bassenheim“, S. 692; Aloys Winterling, Der Hof der Kurfürsten von Köln 1688–1794. Eine Fallstudie zur Bedeutung „absolutistischer“ Hofhaltung (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 15), Bonn 1986, S. 195. 149 Eintrag von Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht, 16. Mai 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 150 „Heit hatt mir der Patter Mullemann meines lieben Herren seelig Tod ahngekündiget zu meinen hochsten Schmerzen mit Leydwesen. Gott seye seiner Seelen und mir gnadig.“ Eintrag von Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, 27. Juni 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599.
II. Vormundschaftsantritt
37
Heutt ist mein lieber Herr seelig im Herrn entschlaffen mich todtkrank mitt 3 Kinder hinterlaßen, davon die elste die Frau von Bornheim, die 2te Felicitas so 16 Jahr alt und Franz Joseph so 12 Jahr alt. Gott seye ihme undt mir gnadig, ich habe eben wegen tödlicher Kranckheit selbsten seinen Todleyden nicht gewist.151
Aufgrund ihres eigenen lebensbedrohlichen Gesundheitszustands hatte man ihr erst knapp zehn Tage später die Nachricht vom Tod ihres Mannes mitteilen können. Auch das Testament selbst bzw. dessen Verwendung als Notariatsinstrument nach dem Tod Johann Adolfs II. bestätigt die Situation. Bereits am Todestag seines Schwiegervaters ließ Johann Jakob Waldbott von Bassenheim das Testament eröffnen, „umb darauß der Begräbnüß halber hochwolseeligen Herrn Obrist-Cammerers Willen, unndt Verordtnung ersehen unndt exequiren zu können […].“152 Auch der Grund für den Einsatz des Schwiegersohnes wurde explizit festgehalten: Eleonora konnte sich nicht um die Beerdigung kümmern, da sie „kundtbahrlich in solch bekrankten Zustandt sich befunden, daß sie die Nothwendigkeit der Beerdigung nicht besorgen konte, unndt dem seeligen Hinscheiden nicht einmahl hatte beywohnen mögen […].“153 Zudem ist in den Vormundschaftsakten im Grachter Archiv das Schreiben des Herrn von Bornheim überliefert, in dem er den Notar zusätzlich „zu überflüßiger Vorsorg“ darum bittet, daß Er die Schräncke und Zimmeren worin die Brieffschafften wohlseelig gemelten meines Herrn Schwährvatter aufbehalten werden, wie auch die Gewölbe in deßen Häusern mit seinem Pitschafft versiegeln wolle, bis dahin von gesambter Vormundschafft dasjenige uberlegt und abgemacht […].154
Dadurch sollte gewährleistet werden, dass niemand vor der Genesung Eleonoras und dem Eintreffen des zweiten Mitvormundes Zugriff auf die Akten oder das Vermögen des Verstorbenen hatte. Am 29. Juni, zwei Tage nachdem sie ihren ersten Kalendereintrag vorgenommen hatte, ließ Eleonora das Testament durch Notar Philipp Arnold Sauer erneut öffnen, um die darin enthaltenen Bestimmungen in Anwesenheit ihres Schwiegersohnes und verschiedener Zeugen verlesen zu lassen.155 Nach mehreren Seiten, die sich mit der Beerdigung und dem Lesen von 1 000 Messen für das Seelenheil des Verstorbenen beschäftigen, kommt die Witwenversorgung
151 152 153 154 155
Eintrag vom 18./19. Juni 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, Notariatsinstrument von 1722, in: ASG, Akten, Nr. 504. Ebd. Schreiben Johann Jakobs Waldbott von Bassenheim „Domine Notarie“, in: ASG, Akten, Nr. 499. Vgl. ebd.
38
II. Vormundschaftsantritt
zur Sprache, wobei Johann Adolf darauf verweisen ließ, dass „es bey dem Inhalt der Ehepacten verbleiben [sollte].“156 Danach folgen Anordnungen zur Mitgift der unverheirateten Töchter, die jeweils 10 000 Reichstaler erhalten sollten, „so baldt sie aber mit wißen unndt approbation ihrer Fraw Mutter unndt untenbenennter Herrn Vormünderen vereheligt worden […].“157 Sollten sie ohne Zustimmung letztgenannter heiraten, würden sie nur noch die 4 000 Reichstaler erhalten, zu denen ihr Vater bzw. Vormund aufgrund der „Ertzstifftischer Landtordtnung“ verpflichtet war.158 Die Höhe der Mitgift soll an dieser Stelle nur noch einmal den Status und das Selbstverständnis verdeutlichen, den sich das rheinische Geschlecht im Laufe der Generationen erarbeitet hatte und die Größe des Besitzes unterstreichen, die es möglich machte, alle Töchter in dieser Höhe auszusteuern. Auf Seite 9 des Testaments ist der Kern der Regelungen zu finden, der die Zukunft der Familie bestimmen sollte. Johann Adolf legte fest: Übrigens instituire ich zu meinem Universalerben in allen meinen Herrschafften, Häußeren, Rittersitzen, Hoeffen unndt allen meinen gereiden unndt ungereiden Gühteren, Renten Actionen unndt Ansprachen meinen Sohn Frantz Joseph unndt weilen selbiger, wie auch vorbenente meine jüngere Döchtere noch in ihrem minderjährigen Alter seyndt, unndt ich vielleicht nach göttlicher Anordtnung ihre Großjährigkeit nicht erleben mögte, so bitte vorab Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cölln meinen gnädigsten Herren, daß er dieselbe in seine gnädigste Protection zu nehmen geruhen wolle, immaßen zu deroselben ich das untertähnigste Vertrawen setze, dieselbe werden in Ansehung meiner langjähriger getrewen Diensten über meine Kinder die Handt halten, unndt dieselbe in churfürstlichen höchsten Hülden unndt Gnaden beständig conserviren. So dan benenne zu ihrem Vormünderen meine hertzgeliebteste Gemahlin, unndt meinen Herrn Bruderen Herren Wilhelm-Ignatium Freyherrn Wolff Metternich Domprobsten zu Münster unndt Domdechandten zu Paderborn, fort meinen Herrn Dochterman Freyherrn von Walbott zu Bornheim etc., dieselbe allerseiths bittendt, die Vormundtschafft meiner Kinder zu übernehmen, unndt deren Education so woll alß Befürderung zu einem oder anderen Standt zu versorgen.159
Diese Passage wurde in gekürzter Fassung als Beilage in beglaubigter Form mit einem Bittschreiben an den kurkölnischen Hofrat geschickt, um die Vormundschaft formell 156 157 158 159
Vgl. ebd. Ebd. Ebd. An dieser Stelle sei erwähnt, dass im Testament neben Maria Anna und Felicitas auch noch die Rede von Charlotte ist, einer Tochter, die in der Zeit zwischen September 1720 und Juni 1722 verstorben sein muss. Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Gleichrangigkeit der Vormünder. Es wurde offenbar nicht zwischen „Ehren-, Ober-, Mit- und Untervormünder[n]“ unterschieden. Vgl. Puppel, Die Regentin (wie Anm. 22), S. 99.
II. Vormundschaftsantritt
39
bestätigen zu lassen.160 Zudem bat man darum, „Hoffrath undt Thombcapitulschen Syndicum Doctoren Saur […] als Vormunschafft Consulenten anzuordtnen.“161 Die Entscheidung für Sau[e]r begründete man mit dessen hervorragender Kenntnis der Familienangelegenheiten und dem außerordentlichen Vertrauen, das der Verstorbene in ihn gehabt habe. Durch den Hofratspräsidenten wurde beiden Wünschen am 20. Juli 1722 entsprochen.162 Die Aufgaben der Vormünder hatte Johann Adolf II. ebenfalls in seinem Testament festgelegt: In Bezug auf seinen Bruder führte er aus, dass dieser sich um die Güter im „Hildeßheimbischen unndt Wolffenbüttelschen“ kümmern sollte, wobei er davon ausging, dass er sich ohnehin in hohem Maße in die Vormundschaft und allgemeine Verwaltung des Besitzes einbringen würde. Darüber hinaus befand er die alleinige Verwaltung durch seine Frau als „zu mühsamb unndt beschwehrlich“ für sie und legte fest, dass Doktor Cramer, der ihm „nuhn etliche Jahren trewlich gedienet“ habe, damit betraut werden sollte.163 Bei Doktor Cramer handelte es sich vermutlich um Johann Melchior Cramer von Clausbruch (1680–1740), der von 1722 bis 1740 kurkölnischer Assessor am Reichskammergericht in Wetzlar war.164 Mit der expliziten Einbindung bzw. Übernahme der Verwaltung der Güter durch seinen Bruder auf der einen und Assessor Cramer auf der anderen Seite, änderte Johann Adolf II. die Vereinbarungen des Heiratsvertrages und beschnitt damit „den künftigen Handlungsspielraum“ seiner Frau, der in den „betreffenden Klauseln […] der Eheverträge“ des Adels vorab festgelegt wurde.165 Eleonora war ursprünglich als Verwalterin der Güter vorgesehen, die selbst entscheiden konnte, ob sie diese Aufgabe übernehmen wollte oder sie Stellvertretern überlassen würde. Ohne Rat und Zustimmung von Freunden und Verwandten hätte sie die Verwaltung zwar auch nach den Vorgaben des Ehevertrages nicht ohne Weiteres übernehmen können, jedoch griff das Testament Eleonoras Entscheidung nun vor. Ihr „zugestattet“ wurden jedoch „die Schlüßelen“ zu den bereits erwähnten Gewölben, in denen „die eingehenden Gelder“ lagerten, die entweder angelegt oder zum Kauf
160 Lediglich die ersten und letzten Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Der Text beginnt gleich mit der Bitte an den Kurfürsten. Vgl. Unterthanigste demutigste Anzeig undt Bitt sambt Beylag, in: ASG, Akten, Nr. 499. Zum Hofrat vgl. Kurt Schulz, Der Kurkölnische Hofrat von 1724 bis zum Ausgange des Kurstaates, Bonn 1911. 161 Unterthanigste demutigste Anzeig undt Bitt sambt Beylag, in: ASG, Akten, Nr. 499. 162 Vgl. ebd. 163 Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504. 164 Zu seiner Person vgl. Sigrid Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich. Teil II: Biographien, Band 1 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 26,2), Köln/Weimar/Wien 2003, Biographie 14, S. 123–129. 165 Marra, Witwenherrschaft (wie Anm. 146), S. 233.
40
II. Vormundschaftsantritt
weiterer Güter verwendet werden sollten.166 Zudem war Johann Adolfs Wille, „weilen ich auch jetziger Zeit nach in verschiedenen theils activ – theils passiven processen befangen bin […], daß meine Gemahlin, undt übrige Herrn Vormündern nebens dem Doctore Cramer sich auch anderer bewährter Rechtsgelehrter […] bedienen“ und die Verfahren weiter verfolgen sollten.167 Eine weitere Bestimmung des Testaments bestand in der Anfertigung eines Nachlassinventars. Außerdem sollten alle Rechnungen und andere Belege über Ausgaben o. ä. aufbewahrt werden, „damit mein Sohn nach erlangter Großjährigkeit dieselbe seines Gefallens nachsehen könne.“168 Dies entsprach den üblichen Formalitäten bei der Übernahme der Vormundschaft für minderjährige Nachkommen. Als Witwe, die zugleich die Vormundschaft innehatte, musste Eleonora Inventare der Besitztümer anlegen lassen, da sie „zum Erhalt der gesamten Erbmasse verpflichtet war.“169 Auch die Einsichtnahme aller Akten bei der Herrschaftsübernahme durch den großjährigen Sohn ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Pauline Puppel hält für den Hochadel fest: „[…] bei Beendigung der Vormundschaft hatte der junge Fürst das Recht auf den korrekten Nachweis der während seiner Vormundschaft getätigten Geschäfte.“170 Anhand des Testaments Johann Adolfs II. ist somit zu ersehen, dass diese Regelungen auch im niederen Adel Bestand hatten. Eleonora ließ daher Inventare der Wohnsitze in Bonn und Köln sowie von Schloss Gracht anfertigen. Dabei zugegen war neben einem Rechtsanwalt und Procurator Sauer auch ihr Mitvormund Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu Bornheim.171 Wilhelm Hermann (1665–1722), der Bruder des Verstorbenen und zweiter Mitvormund, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend. Beim nächsten wichtigen Schritt – der offiziellen Bestätigung der Vormundschaft durch Kurfürst Joseph Clemens – wird er aber vermutlich zugegen gewesen sein. Dass von den drei Vormündern zu diesem Zweck „der gewohnliche Vormündsaydt und Solemnia praestirt worden seyen“, wurde am 7. Oktober 1722 in Bonn durch „unsers [des Kurfürsten] Hofcanzley Insiegels und
166 Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504. 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Darauf weist Marra für gräfliche Regentinnen hin, was aber wohl auch auf Eleonora anzuwenden ist: Marra, Witwenherrschaft (wie Anm. 146), S. 235. 170 Puppel, Die Regentin (wie Anm. 22), S. 117. 171 Einträge vom 22. August, 10./19. September 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. Die besagten Inventare sind im Archiv Schloss Gracht erhalten: ASG, Nr. 193, Inventarisierung der Mobilien in den Häusern zu Gracht, Bonn und Köln nach dem Tod Johann Adolfs II. Wolff Metternich; ASG, Akten, Nr. 260, Inventarisierung der Mobilien und Schriftstücke des Hofs zu Bonn. Allein das Bonner Inventar vom 8. August 1722 besteht aus ca. 70 Seiten und umfasst detailliert alle Räume des Hofes mit den darin befindlichen Einrichtungsgegenständen.
II. Vormundschaftsantritt
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Secretarii Unterschriftt bestättiget.“172 Damit waren die Schritte für die formelle, vom kurfürstlichen Hof bestätigte Übernahme der Vormundschaft abgeschlossen.173 Kurz darauf reiste Eleonora nach Köln, wo auch ihr Schwager am 13. Oktober gemeinsam mit dem Münsteraner und Paderborner Hofrichter Kersting als seinem Konsultanten eintraf.174 Der Grund dieses Treffens wird anhand einer weiteren Quelle innerhalb der Vormundschaftsakten deutlich: Am 14. Oktober schlossen die drei Vormünder sambt derenselben ausgesehenen Vormundschaftsconsulenten, dem hochfürstlichen Paderborn- und Münsterschen Geheimen Rhat und Hoffrichter Herrn Kersting und Churcöllnischen Hoffrhaten wie auch Thumbcapitulschen Syndicus Herrn Dr. Saur und Dr. Effelsberg175
eine Art „Vormundschaftsvertrag“, der von allen Vormündern eigenhändig, in Anwesenheit ihrer jeweiligen Berater, unterschrieben wurde. Darin wurde sozusagen die Marschrichtung für die folgenden Jahre festgelegt. Neun verschiedene Punkte, als „in Vorschlag gekommene dubia“176 betitelt, wurden festgehalten. Darunter direkt die erste – für Eleonora vermutlich wichtigste – Regelung: „1mo Ist beliebet, daß Ihre Excellenz die verwittibte Freyfraw von Metternich in gefolg dero Heyrathsverschreibung die Administration der Güther an sich behalte […].“177 In Abweichung von Johann Adolfs Testament griff man nun doch auf die ursprünglichen Verabredungen des Heiratsvertrages von 1695 zurück. Nunmehr war keine Rede mehr von einem Verwalter in Person des Assessors Cramer und anders als in der Eheberedung wurde auch nicht mehr explizit auf die beratende Stimme von „Freunden und Anverwandten“ verwiesen. Wenngleich Eleonora „zu erklähren sich gefallen laßen, daß sie darüber die Nachweisung, wie sie von den Officianten eingenohmen, jederzeit aufzuführen bereit wäre […].“178 Dies galt aber nur für die Wolff Metternich’schen Güter. Über den Besitz, den sie selbst mit in die Ehe gebracht hatte, konnte sie weiterhin selbst verfügen und war keinerlei Rechenschaft schuldig, ganz genau so wie es zuvor festgelegt worden war. Damit scheint sich Eleonora als aktiv handelnde Frau zu positionieren, die sich einen weiteren Handlungsspielraum eröffnete, der ihr bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung stand.179
172 173
174 175 176 177 178 179
„Attestatum facta confirmationis“, Bonn, 7. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 499. Zur Bestätigung der Vormundschaft vgl. auch Pauline Puppel, Handlungsspielräume von Regentinnen. Marie von England, Landgräfin von Hessen-Kassel, Regentin von Hanau (1723–1772, reg. 1760–1764), in: Julia Frindte / Siegrid Westphal (Hg.), Handlungsspielräume von Frauen um 1800 (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen 10), Heidelberg 2005, S. 271– 292, hier S. 277. Vgl. Eintrag von Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, 12./13. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. „Vormundschaftsvertrag“ vom 14. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 499. Ebd. Ebd. Ebd. Zum Konzept von Handlungsspielräumen vgl. Julia Frindte / Siegrid Westphal, Handlungsspielräume von Frauen um 1800, in: Dies. (Hg.), Handlungsspielräume von Frauen um 1800 (Ereig-
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II. Vormundschaftsantritt
Tatsächlich hatte Johann Adolf II. in diesem Zusammenhang noch am 9. Juni 1722 einen Nachtrag an sein Testament angefügt und erklärt, dass „waß darin ratione Cramer, oder sonsten nicht ist im Standt, richten die Vormünder nach Guthbefinden.“180 Scheinbar wollte er es kurz vor seinem Tod doch seiner Frau überlassen, ob sie die Herrschaft allein führen wollte. Dass Eleonora ohnehin nicht auf den wichtigen Ratgeber ihres Mannes verzichten wollte, zeigt ihr Kalender. Bereits am 25. September hatte sie vermerkt: „Heutt der Asesor Cramer zu mir kommen, umb meine Geschäften einzurichten in diese betrübten Wittibstand.“181 Drei Tage nach Abschluss des Vertrages trat Eleonora mit ihrem Schwager den Weg auf die Gracht an, wo am 23. Oktober im Beisein aller Vormünder die Inventarien geschlossen wurden.182 Die Formalitäten, die nach dem Tod Johann Adolfs notwendig geworden waren, hatten somit ihren Abschluss gefunden. Man reiste gemeinsam zurück nach Köln, wo Wilhelm Hermann das Schicksal seines älteren Bruders ereilen sollte. Er verstarb am 28. Oktober und wurde zwei Tage später auf der Gracht im Familiengrab beigesetzt.183 Eleonora empfand darüber „grose[n] Bestürzung“, vor allem „da er in 31 Jahr nit zur Gracht gewest und so sterben müßen.“184 Die familiäre Situation des rheinischen Adelsgeschlechts war somit noch prekärer geworden. Eleonora hatte einen wichtigen Ratgeber verloren185, der ihr auch in der Zeit der Vormundschaft zur Seite gestanden hätte. Die Hoffnungen für den Fortbestand des Geschlechts ruhten nun besonders auf dem einzigen noch lebenden männlichen Nachkommen der Stammlinie zur Gracht – dem zwölfjährigen Franz Joseph. Dieser spielte vorerst allerdings noch keine große Rolle in den Kalendereintragungen seiner Mutter. Zunächst hielt sie die ausstehende Gage ihres verstorbenen Mannes, welche sie vom kurfürstlichen Zahlamt erhielt, im Kalender fest. Für die ersten beiden Quartale des Jahres 1722 erhielt sie jeweils 666 Reichstaler Gage und zusätzlich 120 Reichstaler für die Fourage der Pferde.186 Auch in Lohnfragen ihrer Bediensteten war ihr der Kalender zum Ende des Jahres dienlich. Johann Adolf II. hatte auf den ersten unbedruckten Seiten ein Register seines Personals angelegt und die entsprechen-
nis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen 10), Heidelberg 2005, S. 3–16, hier S. 7 f. 180 Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, N2 9. Juni 1722, in: ASG, Akten, Nr. 504. 181 Eintrag vom 25. September 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 182 Vgl. Eintrag vom 23. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 183 Vgl. Einträge vom 24. bis 30. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. Vermutlich aufgrund des überraschenden Todesfalles wurde der Leichnam vor der Beisetzung obduziert: Vgl. dazu Eleonoras Eintragung vom 29. Oktober 1722: „Umb 8 Uhr deß morgens hat man ihn geofnet und daß Milz stincken faul, auch Mangel ahn der Lung gefunden.“ 184 Eintrag vom 28. Oktober 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 185 Wie am Beispiel der Domscholasterwahl von 1721 noch zu zeigen sein wird: Vgl. V.1 Kölner Domscholasterwahl 1721. 186 Einträge vom 13. Juli und 2. Dezember 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599.
II. Vormundschaftsantritt
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den Löhne vermerkt. Eleonora konnte nun darauf zurückgreifen und ihrem Sekretär187 Adam Vaessen (gest. 1748) die Beträge diktieren, „wie sie in diesem Calander von meines [ihres] Herrn seelig Hand stehen […].“188 An dieser Stelle wird besonders der praktische Wert des Schreibkalenders deutlich: Die Eintragungen ihres verstorbenen Mannes dienten der Witwe als hilfreiche Richtlinie in ihrer noch neuen Position als Verwalterin des Besitzes. Auch von ihrer Hand finden sich unterhalb der Notizen ihres Mannes Eintragungen zu Lohnzahlungen. Sechs Personen, darunter der Kammerdiener Johann Adolfs II., gab sie nach dem Tod ihres Mannes den Abschied und entließ sie aus ihren Diensten.189 Eine Erklärung liefert wiederum der Eintrag im Schreibkalender: Den Lohn zum Ende des Jahres erhielten nur diejenigen, „so […] er [ Johann Adolf] mir vor seinem Todt befehlen lassen zu behalten“.190 Sie selbst führte diese Art der Notizen in den folgenden Kalendern allerdings nicht fort. Allgemein lässt sich für das erste halbe Jahr der Kalenderführung festhalten, dass Eleonora zunächst nur selten Gebrauch vom Kalender ihres Mannes machte. Ein Grund dafür wird ihre eigene schwere Krankheit gewesen sein, von der sie sich nur langsam erholte. Zum anderen musste sie sich erst in ihre neue Rolle einfinden. Dafür spricht, dass die Notizen zum Ende des Jahres häufiger wurden. Durch das Bediensteten-Register ihres Mannes tritt der „Nachschlage“-Charakter des Kalenders hervor. Man nutzte den Kalender nicht, um kommende Termine festzuhalten, sondern um vergangene Ereignisse zu dokumentieren, die man für bedeutend genug erachtete sie niederzuschreiben. Dazu gehörte für Eleonora im ersten halben Jahr nach dem Tod ihres Mannes all das, was in direktem Bezug zu diesem Ereignis stand: Das Anlegen der Inventarien, der Besuch und Tod ihres Schwagers, die letzten Zahlungen aus dem kurfürstlichen Taxamt oder Belange der Herrschaftsverwaltung, wie z. B. die Holzgabe.191 Inhaltlich orientieren sich die Einträge Eleonoras dabei sehr an denen ihres verstorbenen Mannes und lassen sich nur durch die unterschiedliche Handschrift ihrem Verfasser bzw. ihrer Verfasserin zuordnen. So finden sich bei beiden kurze Vermerke über die „Reiseaktivität“ zwischen den einzelnen Wohnsitzen nach dem Schema:
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Nur in zwei späteren Eintragungen betitelt Eleonora den Genannten als ihren „secretaire“: Einträge vom 26. Februar und 18. März 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Außerdem bestellte sie ihn im Januar desselben Jahres zum Vogt von Burgau: „Heitt den Vaessen sein Patent alß Vogt zu Burgaw unterschrieben […].“ Eintrag vom 8. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. Helmut Krebs, Niederau-Krauthausen und die Herrschaft Burgau. Die Geschichte einer getrennten Einheit: Ein Heimatbuch, Düren 1997, S. 160. 188 Eintrag vom 21. November 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 189 Eleonora vermerkt dazu „den Abschied geben“ oder „abgeschaft“: Einträge vor dem Kalenderblatt von Johann Adolf II. und Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, in: ASG, Akten, Nr. 599. 190 Eintrag vom 21. November 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 191 Verweise auf das Holzgeding bzw. die Holzgabe: Einträge vom 8. Oktober, 4., 9., 12. und 17. November 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599.
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II. Vormundschaftsantritt
„heut […] wieder nach der Gracht“.192 All das könnte darauf deuten, dass die Witwe vorher noch nicht die Angewohnheit der Kalenderführung gehabt hatte und diese tatsächlich erst mit dem Tod ihres Mannes übernahm. Es sind auch keine früheren Aufzeichnungen in Form von Kalendern oder Tagebüchern von ihr überliefert. Mit dem Abschluss des Jahres 1722, welchen die Familie in Bonn verbrachte,193 hätte sie daher vielleicht auch die Kalendereintragungen bzw. die Kalenderführung abschließen können. Im Jahr 1723 begann Eleonora aber einen eigenen Schreibkalender zu führen. Diesen nahm sie ganz für sich in Besitz, indem sie nicht nur ihren Namen auf einer der ersten Seiten eintrug, sondern darüber auch eine Art Leitspruch vermerkte: „Ahn Gottes Segen ist [alles] gelegen“.194 Wie schon im Vorjahr bewegte sich Eleonora immer zwischen ihrem Haus in Bonn, Schloss Gracht und dem Sitz ihres Schwiegersohnes in Bornheim. Die Eintragungen zu den Fahrten zwischen diesen Wohnsitzen bilden den Hauptteil des handgeschriebenen Textes. Das Jahr hielt zunächst erfreuliche Nachrichten bereit: Eine der beiden Aufzeichnungen aus dem Februar berichtet über die Geburt eines Enkels – die Frau von Bornheim hatte in der Nacht einen Sohn geboren.195 Selbst die Quellen, die vor bzw. kurz nach dem Tod Johann Adolfs II. entstanden sind, und auch Eleonoras Person umfassen, hinterlassen bereits einen recht bemerkenswerten Eindruck ihres Status und geben einen ersten Ausblick auf die Interpretation ihrer Rolle innerhalb der Vormundschaft. Auch wenn sie weder von ihrer Hand stammen noch explizit Einblicke in ihr Leben geben, so dienen sie doch der Konturierung und Schärfung ihrer Person und ihrer Ausgangsposition. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, auch die Eheberedung von 1695 noch einmal zu erwähnen, durch die zwei Adelsfamilien miteinander verwandtschaftlich verbunden wurden. Sichtbar wird der hohe Stellenwert dieser Verbindung, zu der die jeweils ranghöchsten Vertreter beider Geschlechter ihr ausdrückliches Einverständnis gaben. Auch die Mitgift in Höhe von 10 000 Reichstalern spricht eine klare Sprache. War es ohnehin nicht üblich „unter Stand“ zu heiraten, so vermittelt die Eheverschreibung doch mit einiger Prägnanz eine Verbindung „auf Augenhöhe“, die vermutlich v. a. auf Eleonoras Position bzw. genauer gesagt auf den verwandschaftlichen Beziehungen Eleonoras beruht. Das im Kurkölnischen gut verankerte und einflussreiche Geschlecht der Wolff Metternichs mit seinem „Familienvorstand“ Johann Adolf II. baute auf die Vorteile,
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Einträge von Johann Adolf II. und Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, 16. April und 15. September 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 193 Der letzte Eintrag des Jahres an Heiligabend 1722 lässt dies zumindest vermuten: „Heitt wieder nach Bonn“, Eintrag vom 24. Dezember 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 194 Besitzvermerk 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 195 „Diese Nacht umb halber 12 ist mein Tochter die Frau von Bornheim mit einem Sohn niederkommen.“ Eintrag vom 25. Februar 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600.
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die eine verwandschaftliche Verflechtung mit der fränkischen und im Reich aktiven Schönborn-Dynastie mit sich bringen würde. Anhand des Vergleiches der Bestimmungen zur Vormundschaft und Verwaltung in Heiratsverschreibung, Testament und „Vormundschaftsvertrag“ scheint zudem deutlich zu werden, dass Eleonora als „mater familias“ unangefochten war und selbst das Zepter in der Hand halten konnte und vor allen Dingen offenbar auch wollte.
III. Lehrjahre des Stammhalters Franz Josephs schulische Ausbildung Ab der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1723 nahm Eleonora häufiger Eintragungen vor. In diesem Jahr findet man auch den ersten Vermerk, der die Erziehung ihres einzigen Sohnes betrifft. Die Ausbildung des Stammhalters stellt dabei ein immer wiederkehrendes Motiv in den Schreibkalendern dar, das insgesamt – wie bereits erwähnt – einen Anteil von rund einem Sechstel aller Notate ausmacht. Im letzten Quartal des Jahres 1723 führt Eleonora Buch über Franz Josephs schulische Leistungen. Der Dreizehnjährige besuchte zu diesem Zeitpunkt die dritte Klasse der Jesuitenschule in Bonn. Daraus lässt sich schließen, dass er seine Schulausbildung im Alter von zehn Jahren, wenn nicht sogar schon früher, begonnen hatte und ab dem Alter von elf Jahren kontinuierlich in die nächsthöhere Klasse versetzt worden war.196 Zum Ende des Schuljahres im September 1723 stand fest, dass Franz Joseph „in die virte Schuhl“ wechseln konnte.197 Dabei handelte es sich vermutlich um die „Poetica oder Humanitas“-Klasse, wie Heinke Wunderlich für das Kölner Tricoronatum angibt.198 Auch wenn Eleonora im Schreibkalender keine Auskunft darüber gibt, hatte das Schuljahr wahrscheinlich im November 1723 begonnen und dauerte bis Ende September des
196 Heinz Reif hält in diesem Zusammenhang fest, dass „der münsterländische Adel seine Söhne oft schon mit sechs bis acht Jahren ins Jesuiteninternat [gab]“ und diese „bis zu ihrem elften Lebensjahr in der untersten Klasse verblieben […].“ Reif, Westfälischer Adel (wie Anm. 3), S. 149. Eine kurze Zusammenfassung von Franz Josephs schulischer Laufbahn findet sich hier: Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), hier S. 106–111. 197 Eintrag vom 30. September 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Bei der angesprochenen Schule handelt es sich um das heutige Beethoven-Gymnasium in Bonn, das im Jahr 1626 als Minoritengymnasium gegründet wurde und 1673 von den Jesuiten übernommen wurde. Ein kurzer Abriss der Schulgeschichte auf den Seiten des Beethoven-Gymnasiums: URL: http://www.beethoven-gymnasium. de/unsere-geschichte (24.11.2019). 198 Heinke Wunderlich, Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime (Beiträge zur Geschichte der Literatur und Kunst des 18. Jahrhunderts 8), Heidelberg 1984, S. 30.
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Folgejahres fort199. Ab den Sommermonaten des Jahres 1725 lässt sich die Ausbildung dann wieder besser nachvollziehen. Geht man davon aus, dass er keine Klasse wiederholen musste, wird er sich seit November 1724 in der 5. Klasse der Jesuitenschule, der „Rhetorica“, befunden haben.200 Im Juni 1725 schickte Eleonora ihn immer wieder mit seinem Hofmeister Sixtus Knoest201 „zum studieren“ auf die Gracht.202 Unterbrochen wurde das intensive Studium nur durch kurze Reisen nach Bornheim zu seinem Vormund und Schwager oder nach Bonn – wie es aus Anlass des kurfürstlichen Geburtstags am 13. bzw. 16. August 1725 der Fall war.203 Ziel des Unterrichts war eine Prüfung in Rhetorik zum Abschluss des Schuljahres Anfang September, zu der ein Jesuitenpater auf Schloss Gracht eintraf und in dessen Gegenwart der junge Wolff Metternich zwei „Compositionen“ abliefern musste. Seine Mutter war mit den Ergebnissen beider Prüfungen sehr zufrieden: Franz Joseph hatte „die Carmina […] trefflich wohl componiret“ und auch die „zweyte Composition […] eben so gut“ gemeistert.204 Nach der intensiven Studienzeit der letzten Monate gönnte sie dem Hofmeister zwei Wochen „Urlaub“ und schickte ihn nach Hause.205 Gegen Ende des Jahres wurde der weiteren Ausbildung des Stammhalters wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Gemeinsam mit dem in der Zwischenzeit zurückgekehrten Hofmeister und dem Herrn von Bornheim legte Eleonora fest, wie der Lehrplan in der „sechster Schul“ – der ersten der drei philosophischen Oberklassen206 – gestaltet werden sollte. Dazu ließ man Instruktionen für den Hofmeister und seinen Zögling aufsetzen.207 Zwei Änderungen macht ein späterer Kalendereintrag Eleonoras deutlich: Franz Joseph war bis ins Jahr 1725 offenbar gemeinsam mit einem anderen Schüler in Bonn unterrichtet worden. Diesen schickte man aber nun wieder zurück nach Bonn „ad retoricam“, also in die fünfte Klasse, da seine Leistungen nicht ausreichend waren, um „in die Philosophie“ zu wechseln. Eleonora befand deshalb, dass er
199 Vgl. ebd., S. 31; Siegfried Schmidt, Das Gymnasium Tricoronatum unter der Regentschaft der Kölner Jesuiten, in: Die Anfänge der Gesellschaft Jesu und das erste Jesuitenkolleg in Köln. Eine Ausstellung der Diözesan- und Dombibliothek Köln in Zusammenarbeit mit der Deutschen Provinz der Jesuiten zum Ignatianischen Jahr 2006 (5. Oktober bis 15. Dezember 2006) (Libelli Rhenani 17), Köln 2006, S. 71–186, hier S. 120. 200 Vgl. Wunderlich, Studienjahre (wie Anm. 198), S. 30. 201 Der Hofmeister wird an dieser Stelle noch nicht mit Namen erwähnt. Es wird sich aber wohl schon zu diesem Zeitpunkt um den aus Sachsen stammenden Sixtus Knoest handeln, der vermutlich 1699 geboren wurde und Franz Joseph auch auf seiner Kavalierstour begleitete. Vgl. Album Studiosorum Academiae Lugduno Batavae 1575–1875, Den Haag 1875, Sp. 923; Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 113, Anm. 58. 202 Vgl. Einträge vom 8. Juni, 27. Juli und 17. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 203 Einträge vom 25. Juli und 13. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Clemens August hatte am 16. August Geburtstag, am folgenden Tag reiste Franz Joseph wieder auf die Gracht. 204 Einträge vom 9., 10. und 12. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 205 Eintrag vom 16. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 206 Vgl. Wunderlich, Studienjahre (wie Anm. 198), S. 30. 207 Eintrag vom 24. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
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Franz Joseph „mehr schäd-, alß nüzlich wehre“ und zog es vor, ihren Sohn alleine bzw. nur mit seinem Hofmeister – und hier wird die zweite Änderung deutlich – nicht mehr nach Bonn, sondern nach Köln zu schicken.208 Franz Joseph war somit ab Ende des Jahres 1725 Schüler des Kölner Gymnasiums Tricoronatum.209 Im Gespräch mit Professor Ludwig Doetsch210, Lehrer am Tricoronatum und seit März 1725 auch Dekan der Artisten-Fakultät, wurden letzte Lehrpläne auf Schloss Gracht vorbereitet211, bevor Franz Joseph am 7. November von seinem Vormund Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zur Schule gebracht wurde.212 Bereits tags zuvor war Eleonora mit Sohn und Hofmeister nach Köln gereist, wo Johann Jakob sie bereits erwartete. Am Abend hatte man den erwähnten Pater Doetsch empfangen „[…] und haben wir ihme unsere Pupillen ahnbefohlen.“213 Bevor ihr Schwiegersohn nach der „Einschulung“ wieder gen Bornheim aufbrach, besprach Eleonora noch einmal eingehend mit ihm die Ausbildungsinhalte des jungen Stammhalters: „[…] und haben wir sowohl uber seine Studia alß auch Auftheillung deß gantzen Tags und waß im übrigen der Hoffmeister zu seiner Erziegung zu beobagten hatt schrifftlich auffgesezt.“214 Bei der so wichtigen standesgemäßen Erziehung des einzigen Erben überließ man nichts dem Zufall. Erste Erfolge ihres Sohnes konnte Eleonora zu Beginn des Jahres 1726 festhalten: „[…] Seine erste Disputation in der Philosophie […] ist mit großen Ruhm abgangen […].“215 Erschienen waren dazu neben dem Kölner Nuntius Gaetano Cavalieri (1677– 1738)216 und Domdechant Johann Friedrich Graf von Manderscheid-Blankenheim (1677–1731)217 auch etliche Adlige, die sich ein Bild von den Leistungen des jungen
208 Eintrag vom 31. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 209 Zum Tricoronatum vgl. Josef Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum. Ein Querschnitt durch die Geschichte der Jugenderziehung in Köln vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des rheinischen Museums in Köln 1), Köln 1931. 210 Ludwig Doetsch, im Schreibkalender als „Patter Teutsch“ vermerkt, stammte aus Koblenz. Vgl. Hermann Keussen, Die alte Universität Köln. Grundzüge ihrer Verfassung und Geschichte, Festschrift zum Einzug in die neue Universität Köln (Veröffentlichungen des kölnischen Geschichtsvereins e. V. 10), Köln 1934, S. 502 und 565. 211 Eintrag vom 31. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 212 Eintrag vom 7. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 213 Eintrag vom 6. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 214 Eintrag vom 7. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 215 Eintrag vom 20. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Zur Disputation am Tricoronatum vgl. u. a. Schmidt, Gymnasium Tricoronatum (wie Anm. 199), S. 122. 216 Zu seiner Person siehe Carlo Bordini, „Cavalieri, Gaetano“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 22 (1979), online unter: http://www.treccani.it/enciclopedia/gaetano-cavalieri_(Dizionario-Biografico) / (24.11.2019). 217 Johann Friedrich Graf von Manderscheid-Blankenheim war vom 27. Juni 1724 bis zu seinem Tod am 25. Mai 1731 Domdechant des Kölner Domkapitels. Vgl. Hermann Heinrich Roth, Das kölnische Domkapitel von 1501 bis zu seinem Erlöschen 1803, in: Erich Kuphal (Hg.), Der Dom zu Köln. Festschrift zur Feier der 50. Wiederkehr des Tags seiner Vollendung am 15. Oktober 1880 (Veröffentlichungen des kölnischen Geschichtsvereins e. V. 5), Köln 1930, S. 257–294, hier S. 261.
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Metternichs machen wollten. Im Anschluss richtete Eleonora im Collegium ein Essen aus, um den Fortschritt ihres Sohnes zu feiern, „woby alles vergnügt wahre“.218 Dass auch der Mitvormund mit dem Ergebnis der Disputation und mit Franz Josephs „[…] Wissenschafft und Auffuhren […]“ vollkommen zufrieden war, hielt Eleonora noch einmal gesondert fest.219 Auf die erste Disputation folgten im Verlauf des Jahres 1726 noch vier weitere in den Monaten März, Mai, Juli und September. Mutter und Mitvormund waren währenddessen immer anwesend. Handelte es sich dabei wohl nur um „Übungsdisputationen“, denen Josef Kuckhoff in seiner „Geschichte des Tricoronatum“ aus wissenschaftlicher Sicht nur einen äußerst geringen Stellenwert zuspricht220, so wird doch anhand des Teilnehmerkreises und des betriebenen Aufwands die Bedeutsamkeit in Bezug auf die Reputation des jungen adligen Proponenten deutlich. Johann Jakob Waldbott von Bassenheim reiste gar „per Expresse“ aus Bonn an221 und an den Vortrag schloss sich immer ein gemeinsames Mahl im Sinne eines „Doktorschmauses“222 an, das Eleonora für bis zu 27 Personen ausrichtete.223 Eine Disputation des Jahres 1726 liegt in veröffentlichter Form vor. Diese trägt den Titel „Assertiones ex universa logica […]“ und das Titelblatt verweist auf den 11. September 1726.224 (Abb. 11) In den Schreibkalendern Eleonoras findet sich an diesem Tag kein Eintrag. Allerdings ist seit dem Beginn des Septembers immer wieder zu lesen, dass sich zwei Jesuitenpater täglich im Wolff Metternich’schen Haus in Köln eingefunden hätten, um Franz Joseph auf die bevorstehende Defensio vorzubereiten.225 Am Zu seiner Person vgl. auch Max Braubach, Kölner Domherren im 18. Jahrhundert, in: Robert Haass (Hg.), Zur Geschichte und Kunst im Erzbistum Köln. Festschrift für Wilhelm Neuß, Düsseldorf 1960, S. 233–258. 218 Eintrag vom 20. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 219 Eintrag vom 22. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Tags zuvor hatte man mit dem Rektor und dem Professor noch auf der Gracht zu Mittag gegessen. Vgl. Eintrag vom 21. Februar 1726. 220 Kuckhoff, Tricoronatum (wie Anm. 209), S. 601. Vgl. auch Martin Otto Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich zur Gracht (1710–1741). Karriereweg eines rheinischen Adligen am kurkölnischen Hof, in: Jahrbuch der Stadt Erftstadt 20 (2011), S. 66–76, hier S. 68, Anm. 8. 221 Eintrag vom 3. Juli 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 222 Vgl. Werner Allweiss, Von der Disputation zur Dissertation. Das Promotionswesen in Deutschland vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: Rudolf Jung / Paul Kaegbein (Hg.), Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken (Bibliothekspraxis 23), München u. a. 1979, S. 13–28, hier S. 15. 223 Einträge vom 27. März und 16. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 224 Die Schrift ist u. a. in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln unter der Signatur GBXIII58 zu finden: Ludwig Doetsch / Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, Assertiones Ex Universa Logica Quas Virgini Mariae Sedi Sapientiae, Köln, Dreikönigsgymnasium, Disp., 11. Sept. 1726, online unter: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/koelndiss/id/6180 (24.11.2019). Vgl. Peter Stauder, Die Hochschulschriften der alten Kölner Universität 1583–1798. Ein Verzeichnis, München u. a. 1990, S. 133, p96. Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 68. Laut Kuckhoff bürgerte sich der September als Disputationsmonat der Physiker und Logiker ein. Vgl. Kuckhoff, Tricoronatum (wie Anm. 209), S. 599. 225 Einträge vom 2. bis 9. September 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Einzige Ausnahme der Vorbereitungstage bildet der 8. September, da es sich um einen Sonntag handelte.
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9. September fand das letzte Examen durch die beiden Pater statt. Danach begleitete Eleonora ihren Sohn zum Kolleg und vermerkte, dass sie nun zur Defensio einladen würde, die offenbar zwei Tage später stattfand.226 Warum Eleonora ausgerechnet den eigentlichen Tag der Verteidigung ausspart, nachdem sie vorher jeden Tag Eintragungen über den Verlauf der Vorbereitung macht, ist nicht zu klären. Neben Franz Joseph verteidigten noch fünf weitere Schüler dieselben Thesen, darunter der junge Graf Franz Anton von Leerodt (gest. 1738).227 Dass zwei adlige Proponenten vertreten sind, verwundert laut Kuckhoff nicht: „Es war eine hohe Ehre, als Verteidiger oder Opponent aufzutreten, und diese wurde denen zuteil, die sich am meisten während des Jahres hervorgetan hatten, die aber zugleich imstande waren, die Unkosten zu bezahlen.“228 Daher sagt die Beteiligung Franz Josephs, objektiv betrachet, nichts über seine tatsächlichen schulischen Leistungen aus, sondern nur, dass er sich als Angehöriger des Adels die Kosten für Veröffentlichung und Doktorschmaus leisten konnte. Zudem lässt dieser Nachsatz den Schluss zu, dass die weiteren vier bürgerlichen Proponenten, die die Thesen alle am 17. September verteidigten, die Kosten unter sich aufteilten und auch die Schrift gemeinsam veröffentlichten.229 Auf den Eintrag zur Verteidigung ihres Sohnes folgt eine Schreibpause von zwei Monaten, die Eleonora erst am 11. November beendete. Im Anschluss an die erfolgreiche Disputation hatte sie sich offenbar mit ihren Kindern auf eine Reise begeben. Direkte Belege dafür gibt es nicht – jedoch befand man sich am 11. November auf dem Weg von Bingen nach Koblenz, um von dort weiter zurück nach Bonn zu fahren und pünktlich vor Schuljahresbeginn wieder vor Ort zu sein.230 Die Schule begann für Franz Joseph am 15. November. Eleonora brachte ihn selbst nach Köln.231 Sieben Tage später kehrte er jedoch nach Bonn zurück. Der Grund dafür war seine Disputation, die auf diese Weise gut zwei Monate nach der Verteidigung der Thesen noch einmal Erwähnung im Schreibkalender des Jahres 1726 findet. Am 22. November „ist mein Sohn auff Bonn kommen, dem Churfursten daß Compliment zu machen und seine Theses zu presentiren“, vermerkte Eleonora im Schreibkalender.232 Einen Tag später, am Namenstag Clemens Augusts, nahm dieser Franz Josephs Leistung dann auch „ganz genädigst“ zur Kenntnis.233 Der Namenstag bot somit eine willkommene Gelegenheit dem Kurfürsten aufzuwarten und mit der Präsentation der
226 Eintrag vom 9. September 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 227 Vgl. Stauder, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 133, p95. S. auch Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 9, Mappe 722 „Leerodt“, S. 379–407, hier S. 391. 228 Kuckhoff, Tricoronatum (wie Anm. 209), S. 600. 229 Vgl. ebd.; Stauder, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 134, p98. 230 Vgl. Einträge vom 11. bis 13. November 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 231 Eintrag vom 15. November 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 232 Eintrag vom 22. November 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 233 Eintrag vom 23. November 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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Thesen auf die Fähigkeiten hinzuweisen, die man in ein mögliches Amt am Hof einbringen konnte. Den Rest des Jahres verbrachte Franz Joseph zum größten Teil in Köln, um dort weiter zu studieren. Lediglich zwischen den Jahren war er bei seiner Mutter auf Schloss Gracht, wohin am 27. Dezember auch wieder die zwei bereits erwähnten Jesuitenpater kamen. Jedoch wird nicht erläutert, ob sie zum Unterricht auf den Stammsitz der Wolff Metternichs kamen oder um den Dank Eleonoras für das erfolgreiche Schuljahr entgegen zu nehmen. Im Vordergrund werden die Studien ihres Sohnes gestanden haben, zumal Eleonora explizit erwähnt, dass „meines Sohns Profesor […] zu ihm“ gekommen waren, was nahelegt, dass es sich um Unterricht gehandelt haben muss. Aber auch Eleonora wird die Gelegenheit genutzt haben, um mit beiden Patern zu sprechen.234 Auch das Jahr 1727 brachte erneut einige Disputationen für den jungen Stammhalter mit sich. Am 19. Februar reiste seine Mutter daher von Bonn nach Köln, um an der ersten Disputation des Jahres teilzunehmen und die Lehrer ihres Sohnes danach wieder zu bewirten. Auch hier gab sie die genaue Teilnehmerzahl an: Im Gegensatz zum letzten Jahr fiel sie deutlich geringer aus: Statt 20 Personen waren nun lediglich sechs Jesuiten zu verpflegen.235 Da auf die Disputation die Karnevalstage folgten, reiste Eleonora mit Franz Joseph und der jüngeren Tochter Felicitas nach Bonn. Dort gab Franz Joseph am Rosenmontag einen Ball.236 Der Eintrag vom darauffolgenden Aschermittwoch gibt Anlass zur Vermutung, dass bei Franz Joseph nach den Erfolgen des vorangegangenen Jahres in den Augen seiner Mutter „der Schlendrian“ eingekehrt war: „Heitt hatt der Herr von Bornheim und ich in presence deß Hoffmeisters meinem Sohn scharff zu gered wegen deß Studium da er in demselben sich nachläßig bezeigt.“237 Einen Tag später kehrte er mit seinem Hofmeister nach Köln zurück, um sich wieder dem Unterricht zu widmen und sich auf die nächsten Verteidigungen vorzubereiten.238 Diese fanden am 1. April und 27. Mai in gleicher Form wie im Februar gegen sechs Jesuiten statt.239 Wie erfolgreich diese waren, lässt Eleonora in beiden Fällen offen. Es kam aber wohl nicht zu einer wiederholten Ermahnung von Seiten der Vormünder. Die erneuten Disputationen bestätigen, dass im Anschluss immer eine Art Erholungsphase für den jungen Wolff Metternich folgte. Ende Mai reiste Eleonora mit ihren beiden minderjährigen Kindern und den „Bornheims“ nach Aachen. Dort blieb der weibliche Teil der Reisegruppe zurück, während sich Franz Joseph und sein Vormund über Maastricht auf den Weg nach Brüssel machten. Nach ein paar Tagen Aufenthalt in
234 235 236 237 238 239
Eintrag vom 27. Dezember 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. Eintrag vom 19. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Einträge vom 22. und 24. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 26. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Eintrag vom 27. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Einträge vom 1. April und 27. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603.
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Brüssel kehrten sie am 7. Juni über Lüttich nach Aachen zurück.240 Franz Joseph wurde zwei Tage später wieder nach Köln geschickt. Der Rest der Gesellschaft folgte ihm am Ende des Monats Juni nach, um am 28. Juni an einer weiteren, der nunmehr vierten, Defensio teilzuhaben.241 Alle Verteidigungen in der ersten Hälfte des Jahres 1727 dienten der Vorbereitung einer großen, öffentlichen Defensio Anfang Juli, mit der Franz Joseph seine Schulzeit in Köln beschließen sollte: Heitt hatt mein Sohn offentlich bey den Jesuitter mitt grosem Lob defendirt gegen lautter Doctoren in Bysein vieller Prelatten Domgraffen und was sonst vornehmes in der Statt; nach der defension habe ich den Jesuitter ein Colation geben wobey die Opugnanten sambt viellen von den Zuhören da erschienen und damitt hatt er die Jesuitter Schuhl in Gottes nahmen beschloßen.242
Die Mühen der letzten Jahre hatten sich ausgezahlt. Die Länge des Kalendereintrages spiegelt gleichzeitig die Bedeutung und den Rahmen dieser Prüfung wider, die durch die anwesenden Gäste noch einmal unterstrichen werden. Der letzte Teilsatz lässt Eleonoras Erleichterung spüren – nach mindestens sieben Jahren Unterricht war ein wichtiger Ausbildungsschritt des Stammhalters beendet und noch dazu mit besonderem Erfolg abgeschlossen worden.243 Um ihren Dank noch einmal auszudrücken, ließ Eleonora am darauffolgenden Montag das „Colegium by den Jesuitter zu Mitag“ bewirten.244 Auch in diesem Fall liegt die Disputation in gedruckter Form vor: Unter dem Titel „Theses physicae de causa efficiente“ (Abb. 12) ist sie im Bibliothekskatalog zu finden.245 Wie Martin Braun in seinem Beitrag zur Karriere Franz Josephs darlegt, folgte auf den Abschluss der Jesuitenschule mit dem Grad eines Baccalaureus das Studium an der juristischen Fakultät.246
240 Vgl. Einträge vom 31. Mai bis 7. Juni 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 241 Vgl. Einträge vom 9., 26. und 28. Juni 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Der Ablauf war bei allen identisch: Erst Defensio gegen fünf Jesuiten, danach gemeinsames Mittagessen, so z. B. am 28. Juni: „heutt hatt hatt mein Sohn mitt 5 Jesuitter im Haus defendiret in Gegenwart deß Herrn von Bornheim dieselbe auch den Mittag tractirt.“ 242 Eintrag vom 4. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. auch Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 109. 243 Vgl. Eintrag vom 4. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 244 Eintrag vom 7. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 245 Vgl. Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 68. Im Katalog der USB Köln ist sie unter der Signatur GBXIII58 vorhanden: Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, Theses physicae de causa efficiente, Köln, Dreikönigsgymnasium, Disp., Juli 1727, online unter: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/koelndiss/id/6404 (24.11.2019). Vgl. Stau der, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 135, p100. Das Titelblatt ist auch bei Schmidt, Gymnasium Tricoronatum (wie Anm. 197), S. 123 abgedruckt. 246 Vgl. Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 68 f. Laut Wunderlich war die letzte der drei Oberklassen die „Metaphysica“, die aber im Lauf der Zeit wegfiel und man nach
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Am 8. Juli 1727 nahm Eleonoras Sohn bei Professor Gerhard Ernst Hamm (1692– 1776)247 das Studium der Rechte auf.248 Bereits Ende Juni hatte man darüber beraten: […] auch mitt dem Professor Iuris Herr Hamm wegen meines Sohns, welcher die rechte by ihme horen solle, weillen aber daß Collegium schon seither ahngefangen so ist beschloßen worden, daß der Herr Hamm alle Tag einmahl und etliche Tag in der Wochen zweymahl zu ihme ins Hauß komme, die ubrige Zeitt taglich tradiret der Hoffmeister die History.249
Die Verhandlungen darüber scheint Eleonora selbst geführt zu haben – zumindest erwähnt sie die Anwesenheit des Herrn von Bornheim nicht so explizit wie in anderen Kalendereinträgen. Vermutlich hatte sie die Vereinbarung mit Professor Hamm bereits im Vorfeld mit ihrem Mitvormund abgestimmt. Bis Mitte August blieb Franz Joseph fast ununterbrochen in Köln und studierte bei Hamm.250 Da jedoch im August die Ruhr in Köln grassierte, holte Eleonora ihren Sohn und dessen Hofmeister zu sich auf die Gracht. Auf das Studium hatte dieser Ortswechsel keine Auswirkungen: Franz Joseph war „in den Rechten so weith kommen, daß er Vacanz hatt[e].“251 Anfang September kam zunächst Professor Hamm auf die Gracht, um mit seinem Schüler den gelernten Stoff zu wiederholen, bevor sein Vormund mit zwei Hofräten kurz darauf ebenfalls dort eintraf, um gegen Franz Joseph „zu defendiren“.252 Mit seiner hervorragenden Leistung im Rahmen dieser neuerlichen Defensio begeisterte er nicht nur seine Mutter, sondern auch seine beiden Gegenspieler.253 Franz Joseph hatte die Gelegenheit, sein Können und Wissen bei Mitgliedern des Hofrates unter Beweis zu stellen, glänzend genutzt. Auszahlen sollte sich dies ein hal-
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248 249 250
251 252 253
Bestehen der „Physica“ als zweiter Oberklasse den Abschluss als Magister erhielt. Vgl. Wunderlich, Studienjahre (wie Anm. 198), S. 30, v. a. Anm. 82. Hamm war seit 1726 Professor der juristischen Fakultät und hatte im selben Jahr die Vorlesung zum öffentlichen Recht übernommen. Darüber hinaus bekleidete er in den Jahren 1737 bis 1771 verschiedene Male das Amt des Dekans der juristischen Fakultät. Vgl. Keussen, Universität (wie Anm. 210), S. 448 f. und 472; Leonhard Ennen, „Hamm, Gerhard Ernst von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 477 f., [Online-Version] URL: https://www.deutsche-biographie. de/gnd120414821.html#adbcontent (24.11.2019); Friedrich Adolf Beck, Lebensbilder aus dem preußischen Rheinlande. Ein belehrendes und unterhaltendes Lesebuch für Schule und Haus, Neuwied 1831, S. 190, online unter: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb: 12-bsb10012546-3 (24.11.2019); Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 109. Vgl. Eintrag vom 8. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 30. Juni 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eine Ausnahme bildete z. B. der Namenstag seines Vormundes am 25. Juli. An diesem Jakobstag traf man sich auf der Gracht um mit Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu feiern: „Heitt ist mein Sohn in aller Frühe von Collen und der Herr von Bornheim den Mittag und haben wir deßen Nahmens in noch andere Geselschafft celebrirt.“ Eintrag vom 25. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 16. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 109. Eintrag vom 5. September 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 109. Vgl. ebd.
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bes Jahr später: Am 9. März 1728 erhielt Eleonora vom kurkölnischen Sekretär Friedrich Fabion das Dekret „vor mein Sohn alß wurcklicher Hoffraht […].“ Dabei befand sich außerdem ein Schreiben des Obristkämmerers Ferdinand von Plettenberg (1690– 1737), welches das Amt bestätigte.254 Der neu ernannte Hofrat hatte in der Zwischenzeit sein Rechtsstudium vertieft. Im Februar hatte eine weitere Disputation255 stattgefunden und im Juni planten Vormünder und Lehrer den weiteren Verlauf des Studiums ihres Zöglings. Der theoretische Unterricht durch Professor Hamm sollte nun auch praktisch vertieft werden: Heitt ist der Hoffraht Sawer mitt dem Herrn Hamm meinen Sohn und deßen Hoffmeister nach Bonn umb zu uber [!] wegen meines Sohns Studia zu uberlegen, wobey dann resolvirt worden daß er zu dem Herrn Sauer ad praxis gehen solle umb zu End Septembre oder halben Octobre auch by dem Herr Hamm fertig zu sein.256
Darüber hinaus hatte das „Vormundschafts-Gespann“ beschlossen, Eleonoras Sohn nach dem Abschluss seines Studiums im heimischen Köln auf eine Kavalierstour zu schicken. Das erste Land, in das Franz Joseph zum Studium reisen sollte, waren die Niederlande. Dies wird aus Eleonoras Einträgen deutlich, die sie Anfang September im Schreibkalender festhielt: „Heitt nach Bonn umb den Hausmeister Thomas zu beorderen nach Holland zu gehen.“257 Bereits einen Tag später brach dieser auf: „[…] den Hausmeister mitt dem Nimweger Postwagen nach Leyden geschickt ein quartir daselbst vor mein Sohn zu bestellen.“258 Allein daraus wurde zu diesem Zeitpunkt nichts. Einen Tag nachdem Thomas nach Leiden aufgebrochen war, erkrankte Franz Joseph. Zehn Tage litt er am Fleckfieber und war bis zum 18. Oktober nicht in der Lage unterrichtet zu werden.259 Somit war die Frist, die man zuvor für den Abschluss des Studiums bei Hamm gesetzt hatte, verstrichen und alle weiteren Planungen sollten sich dementsprechend verzögern. In einem Gespräch mit dem Professor wurde deutlich, daß meine Sohn mitt Absolvirung des civil recht vermög aller uberlegung mitt seinem Professor den Herrn Hamm nicht ehender alß vor Weihnachten fertig sein kann, alßo seine Reiß nach Leyden bis nach Newjahr außgestelt bleiben müßte.260
254 255 256 257 258
Eintrag vom 9. März 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 16. Februar 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 5. Juni 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 9. September 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 10. September 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 110. 259 Vgl. Einträge vom 11. und 21. September sowie 18. Oktober 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 260 Eintrag vom 13. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Da der Eintrag sich auf ein Schreiben an den Herrn von Bornheim bezieht, wird die Unterhaltung mit Professor Hamm vermutlich am Tag zuvor stattgefunden haben.
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Den Herrn von Bornheim hatte Eleonora nicht direkt in die Überlegungen mit einbezogen. Er wurde durch Sixtus Knoest informiert, der gleichzeitig einen Brief nach Leiden verfassen sollte, um auch dort Franz Josephs verspätete Ankunft zu erklären. Zudem wird an dieser Stelle ein Grund deutlich, aus dem man sich als Studienort für Leiden ausgesprochen hatte: Franz Joseph sollte Schüler von Johann Jakob Vitriarius (1679–1745)261, einem der bekanntesten Rechtgelehrten der Zeit, werden. Bei diesem sollte der Hofmeister erfragen, ob es möglich wäre, dass Franz Joseph trotz verzögerter Anreise das Studium aufnehmen könnte.262 Zunächst schienen alle Beteiligten mit dieser Regelung einverstanden. Nachdem Eleonora aber Ende November eine Antwort von Professor Vitriarius aus Leiden erhalten und den Hofmeister damit nach Bornheim geschickt hatte, änderte sich dies.263 Knoest kam am 2. Dezember „mitt einer irresolute Andwortt absonderlich uber die Defension von meinem Sohn“ von Bornheim nach Köln zurück.264 Gleich am darauffolgenden Tag sandte Eleonora wenige Zeilen nach Bornheim, um sofort auf das Schreiben zu reagieren. Den Inhalt vermerkte sie nicht im Schreibkalender. Jedoch erachtete sie es notwendig, direkt am nächsten Tag noch einmal ausführlicher Stellung zu beziehen und den vom Hofmeister erstellten Studienplan für Franz Joseph zur weiteren Erläuterung beizufügen. Auch zur Defensio zum Abschluss der Studien in Köln äußerte sie sich noch einmal eingehender. Zudem schickte sie Hofmeister und Sohn zu Hofrat Sauer, um auch seinen Rat einzuholen und eventuell ihre Anordnungen zur Vorgehensweise bestärkt zu sehen. Möglicherweise hatte sie zudem den Eindruck zu vorschnell auf das Schreiben des Herrn von Bornheim geantwortet zu haben. Oder sie hatte schlichtweg zunächst nicht genug Zeit gehabt, um sich genauer zu erklären. Tatsächlich erschienen ihr die beiden Briefe nicht ausreichend. Sie fürchtete offenbar ein Missverständnis und einen eventuell daraus resultierenden Konflikt mit dem Mitvormund. Als sie die Eintragungen in ihren Schreibkalender vornahm, hatte sie sich zusätzlich dazu entschieden, am nächsten Tag selbst nach Bornheim zu fahren, da sie fürchtete „der Herr von Bornheim mögte mich nicht recht verstehen.“265 Am Sonntag vor dem Nikolaustag machte sie sich gemeinsam mit Sixtus Knoest auf den Weg nach Bornheim, um „[…] mitt dem Herrn von Bornheim eins werden wegen deß Studium zu Leyden und der Defension […].“266 Man wurde sich offenbar
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262 263 264 265 266
Zur Person Vitriarius’ vgl. Abraham Jacob van der Aa, Biographisch Woordenboek der Nederlanden, Bd. 19, Haarlem 1876, S. 260. Zum Studium bei Vitriarius vgl. Mathis Leibetseder, Die Kavalierstour. Adelige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte Heft 56), Köln 2004, S. 110 f. Vgl. Einträge vom 13. und 16. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Einträge vom 28. und 29. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 2. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Einträge vom 3. und 4. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 5. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604.
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so schnell einig, dass Eleonora am nächsten Tag zurück nach Köln reisen konnte.267 Über eine Auseinandersetzung der Vormünder schweigen die Schreibkalendereinträge, jedoch ergriff wenige Tage später Johann Jakob Waldbott von Bassenheim die Initiative. Am 14. Dezember sprach Eleonora mit ihm […] uber meines Sohn Defension instruction, welche er [Bornheim] proiectiren will und mir schicken. Wegen der Abreiß vermeint er den 8 Januar, deß Hoffmeisters Gage seye zu vernehmen auff 50 fl., dem Herr Hamm seyn 30 Pistolen zu geben, den Herr Sauwer etwas ahn Silber, dem Hoffmeister vor die Historie 12 Pistollen […].268
Die Einträge, die bis zu diesem Tag von Eleonora vorgenommen wurden, können zwei verschiedene Eindrücke entstehen lassen: Zum einen wirken die Briefe, die Eleonora ihrem Mitvormund scheinbar zur Rechtfertigung schrieb, und die Tatsache, dass sie anschließend selbst nach Bornheim fuhr, um ihm die Angelegenheit persönlich zu erklären, so, als wolle sie einen Konflikt innerhalb der Vormundschaft um jeden Preis vermeiden. Die Vermerke zu Instruktion und Gage der Berater und Lehrer könnte man so interpretieren, dass an dieser Stelle deutlich wird, wer innerhalb der Vormundschaft der Entscheidungsträger war – eben der Herr von Bornheim. Dies würde aber dem Eindruck, den die übrigen Quellen in Bezug auf Eleonoras Rolle vermitteln, widersprechen. Die von Eleonora im Eintrag zur Instruktion gewählten Formulierungen machen deutlich, dass es sich bei den Bestimmungen ihres Schwiegersohnes lediglich um Vorschläge handelte, über die sie entscheiden würde. Dass diese von ihm gemacht wurden, spricht für das Mitspracherecht, das er aufgrund seiner Position als Mitvormund hatte und auf das Eleonora nicht verzichten wollte und konnte, da besonders in Bezug auf Studium und Kavalierstour der Herr von Bornheim aus eigener Erfahrung urteilen konnte. Nachdem die wichtigsten Punkte geklärt waren, kümmerte sich Eleonora für den Rest des Jahres in Absprache mit ihrem Schwiegersohn um die Organisation der Defensio ihres Sohnes, die am 28. Dezember im Kölner Wohnsitz der Wolff Metternichs stattfinden sollte. In diesem Zusammenhang geht zudem aus ihren Eintragungen hervor, dass Franz Joseph seine Kavalierstour in die Niederlande nicht allein antreten sollte. Auch der Sohn des Grafen von Virmond würde sein Studium in Leiden antreten, sodass man sich die Reisekosten teilen konnte.269 Beim Grafen von Virmond handelte es sich um Ambrosius Franz Friedrich von Virmond (1682/4–1744), der u. a. kurkölnischer Hofratspräsident und ab 1731 Kammergerichtspräsident in Wetzlar war.270 267 Vgl. Eintrag vom 6. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 268 Eintrag vom 14. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 269 Vgl. Eintrag vom 18. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 111 f. 270 Sein Sohn war Joseph Ernst Damian von Virmond (1707–1730). Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 5, Mappe 421 „Virmond“, S. 740. Laut Jahns war er ab 1732 katholischer Reichskammergerichtspräsident. Vgl. Sigrid Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter. Ver-
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Der Graf würde zudem in seiner Funktion als Hofratspräsident an der Defensio Franz Josephs teilnehmen.271 Der Herr von Bornheim fuhr dann auch wenige Tage nach Eleonoras Unterredung mit Sixtus Knoest nach Bonn, um den Grafen von Virmond und drei weitere Hofräte zur letzten Prüfung ihres Schützlings offiziell einzuladen. Gleichzeitig präsentierten sie den Hofräten die Thesen Franz Josephs. Bis Heilig Abend waren alle Vorbereitungen abgeschlossen, sodass dem eigentlichen Termin am 28. Dezember nichts mehr im Wege stand.272 Bereits einen Tag vorher reisten die Hofräte aus Bonn an. Neben dem Herrn von Bornheim trafen auch der Graf von Virmond und die Hofräte Dieraht und Fumetti in Köln ein. Zu ihnen gesellten sich am Tag der Defensio noch vier weitere Hofräte, welche Eleonora alle namentlich im Schreibkalender aufführt: Es handelte sich um die Hofräte Sauer, Geyer, Schramm und Siersdorff. Außerdem begrüßte Eleonora den Domherrn Gabach sowie weitere Gäste in ihrem Haus, die sie nicht explizit erwähnte, da sie vermutlich nur eine untergeordnete Rolle spielten.273 Trotz der vielen Zuschauer war auch die letzte, große Defensio ein Erfolg für den jungen Wolff Metternich. Er hatte „[…] Gott seye gedanckt sich so wohl gehalten, daß er von allen admiriret worden […].“274 Wie es nach einem solchen Ereignis üblich war, bewirtete Eleonora alle Gäste bis spät in den Abend. Die Hofräte aus Bonn blieben bis zum nächsten Morgen und Eleonora stellte ihnen für die Rückreise ihre Kutsche zur Verfügung.275 Die Dissertation Franz Josephs liegt unter dem Titel „Chilias conclusium theoreticopracticarum in quadraginta: ex universis pandectis Romano-Germanicis collectas, exercitationes iuridica partita“ ebenfalls in gedruckter Form vor.276 Da es sich um die letzte, entscheidende Prüfung Franz Josephs zum Abschluss des Zivilrechts handeln sollte, vermutet Martin Otto Braun, „dass es sich hierbei um eine pro gradu Dissertation handelte.“277 Dies lässt sich aber nicht bestätigen, da ein entsprechender „progradu“ oder „Inaugural“-Vermerk nicht auf dem Titelblatt zu finden ist.278 Das „D.“ vor
271 272 273 274 275 276 277 278
fassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich, Teil I: Darstellung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 26, 1), Köln 2011, S. 677. Die Briefe des Kammergerichtsassessors Cramer an Eleonora lassen vermuten, dass Virmond das Amt des Präsidenten ab 1731 innehatte. Vgl. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, Wetzlar, 18. Juni 1730 und 29. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 18. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Einträge vom 22. und 24. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Einträge vom 27. und 28. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 28. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 29. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Stauder, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 87, 861. Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 70. Im Katalog der USB Köln trägt sie die Signatur GBXIII44. Darüber hinaus verweist Braun darauf, dass sie im Jahr 1732 ein weiteres Mal aufgelegt worden ist. Vgl. ebd., S. 69. So z. B. bei dem Exemplar, das Stauder nach der Schrift Franz Josephs verzeichnet und den Titel „Disputatio inauguratis juridica de venatione ac jure foresti“ trägt. Vgl. Stauder, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 87, 862.
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Franz Josephs Namen, das ebenfalls auf dem Titel der Disputation von 1726 erscheint, steht in diesem Fall wohl nicht für den Doktortitel, sondern schlicht für „Dominus“. Eleonora reiste am 30. Dezember selbst mit ihren Kindern wieder nach Bonn, um dort das für ihren Sohn so erfolgreiche Jahr zu beschließen.279 Acht Tage später, so sahen es die Überlegungen seiner Vormünder vor, sollte er in die Niederlande aufbrechen. Tatsächlich machte ein erneuter, wenn auch kürzerer, Fieberschub alle Reisepläne zunichte.280. Da der Herr von Bornheim, vermutlich genau wie Eleonora, nach dem Fieberrückfall eine Abreise im Winter für wenig ratsam hielt, wollte man für den Aufbruch nach Leiden „den Ahnfang deß Fruhling [zu] erwartten […].“281 In der Zwischenzeit würde Franz Joseph in Köln „[…] daß ius feudale hören und bej dem Hoffrath Sauer practicyren […], welches wir [die Vormünder] dann also beschloßen.“282 Ende Januar begann Franz Joseph die Studien zum Feudalrecht, ebenso wie vorher das Zivilrecht, bei Professor Hamm in Köln.283 Diese umfassten fast exakt einen Zeitraum von drei Monaten. Am 21. April absolvierte der junge Metternich sein Examen genau so erfolgreich wie alle vorherigen Prüfungen.284 Davon zeugt auch die letzte unter Franz Josephs Namen veröffentlichte Dissertation, die anhand ihres Titels eindeutig dem Feudalrecht zugeordnet werden kann: „Synopsis Discursuum Feudalium Viginti in DCC. Conclusiones Longobardico – Germanicas“ (Abb. 13).285 Gleich am darauffolgenden Tag wurden die Vorkehrungen für eine baldige Abreise gen Leiden getroffen. Man wollte, nachdem sich der Aufbruch mehrmals verzögert hatte, nun offenbar keine Zeit mehr verlieren, vor allem da die Vorlesungen bei Professor Vitriarius längst begonnen hatten. Nachdem das Gepäck, u. a. bestehend aus „4 Ohmen weisen Wein“ schon nach Leiden geschickt worden war286, fanden sich am 24. April die Mitglieder der Reisesuite, Franz Joseph, Sixtus Knoest und ein Kammerdiener, im Metternich’schen Haus in Köln ein. Dort wurde ihnen vom Herrn von Bornheim und Eleonora „einem jeden seine Instruction [ge]geben.“287 Die besondere Bedeutung dieser Anweisung, welche den Studienaufenthalt strukturieren sollte und
279 280 281 282 283 284 285
Vgl. Einträge vom 30. und 31. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Einträge vom 5. und 7. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 17. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Ebd. Eintrag vom 29. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 21. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Sie ist im Katalog der USB Köln unter der Signatur KOEL1729HAMM zu finden: Gerhard Ernst von Hamm / Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, Synopsis Discursuum Feudalium Viginti In DCC. Conclusiones Longobardico – Germanicas, Köln, Jur. Diss., 1729, online unter: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/koelndiss/id/1839 (24.11.2019). Vgl. Stauder, Hochschulschriften (wie Anm. 224), S. 87, 863; Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 70. Anders als Braun in diesem Zusammenhang vermerkt, befand sich Franz Joseph nicht seit Herbst 1728 in Leiden. 286 Eintrag vom 22. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 287 Eintrag vom 24. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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vermutlich auch Verhaltensregeln enthielt, wird vor allem dadurch deutlich, dass sie durch die Vormünder mündlich vorgestellt wurde – sie redeten ihrem Schützling sozusagen ins Gewissen – und danach auch schriftlich ausgehändigt wurde. Die Befolgung dieser Instruktion lag jedoch, dessen war sich Eleonora durchaus bewusst und vermerkte es im Schreibkalender, in Gottes Händen.288 Tags darauf begann in den frühen Morgenstunden und mehr als ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant die Kavalierstour des jungen Wolff Metternich289, die ihn über Xanten und Nimwegen schließlich nach Leiden führen sollte.290 Eine umfassende schulische bzw. universitäre Ausbildung war im 18. Jahrhundert auch für den Nachwuchs des Adels unerlässlich geworden, um eine Karriere am Hof anstreben zu können. Die Schreibkalendereinträge verdeutlichen, dass dies auch Eleonora bewusst war und sie ihrem Sohn eine entsprechende Erziehung angedeihen lassen wollte. Angefangen beim Besuch der unteren Klassen des Jesuitengymnasiums in Bonn, der noch von Johann Adolf II. initiiert worden war, folgte Eleonora der Spur ihres Mannes, indem sie Franz Joseph die höhere Schule des Tricoronatums in Köln besuchen ließ, wodurch die Grundlage für das Studium der Rechtswissenschaften gelegt wurde. Sein Vater und Schwager dürften vor ihm einen ähnlichen Weg beschritten haben. Nicht zuletzt hatte Eleonora selbst auch eine gute Ausbildung, vermutlich nach Schönborn-Vorbild, erhalten, auch wenn diese nicht mit der männlicher Nachkommen zu vergleichen ist. Typisch für adligen Schul- oder Universitätsbesuch ist auch das „Nicht-Abschließen“ im Sinne eines Titelerwerbs. Franz Joseph war zwar an vielen Übungsdisputationen beteiligt, die teils auch in gedruckter Form erschienen und auf diese Weise zu seiner Reputation beitrugen. Den Doktortitel zu erlangen, war jedoch nicht das Ziel des jungen Adligen – einen entsprechenden „pro-gradu“ oder „Inaugural“-Vermerk sucht man auf den Titelblättern der gedruckten Thesenpapiere vergebens.
288 Vgl. Eintrag vom 24. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Die Anweisungen sind nicht im Archiv Schloss Gracht überliefert. Es finden sich aber in anderen rheinischen Adelsarchiven solche Instruktionen, die meist mehrere Seiten umfassen und Hinweise auf Studieninhalte und Verhaltensregeln enthalten. Der Hofmeister, der die väterliche Gewalt vertrat, hatte dafür Sorge zu tragen, dass sie eingehalten wurden und dem Vater bzw. in diesem Fall der Mutter Rechenschaft abzulegen. Als Beispiel für eine Instruktion des 17. Jahrhunderts vgl. Reiseinstruktionen des Otto Werner Walpott von Bassenheim für seinen Sohn Otto Heinrich Hermann und dessen Hofmeister Anton Norff für ihre Reise nach Paris, 23. März 1683, in: Archiv Schloss Harff, Akten, Waldbott III, Nr. 33. Hierbei handelt es sich um Verwandte des Johann Jakob Waldbott von Bassenheim aus der Linie Gudenau-Drachenfels. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 15, Mappe 1234 „Waldbott von Bassenheim“, S. 700. 289 Vgl. Eintrag vom 25. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Siehe auch Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77), S. 112. 290 Vgl. Einträge vom 27. und 28. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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III. Lehrjahre des Stammhalters
Die zahlreichen und umfangreichen Schreibkalendereinträge, die das Thema der Ausbildung des Stammhalters behandeln, unterstreichen die Bedeutung, die dieser Bereich innerhalb der Vormundschaft Eleonoras hatte. Dabei legte sie neben den eigentlichen Lerninhalten v. a. Wert darauf, die Erfolge ihres Sohnes auch nach außen deutlich zu repräsentieren und ließ keine Gelegenheit aus, die Standesgenossen von den Qualitäten ihres Sohnes zu überzeugen und den Status des Hauses Wolff Metternich durch kostspielige Gastmähler zu unterstreichen. Doch auch Eleonora selbst wird anhand der Vermerke in ihrer Rolle als Mutter und Vormund greifbarer. Präsentierte sie sich auf der einen Seite als stolze Mutter, die die Erfolge ihres Sohnes hervorhob, so zeigte sie doch auch die nötige Strenge und Durchsetzungskraft, wenn Franz Joseph zwischenzeitlich die erforderliche Aufmerksamkeit für seine Studien verlor. Hinzu kommt ihre Interpretation der Rolle innerhalb des Vormundschaftsgespannes: Einerseits legte sie zwar großen Wert auf den Rat und die Meinung ihres Schwiegersohnes und war bemüht drohende Konflikte im Keim zu ersticken. Auf der anderen Seite hatte sie aber offenbar klare Vorstellungen davon, wie die Ausbildung ihres Sohnes zu gestalten war und setzte diese auch in die Tat um.
IV. Zu Gast beim Kurfürsten Eleonora als Teil der Hofgesellschaft Eleonora blieb auch nach dem Tod ihres Mannes Teil der kurkölnischen Hofgesellschaft – dieser Bereich ihres Lebens als Witwe wird ebenfalls von ihren Schreibkalendereintragungen abgedeckt. Der erste Beitrag findet sich im Kalender des Jahres 1723. Am 14. Juni vermerkte Eleonora: „Heitt nach Bonn, weil ihre Churfurstliche [Durchlaucht] todtlich krank.“291 Der Gesundheitszustand Joseph Clemens’ schien aber wohl nicht so bedrohlich wie angenommen. Zwei Tage nachdem sie ihm ihre Aufwartung gemacht hatte, reiste sie wieder zurück nach Köln.292 Fünf Monate später, am 12. November 1723, bewahrheiteten sich die Befürchtungen einer tödlichen Erkrankung: „Heitt seint ihr Churfurstliche [Durchlaucht] von Collen und zwahr der zweitte Vatter von meinen Kindern gestorben. Gott sey desen Sehl genadig.“293 Die Beisetzung „in die Peterscapel“294 fand am 15. November statt. Eleonora reiste bereits am 13. November nach Bonn, um sowohl an der Beerdigung als auch am Gottesdienst in der Hofkapelle, der tags darauf stattfand, teilzunehmen, ehe sie über Bornheim zurück nach Schloss Gracht fuhr.295 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Bezeichnung des Kurfürsten als „zweiten Vater“ ihrer Kinder.296 Zum einen ist dieser Begriff auf seine Position als Landesherr und erstem Vormund zurückzuführen, zum anderen verweist sie aber wohl auch auf die enge Verbindung, die zwischen Joseph Clemens und seinem Obrist-
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Eintrag vom 14. Juni 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Eintrag vom 16. Juni 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Eintrag vom 12. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Eintrag vom 15. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Vgl. Einträge vom 16. bis 18. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Vgl. Eintrag vom 12. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Auch der Kaiser war „als oberster Lehnsherr des Reiches“ gleichzeitig der „‚obirster‘ Vormund“ und somit der sog. zweite Vater. Analog dazu ist wohl Eleonoras Bezeichnung des Kurfürsten zu verstehen. Vgl. Puppel, Die Regentin (wie Anm. 22), S. 89.
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IV. Zu Gast beim Kurfürsten
kämmerer Johann Adolf II. bestanden und auf die letzterer noch in seinem Testament hingewiesen hatte.297 Die nächsten Eintragungen fallen – bedingt durch den fehlenden Kalender des Jahres 1724 – in den Frühling des Jahres 1725 und betreffen Clemens August von Bayern, der seinem Onkel Joseph Clemens als Kurfürst nachgefolgt war. Den Auftakt dazu bildet der prachtvolle Einzug des Kurfürsten Clemens August in Bonn am 15. Mai 1725. Zuvor war er am 4. März zum Priester geweiht worden und hatte einen Monat später, am 3. April, in München seine Primiz gefeiert.298 Der lange Festzug, der im Mai durch Bonn zog, bestand aus zahlreichen Kutschen kurfürstlicher Würdenträger, die der prachtvollen Kutsche ihres Landesherrn vorausfuhren. Der Kurfürst selbst wurde von seinem Bruder Theodor (1703–1763) begleitet. Den Abschluss bildete die kurfürstliche Leibgarde begleitet von Pauken und Trompeten.299 Die Parade verfehlte ihre Wirkung auf die Zuschauer nicht. Eleonora notierte: „Heit ist der Churfurst nach Bonn kommen und ein magnifiquer Einzug und Ilumination geweßen.“300 Bereits einen Monat nach seiner Ankunft in Bonn findet der Kurfürst wieder Erwähnung im Schreibkalender Eleonoras. Clemens August begab sich laut Reisejournal seines Kammerfouriers Thomas Carl von Schiller (gest. 1758) im Laufe des Junis mit seinem Bruder auf eine Reise in die Niederlande.301 Dies nahm der Kurfürst offenbar zum Anlass, die umliegenden Adelssitze zu besuchen. An zwei aufeinanderfolgenden Samstagen konnte Eleonora daher im Kalender vermerken, dass sie den Kurfürsten zu Mittag auf der Gracht zu Gast gehabt habe.302 Dabei ist zu erwähnen, dass diese Mittagessen – so nüchtern sie im Kalender festgehalten sind – mit erheblichem Aufwand und Kosten für die Bewohner der Gracht verbunden sein müssen. Der Kurfürst war schließlich kein einzelner Gast, sondern reiste mit einem seinem Stand gebührlichen Gefolge
297 Dazu ausführlich: Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 109; Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504: „[…] so bitte vorab Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cölln meinen gnädigsten Herren daß er dieselbe [seine Kinder] in seine gnädigste Protection zu nehmen geruhen wolle, immaßen zu deroselben ich das untertähnigste Vertrawen setze, dieselbe werden in ansehung meiner langjähriger getrewen Diensten über meine Kinder die Handt halten, unndt dieselbe in churfürstlichen höchsten Hülden unndt Gnaden beständig conserviren.“ 298 Vgl. Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten Clemens August von Köln 1719–1745. Bearbeitet von André Krischer (Ortstermine 12), Siegburg 2000; Bettina Braun, Princeps et episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 230), Göttingen 2013, S. 275 f. 299 Die ausführliche Aufstellung ist nachzulesen in: Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 108–111. 300 Eintrag vom 15. Mai 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 301 Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 112. Zu seiner Person siehe Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 14, Mappe 1080 „Schiller“, S. 131. 302 Vgl. Einträge vom 23. und 30. Juni 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
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und musste auch dementsprechend verköstigt und unterhalten werden. Zwischen den beiden Essen im Juni finden sich keine weiteren Eintragungen. Clemens August tritt erst wieder Ende August in Erscheinung. An einem Mittwoch, dem 29. August, reiste Eleonora von Schloss Gracht nach Bonn, um vom Kurfürsten „Abschied zu nehmen“.303 Clemens August begab sich am darauffolgenden Tag nach Paris.304 Auch in diesem Fall gibt das Reisejournal des Kurfürsten nähere Auskunft über die Hintergründe: Nach der Rückkehr aus den Niederlanden machten sich die Brüder Clemens August und Theodor gemeinsam „über halß und kopf “ auf den Weg nach Paris, um am 5. September 1725 in Fontainebleau der Hochzeit König Ludwigs XV. mit Maria Leszczyńska beizuwohnen.305 Doch auch in der Zeit der Abwesenheit des Kurfürsten hielt Eleonora Begebenheiten fest, die sich auf Mitglieder des Kurfürstenhofes oder des Hochadels bezogen. Ein besonderes Ereignis notierte sie zu Beginn des Oktobers 1725. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Erzherzogin Maria Elisabeth von Österreich (1680–1741) in Köln auf. Sie befand sich auf dem Weg nach Brüssel, wo sie als Statthalterin der Österreichischen Niederlande im Palast von Coudenberg residieren sollte.306 Es scheint fast so, als sei Eleonora am Vortag absichtlich mit ihren drei Kindern – auch die Frau von Bornheim war zugegen – von Bornheim nach Köln gereist, weil sie wusste, dass sich die Erzherzogin dort aufhielt.307 Am 1. Oktober konnte die Gesellschaft dann tatsächlich einen Blick auf die Erzherzogin erhaschen. Persönlichen Kontakt wird es nicht gegeben haben, vermerkte Eleonora doch lediglich im Schreibkalender: „Heutt haben wir die Erzherzogin im Thomb gesehen.“308 Auch wenn es bei diesem Blick, zu dem sich vermutlich während eines Gottesdienstes die Möglichkeit ergab, auf Maria Elisabeth geblieben ist, reichte doch der Stand der Erzherzogin aus, um eine Notiz im Kalender zu rechtfertigen. Im Verlauf der kommenden Tage traf Eleonora sich mit Vertretern des Domkapitels: Am 3. Oktober aß man mit Domdechant Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim zu Mittag. Eine Woche später reiste sie mit ihren zwei jüngeren Kindern nach Friesheim, wo man sich abermals mit den Grafen von Blankenheim traf.309 Um wen es sich handelte, wird nicht klar. Eventuell waren sowohl der bereits erwähnte Dom-
303 Eintrag vom 29. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 304 Vgl. Eintrag vom 30. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 305 Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 112. Für eine ausführliche Beschreibung und den politischen Hintergrund des Aufenthalts in Frankreich siehe ebd., S. 112–116. 306 Vgl. Brigitte Hamann, „Maria Elisabeth“, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 190 f., [OnlineVersion] URL: https://www.deutsche-biographie.de/gnd118927426.html#ndbcontent (24.11.2019). 307 Vgl. Eintrag vom 30. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 308 Eintrag vom 1. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 309 Vgl. Einträge vom 3. und 9. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Friesheim (bei Erftstadt) war eine Unterherrschaft im Besitz des Domkapitels und liegt ganz in der Nähe von Schloss Gracht.
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dechant als auch Dompropst Moritz von Manderscheid-Blankenheim (1676–1763)310 anwesend. Auch über den Grund der Treffen bewahrt Eleonora Stillschweigen, sodass sie an dieser Stelle nur unter dem Aspekt der Kontaktpflege zu hohen Würdenträgern des Kölner Domkapitels verbucht werden können. Zum Ende des Jahres vermeldet der Schreibkalender die Rückkehr des Kurfürsten nach Bonn. Fast drei Monate hatte der Pariser Aufenthalt im Anschluss an die Hochzeit des französischen Königs gedauert.311 Einen Tag nach der Ankunft Clemens Augusts in seiner Residenzstadt machte sich Eleonora von Köln aus auf den Weg nach Bonn. Am gleichen Tag trafen außerdem die beiden älteren Brüder des Kurfürsten in Bonn ein: Kurprinz Karl Albrecht (1697–1745) und Herzog Ferdinand von Bayern (1699–1738). Zu dieser seltenen Begebenheit vermerkte der Kammerfourier: […] wo dabey auch zu wissen daß nicht balt geschehen 4 durchluchigsten gebrüeder alhir vom churhauß Bayern zusammen kommen sind, wie dan solches von ieder menigklig mit grossen freuden angesehen wurde.312
Eleonora war die Besonderheit der vier gleichzeitig in Bonn weilenden bayerischen Herzöge ebenfalls bewusst und sie notierte nicht nur die Ankunft, sondern auch den genauen Zeitpunkt der Abreise der beiden älteren Brüder in ihrem Schreibkalender: „[…] diese Nacht ist auch der Churprinz aus Beyern mitt dem Herzog Ferdinant von Paris zu Bonn ahnkommen“313 und „dießen morgen umb 4 Uhr ist der Churprinz mit dem Herzog Ferdinent wieder verreist.“ 314 Da sich Clemens August danach bis zum Ende des Jahres auf dem Landtag in Münster aufhielt, findet er keinerlei Erwähnung mehr bei Eleonora.315 Sie beschäftigte sich in den letzten Tagen des Jahres 1725 hauptsächlich mit Aufgaben der Herrschaftsverwaltung.316 Das Jahr 1726 hält erst in der zweiten Jahreshälfte Einträge zum Kurfürsten bereit: Aus Anlass des Geburtstages Clemens Augusts fuhr Eleonora von Köln nach Bonn, um bei den Feierlichkeiten zugegen zu sein. Franz Joseph durfte zu diesem Zweck sein
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Er war am 23. August 1725 zum Propst des Kölner Domkapitels gewählt worden. Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 239. Beide Manderscheid-Brüder werden in Bezug auf die verwandtschaftlichen Beziehungen Eleonoras zu Franz Georg von Schönborn noch eine Rolle spielen. Vgl. Eintrag vom 21. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Siehe auch Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 116. Laut Reisejournal war man bereits in der Nacht auf den 21. November in Bonn angekommen. Vgl. ebd., S. 117. Eintrag vom 22. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 25. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Mit der Postkutsche reisten Karl Albrecht und Ferdinand von Bayern nach München: Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 117. Vgl. ebd., S. 117. Vgl. VII. Herrschaftsverwaltung: Das Beispiel Burgau.
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Studium für wenige Tage unterbrechen und seine Mutter begleiten.317 Den Aufenthalt in Bonn nutzte Eleonora auch dazu beim Kurfürsten wegen eines neuen Verwalters für das Gut Vossenack vorzusprechen. Sie legte ihm ein entsprechendes „Memoriale“ vor, welches seinen Zuspruch fand.318 Den kurfürstlichen Geburtstag am 16. August konnte vor allem Franz Joseph als Erfolg verbuchen. Zu den Feierlichkeiten gehörte unter anderem ein Scheibenschießen, bei welchem der junge Wolff Metternich neben dem zweiten auch den dritten Platz belegte und als Preis „eine schöne Flinte“ und „ein schone Tabaquier“ überreicht bekam.319 Auch bei den nächsten Eintragungen, die auf Eleonoras Anwesenheit am Hof schließen lassen, sind der Kurfürst und Franz Joseph die Hauptakteure. Zum Namenstag Clemens Augusts am 23. November traf Franz Joseph mit seiner Mutter in Bonn zusammen, um die Thesen seiner Disputation vorzustellen. Wie bereits erwähnt traf er auf das Wohlwollen des Kurfürsten.320 Im Jahr 1728 erklomm Franz Joseph eine erste Karrierestufe am kurkölnischen Hof. Er war zum Hofrat ernannt worden und am 9. März traf das entsprechende Dekret ein.321 Eleonora bedankte sich für diese Stelle ausdrücklich bei Clemens August und seinem Minister, dem Grafen von Plettenberg.322 Den Kurfürsten wird Eleonoras Dankschreiben allerdings erst einen guten Monat später erreicht haben. Im März 1728 befand er sich, nach seiner Bischofsweihe durch Papst Benedikt XIII. im November 1727, auf der Rückreise von Italien und machte bis Anfang April Station in München.323 Am 23. April traf er wieder in Bonn ein – „umb 10 Uhr in der Frühe“ wie Eleonora vermerkt.324 Ihm folgten noch am selben Tag, wenngleich „deß abents nach 9 Uhr“, die Kurfürsten von Trier und Bayern und auch Franz Joseph war mit Hofmeister Knoest nach Bonn gekommen.325 Es folgten zur Ehre der anwesenden Kurfürsten Feierlichkeiten, die bis zum 28. April dauern sollten.326 Auch wenn Eleonora erst wieder die Abreise der beiden Bischöfe festhält, so lässt doch ihre Anwesenheit in Bonn und die Tatsache, dass sie auch ihren Sohn dorthin kommen ließ, darauf schließen, dass sie am 317 318 319 320 321 322 323
Vgl. Eintrag vom 14. August 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. Eintrag vom 15. August 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Eintrag vom 16. August 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. Einträge vom 22. und 23. November 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. Eintrag vom 9. März 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 15. März 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 156; Max Braubach, Kurfürst Clemens August, Leben und Bedeutung, in: Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jahrhunderts. Ausstellung in Schloss Augustusburg zu Brühl 1961, Köln 1961, S. 17–22, hier S. 18 f. Zu seiner Weihe muss Eleonora ein Glückwunschschreiben an den Kurfürsten abgeschickt haben. Eine entsprechende Antwort vom 27. Januar 1728 aus München befindet sich neben einer Handvoll anderer Danksagungen aus Anlass von Geburts- oder Namenstagen des Kurfürsten zwischen 1722 und 1733 im Grachter Familienarchiv: ASG, Akten, Nr. 710. 324 Eintrag vom 23. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 325 Ebd. 326 Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 157.
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Festprogramm zumindest in Teilen partizipiert hat. Außerdem kann sie auch im Falle der Abreise wieder die genaue Uhrzeit benennen: „Diese Nacht umb 2 Uhr ist der Churfürst von Trier und der Churfurst von Bayern den Nachmittag umb 3 Uhr wieder vereist.“327 Dafür spricht außerdem, dass Franz Joseph einen Tag nach der Abreise der hohen Herren ebenfalls Bonn verließ und zum Studium nach Köln zurückkehrte.328 Bis Ende Juni blieb Clemens August in Brühl, um sich der Reiherjagd zu widmen.329 In dieser Zeit machten sowohl Eleonora als auch Franz Joseph ihm mehrmals ihre Aufwartung und waren als Gäste beim kurfürstlichen Mittagessen zugegen.330 Clemens August wiederum nutzte die Jagdsaison auch dazu, um in den Ländereien seines Hofadels zu jagen. Am 24. Mai befand er sich zur Dachsjagd auf der Gracht, wo er sich von Eleonora bewirten ließ.331 Ende Juli traf die Wolff Metternich’sche Familie in Koblenz auf den Kölner Kurfürsten. Beide hatten sich beim Trierer Kurfürsten, Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1664–1732), eingefunden.332 Die letzte Eintragung zum Kurfürsten beschließt zugleich den Kalender des Jahres 1728. Da Clemens August von einer Reise nach Westfalen am 31. Dezember zurückkehren sollte, fand sich Eleonora mit ihren Kindern einen Tag vorher in Bonn ein, um der Begrüßung des Kurfürsten beizuwohnen.333 Auch 1729 wird der ständige Kontakt zum Hof deutlich. Zu Beginn des Jahres notierte Eleonora den kurzen Tagesaufenthalt des Kurfürsten in Köln, wo sie zu diesem Zeitpunkt ebenfalls weilte.334 Kurz darauf trat Clemens August eine Reise nach München an. Da sein Hofreisejournal nach der ersten Jahreshälfte 1728 abbricht, ist darin keine weitere Beschreibung enthalten. Aber laut Eleonoras Eintragungen fand am 16. Januar ein Maskenball am Kurfürstenhof in Bonn statt, an dem sie mit ihren Kindern teilnahm. Der Ball dauerte bis in die frühen Morgenstunden des Folgetages und Clemens August brach um 6 Uhr morgens gen München auf.335 Eleonora war eigens für diesen Ball nach Bonn gereist, „umb von dem Churfürsten Abschied zu nehmen.“336 Spätestens zu Pfingsten kehrte Clemens August wieder ins Rheinland zurück. Pfingstmontag war Eleonora mittags zum Diner in Brühl anwesend.337 Auch die darauffolgenden Tage scheint sie am Kurfürstenhof zugegen gewesen zu sein. Sie notierte 327 Eintrag vom 28. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 328 Vgl. Eintrag vom 29. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 329 Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 157– 158. 330 Vgl. Einträge vom 9. und 19. Mai sowie am 3. Juni 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 331 Vgl. Eintrag vom 24. Mai 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Ebenso war er am 30. Mai auf der Gracht zu Gast. 332 Vgl. Eintrag vom 26. Juli 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 333 Vgl. Einträge vom 30. und 31. Dezember 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 334 Vgl. Einträge vom 5. und 6. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 335 Vgl. Eintrag vom 16. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 336 Eintrag vom 15. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 337 Vgl. Eintrag vom 6. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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mehrmals ihre Anwesenheit in Brühl, jedoch ohne den Kurfürsten oder eine Aktivität am Hof explizit zu erwähnen.338 Ihr Zugegensein an der Tafel Clemens Augusts nutzte sie immer wieder, um Herrschaftsangelegenheiten zu regeln. So auch im Juni 1729 als der Schultheiß von Lechenich gestorben war.339 Gleich am nächsten Tag ließ sie eine Bittschrift zum Kurfürsten bringen, in der sie vorschlug ihren Sekretär Vaessen zum Nachfolger des Verstorbenen zu bestimmen.340 Ihre Fürsprache war jedoch in diesem Fall nicht erfolgreich: Als sie wenige Tage später selbst in Brühl anwesend war, erfuhr sie, dass das Amt „auff daß Kintt vergeben seje“, also vermutlich dem Sohn des Verstorbenen übertragen worden war.341 Wie erwähnt war nicht nur Eleonora regelmäßig am Hof zugegen – der Kurfürst selbst kehrte immer wieder auf der Gracht ein. Ende Juni traf er mit „einer großen Geselschafft“, zu der neben dem Grafen von Blankenheim und Aloysia von Notthafft (gest. 1756), der Frau des Generals der kurkölnischen Truppen, auch der Bruder des Kurfürsten, Herzog Ferdinand, zählte, auf dem Stammsitz der Wolff Metternichs ein.342 Doch Eleonora wusste nicht nur die direkte Verbindung zum Kurfürsten selbst zu nutzen. Auch bei Ferdinand von Plettenberg war sie zu Gast.343 Als kurkölnischer Premierminister konnte er großen Einfluss auf den Landesherrn ausüben. Von Vorteil waren dabei auch die verwandtschaftlichen Beziehungen, die zwischen den Adelsgeschlechtern bestanden: Plettenbergs Mutter Franziska Theresia (geb. 1667) war eine Stiefschwester Johann Adolfs II.344 Am 3. und 17. Juli speiste Eleonora erneut „bij Hoff […] und ist der Churfurst nach der Tafel ins Niederstifft verreist.“345 Einen Monat im Sommer 1729 verbrachte Eleonora selbst auf Reisen. Sie fuhr in die Niederlande, um ihren Sohn nach dessen Studium in Leiden abzuholen, und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes kennenzulernen. Dass Franz Joseph damit einen wichtigen Teil seiner Ausbildung – das Rechtsstudium – abgeschlossen hatte, nahm Eleonora nach der Rückkehr zum Anlass, ihren Sohn Mitte Oktober mit nach Bonn zu nehmen, um den Kurfürsten davon in Kenntnis zu setzen „und zu begehren, daß er [Franz Joseph] deßnechsten Cammer-
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Vgl. Einträge vom 11. und 14. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 20. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 21. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 23. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 29. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Ausführlicher zum Verhältnis ManderscheidNotthafft vgl. das Kapitel zur Domscholasterwahl, V.1. 343 Vgl. Einträge vom 30. Juni und 14. Juli 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 344 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723. Zu Plettenberg vgl. Martin Bock, Ferdinand Adolf Reichsgraf von Plettenberg (1690–1737). Kurkölnischer Premierminister, in: Internetportal Rheinische Geschichte, URL: http://www. rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/P/Seiten/FerdinandAdolfvonPlettenberg.aspx (24.11.2019); Max Braubach, Ferdinand von Plettenberg (1690–1737), in: Westfälische Lebensbilder 9 (1962), S. 34–51. 345 Einträge vom 3. und 17. Juli 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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dienst thun möge.“346 Der Kurfürst, der gerade erst wieder von seiner Reise nach Westfalen zurückgekehrt war, kam dieser Forderung nach.347 Die Entscheidung, ihren Sohn nach dem Studienteil der Kavalierstour nicht direkt zum Reiseteil aufbrechen zu lassen, hatte Eleonora gemeinsam mit Schwiegersohn und Hofmeister getroffen: […] nach langem Uberlegen [hatte man] resolvirt, ihme biß im February hir im Land noch zu laßen, seinen Cammerherrendienst zu thun, den Hoffraht zu frequentiren, den Grotium zu leßen und demnechst in Franckreich, woezu er sich dan auch verstanden und darmitt zufrieden.348
Franz Joseph hätte es also offenbar vorgezogen, sofort nach Frankreich zu reisen. Allein darüber hatte nicht er zu entscheiden. Der Eintrag steht zudem für eine Änderung des Studieninhaltes: Der junge Kavalier hatte wohl genug Völkerrecht nach Hugo Grotius studiert und man sah eine Fortsetzung als nicht notwendig an. Bevor Franz Joseph den Kammerherrendienst antrat, standen zunächst Feierlichkeiten im kurfürstlichen Weinschloss, der vinea domini349, auf dem Programm. Zur Weinlese war „all das Frawzimmer und ich [Eleonora] mitt meinen Kinderen abent bj Hoffconcert, Soupee und Ball“ zugegen.350 Auch der Folgetag brachte ein weiteres Fest mit sich: „Wegen Gebuhrt deß Dauphin“ am 4. September gab der französische Gesandte ein Fest, bei dem wiederum „der Churfurst mit dem ganzen Hoff, all die Dames und ich [Eleonora] mit mein Kinder wahren.“351 Nach Abschluss der Feierlichkeiten reiste Eleonora mit Felicitas zurück auf den Stammsitz. Franz Joseph blieb in Brühl, um am folgenden Tag den Kammerdienst gemeinsam „mitt dem Baron d’Ess“ beim Kurfürsten antreten zu können.352 Im Protokoll des Kammerfouriers, das dieser über die Herren „Cammerern, welche ihro hoch-fürstliche Durchlaucht […] unterthänigst bedienen und wie solche nacheinander folgen“ führte, ist Franz Joseph nur für den Dienst am 28. Februar 1724 in Münster zu finden. Er hatte also schon fünf Jahre zuvor seine ersten Aufgaben als junger, adliger Diener geleistet. Für den entsprechenden Zeitpunkt im Oktober 1729 ist kein Kammerherr vermerkt – zwischen dem 17. Oktober und 23. November scheint eine Lücke zu sein, die, so belegt es der Schreibkalender, u. a. von Franz Joseph gefüllt worden ist. Am 23. Novem-
346 Eintrag vom 14. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Zum niederländischen Teil der Kavalierstour s. Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77). 347 Vgl. ebd. 348 Eintrag vom 9. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 349 Hansmann hält zur Vinea Domini fest: „Im Herbst beging er [Clemens August] hier mit seinem Hof ein sechstägiges Winzerfest.“ Wilfried Hansmann / Gisbert Knopp, Die Schlösser des Kurfürsten Clemens August. Veduten–Capricci (Die Berrenberg-Presse 3), München 1976, „Das Weinbergschlößchen ‚Vinea Domini‘ in Bonn“. 350 Eintrag vom 19. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 351 Eintrag vom 20. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 352 Einträge vom 22. und 23. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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ber übernahm dann Joseph Ernst Damian von Virmond (1707–1730) den Kammerdienst.353 Als Kämmerer gehörte Franz Joseph zum „Stab des Obristkämmerers, dessen Aufgabe in der täglichen Bedienung des Kurfürsten bestand […].“354 Die niederadligen Kammerherren überwachten auch den persönlichen Zugang zum Kurfürsten, leiteten Bittschriften und Anmeldungen für Audienzen an ihn weiter. Hiermit eröffnete sich ihnen ein weites Spektrum für persönliche Einflussnahmen.355
Kurz nach Franz Josephs Dienst war der Kurfürst wieder auf der Gracht zu Gast. Begleitet wurde er dabei von dem bereits erwähnten französischen Gesandten, Obristhofmeister Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim sowie „6 ander Cavalier“, die Eleonora jedoch nicht näher benennt.356 Es handelte sich also mindestens um eine zehnköpfige Gesellschaft, die an der Tafel auf Schloss Gracht Platz nahm und unterhalten werden wollte. Aber auch Eleonora war bis zum Ende des Jahres noch mehrmals in Brühl zugegen: Ende Oktober, um mit dem Kurfürst und ihren Töchtern „zu Mittag zu speisen“357 und am Namenstag Clemens Augusts in Bonn, „wo wir alle in Gala bj Hoff erschienen und den Abentt apartement soupee und Balle gewest.“358 Franz Joseph hatte seinen Herrn in der Zwischenzeit zu einer mehrtägigen Jagd nach Neuss begleitet.359 Die guten Beziehungen zum Kurfürsten sollten sich auszahlen. Ende November 1729 entwickelte sich eine Episode, die mehrere Seiten im Schreibkalender Eleonoras füllen sollte. Diese steht in Verbindung mit dem bereits erwähnten Hofratspräsidenten Ambrosius Franz von Virmond, seinem Sohn Joseph Ernst Damian und Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht. Waren sich die Elternteile der beiden jungen Herren zu Beginn des Jahres noch über eine gemeinsame, wenn auch nicht stattgefundene, Tour in die Niederlande einig gewesen, so kam es um die ebenfalls bereits erwähnte Hofratsstelle zu einem offenen Konflikt, der an oberster Stelle gelöst werden musste. (Abb. 14) Nachdem Franz Joseph zu Beginn des Jahres das Dekret als wirklicher Hofrat ausgestellt worden war und auch Franz Georg von Schönborn Eleonora dazu geraten hatte, dass die „Frequentierung des Rahts desto fruchtbahrer seyn wirdt“ als die Fortsetzung
353
Franz Joseph hat die nachträglich eingefügte Nr. 61. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), Quellenanhang Nr. 12, S. 262–267. 354 Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 88. 355 Hans-Werner Langbrandtner, Anwesenheit am landesherrlichen Hof, in: Gudrun Gersmann / Ders. (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 154–164, hier S. 157. 356 Eintrag vom 27. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 357 Eintrag vom 30. Oktober 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 358 Eintrag vom 23. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 359 Vgl. Einträge vom 9. und 11. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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eines Studiums360, hatte Eleonora vor, ihren Sohn am 26. November zum Hofrat zu schicken. „[…] weil ich [Eleonora] aber vernohmen, daß der Hoffrahtpresident Graff von Virmont pretendirt, daß sein Sohn die precedenz vor dem meinigen haben solle […]“, war sie selbst bei Virmond vorstellig geworden und hatte ihn auf das „11 Monat elter“ Patent ihres Sohnes hingewiesen.361 Für den Grafen hatte ihre Argumentation jedoch keine Bedeutung – der Kurfürst sollte eine Entscheidung treffen. Eleonora wandte sich daraufhin an Ferdinand von Plettenberg, „der mir [ihr] Recht geben und versprochen den Churfursten zu fragen.“362 Nur einen Tag später fällte letzterer eine Entscheidung zugunsten des jungen Wolff Metternich. Nun wurde zusätzlich noch Graf von Blankenheim in seiner Funktion als Obristhofmeister und somit oberster Beamter am Hof eingeschaltet, um Virmond darüber in Kenntnis zu setzen.363 Über mehrere Tage zog sich das Verfahren hin, da der Hofratspräsident nicht nachgeben wollte und auf dem Vorzug seines Sohnes beharrte.364 Von Plettenberg machte daher den Vorschlag und der Kurfürst forderte ebenfalls dazu auf, dass Franz Joseph eine Supplik, eine Bittschrift, bei Clemens August einreichen sollte, „auff welche er [der Kurfürst] in seiner [Franz Josephs] faveur decretieren wurde.“365 Nur drei Tage später erhielt Eleonora „ein sehr favorables und hingegen herbes [?] Decret gegen Virmund […].“366 Franz Josephs Aufgabe bestand nun darin, dem Grafen von Virmond das besagte Dekret zu präsentieren. Dazu suchte er ihn zuhause auf367 und berichtete im Anschluss seiner Mutter von der Begegnung mit dem Hofratspräsidenten, die diese ausführlich im Kalender festhielt. Franz Joseph habe Ihme [von Virmond] daß churfurstliche Decret presentiret, woruber er sich sehr entrüstet und sich sowohl uber den Churfursten alß unsere Manier beschwehrt, mein Sohn hatt ihme aber ganz gelaßen geandwortt, er hatte kein freundlichere Manier gewist, alß so ihme unter 4 Augen zu geben, er mogte nun den Gebrauch davon machen, wie er wollte, es zurück behalten oder producyren, ihme nur nicht weitter zu verfolgen und versichert seien lasen, das er alzeit alle veneration vor ihme haben würde.368
360 Franz Georg von Schönborn an Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, Pommersfelden, 11. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 712. 361 Eintrag vom 26. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 362 Ebd. 363 Vgl. Eintrag vom 27. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 364 Vgl. Einträge vom 28. und 29. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 365 Einträge vom 30. November und 1. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 366 Eintrag vom 4. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 367 Der Versuch, den Grafen von Virmond am 5. Dezember anzutreffen, hatte keinen Erfolg. Vgl. Eintrag vom 5. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 368 Eintrag vom 6. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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Aus den Zeilen des Schreibkalenders ist der Stolz Eleonoras auf ihren so selbstbewusst und souverän agierenden Sohn förmlich herauszulesen. Um aber nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, sollte Franz Joseph nicht gleich am folgenden Tag in den Hofrat gehen, sondern erst noch ein paar Tage verstreichen lassen.369 Tatsächlich traf er Virmond noch garnicht dort an. Erst am 10. Dezember begegneten sich die Kontrahenten und der Präsident war „meinem [Eleonoras] Sohn kaltsinnig doch aber nicht imhofflich begegnet […].“370 Das Dekret des Kurfürsten hatte Wirkung gezeigt. Wie Eleonora weiter erfuhr, hatte Virmond beim Obristkämmerer „[…] begehrt, der Churfurst mogte daß gegen ihme scharff gegebenes Decret wieder einziegen [!] und nur auff die Suplique meines Sohns in milderen Terme decretiren […].“371 Zumindest diesem Wunsch wurde stattgegeben: Am 12. Dezember traf das offzielle Dekret bei Eleonora ein und Franz Joseph überreichte es Ferdinand von Plettenberg, der es wiederum dem Grafen von Virmond überbringen wollte.372 Für Eleonora war die Angelegenheit damit geklärt: „[…] womit wir unserer seiths alles gethan, was die Manier mitt sich bringt und uns nicht zu reprotiren haben.“373 Die guten Verbindungen zu den obersten Beamten des Hofes sowie zum Kurfürsten selbst hatten ihr Übriges zum Erfolg beigetragen. Zu Beginn des Jahres 1730 war der neue Hofrat der erste der Wolff Metternichs, der dem Kurfürsten aufwarten sollte. Aus Anlass des Dreikönigstages fuhr Franz Joseph nach Köln, wo Clemens August das Pontifikalamt zelebrierte.374 Folgt man den Eintragungen im Schreibkalender, so gab es bis in den Mai keine weiteren Kontakte zum Kurfürstenhof. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Eleonora nicht alles notiert hat. In eine „Eintragungslücke“ zwischen dem 12. und 26. Februar 1730 fällt die Karnevalszeit, in der auch am Hof ausgiebig gefeiert wurde. Am Karnevalsdienstag wurde meist eine sogenannte „Bauernhochzeit“ veranstaltet, bei der „sich die teilnehmenden Adligen als Bauern verkleideten, an einem Umzug durch die Stadt Bonn in geschmückten offenen Wagen teilnahmen und nach einem festlichen Souper im Schloss bis in den frühen Morgen tanzten […].“375 Eine Teilnehmerliste vom 21. Februar 1730 verzeichnet sowohl eine Freifrau als auch ein Fräulein von Metternich, welche Winterling als Eleonora und Felicitas Wolff Metternich zur Gracht identifiziert.376 Den ebenfalls anwesenden und als Hochzeitslader fungierenden Baron von Metternich ordnet Winterling jedoch in die Nebenlinie der
369 370 371 372 373 374
Vgl. Einträge vom 7. und 9. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 10. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Ebd. Vgl. Einträge vom 12. und 13. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 13. Dezember 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 5. Januar 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Am 7. Januar kehrte er zu seiner Mutter nach Bonn zurück. 375 Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 199. 376 Die Einträge auf der Liste finden sich hier: Ebd., S. 201 und 202. Die weiteren Angaben in der sich anschließenden Prosopographie, ebd., S. 214, Nr. 47.
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Metternich von Wehrden ein.377 Wie Winterling aber selbst anmerkt, „ist die Rekonstruktion der Personen nicht immer mit völliger Sicherheit möglich“378, sodass es sich auch um Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht gehandelt haben könnte. Warum ausgerechnet die Karnevalsaktivitäten keinen Eintrag im Schreibkalender erhalten haben, obwohl Eleonora auch Bälle und andere Feierlichkeiten am Hof erwähnt, ist nicht eindeutig zu klären. Dass sie aber daran teilgenommen hat, bestätigt wiederum ein Schreiben, das sie von ihrem Vetter Franz Georg von Schönborn am 13. März 1730 erhielt, in dem er Bezug auf den „Abtruck“ der Bauernhochzeit nimmt.379 Damit gemeint ist vermutlich die bei Winterling abgedruckte Teilnehmerliste. Anfang Mai wurde Eleonora mit ihrer Tochter vom Kurfürsten wieder einmal zum Mittagessen nach Brühl gebeten – eine Einladung, die er auch in der darauffolgenden Woche erneut aussprach.380 Der Anwesenheit bei Hof steht auch 1730 immer wieder die Verpflichtung des Adels gegenüber, den Kurfürsten und sein Gefolge auf dem eigenen Besitz willkommen zu heißen. Am 1. Juni kehrte Clemens August mit „einer Gesellschaft von 22 Personen“ auf der Gracht ein.381 Dabei waren auch der jüngere Bruder Clemens Augusts, Johann Theodor, der vier Monate später von Clemens August zum Bischof geweiht werden sollte, und der kaiserliche Kommissar Johann Ernst Graf von Kufstein.382 Wenige Tage später war eine ähnliche Gesellschaft dann bei Eleonoras Tochter und Schwiegersohn in Bornheim zu Gast.383 Eleonora war bereits mit ihrer jüngeren Tochter dorthin gefahren – vermutlich um der älteren Tochter bei den letzten Vorbereitungen des kurfürstlichen Besuches zur Seite zu stehen.384 Bei der Rückkehr von Bornheim auf die Gracht machten die beiden metternich’schen Damen noch einmal Halt in Brühl, um wiederum beim Kurfürsten einzukehren.385 Auch am 23. Juni reiste man nach Brühl und blieb drei Nächte dort. Wie Eleonora festhält, geschah dies „auf churfürstlichen Befehl“ und die offenbar ungeplante Verlängerung habe „der Churfurst absolute befohlen“.386 Fünf Tage später war Clemens August wieder mit einer Gesellschaft auf der Gracht zugegen – darunter in diesem Fall auch der lothringische Gesandte.387
377 Liste ebd., S. 200 und Prosopographie, S. 214, Nr. 48. 378 Ebd., S. 199. 379 Vgl. Franz Georg von Schönborn an Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, Trier, 13. März 1730, in: ASG, Akten, Nr. 712. Zur besonderen Beziehung zwischen Franz Georg und Eleonora vgl. Kapitel V. 380 Vgl. Einträge vom 9. und 18. Mai 1730. Nicht immer war es ihr möglich der Einladung des Kurfürsten Folge zu leisten. Am 4. Juni sagte sie eine Einladung ab, da sie krank war. Eintrag vom 4. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 381 Eintrag vom 1. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 382 Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 87. 383 Vgl. Eintrag vom 6. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 384 Vgl. Eintrag vom 5. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 385 Vgl. Eintrag vom 7. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 386 Einträge vom 23. und 25. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 387 Eintrag vom 28. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
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Anfang August musste Eleonora mit ihrer Tochter nach Bonn, um der Eröffnung des „auserordentliche[n] Landag“ beizuwohnen. Den „churfürstlichen Befehl“ hatte sie vermutlich tags zuvor beim Diner in Brühl erhalten.388 Auch bei den wenige Tage später stattfindenden Geburtstagsfeierlichkeiten für Clemens August war die Familie Wolff Metternich vertreten. Franz Joseph, der wegen einer Krankheit seine Kavalierstour kurzzeitig unterbrochen hatte und in Aachen mit seiner Mutter zusammengetroffen war, bestand darauf Eleonora zum Geburtstag des Kurfürsten zu begleiten.389 Ende September reiste Eleonora mit Felicitas zu ihrem Vetter Franz Georg, dem Kurfürsten von Trier, um gut zwei Wochen am Hof zu bleiben.390 Einträge zu weiterer Anwesenheit am Kölner Pendant sind für das Jahr 1730 nicht vorgenommen worden. Im folgenden Jahr finden sich jedoch wieder Vermerke zu Mittagessen am kurkölnischen Hof und auf der Gracht: Gleich fünfmal erwähnt Eleonora zwischen April und Oktober 1731, dass sie am Hof des Kurfürsten gewesen sei.391 Anfang September kehrte Clemens August „ganz unversehens“ auf der Gracht ein und blieb mit General von Rechberg und Graf Friedrich von Harrach (1696–1749) bis in die Abendstunden.392 Harrach war als Vertreter Kaiser Karls VI. im Rheinland, da er „für den Kaiser und Graf Ferdinand von Plettenberg für Kurköln einen Vertrag [unterzeichnet hatten], der für den Kaiser einen bedeutenden Schritt hin zur allgemeinen Anerkennung der Pragmatischen Sanktion bedeutete.“393 Clemens August versicherte u. a. „die Erbfolgeordnung auf allen Reichsversammlungen zu unterstützen […].“394 Damit ist dieser Eintrag ein Beleg dafür, dass indirekt auch bedeutende politische Ereignisse Eingang in den Schreibkalender fanden. Doch nicht nur den Kurfürsten und sein Gefolge empfing Eleonora im Jahr 1731 auf der Gracht. Ende Oktober war „der Prinz von Baden“ bei ihr zum Mittagessen zu Gast.395 Ihre guten Beziehungen zum Hof und dem Kurfürsten selbst wusste Eleonora immer wieder für sich und ihre Interessen einzusetzen. Nachdem sie Ende Mai dem Kurfürsten zunächst mitgeteilt hatte, welche Erfolge ihr Sohn auf seiner Kavaliers388 Einträge vom 2. und 3. August 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 389 Vgl. Einträge vom 14. und 15. August 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Clemens August hatte am 16. August Geburtstag. Unter diesem und den folgenden Daten bis zum 23. August sind jedoch keine Einträge vorgenommen worden, die Rückschlüsse auf die Feier geben könnten. 390 Vgl. Eintrag vom 27. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Am 13. Oktober fuhr man zurück nach Bonn. 391 Vgl. Einträge vom 4. April, 5. Juli, 11. und 27. September sowie 2. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 392 Eintrag vom 6. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Bei General von Rechberg könnte es sich um Gaudenz von Rechberg zu Hohenrechberg handeln. Vgl. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 182. Zu Harrach vgl. Hans Wagner, „Harrach, Friedrich Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 700, [Online-Version] URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118927434.html# ndbcontent (24.11.2019). 393 Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 298), S. 372. 394 Ebd. 395 Eintrag vom 24. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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tour – vor allem in Wien – verbuchen konnte, in diesem Fall in Form der Ernennung zum Reichshofrat396, sorgte sie dafür, dass Franz Josephs Stellung auch in kurkölnischen Diensten hervorgehoben wurde. Beim Mittagessen in Brühl ließ sie sich durch Clemens August das Amt des Hofratsvizepräsidenten für Franz Joseph bestätigen.397 Besonders hervorzuheben, und daher auch von Eleonora im Schreibkalender vermerkt, sind zwei Ereignisse im Oktober und Dezember des Jahres 1731. Es handelt sich dabei nicht um Vermerke zu Essenseinladungen an den kurfürstlichen Hof, sondern um Feierlichkeiten, die teilweise familiären Charakter haben. Ende Oktober 1731 reiste Clemens August nach Bayern. Wie schon in vorangegangenen Jahren machte sich Eleonora daher auf den Weg nach Brühl, um den Kurfürsten zu verabschieden. An das Mittagessen, bei dem Eleonora am 22. Oktober zugegen war, schloss sich eine Trauung an und auch an dieser nahm Eleonora teil. Der Kurfürst selbst vermählte seinen langjährigen Hofrat und Oberkriegskommissar, Johann Lorenz von Schiller (gest. 1745), mit „Mademoiselle Decler“ – Dorothea Josepha von Cler.398 Am 4. Dezember 1731 brachte Eleonoras ältere Tochter, die Frau von Bornheim, einen Sohn zur Welt.399 Die Geburt spielte nicht nur aufgrund des Geschlechts des Kindes eine besondere Rolle innerhalb der Familie, sondern auch, weil nur wenige Tage zuvor das letzte der bis zu diesem Zeitpunkt von ihr geborenen acht Kinder verstorben war.400 Eine Besonderheit, weswegen die Geburt durchaus auch im Kapitel zur Hofzugehörigkeit vermerkt werden sollte, war der Taufpate des Säuglings: Neben der Gräfin von Traumes wurde das Kind vom Kurfürsten „aus der Tauff gehohben“401 und erhielt zur Ehre des Paten dessen Vornamen Clemens August, was die Verbundenheit und Treue zum Kurfürsten unterstrich.402 Im Jahr darauf begann die „Hofsaison“ für Eleonora laut Schreibkalender wieder im Mai. War sie zunächst nur beim Mittagessen in Brühl anwesend403, folgte Anfang
396 Vgl. Eintrag vom 31. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 397 Vgl. Eintrag vom 27. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 398 Eintrag vom 22. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607, Schreibkalender 1731. Er war der ältere Bruder des Kammerfouriers Thomas Carl von Schiller. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 14, Mappe 1080 „Schiller“, S. 130; Hans-Werner Langbrandtner, Baukultur, in: Gudrun Gersmann / Ders. (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 123–130, hier S. 124 f. Dorothea Josepha von Cler überlebte ihren Mann um mindestens 30 Jahre. Vgl. Ernst von Oidtman, Stammreihe der Freiherren von Cler nebst Angaben über verwandte Familien derselben, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde 4 (1924/26), Sp. 19–28, hier Sp. 23. 399 Vgl. Eintrag vom 4. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 400 Vgl. Eintrag vom 23. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 401 Eintrag vom 4. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 402 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 15, Mappe 1234 „Waldbott von Bassenheim“, S. 692. Bei Oidtman sind die vorher geborenen Kinder wohl aufgrund fehlender Quellen nicht angegeben, sodass hier Clemens August als Erstgeborener erscheint. 403 Vgl. Eintrag vom 8. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
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Juni eine prunkvolle Zeremonie in Bonn, an der sie teilnahm. Am 1. Juni verlieh der Bruder des Kölner Kurfürsten, Herzog Ferdinand von Bayern, im Auftrag des Kaisers den Orden vom Goldenen Vlies, die „toisson“, an den kurkölnischen Obristhofmeister Ferdinand von Plettenberg.404 Karl VI. dankte Plettenberg auf diese Weise die Bemühungen um den bereits erwähnten Vertrag zur Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, der im Vorjahr zwischen Plettenberg auf kurkölnischer und dem Grafen von Harrach auf kaiserlicher Seite unterzeichnet worden war.405 Kurfürst Clemens August befand sich während der Ordensverleihung „mitt den Dames oben auff der Galerie“ des großen Saales, wo auch Eleonora gewesen sein muss.406 An die Verleihung schlossen sich „Apartement407, Soupé und Ball by Hoff “ an.408 Am folgenden Tag oblag es dem Geehrten selbst ein Fest auszurichten. Auch hier war Eleonora bei „assemblée, soupé und Ball“ anwesend, so wie „alle Damen, der ganze Hoff und die Landstand sich eingefunden“ hatten.409 Zwei Tage später fuhr Eleonora zu ihrer älteren Tochter nach Bornheim, nur um am darauffolgenden Tag mit beiden Töchtern nach Brühl zu fahren und dem Kurfürsten beim Mittagessen ihre Aufwartung zu machen.410 Wie in den Jahren zuvor findet sich auch 1732 ein Eintrag, der Clemens August als Gast auf der Gracht kennzeichnet. Am 15. Juni bewirtete Elenora auf dem Stammsitz der Wolff Metternichs neben dem Kurfürsten auch dessen immer noch im Rheinland weilenden Bruder, Herzog Ferdinand von Bayern.411 Nur zwei Tage später reiste Eleonora erneut nach Brühl, „umb Abschiedt zu nehmen von dem Churfürsten.“412 Wohin der Kurfürst verreiste, wird an dieser Stelle nicht deutlich. Erst bei seiner Rückkehr, für die Eleonora am 26. Juli nach Bonn kam, gibt sie den Ort an: Clemens August kam „von Mergenthal“ zurück.413 Gemeint ist damit wohl Bad Mergentheim in Württemberg, Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens. Nach dem Tod Franz Ludwigs von
404 Eintrag vom 1. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 405 Vgl. Eintrag vom 6. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 298), S. 372; Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298) S. 40 f., Anm. 17. 406 Eintrag vom 1. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 407 Winterling beschreibt das Apartement als „ein geselliges Beisammensein der adligen Hofgesellschaft mit Spiel und Konversation“. Vgl. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 126. Als frühesten Beleg für eine solche Gesellschaft gibt er das Jahr 1743 an und bezieht sich damit auf das Hofreisejournal. Vgl. Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 183. Der Schreibkalendereintrag belegt, dass auch vor den 1740er Jahren bereits Apartements am kurkölnischen Hof stattgefunden haben. 408 Eintrag vom 1. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 409 Eintrag vom 2. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 410 Einträge vom 4. und 5. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Auch am 9. Juni war Eleonora in Brühl beim Kurfürsten. 411 Vgl. Eintrag vom 15. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 412 Eintrag vom 17. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 413 Eintrag vom 26. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
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Pfalz-Neuburg im April wurde Clemens August zu dessen Nachfolger als Hochmeister gewählt. Das Amt war ihm von Kaiser Karl VI. im Zuge des Bündnisses zur Pragmatischen Sanktion versprochen worden.414 Herzog Ferdinand von Bayern war ebenfalls noch in Köln. Vermutlich hatte er seinen Bruder nach Bad Mergentheim begleitet. Da sie gemeinsam Anfang August nach Münster aufbrachen, war Eleonora Ende Juli noch einmal in Brühl, um wie üblich bei der Verabschiedung anwesend zu sein.415 Im Jahr 1733 vermerkt Eleonora nur wenige Anwesenheiten am kurkölnischen Hof. Wie schon drei Jahre zuvor findet ihre Teilnahme an der Karnevalsdienstag stattfindenden Bauernhochzeit keinerlei Erwähnung. Im Rollenverzeichnis sind aber sowohl Eleonora als auch ihre jüngere Tochter Felicitas diesmal eindeutig zu identifizieren, da sie als „Freyfrau“ und „Fräulein von Metternich zur Graght“ genannt werden.416 Auch Franz Joseph war Teil der Inszenierung: Ein Graf von Metternich war unter den Teilnehmern, der einen spanischen Bauern spielte und Franz Joseph war zwei Jahre zuvor in den Grafenstand erhoben worden.417 Auch Johann Jakob Waldbott von Bassenheim und seine Frau waren erneut mit von der Partie: In den Rollen des Nachtwächters und einer „Cräntzel-Diern“ trugen sie ihren Teil zum Geschehen bei.418 Die weiteren Erwähnungen des Kurfürsten im Schreibkalender von 1733 beziehen sich meist auf Franz Josephs Karriere am kurkölnischen Hof.419 Im Juni verreiste der Kurfürst nach München.420 Auch wenn Eleonora dies nicht ausdrücklich schreibt, wird sie vermutlich zu seiner Verabschiedung in Bonn gewesen sein. Lediglich am 14. August macht sie deutlich, dass sie zur Feier des Geburtstages Clemens Augusts von der Gracht nach Bonn gefahren war, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.421 Der Schreibkalender des Jahres 1734 gibt Eleonoras Anwesenheiten am Hof ausführlicher wieder. Wie schon in den Jahren zuvor spielte sich diese vor allen in den wärmeren Monaten ab. Ende April war sie zunächst begleitet von Felicitas bei der Begrüßung Clemens Augusts nach einer weiteren Bayern-Reise anwesend.422 Danach folgten mehrere Mittagessen in Brühl: In der Zeit vom 9. Mai bis 15. Juni erwähnt Eleonora fünf solcher Essen beim Kurfürsten, die teilweise dicht aufeinander folgten.423 Es ist aber auch für das Jahr 1734 davon auszugehen, dass dies nicht die einzigen Einladungen bei Hof gewesen sind. 414 Vgl. Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 298), S. 373; Stollberg-Rilinger (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten (wie Anm. 298), S. 40 f., Anm. 17. 415 Vgl. Einträge vom 30. Juli und 3. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 416 Abgedruckt bei Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 206. Eleonora übernahm die Rolle der Köchin und ihre Tochter die einer schweizerischen Bäuerin. 417 Vgl. ebd., S. 205. Siehe auch VI. Kostspieliger Triumph: Die Kavalierstour Franz Josephs. 418 Vgl. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 204 und 206. 419 Vgl. Einträge vom 9. und 11. Juni 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. 420 Vgl. Eintrag vom 12. Juni 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. 421 Vgl. Eintrag vom 14. August 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. 422 Vgl. Eintrag vom 25. April 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 423 Vgl. Einträge vom 9., 23. und 30. Mai sowie 1. und 15. Juni 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610.
IV. Zu Gast beim Kurfürsten
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Das vorletzte Jahr von Eleonoras Kalenderaufzeichnungen reiht sich nahtlos in den vorhergehenden Eindruck der Kalender ein. Wiederum beginnen die Eintragungen, die Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zur Hofgesellschaft erlauben, erst im Mai mit einem Mittagessen auf Falkenlust424, wo sie Mitte Juli auch enden sollten.425 Dazwischen finden sich über den Zeitraum der angesprochenen zwei Monate noch drei weitere Essen in Anwesenheit des Kurfürsten, von denen eines am 17. Juli auf der Gracht stattfand.426 Es handelte sich also wiederum um insgesamt fünf solcher Ereignisse. Daher verwundert es nicht, dass selbst im Schreibkalender des Jahres 1736, der zwar deutlich weniger Eintragungen enthält als seine Vorgänger, doch zumindest ein Mittagsmahl beim Kurfürsten zu finden ist, das im Monat Mai stattgefunden hat.427 In ihrer Rolle als Witwe war es nicht selbstverständlich, dass Eleonora noch so intensiv am Hofgeschehen teilnahm. Grund dafür war mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Sohn. Auch wenn er bedingt durch seine Studien nicht selbst im Rheinland bzw. am Kurfürstenhof war und zudem noch zu jung, um ein hohes Amt ausüben zu können, sorgte Eleonora dafür, dass der Name bzw. das Geschlecht Wolff Metternich zur Gracht nicht in Vergessenheit geriet. Zudem war nach dem Tod Josephs Clemens noch nicht vorauszusehen, ob es gelingen würde den hohen Status, den die Wolff Metternichs bis dahin genossen hatten, auch unter der Regierung Clemens Augusts aufrecht zu erhalten. Das bei Winterling zitierte Versprechen Joseph Clemens’, das er seinem engen Vertrauten Johann Adolf II. gegeben hatte, bewahrheitete sich aber offenbar, nämlich dass: „Meine und Meines Durchleuchtigsten Churhaus erkanntlichkeit gegen die gesammentliche frey herrliche Famille niemahlen aufhören wird.“428 Tatsächlich konnte sie bei den meisten ihrer Anliegen auf das Wohlwollen seines Nachfolgers vertrauen. Eleonora gehörte damit auch als Witwe noch zum engeren Hofstaat, der u. a. an den festgelegten Hoffesttagen, die „durchschnittlich zweimal pro Woche“ stattfanden, „zu erscheinen hatte.“429 Auch den Kontakt zu hochrangigen Vertretern des Kurfürstenhofes, wie Ferdinand von Plettenberg oder den Brüdern Manderscheid-Blankenheim, wusste Eleonora zum Vorteil für ihre Familie zu nutzen und scheute zudem nicht vor Konflikten zurück, wenn es um die Zukunft ihres Sohnes ging.
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Vgl. Eintrag vom 8. Mai 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 18. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Einträge vom 5. Juni sowie 6. und 17. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 3. Mai 1736, in: ASG, Akten, Nr. 612. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 109. Ebd., S. 80 f.
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Allein weibliche Bekanntschaften am Hof spielten keine Rolle – nur ein Blick auf Erzherzogin Maria Elisabeth von Österreich war so außergewöhnlich und besagte Dame von so hohem Rang, dass sie im Schreibkalender Platz fand. Ergänzend dazu wird bereits das enge Verhältnis zu Franz Georg von Schönborn erkennbar, das im weiteren Verlauf näher zu betrachten ist. Zum Schluss soll noch einmal kurz auf das Beispiel der Bauernhochzeit zu Karneval 1730 verwiesen werden. Die Erwähnung des Festes innerhalb des Briefwechsels mit Franz Georg und demgegenüber das Fehlen eines entsprechenden Eintrages im Kalender könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass es sich bei Eleonoras Schreibkalendern nicht um Aufzeichnungen persönlichen, sondern vielmehr um Aufzeichnungen geschäftlichen Charakters handelte.
V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter Das Netzwerk Wolff Metternich / Schönborn V.1 Kölner Domscholasterwahl 1721 Wie bereits erwähnt war Eleonoras Mutter eine Geborene von Schönborn. Eva Rosinas Vater und somit Eleonoras Großvater war der Mainzer Oberamtmann und Begründer der Schönborner Dynastie, Philipp Erwein. Bereits dessen Bruder Johann Philipp (1605–1673) hatte es zum Bischof von Würzburg gebracht. „Geschickte berufliche Platzierungsmaßnahmen und der strategische Ausbau eines einflussreichen Verwandtschaftsnetzes […]“ führten zu einem beispiellosen Aufstieg des fränkischen Adelsgeschlechts, das 1701 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde.430 Zu Eleonoras Vettern gehörten u. a. Johann Philipp Franz von Schönborn (1673– 1724), der 1719 Bischof von Würzburg wurde, Damian Hugo von Schönborn (1676– 1743), seit 1715 Kardinal und späterer Bischof von Speyer, sowie Friedrich Karl von Schönborn (1674–1746), der von 1705 bis 1734 Reichsvizekanzler war, und somit die schönborn’sche Einflussnahme auf Reichspolitik garantierte.431 Besonders engen Kontakt pflegte Eleonora aber zu ihrem Vetter Franz Georg von Schönborn, dessen Werdegang im Folgenden kurz vorgestellt werden soll, um anschließend das Verhältnis zwischen ihm und seiner Cousine zu betrachten. Franz Georg war am 15. Juni 1682 als sechster Sohn des Melchior Friedrich und der Maria Sophie von Boineburg (1652–1726) in Mainz geboren worden und für den geistlichen Stand bestimmt. Unterrichtet wurde er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Marquard Wilhelm (1683–1769), wie dies bei den Schönborns üblich und aufgrund der großen Kinderschar auch sinnvoll war.432 Beide Brüder sollten Domizellare in Trier
430 Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 15; Vgl. auch Karsten, Familienglanz und Reichsgedanke (wie Anm. 144). 431 Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn. 432 Vgl. Franz Zierlein, Franz Georg Graf von Schönborn 1682–1756, in: Herold Jahrbuch 23 (1969/70), S. 79–116, hier S. 84.
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werden. Franz Georg machte 1697 den Anfang. Dabei trat er offenbar an die Stelle seines älteren Bruders Rudolf Franz Erwein (1677–1754), der bereits im Jahr 1690 eine Präbende erhalten hatte. Von dieser resignierte er jedoch sieben Jahre später, vermutlich zugunsten Franz Georgs. Marquard Wilhelm wurde im Jahr 1700 Domizellar in Trier.433 In den Jahren 1702 bis 1706 folgte die Kavalierstour der beiden Brüder, die sie unter anderem nach Salzburg, Venedig, Rom, Siena und Leiden führte. Aufgrund seiner umfassenden Studien und den hervorragenden Verbindungen seiner Familie stand Franz Georg eine glanzvolle Karriere bevor. Im Jahre 1712 wurde er Reichshofrat, ein Jahr später nahm er am Friedenskongress in Utrecht teil und 1717 wurde er Geheimrat am Kaiserhof.434 Doch auch geistliche Ämter konnte er kumulieren: In Speyer wurde er 1722 zunächst Domdekan, 1723 dann Dompropst in Trier. Ein weiteres Amt, das Franz Georg von Schönborn kurz vorher erreicht hatte, findet kaum Erwähnung in biographischen Ausführungen zu seiner Person435: Im Oktober 1721 wurde Franz Georg, soviel sei vorweggenommen, zum Domscholaster des Kölner Erzstifts gewählt. Diese Position mag im Vergleich mit seinen übrigen Ämtern und Würden ins Hintertreffen geraten sein, jedoch bietet der Zeitraum vor der Wahl bzw. die Quellen, die zwischen Ende Juli und Anfang Oktober 1721 entstanden, einen durchaus erwähnenswerten Einblick in die Arbeit des schönborn’schen Familiennetzwerks und insbesondere in das Verhältnis zwischen Franz Georg von Schönborn und seiner Cousine Eleonora Wolff Metternich zur Gracht. Denn tatsächlich scheint sie am Wahlgeschehen des Oktobers 1721 nicht unbeteiligt gewesen zu sein. Den Anfang bildet ein Brief vom 25. Juli 1721436: Gleich im ersten Satz unterrichtete Eleonora ihren „allerliebsten Vetter“ vom Tod des Grafen von Salm. Sie sprach dabei von Wilhelm Graf von Salm-Reifferscheidt, der am 20. Juli verstorben war und bis zu seinem Tod Afterdechant des Kölner Domkapitels war.437 Außerdem, so erklärte sie weiter, habe man sie aus Bonn unterrichtet, „daß der Graf von Blanckenheim die Affterdechaney suchen wird“.438 Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim war 1683 im Alter von sechs Jahren Domizellar in Köln geworden. Sieben Jahre später war er wohl stimmberechtigtes Mitglied des Kölner Domkapitels. Weitere vier Jahre 433 Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S. 184. Vgl. Zierlein, Franz Georg (wie Anm. 432), S. 84. Rudolf Franz Erwein trat in den weltlichen Stand und heiratete Maria Eleonore von Hatzfeld. S. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn. 434 Vgl. Zierlein, Franz Georg (wie Anm. 432), S. 90. 435 Bei ebd. oder Barbara Rothbrust / Wolfgang Schmid, Der Trierer Erzbischof Franz Georg von Schönborn (1729–1756). Ein Kurfürst als Schauspieler im Staatstheater, in: Franz Irsigler / Gisela Minn (Hg.), Porträt einer europäischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in historischen Lebensbildern, Trier 2005, S. 178–205 findet sich kein Hinweis darauf. Lediglich Braubach verweist auf das Amt: Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 237. 436 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Oberhagen, 25. Juli 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 437 Vgl. Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 263. 438 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Oberhagen, 25. Juli 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
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darauf, genauer am 28. Juli 1704, war er als Domscholaster in Köln anzutreffen.439 Wenn dieser sich im Jahr 1721 um das Amt des Vizedechanten bewarb, wurde zwangsläufig die Domscholasterposition frei. Damit war für Franz Georg ein Amt innerhalb des Kölner Domkapitels zum Greifen nahe und seine Cousine setzte ihn umgehend davon in Kenntnis. Zu vermuten ist, dass das Ableben des Vizedechanten Salm-Reifferscheidt abzusehen war und man sich schon vorher über die möglichen Umstrukturierungen innerhalb des Domkapitels ausgetauscht hatte. Eleonora ließ keine Zeit verstreichen und ergriff die ersten Maßnahmen, die eine Wahl Franz Georgs begünstigen sollten: Da neben dem Domkapitel und dem Kurfürsten von Köln auch der Bischof von Münster dem Kandidaten „favorable sein [mußte]“, hatte sie bereits ihren Schwager, Wilhelm Hermann Ignaz von Wolff Metternich zur Gracht, informiert und gebeten für Franz Georg Partei zu ergreifen.440 Wilhelm Hermann Ignaz war seit 1712 Dompropst in Münster, sein Bruder Franz Arnold Josef, Bischof von Münster und Paderborn, hatte ihn seinerzeit bei der Erlangung dieser Würde unterstützt.441 Die Wolff Metternichs hatten daher einen nicht allzu schlechten Stand innerhalb des Münsteraner Domkapitels. Dennoch machte Eleonoras Schwager ihr „keine gar große Hoffnung (wegen der viele und wunderbahrliche Kopf so daselbst sein).“442 Über welche Personen er dieses Urteil fällte, bleibt unklar. Allerdings, so schien der Propst einzuschränken, stünden die Chancen für Franz Georg besser, wenn er es „zu wegen bringen würde, daß die westfahlingische Familie zu Würzburg auch ahngenohmen wurden“.443 Damit scheint er auf den durch seinen Bruder Hieronymus Leopold Wolff Metternich zur Gracht gegründeten, westfälischen Zweig des Adelsgeschlechts mit Stammsitz auf Schloss Wehrden anzuspielen. Zumindest war Franz Wilhelm Wolff Metternich zu Wehrden (1700–1752), ein Neffe des Dompropstes von Münster, ebenfalls 1721 Mitglied des Domkapitels und zwei weitere Söhne der Wehrdener Linie gehörten ebenfalls dem geistlichen Stand an.444 Gut möglich also, dass man sich erhoffte sie auch im Würzburger Domkapitel unterzubringen oder die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Schönborns anderweitig zu nutzen. Tatsächlich war aber nie ein Wolff Metternich Mitglied des Würzburger Domkapitels und es lassen sich auch keine weiteren Verbindungen zu den Schönborns finden. Dass Eleonora in diesem Fall keine Fürsprache gehalten hat, macht schon ihre Reaktion auf den
439 Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 236; Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 266. 440 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Oberhagen, 25. Juli 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 441 Zur Biographie Wilhelm Hermann Ignaz siehe: Friedrich Keinemann, Das Domkapitel zu Münster im 18. Jahrhundert, Münster 1967, S. 245. 442 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Oberhagen, 25. Juli 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 443 Ebd. 444 Zu Franz Wilhelm vgl. Keinemann, Das Domkapitel zu Münster (wie Anm. 442), S. 262. Die beiden anderen Söhne waren August Wilhelm und Carl Adrian (gest. 1755). Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 724.
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Vorschlag ihres Schwagers deutlich: Sie empfand ihn als „weitgesuchte Pretension“.445 Franz Georg versprach sie für weitere Anordnungen zur Verfügung zu stehen. Bevor dieser ihr jedoch schreiben konnte, berichtete sie ihm am 1. August 1721 aus Notkirchen [Nordkirchen] die neuesten Erkenntnisse zur Domscholasterwahl. Gleich nach ihrer Ankunft hatte ihr der Herr von Nordkirchen, kein Geringerer als Obristkämmerer Ferdinand von Plettenberg, mitgeteilt, dass er ein Schreiben des Kurfürsten erhalten habe, mit dem er ihn informierte, dass der Graf von Blankenheim sich um die „Afterdechaney“ bemühe und dass die Domscholasterei an den Grafen von Schönborn fallen sollte. Der Kurfürst wolle ihn dabei unterstützen. Ebenso würde „der Herzog“, gemeint ist wohl Clemens August von Bayern, „durch den Herrn von Notkirchen daß seinige by seinen gutten Freunden auch mitt beytragen wolten.“ 446 Außerdem teilte sie ihrem Vetter mit, dass „die Blanckenheimische Partie einige ialousie auff Euer Liebden [Franz Georg] häget, die mehrere Graffen zu dem End ahn sich zieget und den Graf Fugger […] vor ein Pretendenten zur Scholasterey ausswirfft […].“447 Der noch amtierende Domscholaster wollte sein Amt also nicht Franz Georg von Schönborn überlassen, sondern hatte Joseph Wilhelm Fugger Graf von Kirchberg (1683–1749) als weiteren Anwärter ins Spiel gebracht und ihm offenbar schon die Stimmen einiger Domgrafen gesichert, wie Domherr Franz Kaspar von Francken-Siersdorff (1683–1770)448 dem Obristkämmerer mitgeteilt hatte.449 Eleonora analysierte, „daß Euer Liebden [Franz Georg] nichts im Weg stehet alß die blanckenheimische Ialousie […]“ und mit Hilfe Ferdinand von Plettenbergs hatte sie bereits Möglichkeiten gefunden, dieser entgegenzutreten und Stimmen für Franz Georg zu sammeln.450 Plettenberg selbst würde sich um die Stimme des Kardinals von Sachsen bemühen, womit Dompropst Christian August von Sachsen-Zeitz (1666– 1725)451 gemeint war. Alexius Anton Christian Ferdinand Fürst von Nassau-Siegen (1673–1734)452 sollte ebenfalls durch den Kurfürsten bzw. durch seine Abhängigkeit von Clemens August zur Stimmabgabe für Franz Georg bewogen werden. Öffentlich durfte diese Parteinahme des Kurfürsten bzw. des Herzogs von Bayern selbstverständlich nicht geschehen. Doch auch dafür hatte Eleonora bereits eine adäquate Lösung in
445 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Oberhagen, 25. Juli 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 446 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Notkirchen [Nordkirchen], 1. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 447 Ebd. 448 Zur Person Francken-Sierdorffs vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 241 f. 449 Vgl. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Notkirchen [Nordkirchen], 1. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 450 Ebd. 451 Zu seiner Person vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 235. 452 Zur Person des Prinzen von Nassau vgl. ebd., S. 237.
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petto: Sie brachte den Domherrn Johann Heinrich von Moers (gest. 1728)453 ins Spiel. Dieser sei „das Oracle im großen Negotum“ und auf beiden Seiten angesehen.454 Somit dachte sie ihm die Rolle eines Vermittlers zwischen den Wahlparteien zu und hoffte, dass er für Franz Georg Stimmen gewinnen konnte. Ferdinand von Plettenberg hatte offenbar schon ein entsprechendes Schreiben an den Herrn von Moers aufgesetzt.455 Ginge man davon aus, dass alle erwähnten Domgrafen und -herren auf Seiten Franz Georgs stehen würden, hätte er schon vier Stimmen auf sich vereint.456 In einem Schreiben vom 10. August kommt erstmals Franz Georg von Schönborn selbst zu Wort. Er hoffte, „daß allbereiths ohnerachtet deß Herrn Graffen Fritz von Blanckenheimb eingestreiten ohnanständigen Intriguen die Majora für mich zu der bevorstehender Dombscholasterywahl zusammengesetzet habe […].“457 Um seine Base persönlich darüber zu informieren, „waß dieser [Blankenheim] vor ein feiner Herr seye“ und dass der Kurfürst „entre nous dit sich auch nit allerdings wohl und aufferbawlich darbey aufführe“, wollte er zu ihr auf die Gracht kommen.458 Seiner Wahl vollkommen sicher schien er sich demnach nicht zu fühlen und konnte es kaum erwarten sich genauer mit Eleonora auszutauschen. Er „verlange auf unsere [ihre] entrevue wie die Juden auf den Messiah […].“459 Zum ersten Mal kommt in diesem Brief eine zweite wichtige Person der Gegenpartei zum Vorschein. Nicht nur dem Grafen von Blankenheim wollte Franz Georg „eine rechte naaß“ drehen, wie er unverblümt zugab, sondern auch der Gräfin von Fugger.460 Bei Gräfin Fugger handelte es sich vermutlich um Anna Rebecca Fugger (gest. 1742), geborene Freifrau von Dilherr und zweite Frau des kurkölnischen Oberstallmeisters Franz Fugger (1663–1731). Eine Frau, wie Max Braubach beschreibt, „die er [Kurfürst Joseph Clemens] gerne um sich sah und hoch schätzte“ und die „zeitweise einen erheblichen Einfluss auf ihn ausgeübt“ hat.461 Dieser Einfluss auf den Kurfürsten war dem Domkapitel und wahrscheinlich einem nicht unwesentlichen Teil des Hofstaates ein Dorn im Auge. Schon im Jahr 1700 warf man Joseph Clemens vor, dass sein täglicher Umgang mit der Gräfin, der angeblich bis tief
453 Der Offizial von Moers war u. a. von 1713 bis 1717 Rektor der alten Universität Köln. Vgl. ebd., S. 241; Keussen, Universität (wie Anm. 210), S. 407. 454 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Notkirchen [Nordkirchen], 1. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 455 Ebd. 456 Das Kölner Domkapitel bestand aus 16 Domgrafen und 8 Priesterherren, wobei sie an einer Wahl nicht unbedingt vollzählig teilnahmen. Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 234 f. 457 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 10. August 1721 [Kopie], in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 458 Ebd. 459 Ebd. 460 Ebd. 461 Max Braubach, Kurköln. Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, Münster 1949, S. 283.
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in die Nacht dauerte, „der Würde eines Souveräns und dem Charakter eines Geistlichen widerspreche.“462 Trotz aller, wohl haltlosen, Gerüchte änderte sich nichts an der Stellung, die Gräfin Fugger innehatte. So dürfte sie auch bei der Domscholasterwahl des Jahres 1721 versucht haben, einen ihr unliebsamen Kandidaten – in diesem Fall Franz Georg von Schönborn – auszuschalten. Die Parteien der Domscholasterwahl scheinen sich daher durch zwei ähnliche Paarungen personifizieren zu lassen. Auf der einen Seite die Schönborn’sche Partei: Franz Georg von Schönborn und Eleonora Wolff Metternich zur Gracht – auf der anderen Seite die Blankenheimische Partei: Johann Friedrich von Blankenheim unterstützt von Anna Rebecca Fugger. Diese Konstellation wird im Verlauf des Briefwechsels immer wieder deutlich. Auch wenn Eleonora zunächst über die „plumpe Falschheit“ des Grafen von Blankenheim erstaunt war und ihm solch ein Verhalten offenbar nicht zugetraut hatte, stimmte sie mit ihrem Cousin überein: Die beiden Widersacher „mußen eine pantalonische Naaße bekommen.“463 Drei Tage später hatte Franz Georg einen Plan gefasst: Zwar wäre „[…] die bewuste Sache annoch in vorigen guten Standt […]“, jedoch hielt er es für ratsam, „[…] die Sicherheit […] noch zur Zeit gantz sorgfältig zu verbergen […].“464 Er schlug vor, dass man „den Herrn Obristhoffmeister darauff pressiren solle, das er sich für mich erclären möge, weillen durch dessen und des Herrn Bischoff von Newstatt Stimm ich die Majora ohnfehlbar haben könnte […]“ und sich z. B. Domherr Siersdorff dazu veranlasst sähe, sich auf Franz Georgs Seite zu stellen.465 Gemeint waren Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim und sein Bruder Moritz466. Franz Georg wollte also die Gegenpartei in Sicherheit wiegen und sie überzeugen, dass er ohne ihre Stimmen die Domscholasterwahl nicht gewinnen könnte. Eleonora hatte unterdessen in seinem Auftrag versucht weitere Stimmen zu binden. Der Beichtvater des Kurfürsten, der Jesuit Franz Weydert, der wie Robert Haaß festgestellt hat, „auf die Besetzung der geistlichen Stellen Einfluss nahm“467, agierte im Auftrag Joseph Clemens’ auf Seiten Franz Georgs und forderte in einem Schreiben an Generalvikar Johann Arnold de Reux (1665–1746)468, „fast by ihnen [Franz Georg] stehen zu bleiben.“469 Auch auf Domherr von Siersdorff sollte noch einmal eingewirkt
462 Ebd., S. 284. 463 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Schloss Gracht, 11. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 464 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 14. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 465 Ebd. 466 Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 239. 467 Robert Haass, Die Beichtväter der Kölner Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August (1688–1761), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 155/156 (1954), S. 373–391, hier S. 382. 468 Zu seiner Person siehe Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 243. 469 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 15. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
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werden. Zudem hatte Johann Friedrich von Blankenheim sich bei Eleonora nach Franz Georg erkundigt und auf dessen gute Aussicht bei der Scholasterwahl verwiesen. Eleonora hatte ihm daraufhin geantwortet, dass Franz Georg nur gewinnen könnte, „wan er und sein Herr Bruder byfallen wollte.“470 Moritz von Manderscheid-Blankenheim wollte sich nun aber selbst um das Amt des Domscholasters bewerben. Diese Wende traf die Schönborn’sche Partei gänzlich unerwartet, denn Franz Georg „hatte sich auffs Grafen seiner Wortt verlaßen, der Graff Mauriz würde nichts pretendiren.“471 Daher erklärte Eleonora, dass Franz Georg selbst schon zu weit in seiner Kandidatur gelangt sei, als dass er sie zurückziehen könne. Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim lenkte daraufhin ein, mit Franz Georg reden zu wollen, denn er befand, dass man „deßwegen nit zerfallen, sonder [!] gutte Freund bleiben“ solle.472 Franz Georg wiederum war auch zu diesem Zeitpunkt noch vom „guthen Standt“ ihrer Sache überzeugt. Sorgen machte er sich nur um die Stimme des Generalvikars, den er als äußerst „wanckelmühtig“ einschätzte, „wo [er] nit gahr schon umbgesattelet ist.“473 Wie auch beim Domherrn von Siersdorff hoffte er in diesem Zusammenhang auf die Fürsprache des Kurfürsten. Einen geplanten Besuch bei seiner Cousine für einen ausführlichen Bericht musste er verschieben, „umb den Graf Fritz [von Blankenheim] zu observiren.“474 Zwei Tage später schien sich Grundlegendes verändert zu haben. Nachdem sie zunächst vergeblich versucht hatte mit der Gräfin Fugger über „ihre Sache“ – gemeint kann wohl nur die Domscholasterwahl sein bzw. die Verabredungen diese betreffend – zu sprechen, zeigte Eleonora sich erstaunt über die Freundlichkeit, mit der sie von derselben und Graf Blankenheim empfangen worden war: „[…] so finster das Wetter gestern war, so klar war es heut […].“475 Noch erstaunlicher ist aber ein Brief, den Eleonora ihrem Vetter weiterleitete, den sie „mit hochster Freyd und Verwunderung“ bei ihrem Mann gefunden hatte, dessen Antwort sie in Kopie dem Schreiben an Franz Georg beilegte. Worum es sich dabei genau handelt, bleibt jedoch unklar. Beide Briefe, auf die sie sich bezieht, fehlen. Eleonora konnte nur konstatieren: „[…] diße geschwinde Verenderung ist meinem schwachen Geist zu hoch.“476 Sie überließ es ihrem Vetter die neue Situation zu beurteilen und vertagte ihr Urteil auf den nächsten Tag. Die Stimme des Domherrn von Siersdorff war zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht gesichert. Siersdorff selbst hatte sich sogar öffentlich über Franz Georg beklagt, der ihn bei einem Besuch, mit der Absicht seine Stimme anzubieten, angeblich fast eine Stunde habe warten lassen. Eleonora ordnete diese Behauptung als „querelle 470 471 472 473 474 475 476
Ebd. Ebd. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 15. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 16. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 18. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd.
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d’allemand“ ein, einen Streit den Siersdorff ohne Grund vom Zaun brechen wollte, und daher wohl nur eine weitere Intrige gegen ihren Vetter darstellte, wenn vermutlich auch mit geringem Schaden. Dass Franz Georg zu solch einer Unverschämtheit in der Lage sein könnte, stand für sie völlig außer Frage und war in Anbetracht der Tatsache, dass die Siersdorff ’sche Stimme für ein Wahlergebnis zu Franz Georgs Gunsten nötig war, auch nicht glaubhaft.477 Von einer positiven Veränderung war bei Franz Georg allerdings nichts zu spüren. Nach fast einem Monat „Wahlkampf “ verlor Franz Georg seine bis dahin betonte Ruhe. In einem insgesamt sechseinhalb Seiten umfassenden Brief machte er seinem Ärger Luft. Die gegen ihn gerichteten Intrigen seien „ohnbeschreiblich“ und weder „mit dem guthen Christenthumb“ noch mit „der lieben Wahrheit“ zu vereinbaren. Zugleich wollte er versuchen sich „gegen dergleichen Unternehmungen [zu] schützen […].“478 Auch kam er wieder auf den Grafen von Blankenheim und die Gräfin von Fugger zu sprechen, deren gegen ihn „gebrauchende Ohnarth mich endtlich auch mit Hahren dazu ziehet das Mauhl aufzuthuen undt meine Messures so guth als kan zu nehmen […].“479 Im weiteren Verlauf des Schreibens wurde er noch deutlicher: […] dan Gott lob nit allzu einfältig, viel weniger ein Narr bin und würdt man auch nit so schlechter Ding wie man sich vorstellet einschläferen und bei der Naassen herumbleyden, dan Gott mir auch kein Strohe, sonderen Hirrn in den Kopf gegeben hat, ich versichere, daß man muthwilliger Weiß ein grösseres Fewer ahnstecket, alß man jehmahlen würdt leschen können […].480
Kurz: Er war „[…] sogleich zu Friedt alß Krieg resolviret […]“ und würde die Schlacht („bataille“) auch nicht verlieren, solange der Kurfürst ihn weiterhin protegiere.481 Weiterhin pochte er auf die Einwerbung der Stimmen des Generalvikars und des Domherrn von Siersdorff. Die Beschwerde des letzteren wies er, wie seine Cousine zuvor, als „wahrhaffte querelle d’allemand“ zurück.482 Wie wichtig die Stimmen der beiden Domherren für ihn waren, wird auch dadurch deutlich, dass er als Postscriptum noch einmal darauf verweist. Auch die Intrigen, welche „gar zu deuffelhafft seyendt“, finden dort noch einmal Erwähnung.483 So sicher, wie bis zu diesem Zeitpunkt gedacht, war der Ausgang der Wahl zum Domscholaster dann doch nicht. Das Ausmaß der gegen ihn in Gang gesetzten Intrigen war dem Schönborn offenbar nicht bekannt gewesen. Dies wurde ihm erst durch einen Verbündeten zugetragen. Dabei handelte es sich um
477 478 479 480 481 482 483
Vgl. ebd. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 21. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd. Ebd. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 21. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd. Ebd.
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einen Herrn von Quendel, wohl Johann Thomas Quentel (1696–1777)484, der „wirklich einen Spionen von mir [Franz Georg] bei dem Graf Fugger abgeben“.485 Eleonora versuchte bereits die Verabredungen bei Blankenheim und Fugger klar zu stellen. Zwei Tage zuvor, am 19. August, war Eleonora wieder im Auftrag ihres Vetters in der Hof- bzw. in diesem Fall in der Jagdgesellschaft zugegen. Danach zumute war ihr allerdings nicht. Am selben Tag hatte sie früh morgens die Nachricht erhalten, dass ihre Tochter ein Kind verloren hatte und so zog sie es vor bei ihr zu bleiben. Der Offizial, Johann Heinrich von Moers, hatte jedoch „absolute verlangt“, dass sie sich am Nachmittag bei der Jagdgesellschaft einfinden sollte.486 Sich dieser Anordnung zu widersetzen, wagte sie nicht. Auf der Jagd spielte die bevorstehende Domscholasterwahl eine große Rolle. Auch Gräfin Fugger, „die Fuggerin“, war zugegen und konnte „ihre passion nicht so wohl bergen, dan sie vorgibt“.487 Sie behauptete sogar, Franz Georg habe in einem Schreiben Graf Moritz von Blankenheim seine Stimme angeboten. Eleonora schien es im Gegenzug eine Freude gewesen zu sein, der Fuggerin „klahren Wein“ einzuschenken.488 Kurfürst Joseph Clemens selbst äußerte sich zum Wahlgeschehen dahingehend, dass er eine Kooperation zwischen von Reux und Blankenheim vermutete. Darüber hinaus hatte es „eine rude explication mitt dem Graffen von Blanckenheim“ gegeben, der „allezeit die preference“ des Kurfürsten gehabt hätte, „wenn er es in Zeitten begehrt.“489 Nun konnte er aber nicht mehr auf die Unterstützung des Kurfürsten hoffen. Auf der anderen Seite hätte man „dem Siersdorff betrohet und starck in Euer Liebden [Franz Georgs] faveur zugesetzt […].“490 Der Konflikt hatte solche Ausmaße angenommen, dass der Kurfürst „zu seiner iustification“ einen Bericht nach Bayern geschickt hatte, „dann da wird die Nothafftin ein großen Larme wegen deß Blanckenheim machen und man wird sich einbilten der Churfurst verderbe durch seine Conduite daß gantze Interesse von seinem gantzen Hauß […].“491 Die „Nothafftin“ war die Frau des aus Bayern stammenden Maximilian Freiherr von Notthafft zu Weissenstein (gest. 1763), welcher General der kurkölnischen Truppen war.492 Zwischen Johann Friedrich von Blankenheim und Aloysia von Notthafft herrschte ein besonderes Verhältnis: Montesquieu bescheinigte ihm 1729 „eine lächerliche Abhängigkeit von der Frau des Generals von Notthafft, die ihn ‚wie einen Hund‘ 484 Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 251. Quentel, „Sproß einer bekannten Kölner Buchdruckerfamilie“, war zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied des Domkapitels. Erst ab 1741 hatte er eine Domherrenstelle inne. 485 Ebd. 486 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 20. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 487 Ebd. 488 Ebd. 489 Ebd. 490 Ebd. 491 Ebd. 492 Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 182. Braubach bezeichnet sie als „intrigante Gemahlin des General von Notthafft […]“. Braubach, Kurköln (wie Anm. 461), S. 208.
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behandele.“493 Zudem hatte Eleonora Informationen zu zwei weiteren stimmberechtigten Mitgliedern des Domkapitels: Die Stimme Philipps von Croy (1652–1725)494 war schon anderweitig gebunden und sie hoffte, dass „der Mering nicht auch verführt wird.“495 Franz Georg zeigte sich äußerst zufrieden mit der Arbeit seiner Cousine. Ihren Einsatz empfand er als „mehr als mütterlich erzeichende Sorgfalt und Gnade“, die den erwünschten Erfolg verzeichnete.496 Eine weitere Stimme war auf Seiten Schönborns zu vermerken: Der Kardinal von Sachsen, Christian August Herzog zu Sachsen-Zeitz, d. h. der Dompropst selbst, hatte Franz Georg seine Stimme zugesichert und das auch gegen den Widerstand des Moritz von Blankenheim. Nach Ansicht des Dompropstes sei dieser so häufig abwesend, dass man eine Kandidatur seinerseits für unwahrscheinlich gehalten habe. Für Franz Georg war dies offenbar eine zunächst unsichere Stimme, da er den Propst als „sehr wanckelhafften“ Zeitgenossen einschätzte.497 Doch der Kampf war noch nicht ausgestanden – es fehlten weitere Stimmen, und Franz Georg befürchtete neue Intrigen, die in der Abwesenheit Eleonoras am Kurfürstenhof gesponnen werden konnten.498 Zu den noch nicht gesicherten Stimmen gehörte die „von dem Stablo“, Johann Ernst von Löwenstein-Wertheim-Rochefort (1667– 1731)499, und die Stimme des Anton Maria Friedrich Graf von Fürstenberg-Stühlingen500. Beide hatten offenbar auf Franz Georgs Bitten noch nicht reagiert. In Bezug auf Franz Kaspar von Francken-Siersdorff mahnte er zur Vorsicht, denn diesem sei „absolute nit zu trawen“.501 Er schien ein doppeltes Spiel zu spielen. So wie er Karl Baron von Glimes (gest. 1738) sein Wort gegeben hatte, für Franz Georg zu stimmen, so hatte er auch auf der Seite der Blankenheims seine Stimme versprochen. Gerade deswegen war es notwendig Siersdorff besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Baron Glimes sollte sich noch einmal schriftlich an ihn wenden und bei dieser Gelegenheit dem Wunsch Ausdruck verleihen, dass Siersdorff sein Wort in Sachen Domscholasterei halten werde.502 Scheint sich die Korrespondenz bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich zwischen Franz Georg und seiner Cousine abgespielt zu haben, wird sie Ende August zumindest
493 Zitiert nach Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 236. 494 Siehe ebd., S. 235. 495 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 20. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Gemeint war Heinrich von Mering (1667–1735), seit Ende 1698 Domherr zu Köln. Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 241; Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 292; Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 10, Mappe 806 „Mering“, S. 384. 496 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 23. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 497 Ebd. 498 Eleonora hatte offenbar vor auf die Gracht zu reisen. Vgl. ebd. 499 Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 238. 500 Über ihn ist außer der Dauer seiner Domherrenzeit (1686–1724) kaum etwas bekannt. Vgl. ebd., S. 240. 501 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 23. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 502 Ebd.
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für einen Brief auch auf Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht ausgeweitet. In einem kurzen Schreiben dankte Franz Georg für die „vielfaltig bezeichende Gnaden und trewe Sorgfalt“ und bat darum, die „viel vermögende Assistenz“ des Wolff Metternich’schen Paares fortzusetzen.503 Gleichzeitig versicherte er seinem Vetter, dass er sein Glück, d. h. die Positionen und Ämter, die er durch ihre Unterstützung erlangen sollte, immer mit seinen Angehörigen teilen werde. Dazu habe er „so viele Verbindlichkeiten und einen natürlichen Trieb durch das Blut“.504 Die Hilfe bei der Domscholasterwahl würde nicht umsonst sein. Vom Wahlgeschehen einmal abgesehen entschuldigte sich Franz Georg zunächst offenbar dafür, dass er nicht auf Französisch, sondern auf Deutsch schrieb. Seine Briefe an Eleonora sind fast alle auf Deutsch verfasst und scheinen dadurch vermutlich zur Privatkorrespondenz zu gehören. Das Schreiben an den Obristkämmerer und somit einen Beamten „erster Klasse“ des kurkölnischen Hofes war dagegen offiziellerer Natur. Aber da Johann Adolf „ohnedem bekant [war] wie ein schlechter Franzos ich [Franz Georg] seye“, zog der Schönborn es vor „mit einem teutschen auffrichtigen Herzen und Feder“ seinen Dank zu erstatten.505 Der Obristkämmerer schickte am selben Tag aus Bonn eine kurze Notiz an Franz Georg im Auftrag seiner Frau, die auf dem Land weilte – sie befand sich wohl wie angekündigt auf der Gracht. Johann Adolf war offenbar ein „besserer Franzose“ – er antwortete auf Französisch. Der Brief, den er von Eleonora weiterleitete, ist jedoch nicht erhalten.506 Eleonora selbst wies alle Komplimente und Danksagungen von Seiten ihres Vetters zurück. Ihrer Ansicht nach leistete sie einen zu geringen Beitrag und schrieb, „[…] que tout votre bonheur sait entre mes mains vous serez le plus content de tout les mortelles.“507 Größeren Raum gab sie neuerlichen Begegnungen mit dem Grafen von Blankenheim. Dieser „ist gegen mich [Eleonora] auf alten Schlender, c’est a dire, ganz freundlich […]“ und hatte sich selbst bei ihr eingeladen.508 Daraufhin hatte Eleonora vermutlich Gräfin Fugger auch hinzugebeten.509 „[…] dieß muß man nur langsamb und mitt Douceur auff ein gutten Weg bringen“, teilte sie ihrem Vetter mit, wobei diese Strategie nur Erfolg hätte, wenn nicht „böse Leith darzwischen“ gingen.510 Die Parteien schienen sich langsam wieder anzunähern. So machte es zumindest bei einem weiteren Gespräch zwischen Blankenheim und Wolff Metternich den Eindruck. Denn auch 503 Franz Georg von Schönborn an Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht, Köln, 24. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 504 Ebd. 505 Ebd. 506 Johann Adolf II. Wolff Metternich zur Gracht an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 24. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 507 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 23. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 508 Ebd. 509 Im Brief selbst spricht sie von der „lieben getrewen“, womit wahrscheinlich die Gräfin Fugger gemeint ist, die an anderer Stelle im Brief erwähnt wird. 510 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 23. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
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in diesem Fall beteuerte der Graf, die Freundschaft zwischen den beiden Häusern würde weiter bestehen und Franz Georg hätte jedes Recht, sich um das Scholasteramt zu bewerben. Außerdem stünde die Wahl erst in zwei Monaten an – es könne sich alles noch zum Vorteil für den Schönborn entwickeln. Eleonora ließ sich von solchen Äußerungen jedoch nicht um den Finger wickeln. Sie wusste das Gesagte als „terme generale“ einzuordnen, „qui ne font rien à l’afaire [!]“.511 Anderen gegenüber äußerte sich Blankenheim dahingehend, dass Franz Georg seine Kandidatur fallen lassen würde, wenn Moritz von Blankenheim das Amt anstrebe. Dies entsprach wohl der ursprünglichen Verabredung, spielte aber nach den vorangegangenen Auseinandersetzungen keine Rolle mehr.512 Sicher war nun, dass Johann Friedrich von Blankenheim Afterdechant werden wollte und wie Eleonora vermutete, würde man die Wahl des Domscholasters möglichst lange hinauszögern, um dann letzte Hiebe gegen Wahlgegner auszuteilen. Vorläufig schien sie aber von einem weiteren Eingreifen abzusehen. Dagegen sprachen ihre Ausführungen zu den Gemütszuständen der Gräfin Fugger und des Kurfürsten: „Die Fuggerin ist in einem bestialischen Humor [und] der Churfurst ist heit auch nicht gar traittable“.513 In dieser Situation war es nicht möglich, positiv auf das Wahlkampfgeschehen einzuwirken. Franz Georg hatte unterdessen die Stimme des Generalvikars de Reux binden können. Er hoffte jedoch, dass der Hof ihn nicht gleich wieder „umbsattele, wie er [der Hof] mir ihn zu gebracht.“ Ebenfalls auf der „Habenseite“ konnte die Stimme Heinrichs von Mering verbucht werden. Im Falle des Domherrn von Siersdorff schien Franz Georg jegliche Hoffnung aufgegeben zu haben. Es müsste schon ein „miracula geschehen“, um diesen „verstockten Sünden“ dazu zu bewegen seine Stimme dem Schönborn zu geben.514 Alle Energie wurde jetzt in Bemühungen um die Zusage des Fürsten von Stablo gesetzt. Zu diesem Zweck hoffte Franz Georg auf die Unterstützung „anderer guther Freundt“, die nicht näher genannt werden.515 Auch in diesem Brief nehmen die vielgenannten Intrigen einen großen Raum ein. Längst hatten „die Passiones und der Neydt“ gegen Eleonoras Cousin ein solches Ausmaß angenommen, dass die Ursache nicht allein in der Kandidatur um die Domscholasterstelle liegen konnte. Doch mit dem Ausmaß der Anfeindungen wuchs auch Franz Georgs Kampfgeist. Zur Not würde er bis nach Wien gehen, um dort „unter der Handt […] guthe Diensten zu thun“ und so die Intrigen zu unterbinden, bevor man die Kon-
511 512 513 514 515
Ebd. „[…] die sach hatt sich geendert, also wollen wir uns auch nit mit raisoniren aufhalten.“ Ebd. Ebd. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 26. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd.
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trolle darüber verlor. Eleonora wurde aufgetragen über diese Angelegenheit mit Baron Glimes zu sprechen.516 Für die Gräfin von Fugger und ihren bestialischen Humor hatte Franz Georg kein Verständnis – sie sei geradezu „närrisch“. Dem Grafen von Blankenheim und dessen Plänen zur Wahlverzögerung wollte er auch entgegenwirken. 517 Einen Tag später sah Franz Georg weitere Möglichkeiten die bevorstehende Wahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen und schickte seiner Cousine, um keine Zeit zu verlieren, einen ausführlichen Brief per Express nach Bonn. Man hatte ihn informiert, dass Weihbischof Johann Werner von Veyder (1657–1723)518 noch vollkommen frei in seiner Wahlentscheidung war. Die Blankenheim’schen Versuche, ihn für ihre Seite zu gewinnen, waren bislang gescheitert. Johann Friedrich hatte die Gelegenheit während eines persönlichen Gesprächs verstreichen lassen und ein Brief seines Bruders war noch nicht einmal bis zum Weihbischof vorgedrungen, sondern bei einem Kaplan „gestrandet“. Des Weiteren hatten Franz Georgs Informanten versichert, der Schönborn stünde „in sehr guthem Ansehen und Gedancken“ beim Weihbischof. Die einzige Leistung des Grafen Moritz von Blankenheim sei die Beratung des Weihbischofs in medizinischen Dingen gewesen. Vermutlich hatte er letztgenanntem einen Arzt zur Behandlung eines Geschwürs empfohlen. Ob es sich dabei um ein Verdienst an der Kirche handelte, das den Blankenheim zum Domscholaster befähigte, wagte Franz Georg stark zu bezweifeln.519 Die Gelegenheit schien günstig, auf die Entscheidung des Weihbischofs einzuwirken. Freilich konnte Franz Georg nicht selbst bei Johann Werner erscheinen. Ein Brief des kurfürstlichen Beichtvaters sollte den gewünschten Erfolg bringen. Über den Inhalt hatte er äußerst konkrete Vorstellungen und diktierte ihn Eleonora. Der Beichtvater, der als Landsmann des Weihbischofs520 gewiss ein hohes Ansehen bei letzterem genoss, sollte nicht direkt im Namen des Kurfürsten schreiben. Vielmehr sollte er einleitend mit der Freude über die Genesung des Weihbischofs, die sowohl bei ihm als auch beim Kurfürsten groß wäre, beginnen. Danach sollte er auf die bevorstehenden Wahlen zu sprechen kommen. Er hätte nämlich gehört, dass bezüglich der Afterdechanei die Wahl einstimmig auf Johann Friedrich von Blankenheim und bezüglich der Domscholasterei die Mehrheit der Stimmen auf Franz Georg fallen würde. Auch der Kurfürst müsste einen solchen Wahlausgang begrüßen, weil „der Kirche damit zum besten gedienet“ wäre. 521 Danach sollte der Beichtvater auf die Verdienste beider Kandidaten zu sprechen kommen, wobei er von Franz Georg berichten könnte, „daß ich 516 517 518 519 520 521
Ebd. Ebd. Zu seiner Person vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 240 f. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 27. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Beide stammten aus Luxemburg. Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 240 f.; Haass, Beichtväter (wie Anm. 467), S. 381. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 27. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
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[er] ein guther und exemplarischer Geistlicher, auch ein Mann wär, der sich sehr applicirte, mithin sowohl durch mich selbsten, alß durch die meinige der Kirchen und dem Erzstifft grosse Diensten thuen könte […].“522 Ob dieses offensive Werben mit seinen Fähigkeiten und der Hinweis auf die Mittel der Schönborn-Dynastie tatsächlich dem Wesen eines „exemplarischen Geistlichen“ entsprach, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Franz Georg war davon überzeugt, dass diese Worte, geschrieben von der Hand des Beichtvaters, ihre Wirkung nicht verfehlen sollten. Gleichzeitig versprach er sich dadurch, dem Grafen von Blankenheim einen Schlag zu verpassen, der sich, sollte er davon erfahren, „darüber wenigstens mit Rechten ärgern könte.“ Denn dass der Beichtvater auf Seiten des Schönborns agierte, war ein offenes Geheimnis am Hof.523 Den Fürsten von Stablo hatte Franz Georg hingegen noch nicht konkret verpflichten können. Ein Schreiben des Fürsten, welches „der Quentel“ per Express zu Franz Georg brachte, gab jedoch Anlass zur Hoffnung. Sorgen bereiteten ihm vielmehr die häufigen Besuche des jungen Quentels – seine Vertraulichkeit wurde ihm „fast ein wenig zu groß und zur Last“. Er fürchtete, sich beim Kurfürsten verdächtig zu machen und bat Eleonora wieder einmal in seinem Namen bei Baron Glimes vorzusprechen und auf seine „Ehr und Sehligkeit“ zu versichern, dass er dem Kurfürstenhaus nicht schaden, sondern vielmehr dienen wolle.524 Weiter wusste er zu berichten, dass Graf Fugger, also Joseph Wilhelm Fugger Graf von Kirchberg, sehr eng mit Johann Ernst von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, dem Fürsten von Stablo, verbunden sei und nie als Kandidat für das kurkölnische Haus vorgeschlagen worden wäre. Dies alles unterlag größter Geheimhaltung, wollte Franz Georg doch weiterhin Unkenntnis vortäuschen, und lediglich durch seine Dienste an der Kirche auf sich aufmerksam machen, die seiner Ansicht nach weit schwerer wogen als die des Grafen von Blankenheim. Er erbat sich mehrmals absolute Verschwiegenheit, um das in ihn gesetzte Vertrauen nicht zu verlieren. Die gewonnenen Informationen könnte man bei günstiger Gelegenheit gewinnbringend einsetzen. Besonders erwähnt wird zum Ende des Briefes Ferdinand von Plettenberg, der ebenfalls nicht weiter eingeweiht werden sollte. Für ihn wäre es ausreichend zu wissen, dass Franz Georg zur rechten Zeit „zu dienen in dem Stand seye“ und „auch genugsames Hirn dazu hätte.“ 525 Um sich ausführlicher zu beraten, drängte er auf ein Treffen mit Johann Jakob Waldbott von Bassenheim als weiterem Mitglied der Schönborn-Wolff-Metternich-Partei. Eleonora konnte die Aussagen zu Johann Werner von Veyder nicht bestätigen. Ihres Wissens nach setzte Graf von Blankenheim alles daran, sich bei erstgenanntem einzuschmeicheln. Umso mehr war jedoch der Einsatz ihres Vetters in dieser Angele522 523 524 525
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.
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genheit für sie nachvollziehbar. Allerdings konnte oder wollte sie nicht diejenige sein, welche dem Beichtvater den Brief an den Weihbischof diktierte. Sie schlug vor, dass Franz Georg entweder selbst das Wort an Weydert richten oder – diese Möglichkeit zog sie vor – der Herr von Merl diese Aufgabe übernehmen sollte.526 Sie konnte zunächst nichts weiter tun, da sie auf Wunsch des Kurfürsten nach Brühl zu gehen hatte. Joseph Clemens befand sich zum Zeitpunkt des Schreibens in Köln. Dort sollte sich nach Eleonoras Meinung für Franz Georg die Gelegenheit bieten, mit ihm selbst zu reden. Für das Gespräch mit dem Herrn von Bornheim schlug sie ein Treffen auf der Gracht vor. Allerdings müsse dies bald geschehen, da der Kurfürst sein Kommen angekündigt habe. Bei der Gegenpartei Blankenheim-Fugger schienen sich gewisse Veränderungen einzustellen. Zumindest schien die Fuggerin „den Kopf durch die Schlingen ziehen“ zu wollen und auch beim Blankenheim sähe es so aus, als wüsste er, „waß zu thun ist“.527 Möglicherweise hatten Franz Georgs Bemühungen um Stimmen und sein immer wieder thematisierter Gegenangriff gegen die Intrigen gefruchtet. Schon am Tag darauf vermeldete Eleonora weitere – positive – Nachrichten: Der Kurfürst habe Franz Georg in Köln gesehen und letzterer habe im Gegensatz zu Ferdinand von Hohenzollern (1692–1750) einen erfreuten Eindruck gemacht. Um kein Aufsehen zu erregen, hatte er zwar nicht selbst mit dem Schönborn gesprochen, jedoch „erfrewe er sich von Hertzen“, dass man Johann Arnold de Reux habe gewinnen können.528 Baron Glimes hatte sie in der Zwischenzeit aufgetragen, sich um den Brief an den Weihbischof zu kümmern. Sie selbst reiste mit ihrem Mann nach Köln und versprach beim Kurfürsten wegen der zu engen Vertraulichkeit des Herrn von Quentel vorzusprechen und eventuelle Bedenken zu zerstreuen. In der Zwischenzeit war offenbar auch Moritz von Blankenheim in Köln eingetroffen, von dem sich Eleonora erhoffte, er „seye so raissonable [von der Domscholasterstelle] abzustehen.“529 Ob der Beichtvater des Kurfürsten den erhofften Brief an Weihbischof von Veyder tatsächlich verfasst und abgeschickt hat, ist unklar. Am 31. August setzte sie ihren Cousin davon in Kenntnis, dass die geplante Reise des Erzbischofs nach Lüttich, die an der Gracht vorbeiführen sollte, aufgrund einer schweren Erkrankung des Beichtvaters verschoben worden war.530 526 Vgl. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 27. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 527 Ebd. 528 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Schloss Gracht, 28. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 529 Ebd. 530 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Schloss Gracht, 31. August 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Dass die Krankheit des Beichtvaters der eigentliche Grund für die verzögerte Abreise war, war Eleonoras Vermutung. Aus anderen Schreiben hatte sie erfahren, dass der Kurfürst in Bonn auf eine Lieferung von Schildkröten wartete, die er selbst nach Brühl in ein neues Gehege bringen wollte. Dies schien Eleonora allerdings wenig plausibel. Sie selbst hatte auf Schloss Gracht schon Vorbereitungen für den Aufenthalt des Kurfürsten getroffen und beklagte sich, dass „das masacre von Sveinen [!], Hühnern und Gänsen […] umbsonst“ gewesen war.
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Franz Georg hatte unterdessen andere Informationen bezüglich der Lütticher Reise erhalten: Sie sollte zwar wie geplant stattfinden, jedoch zu seinem Entsetzen nicht über Schloss Gracht führen. Dies hatte er bereits als schlechtes Zeichen gewertet, war sich aber sicher, trotzdem seine Pläne umsetzen zu können. Er glaubte sogar so weit vorangeschritten zu sein, dass er auf den Generalvikar de Reux hätte verzichten können. Dennoch war er froh von seiner Cousine zu erfahren, dass die Reise verschoben worden war.531 Ein weiteres Schreiben vom 31. August war ihm aber noch wichtiger: Sein Onkel Lothar Franz von Schönborn, niemand geringerer als der Kurfürst von Mainz, hatte ein Empfehlungsschreiben für seinen Neffen verfasst. An Eleonora war es nun den Inhalt dieses Schreibens, dessen Tenor die Rechtschaffenheit Franz Georgs war, beim Kurfürsten und Baron Glimes bekannt zu machen. Ziel war, die gegen Franz Georg inszenierten Intrigen als solche zu enttarnen.532 Bezüglich der Lütticher Reise wandte sich schließlich der Kurfürst selbst an Eleonora. Diese sei aufgrund der Krankheit des Beichtvaters bis zum 13. September verschoben. Andere vermuteten gar, dass sie überhaupt nicht stattfinden sollte. In jedem Fall gab es keinen Grund zu der Annahme, dass eine tiefere Bedeutung in der Absage der Reise für die Bewohner von Schloss Gracht und deren Verwandte bestanden hätte.533 Für den Graf von Blankenheim hoffte Eleonora, dass er endlich einsehen möge, dass sein Bruder bei der Domscholasterwahl keinen Erfolg haben würde. Doch Eleonora thematisierte nicht nur die Wahl in ihrem Schreiben. Sie zitierte auch wörtlich eine Passage aus dem Schreiben des Kurfürsten, in der vermutlich von einem weit höheren Amt die Rede ist: „Ich sage Ihnen, daß mein Bruder mir schreibt, er denke absolute nicht vor den Herzog Theodor auf Trier […], kann also unser Nachbahr vor sich arbeitten, mein Churhauß wird sich sicher ihme nicht oponiren.“534 Womöglich spielte er hier auf die Kurfürstenwürde von Trier an. Kurfürst Max Emanuel von Bayern könnte seinen Sohn Johann Theodor als Nachfolger Franz Ludwigs von Pfalz-Neuburg ins Gespräch gebracht haben.535 Franz Georg von Schönborn könnte nun der nicht näher benannte „Nachbar“ sein, dem das Kurhaus Bayern keine Steine in den Weg legen wollte. Dazu passt, dass Franz Georg seiner Cousine in einem Brief vom 4. September unter größter Geheimhaltung mitteilte, dass der Kurfürst von Trier ernsthaft erkrankt war.536
531 532 533 534 535
Ebd. Ebd. Vgl. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. D.], in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Vgl. ebd. Dadurch wären drei Kurfürstentümer in „bayrischer Hand“ gewesen: Kurbayern, Kurköln und Kurtrier. 536 Vgl. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 4. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg starb erst im Jahr 1732. Sein Nachfolger war allerdings tatsächlich Franz Georg von Schönborn.
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Am gleichen Tag war auch die erste Wahlentscheidung gefallen. Wie angekündigt war Johann Friedrich von Blankenheim einstimmig zum Afterdechanten gewählt worden. Der soeben von der Wahl heimgekehrte Franz Georg teilte Eleonora darüber hinaus mit, dass der Domherr von Siersdorff nach wie vor nicht auf ihrer Seite war. Alles Weitere sollte ein persönliches Gespräch der beiden zu Tage fördern.537 Dies verhinderte jedoch ein Besuch des Kurfürsten auf der Gracht, sodass Eleonora sehr zu ihrem Missfallen nicht wie geplant mit ihrem Mann nach Köln reisen konnte.538 Mitte des Monats hatte Franz Georg seine ursprüngliche Zuversicht wieder vollkommen zurückerlangt. Die Querelen mit dem neugewählten Afterdechanten waren aus der Welt geschaffen. Letzterer vertrat nun gar einen völlig gegenteiligen Standpunkt: Gegenüber Dritten gab er zu, dass er für seinen Bruder in der Domscholasterangelegenheit nichts mehr tun konnte. Vor Franz Georg konnte er dies freilich nicht offen eingestehen. Dieser fand seine „Sachen in besten terminis“ und konnte weiterhin auf die Unterstützung des Kurfürsten bauen. Darüber hinaus schien sich die Erkrankung des Trierer Kurfürsten bestätigt zu haben. Er befände sich aber bereits auf dem Wege der Besserung.539 Zumindest in dieser Sache musste – vorerst – nichts unternommen werden. Die guten Nachrichten bezüglich der Blankenheimischen Partei mehrten sich. Auch Friedrich Karl von Schönborn, älterer Bruder Franz Georgs und Reichsvizekanzler, war involviert und unterrichtete den Jüngeren von einem Treffen mit Moritz von Blankenheim. Dieser hatte tatsächlich Abstand von einer Kandidatur um die Scholasterstelle genommen und war bereit Franz Georg zu unterstützen. In seinen Augen müsse man sich nicht verfeinden, wenn man in Zukunft noch voneinander profitieren konnte. Selbstverständlich wollte das Geschlecht der Blankenheim nicht die Verbindung mit einem solch einflussreichen Partner wie der Schönborn-Dynastie auf Spiel setzen, wenn die eigenen Erfolgsaussichten auf ein Scholasteramt eher gering waren. Franz Georg hätte sich nur gewünscht, „daß man […] ehender die Raison hat Meister seyen lassen.“540 Dennoch war er mit dem späten, aber glücklichen Ausgang der Streitigkeiten höchst zufrieden, sodass er seinem Dank an Gott und gute Freunde, insbesondere aber auch guten Freundinnen – eine eindeutige Anspielung auf Eleonora – Ausdruck verlieh. Getrübt wurden die Nachrichten nur durch die Krankheit eines bisher unerwähnten Domherrn, Joseph Heinrich Graf von Hatzfeld und Gleichen (gest. 1721), den Franz Georg als besonders rechtschaffenen und ehrlichen Mann hervorhob.541
537 538
Ebd. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Schloss Gracht, 11. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 539 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 19. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 540 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 21. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 541 Vgl. ebd und Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 282.
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Tatsächlich sollten sich die Befürchtungen bestätigen: Graf von Hatzfeld verstarb und Eleonora fürchtete der Tod und der daraus folgende Stimmenverlust würde die bevorstehende Wahl negativ beeinflussen. Zudem befand sich Franz Georg selbst nicht bei bester Gesundheit und ein zweiter Todesfall – der nicht näher benannt wird – setzte ihm ebenfalls zu.542 Daneben wusste sie auch vom schlechten Zustand des Fürsten von Croy, des aktuellen Domdechanten, zu berichten, weshalb sich der Kurfürst offenbar auf den Weg nach Köln gemacht habe.543 Franz Georg versuchte Eleonoras Sorgen wegen seines Gesundheitszustands zu zerstreuen, war aber nicht in der Lage, selbst zur Feder zu greifen. Stattdessen diktierte er seinem Schreiber einen weiteren Krankheitsfall. Der Kurfürst hatte sich offenbar auf der Jagd „nit wohl befunden“ und Franz Georg befürchtete schon, dass sie „ein gemeinsammes Leydt überkommen möge“.544 Zumindest in Sachen Domscholasterei stand alles weiterhin zum Besten. Sogar Weihbischof von Veyder hatte mittlerweile seine Zustimmung kundgetan. Der Tod des Grafen von Hatzfeld sollte ebenfalls keine Auswirkungen auf die Wahlvorbereitungen haben. Daneben wurden auch die zurückliegenden Intrigen bzw. deren Auswirkungen noch einmal thematisiert. Der daraus entstandene Schaden für Franz Georg sollte möglichst behoben werden. 545 Eleonora bangte nun sowohl um die Gesundheit ihres Vetters als auch um die des Kurfürsten, von dem sie hoffte, er würde das Kurfürstentum noch lange verwalten. Sie hatte unterdessen vernommen, dass man den Kurfürsten von Trier dazu bewegen wollte zu heiraten. Tatsächlich war Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg der letzte männliche Nachkomme seines Geschlechts. Sogar der Papst sollte in diese Angelegenheit involviert sein und den Trierer Kurfürsten zur Heirat drängen und auch Kardinal von Schönborn – bei dem es sich nur um Franz Georgs Bruder Damian Hugo handeln konnte – sollte sich einbringen. Eleonora hatte zudem konkrete Vorstellungen wie diese beiden Erzbischöfe ersetzt werden könnten, verzichtete allerdings darauf Namen zu nennen. Auch Ferdinand von Plettenberg war in Bonn angekommen, wobei sich ihr der Grund dafür nicht erschloss. Allgemein herrschte ein „sehr übler Humor“ am Hof, der sich jedoch nicht gegen sie und somit wohl auch nicht gegen Franz Georg richtete.546
542 Vgl. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. D.], in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Eleonora spricht von zwei Todesfällen. Neben dem Tod des Grafen von Hatzfeld kommt ein Todesfall im familiären Umfeld in Frage: Franz Georgs Schwester Anna Maria Philippine war am 14. September verstorben. 543 Vgl. ebd. Philipp Heinrich Herzog von Croy war seit September 1720 Domdechant in Köln und verstarb erst am 2. Mai 1724. Vgl. Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 261. Zu seiner Person außerdem: Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 235 f. Braubach gibt als Sterbejahr 1725 an. 544 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 28. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 545 Vgl. ebd. 546 Vgl. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 30. September 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
V.1 Kölner Domscholasterwahl 1721
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Sonst wäre der Ausgang der Wahl, welche in sechs Tagen stattfinden sollte, vielleicht noch in Gefahr gewesen. Franz Georgs Zustand besserte sich langsam. Er hoffte der „bevorstehenden Festivität persönlich beiwohnen zu können […].“547 Zu dieser Feier lud er den Obristkämmerer Johann Adolf Wolff Metternich und dessen Schwiegersohn Johann Jakob Waldbott von Bassenheim ein. Auch er wusste Neuigkeiten aus verschiedenen Kurhäusern zu berichten. Er war von der Krankheit des gemeinsamen Onkels und Kurfürsten von Mainz, Lothar Franz von Schönborn, unterrichtet worden. Selbst Franz Georgs Bruder Anselm Franz (1681–1726) sei durch einen Eilboten nach Mainz gerufen worden. Weitere Entwicklungen, ob positiv oder negativ, müssten abgewartet werden. Dass der Trierer Kurfürst zur Heirat bewegt werden sollte, war auch Franz Georg schon zu Ohren gekommen. Mehr noch – der Kurfürst sei mittlerweile entschlossen, den geistlichen Stand zu verlassen. Dies sei auch der Grund, aus dem Freiherr von Plettenberg in Bonn anwesend sei. Er selbst riet aber von jeglichen voreiligen Unternehmungen in dieser Hinsicht ab.548 Zwei Tage später war der Ausgang der Domscholasterwahl zu Gunsten Franz Georgs so gut wie sicher. Johann Friedrich von Manderscheid-Blankenheim hatte ihm tags zuvor vier Schreiben zugeschickt: Ein eigenhändiges sowie eines von seinem Bruder Moritz – beide sicherten ihre Stimmen zu – und außerdem die Handlungsvollmachten, „chartes blanches“, von Joseph Wilhelm Fugger von Kirchberg und einem Ferdinand, bei dem es sich vermutlich um Johann Ferdinand Erbtruchsess von Waldburg (1705– 1773) handelte.549 Dass es sich nicht um Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen handeln konnte, wird im nächsten Satz deutlich. Sowohl Franz Anton (1699–1767) als auch Ferdinand von Hohenzollern waren abgereist, um nicht an der Wahl teilnehmen zu müssen.550 Einen Tag später übermittelte Eleonora ihrem Vetter neben guten Wünschen zu seinem Namenstag auch ihre Gedanken bezüglich der Hohenzollern. Diese seien zwei „Bieresel“. Außerdem informierte sie ihn, dass sich neben dem Grafen von Blankenheim, auch Ferdinand von Plettenberg in Köln einfinden würde.551 Zwei weitere Tage später wünschte sie ihm in einem kurzen Schreiben Glück für die bevorstehende Wahl, da „niemand in der Welt“ so viel Anteil daran nähme wie sie. Verbunden damit war die Hoffnung, dass Franz Georg „in dieser newe[n] und hoffentlich noch andere[n] Digniteten“ auch an sie „als eine[n] wahre[n] Freund und Dienerin“ denken möge.552 547 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 1. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 548 Vgl. ebd. 549 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 3. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Vgl. Roth, Das kölnische Domkapitel (wie Anm. 217), S. 284. 550 Vgl. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 3. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Zu den beiden Hohenzollern vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 244 f. 551 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 4. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. 552 Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 6. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206.
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V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter
Gratulieren konnte sie ihrem „lieben Domscholaster, der hundert Jahr leben soll,“ einen weiteren Tag später. Auch der Kurfürst war höchst zufrieden mit dem Ausgang der Wahl, wie er Eleonora selbst mitteilte. Dies nahm sie zum Anlass ihren Vetter daran zu erinnern, per Express ein Dankschreiben an Joseph Clemens zu schicken.553 Noch am selben Tag beantwortete der neugewählte Scholaster alle drei Schreiben seiner Cousine und gab dabei (wenige) Details der Wahl preis: Wie Johann Friedrich von Blankenheim vor ihm zum Afterdechanten, wurde auch Franz Georg einstimmig zum Domscholaster gewählt. Erstgenannter war auch selbst bei der Wahl zugegen. Dies rechnete Franz Georg ihm hoch an und war diesem nun „aller erdenckliche Obligation“ schuldig. Für den Kurfürsten hatte Franz Georg ein Dankschreiben beigelegt, welches Eleonora überbringen sollte. Der neugewählte Domscholaster zweifelte nicht daran, dass ein „so habiler Advocat“ wie Eleonora es im Wahlkampf gewesen sei, nun auch eine „guthe Fursprecherin“ beim Kurfürsten sein werde.554 Da er selbst mit Notifikationsschreiben vollauf beschäftigt war, fügte Franz Georg nur noch eine kurze Bemerkung über den Gesundheitszustand des Mainzer Erzbischofs an, der sich auf dem Weg der Besserung befände. In einem Nachsatz teilte er seiner Cousine noch mit, dass Franz von Hohenzollern nun doch an der Wahl teilgenommen hatte, mit deren Ausgang dieser aber ganz und gar nicht einverstanden war. Im Gegensatz zu seinem Bruder Ferdinand von Hohenzollern, der, wie bereits erwähnt, gar nicht erst erschienen war – ein Umstand der für Franz Georg „gantz lächerlich“ schien: Man könnte sich in Zukunft schließlich nicht immer aus dem Weg gehen.555 Am 8. Oktober wandte sich Eleonora noch einmal an ihren Vetter und bat ihn, möglichst bald dem Kurfürsten seine Aufwartung zu machen, da dieser sehr „empfindlich […] auf dergleichen attentionen ist“.556 Franz Georgs Gesundheitszustand und seine Antrittsbesuche als neuer Domscholaster hatten einen Besuch beim Kurfürsten aber noch nicht zugelassen.557 Er verließ sich vorerst weiterhin auf die Fürsprache seiner Cousine am Hof. Gelegenheit dazu hatte Eleonora wohl schon am 8. Oktober – sie war zum Mittagessen bei Gräfin Fugger eingeladen.558 Mit diesen beiden letzten Schreiben des Wahlkampf-Gespanns endet die Korrespondenz, welche sich mit der Domscholasterwahl des Jahres 1721 befasst.
553 554 555 556 557 558
Eleonora an Franz Georg von Schönborn, Bonn, 7. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 206. Ebd. Ebd. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 8. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 205. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Köln, 11. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 205. Eleonora an Franz Georg von Schönborn, [o. O.], 8. Oktober 1721, in: StAW, SAW Franz Georg, 205.
V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729
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V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729 Auch das wohl bedeutendste Amt Franz Georgs von Schönborn findet in Elenonoras Aufzeichnungen Erwähnung: Im Jahr 1729 nahm sie Eintragungen zu seiner Wahl zum Kurfürsten von Trier vor. Den Auftakt der Einträge bildet der Tod des Kurfürsten von Mainz und Fürstbischofs von Bamberg, Lothar Franz von Schönborn, dessen Gesundheit schon während des Domscholasterwahlkampfs Anlass zur Sorge gegeben hatte. Knapp acht Jahre später, am 30. Januar 1729, war er gestorben. Nachdem Eleonora davon Kenntnis erhalten hatte, vermerkte sie am 2. Februar im Schreibkalender: „Heit habe ich die betrübte Zeittung bekommen, daß meiner Fraw Mutter Bruder der Churfürst zu Mainz und Bischoff zu Bamberg […] im 74ten Jahr seines Alter mitt Todt abgangen.“559 Seine Nachfolge sollte der Kurfürst von Trier, Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, antreten.560 Seit 1710 war er Koadjutor des Mainzer Erzstifts und wurde mit der Übernahme des Kurfürstenamtes gleichzeitig Erzkanzler des Reiches. Eine Kumulation von zwei Kurfürstenämtern hätte jedoch gegen Reichsrecht verstoßen. Daher verzichtete Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg auf die Trierer Kurfürstenwürde.561 Das Gespann Schönborn-Wolff-Metternich wird diese Entwicklungen vorausgesehen haben. Es mag Zufall gewesen sein, aber schon am 8. Februar erhielt Eleonora in Köln Besuch vom „Hoffmeister von Graf Schonborn“.562 Wird er auch nicht genauer tituliert, so handelte es sich vermutlich um den Hofmeister von Franz Georg von Schönborn. Der Verdacht, dass bei diesem Treffen bereits Trierer Angelegenheiten besprochen wurden, erhärtet sich dadurch, dass Eleonora eine Woche später einen „Expressen“ an den Grafen von der Leyen, bei dem es sich wohl um Karl Kaspar von der Leyen (1655–1739) handelte563, nach Koblenz schickte. Gegenstand des Schreibens waren „Gedancken uber die trierische Wahl“.564 Im Laufe des Februars nahm dann auch der Schriftverkehr zwischen Eleonora und ihrem Vetter Franz Georg, der zu diesem Zeitpunkt das Amt des Dompropstes in Trier innehatte, zu.565 Inhaltlich werden diese Schreiben vergleichbar mit denen zur Domscholasterwahl gewesen sein: Intrigen, die am Kölner Hof gesponnen wurden, die 559 Eintrag vom 2. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 560 Vgl. Braubach, Kölner Domherren (wie Anm. 217), S. 237 f. 561 Vgl. ebd., S. 238. Eine Ehe war für ihn somit nicht mehr in Frage gekommen. Dies hatte jedoch das Aussterben der Pfalz-Neuburg Linie mit seinem Bruder Karl III. Philipp zur Folge. 562 Eintrag vom 8. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 563 Karl Kaspar von der Leyen war mit Franz Georgs älterer Schwester Maria Sophia von Schönborn (1670–1742) verheiratet. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn. 564 Eintrag vom 15. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 565 Dies belegen zumindest die Schreibkalendereinträge vom 17. bis 19. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eine entsprechende Überlieferung im Archiv fehlt und über die Frequenz der Korrespondenz ohne ein solches Ereignis wie Domscholaster- oder Kurfürstenwahl lässt sich keine verlässliche Angabe machen.
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V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter
aktuelle Stimmenverteilung sowie Möglichkeiten, weitere Stimmen auf Franz Georg zu vereinigen. Eine Eintragung über einen Brief vom 22. Februar bestätigt diese Vermutungen: Eleonora habe „durch den Graf von der Leyen den Graf von Schonborn anige Sachen geschrieben, so ihme nothwendig seint zu wißen.“566 Eleonoras Aufgabe bestand also wieder darin, Augen und Ohren am Kölner Hof offen zu halten und ihren Vetter über alles zu informieren, was im Zusammenhang mit der Trierer Wahl stehen konnte. Aktiver wurde sie zum Ende des Monats, als sie einen Brief wegen eben jener „trierische[n] Sach“567 an einen Herrn Metternich von Müllenark568 schrieb. Welchen Inhalt dieses Schreiben hatte, erläutern Einträge, die Eleonora zwar auf Anfang April datiert, aber de facto auf leeren Seiten zwischen den Kalenderblättern vom 13. bis 16. und 17. bis 19. März eingetragen hat. Das Schreiben verfolgte den Zweck, den Herrn von Metternich dazu zu bewegen, sich für Franz Georg als Kurfürsten auszusprechen. Wie schon bei der Domscholasterwahl versuchte Eleonora ihren Einfluss geltend zu machen und Stimmen für den Vetter zu akquirieren. Doch wie sie am 3. April durch Karl Kaspar von der Leyen erfahren musste, beabsichtigte der Angeschriebene nicht Wort zu halten. Obwohl er Eleonora zunächst eine positive Antwort gegeben hatte, arbeitete er offenbar gegen Franz Georg. In den darauffolgenden rund 20 Tagen wurden mehrere Eilbriefe zwischen Bonn bzw. Köln und Koblenz bzw. Trier ausgetauscht. 569 Eleonora sollte zunächst noch einmal auf Metternich von Müllenark einwirken. Sie wiederum wurde in regelmäßigen Abständen vom Grafen von der Leyen über die Stimmung in Trier informiert. Mitte April schickte Eleonora ihren Hausmeister nach Koblenz, um weiterzugeben, „was wir hir wegen Trier gehortt und wißen.“570 Möglicherweise waren die Informationen so vertraulich oder dringend, dass sie in diesem Fall auf ein Schreiben verzichtete und den mündlichen Austausch vorzog. Allerdings schickte sie bereits zwei Tage später ein weiteres Schreiben an den Grafen von der Leyen.571 Gegen Ende des Monats übermittelten Franz Georg und von der Leyen dann konkrete Zahlen zum Stimmverhältnis572: Franz Georg berichtete, dass „13 Stimmen sich
566 Eintrag vom 22. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 567 Eintrag vom 25. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 568 Bei Hersche finden sich zwei mögliche Domherren mit Namen Metternich von Müllenark: Damian Emmerich in Trier seit 1677–1735, Custos, oder Lothar Ferdinand seit 1720–1753 in Trier, Amt: Andere (evtl. Kellner oder Archidiakon). Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S. 254. 569 Vgl. Einträge zwischen dem 16. und 17. März, hier v. a. mit Datum vom 3. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 570 Einträge zwischen dem 16. und 17. März mit Datum vom 14. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 571 Einträge zwischen dem 16. und 17. März mit Datum vom 16. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 572 Vgl. Einträge nach dem 18. März mit Datum vom 19. bis 26. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729
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bj ihme engagirt und keiner ubrig alß der Herr von Gimenich573, Keselstatt574 und Wallendorf575 […].“576 Kurz darauf hatte sich die Situation wieder geändert. Am 27. April erhielt Eleonora per Express die „frolige Nachricht“, dass Franz Georg die „unanima wurcklich hätte“, d. h. alle Stimmen auf sich vereinigen konnte.577 Gleichzeitig informierte das Schreiben darüber, dass sein Bruder Friedrich Karl, der Reichsvizekanzler, bei der Wahl zum Fürstbischof von Würzburg und Bamberg ebenfalls alle Stimmen erhalten würde. Auch in Bonn waren die Nachrichten schon verbreitet worden, sodass man Eleonora zu den Erfolgen ihrer Vetter gratulierte.578 Assessor Cramer sandte bereits am 28. April Glückwünsche aus Wetzlar, da dort „die zuverläßige Nachricht eingelauffen, daß zu Trier fur den Herrn Grafen Franz Georg und zu Wurzburg fur des Herrn Bischofs zu Bamberg […] beyde Wahlen festgestellet seyn […].“579 Die eigentliche Wahl zum Kurfürsten von Trier fand am 2. Mai des Jahres 1729 statt. Einen Tag später erhielt Eleonora die offizielle Benachrichtigung über den Ausgang der Wahl durch einen Eilboten aus Trier. Dazu vermerkte sie in ihrem Schreibkalender sogar die genaue Zeit, zu der der Bote in Bonn eintraf: […] den Nachmittag umb 3 Uhr bin ich auch durch ein Stafete von Trier benachrichtigt worden das mein Vetter der Graf Franz Joerg von Schonborn Dombrobst daselbt zum Churfürsten per unanimia zu Trier erwehlet worden, welches mich sonderbahr erfreiet.580
573
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Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S 233: Dabei handelt es sich wohl um Karl Kaspar Wilhelm von Gymnich (1667–1739), Domherr in Trier von 1682 bis zu seinem Tod 1739. Vgl. auch Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 7, Mappe 535 „Gymnich“, S. 172–316, hier S. 187. Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S. 243: Die Brüder Johann Hugo Wolfgang von Kesselstatt (1691–1730) und Joseph Franz von Kesselstatt (1695–1750) waren beide 1729 Domherren in Trier. Johann Hugo hatte das Amt des Domscholasters inne, Joseph Franz sollte 1743 Dompropst werden. Ihre Mutter war eine geborene Metternich, Tochter der Anna Margarethe von Schönborn, einer Tante Franz Georgs. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 414, Abb. 31 Stammbaum des Hauses Schönborn. Vgl. auch Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 3, Mappe 214 „Kesselstatt“, S. 502–525, hier S. 509. Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel (wie Anm. 83), S. 288: Hier kommen zwei Mitglieder des Geschlechts Walderdorff in Frage: Johann Hugo von Walderdorff (1691–1737) war seit 1698 Domherr in Trier, resignierte aber im Jahr der Wahl 1729, wahrscheinlicher ist daher: Johann Philipp von Walderdorff (1701–1768), seit 1718 Domherr und späterer Dekan (1742) bzw. 1756 Nachfolger Franz Georgs als Kurfürst. Zu beachten ist dabei auch, dass die Kesselstatts und Walderdorffs miteinander verwandt waren. Siehe dazu: Gudrun Schönfeld, Kurfürsten und Führungskräfte. Herkunft, Qualifikation und soziale Verflechtung der kurtrierischen Führungsschicht im 18. Jahrhundert, Marburg 2011, S. 33: Johann Philipp war ein Neffe des 1723 verstorbenen Dompropstes Karl Kaspar von Kesselstatt (1652–1723), der ihn bis zu seinem Tod protegierte. Eintrag nach dem 18. März mit Datum vom 26. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag nach dem 22. März mit Datum vom 27. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. ebd. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 28. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 727. Eintrag vom 3. Mai 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter
Wie schon acht Jahre zuvor bei der Wahl zum Kölner Domscholaster scheint Eleonora in ähnlicher Weise in die Vorbereitungen der Kurfürstenwahl in Trier involviert gewesen zu sein, wenngleich nicht in selbem Umfang. Maßgeblich beteiligt im „Wahlkampfteam“ war wohl – schon allein aufgrund der räumlichen Nähe – Karl Kaspar von der Leyen. Dennoch wusste man auch Eleonoras Beziehungen zu nutzen, wie im Fall des Metternichs von Müllenark. Nicht zuletzt zeigte sie auch bei dieser Wahl wieder ein hohes Maß an Eigeninitiative, indem sie ihren Hausmeister nach Koblenz schickte, um dem Grafen von der Leyen die wichtigsten Ereignisse im Umfeld des Kölner Kurfürstenhofes persönlich mitteilen zu lassen. Für die Betrachtung der folgenden Jahre verwundert es daher, dass ein weiteres Amt Franz Georgs hingegen überhaupt keinen Raum innerhalb der Schreibkalender Eleonoras einnimmt. Seine Wahl zum Bischof von Worms und die kurz darauf erfolgte Wahl zum Propst von Ellwangen, beide im Juni 1732, finden keinerlei Erwähnung bei Eleonora.581 Nicht einmal die sonst üblichen Freudenbekundungen sind vorhanden. Dass die gute Verbindung nach Trier auch außerhalb von „Wahlkämpfen“ bestand, verdeutlichen die letzten Eintragungen, die Eleonora in Bezug auf ihren Vetter Franz Georg vornimmt, und die in Verbindung mit den Feierlichkeiten zu dessen Namenstag im Jahr 1730 stehen, zu denen Eleonora eingeladen war. In einem Brief vom 9. September hatte Franz Georg seiner Vorfreude Eleonora zu sehen, bereits Ausdruck verliehen.582 Am 27. September reiste diese dann mit ihrer Tochter Felicitas zum kurfürstlichen Jagdschloss nach Kärlich, wo sie „sehr genadig und freundlich entpfangen“ wurden.583 In den darauffolgenden gut zwei Wochen hielt Eleonora fast täglich die für sie relevantesten Tagesereignisse im Kalender fest. Dazu gehörten vor allem die Treffen mit dem Kurfürsten selbst. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Wechsel in der Nomination des Vetters. Seit seiner Wahl zum Kurfürsten verwendete Eleonora ausschließlich diesen Titel für die Einträge. Als Grafen von Schönborn oder gar als Vetter Franz Jörg, wie sie ihn teilweise in seiner Zeit als Domscholaster oder Dompropst nannte, bezeichnete sie ihn nun nicht mehr. Drei Tage verweilten die Wolff-Metternich-Damen auf dem Jagdschloss des Kurfürsten, bevor man am letzten Septembertag gemeinsam den kurzen Weg nach Koblenz antrat. Dort erhielt Eleonora mit ihrer Tochter Logis im Sitz des Karl Kaspar von der Leyen, dem sog. Von-der-Leyen’schen-Hof.584 Genauso zahlreich wie Eleonoras Notate waren auch die Zusammentreffen mit dem Kurfürsten, die exakt festgehalten wurden. Mehrere Tage verbrachte man am 581
Am 9. Juni 1732 wurde Franz Georg Bischof von Worms und am 16. Juni 1732 Propst von Ellwangen. Bei der Wahl zu letzterem Amt war sein Weihbischof Lothar Friedrich von Nabach sein maßgeblicher Unterhändler in Ellwangen. Siehe dazu: Schönfeld, Kurfürsten und Führungskräfte (wie Anm. 575), S. 45 f. 582 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Kärlich, 9. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 712. 583 Eintrag vom 27. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 584 Vgl. Eintrag vom 30. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729
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kurfürstlichen Hof, auf Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein, wo man meist im Garten „mitt den ubrigen Verwanten“ das Abendessen einnahm.585 Die Krönung des Aufenthalts stellte mit Sicherheit die Gala zu Ehren des Namenstages des Kurfürsten am 4. Oktober dar. Dazu vermerkte Eleonora: „Heutt hatt mann Gala gemacht wegen des Churfürst Nahmenstag und haben wir alle sambt den andern Damen den Abendt bj Hoff im Gartten gespeist so gar schon iluminiret, darnach ist gedanzt worden.“586 Zwei weitere Bälle mit Souper sollten folgen. Einer davon fand im Haus des Grafen Rudolf Johann Waldbott von Bassenheim (1680–1731) statt. Dieser war mit Maria Antonia von Ostein (1710–1788), einer Nichte Franz Georgs, verheiratet und u. a. kurtrierischer Geheimrat.587 Der Ball fand vermutlich auf Schloss Bassenheim unweit von Koblenz statt. Besonders die Rolle ihrer Tochter hob Eleonora voller Stolz hervor. Felicitas war, so schreibt sie, die Königin des Balls, bei dem nicht nur der Kurfürst, sondern auch „all der Adel“ anwesend war.588 Ob sie zur Königin des Balls gewählt worden war, ihre Mutter sie zu dieser erkor oder ob die übrigen Gäste der jungen Wolff-Metternich besonders viele Komplimente machten, ist unklar. Dem Ansehen der Familien wird es aber zuträglich gewesen sein, die Gelegenheit zur Repräsentation in Gegenwart der wichtigsten Adelsfamilien des Trierer Raumes zu nutzen, die gleichzeitig durch die Verwandtschaft mit dem ebenfalls anwesenden Kurfürsten noch verstärkt wurde. Eine weitere Möglichkeit bot auch der letzte Ball in Koblenz. Am 11. Oktober war Karl Kaspar von der Leyen, der Gastgeber der Wolff-Metternich’schen Damen, an der Reihe und lud zu einem „kostbahr Soupe und Balle“ ein, bei dem wieder alle vertreten waren, die am Trierer Hof Rang und Namen hatten.589
585 So zum Beispiel am 2. und 7. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 586 Eintrag vom 4. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 587 Die Verbindungen zwischen Schönborn, Waldbott-Bassenheim und Ostein gehen noch weiter zurück: Ein Onkel Franz Georgs – Johann Erwein von Schönborn (1654–1705) – war in erster Ehe mit Maria Anna Waldbott von Bassenheim (gest. 1702) verheiratet und vermählte sich zwei Jahre nach deren Tod mit ihrer Nichte Maria Anna Magdalena (gest. 1719). Bei den Frauen handelte es sich um eine Tante bzw. Schwester Rudolph Johanns. Beide Ehen blieben jedoch kinderlos, sodass zu diesem Zeitpunkt keine weiteren verwandtschaftlichen Netzwerke entstehen konnten. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 172, 283 und 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn; Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 15, Mappe 1234 „Waldbott von Bassenheim“, S. 694 f. Die Eltern von Maria Antonia von Ostein waren Johann Franz Sebastian von Ostein (1652–1718) und Anna Charlotte von Schönborn (1671–1746), eine ältere Schwester Franz Georgs von Schönborn. Der älteste Sohn aus dieser Ehe, Johann Friedrich Karl von Ostein (1689– 1763), wurde 1743 Kurfürst von Mainz und folgte seinem Onkel Franz Georg als Fürstbischof von Worms nach. Zur Zusammenarbeit Schönborn-Ostein vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 240–243. In diesem Zusammenhang darf außerdem nicht vergessen werden, dass Eleonoras Schwiegersohn, der Herr von Bornheim, einer Nebenlinie der Waldbott von Bassenheims angehörte. 588 Eintrag vom 8. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 589 Namen nennt Eleonora nicht. Sie schreibt lediglich, dass „[…] der Churfürst und alles erschienen, auch einige andere frembte […].“ Eintrag vom 11. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
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V. Wahlkampf für den Lieblingsvetter
Die übrigen Abende, an denen die Gesellschaft nicht im Hofgarten oder auf einem Ball zusammentraf, verbrachte man im Leyen’schen Hof. Dort fand sich regelmäßig auch der Kurfürst ein. Bereits am 1. Oktober war er, nachdem er im Beisein seiner Cousine einen Abt geweiht hatte, zum Mittagessen ins Haus seines Schwagers gekommen und auch am Vorabend der Abreise seiner kölnischen Verwandtschaft war er Gast im Leyen’schen Hof.590 Am 13. Oktober trat man die Heimreise nach Bonn an. Zuvor hatte Eleonora dem Geheimen Rat Johann Matthias Coll (1692–1752) die nötigen Instruktionen gegeben bzw. die Befugnis erteilt, die um Trier und Pommern gelegenen Lehen der Wolff Metternich „in Nahmen der Vormundschaft zu entpfangen“591 und war auf diese Weise von den Feierlichkeiten wieder in Herrschaftsangelegenheiten übergetreten. Der Kurfürst bedankte sich kurz darauf in einem Schreiben für Eleonoras Anwesenheit und „hette wünschen mögen, dieselbe was besser, dan geschehen, bewirthen und anbey ihre angenehme Gegenwahrt was länger geniesen zu können […].“592 Neben diesem Schreiben befinden sich weitere im Grachter Archiv, die vorrangig aus den Jahren 1729 bis 1733 stammen und von der Verbindung mit dem Schönborn-Vetter zeugen.593 Sie belegen, dass Eleonora Franz Georg auch weiterhin über Ereignisse am Kölner Kurfürstenhof unterrichtet haben muss, auch wenn ihre Briefe nicht überliefert sind. Franz Georg bezieht sich in seinen Schreiben u. a. auf die Kölner Domdechantenwahl nach dem Tod Johann Friedrichs von Manderscheid-Blankenheim im Jahr 1731 und wiederum geht es um die Intrigen und Gerüchte, welche die Parteien spannen oder in Umlauf brachten.594 Eleonoras Rolle in diesem Zusammenhang bleibt unklar. Neben dem Kölner Domkapitel spielt ein weiteres Themenfeld regelmäßig eine Rolle in den Briefen Franz Georgs: Die Kavalierstour von Eleonoras Sohn, die im Folgenden betrachtet werden soll. Verschiedene Erkenntnisse lassen sich innerhalb des geschilderten Bereichs festhalten: Auch wenn die Schreibkalender Eleonoras auf den ersten Blick zu vermitteln scheinen, dass sie erst nach dem Tod ihres Mannes als aktiv handelnde Person außerhalb des ihr zugedachten Handlungsraumes als „Hausfrau“ in Erscheinung trat, so belegt die Korrespondenz mit ihrem Vetter Franz Georg doch evident, dass dieser Schluss zu kurz gegriffen ist. 590 Vgl. Einträge vom 1., 5., 9. und 12. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 591 Eintrag vom 13. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Johann Matthias Coll war seit 1730 wirklicher Geheimer Rat in Kurtrier und zudem der Schwager des kurkölnischen Reichskammergerichts-Assessors Johann Melchior Cramer von Clausbruch. Zu Colls Biographie siehe Jahns, Reichskammergericht II (wie Anm. 164), Biographie 6, S. 49–58. 592 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Ehrenbreitstein, 19. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 712. 593 Zudem ist jeweils ein Brief aus den Jahren 1751 und 1752 vorhanden. Vgl. ASG, Akten, Nr. 712. 594 Vgl. zum Beispiel die Briefe vom 15. Juni und 16. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712.
V.2 Wahl zum Kurfürsten von Trier 1729
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Gerade die Kölner Domscholasterwahl des Jahres 1721 verdeutlicht, welchen Einfluss Eleonora in ihrer Position am kurkölnischen Hof als Mittlerin im Auftrag ihres Vetters zwischen den Parteien ausüben konnte und zwar bereits zu Lebzeiten ihres Mannes. Ohne Frage ist dies zum einen auf die Rolle, die ihr Mann am Kurfürstenhof spielte, zurückzuführen. Zum anderen können aber auch die Verwandtschaft zur Würzburger Schönborn-Dynastie und ihre eigenen Fähigkeiten und Veranlagungen nicht außer Acht gelassen werden. Eleonora hielt ihren Vetter in seiner Abwesenheit über wesentliche Entwicklungen am Kölner Kurfürstenhof auf dem Laufenden, verriet dabei aber wohl keine Geheimnisse. Die Kurfürstenwahl belegt, dass sie auch nach dem Tod ihres Mannes über ausreichend Einfluss verfügte, um für Franz Georg von Schönborn auf „Stimmenfang“ zu gehen. Damit stellt sie in ihrer Familie keinen Einzelfall dar: Im Würzburger Archiv befindet sich ein Konvolut von 50 Briefen, die Eleonoras Mutter, Eva Rosina von Schönborn, an ihren Bruder Melchior Friedrich schickte, während sie sich wohl in den 1710er Jahren bei ihrer Tochter im Rheinland aufhielt.595 In ihren Schreiben informierte sie ihren Bruder hauptsächlich über frei gewordene Präbenden, die womöglich mit Verwandten besetzt werden konnten, und über das politische Geschehen im Erzstift. Auch in diesem Fall nutzte man also eine Schönborn-Frau als Informantin. Eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Briefen könnte dazu beitragen, den Blick auf die weiblichen Angehörigen des Geschlechts jenseits ihrer Rolle als Mütter, „Haushälterinnen auf den heimischen Schlössern, als Briefschreiberinnen an […] getrennt lebende Kinder […] oder als Gastgeberin an den Bischofshöfen […]“596 zu schärfen und ihnen mehr Handlungsraum beizumessen. In Eleonoras Fall kommen innerhalb der Korrespondenz zudem „der Mensch“ Eleonora und ihre persönliche Meinung, die wiederum Rückschlüsse auf ihren Charakter zulässt, zum Vorschein. Eine klug und besonnen agierende Frau mit politischem Geschick tritt zu Tage, die in den nüchtern und sachlich gehaltenen Schreibkalendereinträgen meist verborgen bleibt.
595 Vgl. StAW, SAW Melchior Friedrich, 1683. 596 Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 282.
VI. Kostspieliger Triumph Die Kavalierstour Franz Josephs Die Domscholasterwahl Franz Georgs von Schönborn unter Mitwirkung von Eleonora Wolff Metternich zur Gracht steht exemplarisch für den Erfolg und die Aufstiegschancen, die durch verwandtschaftliche Beziehungen und Netzwerke erreicht werden konnten. Dass diese Konstellation auch für die Wolff Metternich’sche Seite äußerst gewinnbringend war, soll anhand des weiteren Ausbildungsverlaufs – genauer gesagt der Kavalierstour – Franz Josephs gezeigt werden. Wie bereits erwähnt spielte in diesem Fall Franz Georg eine nicht unwesentliche Rolle. Allein aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Köln und Trier war er der wichtigste Ansprechpartner aus dem SchönbornGeschlecht für Eleonora in dieser Zeit. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass auch in Bezug auf die Erziehung und Ausbildung des Erben und Stammhalters Franz Joseph ein gewisser Einfluss des Schönborns erkennbar wird. Erster Anhaltspunkt dafür ist Franz Georgs eigene Ausbildung bzw. der Verlauf seiner Kavalierstour, welche ihn und seinen Bruder Marquard Wilhelm zwischen 1702 und 1706 nach Salzburg, Siena und in die Niederlande, genauer gesagt nach Leiden, geführt hatte.597 In Leiden hatte Franz Georg öffentliches Recht bei dem deutschen Professor Philipp Reinhard Vitriarius (1647–1720) und später Völkerrecht nach Hugo Grotius gehört.598 Eben diese letzte Station – Leiden – bildete, wie bereits erwähnt, den Ausgangspunkt der Kavalierstour Franz Josephs, die er rund zwei Jahrzehnte nach seinem Großcousin antrat. Zwar war vor ihm bereits sein Urgroßvater Johann Adolf I. zum Studium in die Niederlande gereist.599 Verfestigt hatte sich dieses Reiseziel für die Erben 597 Zierlein, Franz Georg (wie Anm. 432), S. 85–89 beschreibt den Ablauf der Studienreise ausführlicher. Hier wird dieser nur kurz wiedergegeben. 598 Vgl. ebd., S. 88. Zu Vitriarius vgl. Ferdinand Frensdorff, „Vitriarius, Philipp Reinhard“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 82, [Online-Version] URL: https://www.deutsche-bio graphie.de/pnd100673171.html#adbcontent (24.11.2019). 599 Stommel, Johann Adolf (wie Anm. 112), S. 27. Über den Aufenthaltsort und Inhalt der Reise scheint nichts Näheres bekannt zu sein.
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des Geschlechts auf der Gracht wohl zunächst nicht. Das Reisetagebuch des Sohnes Johann Adolfs I. – Degenhard Adolf – ist während seiner Tour durch Frankreich, Italien und Spanien entstanden.600 Auch Franz Josephs Vater, Johann Adolf II., wird eine Studienreise unternommen haben – in welche Länder und Orte ihn diese geführt hatte, ist aufgrund mangelnder Quellen jedoch nicht zu klären. Gut möglich also, dass Eleonora in Absprache mit ihrem Schwiegersohn und Mitvormund auch Rat bei ihrem Vetter suchte, der den entscheidenden Hinweis Richtung Niederlande gegeben haben könnte. Quellen, die diese Vermutung bestätigen würden, sind allerdings nicht überliefert. Nach der Rückkehr aus den Niederlanden hatte Franz Joseph zunächst seinen Kammerherrendienst beim Kurfürsten abgeleistet und war zum ersten Mal bei den Sitzungen des Hofrates anwesend. In diesem Fall war es u. a. auch Franz Georg gewesen, der dazu geraten hatte, und somit den ersten Verdacht seiner „Beraterfunktion“ untermauert.601 Im Anschluss begab sich Franz Joseph auf den Reiseteil seiner Tour, der ihn zunächst nach Frankreich führen sollte. Der weitere Verlauf der Kavalierstour nach dem Ende der Studien in den Niederlanden kann durch den Briefwechsel zwischen Eleonora und Hofmeister Sixtus Knoest rekonstruiert und durch in den Schreibkalendern enthaltende Details ergänzt werden.602 Am 16. März 1730 brach Franz Joseph begleitet von eben jenem Hofmeister, einem Kammerdiener und einem Lakaien Richtung Paris auf, wo die Reisesuite am 2. April eintraf.603 Den Brief über die glückliche Ankunft in der französischen Hauptstadt erhielt Eleonora sieben Tage später.604 In Paris blieb man bis in den November des Jahres 1730. Die Briefe, die Eleonora in diesem Zeitraum an den Hofmeister schrieb, zeugen vor allem von der Kostspieligkeit des Aufenthaltes. Mit einem Brief vom 20. Juni schickte sie einen Wechsel in Höhe von 500 Livre nach Frankreich – zu diesem Zeitpunkt noch eine relativ moderate Summe.605 Bereits sechs Tage später hatte sich die Situation geändert und mit ihr auch der Ton von Eleonoras Schreiben, das sie nunmehr nicht auf Französisch, sondern auf Deutsch abfasste. Sie hatte „des Herrn Schreiben [Knoest] von [!] 17ten sambt der beygelegten Rechnung […] erhalten, welche sich viertausendneunhundertsiebenundtreisig Livre erstreckt. Die Depence geht 600 ASG, Akten, Nr. 544, Reisetagebuch Degenhard Adolf Wolff Metternich zur Gracht, 1637–1639. 601 Vgl. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Pommersfelden, 11. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 712. 602 Rechnungen und Korrespondenz, 1730–1732, in: ASG, Akten, Nr. 544; Schreibkalender der Jahre 1730/31, in: ASG, Akten, Nr. 606 und Nr. 607. Außerdem enthält ein weiteres Aktenkonvolut Briefe des Sohnes an seine Mutter, die bis auf eine Ausnahme aus Wien stammen. Vgl. Korrespondenz Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht und dessen Hofmeister Knoest an Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, 1730–1732, in: ASG, Akten, Nr. 690. Da es aber vorrangig um Eleonoras Sichtweise geht, liegt der Fokus auf ihren Schreiben. Ein Reisetagebuch Franz Josephs ist nicht überliefert. Zum niederländischen Teil siehe ausführlich Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77). 603 Vgl. Eintrag vom 16. März 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 604 Vgl. Eintrag vom 9. April 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 605 Vgl. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 20. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 544.
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gar hoch […].“606 So hoch waren die Ausgaben, dass Eleonora die Summe nicht in Zahlen vermerkte, sondern sich die Mühe machte, alle 38 Buchstaben aneinanderzureihen. Sowohl Knoest als auch ihr Sohn sollten darauf achten, dass die Kosten nicht weiter stiegen, „dann er auf diese Weiß in einem Jahr mehr verzehren würde, alß er Einkommens und alßo by seiner Zurückkunft wenig oder nichts im Vorrath finden [würde].“607 Doch die mütterliche Ermahnung half nicht. Ein Brief vom 14. September verweist auf einen weiteren Wechsel von 5 000 Livre und es müssen noch zahlreiche weitere nach Paris geschickt worden sein.608 Anfang November drängte Eleonora den Hofmeister, nach dem 19. November, dem Tag der Heiligen Elisabeth, endlich nach Lunéville abzureisen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 34 000 Livre in Form von Wechseln nach Paris geflossen – ein Umstand der sowohl Eleonora als auch dem Mitvormund, Johann Jakob Waldbott von Bassenheim, „die Haar über dieße grose Ausgaben zu Berg stehen“ ließ.609 Als Mutter und temporäre Verwalterin der Familiengüter war ihr eine ausgezeichnete Erziehung und Ausbildung des einzigen Erben und Stammhalters sehr wichtig und die Bedeutung einer umfassenden Kavalierstour in diesem Zusammenhang war nicht zu unterschätzen. Jedoch hatte Eleonora, wenn nicht für die Vermehrung, so doch zumindest für den Erhalt des Familienbesitzes zu sorgen. In Anbetracht der hohen Ausgaben in Paris geriet das Vermögen aber in Gefahr. Mit für ihre Verhältnisse drastischen Worten machte sie ihre Position deutlich: Wenn es alßo continuiret, wo will dießes herauß? Wenn mein Sohn zuruckkombt, wird er sich heyrahten, da gehen wieder große Kösten verfolglich neue Schulden darzu, und ist alßo der Ruin daß Endt; ich bitte den Herrn umb Gottes Willen und umb der Treu die ich allezeit ahn ihm gespührt habe, er rede meinem Sohn zu. Er vermeint etwan es seint nur Reden von mir, aber wie ich sage, so befindt sich die Sach, und ist mir schmerzlich daß Haus in Schulden zu stecken.610
Eleonora dachte schon an die Zukunft des Geschlechts, denn bald nach dem Ende der Kavalierstour war üblicherweise eine Eheschließung des Stammhalters vorgesehen, um für den Fortbestand der Familie zu sorgen. Eine Hochzeit brachte aber weitere
606 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 27. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 544. 607 Ebd. 608 Vgl. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 14. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 544. 609 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 7. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 544. Zu Finanzierung und Kosten einer Kavalierstour vgl. Leibetseder, Kavalierstour (wie Anm. 261), Teil II, S. 54–64. 610 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 7. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 544.
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Kosten mit sich, die bei gleichbleibendem Niveau der Kavalierstourkosten zur Verschuldung der Familie, wenn nicht sogar zum Verlust des Besitzes führen konnten.611 Die Bitten und Ermahnungen Eleonoras zeigten insofern Wirkung, als man Paris verließ: Von dort reiste man Ende November nach Lunéville und Straßburg und schließlich über Regensburg nach Wien. Dort kam die Reisesuite Ende März des Jahres 1731 an.612 Begleitet wurde die Reise von Schreiben Eleonoras, in denen sie immer wieder daran erinnerte, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Am 25. Januar schrieb sie z. B. nach Lunéville in der Hoffnung, dass „sich mein Sohn zu Luneville in der Lebensarth sowohl alß in der depence alßo aufführe, daß man mitt ihm zufrieden und ich vergnügt sein kann […].“613 Gleiches hoffte sie auch für den Aufenthalt in Wien, wohin sie Anfang März 1731 auch einen Wechsel in Höhe von 600 Reichstalern schickte und dem Hofmeister wie folgt schrieb: […] indeßen hoffe ich mein Sohn werde sich alßo zu Wien einrichten, daß nicht gleich wie zu Paris alle Monath etlich taußend darauff gehen; auch seine Zeit nicht in lautter Übig- und Lustbahrkeit zubringen, sondern wenigsten den Morgen zu nohtwendigen Wißenschafften ahnwenden, gestalten zu Wien keine souppée wie in Frankreich gedacht seint, sondern nach der Geselschaft ein jeder nach Hauß geht und deß morgens bis zu der Stund, die cour by Hoff und den Ministre zu machen, nichts zu thun ist, wann er nur gedencket daß ihme die Aprobation von Wien mehr früchten alß die von allen anderen Landen, weil die erstere durch daß ganze Reich erschallet, die andere aber taub ist und verschwindet; ich habe ihn hirzu auch schon mütterlich ermahnet.614
Dieser Auszug spricht dafür, dass Eleonora sich vom Unterschied zwischen den wienerischen und französischen Gepflogenheiten eine Kostenersparnis versprach. Außerdem sollte Franz Joseph auch seine Studien nicht weiter vernachlässigen. Somit war der zweite Teil der Kavalierstour, wie zunächst vermutet, kein ausschließlicher Reiseteil. Darüber hinaus erhoffte sie sich vom Wiener Aufenthalt den Beginn einer erfolgreichen Karriere für ihren Sohn – der gute Ruf, den er sich dort erarbeiten konnte, sollte nicht zuletzt bis zum kurkölnischen Hof „erschallen“. Spätestens in Wien kamen die Familienbande zu den Schönborns und vor allem der Einfluss Franz Georgs deutlich zum Tragen. Bereits Anfang Januar 1731 hatte sich Eleonora an ihren Vetter in Trier gewandt und ihn um ein Empfehlungsschreiben für ihren Sohn gebeten. Dieses Schreiben sollte an den Bruder Franz Georgs geschickt 611
Tatsächlich heiratete Franz Joseph erst fünf Jahre nach dem Ende seiner Kavalierstour Isabella Freiin von Gymnich (1718–1761). Die Eheberedung datiert auf den 2. März 1737. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723. 612 Vgl. Einträge vom 30. November (Lunéville), 10. und 14. Dezember 1730 (Straßburg), in: ASG, Akten, Nr. 606; Eintrag vom 27. März 1731, Brief von Ankunft in Wien, in: ASG, Akten, Nr. 607. 613 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Bonn, 25. Januar 1731, in: ASG, Akten, Nr. 544. 614 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Bonn, 8. März [1731], in: ASG, Akten, Nr. 544.
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werden – den Bischof von Bamberg und Würzburg, Friedrich Karl von Schönborn, der seit 1705 Reichsvizekanzler war. Dem Wunsch seiner Cousine kam Franz Georg gerne nach, war er doch davon überzeugt, dass der junge Metternich „ein Cavalier von ohnvergleichen Qualitäten undt meriten seye“, dem es auch ohne die verwandtschaftlichen Beziehungen gelingen würde „allen egard undt Hochachtung“ auf sich zu ziehen.615 Am 12. Januar wandte er sich an seinen Bruder, um diesem den „einzigen Sohn“ ihrer Cousine „bestens zu Gnaden zu empfehlen“. Auch hier verwies Franz Georg wieder darauf, dass Franz Joseph „sicherlich alle schöhne Qualitäten und Aygenschafften“ besäße, durch die er sich auch ohne Empfehlungsschreiben die „Gnad und Protection“ des Reichsvizekanzler verdient hätte. Zudem deutete Franz Georg auf das gute Studium hin, das Franz Joseph bis zu diesem Zeitpunkt bereits genossen hatte.616 Seiner Cousine gratulierte der Trierer Kurfürst zu dem „besondern Trost und Vergnügen, welche sie ahn ihrem lieben Herrn Sohn […] billig empfinden“ würde.617 Offenbar informierte Eleonora ihn regelmäßig über das Gebaren ihres Sohnes auf Reisen oder es wurde ihm von anderer Seite zugetragen. In jedem Fall wusste der Kurfürst, dass der junge Metternich in Lunéville bereits sein Talent bewiesen hatte, sich aufgrund seines tadellosen Verhaltens „bey grosen annehmlich zu machen“.618 Franz Georg zweifelte nicht daran, dass dies auch in Wien der Fall sein würde, zumal das Schreiben an den Reichsvizekanzler die besten Voraussetzungen dafür geschaffen hatte.619 Die Antwort auf dieses Schreiben datiert auf den 21. März 1731.620 Franz Georg leitete den Brief seines Bruders an Eleonora weiter. In seinem Begleitschreiben war er wieder voll des Lobes für Franz Joseph, der „bey der gantzer vernunfftiger Welt bereits solche durchgehende Approbation findet“.621 Auch Friedrich Karl konnte sich dem Urteil seines Bruders über den jungen Kavalier nur anschließen. Franz Joseph war mittlerweile in Wien eingetroffen622, sodass Friedrich Karl ihn bereits persönlich kennengelernt hatte. Er sah in Franz Joseph einen „wackeren, mit vielen schönen Eigenschafften bezierten undt zu einsmahliger Befürderung wohl tauglichen Cavalier“, den er unter seinen Schutz stellen
615 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Trier, 11. Januar 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 616 Franz Georg von Schönborn an Friedrich Karl von Schönborn, Trier, 12. Januar 1731, in: StAW, SAW Franz Georg, 102a. 617 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Trier, 2. Februar 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 618 Ebd. 619 Vgl. ebd. 620 Der Brief von Friedrich Karl von Schönborn ist sowohl im Archiv Gracht als auch im Staatsarchiv Würzburg überliefert: Friedrich Karl von Schönborn an Franz Georg von Schönborn, Wien, 21. März 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712 und StAW, SAW Franz Georg, 102d. 621 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Trier, 2. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 622 Eleonora hatte am 27. März einen Brief ihres Sohnes erhalten, der die Ankunft in Wien mitteilte: Eintrag vom 27. März 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Auch Friedrich Karl spricht in seinem Brief vom 21. März von dem „ohnlängst dahier wohl eingetroffenen Grafen [!] de Metternich“. In: ASG, Akten, Nr. 712.
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würde. Über die Ostertage623 nahm er Franz Joseph daher mit auf seine Güter – eine willkommene Gelegenheit ihn in die Wiener Gesellschaft einzuführen. Außerdem waren auch zwei junge Schönborns in Wien eingetroffen, bei denen es sich um Joseph Franz Bonaventura (1708–1772) und Melchior Friedrich (1711–1754) gehandelt haben wird, die Friedrich Karl ebenfalls unter seine Fittiche nahm. Über ihre Fähigkeiten äußerte er sich nicht so wohlwollend – sie schienen aber dennoch „zu meinem [seinem] Trost, sehr wohl qualificiret“.624 Für Franz Joseph war der Aufenthalt in Wien sehr erfolgreich. Begünstigt wurde dies zweifellos durch die Verwandtschaft zum Reichsvizekanzler. Seine Mutter wurde unterdessen nicht müde, Franz Georg zu bitten, in seinen Schreiben an den Bruder immer wieder den jungen Metternich zu erwähnen. Eine Bitte, die Franz Georg seiner „hertzliebsten Frau Baas“ nicht abschlagen konnte, auch wenn er mit dem nochmaligen Verweis auf die guten Eigenschaften des jungen Kavaliers dies für verzichtbar hielt.625 Im Rheinland überlegte Eleonora derweil, ob Franz Joseph nicht längerfristig in Wien bleiben sollte. Sie bezog Kammergerichtsassessor Cramer mit in ihre Gedankengänge ein, sodass er in einem Brief vom 29. April darauf zu sprechen kam, dass „Ewer Excellenz meldeten von dero Herrn Sohn und daß sie in Bedencken stünden, ob er nicht bey diesen favorabilen Conjuncturen zu Wien sein Gluck suchen solle […]“.626 Obwohl er sich nicht anmaßen wollte, Eleonoras Entscheidung vorweg zu greifen und er den Reichsvizekanzler als besseren Ratgeber in dieser Angelegenheit hervorhob, teilte er ihr mit, dass meinem Beduncken nach were eß bey seinen [Franz Josephs] noch habenden jungen Jahren und daher ermangelnder Maturitet viel hazadrirt, indem er in denen ersteren Jahren alda mehr verthuen dörfte, alß er in vielen folgenden Jahren nicht wieder gewinnen konnte […].627
Zudem verwies er darauf, dass kaum ein anderer der „Cavaliers aus dem Reich außerhalb Kriegsdiensten sich ihres Glücks zu Wien belobet haben.“628 Über den eigentlichen Inhalt hinaus gibt der Brief zudem einen intensiven Einblick in das Verhältnis zwischen Eleonora und ihrem engsten Berater. Dass Cramer so offen seine Meinung 623 Ostern fiel 1731 auf den 25. März: Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 14. Aufl., Hannover 2007, S. 150. 624 Friedrich Karl von Schönborn an Franz Georg von Schönborn, Wien, 21. März 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. Die jungen Schönborns waren Söhne Rudolf Franz Erweins. Tatsächlich waren die im Brief anklingenden Bedenken Friedrich Karls berechtigt: Joseph Franz Bonaventura scheint das „enfant terrible“ der Schönborns gewesen zu sein und verursachte der Familie große finanzielle Schwierigkeiten. Ab 1736 wurde er von Friedrich Karl finanziell unterstützt. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 269–281. 625 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, [Bischofsthron], 16. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 626 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 29. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. 627 Ebd. 628 Ebd.
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kundtat, spricht für das Vertrauen, das Eleonora in den Assessor gehabt haben muss und sie erwartete vermutlich auch seine offene Einschätzung. Tatsächlich blieb Franz Joseph nicht in Wien und „versuchte dort sein Glück“. Oblag die Entscheidung darüber zwar ausschließlich seinen Vormündern, so wird Cramers Sicht doch einen gewissen Einfluss auf selbige gehabt haben. Unterdessen ermahnte Eleonora ihren Sohn bzw. seinen Hofmeister erneut, daß mein Sohn sich bis hirhin eifferig angelegen sein laßet, durch ein guttes Aufführen bey jeden so viel möglich Aprobation zu finden, Gott wolle ihn hirin starcken und der Herr ihme nicht allein alß ein Hoffmeister, sondern alß ein Freund offters vorstellen daß von der Wienner Aprobation der Außschlag von der übrigen Welt und von seinen Glück, wo er es auch hernechst suchen, machen wird, dahero kann die Zeit wohl nüzlich daselbst ahngewendet werden.629
Hätte man Hofmeister Knoest die Entscheidung überlassen, so wäre er auf direktem Wege ins Rheinland zurückgekehrt. In seiner Antwort auf Eleonoras Schreiben erklärte er, dass er dem jungen Freiherrn „die allerernstlichste und wohlmeinentlichste Vorstellung“ getan habe, um ihn an eine „untadelhafte[n] Auffuhrung und Meidung liederlicher Persohnen“ zu erinnern.630 Sein drei Tage später folgender Brief gibt weitere Auskünfte: „[…] um ein Stadtgesprach zu verhinderen und die Reputation so viel moglich […] zu erhalten […]“, hatte der Hofmeister das „[…] Gesinde, welches sogar offentlich in unser eigenes Quartier zu kommen bestellet gewesen […]“ hinauswerfen lassen.631 Franz Joseph hatte offenbar unliebsame Gäste – möglicherweise Spieler, wenn nicht sogar Prostituierte – eingeladen. „[…] um allen Eclat zu vermeiden […]“, erschien es Knoest daher ratsam, Franz Joseph „[…] sobald moglich unter einen glimpflichen Praetext […] zuruck zu beforderen und die italianische Reyse biß auf eine andere Zeit zu verschieben […].“632 Bis dieser Brief bei Eleonora eintraf, hatte sie schon die Nachricht erhalten, dass ihre Ermahnungen und die „gute Aufführung“ ihres Sohnes Früchte getragen hatten und somit fanden die Bedenken des Hofmeisters zwar Beachtung, Auswirkungen auf die Reise Franz Josephs hatten sie jedoch keine. In einem Brief, den Eleonora am 24. Mai erhielt, teilte Franz Joseph ihr mit, dass der Kaiser ihn zum Reichshofrat ernannt hatte. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel daran, wem er dieses Amt verdankte. Wie Eleonora in ihrem Schreibkalender vermerkte: „dieße prematurirte Genad er dem Reichßvicecanzler zu dancken hatt.“633
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Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 13. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 544. Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 23. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 26. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. Ebd. Eintrag vom 24. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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Eleonora trug Sorge, dass ihr Sohn sein Hofratspatent auslösen konnte und übersandte einen weiteren Wechsel nach Wien.634 Die 1 000 Florin, die dazu nötig waren, dürften in ihren Augen eine kostspielige, aber dennoch sinnvollere Anlage gewesen sein, als die immensen Kosten des Parisaufenthalts. Kurz darauf wurde die frohe Kunde dem Kölner Kurfürsten mitgeteilt und auch Franz Georg von Schönborn wurde über das neu erworbene Amt in Kenntnis gesetzt.635 Bald wurde dem jungen Metternich eine noch größere Ehre zu teil: Der Kaiser würde ihn in den Reichsgrafenstand erheben. Auch in diesem Fall scheint die Initiative von Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn ausgegangen zu sein. Wie Eleonora unter dem 9. Juni in ihrem Schreibkalender vermerkt, hätten weder ihr Sohn noch sie selbst darum gebeten.636 Auch der Hofmeister betont in einem Schreiben vom 30. Mai, dass Franz Joseph nicht um die Standeserhöhung ersucht hatte. Anders scheint dies bei der Reichshofratstelle gewesen zu sein. Folgendes Zitat aus einem Brief des Hofmeisters lässt vermuten, dass Franz Joseph deswegen den Reichsvizekanzler gebeten hatte, beim Kaiser vorzusprechen: Ich habe von dem Freyherren von Metternich vernohmen, daß ihro hochfurstliche Gnaden zu Wurtzburg und Bamberg nicht nur fur ihme das Reichshofrathsdecret, sondern auch die Erhohung im Reichsgrafenstand, jedoch dieses letztere mehr aus eigener Bewegnus alß daß der Freyherr von Metternich sonderlich desfalls bey ihme angesuchet von ihro Kayserlichen Mayestät außgewurckt habe.637
Die familiären Beziehungen, die durch die Ehe von Eleonora und Johann Adolf II. entstanden waren, hatten sich nochmals für das Geschlecht der Wolff Metternich zur Gracht ausgezahlt. Auch Franz Georg von Schönborn wurde über diesen neuerlichen Erfolg in Kenntnis gesetzt und „gratulier[t]e hierzu […] von Hertzen.“638 Um das Patent zu bezahlen, musste Eleonora weitere 6 000 Florin nach Wien senden. Die entsprechenden Wechselbriefe nahm sie am 16. Juni auf und legte zusätzlich 2 000 Florin für den Lebensunterhalt ihres Sohnes bei.639 Diese 2 000 Florin waren bis dahin die höchste Summe, die sie zum Zwecke der Lebensführung nach Wien schickte. Im Zusammenhang mit einer Standeserhöhung könnte man vermuten, dass ihr bewusst war, dass mit dem neugewonnenen Grafentitel auch eine weitere Stufe des standesgemäßen Lebens, angefangen bei der Kleiderwahl bis hin zu adäquater 634 Eintrag vom 27. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 635 Beim Mittagessen in Brühl teilte Eleonora dem Kurfürsten „die Genad, so der Kayser meinem [ihrem] Sohn gethan“ persönlich mit: Eintrag vom 31. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Franz Georg gratulierte in einem Schreiben vom 15. Juni: Vgl. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Ehrenbreitstein, 15. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 636 Eintrag vom 9. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 637 Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 30. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. 638 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Ehrenbreitstein, 6. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. 639 Eintrag vom 16. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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Unterbringung, erklommen worden war, die eine höhere finanzielle Belastung mit sich brachte.640 Gerade was die Kleidung anbetraf, so erfährt man aus einem Brief des Hofmeisters aus Wien, […] wissen Ewer Excellence selber, daß der Freyherr von Metternich hierinnen gern propre ist, und werden nach seiner Meinung uber zwey Umkleider, so ich schon machen lassen, ihme dennoch Sommerkleider, auch kunftighin ein Galakleid von nothen sein […].641
Tatsächlich dienten die 2 000 Florin u. a. dazu, das Reichshofratspatent auszulösen. Dieses war, obwohl wie bereits erwähnt schon einmal 1 000 Florin nach Wien per Wechsel geschickt worden waren, bis zu diesem Zeitpunkt nur „par honneur“ bezahlt worden.642 Franz Joseph hatte den Großteil des Geldes offenbar für besagtes Galakleid nach Paris geschickt – eine Verfahrensweise, die dem Hofmeister garnicht „vortheilhaftig“ erschien und dazu führte, dass er nicht wusste, wie er die Kosten für die fast täglichen Reisen nach Sachsenburg, dem kaiserlichen Jagdschloss, zum Zwecke einer Audienz und um sich bei den Ministern zu „insinuiren“ – beliebt zu machen – bewältigen sollte.643 Der neu erhobene Graf hatte zwar das teure Paris verlassen und verstand es, sich in der Wiener Hofgesellschaft aufs Beste zu präsentieren, seinen kostspieligen Lebenswandel hatte er aber keinesfalls abgelegt. Das Grafendiplom selbst, ausgestellt auf den 17. Mai 1731, gibt keinen Hinweis darauf, wem Franz Joseph die Standeserhöhung zu verdanken hatte. Eine Standeserhöhung gründete immer auf der Königs- bzw. Kaisertreue der Vorfahren und ihrer besonderen Verdienste sowohl im politischen als auch militärischen Bereich.644 Im Vordergrund standen dabei vor allem die Meriten Johann Adolfs I., des Urgroßvaters Franz Josephs, der knapp 100 Jahre zuvor von Kaiser Ferdinand III. in den Reichsfreiherrenstand erhoben worden war.645 Besonders hervorzuheben ist im Falle der Standeserhöhung zum Reichsgrafen die Wappenverbesserung, die mit dem Grafentitel verbunden war. Zum Stammwappen der Wolff Metternich – im geteilten Schild oben in Blau ein dreilätziger, silberner Turnierkragen, darunter in Silber ein schreitender schwarzer Wolf – kam das Wappen des Hauses Elmpt zu Burgau hinzu – in Gold eine rote Lilie mit zwei darauf sitzenden, grünen Sittichen. (Abb. 15) Franz Josephs Tante Maria Anna Katharina (1649–1722), die älteste Schwester seines Vaters, hatte 1674 in erster Ehe Daniel Freiherr von Elmpt zu Burgau (1615/20– 640 Eine Standeserhöhung konnte gar den finanziellen Ruin eines Geschlechts bedeuten. Vgl. Langbrandtner, Standeserhöhung (wie Anm. 115), S. 176. 641 Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 28. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. 642 Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 13. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. 643 Ebd. 644 Vgl. Grafendiplom für Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, 17. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 511. Vgl. auch Langbrandtner, Standeserhöhung (wie Anm. 115), S. 175. 645 Vgl. ebd.
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1683) geheiratet. Nachdem ihr Mann 1683 und der einzige Sohn Hieronymus Franz (1676–1704) im Jahr 1704 verstorben waren, gelangte ihr Bruder Johann Adolf II. 1705 als Zessionar646 in den Besitz von Burgau und Franz Joseph sollte das Schloss erben.647 Daher wurde letzterer unter dem Namen Wolff Metternich genannt von Elmpt zu Burgau in den Grafenstand erhoben.648 Was die Ausführung der Wappenverbesserung in Bezug auf Ergänzung eines Mittel- bzw. Herzschildes betraf, wurde durch den Hofmeister der Rat Eleonoras gesucht. Gleichzeitig teilte er mit, dass nach der Zustellung des Dekrets aus der Reichshofkanzlei eine dreimonatige Frist begann, innerhalb der man das Patent zu bezahlen hatte.649 Eleonora selbst kümmerte sich nach der Beschaffung des Wechsels zur Auslösung des Grafendiploms um die Karriere ihres Sohnes am Kölner Kurfürstenhof. Auch dazu hatte Cramer in seinem Schreiben vom 29. April geraten. Nachdem er seine Argumente gegen einen längeren Aufenthalt und eine Karriere am Kaiserhof vorgebracht hatte, wollte ich [er] mehr rahten, daß Ewer Excellenz ihn zu gehoriger Zeit wiederumb ließen heraußkommen, ahn seine eigenen Processen und Informirung uber seiner eigener Gühter gerechtsamben konnte er sich schon Occupation machen und seine Studia mehr perfectioniren. Umb die Praesidentenstelle vermeine, daß er sich doch melden sollte, wan er auch jetztend nicht darzu gelangen konnte, wan Ewer Excellenz konten effectuiren, daß ein Vicepraesident […] angenommen wurde […].650
646 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722; Vgl. Eintrag Burgau, in: Alexander Duncker (Hg.), Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den königlichen Familien-, Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern. In naturgetreuen, künstlerisch ausgeführten, farbigen Darstellungen nebst begleitendem Text, Berlin 1857–1883, hier Bd. 8 [Digitalisierter Druck]; [Elektronische Ressource]. Berlin: Zentral- und Landesbibliothek 2006, URL: https://digital.zlb.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:kobv:109-1-7676109 (24.11.2019). 647 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722. Das Sterbedatum der Maria Anna Katharina findet sich auch im Schreibkalender des Jahres 1722: „Heut den 9. hat Gott des Nachts 11 Uhr meine Schwester […] zu sich genohmen“. Eintragung von Johann Adolf II., 9. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 648 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723. Begleitet wurde der Erwerb des Schlosses von zwei Prozessen. Den ersten führten die Metternichs gegen die Stiefsöhne von Maria Anna Katharina. Diese hatte im Jahre 1718 Johann Friedrich Graf von Schaesberg (1663/4–1723) geheiratet. Der Prozess endete erst im Jahr 1736 durch einen Vergleich: Franz Joseph zahlte Johann Wilhelm von Schaesberg 17 000 Reichstaler. Der zweite Prozess wurde gegen die Linie Elmpt-Dammerscheidt geführt. Dieser Prozess endete wohl 1784 damit, dass Franz Josephs Sohn Johann Ignaz das Schloss an die von Elmpt abtreten musste. Vgl. ebd., Bd. 13, Mappe 1062 „Schaesberg“, S. 626 f. Der Namenszusatz „Elmpt zu Burgau“ findet sich bereits auf den Titelblättern der Disputationsschriften Franz Josephs vom Ende der 1720er Jahre. Vgl. Abb. 11–13 im Tafelteil. Siehe auch Kapitel VII.1 Inbesitznahme Burgaus. 649 Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Wien, 30. Mai 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. 650 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 29. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727.
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Cramer sah Franz Josephs Zukunft zunächst im Rheinland, auf den Gütern, die dem Adelsgeschlecht gehörten, und als Inhaber eines Amtes am kurkölnischen Hof. Auch in diesem Punkt folgte Eleonora dem Rat des Assessors. Bei einem Mittagessen mit dem Kurfürsten am 27. Juni sprach sie diesen auf die Stelle des Hofratsvizepräsidenten an und konnte später in ihrem Kalender vermerken, dass Clemens August ihr diese „überaus genadigst zugesagt“ hatte.651 Innerhalb eines Monats war es gelungen drei neue Würden für den Stammhalter bzw. das Geschlecht der Wolff Metternich zur Gracht zu gewinnen: Franz Joseph wurde Reichshofrat, kurkölnischer Hofratsvizepräsident und in den Reichsgrafenstand erhoben. Zumindest zwei dieser Errungenschaften waren mit Hilfe der schönborn’schen Verwandtschaft erlangt worden, wie in den Briefen aus Wien eindeutig belegt ist, und auch die Entscheidung des Kölner Kurfürsten bezüglich der Vizepräsidentenstelle wird von den Nachrichten vom Kaiserhof positiv beeinflusst worden sein. Die Kavalierstour war damit aber noch nicht beendet. Es sollte von Wien weiter nach Italien gehen. Auch in diesem Fall hatte Elenora offenbar den Rat ihres Vetters in Trier gesucht. Franz Georg von Schönborn wollte ihrer Entscheidung, ob Franz Joseph nach Italien gehen sollte oder nicht, nicht vorgreifen. Den möglichen Gefahren einer solchen Reise stand die „Qualification“, die er dadurch weiterhin erwerben konnte, gegenüber. Sollte sie sich jedoch gegen die Tour durch Italien entscheiden, würde er „die dreisambe Argumente zusammen tragen und sothane Reyss verlangen […] zu wiederrathen.“652 Schlussendlich war die Unterstützung Franz Georgs dann aber nicht nötig. Franz Joseph durfte nach Italien reisen. Als erste Station war Mailand angedacht. Um die Abreise vorzubereiten, schickte Eleonora erneut Geld an Hofmeister Knoest. 1 000 Florin gingen nach Wien und 300 Pistolen nach Mailand.653 Doch wie so oft genügte die Summe nicht. Um in Wien „alles zu zahlen zu der Reiß equipage und alles zu prepariren und mit dem ubrigen biß Myland zu reißen“, waren weitere 2 000 Florin vonnöten.654 Die Kosten der Reise stiegen weiterhin an. Auch hier wird Eleonoras Unmut darüber deutlich, wenn sie schreibt, dass ihr nichts anderes übrig bliebe, als den erneuten Kreditbrief anzuweisen: „[…] welches ich wohl thun müßen.“655
651 Eintrag vom 27. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 652 Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Kärlich, 30. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 712. Im selben Brief ist auch von Franz Josephs Heiratsabsichten mit einem nicht näher benannten Fräulein die Rede. Auch ein Jahr später verwies Cramer auf ein Gerücht, dass Franz Joseph eine „Gräfin von Schönborn“ heiraten werde. Vgl. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 1. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 727. Tatsächlich heiratete Franz Joseph aber erst im Jahr 1737 Isabella von Gymnich. 653 Vgl. Eintrag vom 19. August 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 654 Eintrag vom 13. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 655 Vgl. ebd.
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Die Reiseroute verlief weiter von Genua nach Turin und sollte auf „gerahten Weg auff Rome gehen […].“656 Eleonora wurde in ihren Briefen an den Hofmeister nicht müde, neben Vorschlägen für die Reiseroute, die zumeist doch anders verlief, ständige Ermahnungen zur finanziellen Situation verlauten zu lassen: „Dann Rome ist […] nicht der Orth, wo mann depensiren solle.“657 Doch schon der nächste Kalendereintrag macht deutlich, dass weiterhin hohe Kosten zu stemmen waren. Ohne zu wissen, ob die Suite bereits in Rom angekommen war, schickte sie vorsorglich rund 500 Pistolen dorthin.658 Ebenso in Zusammenhang mit der Reise Franz Josephs steht vermutlich das erste Notat aus dem Jahr 1732. Zur „Subsistenz“ ihres Sohnes, so hielt Eleonora fest, habe sie „by dem Mackler Jansen treytausend Reichstaler […] aufgenohmen.“659 Eleonora schien sich ernsthafte Sorgen um den Ruf ihres Sohnes und somit ihres Hauses zu machen. Bis zum 4. Januar war Franz Joseph noch immer nicht in Rom angekommen und zögerte seine „Rundreise“ durch Italien weiter hinaus.660 Sie konnte nur hoffen, dass Franz Joseph sich auch in Rom […] wie ahn anderen Orthen der Zeit nicht allein zum Plaisir ahnwendet, dann da ist der Orth, wo man durch die conduite mehr alß allen anderen kann aprobyrt und blamyret werden, der Herr [Knoest] stelle ihme diese Lebensarth recht vor, dann ich mein grose Ursach habe daß er sich da wohl aufführe, und förchte ich by seiner Zurückkunft habe ich ein Sohn, der die Länder gesehen, sich wohl divertiret auch schon gutte Freund gemacht, aber wenig solides profitiret, sondern nur viel Gelt verzehrt.661
Mit diesen Worten reihte sich Eleonora selbst schon fast in die Reihe der Kritiker ein, die vor allem im 18. Jahrhundert bemängelten, dass „das Ideal der Bildungsreise mit geistigem Anspruch […] oft Vergnügungsinteressen geopfert [wurde].“662 Auch die Briefe des Hofmeisters bestätigen diesen Eindruck. Aus Turin schrieb er Ende des Jahres 1729 einen Brief an Eleonora, der aufgrund seiner Anschaulichkeit fast vollständig an dieser Stelle wiedergegeben werden soll:
656 Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Bonn, 16. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 544. Die Route hatte Eleonora vorher auch mit dem Herrn von Bornheim abgestimmt. In zwei Briefen vom 9. und 10. September 1731 nimmt er Bezug darauf: Johann Jakob Waldbott von Bassenheim an Eleonora, Bornheim, 9./10. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 688. 657 Ebd. 658 Vgl. Eintrag vom 23. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 659 Eintrag vom 5. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 660 Vgl. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 27. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. 661 Ebd. 662 Eva Bender / Doris Herzog / Petra Niehaus, Die Kavalierstour. Pergrinomania oder die Raserey zu Reisen, in: Jörg Jochen Berns u. a. (Hg.), Erdengötter. Fürst und Hofstaat in der Frühen Neuzeit im Spiegel von Marburger Bibliotheks- und Archivbeständen, Marburg 1997, S. 571–591, hier S. 575.
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[Wir sind] biß hiehin so Nacht alß Tag auch durch die schlimmesten und gefahrlichsten Wege nicht anderes als wan Leib und Leben daran gelegen fortgeeilet, welches ihme auch als dieses Landes nicht kundig nicht ehender außzureden gewesen biß wir auf voriger Reyse von Genua bis hieher zwey funckelneue Chaisen nicht nur zerbrochen, sondern zertrummeret, zu geschweigen, daß man mich einmahl ins Wasser und etliche Mahl mit ihm in Koth und Morast eingeworffen, dann solche Kernigkeiten rechnet er fur nichts, jedoch verhoffe dieses erste gottlob noch glucklich abgelauffene Probstuck und Ewer Excellenz ernstliches zu schreiben werden ihm hinfuhro wenigsten etwas vorsichtiger machen, daß wir nicht anders bißher alß mit großen Spesen haben reysen konnen, dan wir richten unsere Reysen nicht ein nach Gelegenheit der Wegen und des Wetters, wir gehen hin, wo wir wollen, es sey in der Route oder aus der Route, es sey daß wir den Weg einfach oder zweyfach machen, gleichwie jetzender wir fast dreymahl den selbigen Weg auf Alexandria nehmen; auf den Orth, wo wir hinkommen bleiben wir so lang es uns gefällt, daß ist so lang uns die Plaisirs nicht abgehen, welches unsere eintzige Occupation ist, um das ubrige bekummeret man sich nicht und mußen wir dan endlich wegreysen so heisset es: geeilet Tag und Nacht, es koste was es wolle; wie wir dan etliche Mahl in voriger Reyse zwolff Pferde aus einer Post, die ohne dem excessiv theuer in Italien seind, bezahlen mussen, es mag halten, fallen, brechen wie, was und wo es will […].663
Zudem wusste Knoest zu berichten, dass der Aufenthalt in Turin sich verzögerte, „da ein starckes Attachement ahn eine hiesige verheyrathete Dame, deßen Mann nicht gegenwartig ist, den Herrn Grafen von Metternich gleichsam angefesselt haltet […].“664 Darüber hinaus verfolgte Knoest auch eigene Interessen. Er hatte sich an Eleonora gewandt, weil er nach Ende der Kavalierstour eine neue Stellung nötig hatte. Er bat darum, ihn „zu dero und des Herrn Grafen von Metternich Rath oder Conseiller zu ernennen.“665 Eleonora hätte ihm diesen Wunsch auch erfüllt, „allein da mein Sohn so nahe ahn seiner Rückreiß und Großjährigkeit ist, will ich ihm die Einrichtung und Promotion seiner Bedienten alß dan überlaßen […].“666 Offenbar läutete Eleonora schon ihren allmählichen Rückzug als Vormund ein und wollte bei einer so wichtigen Entscheidung, wie der des ständigen und engsten Beraters in allen Herrschaftsangelenheiten, Franz Joseph nicht vorgreifen. Auf Franz Josephs sonstigen, so explizit von Knoest geschilderten, Lebenswandel ging Eleonora dem Hofmeister gegenüber nicht deutlich ein. Möglicherweise versuchte sie direkt auf ihren Sohn einzuwirken – entsprechende Briefe sind jedoch nicht überliefert. Dass weiterhin Geld notwendig
663 664 665 666
Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Turin, 29. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Turin, 19. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 690. Hofmeister Sixtus Knoest an Eleonora, Turin, 19. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 690. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 27. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. Die Anschrift des Briefes zeigt zudem, dass Knoest schon eine weitere Stelle innehatte. Er war offenbar „Conseiller des finances“ des Kölner Kurfürsten geworden. Vgl. ebd.
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war – mehr als Eleonora offenbar zur Verfügung hatte –, belegen auch die nächsten Kalendereinträge, die von Anfang und Ende März stammen. Franz Joseph hatte sich in Turin 1 000 Livre geliehen. Diese Schuld musste seine Mutter nun tilgen. Sie gab auch den Wert mit der ihr bekannten Einheit von Pistolen an: 600 Pistolen mussten nach Turin geschickt werden.667 Ihnen folgten weitere 200 Pistolen, die nach Rom geschickt wurden.668 Vermutlich bis in den April blieb Franz Joseph mit seinem Hofmeister in Rom. Ab Mai schickte Eleonora ihre „Mahnbriefe“ und Geldwechsel dann in das „verführliche Venedig“.669 Damit befand Franz Joseph sich allmählich auf der Rückreise, die ihn auch noch einmal nach Wien führen sollte. Eleonora war damit zunächst nicht einverstanden gewesen. Nachdem ihr Sohn aber „zum zweitten Mahl ahnlieget umb seinen Rückweg über Wien zu nehmen, so mus ihm wohl endlich hir zu die Erlaubnus geben […].“670 Zur Bedingung machte sie, „daß er aldae seine Famille Processen, welche in seiner Abweßenheit aufs new in Gang kommen solicitire, keiner unnothwendige Depence mache und nicht mehr in böße Hand sich gebe, wie er gethan […].“671 Ende Mai brach man vermutlich in Venedig auf672 und am 14. Juni unterrichtete Franz Joseph seine Mutter über seine Ankunft in Wien.673 Von dort schien er sich dann allmählich in die Herrschaftsverwaltung zu integrieren. Als Beispiel kann ein Eintrag Eleonoras gewertet werden, den sie am 9. Juli 1732 verfasste. Aus diesem geht hervor, dass Franz Joseph sich offenbar gemeinsam mit dem Agenten Schlösser in der werdrischen Sache engagierte674, eine Angelegenheit, die im weiteren Verlauf noch ausführlicher dargestellt werden soll. Allzu lange hielt er sich aber nicht in Wien auf. Ein neuerlicher Kreditbrief in Höhe von 2 000 Florin wurde nach München geschickt.675 Ein Irrtum wie sich herausstellen sollte. Statt nach München entschied sich Franz Joseph nach Prag zu gehen, wodurch der Wechsel „nach München unnötig“ wurde und das Geld stattdessen nach Prag geschickt werden musste.676 Doch ganz gleich wohin Eleonora das Geld auch schickte – für den Lebensunterhalt ihres Sohnes schien es nie ausreichend zu sein. Im August musste sie noch einmal 1 000 Florin nach Wien an einen Herrn Richard schicken, „welche mein Sohn uber die 2 000 Florin so ihm durch Cre667 668 669 670 671 672 673 674 675 676
Vgl. Eintrag vom 2. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 23. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Bonn, 20. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 4. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. Ebd. Zuvor hatte Eleonora ein Schreiben Knoests vom 23. Mai noch aus Venedig erhalten. Ihren Brief schickte sie nun nach Wien. Vgl. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Bornheim, 8. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. Eleonora fand den Brief 10 Tage nach seiner Absendung bei ihrer Rückkehr aus Bornheim auf der Gracht vor: Vgl. Eintrag vom 24. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 9. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 17. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 24. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
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ditbrieff dahin geschickt bey ihm gelehnt.“677 Über den Aufenthalt in Wien oder Prag an sich erfährt man nichts aus den Schreibkalendern Eleonoras. Allein die Geldgeschäfte finden Platz in ihren Aufzeichnungen und Briefen. Auch Ende Oktober waren nochmals 1 000 Gulden nötig. Franz Joseph befand sich zu diesem Zeitpunkt endgültig auf der Rückreise und sollte das Geld in München erhalten.678 Am 3. Dezember 1732 konnte Eleonora ihren Sohn „Gott sey gelobt wieder glücklich zur Gracht“ willkommen heißen. Gerechnet hatte sie offenbar zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit ihm – seine Ankunft war ihr „ganz unvermuht“679, obwohl sie zunächst darauf gepocht hatte, dass der erneute Aufenthalt in Wien nur vier bis sechs Wochen dauern sollte.680 Gleich am nächsten Tag reiste Franz Joseph nach Brühl, um dem Kurfürsten seine Aufwartung zu machen.681 Eine Überraschung hielt die Rückkehr ihres Sohnes zum Jahresende noch bereit: Er hatte in München noch einmal 1 000 Florin geliehen ohne Eleonora darüber in Kenntnis zu setzen. Vaessen hatte zuvor in Köln die ausstehenden Schulden begleichen wollen.682 Anhand der Kavalierstour ihres Sohnes kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Ausbildung des Stammhalters den Kern der Vormundschaftszeit Eleonoras bildet. Darüber hinaus lassen sich weitere Aspekte in Bezug auf ihre Rolle als Mutter und Herrschaftsverwalterin festhalten. Zunächst wird noch einmal die hervorragende Heiratsverbindung für das Haus Wolff Metternich zur Gracht in den Fokus gerückt, die mit der Verwandtschaft zum Schönborn-Geschlecht einen nicht zu verachtenden Einfluss auf Franz Josephs Erfolg am Kaiserhof in Wien hatte. Die besondere Relevanz des Netzwerkes in Bezug auf die erfolgte Standeserhöhung und das Amt des Reichshofrates ist deutlich erkennbar. Der Blick auf den weiteren Verlauf der Kavalierstour hinterlässt ein ambivalentes Bild der Witwe. Wirkt sie in den anderen Bereichen ihrer Vormundschaft als souverän auftretende und selbständig agierende Protagonistin, so erweckt sie hier den Eindruck, als könne sie sich nicht gegen die Entscheidungen ihres Sohnes stellen und sei vor allen Dingen nicht in der Lage die enormen Ausgaben und Verlängerungen seiner Tour zu beschränken. Zugutehalten muss man ihr jedoch, dass erzieherische Maßnahmen aufgrund der großen Distanz kaum fruchten konnten und auch Hofmeister Knoest zwar die väterliche bzw. mütterliche Autorität auf der Tour vertreten sollte, aber auch dies nur mit geringem Erfolg tat. Zudem ist fragwürdig, ob die Tour
677 678 679 680 681 682
Eintrag vom 21. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 26. Oktober 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 3. Dezember 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 4. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 690. Vgl. Eintrag vom 4. Dezember 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 18. Dezember 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
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unter dem Einfluss Johann Adolfs II. anders verlaufen wäre. Vor allem die Erhebung in den Grafenstand wird ihr Übriges dazu beigetragen haben, die Dauer und Kosten, die zwar außerordentlich hoch waren, aber dennoch nicht zum zitierten Ruin des Hauses geführt haben, hintanzustellen. Zum Schluss fällt auch hier der Unterschied zwischen Korrespondenz und Kalendereinträgen Eleonoras ins Auge. Wie zuvor wird die emotionale oder in diesem Fall kritische Seite im Kalender nicht deutlich. Dort hält Eleonora sachlich nüchtern die Route, eingegangene Briefe oder auch die verschickten Wechsel fest, ohne dass sie ihren Unmut äußert, wie es der Fall in den Briefen an den Hofmeister ist. Allein ihre Freude über die Standeserhöhung wird deutlich. Die strikte Handhabung der Kalender als reine Arbeitsmaterialien, in Abgrenzung zur persönlich gefärbten Korrespondenz, kommt dadurch immer mehr zum Tragen.
VII. Herrschaftsverwaltung Das Beispiel Burgau VII.1 Inbesitznahme Burgaus Den mit Abstand größten Teil der Notate innerhalb Eleonoras Schreibkalender stellen Einträge zur Herrschaftsverwaltung und Prozessführung dar. Mit dem Burgauer Konflikt soll im Folgenden ein Beispiel, das beide Punkte vereint, vorgestellt werden, bevor im Anschluss ein weiterer Prozess intensiver behandelt wird. Anhand der Eintragungen lässt sich nicht allein der zähe und langwierige Prozess nachvollziehen. Gleichzeitig geben die Aufzeichnungen Einblicke in die Herrschaftsbereiche und -rechte, die in Verbindung mit dem Besitz eines solchen Gutes standen, und mit denen sich Eleonora als Vormund ihres minderjährigen Sohnes beschäftigen musste. An dieser Stelle soll daher zunächst der Prozessrahmen dargestellt werden, bevor auf einzelne damit zusammenhängende Aspekte eingegangen wird, die in den Aufzeichnungen Eleonoras teilweise parallel verlaufen, aber ohne eine streng chronologische Ordnung leichter nachzuvollziehen sind. Kurz vor dem Tod Johann Adolfs II. flammte der schon länger schwelende Konflikt um Burgau erneut auf: Am 11. Februar 1722 erfuhr er vom Tod seiner Schwester Maria Anna Katharina, die bereits zwei Tage zuvor verstorben war, wie er an einem nachträglichen Eintrag gegenüber dem 9. Februar deutlich machte.683 Wie erwähnt hatte genannte Maria Anna Katharina 1674 in erster Ehe Daniel von Elmpt zu Burgau geheiratet. Im dazugehörigen Heiratsvertrag wurde festgelegt, dass im Falle des Todes Daniels von Elmpt ohne Nachfolger der Besitz an die Wolff Metternichs unter der Bedingung einer Fortführung von Namen und Wappen übergehen würde.684 Nach dem Tod ihres Mannes und Sohnes veranlasste Maria Anna Katharina, dass der Besitz nach ihrem Tod auf ihren Bruder Johann Adolf und dessen Erben
683 Alle Notate befinden sich auf der unbedruckten Seite neben dem eigentlichen Kalenderblatt: Vgl. Einträge vom 9. bis 11. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 684 Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 119.
VII.1 Inbesitznahme Burgaus
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übergehen solle.685 Ein Jahr später, im Jahr 1705, wurde Burgau Johann Adolf als Lehen übertragen und weitere 12 Jahre später wurde diese Belehnung erneuert.686 Zudem setzte die Witwe von Elmpt ihren Bruder als Universalerben ein.687 Am 29. Oktober 1718 heiratete Maria Anna Katharina jedoch vollkommen unerwartet im Alter von 71 Jahren erneut.688 Ihr Gatte in dieser außerordentlichen Verbindung war der 14 Jahre jüngere Johann Friedrich von Schaesberg (1663/4–1723). Infolge der Heirat widerrief sie das frühere Testament, das ihren Bruder begünstigt hatte, und beantragte eine neuerliche Belehnung auf sich selbst. Nach ihrem Tod – so legte es der Heiratsvertrag fest – sollte Burgau in den Besitz der von Schaesberg übergehen689, eine Regelung, die den Auftakt zu einem langwierigen Streit der beiden Familienparteien um den Besitz bildete. Dass Johann Adolf II. gegen eine erneute Hochzeit seiner Schwester gewesen war, lässt sein Eintrag zu ihrem Tod möglicherweise dadurch erkennen, dass er explizit ihr Alter zum Zeitpunkt der Hochzeit erwähnt: „Heut den 9. hat Gott des nachts 11 Uhr meine Schwester, so vor 3 Iahr im 71 Iahr ihres [Lebens] den Graf Schaesberg geheyratet, zu sich [genommen].“690 Nach dem Tod Maria Anna Katharinas beabsichtigte nun eben dieser Graf von Schaesberg ihre Güter in Besitz zu nehmen.691 Johann Adolf II., der an der Jahre zuvor erfolgten Belehnung festhielt, schickte am 11. Februar Bedienstete, die sich nicht näher identifizieren lassen, nach Burgau, „umb auch die possession so mir [ihm] vor 13 Iahren geben“ zu vollziehen.692 Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus – man fand das Haus verschlossen vor.693 Zu seinen Lebzeiten konnte Johann Adolf II. seine Ansprüche auf Burgau nicht mehr geltend machen. Die nächste Gelegenheit sollte sich im folgenden Jahr bieten: Am 19. August 1723 war Eleonora von einem Aufenthalt in Bornheim wieder auf die Gracht zurückgekehrt und hatte vom Tod des Johann Friedrich von Schaesberg694 erfahren. Ebenso wie ihr Mann vor ihr ließ sie keine Zeit verstreichen und schickte umgehend einen Notar nach Burgau. Allein dieser kehrte auch unverrichteter Dinge auf die Gracht zurück: Die Erben des Verstorbenen hatten mit einem erneuten Intervenieren von Seiten der Wolff
685 Vgl. ebd., S. 119. 686 Vgl. ebd., S. 120. Laut Oidtman war Johann Adolf II. seit 1705 als Zessionar für seinen Sohn im Besitz des Schlosses. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 722; Eintrag Burgau, in: Duncker (Hg.), Wohnsitze (wie Anm. 646.). 687 Das Testament datiert auf den 13. November 1715. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 120. 688 Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 13, Mappe 1062 „Schaesberg“, S. 626. 689 Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 120 f. 690 Eintrag gegenüber dem 9. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 691 Vgl. Eintrag vom 10. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 692 Eintrag vom 11. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 693 Vgl. Eintrag vom 12. Februar 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. 694 Schaesberg war am 18. August 1722 gestorben. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 13, Mappe 1062 „Schaesberg“, S. 626.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Metternichs gerechnet und so war „daß Hauß aber [wahr] mitt Schützen bewacht und geschloßen.“695 Die Auseinandersetzungen um die Burgauer Güter sollten Eleonoras Aufzeichnungen bis zum Jahresende und darüber hinaus bestimmen.696 Gemeinsam mit dem Herrn von Bornheim und Hofrat Sauer, den man eigens auf die Gracht kommen ließ, beriet Eleonora das weitere Vorgehen. Den ersten Schritt sollte eine Supplik am Reichskammergericht in Wetzlar darstellen, damit die Wolff Metternichs „gegen Caution in die burgawische Gutter eingesetzt“ würden.697 Ende August schickte man die Supplik nach Wetzlar.698 Während auf eine Entscheidung gewartet wurde, fanden im Verlauf des Septembers und Oktobers unregelmäßige und in unterschiedlichen Personenkonstellationen bestehende Beratungen statt, bis man Effelsberg Anfang Oktober mit einer weiteren Supplik nach Wetzlar schickte.699 Doch auch der zweite Anlauf brachte zunächst keinen Erfolg. Der Herr von Bornheim entschloss sich daher „auf Famille Kosten“ selbst nach Wetzlar zu reisen, um dort persönlich vorzusprechen.700 Die Übernahme der Kosten durch Eleonora entsprach dem Testament Johann Adolfs II., in dem er festgelegt hatte: „[…] unndt wan sie [die Vormünder] in deren Minderjährigen Angelegenheiten außreißen werden, sollen ihnen die Reiß unndt Zehrungs-Kösten ersetzet werden.“701 Gut eine Woche war Johann Jakob Waldbott von Bassenheim in dieser Angelegenheit unterwegs. Am 26. Oktober erwartete Eleonora ihn in Bonn, um sich über die Vorgänge in Wetzlar unterrichten zu lassen.702 Zu Beginn des Novembers war eine Entscheidung gefallen, die möglicherweise durch die vorherige Anwesenheit des Herrn von Bornheim begünstigt worden war. Wie diese konkret aussah, vermerkte Eleonora jedoch nicht innerhalb des Schreibkalenders. Vermutlich orientierte sich diese am Wolff Metternich’schen Vorschlag. Der Kammerbote aus Wetzlar, der zunächst nach Köln reiste, um die Entscheidung kundzutun, machte sich kurz darauf auch nach Burgau selbst auf den Weg. Begleitet wurde er dabei von Vaessen, nachdem das Gespann Wolff Metternich, Bornheim, Sauer und Effelsberg die weitere Verfahrensweise abgestimmt hatte.703 Tatsächlich sah der Beschluss wohl vor, dass die Burgauer Güter vorläufig den Wolff Metternichs zugesichert wurden. Dafür spricht, dass Eleonora „den Dockter Efelsberg nach Düsseldorf auf den Unterherrentag 695 Einträge vom 19. bis 21. August 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 696 Zur Langwierigkeit der Auseinandersetzungen: Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 13, Mappe 1062 „Schaesberg“, S. 626 f. sowie Kapitel VI. Kostspieliger Triumph, v. a. Anm. 648. 697 Vgl. Eintrag vom 24. August 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 698 Vgl. Einträge vom 22., 24. und 26. August 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 699 Vgl. Einträge vom 10., 25., 29. und 30. September sowie 1. und 2. Oktober 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 700 Eintrag vom 17. Oktober 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 701 Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504. 702 Vgl. Einträge vom 25. und 26. Oktober 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 703 Vgl. Einträge vom 5., 7. und 9. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600.
VII.1 Inbesitznahme Burgaus
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wegen Burgaw geschickt“ hatte704, er jedoch am 4. Dezember mit der Nachricht auf die Gracht zurückkam, dass man ihn nicht zugelassen hätte, da erst die „würckliche Possession“ der Güter abgewartet werden müsse.705 Eine vorläufige Inbesitznahme genügte nicht zur Teilnahme am Unterherrentag. Als letzte Handlung in Sachen Burgau im Jahr 1723 schickte Eleonora den Notar Konrath ebendahin, um zu ermitteln, ob die Untertanen bereit seien, dem Wetzlarer Beschluss Folge zu leisten. Es stellte sich heraus, dass sich die Bediensteten des Schlosses vor einer Entscheidung zunächst beim Grafen von Düsseldorf rückversichern wollten.706 Rund vier Monate nach dem Tod des Herrn von Schaesberg war der Streit um den Burgauer Besitz noch nicht zu Eleonoras Zufriedenheit geklärt. Das Kalenderjahr beschlossen Einträge zu Burgau, aus denen hervorgeht, dass erneut Schriften nach Wetzlar abgeschickt wurden und sich Vaessen als Vertreter der Wolff Metternichs dorthin begeben sollte.707 Über die Art und Weise der Verhandlungsführung im folgenden Jahr geben die Schreibkalender keine Auskunft. Das Exemplar des Jahres 1724, das Eleonora mit Sicherheit ebenfalls geführt hat, ist, wie bereits erwähnt, nicht überliefert. Erst mit Beginn des Jahres 1725 kamen die Streitigkeiten zu einem vorläufigen Ende: Am 3. Januar konnte Eleonora Hofmeister Knoest nach Düsseldorf schicken, um die Grafen von Schaesberg für die darauffolgende Woche in den Metternich’schen Hof nach Bonn zu bestellen.708 Das Urteil aus Wetzlar sah offenbar eine Ablösesumme vor, die Eleonora vor Inbesitznahme der Burgauer Güter den Grafen von Schaesberg zu zahlen hatte. Tatsächlich wurde man sich einig: Eleonora zahlte für Burgau am 10. Januar 5 700 Reichstaler und erhielt im Gegenzug „die Original-Obligation sambt deren Quittungen“.709 Ohne weitere Vorkommnisse konnte Burgau Ende Januar offiziell in Besitz genommen werden. Dazu reiste Eleonora mit ihrem Sohn, Schwiegersohn und in Begleitung des Herrn von Hechenkirchen sowie der Herren Effelsberg und Türnich, nachdem man sich tags zuvor auf der Gracht eingefunden hatte, nach Burgau und wurde von den „Unterthanen auffs beste empfangen.“710 Die Verhandlungen mit der Familie von Schaesberg nach Zahlung der Kaution gingen unterdessen weiter.711 Auch im Mai wurde intensiv verhandelt. Für Eleonora regel704 705 706 707 708 709 710
711
Eintrag vom 29. November 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Eintrag vom 4. Dezember 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Vgl. Eintrag vom 11. Dezember 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Vgl. Einträge vom 12. und 14. Dezember 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. Vgl. Eintrag vom 3. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Einträge vom 9. und 10. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Einträge vom 21. und 22. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Beim Herrn von Hechenkirchen könnte es sich um Franz Carl von Hechenkirchen oder Maximilian Clemens von Hechenkirchen gehandelt haben. Franz Carl brachte es bis zum Oberstallmeister, Maximilian Clemens war Kämmerer. Vgl. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 180 und 193. Zu Franz Carl siehe auch Braubach, Kurköln (wie Anm. 461), S. 455 und 530. Eintrag vom 11. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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VII. Herrschaftsverwaltung
ten v. a. Assessor Cramer und Hofrat Sauer die Angelegenheit, die gleichzeitig auch in der „werdrischen Sache“712 aktiv waren. Sie waren es auch, die mit dem jungen Grafen von Schaesberg über einen Vergleich diskutierten und die Ergebnisse dieser Unterredung Eleonora vortrugen.713 Weiteren Niederschlag im Schreibkalender bildete der Prozess vorerst nicht. Im Jahr 1727 wird er nur an einer Stelle erwähnt und diese wurde von Eleonora gestrichen, da sie den Vermerk unter dem falschen Datum vorgenommen hatte. Inhalt ist die Aussendung des Herrn Lapp714 nach Wetzlar, um sich dort um alle am Kammergericht anhängigen Verfahren zu kümmern. Dazu gehörte neben der werdrischen unter anderem auch die Burgauer Sache.715 Im Kalendereintrag, der unter dem offenbar richtigen Datum notiert wurde, ist aber ausschließlich von der werdrischen Sache die Rede.716 Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass auch die übrigen Prozesse weiterverfolgt wurden. 1728 war Burgau weitaus häufiger Thema in den Schreibkalendern. Dabei ging es zunächst vorrangig um die Verwaltung des Besitzes, die noch näher zu betrachten ist. Erst im Februar 1729 kommt Eleonora im Schreibkalender wieder auf das Verfahren wegen des nicht abschließend geklärten Besitzanspruches zu sprechen. Von Ferdinand von Plettenberg, dem kurkölnischen Obristkämmerer, war ein diesbezügliches Schreiben eingetroffen, das ihr von ihrem Schwiegersohn vorgelegt wurde, dessen Inhalt aber nicht näher erläutert wird.717 Zur weiteren Bearbeitung des Schriftstücks wurde es zunächst nach Köln zu Hofrat Sauer weitergeleitet.718 Bis Mai war dieser mit der Ausarbeitung einer Antwort im Sinne der Wolff Metternich’schen Seite beschäftigt, die am 18. Mai beim Obristkämmerer eingereicht wurde.719 In den folgenden Wochen und Monaten war Eleonora zwar verschiedene Male bei Graf Plettenberg zu Gast, die Vergleichssache schien aber davon unberührt zu bleiben und wurde nicht weiter im Schreibkalender erwähnt. Als Vertreterin ihres Sohnes übte Eleonora seit Zahlung der Kaution de facto die Herrschaft in Burgau aus – ins eigentliche Haus hatte man sie bis zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gelassen. Auch ein ganzes Jahr später konnte Cramer aus Wetzlar keinen Fortschritt vermelden:
712
Die „werdrische Sache“ wird später ebenfalls noch behandelt. Vgl. Kapitel VIII. Zähe Verhandlungen. 713 Vgl. Eintrag vom 30. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Spätestens seit September 1726 trug Franz Joseph den Namenszusatz „Elmpt zu Burgau“. Vgl. Titelblatt der Disputationsschrift Doetsch / Wolff Metternich zur Gracht, Assertiones Ex Universa (wie Anm. 224), s. Abb. 11 im Tafelteil. 714 Zu seiner Person vgl. Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 4), Düsseldorf 1900, S. 562. 715 Gestrichener Eintrag vom 16. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 716 Vgl. Eintrag vom 9. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 717 Vgl. Eintrag vom 12. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 718 Vgl. Eintrag vom 19. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. 719 Vgl. Eintrag vom 18. Mai 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
VII.1 Inbesitznahme Burgaus
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[…] eß were guth wan die Schaesbergische Sach konnte zum Endt gebracht werden, eß seynt aber dermahlen so viele andere große und weitlauffige Sachen hier im Trieb, daß des Herrn von Ingelheim Excellenz, wan sie auch wollten, vor dem Herbst schwerlich werden helffen konnen.720
Genannter Franz Adolf von Ingelheim (1659–1742) war seit 1698 katholischer Reichskammergerichtspräsident in Wetzlar und zudem durch seine Schwiegermutter Maria Klara von Schönborn (1647–1716) genau wie Eleonora mit dem Würzburger Adelsgeschlecht verwandt.721 Aus diesem Grund verwies Cramer auch darauf, dass „er [Ingelheim] wegen der Verwandschafft die Hande von der Sach halten [sollte]“ und schlug vor, stattdessen dem Grafen von Wied722 „das directorium darin [zu] uberlaßen.“723 Wie langwierig sich der Prozess gestaltete, wird auch dadurch deutlich, dass die Quellen erst ein halbes Jahr später wieder Informationen darüber geben. Am 30. November schrieb Cramer an Eleonora: „[…] in der Schaesbergischen konnen Ewer Excellenz sich auch Hoffnung machen, daß nechstend etwas heraußkommen werde […].“724 Tatsächlich konnte er sie einen Monat später darüber informieren, daß „in der Schaesbergischen Sach zwarn gestern eine Urtheil ergangen, dadurch aber die Sach noch nicht vollents zum Endt gebracht worden.“725 Den Inhalt des vorläufigen Urteils vermerkte Eleonora an Heilig Abend 1730 im Schreibkalender: Der Schaesberger Seite wurde auferlegt sich innerhalb von sechs Wochen zur Sachlage zu äußern und Eleonora „einige Zimmer im Haus […] einzuraumen“ solange das Verfahren andauerte. Zudem nennt Eleonora hier auch den Verfahrenswert, der sich wohl auf 47 150 Reichstaler belief, wobei „in gedachter Summe […] 25 000 Reichstaler Bawkosten“ enthalten waren.726 Nach Ablauf der sechswöchigen Frist schrieb Eleonora nach Wetzlar und bat um Fortsetzung des Verfahrens.727 Sie wollte keine unnötige Zeit mehr verstreichen lassen – zu lange zog sich der Prozess schon hin. Der Plan ging jedoch nicht auf. Graf Schaesberg hatte um Verlängerung der Frist gebeten, woraufhin ihm weitere drei Monate Zeit eingeräumt worden waren.728
720 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. Mai 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. 721 Vgl. Jahns, Reichskammergericht (wie Anm. 270), S. 677; Heinz Duchhardt, „Ingelheim genannt Echter von Mespelbrunn, Franz Adolf Dietrich Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 170 f., [Online-Version] URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd101056109.html (24.11.2019). Maria Klara von Schönborn war eine Tante Eleonoras. Vgl. Schraut, Das Haus Schönborn (wie Anm. 54), S. 414, Abb. 31: Stammbaum des Hauses Schönborn. 722 Karl Graf von Wied-Runkel (1684–1764) war seit 1724 neben Franz Adolf von Ingelheim evangelischer Reichskammergerichtspräsident. Vgl. Jahns, Reichskammergericht (wie Anm. 270), S. 679. 723 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. Mai 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. 724 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 30. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. 725 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 21. Dezember 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. 726 Eintrag vom 24. Dezember 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. 727 Vgl. Eintrag vom 15. Februar 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 728 Vgl. Eintrag vom 20. März 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Diese erste Fristverlängerung schien der Schaesberg’schen Partei nicht zu genügen. Nur einen Monat nach Bestätigung der drei Monate machte der Anwalt des Grafen eine erneute Eingabe in Wetzlar und bat um weitere drei Monate Verlängerung.729 Eleonora, die darüber mit Prokurator Jung korrespondierte, konnte und wollte weitere Verzögerungen nicht dulden. Sofort nach Erhalt des Schreibens antwortete sie ihm die „Dilation soviel zu behindern und dahgegen zu condomaciren [?] alß es moglich […]“.730 Der Protest schien erfolgreich gewesen zu sein. Am 8. Juni war in Wetzlar das Urteil ergangen, dass innerhalb von vier Wochen „alle elmptische Gutter [zu] raumen“ seien.731 Auch Cramer hatte es sich nicht nehmen lassen, zwei Tage nachdem das Urteil ergangen war, Eleonora „dazu von Hertzen [zu] gratulire[n] [und] wunsche auch daß es bald zum Effect kommen [würde].“732 Der Wunsch sollte jedoch nicht in Erfüllung gehen: Bis zum Ende des Monats hatte sich so wenig bewegt, dass Eleonora mit den Herren Bornheim und Schramm beriet, wie man sich nach Ablauf der Frist verhalten sollte.733 Zuvor hatte sie sich auch an Cramer gewandt, da sie mit neuerlichen Verzögerungen gerechnet hatte. Er riet ihr, „durch den Herrn Dr. Jung alhier [Wetzlar] pro mandatio de exequendo anruffen [zu] laßen.“734 Man kam zu dem Schluss, Anfang Juli Verwalter Vaessen mit Notar Schütz nach Burgau zu schicken, um sich über den Stand der Dinge zu informieren.735 In Burgau angekommen mussten die Herren jedoch feststellen, dass die Güter keineswegs geräumt waren und die Bediensteten auch keine Anweisung hatten, dies zu tun. Über diese Ereignisse informiert, beauftragte Eleonora – wie Cramer es vorgeschlagen hatte – Prokurator Jung in Wetzlar, einen Termin zur Räumung festlegen zu lassen.736 Graf Schaesberg selbst gedachte zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu unternehmen. Auf Nachfrage von Vaessen verwies er auf eine noch ausstehende Antwort seines Anwalts.737 Bis Ende Juli 1731 war keine Änderung eingetreten. Eleonora schrieb erneut nach Wetzlar und beauftragte Prokurator Jung, die Ausfertigung des „Mandatum de Exequento“ in die Wege zu leiten.738 Da zu diesem Zeitpunkt die von Cramer angekündigten Ferien in Wetzlar angefangen hatten739, traf es erst am 1. September auf Schloss Gracht ein.740 Gebrauch machen wollte Eleonora davon zunächst noch nicht. Sie ließ den Grafen von Schaesberg „freundlich erinderen […] die Burgawer Gütter 729 730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740
Vgl. Eintrag vom 21. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 22. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 12. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 10. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 30. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 24. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 6. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 8. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 10. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 26. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 5. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 1. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
VII.1 Inbesitznahme Burgaus
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zu raumen“.741 Sollte er der Aufforderung jedoch nicht nachkommen, würde sie sich zur Durchsetzung ihrer Interessen des Mandats bedienen. Dies zeigte Wirkung: Graf Schaesberg ließ übermitteln, dass er aufgrund des Todes seines Schwagers noch keine Zeit gehabt hätte, die Güter räumen zu lassen, bat um zehn Tage Aufschub und machte gleichzeitig deutlich, dass eine Räumung auch nicht innerhalb eines Tages möglich wäre. Schmitz legte ihm nahe, zumindest mit der Räumung zu beginnen.742 In Absprache mit ihrem Schwiegersohn war Eleonora bereit, dem Grafen von Schaesberg weitere zehn Tage Zeit zu lassen.743 Doch auch diese Frist verstrich ungenutzt. Die Bediensteten des Grafen hatten keine Anweisung erhalten, die Güter zu räumen. Stattdessen hatten sie Obst und Heu verkauft, wogegen Eleonora protestieren ließ, und boten ihr nun das zum Gut gehörige Vieh zum Verkauf an.744 Erneut war es der Herr von Bornheim, der die Wolff Metternich’sche Reaktion formulierte. Graf Schaesberg wurde an sein Versprechen erinnert, die Güter räumen zu lassen und aufgefordert, das Vieh und anderes Gut „in einen civilen Preis zu uberlaßen“.745 Am 1. Oktober erfuhr Eleonora, dass ein Ende der Verhandlungen kurz bevorstand: Burgau und alle Elmptischen Güter sollten geräumt werden und den Wolff Metternichs vollkommen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollte sogar das „Gelt vor das verkauffte Obst […] restituriret werden […].“746 Auch über das zum Kauf angebotene Vieh „und wenige Mobilien“ sollte mit dem Grafen von Schaesberg bzw. seinen Bediensteten verhandelt werden.747 Dies übernahm Schmitz, der mit einem Entwurf nach Köln zurückkehrte.748 So reibungslos wie es zu diesem Zeitpunkt den Anschein machte, sollte die Abtretung aber nicht vonstatten gehen. Assessor Cramer suchte Eleonora in Köln auf und wies darauf hin, dass die bisherige Vorgehensweise nicht der juristischen Form genüge. Eleonora müsste eine von Graf Schaesberg unterschriebene Erklärung über die Räumung erhalten und erst dann könnte Eleonora die Güter wirklich in Besitz nehmen.749 Diese Aufforderung zur Ausfertigung einer „schriftlich Abtrettung“ samt eines entsprechenden Entwurfs überbrachte Schmitz dem Grafen in Düsseldorf.750 Wie schon so oft wurde das Procedere nun erneut verzögert. Nach Erhalt von Eleonoras Schreiben berief sich Graf von Schaesberg darauf, dass er zunächst mit seinem Anwalt darüber sprechen müsste und erbat sich zum wiederholten Mal einen Zeitraum von mehr als
741 742 743 744 745 746 747 748 749 750
Eintrag vom 12. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 15. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 16. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Einträge vom 24. und 28. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 29. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 1. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Einträge vom 5., 6. und 9. Oktober 1731,, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 12. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 13. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 15. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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VII. Herrschaftsverwaltung
einer Woche zur Beantwortung.751 Und auch dieses Mal musste er von Eleonora an die Einhaltung dieses Zeitraums erinnert werden.752 Während man auf eine Antwort des Grafen wartete, traf ein Schreiben des Prokurators Jung auf der Gracht ein. Enthalten war u. a. ein Beleg der schaesbergischen Ansprüche auf die Burgauer Güter sowie eine „Repositionsschrift“, mit der man offenbar die Wiedereinsetzung als Besitzer der Güter forderte. Ein Umstand, der im krassen Gegensatz zu den – wenngleich hinausgeschobenen – Räumungszusagen stand.753 Eleonora schien allmählich die Geduld zu verlieren: Graf von Schaesberg zögerte eine Antwort auf den Räumungsentwurf weiterhin hinaus und die Unterlagen aus Wetzlar versprachen ebenfalls keine schnelle Einigung.754 Nachdem sie sich bei ihrem Schwiegersohn rückversichert hatte, trug sie Schmitz auf „ein Aufsaz zu machen von alle dem was seither der Urtheil passirt [war].“755 Die letzte Hoffnung war Ferdinand von Plettenberg. Ihm übermittelte Eleonora neben besagtem Aufsatz auch alle weiteren Schriftstücke, die in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Burgauer Sache entstanden oder eingetroffen waren. Dies sollte belegen, „wie hofflich und in der Form wir [die Wolff Metternichs] alles gethan, wie unartig und ohne Parole […] der Graf sich auffuhrt […].“756 Eleonora erhoffte sich, dass der Obristkämmerer auf Graf Schaesberg einwirken könne, um die Räumung ohne noch größeres Aufsehen durchführen zu können.757 Doch auch eine Intervention vonseiten Plettenbergs, falls sie denn vorgenommen wurde, brachte keinen Erfolg. Bis zum Jahresende änderte sich kaum etwas an der bestehenden Situation. Graf Schaesberg schob eine Antwort weiterhin hinaus.758 Sie traf erst Anfang Dezember bei Eleonora, die vorher bereits bezweifelt hatte, jemals eine Antwort zu erhalten, ein. Im Kalender hielt sie am 15. November 1731 fest: „Heutt Andwortt von dem Dockter Kesseler bekommen, daß der Graff ahm Sontag andwortten wolte, worauß doch meiner Meinung nach nichts werden wird.“759 In dem Schreiben, das am 1. Dezember eintraf, forderte Graf Schaesberg nun ein „Revers“, eine Verpflichtung der Wolff Metternich’schen Vormundschaft, dass die Durchführung der Räumung unabhängig von seinen übrigen Forderungen sei und letztere dadurch nicht obsolet würden.760 Ob ein solches Reversal ohne weiteres aus-
751 752 753 754 755 756 757 758 759 760
Vgl. Eintrag vom 18. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 25. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 27. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 28. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 29. Oktober 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 1. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 5. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 13. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 15. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 1. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
VII.1 Inbesitznahme Burgaus
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gestellt werden konnte, ließ Eleonora sich u. a. durch Assessor Cramer bestätigen.761 Am 31. Dezember wurde es Graf von Schaesberg zugestellt.762 Mit der Ausstellung des Revers durch Eleonora gab sich dieser schließlich zufrieden: Anfang 1732 traf seine „schriefftliche Declaration […] wegen formeler Raumung allieger elmptischer Gutter“ auf der Gracht ein.763 In einem beigefügten Brief an Eleonora bot er ihr zudem noch einmal den Verkauf aller beweglichen Güter an.764 Knapp zehn Tage später konnte Vaessen in Eleonoras Auftrag gemeinsam mit Notar Schütz die Güter offiziell in Besitz nehmen: Heutt hatt der Vaessen alß vormundschafftliche Gevollmächtigter sambt den Notarius Schüz und zwey Zeugen in Gottes Nahmen die Possession zu Burgaw genohmen, deß Graffen von Schaesberg schrifftliche Declaration der Raumung halber producirt, alle Urtheil den Unterthanen und Halffens vorgelesen und die formliche Possesion genohmen den Halffen auffs newe zu pfachten ahnbefohlen.765
Ein Ende hatte die Angelegenheit gegen von Schaesberg damit aber noch nicht gefunden. Während Vaessen sich weiterhin um die Verwaltung der Güter kümmerte766, beauftragte Eleonora Schramm, eine „Berechnungsschrift gegen Schaesberg“ anzufertigen.767 Mit dem Ergebnis zeigte sich allerdings weder sie noch der Herr von Bornheim zufrieden. „Unter der Hand“ ließ sie Schmitz einen zweiten Entwurf ausarbeiten.768 Dieser war Ende März des Jahres 1732 fertiggestellt und wurde zunächst Eleonora vorgelegt769, die wiederum veranlasste, dass Schmitz seine Schrift selbst nach Köln brachte, „umb deß Herrn von Bornheim Gedancken deßfalß zu hören“.770 Das Urteil des Mitvormunds, das einen Tag später auf der Gracht eintraf, überraschte jedoch: „Heitt ist der Schmiz wieder von Collen kommen und referirt waß der Herr zu Bornheim in beyd Schrifft aprobiret alß nemblich die von Schram zu ubergeben […].“771 Die erste Fassung schien nun doch das Wohlwollen des Herrn von Bornheim gefunden zu haben. Möglicherweise überarbeitete Schmitz aber die gewählte Fassung auch noch einmal, denn er wurde erst Anfang Mai mit der Berechnungsschrift nach Wetzlar geschickt. Gänzlich unzufrieden war die Vormundschaft wohl nicht mit seiner Arbeit, da man auch zukünftig auf seinen Rat bauen wollte. Eleonora hielt dazu fest, dass sie 761 762 763 764 765 766 767 768 769 770 771
Vgl. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 9. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Einträge vom 2., 22. und 31. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 15. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. ebd. Eintrag vom 24. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 19. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 22. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 26. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Einträge vom 29. und 30. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 3. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Die zweite erwähnte Schrift behandelte die Ansprüche des Grafen von Nesselrode. Eintrag vom 4. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter.
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VII. Herrschaftsverwaltung
ihn „dahin geschickt umb alda die Manier der Solvitaten und Gang der Processen in etwa zu lernen, fals er hernegst darin dienen könte.“772 Darauf folgte eine weitere, über zwei Jahre dauernde Pause bzw. sehr schleppende Phase im Prozess um die Burgauer Güter. In den Schreibkalendern Eleonoras wird Burgau zwar immer wieder erwähnt, doch zwischen Mai 1732 und August 1734 beziehen sich die Einträge fast ausschließlich auf die praktische Herrschaftsverwaltung. Lediglich im Oktober 1733 erwähnt Eleonora, dass sie mit Assessor Cramer, der eigens auf die Gracht gereist war, über alle schwebenden Verfahren, darunter auch der Prozess um Burgau, geredet habe.773 Der nächste Eintrag verweist Ende Januar 1734 darauf, dass Graf von Schaesberg sich erneut innerhalb einer Frist von sechs Wochen zum Verfahren äußern sollte.774 Erst ein halbes Jahr später konnte die Schaesberger Sache vorangetrieben werden. Die Herren Schmitz und Schramm beschäftigten sich mit einer Schrift, die von Graf Schaesberg eingereicht worden war.775 Vermutlich handelte es sich um die bereits Ende Januar verlangte Eingabe. Im Oktober wird deutlich, dass es zudem darum ging, alle Unterlagen der Herrschaft Burgau von Graf Schaesberg zu erhalten.776 Dies war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschehen. Der Graf bestritt jedoch noch Burgauer Akten in seinem Besitz zu haben – eine Behauptung, die Eleonora als Lüge abstrafte.777 Fast ein Jahr später war der Stand des Verfahrens unverändert. Eleonora schickte „den Schmitz“ persönlich nach Wetzlar, um den Verlauf vor Ort beobachten zu lassen bzw. auf Entscheidungen zu pochen.778 Zunächst gab es Neuigkeiten in der Schaesberger Sache, da die Gegenseite eine Erklärung eingereicht hatte, die Schmitz zunächst ins Rheinland schickte, wo sie durch Herrn Schramm näher begutachtet werden sollte und die weiteren Schritte überlegt wurden.779 Innerhalb weniger Tage verfasste letzterer ein Gutachten, welches mit den übrigen Unterlagen zurück nach Wetzlar geschickt wurde.780 Die schnelle Reaktion auf der Wolff Metternich’schen Seite erhöhte jedoch nicht die Geschwindigkeit im Rahmen der Urteilsfindung. Ein Vierteljahr musste man sich noch gedulden, ehe am 17. Dezember 1735 die Botschaft auf der Gracht eintraf, dass in Wetzlar gegen den Grafen von Schaesberg entschieden worden war. Ein „glucklich Urtheil […] wovor Gott gedanckt seye“ und zumindest ein Fall, der damit, so muss Eleonora erleichtert gehofft haben, abgeschlossen war.781
772 773 774 775 776 777 778 779 780 781
Eintrag vom 1. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 15. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 31. Januar 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 6. August 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 4. Oktober 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 10. Oktober 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 4. September 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 17. September 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 22. September 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 17. Dezember 1735, in: ASG, Akten, Nr. 610.
VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter
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VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter Neben dem eigentlichen Prozess um Burgau traten zwei weitere Rechtsstreitigkeiten im Laufe der Verhandlungen zu Tage, die ebenfalls den gesamten Zeitraum der Vormundschaft Eleonoras abdecken sollten und mit denen sie sich auseinandersetzen musste. Zunächst meldete sich im September 1723 eine Stieftochter Eleonoras, Anna Adolfina von der Recke (gest. 1757), zu Wort. Von dieser äußerst regelmäßigen Korrespondenz sind fast 200 Briefe aus den Jahren 1720 bis 1734 im Archiv Schloss Gracht überliefert.782 Am 28. September schrieb sie aus Münster an die Stiefmutter, dass ihr von ihrer Tante Wolff Metternich 4 000 Ecus vererbt worden seien und erläuterte zugleich: „ayant famille je ne puis abandonner un si agreable legatt.“783 Daher bat sie nachdrücklich um Mitteilung, ob sie das Geld von Eleonora oder dem Herrn von Schaesberg erhalten werde und forderte eine zügige Antwort ihrer Stiefmutter: „J’atans [!] votre reponce [!] par premiere poste.“784 In einem folgenden Brief aus dem Monat Dezember wird deutlich, dass Eleonoras Antwort sie an den Herrn von Schaesberg verwiesen haben musste, und Anna Adolfina bereits über das Urteil aus Wetzlar, dass Burgau vorläufig in den Besitz der Wolff Metternichs übergegangen war, informiert worden war. Zu diesem Ergebnis gratulierte sie ihrer Stiefmutter und bat um Zusendung einer Kopie, da „je me suis adresser chez Mr de Schaesberg pour mon legatt, il parait qu’il le traitte en bagatelle […]“ und sie ihn „zur Räson bringen wolle“.785 Inwieweit Eleonora Adolfinas Wunsch nachkam, ist nicht zu sagen. Im Schreibkalender des Jahres 1723 finden Adolfina und ihr Anliegen keinerlei Erwähnung. Vermutlich maß Eleonora den Ansprüchen ihrer Stieftochter nicht genug Bedeutung bei, um sie schriftlich zu fixieren. Die Briefe bieten allerdings die Möglichkeit, die Streitigkeiten, die das Erbe betrafen, auch für das Jahr 1724, für das kein Kalender überliefert ist, näher zu betrachten.786
782 Vgl. ASG, Akten, Nr. 687. Eine eingehendere Untersuchung der in französischer Sprache verfassten Korrespondenz steht noch aus. Die hier angegebenen Quellenzitate wurden buchstabengetreu transkribiert. 783 Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 28. September 1723, in: ASG, Akten, Nr. 687. Möglicherweise sollte das Geld in den Stadthof der von der Reckes in Münster fließen. Johann Matthias von der Recke (1672–1739), ihr Mann, hatte 1716 die später „Steinfurter Hof “ genannte Anlage erworben. Weitere Ankäufe und anfallende Baukosten wurden hauptsächlich von Anna Adolfina bezahlt. Im Jahr 1732 hatte Johann Matthias sich derart finanziell übernommen, dass er den Hof seiner Frau übertragen musste. Siehe dazu: Marcus Weidner, Landadel in Münster 1600–1760. Stadtverfassung, Standesbehauptung und Fürstenhof (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster n. F., Bd. 18 = Nr. 6 der Serie B), Münster 2000, S. 998 f. 784 Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 28. September 1723, in: ASG, Akten, Nr. 687. 785 „[…] pour le metre [!] à la raison […].“ Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 10. Dezember 1723, in: ASG, Akten, Nr. 687. 786 Für das Jahr 1724 sind acht Briefe von Anna Adolfina an Eleonora erhalten.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Gleich im ersten Brief vom 25. Februar 1724 kommt Anna Adolfina zu Beginn auf den Herrn von Schaesberg zu sprechen. Dem vorausgegangen war ein Schreiben Eleonoras, in dem sie vermutlich das gleiche Thema behandelt – wenn nicht sogar die Kopie des Wetzlarer Beschlusses nach Münster geschickt hatte. „[…] mes affaires contre Schaesberg ne sont pas encore reglée, je croie que je deveroit encore faire un voyage, pour cela, car je ne s’ai pas un homme fidele qui me veut servir contre luy. Cepandant je ne puis croire qu’il aye le meme pouvoir que son pere […].“787 Anna Adolfina war nicht weiter vorangekommen. Eine endgültige Einigung mit dem Stiefsohn der verstorbenen Tante war für sie ebenso wenig in Sicht wie für Eleonora und zudem mangelte es ihr wohl an Unterstützung im Verfahren gegen Schaesberg.788 Auch sieben Monate später schien der Stand der Dinge unverändert: Bei Eleonora klagte sie u. a. über den Herrn von Schaesberg: „[…] il traine mon proces en longeur, pour ganier le tems a payer, on me dit qu’ils traitte l’heritage de ma tante comme bagatelle […].“789 Dass Anfang des Jahres 1725 nach Zahlung der Ablösesumme für die Burgauer Güter zunächst eine rasche Einigung angezeigt war, blieb auch Anna Adolfina von der Recke nicht verborgen. In einem Brief vom 19. Januar bat sie Eleonora nachdrücklich darum, ihre Forderung nicht zu vergessen und gegenüber den Schaesbergs geltend zu machen. Sie selbst fürchtete einen Misserfolg in der Auseinandersetzung mit der Gegenseite und hoffte daher auf die Unterstützung ihrer Stiefmutter.790 In Eleonoras Schreibkalender finden sich ebenfalls Bemerkungen zur Forderung ihrer Stieftochter. Im März hielt Eleonora fest, dass durch den Grafen von Schaesberg eine diesbezügliche Eingabe gemacht worden sei.791 Auch im November erhielt Eleonora von ihm eine Schrift, die sich auf den reck’schen Anspruch bezog. Nach Rücksprache mit Kammergerichtsassessor und Hofrat Cramer lautete die Antwort darauf, dass man sich „in nichts einlaßen“ wolle.792 Die Grafen von Schaesberg zögerten das Verfahren solange hinaus, bis sich die Burgauer Güter in Besitz der Wolff Metternich befanden, um eine Zahlung der 4 000 Reichstaler auf die neuen Eigentümer zu übertragen. Ein weiteres Indiz dafür, dass nun von Schaesberger Seite versucht wurde, die Erbschaft auf Eleonoras Kosten auszahlen zu lassen. Andernfalls hätte letztere das 787 Gleich nach dem Verweis auf ein erhaltenes Schreiben geht Anna Adolfina auf die „Schaesberg-Problematik“ ein: „[…] J’ai eu l’honneur de reçevoir la chere votre, mes affaires contre Schaesberg […]“, Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 25. Februar 1724, in: ASG, Akten, Nr. 687. 788 Ebd. 789 Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 15. September 1724, in: ASG, Akten, Nr. 687. 790 „[…] Comme vous etes en traitté de vous accomoder avec la famille de Schaesberg, jespere que vous souviendrez de mon legatt que ma tante ma donné, vous pouvez croire que je ne puis l’abandonner, et j’ai attuellement comancé le proces avec les Schaesberg je serais au désespoir si dans la suites nous aurions du deplaisir, ainsi je vous prie pour tous prevenir de vous souvenir de ce legatt […].“ Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 19. [ Januar] 1725, in: ASG, Akten, Nr. 687. 791 Vgl. Eintrag vom 26. März 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 792 Eintrag vom 9. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter
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ihr durchaus bekannte „reckische Legat“ vermutlich nicht in ihren Schreibkalendern erwähnt.793 Den Ausgang des Konflikts kann man anhand der Schreibkalender nicht nachvollziehen. Er findet keinerlei Erwähnung mehr. Nur in den Briefen der Frau von der Recke wird er in immer größer werdenden Abständen, je länger eine Einigung auf sich warten ließ, thematisiert. Im September 1727 konnte Anna Adolfina in einem Nachsatz vermelden, dass in Düsseldorf zu ihren Gunsten entschieden worden war. Die Gegenseite war jedoch daraufhin in Berufung vor dem Reichskammergericht gegangen.794 Zwei Jahre später war der Prozess dort immer noch anhängig: Erneut bat Anna Adolfina um Eleonoras Fürsprache. Sie verwies wiederum darauf, dass sie den Prozess in Düsseldorf um die ihr vererbte Summe gewonnen habe und hoffte, dass Eleonora Einfluss auf Franz Adolf von Ingelheim nehmen könnte, um den Wetzlarer Prozess zu einem schnellen Abschluss zu bringen.795 Wieder einmal sollten die hervorragenden verwandtschaftlichen Beziehungen und der Einfluss Eleonoras nach Möglichkeit ihrer rheinischen Familie zum Erfolg verhelfen. Doch sei an dieser Stelle erneut auf den Einwand des Assessor Cramer verwiesen, der Eleonora bereits zuvor gewarnt hatte, dass Ingelheim „wegen der Verwandtschaft die Hande von der Sach halten [sollte].“796 Tatsächlich brachten die Bemühungen keinen Erfolg. Erst im Juli 1731, während Eleonora die Räumung der Burgauer Güter anstrengte, ergriff ihre Stieftochter ihr gegenüber wieder das Wort in der Schaesberger Sache. Offenbar hatte man Frau von der Recke den Eindruck vermittelt, dass Eleonora bzw. die Wolff Metternich’sche Seite sich mit der Gegenpartei über die Besitzverhältnisse der Burgauer Güter endgültig geeinigt habe. Mit ihren Glückwünschen dazu verband sie die Hoffnung, dass sie und ihre Ansprüche nicht in Vergessenheit geraten wären: […] L’on ma assure que vous vous etes accomdez, ma chere mere, avec la famille de Schaesberg, pour les bien de Bourgau, je vous en congratule de tous mon coeur mais jespere que vous aurez eu la bonté de vous souvenir de moy, cett’a dire, du legat que ma tante ma donné en traitte de marriage, vous savez que Mr de Schaesberg ma donnez un revers que lui et sa famille me vouloit payer, faites moy la grace de me dire sincerement
793 In allen anderen Eintragungen rund um Burgau spielt die Forderung Anna Adolfinas keine Rolle, obwohl Eleonora durch die Briefe ihrer Stieftochter über den Konflikt informiert war. 794 „[…] apropos j’ai ganiez mon proces a Dusseldorff contre Schaesberg mais on a apellé a Wetzelar.“ Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Steinfort, 5. September 1727, in: ASG, Akten, Nr. 687. 795 „[…] ne pouriez vous pas ma chere mere me faire la grace de recomander mon proces de Schaesberg a Mr de Ingelheim pour une prompte fin d’autant que la famille de Schaesberg s’oblige a me payer ce legatt je l’ai ganie a Dusseldorf, et comme il ont tous l’heritage de ma tante il sont assé en etat de me payer ce proces est a Wetzelar […].“ Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 23. September 1729, in: ASG, Akten, Nr. 687. 796 Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. Mai 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. auch Anm. 722.
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VII. Herrschaftsverwaltung
s’il ne sont pas oblige de me payer maintenant, sens quoy, par un mott vous l’auriez peu precausioner dans votre accomodement, car la famille de Schaesberg a eu sans cela tant par l’heritage de ma tante que cett’ bagatelle de 4 mill cens (ne seroit qu’un bagatelle) pouroit etre paye, j’ai aussi ce revers en mains de Mr de Schaesberg; que les autres n’ont point; par on il s’oblige de me payer […].797
Auch im folgenden Brief, den Anna Adolfina nur drei Tage später an ihre Stiefmutter schrieb, wurde sie nicht müde, noch einmal ihren Erfolg gegen die Schaesbergs in Düsseldorf zu erwähnen und ihre Forderung geltend zu machen, schließlich hatte die Gegenpartei „bien profité de l’heritage de ma tante […]“.798 Stellt dies zwar die letzte Erwähnung des Prozesses in den Briefen an ihre Stiefmutter dar, so ist dies jedoch nicht mit einem Ende des Verfahrens gleichzusetzen. Tatsächlich sollte sich die Auszahlung der 4 000 Reichstaler an Anna Adolfina von der Recke noch mindestens zwölf weitere Jahre hinziehen. Das Reichskammergericht bestätigte im Jahr 1736 zwar das zuvor durch den Hofrat in Düsseldof erlassene Urteil gegen die Grafen von Schaesberg, doch wurde daraufhin ein Restitutionsgesuch eingereicht. Erst 1743 wurde das Gesuch abgelehnt und den Grafen unter Androhung einer Strafe auferlegt, dem Urteil Folge zu leisten.799 Anna Adolfina war nicht die einzige Verwandte, die ihrerseits Ansprüche am Erbe der Frau von Burgau gegenüber Eleonora geltend machte. Im selben Jahr, in dem die Reck’schen Ansprüche zum letzten Mal in den Briefen an Eleonora erwähnt werden, tritt eine Frau von Nesselrode in den Schreibkalendereintragungen in Erscheinung. Diese forderte 2 000 Reichstaler, die ihr im Heiratsvertrag der Frau von Burgau zugesprochen worden seien. Da Eleonora bzw. Franz Joseph die Burgauer Güter geerbt hatten, ging sie davon aus, dass sie das Geld nun von den Wolff Metternichs erhalten müsse.800 Genau wie Anna Adolfina von der Recke war auch Maria Theresia von Nesselrode (gest. 1746) eine Nichte der Verstorbenen.801 Und genau wie bei ihrer Stief-
797 Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 13. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 687. 798 „[…] Comme aussi que vous me voudriez faire la grace de me dire reponce si vous vous estes accomodez avec la famille de Schaesberg comme le bruit cour et si vous vous estes souvenu de moy, pour mon legatt que feu ma tante ma donné j’ai ganie a Dusseldorff contre la famille de Schaesberg par le revers que j’ai en main, ainsi par lacord vous pouriez me faire avoir mes argeant tems plus facile, faitte cela de grace, car cett’ famille, ma chere mere, a bien profite de l’heritage de ma tante. […].“ Anna Adolfina von der Recke an Eleonora, Münster, 16. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 687. 799 Vgl. Anspruch auf 4 000 Reichstaler, Schaesberg gegen von der Recke, in: LAV NRW R, RKG 4919S 323/1035. 800 Eintrag vom 17. November 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 801 Ihre Eltern waren Sophia Elise Wolff Metternich (geb. 1657), eine weitere Schwester Johann Adolfs II., und Engelbert Freiherr von Schorlemer. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723. Im Oktober 1709 hatte sie Franz Karl Reichsgraf von Nesselrode zu Ehreshoven geheiratet. Vgl. ebd., Bd. 11, Mappe 874 „Nesselrode“, S. 288.
VII.2 Absicherung gegenüber Ansprüchen Dritter
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tochter zuvor, ging Eleonora nicht auf die Forderung ein: „Die Metternische Familie [sei] ihr daß Legat der 2 000 Reichstaler keineswegs zu zahlen schuldig […]“, vielmehr müsse sie sich an den Grafen von Schaesberg als Erben wenden.802 Auch ein halbes Jahr später wich Eleonora nicht von ihrem Standpunkt ab. Nachdem der Mann Maria Theresias, Franz Karl von Nesselrode (1673–1750), eine Eingabe beim Hofrat in Düsseldorf wegen der 2 000 Reichstaler gemacht hatte, trug Eleonora Doktor Schmitz, der ohnehin für die Schaesberger Angelegenheit zuständig war, auf, sich der Sache anzunehmen. Wie im Fall von der Recke lautete auch diesmal die Devise, sich „nicht zu Dußeldorff einzulaßen.“803 Die von Schmitz formulierte Antwort für den Grafen von Nesselrode wurde einen Monat später zur Abnahme an den Herrn von Bornheim weitergeleitet.804 Er war mit der Abfassung einverstanden und entschied, diese wie die Berechnungsschrift gegen die Grafen von Schaesberg nach den Ostertagen an den entsprechenden Stellen einzureichen.805 Ostermontag wurde daher die Wolff Metternich’sche Antwort auf die Forderungen des Grafen von Nesselrode nach Düsseldorf geschickt.806 Die Reaktion des Grafen von Nesselrode leitete Eleonora Doktor Schmitz weiter und teilte Notar Schütz mit „allenfalß die Apellation nach Wetzlar zu notiren“.807 Ein weiterer Prozess stand damit unmittelbar bevor. Im November beschritt Eleonora im Konflikt mit dem Grafen von Nesselrode tatsächlich den Klageweg vor dem Reichskammergericht in Wetzlar.808 Der Hofrat in Düsseldorf hatte ein Urteil zum Nachteil Eleonoras bzw. der Wolff Metternich’schen Vormundschaft gesprochen. Daher beauftragte sie Schmitz in Wetzlar einen erneuten Prozess anzustrengen.809 Offenbar lag der Fall hier anders als bei Eleonoras Stieftochter. Ein erster Erfolg stellte sich im Frühjahr 1733 ein: Der Anrufung des Reichskammergerichts wurde stattgegeben und das in Düsseldorf ergangene Urteil vorläufig ausgesetzt.810 Ein Vierteljahr später wurde durch den Kammerboten die Ladung des Gerichts zugestellt811, wodurch das Verfahren offiziell eröffnet wurde und Eleonora zunächst bei Herrn Schramm eine Antwort auf die Forderungen des Herrn von Nesselrode formulierte.812
802 803 804 805 806 807 808 809 810 811 812
Eintrag vom 10. Dezember 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 9. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 3. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 4. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 14. April 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 20. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 16. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 22. Dezember 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 4. Februar 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 28. Juni 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 28. Juli 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Bis auf einen kurzen Eintrag im Oktober, der auf Beratungen in allen schwebenden Verfahren hinweist813, geben die Schreibkalender lange keine Auskunft zum Stand der „Nesselroder Sache“. Erst im März 1735 hielt Eleonora fest, dass eine weitere Erklärung zu Prokurator Jung, der die Wolff Metternich’sche Seite vor dem Reichskammergericht vertrat, geschickt wurde.814 Ein halbes Jahr später war noch nichts entschieden. Durch Doktor Schmitz ließ Eleonora vor Ort den Prozess beobachten, „in dem wir beforchten, daß in der erstere [der Nesselroder Sache] etwas vorgenohmen werden mogte […].“815 So konnte Schmitz bei Bedarf direkt intervenieren. Auch wenn danach keine neuen Erkenntnisse aus den Schreibkalendern gewonnen werden können, ist davon auszugehen, dass solange der Hauptprozess gegen die Grafen von Schaesberg noch nicht entschieden war, Eleonora keine Zugeständnisse machen würde. Genau wie im Fall ihrer Stieftochter sah sie die Zahlungsverpflichtung auf Seiten der Grafen von Schaesberg und die Vereinbarungen aus dem Heiratsvertrag ihrer Schwägerin unabhängig vom Besitzwechsel der Burgauer Güter. Der Ausgang des Prozesses ist anhand der Schreibkalender nicht feststellbar, wird aber nicht beendet worden sein, ehe die Besitzfrage zwischen Wolff Metternich und Schaesberg endgültig geklärt war.816 VII.3 Einblicke in die praktische Herrschaftsverwaltung Nachdem es zu Beginn des Jahres 1725 durch Entscheidung des Reichskammergerichtes gelungen war, Burgau gegen Kaution in Besitz zu nehmen, schritt die Wolff Metternich’sche Partei gleich zu ersten Umstrukturierungen innerhalb der Verwaltung des Besitzes. Einen Tag nach Ankunft der „Delegation“ auf Burgau wurde Advokat Effelsberg als Vogt eingesetzt. Darüber hinaus wurde das Gericht auf die neue Herrschaft vereidigt, was mit der Berufung eines neuen Schöffen, dem Küster Heinrich Kleefisch (1694–1774)817, verbunden wurde – Gerichtsschreiber und Schultheiß Johann Gottfried Blatzheim818 durfte seinen Dienst weiter ausüben, wie Eleonora explizit im Schreibkalender erwähnt.819 Während die adlige Gesellschaft nach dem offiziellen Teil wieder auf die Gracht zurückkehrte, blieben der neu ernannte Vogt und Notar Türnich vor Ort, um alle „die 813 814 815 816 817 818 819
Vgl. Eintrag vom 15. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 9. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 4. September 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. auch Anspruch auf 2 000 Reichstaler – Nesselrode gegen Wolff Metternich zur Gracht, in: LAV NRW R, RKG 4071-N 287/836. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 158. Laut Krebs’ Auflistung der Schöffen waren 1725 vier Schöffen im Amt. Vgl. ebd., S. 158 f. Vgl. ebd., S. 159 f. Vgl. Eintrag vom 23. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
VII.3 Einblicke in die praktische Herrschaftsverwaltung
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gericht und jurisdictions Brieffschafften außliefferen zu laßen“.820 Für Effelsberg sollte dies die erste und einzige Amtshandlung als Vogt von Burgau bleiben. Noch am selben Tag erlitt er einen Schlag, dem eine „Letargie“ folgte821, von deren Auswirkungen er sich nicht mehr erholen sollte. Im November 1725 trug Eleonora im Schreibkalender ein: „Heit ist mein Haußadvocat Efelsberg gestorben und viele Schulden hinterlaßen.“822 Da Effelsberg schon vorher seine Aufgaben nicht mehr zur Zufriedenheit seiner Auftraggeberin erfüllt hatte823, waren diese durch ihren Sekretär Adam Vaessen übernommen worden. In der Folge war es nur konsequent, dass Vaessen am 8. Januar 1726 durch Eleonora zum Vogt von Burgau ernannt wurde.824 Zu seinen Aufgaben gehörte u. a. als Vertreter Eleonoras auf dem Unterherrentag in Düsseldorf ihre Anliegen gegenüber dem Landesherrn zu vertreten. Kurz nach seiner Ernennung wurde Vaessen „zum ersten Mahl wegen Burgaw“ zum Unterherrentag geschickt.825 In den darauffolgenden Jahren war er vermutlich regelmäßig zu Jahresbeginn als Vertreter in Düsseldorf anwesend, auch wenn sich dies nicht durch Eleonoras Eintragungen bestätigen lässt. Ab 1728 nahm man wohl eine Personalveränderung vor: Da Vaessen aufgrund einer Erkrankung nicht zum Unterherrentag nach Düsseldorf reisen konnte, wurde kurzerhand Doktor Johann Heinrich Kesseler zum Schultheißen von Burgau ernannt, um ersteren in Düsseldorf zu vertreten.826 Man einigte sich mit ihm darauf, dass „[…] Herr Kesel gibt unß [den Vormündern] aber ein Revers daß dieser Titul nur pro forma und allein wegen des Underherrentag ihme gegeben seye […]“827, dass er diese Funktion also nur einmalig und in Vertretung des Vogtes ausüben sollte – tatsächlich wurde aber eine längerfristige Lösung daraus. Auch im Jahr 1729 war Doktor Kesseler beim Unterherrentag zugegen828 und scheint mindestens bis ins Jahr 1736 diese Funktion ausgeübt zu haben.829 Der eigentliche Vogt war meist aufgrund anderer Herrschaftsaufgaben an der Teilnahme gehindert. Als Beispiel sei das 1729 zeitgleich zum Unterherrentag abgehaltene Brüchtenverhör genannt.830
820 821 822 823 824 825 826 827 828 829 830
Ebd. Ebd. und Eintrag vom 24. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 18. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Vgl. VIII. Zähe Verhandlungen. Vgl. Eintrag vom 8. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Vgl. außerdem Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 160. Eintrag vom 14. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Laut Krebs war Kesseler kurfürstlicher Hofrat und Doktor beider Rechte. S. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 159. Eintrag vom 10. Januar 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 23. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 159. Krebs gibt an, dass Johann Heinrich Kesseler noch 1736 erwähnt wird. Danach folgt erst 1756 Josef Jakob Klein als Schultheiß – möglich wäre also, dass Kesseler bis 1756 Schultheiß von Burgau war. Vgl. Eintrag vom 24. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Neben den beiden genannten Aufgaben war Vaessen als Vogt auch für die Gerichtsbarkeit von Burgau zuständig. Dies belegen zwei Einträge aus den Jahren 1728 und 1731, in denen Eleonora die Anwesenheit ihres Vogtes in Burgau „um Gericht zu halten“ vermerkt.831 Er hielt Eleonora ständig auf dem Laufenden: Besonders wichtig war dies im Falle einer längeren Abwesenheit von ihrer Seite – so z. B. bei der Reise in die Niederlande im Anschluss an den Studienaufenthalt ihres Sohnes. Gleich am Folgetag ihrer Rückkehr nach Köln erhielt sie von Vaessen einen ausführlichen „Verwaltungsbericht“.832 Geht man strikt von den Kalenderinhalten aus, scheint Eleonora selbst eher selten in Burgau gewesen zu sein. Nach der bereits erwähnten Huldigung durch die Untertanen zu Beginn des Jahres 1725, findet sich lediglich ein weiterer Eintrag, der von ihrer Anwesenheit in Burgau zeugt. Am 28. Juni 1732 – im Jahr der endgültigen Inbesitznahme Burgaus – vermerkte sie im Kalender: „Heit bin ich nach Burgaw morgens 5 Uhr.“833 Fast zwei Wochen blieb sie dort und verschaffte sich einen umfassenden Eindruck von den Besitztümern. Ins Detail geht sie im Schreibkalender jedoch nicht. Unter dem Datum ihrer Rückreise notiert sie lediglich, dass sie das, „waß ich aldae [in Burgau] verrichtet, habe ich aparte angeschrieben.“834 Wo genau diese Aufzeichnungen zu finden sind, ist allerdings unklar. Ihren Kalender wird sie vermutlich nicht mitgenommen haben, da in der Zeit ihres Aufenthalts in Burgau zwischen dem 28. Juni und 10. Juli nur ein weiterer Eintrag vom 9. Juli vorhanden ist, der sich nicht auf Burgau bezieht und den sie vermutlich nach ihrer Rückkehr auf die Gracht vorgenommen hat.835 Abgesehen von den Eintragungen, welche die eher allgemeinen Verwaltungsaufgaben umschreiben, sind zahlreiche Notate vorhanden, die sich mit wesentlich konkreteren Aufgaben der Herrschaftsausübung beschäftigen. Schon kurz nach der vorläufigen Übernahme der Güter kam es zu einem Vorfall, der in die Herrschaftsrechte der Wolff Metternichs eingriff: Gerichtsschreiber Blatzheim teilte Eleonora mit, „daß der Vogtsverwalter zu Duren gewalthatig ohne Requisition durch 60 Schutzen 2 Unterthanen von Niederaw hohlen laßen […].“836 Hintergrund war eine Schlägerei in der Nähe von Düren, welche den Vogtsverwalter von Düren, Constantin Wolff837, zu dieser 831 832 833 834 835 836 837
Eintrag vom 19. Mai 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Sowie Eintrag vom 5. Juni 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Vgl. Eintrag vom 28. September 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 28. Juni 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 10. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 9. Juli 1732, in: ASG, Akten, Nr. 611. Sie vermerkt lediglich den Erhalt eines Briefes ihres Sohnes. Eintrag vom 11. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Wolff war Lizenziat der Rechte und von 1724–1728 Vogtsverwalter des Amtes Düren: Vgl. Hans J. Domsta, Die Weistümer der jülischen Ämter Düren und Nörvenich und der Herrschaften Burgau und Gürzenich. Mit ergänzenden Quellen (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 18, Rheinische Weistümer, 4. Abt., Die Weistümer des Herzogtums Jülich, Erster Band), Düsseldorf 1983, S. 48.
VII.3 Einblicke in die praktische Herrschaftsverwaltung
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Maßnahme veranlasst hatte. Die Beschwerde, die Eleonora deswegen beim Hofrat in Düsseldorf vorbringen ließ, hatte Erfolg. Vierzehn Tage nach dem Vorfall erging ein Dekret des Hofrates, dass beide Niederauer Untertanen freizulassen seien und sich der Vogtsverwalter „in 4 Tag sich deßhalben zu verandwortten“ habe.838 Diesem Beschluss leistete Letztgenannter aber zunächst keine Folge. Zum Ende des Jahres 1725 erging aus Düsseldorf erneut ein Dekret der Aufforderung zur Freilassung.839 Geklärt wurde der Konflikt erst zu Beginn des folgenden Jahres: Vaessen, als neuernannter Vogt, wurde nach Burgau geschickt, um die Auslieferung der Untertanen Eleonoras in die Tat umsetzen zu lassen. Dies geschah am Nachmittag des 10. Januar 1726 unter Aufsicht des zuständigen Amtsschützen, dem zunächst einer der beiden Delinquenten „entsprungen“ war. Gleichzeitig verbat Eleonora sich alle weiteren Eingriffe gegen die „Iurisdiction der Herlichkeit Burgaw“.840 Ein weiteres Hoheitsrecht, das in Zusammenhang mit den Burgauer Gütern genannt wird, ist die Jagd.841 Gemeinsam mit der Fischerei842 stellt die Jagd vom Beginn der Herrschaftsübernahme ein immer wiederkehrendes Motiv in den Schreibkalendern dar. Bereits zu Beginn des Jahres 1725 hatte Eleonora durch die Herren Vaessen und Knoest „die Jagt und Fischerey [zu] begehen“ lassen843, um sich einen Überblick über den Zustand bzw. die Ausübung beider Rechte zu verschaffen. Bei Ersterer kam es immer wieder zu Konflikten, v. a. mit den direkten Nachbarn im Jagdbezirk. Ein Beispiel dafür ist aus dem Jahr 1728 überliefert: Eleonora erhielt Nachricht, dass man dem Jäger von Burgau sowohl sein Gewehr als auch die Stechleder entzogen habe. Dies war auf Geheiß der Frau von Torck zu Kreuzau geschehen, „weil man ihren Sohn unsererseiths [auf Wolff Metternicher Seite] auff der Jagt auch turbiret und übel begegnet[…].“844 Eleonora ließ nun ihrerseits dafür Sorge tragen, dass die beschlagnahmten Dinge wieder ausgehändigt wurden, da ein solches Vorgehen nicht rechtmäßig gewesen sei. 845
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842
843 844 845
Eintrag vom 24. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Vgl. Eintrag vom 21. Dezember 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Einträge vom 8. und 10. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Zur Jagd vgl. u. a. Monika Gussone / Maria Rössner-Richarz, Jagd, in: Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/ Wien 2009, S. 292–300. Zum Hoheitsrecht der Fischerei vgl. Kathrin Rosner / Hans-Werner Langbrandtner, Fischerei, in: Gudrun Gersmann / Ders. (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/ Wien 2009, S. 300–306. Eintrag vom 21. Februar 1725. Vier Tage später waren sie wieder zurück auf der Gracht. Vgl. Eintrag vom 25. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 30. August 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. ebd.
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VII. Herrschaftsverwaltung
Darüber hinaus überraschte Vaessen drei Jahre später „6 Kerl von dem Hauß Binsfelt“, das in der Nähe von Burgau liegt, bei der unrechtmäßigen Jagd innerhalb der Burgauer Ländereien „auff der Heyd zwischen Stockheim und Steprath“.846 Auch hier war die erste Maßnahme, die Vaessen ergriff, dass „den Jager die Flint genohmen [wurde]“.847 Ob der Vorfall darüber hinaus noch weitere Konsequenzen nach sich zog, ist anhand des Kalenders nicht zu klären. Vermutlich hat sich die Angelegenheit nach Konfiszierung des Gewehrs und dadurch, dass sich die Binsfelder eindeutig auf Wolff Metternich’schem Besitz befanden, zügig regeln lassen. Im Anschluss an die tatsächliche Inbesitznahme Anfang 1732 begann man sich auch um die Instandhaltung des Besitzes zu bemühen. Nach dem fast zehn Jahre währenden Konflikt mit den Grafen von Schaesberg, während dem vermutlich keine der beiden Parteien ohne eindeutige Klärung der Besitzverhältnisse in den Erhalt des Gutes investieren wollte, waren Garten und Schlossbrücke in einem so schlechten Zustand, dass Eleonora den Grachter Gärtner und einen Zimmermann nach Burgau schickte, um „den Gartten in beßeren Stand wieder zu sezen“ und „die Brück ahm Hauß sowohl alß Gartten zu repariren new zu machen […].“848 Die Streichung innerhalb des Eintrages weist darauf hin, dass man zuerst davon ausgegangen war, dass die Brücke lediglich repariert werden müsse. Vermutlich nachdem Vaessen ihr ein paar Tage später den schlechten Zustand der Brücke übermittelt hatte, hat Eleonora den Eintrag entsprechend korrigiert.849 Die notwendigen Reparaturen bezeichnete Eleonora ironisch als „die erste Frucht des Genoß“.850 Vaessen war zeitgleich mit dem Gärtner und Zimmermann in Burgau beschäftigt. Ihm oblag bei diesem „Frühjahrsputz“ „den Weyer umbs Hauß [zu] fischen […].“851 Als er Eleonora über die Ergebnisse des Fischfangs und das Fortschreiten der Garten- und Brückenarbeiten berichtete, musste er ihr mitteilen, dass das „Ruhrwehr [!] durchgebrochen“ und die Rur über die Ufer getreten sei und „grosen Schaden gethann“ hätte.852 Auch hier kamen weitere finanzielle Belastungen auf Eleonora bzw. die Wolff Metternichs zu. Zudem entsprach der Fischbestand im ausgedehnten Schlossweiher nicht den Erwartungen. Aus diesem Grund erhielt Vaessen den Auftrag „die maaren auff der Heiden zu fischen“ und mit dem Fang den Bestand im Weiher „aufzufüllen“. Darüber hinaus sollte er auch den Zustand der weiteren „Kallen“ und Wassergräben in Augenschein nehmen.853 Wiederum fiel das Urteil ernüchternd aus: Auch in den Maren waren nicht 846 847 848 849 850 851 852 853
Eintrag vom 7. Juli 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Ebd. Eintrag vom 20. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 22. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 20. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 22. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 27. März 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 18. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
VII.3 Einblicke in die praktische Herrschaftsverwaltung
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genügend „Sezling […] den Weyer zu besezen“.854 Ob und in welcher Form man sich um die Fischerei kümmerte – eventuell durch den Zukauf von Setzlingen –, geht aus Eleonoras Schreibkalendern nicht hervor. Die Fischerei wurde durch ein weiteres Hoheitsrecht bzw. die Ausübung eines solchen in den Hintergrund gedrängt: das Mühlenrecht. Wie offenbar der Großteil der zu Burgau gehörenden Bauwerke und Gebäude befand sich auch die Mühle zu Niederau in einem desolaten Zustand. Anfang 1732, als Eleonora noch einmal persönlich nach Burgau reiste, hatte sie sich selbst einen Eindruck verschafft und gleichzeitig dem Müller befohlen, die Mühle wieder instand zu setzen.855 Da der Müller jedoch zwischenzeitlich verstorben war, verband Vogt Vaessen mit der Besichtigung des Schlossweihers auch die Inventarisierung der Mühle856 und musste seiner Herrin berichten, dass „der verstorbene Müller alles was ich ihm befohlen und er zu gesagt zu repariren nichts gethann“ und darüber hinaus „die Wittib seye schon 6 Wochen auch kranck […].“857 Eine Aussicht auf Besserung der Situation bestand damit nicht mehr. Daher verwundert es nicht, dass Vaessen auch fünf Monate später keine Veränderung melden konnte. Das Urteil Eleonoras im Schreibkalender fiel dementsprechend drastisch aus: Weillen der liederliche Muller zu Nieder vor ein halben Jahr gestorben, die Wittib mitt fünf Kinder der Muhl, welche vollig ruinirt ist, nicht stehen kann, alß habe ich heutt dem auffs new die Muhl verpfacht, nemblich umb 16 Malt[er] Korn und zwahr auff 6 Jahr mitt eingedungen, das er deß verstorbenen Mullers Altvatter bey sich behalten solle, und die Muhl wieder in gutten Stand sezen solle.858
Die Mühle wurde also zu den genannten Konditionen erneut verpachtet unter der Bedingung, dass der Vater des verstorbenen Müllers dort bleiben und die Mühle wieder hergerichtet werden solle.859 Vermutlich hoffte man, die Erfahrung des Großvaters würde eine fachgerechte Handhabung und Instandhaltung der Mühle gewährleisten und weiteren Verfall verhindern. Mit der Übernahme von Burgau fielen die Höfe, die sich innerhalb der Herrschaft befanden860, an die Wolff Metternichs. Darüber hinaus gehörten auch außerhalb liegende Güter zum Besitz. Dazu zählte u. a. das freie Gut Vossenack, das zu Beginn des 17. Jahrhunderts gemeinsam mit dem Gut Kallerbend zunächst nur anteilig in den Besitz der Herren von Elmpt gekommen war. Nach einem Vergleich im Rahmen von Erbstreitigkeiten waren beide Güter ein Jahrhundert später das alleinige Eigentum 854 855 856 857 858 859 860
Eintrag vom 22. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 18. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 22. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 26. April 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. ebd. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), 136–144.
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VII. Herrschaftsverwaltung
von Maria Katharina von Elmpt geb. Wolff Metternich861 und gehörten somit auch zur Erbmasse, um die sich Eleonora mit den Grafen von Schaesberg nach dem Tod ihrer Schwägerin stritt. In den Schreibkalendern finden diese Güter erst nach der Inbesitznahme Erwähnung: Im September 1734 erfuhr Eleonora, „das der Hoff zu Fosnach abgebrand […] seye“ und man von Brandstiftung ausgehen musste.862 Gleich am darauffolgenden Tag schickte sie sowohl Vaessen als auch Wintersdorff nach Vossenack, um den Schaden begutachten zu lassen. Dieser war hoch: „[…] ist Haus, Schewer und Stall sambt 22 Stück Viehe, 51 Schaff verbrend“ und wieder wurde der Verdacht laut, „es habe ihn [den Hof] ein Nachbahr ahngesteckt“.863 Maßnahmen oder Reaktionen auf die angebliche Brandstiftung fanden jedoch vorerst keine Erwähnung im Schreibkalender. Gleich zu Beginn des Jahres 1735 gab es aber Neuigkeiten zum Brand des Vossenacker Hofs. Vogt Vaessen sollte im Rahmen des Brüchtenverhörs in Burgau erörtern, was in Bezug auf eine neue Verpachtung und den Wiederaufbau des Gutes zu tun sei.864 Erst im April reiste Vaessen erneut nach Vossenack865, um das Land, das verpachtet werden sollte, vermessen zu lassen. Es umfasste eine Größe von „131 Morgen und solte in der Kirchen deren Verpfachtung publicirt werden.“866 Bis in den Herbst war der Großteil des Landes verteilt.867 Eleonora bestellte den „Pastor von Fosnack zur Gracht“, um über die „ungefehrt 45 Morgen Land, 2 ½ Morgen Wießen so noch in Erbpfacht außzuthun seint“ zu sprechen.868 Vermutlich aufgrund der schlechten Qualität des Abschnitts war der Boden noch niemandem überlassen worden. Eleonora selbst vermerkt, dass „25 Morgen so schlecht [seien], das sie kaum brauchbahr [wären].“869 Eleonora hoffte offenbar auf die Mithilfe des Pastors, „weil dieses [die Verpachtung] vor den Winter geschehn mus“ und würde zu diesem Zweck auch „den Vaessen hinschicken.“870 Der Pastor hat in diesem Zusammenhang vermutlich den Garten des Hofes und den Hofplatz erhalten, wie es Krebs in seinen Ausführungen zu Vossenack festhält.871
861 862 863 864 865 866 867 868 869 870 871
Vgl. ebd., S. 144–146. Eintrag vom 5. September 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 10. September 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 12. Januar 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Wieder aufgebaut wurde er nicht. Wie Krebs festellt, existierte der Hof 1735 nicht mehr. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 146. Vgl. Eintrag vom 20. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 26. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Krebs gibt für Mitte des 18. Jahrhunderts insgesamt 113 Morgen an. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 146. Vgl. ebd. Eintrag vom 11. Oktober 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Ebd. Ebd. Vgl. Krebs, Burgau (wie Anm. 187), S. 146.
VII.4 Rurbau-Konflikt
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VII.4 Rurbau-Konflikt Der bereits erwähnte Durchbruch des Rurwehrs im Frühjahr 1732 und dessen Folgen bilden einen weiteren Schwerpunkt der Schreibkalendereinträge im Rahmen der Inbesitznahme der Burgauer Güter. Gleichzeitig steht dieser Themenkomplex in Verbindung mit der zuvor erwähnten Niederauer Mühle. Zahlreiche Mühlenteiche speisten sich aus der Rur und ihren Nebenarmen, mit denen Wassermühlen betrieben wurden. Durch eingebaute Wehre ließ sich der Durchfluss des Wassers regulieren.872 Das zerstörte Wehr musste erneuert werden. Den Beginn der Arbeiten hält Eleonora nicht fest – jedoch sind dessen Folgen im August 1732 im Schreibkalender zu lesen: Man informierte Eleonora darüber, „das sich die Duerenner und Lendersdorff sich [!] gegen den Ruhrbaw [!] zu Niederaw wiedersezen.“873 Genau wie der Niederauer Mühlenteich lag auch der Dürener auf der rechten Seite der Rur. Beide bilden heute einen gemeinsamen Teich und wurden zunächst separat angelegt, da sie auf verschiedenen Herrschaftsgebieten lagen.874 Der Lendersdorfer Teich befindet sich genau auf der gegenüberliegenden Seite der Rur.875 Je nachdem wie die dazugehörigen Wehre gebaut wurden, bzw. wie sie den Wasserdurchfluss regulierten, hatte dies auch Einfluss auf die dahinterliegenden Mühlteiche, die dadurch eventuell zu wenig Wasser führten, um die Mühlen betreiben zu können. Daher verwundert es nicht, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Ortschaften kam. Um für die Fortsetzung der Arbeiten am neuen Niederauer Wehr zu sorgen, reiste Vaessen im Auftrag von Eleonora nach Burgau.876 Seine Gespräche, u. a. mit dem Dürener Schultheißen und Bürgermeister, blieben jedoch ohne Erfolg: Nachdem „er dem Schultes und Burge[rmeister] zu Dueren unser Recht wegen deß Niederawer Ruhrbaw vorgestellt, [hätten] dieselbe aber auff ihrer Meinung bestanden […].“877 Nichtsdestotrotz wurden die Bauarbeiten in Niederau wieder aufgenommen, „worauf die obige von Dueren sambt der Gemeinde von von [!] Lendersdorff und zwahr die lezte mitt Gaffelen und Schüzen die Niederawer gewalthatig gestöhrt.“878 Um eine Eskalation zu verhindern, hatte Vaessen vorerst klein beigegeben, „umb Unglück zu verhütten die Arbeit eingestelt“ und war zurück auf die Gracht gereist, um Eleonora Bericht
872 Vgl. dazu Karl Künster, Der Landkreis Düren. Regierungsbezirk Aachen (Die deutschen Landkreise. Handbuch für Verwaltung, Wirtschaft und Kultur. Die Landkreise in Nordrhein-Westfalen Reihe A: Nordrhein 7), Bonn 1967, S. 205. 873 Eintrag vom 22. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 874 Vgl. Künster, Düren (wie Anm. 872), S. 206; Josef Geuenich, Geschichte der Papierindustrie im Düren-Jülicher Wirtschaftsraum, Düren 1959, S. 75. 875 Vgl. Künster, Düren (wie Anm. 872), S. 206 und Geuenich, Geschichte (wie Anm. 874), S. 74 f. 876 Vgl. Eintrag vom 26. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 877 Eintrag vom 30. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. 878 Ebd.
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VII. Herrschaftsverwaltung
zu erstatten.879 Eleonora ließ keine Zeit verstreichen: Noch am Sonntag schickte sie Gerichtsschreiber Wintersdorf nach Düsseldorf, um sich „by der Regirung zu beklagen“, und setzte auch den Grafen von Schaesberg über die Vorgänge in Kenntnis.880 Dieser sagte zu, sich um die Angelegenheit zu kümmern.881 Gleichzeitig kam Wintersdorf mit guten Nachrichten aus Düsseldorf zurück: Er brachte „ein Befehel aus dem geheimen Raht und dem Wermeister jungen Herr von Hompesch und Vogten zu Niedeggen, den Lendersdorff alle Attentata zu verbietten und alß Comissary die Sach wan nohtig in Augenschein zu nehmen […].“882 Zudem gab es einen Vergleichsfall aus dem Jahre 1699, bei dem ähnliche Maßnahmen getroffen worden waren. Offenbar hatte Eleonoras Schwägerin bereits Schwierigkeiten mit der genannten Gemeinde beim Bau eines Wehrs gehabt und der Prozess hatte sich bis ins Jahr 1706 gezogen. Den Ausgang wertete Eleonora als „sehr vorteilhaftig“ für den eigenen Fall.883 Wintersdorf wurde mit dem Befehl zum Herrn von Hompesch geschickt884 und reiste im Anschluss vermutlich mit der Erlaubnis zum Weiterbau wieder nach Burgau bzw. Niederau.885 Dass es sich auch diesmal um einen längerfristigen Konflikt handeln sollte, wurde bald darauf deutlich. Am selben Tag als die Niederauer auf „Befehl der obigen Comissaren“ die Arbeiten in der Rur wieder aufnahmen, kamen 300 Mann aus Lendersdorf und Düren und die Arbeit der Niederauer wurde „alles wieder eingerißen“.886 Nicht ganz eindeutig ist Eleonoras Nachsatz in diesem Zusammenhang, dass „hirzu der Magistrat von Dueren ihre Burger by 3 Goldgulden Straff aufgebotten“ hätten.887 Möglicherweise hatte also der Rat die Bürger unter Strafandrohung explizit zur Zerstörung der Bauarbeiten aufgefordert. Eleonora weilte zu diesem Zeitpunkt in Bornheim und erfuhr dort durch einen Brief ihres Vogtes „wie es gestern zu Niederaw abgangen.“888 Daraufhin ließ sie alle in ihrem Auftrag zuständigen Amtsleute nach Bornheim kommen, um mit ihnen und dem Herrn von Bornheim die nächsten Schritte auszuarbeiten.889 Vaessen wurde erneut nach Düsseldorf entsandt, um „ein scharfferen Befehl“ gegen die Kontrahenten zu erwirken.890 Zur Unterstützung sollte er das 1706 zugunsten der Frau von Burgau ergangene Urteil anfüh-
879 880 881 882 883 884 885 886 887 888 889 890
Ebd. Eintrag vom 31. August 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 3. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 4. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Ebd. Vgl. Eintrag vom 5. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Dies wird jedoch nicht im Schreibkalender erwähnt. Vermutlich wird er aber die Wiederaufnahme der Arbeiten am folgenden Tag angeordnet haben. Eintrag vom 6. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Ebd. Eintrag vom 7. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. ebd. Eintrag vom 9. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
VII.4 Rurbau-Konflikt
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ren. Gleichzeitig sollten die Arbeiten in Niederau unbeirrt fortgesetzt werden.891 Der Verweis brachte den gewünschten Erfolg in Düsseldorf: Mit Bezug auf das Urteil von 1706 wurde den Lendersdorfern und Dürenern bei Strafe verboten, die Arbeiten weiter zu boykottieren. Im Falle einer Zuwiderhandlung wurde ein Strafmaß von 100 Goldgulden festgelegt. Dem Vogt von Nideggen, in seiner Funktion als einer der eingesetzten Kommissare, oblag es, diesen Befehl in Lendersdorf und Düren verbreiten zu lassen.892 Beeindrucken ließen sich die Bewohner davon jedoch nicht: Nachdem am 16. September die Arbeiten aufgenommen worden waren893, hatte man drei Tage später wieder alles zerstört. Die fällige Strafe hatte der Vogt von Nideggen jedoch noch nicht verhängt, sondern zunächst Meldung in Düsseldorf gemacht. Eleonora konnte mit dieser Handhabe nicht zufrieden sein und klagte erneut.894 Auch die Bewohner von Düren und Lendersdorf hatten sich in der Zwischenzeit nach Düsseldorf gewandt: Sie klagten gegen die eingesetzten Kommissare, den Herrn von Hompesch und den Vogt von Nideggen. Dem Protest gab die Düsseldorfer Regierung statt und setzte den Herrn von Spieß als Kommissar ein. Am 25. September sollte eine Begutachtung stattfinden, für die Eleonora ihrerseits einen weiteren Kommissar beantragte, damit wiederum zwei Meinungen eingeholt werden konnten.895 Hinzugezogen wurde daraufhin ein Herr von Keinard, der ebenfalls an der Besichtigung teilnahm. Auch Vogt Vaessen und Kesseler als Anwalt Eleonoras waren dabei zugegen.896 Die Ortsbegehung scheint nicht Eleonoras Wohlwollen gefunden zu haben. Im Schreibkalender vermerkt sie, dass Vaessen ihr darüber „zu meinem [ihrem] Verdruß“ Bericht erstattet habe.897 Jedoch erläutert sie nicht, was ihren Unmut hervorgerufen hatte. Ihr Vermerk im Eintrag vom 27. September, dass ihr Vaessen „wie oben steht“898 die Geschehnisse erläutert hat, findet keine Bestätigung in den vorangegangenen Aufzeichnungen. Dass sie den Eintrag des 25. Septembers schon mit einem Symbol und Wort auf der gegenüberliegenden Seite fortsetzte, spricht dafür, dass sie an dieser Stelle noch weitere Erklärungen folgen lassen wollte, die sie allerdings nicht ausführte. Vielleicht bezog sie sich damit auf die Auswahl der Kommissare oder sie fürchtete, dass die weitere Entwicklung des Falls nicht in ihrem Sinne sein würde. Da bereits zwei Dekrete aus Düsseldorf ergangen waren und es ein Vergleichsurteil gab, war Eleonora davon ausgegangen, dass die Angelegenheit zügig zu regeln sei. Ein Trugschluss wie sich herausstellen sollte. Um zu einem Urteil zu gelangen, wurden nun offenbar erst Zeugen beider Seiten vernommen: Am 14. Oktober erhielt Eleonora „endlich“ das Protokoll der Zeugenverhöre von Niederau, die bereits am 6. Oktober stattgefunden 891 892 893 894 895 896 897 898
Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 14. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 16. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 20. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 22. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 25. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 27. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Ebd.
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VII. Herrschaftsverwaltung
hatten. Die Verhöre der Gegenseite sollten an eben diesem 14. Oktober stattfinden.899 Ein Ergebnis gab es bis zum Ende des Jahres 1732 nicht. Erst Ende Februar 1733 fand ein weiteres Zeugenverhör – vermutlich das der Gegenseite – in Düsseldorf statt.900 Die Unterlagen dazu erreichten Eleonora Mitte März in Bonn.901 Den Inhalt gibt der entsprechende Kalendereintrag zwar nicht wieder, dies ist aber aufgrund der weiteren Entwicklung nicht von Belang. Im Mai kehrte sich die Rurbau-Angelegenheit kurzzeitig ins Gegenteil. Das vom Dürener Müller neu errichtete Wehr war von den Niederauern zerstört worden.902 Kommissar von Spies hatte bereits die Erlaubnis zum Wiederaufbau erteilt.903 Im Oktober reiste Eleonora in Begleitung ihrer Kinder erneut selbst nach Burgau.904 Franz Joseph, der von seiner Kavalierstour zurückgekehrt war, sollte sich einen Eindruck von den Örtlichkeiten verschaffen. Neben „hoff und mühl zu Nideraw“ nahm er deshalb auch „den stordigen Orth der Ruhr [!]“ in Augenschein, der den Stein des Anstoßes im Konflikt mit den Dürenern und Lendersdorfern gebildet hatte.905 Eventuell hat sie auch mit ihm besprochen, was im Fall Rurbau geschehen könnte. Anfang November ergriff Eleonora weitere Maßnahmen: „Heutt seint 2 Müllenmeister auff meine Kösten aus dem Bergischen Land nach Burgaw daß Wehr ahn der Ruhr zu besichtigen“, da von Seiten der Dürener in Düsseldorf erwirkt worden war, dass ein weiteres Zeugenverhör stattfinden sollte, wozu Eleonora auch ihren Vogt nach Burgau schickte.906 Die Mühlenmeister kamen nach Inspektion des „Wehr[s] oder den vorhabenden Durchschnitt“ einhellig zu dem Ergebnis „wie die vorige, das der Durchschnitt ohne Nachtheil der Lendersdorffer und Staat Dueren unserseiths gemacht werden könne“.907 Ein entsprechendes Gutachten wurde direkt nach Düsseldorf übersandt.908 Der Fall schien für die Wolff Metternich’sche Seite geklärt zu sein, jedoch erwies sich auch dieser Streit langwieriger als sich die beteiligten Seiten hatten vorstellen können. Im Kalender des Jahres 1734 findet sich keinerlei Vermerk zur Sache. Erst im März 1735 schien nach über einem Jahr eine Lösung für den Rurbau-Konflikt in Aussicht zu sein: Am Vierten des genannten Monats erhielt Eleonora ein Schreiben, „das die Comissarie in der Niederawer Ruhrsach die Partien auff den 7ten nach Dusseldorff citirt umb die Sach güthlich abzumachen[…].“909 Tatsächlich kam der Termin, zu dem Eleonora
899 900 901 902 903 904 905 906 907 908 909
Vgl. Eintrag vom 14. Oktober 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 20. Februar 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 15. März 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 12. Mai 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 11. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 12. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 6. November 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 7. November 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. ebd. Eintrag vom 4. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611.
VII.4 Rurbau-Konflikt
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Doktor Kesseler als ihren Vertreter beordert hatte, nicht zu Stande. Er wurde auf den 21. März verlegt. Für Eleonora hieß das, Vaessen mit Überlegungen zu beauftragen „wie es zu unserm Vortheil eingericht werden können […].“910 Ergebnis war offenbar die Ausfertigung eines Vergleichs. Nach dem vereinbarten Termin findet sich am 30. März der nächste Eintrag den Rurbau betreffend im Kalender, der Bezug auf einen „Vergleichsvorschlag“ nimmt, den die Gegenseite „so viel alß ahngenohmen“ habe.911 Einziger Streitpunkt war „daß Terrain so die Ländersdorffer by dem Durchschnitt in der Abmeßung vor das ihrige angeben und doch kuntbahrlich nach Niederaw gehortt.“912 Somit kommt Eleonora hier wohl zum ersten Mal auf den Stein des Anstoßes zu sprechen – die Frage nach der Grenze zwischen Lendersdorf und Niederau. Das eigentliche Ergebnis schickte Doktor Kesseler am 4. April auf die Gracht. Da beide Seiten nicht mit dem erstellten Gutachten einverstanden waren, sollten sie sich binnen 14 Tagen erneut zur Sache äußern, damit es zu einer Einigung kommen könnte.913 Bereits am folgenden Tag sollte Vaessen, der zum Befischen des Burgauer Schlossgrabens gerade dorthin reiste, „die Ruhr mitt unserm Landmesser Keller in der Stille [zu] besichtigen, den strittigen Orth ab[zu]mesen damitt wir by dem Vergleich desto gründlicher fundirt seind.“914 Ohne viel Aufheben – „in der Stille“ – wollte Eleonora so für eine gute Entscheidungsgrundlage zur Durchsetzung ihrer Interessen sorgen und den Streit für sich entscheiden. Die vom Landmesser angefertigte Zeichnung traf am 11. April bei ihr ein und sollte die Basis für eine Antwort an die Düsseldorfer Regierung bilden.915 Ein entsprechendes Schreiben, das Doktor Kesseler aufgesetzt hatte, wurde Anfang Mai nach Düsseldorf geschickt.916 Ende Juni erging von dort ein Dekret, dass sich beide Seiten am Ort des Geschehens einfinden sollten, um anhand der Pläne eine Einigung zu finden. […] die Dürrener aber haben den Vaessen und Wintersdorff den Nachmittag nach Duren begehrt und vorgestelt, es seye beßer diese newe Besichtigung noch begehren, außzustellen und nur erst allerseiths zusamkommen, umb zu sehen, ob mir ins vergleichen komen, welchen Vorschlag unsere 2 Bediente aus ihrer Herrschafft ratification beliebt.917
Am 10. Juli machte sich der Vogt daher auf den Weg nach Burgau.918 Bei der am folgenden Tag stattfindenden Zusammenkunft konnte man sich jedoch nicht arrangieren: „Woby heutt gegen alles Vermuhten die 2 Comisarien auch erschienen und den Bau910 911 912 913 914 915 916 917 918
Eintrag vom 14. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 30. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Ebd. Vgl. Eintrag vom 4. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 5. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 11. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 3. Mai 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 24. Juni 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 10. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611.
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VII. Herrschaftsverwaltung
meister Nosthof mittbracht, die Abries gegen ein ander besehen den unserigen auch gutt gefund den dannoch kein Vergleich daraus worden.“919 Die Wolff Metternich’sche Seite hatte offenbar garnicht damit gerechnet, dass das Treffen stattfinden würde und war somit umso überraschter, dass in Person der zwei eingesetzten Kommissare und des Baumeisters – wohl als Sachverständiger – tatsächlich alle für eine Entscheidung zu Rate zu ziehenden Beteiligten anwesend waren. Umso ernüchternder muss es gewesen sein, dass dennoch keine Einigung erzielt werden konnte. Nachdem ihr Vogt Eleonora darüber in Kenntnis gesetzt hatte, fuhr sie nach Köln, um mit „Hofrat Kesseler, welcher alß unser Advocat mitt by der Ruhr zu Burgaw gewest“ zu reden und weiteren Rat einzuholen.920 Danach ist kein weiterer Eintrag zum Rurbau vorhanden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren vier Jahre vergangen und auch die Rurbau-Angelegenheit reihte sich in die Serie von langwierigen Prozessen ein, die Eleonora zu führen hatte. Obwohl sie durch ihre Kalendereintragungen immer den Eindruck zu vermitteln wusste, im Recht zu sein und zu einem zügigen Ergebnis zu gelangen, war sie jedoch nicht in der Lage, eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu erzwingen. Bei den Erbstreitigkeiten um Burgau handelte es sich um einen Prozess, den bereits Johann Adolf II. geführt hatte und auf den er in seinem Testament im Rahmen der „verschiedenen theils activ-theils passiven processen“ schon hingewiesen hatte.921 Im Rahmen der Vormundschaft musste sich Eleonora nun mit diesem Konflikt auseinandersetzen und konnte ihn vorerst zu einem positiven Ende führen. Dadurch tritt sie in diesem Zusammenhang in verschiedenen Rollen auf und gibt Einblick in diverse adlige Lebensbereiche. Zum einen ist sie hier die prozessführende adlige Witwe, die dem Willen ihres verstorbenen Mannes entsprechen und den Besitz des Geschlechts gegenüber anderen Parteien absichern und vermehren will. Zum anderen tritt sie als Verwalterin auf, die ihre Hoheitsrechte in Anspruch nimmt und verteidigt, wie an den Beispielen der Bereiche Jagd und Fischerei gezeigt werden konnte. Daneben wird aber auch ihr Bediensteten-Netzwerk schärfer konturiert, mit dessen Arbeit sie nicht immer vollends zufrieden scheint. Neben ihrem Sekretär Vaessen, der als Vogt wohl die Hauptverantwortung trug, fällt vor allem ihr Urteil über Anwalt Effelsberg, der bereits als Ratgeber im Rahmen des „Vormundschaftsvertrages“ erwähnt worden ist, auf. Mit der Ausführung seiner Arbeiten war sie oftmals nicht einverstanden und vermerkte selbst sein Ableben mit kritischen Worten in ihrem Kalender. Aus ihren Diensten entlassen hat sie ihn dennoch nicht – vermutlich, weil er auch schon für ihren Mann tätig gewesen war.
919 Eintrag vom 11. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. 920 Eintrag vom 16. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. 921 Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504.
VII.4 Rurbau-Konflikt
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Desweiteren vermitteln die Verwaltungseintragungen den Eindruck einer zügig agierenden und reagierenden Frau, die immer versuchte, das Verfahren zu einem schnellen, für sie positiven Ende zu bringen. Dabei unterschied sie innerhalb ihrer Kalender offenbar auch zwischen relevanten Informationen und Gegebenheiten, denen sie geringere Bedeutung beimaß und sie daher nicht vermerkte. Als Beispiel sei an dieser Stelle auf die Ansprüche ihrer Stieftochter Anna Adolfina von der Recke verwiesen, die im Schreibkalender keinerlei Erwähnung finden. Das Verfahren rund um Burgau zeigt zudem die Grenzen von verwandtschaftlichen Netzwerken auf, wenn Assessor Cramer dazu rät, nicht allzusehr auf die Einflussnahme durch Präsident Ingelheim zu pochen.
VIII. Zähe Verhandlungen Vor dem Reichskammergericht VIII.1 Prozess um Bisperode Zur Herrschaftsverwaltung bzw. zum Bewahren oder auch Vermehren des Besitzes gehörte immer auch die Absicherung gegen Ansprüche anderer, meist verwandter Adelsfamilien. In diesem Zusammenhang war die Prozessführung ständiger Bestandteil des „adligen Alltagsgeschäfts“. Dies gilt auch für die Vormundschaftszeit der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht. Als Beispiel soll die sogenannte „werdrische Sache“922 vorgestellt werden, die Eleonora ebenso lange beschäftigte wie die bereits erwähnte Schaesberger Sache, und daher auch in fast jedem ihrer Schreibkalender Erwähnung findet. Es handelte sich dabei um eine Auseinandersetzung mit den Herren von Werder923 um das Gut Bisperode in Niedersachsen, mit welchem Johann Adolf I., der Großvater von Eleonoras Mann, im 17. Jahrhundert belehnt worden war.924 Ab dem Zeitpunkt der Belehnung versuchte der anhaltische Zweig der von Werder sich die Güter anzueignen925, woraus sich ein gerichtliches Verfahren ergab, das sich bis in die Herrschaft Johann
922 Zum ersten Mal verwendet Eleonora diesen Begriff in einem Eintrag vom 4. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 923 Auch „von dem Werder“. 924 Mit Jobst von Werder war der letzte männliche Erbe der von Werder im Jahr 1665 verstorben. Er selbst hinterließ fünf Töchter. Vgl. dazu: Karl Steinacker (Bearb.), Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Holzminden (Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogthums Braunschweig 4), Wolfenbüttel 1907, S. 230 sowie Johann Christoph Beckmann, Historie Des Fürstenthums Anhalt Von dessen Alten Einwohnern und einigen annoch vorhandenen Alten Monumenten / Natürlicher Gütigkeit / Eintheilung / Flüssen / Stäten / Flecken und Dörfern / Fürstl. Hoheit / Geschichten der Fürstl. Personen / Religions-Handlungen / Fürstlichen Ministris, Adelichen Geschlechtern / Gelehrten / und andern Bürger-Standes Vornehmen Leuten. Fünfter, Sechster und Siebender Theil, Zerbst 1710, Teil 7, S. 286, URN: urn:nbn:de:gbv:3:1-244457 (24.11.2019). 925 Vgl. Steinacker, Bau- und Kunstdenkmäler (wie Anm. 924), S. 230.
VIII.1 Prozess um Bisperode
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Adolfs II. ziehen und seit dem Jahre 1720 durch ein Urteil beigelegt sein sollte926, jedoch auch Eleonora, wie erwähnt, weiter beschäftigte. Sind im Schreibkalender von 1722 weder von Johann Adolf II. selbst noch von Eleonora Einträge zu diesem Thema vorhanden, bildet eines der ersten und ausführlichsten Notate des Aprils 1723 den Auftakt. Es ist die Rede von der „Vormundschafft von dem Minderjährigen zu Werden“.927 Dabei muss es sich um den 1706 geborenen Heinrich Emanuel von Werder gehandelt haben, den einzigen Sohn und Nachkommen des Gebhard Paris von Werder (1681–vor 1723).928 Damit befanden sich die Herren von Werder zu diesem Zeitpunkt in einer ganz ähnlichen Situation wie die Wolff Metternichs: Beide Stammhalter waren die einzigen männlichen Nachkommen, darüber hinaus noch minderjährig und standen unter verwandtschaftlicher Vormundschaft.929 Des Weiteren verweist Eleonora an dieser Stelle auf das Testament des im Jahr zuvor während der Vormundschaftsregelungen verstorbenen Dompropstes zu Münster, Wilhelm Hermann Wolff Metternich zur Gracht, dem jüngeren Bruder ihres Mannes. Aus diesem Testament ging hervor, dass 4 000 Reichstaler an den Jungen von Werder gezahlt werden sollten. Dies geschah offenbar am 28. April 1723 durch Geheimrat Kersting.930 Wenn auch kein weiterer Eintrag im Jahr 1723 folgte, so war die „werdrische Sache“ mit der Zahlung der 4 000 Reichstaler nicht abgeschlossen. Andernfalls hätte Eleonora Mitte Januar 1725 nicht ihren Advokaten Effelsberg mit der Abfassung eines von ihr als „werdrische Schrifft“ bezeichneten Dokuments beauftragt.931 Bedingt durch das Fehlen des Kalenders des Jahres 1724 ist nicht nachvollziehbar, welche Entwicklung diesem Auftrag vorausgegangen war. Aufgrund seiner Erkrankung Ende Januar war Advokat Effelsberg nicht in der Lage weiter an der werdrischen Sache zu arbeiten.932 Eleonora ergriff danach zunächst selbst die Initiative, indem sie nach Köln fuhr, „umb die werdrische Papier zusammen zu suchen aus deß Efelsberg Schrifften in Gegenwart deß Notarie Türnich.“933 In der Zwi-
926 Vgl. Acten-mässige facti species in Sachen deren Frey-Herren von dem Werder im Hertzogthumb Anhalt contra Stifft-Hildesheimische Lehen-Cammer und Consorten Frey-Herrn Wolff Metternich zu Gracht, Wolfenbüttel 1719, online unter: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00 0025B000000000 (24.11.2019). 927 Eintrag vom 28. April 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 928 Heinrich Emanuel ist im Jahr 1723 noch minderjährig und der einzige zu ermittelnde von Werder, der in Frage kommt. Wichtig ist zudem, den „Minderjährigen zu Werden“ nicht der Wolff Metternich’schen Nebenlinie von Wehrden zuzuordnen. Wie noch zu sehen sein wird, differenziert Eleonora stets zwischen dem jungen Herrn von Werder und dem Herrn Metternich zu We(h)rden, so dass eine Verwechslung ausgeschlossen werden kann. 929 Die Vormünder des jungen Herrn von Werder konnten nicht ermittelt werden. 930 Eintrag vom 28. April 1723, in: ASG, Akten, Nr. 600. 931 Eintrag vom 17. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 932 Einträge vom 23./24. Januar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 933 Eintrag vom 3. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
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VIII. Zähe Verhandlungen
schenzeit hatte Hofrat Sauer „sich erbotten dieselbe [die Schrift] außzuarbeiten“934, damit nicht zuviel Zeit ungenutzt verstrich. Darüber hinaus zog Eleonora auch ihren Schwiegersohn zu Rate. Es folgten Ordnung und Verzeichnung der „werdrische[n] Schrifften“ durch Sekretär Vaessen und Sauer begann „den Extract zu machen […].“935 Der letzte Schritt, der in diesem Zusammenhang noch eingehalten werden musste, war eine Mitteilung an das Reichskammergericht, da sich aufgrund der Erkrankung Effelsbergs eine vom Gericht festgesetzte Frist nicht einhalten ließ. Am 8. Februar schickte man daher „Attestata und recesse nach Wezlar [abgangen] wegen deß Efelsberg Zustand.“936 Vermutlich wird den Wolff Metternichs daraufhin Aufschub gewährt worden sein. Während Sauer die Akten zusammenfasste, gab es für Eleonora offenbar keine wesentlichen Veränderungen in der Sache, die sie im Schreibkalender festhalten wollte. Erst ein halbes Jahr später kommt sie erneut darauf zu sprechen. Advokat Effelsberg hatte die Arbeit wieder aufgenommen und war von Eleonora nach Köln geschickt worden, „die werdrische Schrifft zu machen.“937 Dass er sich aber keinesfalls von seiner Krankheit erholt hatte, wird kurz darauf deutlich. Eine neuerliche Erörterung der laufenden Prozesse, darunter auch der werdrische Fall, fand Anfang August in Köln mit Eleonoras Schwiegersohn und Hofrat Sauer statt.938 Macht diese noch den Eindruck eines regelmäßig stattfindenden Treffens, um aktuelle Entwicklungen zu besprechen und zügig voranzuschreiten, wird Ende des Monats klar, dass sich die Ausfertigung einer Wolff Metternich’schen Stellungnahme zum werdrischen Prozess weiter verzögern würde. Advokat Effelsberg war gesundheitlich weiterhin nicht in der Lage seine Aufgabe zu erfüllen. Da man deshalb seit Februar noch keine endgültige Fassung der Schrift vorlegen konnte, schickte man zum Reichskammergericht nach Wetzlar bzw. an den dort ansässigen Prokurator Jung „newe atestata wegen der Kranckheit deß Efelsberg […] und ein Schreiben von ihrer Churfürstlichen Durchlaucht ahn den Cammerrichter und beyde Presidenten umb in der werdrische Sach Außstand zu erhalten […].“939 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die „werdrische Sache“ bereits um mehr als ein halbes Jahr verzögert. Daher wollte man beim Kurfürsten zusätzlich darum bitten, Geheimrat Lapp nach Wetzlar zu schicken, um durch einen Vertreter vor Ort Einfluss nehmen zu können. Da Eleonora ohnehin nach Bonn reiste, „umb von ihr[er] Churfürstlichen Durchlaucht Abschied zu nehmen“940, weil dieser am nächsten Tag nach Paris reisen würde941, um an der Hochzeit Ludwigs XV. teilzunehmen, sprach sie selbst bei Clemens August vor. 934 935 936 937 938 939 940 941
Eintrag vom 4. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Einträge vom 5. und 7. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 8. Februar 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 21. Juli 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 9. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 23. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Eintrag vom 29. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Vgl. Eintrag vom 30. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601.
VIII.1 Prozess um Bisperode
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Dieser stimmte zu, „wann es nothig den Herrn Lapp auff mein [Eleonoras] Kosten nach Wetzlar zu schicken […].“942 Eleonora ließ keine weitere Zeit mehr ungenutzt verstreichen und übermittelte Geheimrat Lapp die ersten Unterlagen – „den Vergleichsverfolg […] sambt 2 Facti Species […]“943 und einen „Restitutionsverfolg“.944 Außerdem sollte Geheimrat Lapp nach Köln zu Advokat Effelsberg reisen, um vom „kranken Herr Efelsberg“ weitere Details der werdrischen Sache zu erfahren.945 In der Zwischenzeit begann Sauer mit der Abfassung der neuen Stellungnahme.946 Auch er stand während dieser Zeit in Kontakt zu Effelsberg, um die wichtigsten Informationen der letzten Monate zusammenzutragen.947 Zudem besprach sich Elenora nun wöchentlich mit den Herren Bornheim, Lapp und Sauer: Von Ende September bis Mitte Oktober vermerkte Eleonora drei Treffen in unterschiedlichen Konstellationen, bei denen weiter über die werdrische Sache beraten wurde.948 Bis zum letzten dieser drei Termine konnte Sauer beitragen, dass er schon erste Ausführungen zur Sache schriftlich festgehalten hatte.949 Bis zur Fertigstellung sollten aber noch knapp zwei Monate vergehen. Einen Tag nach dem Nikolaustag und somit fast ein Jahr nachdem diese zum ersten Mal Erwähnung in den Schreibkalendern gefunden hatte, konnte Eleonora notieren, dass „der Syndicus Sawer die werdrische Schrifft entlich fertig bekommen“ hatte.950 Anderthalb Wochen zuvor hatte Eleonora alle beteiligten Berater, „den Assesor Crammer, Herrn Sawer und Lapp“, nach Bornheim berufen, um ausführlich „uber die werdrische Sach zu conferiren.“951 Advokat Effelsberg konnte zur Fortführung der Angelegenheit nichts mehr beitragen – er war, wie bereits erwähnt, seiner Krankheit erlegen.952 Die Ausarbeitung von Sauer wurde noch vor Jahresende sowohl vom Herrn von Bornheim, den Räten Sauer und Lapp als auch Eleonora gelesen und besprochen, um sie zur Ausfertigung zu bringen.953 Geheimrat Lapp konnte gleich zu Beginn des folgenden Jahres nach Wetzlar reisen, um die Schrift am Reichskammergericht vorzulegen.954
942 Eintrag vom 29. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 943 Eintrag vom 31. August 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. Evtl. handelte es sich in einem Fall um die bereits erwähnte Facti species (wie Anm. 926). 944 Eintrag vom 9. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 945 Einträge vom 1. und 11. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 946 Vgl. Eintrag vom 17. September 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 947 Vgl. Eintrag vom 2. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 948 Vgl. Einträge vom 26. September, 2. und 13. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 949 Vgl. Eintrag vom 13. Oktober 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 950 Eintrag vom 7. Dezember 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 951 Eintrag vom 26. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 952 Vgl. Eintrag vom 18. November 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 953 Vgl. Eintrag vom 11. Dezember 1725, in: ASG, Akten, Nr. 601. 954 Eintrag vom 8. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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VIII. Zähe Verhandlungen
Zu diesem Zweck „hatt er 200 Reichstaler zur Reiß bekommen“955, was darauf schließen lässt, dass man mit einem langwierigen Verfahren und Aufenthalt rechnete. Tatsächlich kam er nach einem Monat wieder nach Bonn zurück.956 Während er in Wetzlar weilte, informierte er Eleonora regelmäßig über die aktuellsten Entwicklungen. Insgesamt sechs Briefe schickte er bis zu seiner Rückkehr Anfang Februar ins Rheinland.957 Beantwortet wurden diese von Eleonora spätestens zwei Tage nach Erhalt und meist nach Rücksprache mit Hofrat Sauer.958 Erwecken diese Einträge des Brieferhalts, einer eventuell folgenden Beratung mit einem Rechtsbeistand und der Beantwortung des Schreibens den Eindruck einer in Prozess- bzw. Herrschaftsangelegenheiten selbständig agierenden Frau, so war ihr aber genauso wichtig alle Entscheidungen, wenn auch im Nachhinein, durch den Herrn von Bornheim bestätigen zu lassen. Für Eleonora war das Einverständnis ihres Schwiegersohns und Mitvormunds für ihre Vorgehensweise so elementar, dass es im Anschluss an die Korrespondenz Aufnahme in ihren Kalender fand: „[…] Heitt auch der Herr von Bornheim nach Collen den Nachmittag kommen und gutt gefunden was ich gethan.“959 Nach der Rückkehr des Herrn Lapp aus Wetzlar intensivierten sich die Arbeiten rund um die „werdrische Sache“ noch einmal: Hofrat Sauer suchte im Kölner Haus „den ganzen Nachmittag“ sämtliche Unterlagen zur Sache zusammen960, bevor Geheimrat Lapp zwei Tage später ebenfalls dorthin kam, um Eleonora und Sauer ausführlich Bericht zu erstatten. Er fasste die Ergebnisse seines Aufenthaltes wie folgt zusammen: […] der Referent ist gar wohl zufrieden gewest mitt unser Schrift, die Gegenadvocat will solche durch ein Recesse beandworrten, wornach sich viel zeigen wird; auch will der Gegenadvocat mitt allen Briffschafften hirher kommen, umb dieselbe zu untersuchen im Fall einen Vergleich getroffen werden könnte […].961
Auch der Herr von Bornheim wurde über die Vorgänge unterrichtet und gleichzeitig dessen Rat eingeholt.962 Mitte Februar erhielt Geheimrat Lapp einen Brief des Anwalts Rosenhan der Gegenseite, in dem es vermutlich um eine Terminabsprache für seine Reise nach Köln ging. Die Kosten dieser Reise sollte Eleonora tragen.963 Bis März war jedoch aufgrund der bereits erwähnten Ausbildung Franz Josephs keine Zeit, um sich intensiver mit den Anliegen des Rosenhans auseinanderzusetzen. Erst am 10. März
955 Ebd. 956 Vgl. Eintrag vom 3. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 957 Am 15., 22., 26. und 29. Januar erhielt sie jeweils ein Schreiben des Herrn Lapp. Am 19. Januar kamen zwei Briefe in Köln an. Siehe ASG, Akten, Nr. 602. 958 Vgl. Einträge vom 16./17., 20., 22., 24., 27. und 30. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 959 Eintrag vom 31. Januar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 960 Eintrag vom 4. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 961 Eintrag vom 6. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 962 Vgl. Eintrag vom 11. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 963 Vgl. Eintrag vom 15. Februar 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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trafen sich die Herren Bornheim und Sauer mit Eleonora, um den Termin für ein Zusammentreffen für den 21. März zu bestätigen. Eine Woche darauf fand ein ähnliches Gespräch im Beisein des Herrn Lapp statt.964 Beide Treffen nutzte Eleonora dazu, ihren Räten zum Dank für die gute Arbeit ein Geschenk zu machen: Sowohl Hofrat Sauer als auch Geheimrat Lapp erhielt jeweils einen „potte a hocille“ – einen Topf Kohle [?] – im Wert von zwei Reichstalern.965 Gerade vor dem Zusammentreffen mit der Gegenseite diente ein solches Geschenk aber nicht allein zum Dank, sondern auch zur Motivation sich weiter für die Wolff Metternich’sche Sache einzusetzen. Benötigt wurde die Unterstützung ab dem 29. März. An diesem Tag war der „werdrisch Advocat Roßenhann von Wezlar hir [in Bonn] ahnkommen, umb von einem Vergleich zu tractiren“.966 Die Verhandlungen begannen allerdings erst im April. Ein Grund dafür wird der Zustand der ältesten Tochter Eleonoras gewesen sein: Maria Anna war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger und Eleonora bereits Ende März zu ihr nach Bonn gefahren, „weil die Frau von Bornheim sich ubelbefunden.“967 Auch am 6. April wird Eleonora bei ihrer Tochter gewesen sein, obwohl sie dies nicht ausdrücklich im Kalender erwähnt. An diesem Tag wurde die Frau von Bornheim von einer toten Tochter entbunden, die noch im Mutterleib die Nottaufe erhalten hatte. An dieser Stelle wird im Kalender auch die emotionale Seite Eleonoras sichtbar, der sie mit der Sorge um ihre Tochter Ausdruck verleiht, wenn sie schreibt, dass „sie [Maria Anna] gar viel darby gelitten“ hätte.968 So tragisch dieser Eintrag auf den heutigen Leser wirken mag, stellte sein Inhalt doch zum Zeitpunkt seines Entstehens aufgrund der hohen Kindersterblichkeit keinen Einzelfall dar. Wegen der zusätzlichen Anwesenheit des werdrischen Anwalts blieb Eleonora nicht länger bei ihrer Tochter. Für sie folgte bereits am nächsten Tag die Rückkehr zu den Herrschaftsgeschäften. Advokat Rosenhan bezog im Bonner Haus der Wolff Metternichs Quartier969, um wenige Tage darauf gemeinsam mit Geheimrat Lapp nach Köln zu reisen. Dort begannen im Beisein des Herrn Sauer die Verhandlungen in der werdrischen Angelegenheit970, die weit bis in den Mai andauern sollten. Bevor man sich in „großer Runde“ zusammensetzte, war es zunächst die Aufgabe von Hofrat Sauer sich in die Unterlagen des werdrischen Anwalts einzuarbeiten.971 Sauer erstattete Eleonora im Anschluss „schriftliche Bericht […] was in der Unter-
964 Vgl. Einträge vom 10. und 17. März 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 965 Eintrag vom 10. März 1726: Eleonora schreibt zwar „potte a hocille“, meint aber wohl das französische Wort „houille“. Vgl. Eintrag vom 12. März, in: ASG, Akten, Nr. 602. 966 Eintrag vom 29. März 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 967 Eintrag vom 23. März 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 968 Eintrag vom 6. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 969 Vgl. Eintrag vom 7. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 970 Vgl. Eintrag vom 11. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 971 Vgl. Eintrag vom 15. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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redung mitt Rosenhan vorganget.“972 Auch wenn dies nicht explizit erwähnt wird, ist dieser Bericht sehr wahrscheinlich auch an Herrn von Bornheim übermittelt worden. Knapp zehn Tage später empfing Eleonora selbst den Vertreter der Gegenpartei, der „den Nachmittag by mir [Eleonora] gewest und aus der Sach gered.“973 Damit versuchte sie sich wohl selbst – unabhängig von schriftlichen Berichten – einen Überblick zu verschaffen und Einfluss auf eine eventuell bevorstehende Entscheidung zu nehmen. Zwei Tage später kamen dann alle in die Geschäfte involvierten Personen in Köln zusammen. Nachdem zunächst die Wolff Metternich’sche Seite allein getagt hatte, um höchstwahrscheinlich eine Strategie und einen Lösungsvorschlag für die Unterredung mit Rosenhan zu entwerfen, hatte man „den Nachmittag mitt Rosenhann conferiret, ihme 25 m [25 000] Reichstaler zum Vergleich oferiret, er aber solche nicht ahngenohmen und so von einander gangen.“974 Der erste Versuch einer Einigung in Form eines Vergleichs war somit gescheitert. Nun war es an der Gegenseite ein Angebot zu unterbreiten. Während man auf eine Antwort wartete, zog Eleonora noch Assessor Cramer als weiteren Ratgeber hinzu. Da dieser vorrangig in Wetzlar ansässig war und man nur selten die Gelegenheit eines Gespräches hatte, war Cramer als langjähriger Berater, gar Vertrauter, „lang by mir gewest und von allen unseren Sachen absonderlich der werdrische mitt mir gered.“975 Gleichzeitig sorgte Eleonora weiterhin für das Wohlergehen ihres Gastes – diverse Eintragungen im Stil von „heitt der Roßenhann mit uns gespeist“ zeugen davon.976 Am 17. Mai kam wieder Bewegung in die Verhandlungen: Advokat Rosenhan hatte eine Antwort erhalten, die eine Einigung in weite Ferne rücken ließ. Unter einem Betrag von 80 000 Gulden977 sollte es nicht zu einem Vergleich kommen. Für Eleonora war somit offensichtlich, dass „alßo aus der Sach nichts werden wird.“978 Sie informierte ihren Mitvormund über die neuesten Entwicklungen und zu Beginn der neuen Woche setzte man sich nicht wieder mit den Herren Sauer, Lapp und Rosenhan an den Verhandlungstisch, sondern teilte mit, dass es unter den gegebenen Umständen nicht zu einem Vergleich kommen könnte, „worauff der Roßenhann heit [22. Mai] uber Coblenz nach Wezlar zuruck ist.“979
972 Eintrag vom 16. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 973 Eintrag vom 25. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 974 Eintrag vom 27. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. Zuvor war Advokat Rosenhan in eigener Sache in Koblenz gewesen. Vgl. Eintrag vom 19. April 1726. 975 Eintrag vom 29. April 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 976 Vgl. Einträge vom 28. April, 1., 4. und 7. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 977 Tatsächlich gibt Eleonora den Betrag in Reichstalern an. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wird aber deutlich, dass sie sich geirrt haben und es sich um Gulden handeln muss. 80 000 Reichstaler entsprächen 120 000 Gulden. Vgl. Eintrag vom 17. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 978 Ebd. 979 Einträge vom 18. bis 22. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602.
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Es folgte eine lange Verhandlungspause, in der keine der Parteien einen Schritt auf die andere Seite zu machte. Nach der Abreise Rosenhans hatten sich die Vormünder mit Sauer und Cramer noch einmal ausgetauscht, ohne dass Eleonora den Inhalt im Schreibkalender notiert hatte.980 Erst Ende August gab es abermals eine Aktivität zu vermelden: Hofrat Lapp hatte ein Schreiben „von dem Herrn Roßenhann, so er ahn ihn geschrieben, worin er auffs newe vom Vegleich meldet und ein exorbitanten Ahnschlag uber daß harterischß Gutt beylegt“ an Eleonora weitergeleitet.981 Diese war weiterhin nicht gewillt, den hohen Forderungen der Gegenseite entgegenzukommen, wie schon ihre Wortwahl in Bezug auf den „exorbitanten Ahnschlag“ für ein offenbar zum Lehen gehörendes Gut deutlich macht. Es vergingen weitere fünf Monate bis der Konflikt wieder Eingang in die Schreibkalender der Witwe Wolff Metternich finden sollte. Wie im Vorjahr sandte sie auch im Februar 1727 Geheimrat Lapp nach Wetzlar.982 Zuvor hatte sie eine Nachricht aus Wetzlar erhalten, dass sich der Herr von Werder dort aufhielt und man die Gelegenheit nutzen wollte, erneut über einen Vergleich zu verhandeln.983 Die Grachter Partei, bestehend aus den Herren Bornheim, Lapp, Sauer und Eleonora, hatte „[…] beschloßen 50 000 Florin zum Vergleich zu bieden und darauf sich halten.“984 Somit hatten sie den Betrag im Vergleich zum Vorjahr um etwas mehr als 8 000 Reichstaler erhöht.985 Während Geheimrat Lapp in Wetzlar die Verhandlungen begann, beriet man sich auch in Köln weiterhin über die Angelegenheiten des Prozesses und stand in regem Austausch. Hier war Hofrat Sauer wieder der maßgebliche Berater für Eleonora, mit dem sie auch am 21. Februar sprach. Vermutlich noch während dieser Unterredung traf die erste Meldung aus Wetzlar ein. Durch einen reitenden Boten ließ Geheimrat Lapp Rechnungen, Pachtbriefe und weitere Unterlagen die werdrische Sache betref-
980 Vgl. Eintrag vom 30. Mai 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 981 Eintrag vom 28. August 1726, in: ASG, Akten, Nr. 602. 982 Auch diesmal erhielt er 200 Reichstaler für die Reise. Eintrag vom 10. Februar 1727: „Heitt ist Herr Lapp nach Wezlar abgereist und habe ich ihme 200 Reichstaler auff die Reis mittgeben.“, in: ASG, Akten, Nr. 603. 983 Der Absender wird nicht genannt. Vgl. Eintrag vom 1. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 984 Eintrag vom 9. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Neben den eigentlichen Fakten der Eintragungen kann man auch Erkenntnisse zu Eleonoras Kalenderroutine gewinnen. Alle Einträge rund um die Wetzlarer Reise bzw. die werdrische Angelegenheit finden sich auch eine Woche später noch einmal in ähnlicher Weise im Kalender wieder – allerdings sind diese durchgestrichen. Eleonora wird diese also erst nachträglich den Datumsangaben zugeordnet haben, und diese zunächst unter den falschen Daten notiert haben. Teilweise liefern sie weitere Informationen: So wird zum Beispiel ergänzt, dass der Brief über die Ankunft des Herrn von Werder in Wetzlar von Assessor Cramer abgeschickt worden war: Vgl. gestrichene Einträge vom 11., 16. und 17. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 985 50 000 Gulden entsprechen ca. 33 300 Reichstalern. Für den entscheidenden Hinweis zur Umrechnung von Gulden in Reichstaler (1 Gulden ≙ ⅔ Reichstaler) bedanke ich mich bei Michael Rohrschneider.
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fend an Eleonora übermitteln.986 Die darauf erfolgende Antwort verfasste Eleonora nicht selbst: „Herr Sawer [hat] mir daß Concept auffgesezt sambt einen Guttachten“, welches zwei Tage später nach Wetzlar abging.987 Am Aschermittwoch 1727 gab es Neuigkeiten aus Wetzlar, die keinen Aufschub duldeten. Wiederum traf bei Eleonora ein Eilbote des Herrn Lapp ein, der ein Gegenangebot der Herren von Werder brachte: „Heitt hatt der Herr Lap ein Stafetta von Wezlar geschickt und bericht das die Werder 62 500 Florin zum Vergleich begehren […].“988 Die Gegenseite hatte ihre Forderung der ursprünglich 80 000 Gulden nach unten korrigiert. Lapp befürwortete diesen Vorschlag und fügte „ein proiect“ – also einen Entwurf – des Vergleichs mit an und „uber alles unser positive resolutio begehrt.“989 Doch eine zustimmende Rückmeldung seiner Auftraggeber erhielt er vorerst nicht. Eleonora ließ vermutlich noch am selben Tag nach Hofrat Sauer schicken, „welchen ich [sie] expres begehrt“, sodass in derselben Woche in der üblichen Konstellation – Wolff Metternich, Bornheim und Sauer – über das Angebot beraten werden konnte.990 Die Höhe des Werdener Angebots wollte man nicht akzeptieren. Auf Grundlage der „Vorstellung und Guttachtnuß“ von Sauer erhöhte man das eigene Angebot von Anfang des Monats um weitere 4 000 Gulden auf nun insgesamt 54 000 Gulden (36 000 Reichstaler). In diesem Zusammenhang verweist Eleonora auf das Testament ihres verstorbenen Mannes: In diesem waren 3 000 Reichstaler Zinsen angeboten worden.991 Wiederum durch einen Eilboten ließ Eleonora die weiteren Anweisungen mit der letztgültigen Proposition Angebot nach Wetzlar übermitteln.992 Eine Rückantwort erreichte die Absenderin aber nicht so schnell wie erhofft, sodass sie selbst noch einmal nachhakte und somit durch den Eintrag in den Schreibkalender die Dringlichkeit der Angelegenheit unterstrich.993 Geheimrat Lapp befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Rückreise von Wetzlar nach Bonn. Im Gepäck hatte er einen weiteren Vergleich. Da die Verhandlungen zwischen den Parteien zu keinem Ergebnis geführt hatten, waren die beiden
986 987 988 989 990 991
Vgl. Eintrag vom 21. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 23. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 26. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Ebd. Eintrag vom 28. Februar 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Ebd. Schwierig ist hierbei die richtige Einordnung der 3 000 Reichstaler, da diese über der Zeile eingefügt wurden und zudem eine Streichung von Eleonora vorgenommen wurde. Daher ist diese Notiz wohl so zu verstehen, dass die Erhöhung um 4 000 Gulden den Zinsen in Höhe von 3 000 Reichstalern entspricht, die seit dem Tod Johann Adolfs angefallen sein könnten. In Johann Adolfs Testament findet sich allerdings kein Hinweis. Vgl. Testament Johann Adolfs II. Wolff Metternich zur Gracht, Schloss Gracht, 12. September 1720, in: ASG, Akten, Nr. 504. 992 Vgl. Eintrag vom 1. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 993 Vgl. Eintrag vom 6. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603.
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Assessoren Oppel994 und Cramer als Vermittler eingeschritten. Mit 35 000 Reichstalern entsprach der Vergleichsbetrag nicht nur ungefähr dem letzten Grachter Angebot, er lag sogar knapp darunter. Zudem brachte Lapp einen Vertragsentwurf aus Wetzlar mit, der von allen Beteiligten aufgesetzt worden war.995 Zur ausführlichen Beratung reiste Eleonora gemeinsam mit den Herren Bornheim und Lapp nach Köln, um dort auch die Meinung des Hofrats Sauer einholen zu können. Der „Familien- und Vormundschaftliche Consulent“, wie Eleonora ihn in diesem Zusammenhang tituliert, wurde explizit gefragt, „ob und waß dießem Werck beyzusezen seye, alß hatt er in den Vergleich etwaß weniger deßgleichen auch ein Nebenrecesse beygefuget mitt dem Vermelden aber, das wan es die Werdrische nicht ahnnehmen würden, der Vergleich doch nit zurückgehen sollte.“996 Wie zu erwarten war, stimmte man nicht vollkommen mit der Gegenseite überein, jedoch sollten die nicht näher benannten weiteren Forderungen oder Abänderungen den Erfolg des Vergleichs nicht gefährden. Die ergänzenden Unterlagen schickte Eleonora drei Tage später an Assessor Cramer nach Wetzlar.997 Dieser meldete sich nach gut einer Woche mit neuen Erkenntnissen, die eine baldige Einigung wieder in weite Ferne rücken ließen: Ohne Zustimmung der Gläubiger des jungen Herrn von Werder könne ein Vergleich nicht abgeschlossen werden. Dieses „newe Dubium“ war der Grachter Partei bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen.998 Noch am selben Tag stimmte Eleonora sich mit Hofrat Sauer ab, der die neuen Informationen ebenfalls „vor gefahrlich haltet“ und gleich ein Schreiben an Assessor Cramer aufsetzte.999 Eine Antwort erfolgte eine Woche später – in der Zwischenzeit hatten sich Eleonora und Hofrat Sauer ausführlicher beraten, als es zunächst in der Kürze der Zeit möglich gewesen war.1000 Das Schreiben, das Eleonora am 29. März aus Wetzlar erhielt, machte deutlich, dass auch die Anwälte der Gegenseite, in Person von Mediator Oppel und Advokat Rosenhan, „selbsten die Sach vor gefahrlich ahnsehen, der Roßenhann aber erbitte sich selbst hinzugehen und mitt dem Curator der Creditoren die Sach abzumachen und deren Consens zu bringen“1001, damit es zu einer Einigung kommen konnte. Zu diesem Zeitpunkt bezog Eleonora auch wieder den Herrn Bornheim aktiv mit in die Beratungen ein, in dem sie ihn und Hofrat Sauer um ihre Meinungen bat.1002
994 Siegmund Ehrenfried von Oppel (1687–1757) war seit 1719 kurbraunschweigischer Kammergerichtsassessor in Wetzlar. Vgl. Jahns, Reichskammergericht II (wie Anm. 164), S. 1230. 995 Vgl. Eintrag vom 8. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 996 Eintrag vom 10. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 997 Vgl. Eintrag vom 13. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 998 Vgl. Eintrag vom 22. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 999 Die Schreiben von Hofrat Sauer und Eleonora gingen einen Tag später – an einem Sonntag – nach Wetzlar ab. Eintrag vom 23. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1000 Vgl. Eintrag vom 27. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1001 Eintrag vom 29. März 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1002 Vgl. ebd.
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VIII. Zähe Verhandlungen
Letzterem oblag es ein Konzept zur Antwort an Assessor Cramer zu entwerfen, welches der Herr von Bornheim und Geheimrat Lapp mit nach Köln brachten.1003 Von dort konnte Eleonora den Brief zwei Tage später – „lauth deß Concepts so mir ahm Dienstag der Herr von Bornheim mittbracht“ – aufsetzen und nach Wetzlar schicken.1004 Assessor Cramer meldete sich kurz darauf mit neuen Informationen der Gegenseite. Der Inhalt des Vergleichs behielt Bestand, aber nun hatte sich der Vormund des noch minderjährigen „jungen Herrn von Werdern“ geäußert, da ihm zu wenige Hintergrundinformationen über den Inhalt vorlagen. Allerdings wolle sich sein Mündel, „welcher 21 Jahr passirt den sachsischen Recht nach grosjahrig machen laßen“1005, um zukünftige Entscheidungen wohl selbst treffen zu können. Bis Mitte Mai gab es keine größeren Änderungen in der Sache: Sobald Briefe von Assessor Cramer aus Wetzlar Eleonora erreichten, besprach sie deren Inhalt mit den Herren Bornheim, Lapp und Sauer und schickte eine Antwort, welche von Hofrat Sauer entworfen wurde.1006 Aus Wetzlar kamen nicht nur Schreiben von Assessor Cramer, sondern er schickte auch weiterhin Schriftstücke des werdrischen Anwalts Rosenhan an seine Auftraggeberin. „[…] darin er [Rosenhan] Vorschläg thuet wegen unserer Sicherheit“, die sich auf den Concurs der Gläubiger der werdrischen Seite bezogen.1007 Auch Assessor Oppel arbeitete in diese Richtung. Am 19. Mai 1727 konnte Cramer vermelden, dass „Assesor Opelen vermeint ein Expedient zu unser Sicherheit […] zu finden.“1008 Nur einen Tag später trafen erneut Nachrichten aus Wetzlar ein. Da die Verhandlungen um einen Vergleich vor zwei Monaten zu einem gütlichen Abschluss gekommen waren, seitdem aber aufgrund der neuen Sachlage noch nicht vollkommen erledigt waren, hatte die werdrische Seite einen Rezess eingegeben und beschuldigte Eleonora und ihre Berater den Vergleich überhaupt nicht zustande kommen lassen zu wollen. Ein Umstand, den Eleonora nicht auf sich beruhen lassen konnte, und noch am gleichen Tag durch Hofrat Sauer einen Gegenentwurf aufsetzen ließ.1009 An dieser Stelle wird auch ein kurzes Schlaglicht auf Eleonoras Persönlichkeit geworfen, wenn sie die Meinung vertritt: „[…] dieses seint mir Schreckenpillen.“1010 Sie schätzte den Vergleich der Gegenseite als Druckmittel ein – als Warnschuss, um sie zu einer Einigung zu drän-
1003 Vgl. Eintrag vom 1. April 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1004 Eintrag vom 3. April 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1005 Eintrag vom 7. April 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Heinrich Emanuel von Werder war am 13. Februar 1706 geboren worden. Im April 1727 ist er somit seit knapp zwei Monaten 21 Jahre alt. Ein weiterer Beleg dafür, dass es sich um ihn handeln muss. Vgl. Beckmann, Historie (wie Anm. 924), Teil 7, S. 286. 1006 So auch am 10. April und 15. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1007 Eintrag vom 6. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1008 Eintrag vom 19. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1009 Vgl. Eintrag vom 20. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1010 Ebd.
VIII.1 Prozess um Bisperode
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gen: Eine Taktik, die nicht aufging. Hofrat Sauer setzte das Schriftstück auf und es wurde an Herrn Jung nach Wetzlar geschickt. Assessor Cramer erhielt eine Kopie.1011 Bis in den August wurde weiterhin zwischen Wetzlar und dem Rheinland korrespondiert, ohne dass der Prozess zu einem Abschluss kam.1012 Da die Verhandlungen auf schriftlichem Wege nur unnötig in die Länge gezogen wurden, entschied sich Advokat Rosenhan vermutlich dazu, noch einmal nach Köln zu kommen.1013 Eine Entwicklung, die von Eleonora sehr begrüßt wurde: Sie antwortete, „daß es mir [ihr] lieb sein würde, wenn der Herr Roßenhann kommen würde.“1014 Am 15. August traf Rosenhan in Köln ein, um zwei Tage später von Eleonora auf Schloss Gracht begrüßt werden zu können.1015 Gleich am folgenden Tag begannen die Gespräche rund um den Vergleich. Anwesend waren wieder die Herren Lapp und Sauer und Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu Bornheim. Da der Vergleich grundsätzlich feststand, kamen die Verhandlungen zu einem schnellen Abschluss. Beide Seiten bestätigten die Richtigkeit der Inhalte und ihr Einverständnis mit den Verhandlungsergebnissen. Lediglich über die Auszahlung des Geldes und die Aushändigung des Vergleichs musste man sich noch einig werden.1016 Bereits am folgenden Tag konnte Advokat Rosenhan wieder abreisen.1017 Eleonora oblag es die neuen Informationen an Assessor Cramer in Wetzlar weiterzuleiten.1018 Als nächsten Schritt wandte sich Eleonora an den Kanzler des Fürstbistums Hildesheim – Kaspar Francken von Siersdorff.1019 Ihrem Schreiben beigelegt war ein Gesuch an Kurfürst Clemens August in seiner Funktion als Bischof von Hildesheim und Lehensherr zu Wetzlar mit der Bitte auf einen Prozess zu verzichten. Der Schreibkalendereintrag zu diesem Ansinnen datiert auf den 26. August 1727 und weist zwei Streichungen auf, die an dieser Stelle kurz hervorgehoben werden sollen. Zunächst notierte sie nur sich selbst als Urheberin der Bitte an den Kurfürsten, strich das „ich“ aber durch und ersetzte es durch „die Vormundschaft“: „[…] und ein Memorial ahn den Churfursten eingeschlagen durch welches ich die Vormundschafft bittet […].“1020 Die zweite Streichung schließt sich direkt an, mit der sie besonders betonte, dass der Kurfürst auch Lehensherr zu Wetzlar sei: „[…] daß der Churfurst alß Bischoff zu Hil1011 Eintrag vom 22. Mai 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1012 Einträge zur Korrespondenz ohne näheren Inhalt u. a. am 24. und 30. Juni sowie 12., 18., 19. und 23. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1013 Vgl. Eintrag vom 29. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1014 Eintrag vom 31. Juli 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1015 Einträge vom 15. und 17. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1016 Vgl. Eintrag vom 18. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1017 Vgl. Eintrag vom 19. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1018 Vgl. Eintrag vom 21. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1019 Seit 2. April 1721 war er Kanzler in Hildesheim. Vgl. G. H. G. Spiel (Hg.), Vaterländisches Archiv, oder Beiträge zur allseitigen Kenntniß des Königreichs Hannover, wie es war und ist. Vierter Band, Hannover 1821, S. 398. 1020 Eintrag vom 26. August 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603.
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VIII. Zähe Verhandlungen
desßheim auf den Proces alß Lehensherr zu Wezlar auff den Proces […].“1021 Beide Streichungen zeigen wie wohlbedacht sie die Worte für ihre Eintragungen wählte. So war ihr bewusst, dass sie die Bittschrift nicht nur auf sich beziehen sollte, sondern durch die Streichung und Änderung in „die Vormundschaft“ auch auf ihren Schwiegersohn, den Herrn von Bornheim, Bezug nehmen sollte, selbst wenn sie die alleinige Ausstellerin des Schreibens war. Sie konnte zwar eigenständige Entscheidungen treffen, war aber immer bemüht, diese teils im Nachhinein durch den Herrn von Bornheim bestätigen zu lassen, und stets darauf bedacht, in seinem Sinne zu handeln. Zudem sind die Streichungen ein weiteres Anzeichen dafür, dass sie ihre Schreibkalender nicht nur für sich selbst führte, sondern diese auch ihrem Sohn oder weiteren Nachkommen zur Verfügung stehen sollten und sie aus diesem Grund und der Deutlichkeit halber solche Präzisierungen vornahm.1022 Ende Oktober kam wieder Bewegung in die „werdrische Sache“: Adovkat Rosenhan war erneut nach Köln gereist, um persönlich mit der Grachter Seite zu verhandeln.1023 Im Gepäck hatte er einen Vorschlag, den Eleonora im Rahmen ihres Schreibkalendereintrags in drei Teile aufteilte: „nemblich daß Gelt zu Goßlar zu erlegen, dem jungsten Werder nach den verflosenen 3 Jahren die 14 000 Reichstaler dannach oder wenigstens ein jahr mehr zu verpensioniren und ihme sein Pretension vollig auszuzahlen […].“1024 Zumindest im ersten Punkt war man einer Meinung: „[…] in daß erstere haben wir consentiret, im übrigen aber alles belaßen wie der Vergleich und Verabredung zur Gracht mitt sich bringt.“1025 Offenbar entsprachen die beiden letztgenannten Punkte nicht den zuvor getroffenen Vereinbarungen und stellten einen letzten werdrischen Versuch dar, den Vergleich zu Gunsten des „jungen Werder“ abzuändern. Ob die teilweise Ablehnung der Grachter Partei auf Widerstand stieß, ist an dieser Stelle nicht zu klären. Advokat Rosenhan schien ohne weitere Unterredungen wieder nach Wetzlar gereist zu sein. Für Eleonora und ihre Partner war der Vergleich somit endgültig ausgehandelt, sodass sie Anfang November begann, Vorbereitungen für die Überschickung des Geldes zu treffen. Zu diesem Zweck holte sich Eleonora Rat bei Hofrat Sauer und dem Herrn von Geyer. Beide schlugen als Bankier „den elteren Herrn Menerzhagen“ vor, an dessen Kontorschreiber sie sich kurzum wandte.1026 Zudem beschaffte sie beim
1021 Ebd. 1022 Wie bereits erwähnt stellen die mit Jahreszahlen beschrifteten Rücken der Schreibkalender einen Beleg dafür dar, dass die Kalender in der Familienbibliothek bzw. im -archiv zugänglich waren. 1023 Eintrag vom 21. Oktober 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1024 Eintrag vom 23. Oktober 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1025 Ebd. 1026 Vgl. Einträge vom 3. und 4. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Dabei handelte es sich wohl um Isaac Jacob Meinertzhagen.
VIII.1 Prozess um Bisperode
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Herrn von Geyer einen ersten Teilbetrag in Höhe von insgesamt 20 000 Reichstalern. Diesen zog sie von den 23 000 Reichstalern ab, die sie bei ihm verzinst hatte.1027 In den darauffolgenden Tagen gab es viel zu tun. Fast täglich verfasste Eleonora weitere Notate, die in Zusammenhang mit dem werdrischen Vergleich standen. Diese vermitteln den Eindruck, dass die Freifrau zur Gracht die Angelegenheit bis zum Ende des Jahres 1727 abschließen wollte. Hofgerichtskommissar Sauer sollte sich um die Abwicklung des Geldtransfers kümmern. Von Eleonora erhielt er dazu eine Instruktion, die sie mit Hofrat Sauer, Geheimrat Lapp und ihrem Schwiegersohn aufgesetzt hatte.1028 Neben dieser Anweisung wurde auch ein Inventar aller relevanten Dokumente erstellt, die er mit auf die Reise nach Goslar nehmen sollte.1029 Auf diese Weise konnte man nach seiner Rückkehr abgleichen, ob alle Unterlagen wieder den Weg ins Rheinland gefunden hatten. Von Köln aus reiste Kommissar Sauer über Hildesheim nach Goslar. Nach Hildesheim hatte Eleonora durch Bankier Meinertzhagen die Wechsel anweisen lassen.1030 Darüber hinaus ließ sie 1 500 Reichstaler „auff Abschlag der Gelter so ich dem Herrn von Werder auszahlen laße“ an Advokat Roßenhan schicken.1031 Einen Grund dafür hielt sie nicht im Schreibkalender fest – wahrscheinlich wurden auf diese Weise die „Anwaltskosten“ beglichen. Um überhaupt den Vergleich vollziehen zu können, den Eleonora und ihr Schwiegersohn als Vormünder für Franz Joseph ausgehandelt hatten, war ein sogenanntes „Decretum de transigendo“ notwendig. Dieses wurde am 20. November durch Herrn Jung an Eleonora geschickt, womit die letzte Hürde auf dem Weg zu einer Einigung genommen schien.1032 Unterdessen war Hofgerichtskommissar Sauer in Hildesheim angelangt und stieß dort auf Schwierigkeiten bei der Auszahlung des Wechsels. Geplant war die Zahlung für den 26. November, aber dieser Termin schien nicht haltbar gewesen zu sein. Eleonora wandte sich daher an Meinertzhagen, der sie jedoch beruhigen konnte: „alles würde richtig bezahlt werden.“1033 Am ersten Dezember des Jahres 1727 wurde der Vergleich „mit dem Herrn von Werder und hiesiger Vormundschaft“ schließlich in Goslar unterschrieben. Die Vergleichssumme belief sich auf die im März ausgehandelten 35 000 Reichstaler.1034 Damit war der wichtigste Teil der „werdrischen Sache“ zu einem guten Ende für das Geschlecht
1027 Zunächst nahm sie 19 000 Reichstaler und nach einigen Tagen noch einmal 1 000 Reichstaler auf: Vgl. Eintrag vom 7. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1028 Vgl. Eintrag vom 10. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1029 Vgl. Eintrag vom 11. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1030 Vgl. Eintrag vom 12. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Eintrag vom 3. November 1727, s. Anm. 1026. 1031 Eintrag vom 16. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1032 Eintrag vom 20. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1033 Vgl. Eintrag vom 23. November 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. 1034 Eintrag vom 1. Dezember 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603.
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VIII. Zähe Verhandlungen
Wolff Metternich gekommen. Die letzten beiden Einträge in der werdrischen Sache im Jahr 1727 betreffen nur noch Hofgerichtskommissar Sauer. Nachdem dieser Mitte Dezember aus Goslar zurückgekehrt war, traf sich Eleonora am letzten Tag des Jahres mit ihm, um einen Auszug aus den werdrischen Akten zu erhalten, den er offenbar in Goslar angefertigt hatte. Darüber hinaus zahlte sie ihm neben dem Geld, das er bereits für seine Reise erhalten hatte, weitere 200 Reichstaler für seine Dienste aus, „damitt er vor alles zufrieden“.1035 Nach dem Jahreswechsel spielte der werdrische Vergleich weiterhin eine Rolle in den Einträgen der Grachter Witwe. Für ihren andauernden Einsatz erhielten die Herren Sauer und Lapp noch einmal einen Bonus. Für Sauer hatte Eleonora dabei mehr als die schließlich ausgezahlten 80 Pistolen vorgesehen – er wollte aber keine höhere Summe annehmen, da er in seiner Rolle „als vormundschaftlicher Consulent“ ohnehin eine Besoldung von 100 Reichstalern erhielt. Aus diesem Grund machte Eleonora seiner Frau „ein Present von Galanten von Hundert Reichstalern ungefehr“, um ihn auf diesem Weg schadlos zu halten.1036 Geheimrat Lapp erhielt 60 Pistolen, da er „viele Mühe und etliche Reißen nach Wezlar gethan, davon ich [Eleonora] ihm kein Dieten bezahlt.“1037 Auch die Kammergerichtsassessoren in Wetzlar erhielten ihre im Rahmen des Vergleiches beschlossene Besoldung: Sowohl Assessor Cramer, Assessor Oppel als auch Assessor Sonborn, der bis zu diesem Zeitpunkt keine Erwähnung gefunden hatte, erhielten jeweils 100 Dukaten.1038 Damit war allen am Vergleich beteiligten Beratern bzw. Juristen ihr Einsatz vergütet worden. Eleonoras nächster Vermerk betraf die durch den Vergleich eingetretende Änderung von Besitzverhältnissen. Ende März 1728 ging es um die Belehnung mit den neu erworbenen Gütern. Prokurator Reck erhielt durch den Amtmann von Bisperode alle erforderlichen Unterlagen und sollte sich in Hannover um die Belehnung „derjenige Lehen so wir durch den werdrischen Vergleich aquiriret“ bemühen.1039 Weitere Akten trafen einen Monat später „in einer verschlosener Kist“ bei Eleonora in Bonn ein.1040 Überbracht wurden sie durch einen Prokurator Jansen und waren vorher durch Assessor Cramer in Wetzlar verwahrt worden. Cramer erklärte Eleonora, die Jansen wohl noch nicht kannte, diesen Schritt in einem Brief:
1035 1036 1037 1038 1039 1040
Vgl. Einträge vom 16. und 31. Dezember 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 17. Januar 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 19. Januar 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 27. Januar 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 23. März 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 26. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604.
VIII.2 Die we(h)rdrische Sache weitet sich aus
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[…] indeme der Herr Jansen auß Collen, umb sich bey Ewer Excellence recommendirt zu machen, die Werdrische Brieffschaften gern mittnehmen wollen, und ich sonsten keine Gelegenheit darzu finden konnen, so hab ihm selbige mittgegeben […].1041
Nach Abschluss des Vergleichs mussten die betreffenden Akten nun an die Grachter Partei gegeben werden.1042 Eleonoras Sekretär Vaessen oblag es, die „werdrische Brieff […] zu inventerissiren [!], so sehr weit läuffig seind.“1043 Dieser Eintrag vom 7. Mai klingt nach einem Abschluss des Verfahrens und in den folgenden Monaten sind auch keine weiteren Notizen zum werdrischen Vergleich angefertigt worden. VIII.2 Die we(h)rdrische Sache weitet sich aus Zu Beginn des Septembers 1727 trat ein neuer Akteur im Rahmen der werdrischen Sache auf den Plan. Eleonora erhielt eine Nachricht von einem Herrn Metternich von Wehrden. Dabei handelte es sich um Franz Wilhelm Wolff Metternich, der ihr durch seinen Sekretär ein „Memoriale“ übermitteln ließ, durch welches er für „seine new geheyrahte Fraw 1 500 Reichstaler vor ihr Prebendengelt und 500 Reichstaler Wittumb auff deß Bischoff Hermann Werner Fidecomisse und Lehengütter zu consentiren.“1044 Er gehörte der westfälischen Nebenlinie der Wolff Metternich an, die durch Johann Adolfs II. Bruder Hieronymus Leopold begründet worden war. Möglich geworden war dies durch das Testament ihres Onkels Hermann Werner, des Fürstbischofs von Paderborn. Hermann Werner hatte 1696 einen Fideikomiss eingerichtet und seinem Neffen u. a. die Güter Wehrden und Amelunxen vererbt.1045 Schloss Bisperode hatte zwar auch zu seinem Besitz gehört – er hatte das Schloss im 17. Jahrhundert errichten lassen – allerdings hatte er die übrigen Güter nicht erworben, sondern von seinem Vater geerbt, weshalb sie im Besitz der Grachter Stammlinie blieben.1046 Franz Wilhelm hatte am 31. August Sophia Brigitta von der Asseburg zu Hinneburg (gest. 1770) geheiratet und scheint noch am Hochzeitstag für die Abfassung des entsprechenden Schreibens Sorge getragen zu haben.1047
1041 1042 1043 1044 1045
Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 24. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 26. April 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 7. Mai 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 2. September 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Vgl. Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 298), S. 164. Außerdem Ernst Kunsemüller, Historische Studien zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, Münster 1909, S. 44 f., online unter: https://archive.org/details/historischestudi00kuns (24.11.2019). 1046 Vgl. Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 298), S. 164, Anm. 356. 1047 Siehe zum Hochzeitsdatum und den Eheleuten: Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 725.
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VIII. Zähe Verhandlungen
Bis auf die Namensähnlichkeit weist der Eintrag zunächst keine direkte Verbindung zum werdrischen Fall auf – dies sollte sich allerdings im Lauf der Zeit ändern. Zunächst leitete Eleonora das Schreiben, wie es die Regel in juristischen bzw. finanziellen Dingen war, ohne Umschweife an Assessor Cramer und Hofrat Sauer weiter. Zudem zog sie auch Geheimrat Kersting zu Rate, damit ihre Berater ihr mitteilen könnten, „waß ich zu andwortten [hätte].“1048 Weitere Einträge über den Verlauf der Angelegenheit blieben vorerst aus. Anfang September 1728 erhielt Eleonora ein Schreiben aus Wetzlar: Der Herr von Metternich zu Wehrden trat erneut in Erscheinung und forderte eine Kopie des werdrischen Vergleichs an, „bevor er […] die Vollmacht zur Investitur nach Hanover […] herausgebe.“1049 Inhalt seiner Forderung waren zwei Lehen, das „zellische und calesbergische“, die beide Gegenstand des Vergleichs waren.1050 Auch in diesem Fall konsultierte Eleonora ihren Schwiegersohn und Herrn Sauer, um eine Antwort an ihren Verwandten vorzubereiten.1051 Ende des Monats wurde eine beglaubigte Abschrift des Vergleichs nach Wetzlar geschickt, auf deren Wirkung man sich aber nicht ausschließlich verlassen wollte. Assessor Cramer sollte den Vergleich persönlich überbringen, um vor Ort weitere Informationen liefern zu können. Man traute dem Herrn von Metternich nicht, da er „ein mißtrawischer wunderlicher Mensch“ sei.1052 Diese Befürchtung sollte sich bestätigen: Bereits am ersten Oktober traf ein Brief des Herrn von Metternich ein, in dem er mitteilte, dass er mit dem Inhalt des Vergleichs nicht einverstanden war. Wie Eleonora im Kalender vermerkt, sollten die von Werder die Lehen zurückerhalten, sofern sie im Falle des Todes Franz Josephs die gezahlten Gelder an seine Schwestern zurückzahlen würden. Aufgrund dieser Klausel wollte er „die Vollmacht wegen der Lehen“ nicht unterschreiben.1053 Gleichzeitig forderte er die Übersendung eines anderen Vergleichs, der zwischen Johann Adolf II. und seinem Vater geschlossen worden war. Gegenstand dieses Vergleichs waren 16 000 Reichstaler, die „aus des Bischoff Hermann Werner Testament herüren.“1054 Diesem Wunsch kam Eleonora am 7. Oktober nach.1055
1048 1049 1050 1051 1052
Eintrag vom 2. September 1727, in: ASG, Akten, Nr. 603. Eintrag vom 4. September 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 7. September 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 23. September 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Ein ähnlicher Eintrag befindet sich unter dem 26. September. Dieser endet jedoch mitten im Satz – wohl nachdem Eleonora bemerkt hatte, dass sie sich wiederum im Datum geirrt hatte. 1053 Eintrag vom 1. November [1. Oktober] 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Den Eintrag hatte Eleonora fälschlicherweise zunächst unter dem Datum des 1. Novembers vorgenommen. Vgl. Eintrag vom 1. Oktober 1728: „Nota Bene hir muß stehen wegen deß Herrn von Metternich von Werden waß den 1. Novembre ahngeschrieben steht.“, in: ASG, Akten, Nr. 604. 1054 Vgl. Eintrag vom 1. November [1. Oktober] 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. 1055 Auch in diesem Fall erfolgt der Eintrag unter dem falschen Datum, wie Eleonora selbst vermerkt: Eintrag vom 7. November 1728: „heitt dem Herr von Metternich von Werden den Vergleich zuge-
VIII.2 Die we(h)rdrische Sache weitet sich aus
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Doch auch in diesem Fall war der Herr Metternich von Wehrden nicht einverstanden: Mitte Oktober schickte er ein neuerliches Schreiben an Eleonora, in dem er zwar den Empfang des Vergleichs bestätigte, „weil aber die Copey nicht vidimiret konte er solcher kein Glauben zu stellen“ und bat deswegen um erneute Übersendung in „formam autenticam“.1056 Der Briefwechsel scheint die zuvor vermerkte Charakterbeschreibung durch Eleonora zu bestätigen. Sie fügte sich jedoch der Bitte und sandte ein Vidimus nach Wetzlar.1057 Während sie auf Antwort aus Wetzlar wartete, trieb sie den Fortschritt des eigentlichen Vergleichs weiter voran: Prokurator Reck erhielt in Hannover alle benötigten Unterlagen zur Belehnung der behandelten Güter.1058 Darüber hinaus verfasste Eleonora ein Schreiben an Landgraf Karl von Hessen-Kassel (1654–1730) wegen weiterer Lehen, „derwegen ich mich seiht deß werdrischen Vergleich schon etlich mahl ahngemeld“, aber noch keine Antwort erhalten hatte.1059 Sie schätzte sie zwar von geringerem Wert und Nutzen ein als andere in ihrem Besitz befindliche Güter, aber „dennoch musen sie nit versaumbt werden.“1060 Der Rest des Jahres 1728 brachte keine Neuigkeiten zum werdrischen Vergleich hervor. Lediglich Advokat Rosenhan wird zum Ende des Novembers noch einmal erwähnt. Eleonora ließ ihm durch Jung 75 Reichstaler Pension in Wetzlar übergeben.1061 Rosenhan war es auch, der sich zu Beginn des Jahres 1729 wegen einer noch ausstehenden Information bei Eleonora meldete. Das Gesuch auf Prozessverzicht an den Kurfürsten vom August 1727 hatte offenbar Erfolg gehabt, auch wenn Eleonora es vorher nicht explizit erwähnt hatte. Rosenhan bat nun nämlich darum, das entsprechende Dekret des Kurfürsten mit dem Befehl des Verzichts an die Hildesheimer Regierung beizulegen.1062 Ein nächster Schritt Bestand Ende Februar darin an Herrn von Mohr nach Hannover zu schreiben. Auch in diesem Fall ging es um neue Lehengüter, die durch den Vergleich an die Wolff Metternichs zur Gracht übertragen werden sollten. Dort war es wohl durch den Wechsel des Lehensherrn in Gestalt des Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg, des englischen Königs Georg II., der seit 1727 seinem Vater als Kurfürst gefolgt war, noch nicht zu einer formellen Ausstellung des Lehenbriefs gekommen.1063
1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062 1063
schickt zwischen seinem Vatter und meinem Herrn seelig wegen der aus deß Bischoffs Hermann Werner Testament der 16 000 Reichstaler. Note [!] Bene dieses ist nicht der 7te Novembre sondern der 7 Oktobre alß verschrieben und gehort in die Anotation von Oktobre.“, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 16. Oktober 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 21. Oktober 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 26. Oktober 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 6. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Eintrag vom 5. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 25. November 1728, in: ASG, Akten, Nr. 604. Vgl. Eintrag vom 9. Januar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 22. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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Danach erhielt Eleonora ein Vidimus des Prozessverzichts durch die hildesheimische Regierung, das die werdrische Seite gefordert hatte.1064 Dieses Dokument leitete Eleonora offenbar an Dr. Jung nach Wetzlar weiter, wie einem Brief des Assessor Cramer von Ende April zu entnehmen ist. Allerdings wies Cramer darauf hin, dass es „ist gar nicht dasjenige, waß verlangt worden […].“1065 Cramer hatte deshalb die Initiative ergriffen, „Jung bedeutet, daß es biß zu weiteren Verordnung nicht ubergeben mögte, weilen dadurch die Sach noch länger konnte auffgehalten werden […]“ und Rosenhan darüber aufgeklärt, „daß dasjenige, waß er verlangt, gar nicht notig seye […].“1066 Cramer hatte sich wieder einmal als wichtigster Ratgeber der Wolff Metternichs erwiesen, der zudem den umfassendsten Überblick über die erforderlichen Schritte in Prozessangelegenheiten hatte. Zwei Monate später war offenbar eine Nachricht aus Hannover eingetroffen. Eleonora beriet sich erneut mit Hofrat Sauer.1067 Kurz darauf trat Prokurator Reck wieder in Aktion.1068 Wichtigster Berater blieb aber Assessor Cramer. Dabei genügte Eleonora die regelmäßige Korrespondenz nicht, sondern sie war immer auch auf persönlichen Austausch bedacht. In seinem Brief vom 28. April hatte Cramer ihr mitgeteilt, dass er im Rahmen einer Wasserkur nach Koblenz kommen würde, aber „die Zeit zu kurtz fallen [dürfte] auff Collen zu kommen.“1069 Daraufhin traf man sich kurzerhand in Unkel – die Reise dorthin vermerkte Eleonora unter dem 16. Mai1070 und auch Cramer verweist in einem weiteren von ihm überlieferten Schreiben auf das Treffen.1071 Bis eine erneute Reaktion aus Hannover eintraf, vergingen wiederum fast zwei Monate. Die dortige Lehnskammer verlangte eine vidimirte Abschrift der „Mittbelehnten“ aus dem Lehnsbrief.1072 Einen Monat später konnte Eleonora „den Extract auß dem Hildesheimischen Lehenbrieff, worinn die Mittbelehnte benent seint und dieser Extract von den Hoffraht zu Bonn videmirt nach Hanover ahn den Procurator Reck“ schicken.1073 In der Zwischenzeit hatte sich auch der Aussteller besagten Lehnbriefs – die Regierung des Stifts Hildesheim – an die Vormundschaft Franz Josephs gewandt. Dort hatte der Herr von Metternich zu Wehrden Klage eingereicht, um die bereits erwähnten 16 000 Reichstaler aus dem Testament des Hermann Werner einzufordern. Wie zuvor verwies Eleonora wieder auf den Vergleich, den ihr verstorbener Mann mit seinem Bruder, dem Vater des Herrn von Wehrden, geschlossen und den sie bereits nach Wehr-
1064 1065 1066 1067 1068 1069 1070 1071 1072 1073
Vgl. Eintrag vom 26. Februar 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 28. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 727. Ebd. Vgl. Eintrag vom 29. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 3. Mai 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 28. April 1729, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. Eintrag vom 16. Mai 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 17. Juli 1729, in: ASG, Akten, Nr. 727. Eintrag vom 25. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 19. Juli 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605.
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den geschickt hatte. Um ihre Position – zumindest im Schreibkalender – zu stärken, erläuterte sie an dieser Stelle, dass besagter Vergleich auch durch Franz Arnold Wolff Metternich zur Gracht – einen weiteren Bruder ihres Mannes und zudem Nachfolger des Hermann Werner als Fürstbischof von Paderborn – bestätigt worden war.1074 Das Hildesheimer Dekret leitete sie an Hofrat Sauer weiter, der eine Antwort aufsetzte, die am 12. Juli nach Hildesheim abging.1075 Eleonoras explizite Erwähnung des Fürstbischofs von Paderborn im Kalender lässt darauf schließen, dass dieser auch im Schreiben von Hofrat Sauer als Gewährsmann benannt wird. Aus den Verhandlungen mit der Wehrder Linie waren zu diesem Zeitpunkt zwei Prozesse – einer in Hildesheim und einer in Hannover – erwachsen, die Eleonora für ihren Sohn betrieb. Die Grachter Eingabe bei der Hildesheimer Regierung hatte Wirkung gezeigt: Der Herr von Wehrden wurde aufgefordert „den 19 Septembre sein Videcomis [!] bjzubringen und sich uber daßjenige was ich [Eleonora] eingeben zu erklahren.“1076 Am 29. September trafen neue Informationen auf der Gracht ein.1077 Von Wehrden hatte angegeben, „daß er nicht erb von seinem Vatter seje“, sondern Erbe des Fürstbischofs.1078 Somit traf der zwischen Johann Adolf und seinem Vater geschlossene Vergleich nicht auf ihn zu. Zum Ende des Jahres erhielt Eleonora in Köln noch einmal ein Schreiben der Hildesheimer Regierung mit allen Unterlagen gegen den Herrn von Wehrden.1079 Zudem wandte sich Adovkat Rosenhan wegen seiner Pension an Eleonora. Diese sollte er ebenso wie der Herr von Werder erhalten – einen Vorschuss, den Rosenhan für den Herrn von Werder offenbar verlangte, war sie aber nicht bereit zu zahlen.1080 Abschließend beauftragte sie Vaessen mit der Ausstellung einer Vollmacht, die nach Rinteln geschickt werden sollte, damit der dort anwesende Herr Klopper an ihrer Stelle belehnt werden könne und beantwortete das Schreiben der Hildesheimer Regierung vom Anfang des Novembers.1081 Wenige Monate später rückte ein weiteres Verfahren für kurze Zeit in den Fokus. Aus Mainz hatte Eleonora Angang Februar 1730 die Nachricht erhalten, dass man die Lehen Mitte März empfangen könnte. Vorher sollte sie jedoch weitere Dokumente – eine Vollmacht aller männlichen Nachkommen sowie eine Bestimmung über den Lehensherrn – nach Mainz schicken.1082 Die männlichen Nachkommen, Agnaten, waren neben ihrem 1074 1075 1076 1077
1078 1079 1080 1081 1082
Vgl. Eintrag vom 27. Juni 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Einträge vom 30. Juni und 12. Juli 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Eintrag vom 11. August 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vorher hätte Eleonora auch keinen Eintrag zu diesem Thema vornehmen können, da sie sich seit dem 28. August auf ihrer Reise in die Niederlande befand und erst am 27. September wieder in Köln eintraf. Vgl. die entsprechenden Einträge im Schreibkalender; Schläwe, Kavalierstouren (wie Anm. 77). Eintrag vom 29. September 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 7. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 15. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 27. November 1729, in: ASG, Akten, Nr. 605. Vgl. Eintrag vom 1. Feburar 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
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Sohn, die drei Herren von Metternich zu Wehrden. Der bereits erwähnte Franz Wilhelm hatte zwei jüngere Brüder, die beide dem geistlichen Stand angehörten: August Wilhelm (1707–1764), Domherr in Münster, und Carl Adrian (gest. 1755).1083 Am 4. Februar hatte Eleonora „ahn die 3 Metternich von Werden geschrieben und die Vollmacht wegen der Mainzer Lehen begehrt.“1084 „[…] die Vollmacht von den 2 jüngeren Brüdern von Metternich zu Werden“ traf Ende Februar bei Eleonora ein und sollte nach Mainz geschickt werden.1085 Trotzdem konnten die Unterlagen nicht rechtzeitig dorthin gelangen. Wieder einmal schien sich der „schwierige Charakter“ des ältesten Herrn von Wehrden zu bestätigen. Seine Vollmacht war noch nicht eingetroffen. Daher verband Eleonora mit der Abschickung der beiden vorhandenen Befugnisse „zugleich umb ein 6 wochiges Außstand zu begehren.“1086 An eine Belehnung Mitte März war nicht mehr zu denken. Erst Mitte April waren die übrigen Unterlagen inklusive der Vollmacht des ältesten Wehrdens vollständig vorhanden und konnten nach Mainz geschickt werden.1087 Damit schien zumindest diese Angelegenheit abgeschlossen. Lediglich am 15. November 1732 berichtete Eleonora von einer nach Hildesheim abgeschickten „Schrifft […] contra Metternich von Werden“, die sich wohl nur auf den Prozess bzw. die Beanstandung des Älteren von Wehrden bezog und auf die lange Zeit keinerlei Reaktion erfolgte.1088 Drei Jahre später hatte sich dann auch dieser Fall erledigt: „[…] weil er [Metternich von Wehrden] in 2 Jahren nicht gehandelt ihm daß Stillschweigen aufferlegt und daß Haus Gracht von aller Anspruch absolvirt wird.“1089 In der werdrischen Sache gab es vorerst keine Neuigkeiten, ebenso erhielt Eleonora auch keine weiteren Nachrichten der Wehrdener Nebenlinie wegen des Testaments Hermann Werners. Allerdings vermerkte sie Anfang Mai 1730 ein Ereignis, das nicht nur für diese beiden Angelegenheiten von Bedeutung war. Hofrat Sauer, „welcher vormundschaftlicher consulens und ein groser Freund von dem Haus Gracht wahr“, war gestorben, „dardurch mir in meinem Wittibstand und meinem [Sohn] by seiner Großjährigkeit ein gutter Raht und Freund abgeht.“1090 Bemerkenswert ist an dieser Stelle u. a. der Unterschied zum Eintrag, der den Tod des Advokaten Effelsberg festhielt. Hatte sie bei letzterem nur nüchtern seinen Tod festgestellt und zudem auf die Schulden, die er hinterlassen hatte, verwiesen, war sie in Bezug auf das Lebensende des Hofrats Sauer deutlich emotionaler. Auch Cramer erfuhr in Wetzlar vom Tod des „guten Herrn Sauer“. Eleonora hatte bei ihm Rat gesucht, da die Aufgaben des Verstorbenen weiter ausgeführt werden mussten. Cramer pflichtete ihr bei, „daß 1083 1084 1085 1086 1087 1088 1089 1090
Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 724. Eintrag vom 4. Februar 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Eintrag vom 26. Februar 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Ebd. Vgl. Eintrag vom 16. April 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Eintrag vom 15. November 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 3. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 4. Mai 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
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sie dermahlen mitt Annehmung eines salaryrten Consulenten sich nicht zu übereilen [hätte], indeßen aber andere Advocat gebrauchen und jeden seine Arbeit bezahlen [sollte].“1091 Einen neuen, mit Sauer vergleichbaren, Berater zu finden, würde Zeit in Anspruch nehmen, die aufgrund der vielen laufenden Verfahren nicht zur Verfügung stand. Zudem hatte Eleonora in einem Brief an Hofmeister Knoest als Begründung das Abwarten der Großjährigkeit Franz Josephs angegeben, „derhalben ich auch nach deß Herrn Sauer seinem Tod keinen anderen consulenten ahngenommen […].“1092 Die Aufgaben von Hofrat Sauer übernahm Geheimrat Lapp. Vermutlich ab Mitte des Jahres kümmerte er sich um die werdrische Angelegenheit. Advokat Rosenhan hatte in Wetzlar mit Cramer darüber geredet, „daß mit denen werdrischen Creditoren noch kein Vergleich zu treffen seye“, sah aber die Möglichkeit, wenn Eleonora „noch ein Stuckgeld theten zuschießen, so mögte der Vergleich zum Stand kommen […].“1093 Cramer sah darin jedoch keinen Sinn und wollte noch einmal mit seinem Kollegen Oppel darüber reden.1094 In der Zwischenzeit hatte Rosenhan Eleonora um ein weiteres Jahr Aufschub beim Inkrafttreten des Vergleichs gebeten. Sie sollte nicht nur seinem Schützling weiterhin „die Pension der 14 000 Reichstaler zahlen“, sondern auch ihm selbst 1 500 Reichstaler – „nicht aus Schuldig- sondern Barmherzigkeit“.1095 Allein wollte sie jedoch nicht über diese Bitte entscheiden – sie leitete die Schreiben zunächst an ihren Schwiegersohn weiter. Nach Beratungen, zu denen auch Lapp hinzugezogen wurde, entschloss man sich in Anbetracht des „schlecht[en] Zustands“ des jungen Herrn von Werder die 14 000 Reichstaler für ein weiteres halbes Jahr auf 3 Prozent zu „verpensioniren“.1096 Innerhalb dieser sechs Monate sollte er sich mit den Gläubigern seines Vaters einig werden und vorher würde man auch dem Herrn Rosenhan kein Geld auszahlen.1097 Im September brachte Cramer einen erneuten Versuch der werdrischen Partei vor, um eine höhere Summe von Eleonora zu erhalten. Der Brief, der auf den 18. September datiert, befasste sich ausschließlich damit „diejenige raisons vorzubringen, warumb der Herr Assessor von Oppel [der Meinung war], daß Ewer Excellence [Eleonora] solches ohne Gefahr thuen konten […].“1098 Sowohl Assessor von Oppel als auch der Herr von Werder waren bei Cramer gewesen und hatten ihn gebeten „mein weniges Vorworth einzulegen“, was er nicht habe ausschlagen können.1099 Als Gründe für eine Auszahlung „etlicher taußent Reichstaler“ führte er an, dass die Güter, die zur Sicher1091 1092 1093 1094 1095 1096 1097 1098 1099
Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. Mai 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Eleonora an Hofmeister Sixtus Knoest, Schloss Gracht, 27. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 544. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Vgl. ebd. Eintrag vom 30. Juni 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Eintrag vom 20. Juli 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Ebd. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 18. September 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Ebd.
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heit dienen sollten, Lehengüter waren und die Gläubiger auf diese nicht zurückgreifen könnten. Darüber hinaus sei „der Vergleich nun langstens bekannt geweßen“, ohne dass die Gläubiger sich deswegen direkt an Eleonora gewandt hätten und zudem „seye eß Ewrer Excellenz glorieus, daß sie diesem jungen Cavalier mitt Außhanddigung vier biß funff taußent Reichstaler seine Fortune zu beförderen gestalten seine gantze zeitliche Wohlfahrt von Gehabung dieser Summe dependiren thete […].“1100 Wenn nötig, könnte Eleonora den jungen Herrn „einen leiblichen Ayde außschwehren [!] und sich unter personal arrest verbinden laßen.“ Das restliche Geld sollte „gegen 4 pro cento“ verzinst werden.1101 Die Forderungen lagen somit weit über dem, was Eleonora zu geben bereit war. Cramer überließ es ihr und „dero consulenten hochvernunfftig Ermeßen ob durch diese Raisons sie sich wollen bewegen laßen […]“1102, wodurch er seine Ansicht zwischen den Zeilen kundtat. Besonders deutlich tat er das noch einmal einen Monat später. Er kündigte Eleonora an, „daß der junger Herr von Werder auff der Reyße seye“, um persönlich das Geld „zu erbitten oder zu erbettelen[…].“1103 Auch in diesem Fall hatte Assessor von Oppel Cramer soweit gebracht, ein Empfehlungsschreiben zu verfassen, er „verlange aber nicht daß Ewer Excellence reflection darauff machen, dan […]“ – und hier gibt er unverblümt seine Einschätzung des Werder wieder – „der Mensch sehet mir nicht darnach auß, daß ich glaube, daß er sonderliche Fortune in der Welt machen werde.“1104 Vier Tage nach der Ausstellung des Briefes kam Heinrich Emanuel von Werder in Köln an und forderte 4 000 Reichstaler von Eleonora. Darauf ging sie nicht ein, machte ihm aber ein weiteres Zugeständnis, indem sie versprach, die 14 000 Reichstaler nun doch für ein ganzes Jahr zu verpensionieren, „welches ich ihme nicht mehr schuldig wehre […].“1105 Ihr Schwiegersohn und Assessor Cramer hatten diesem Vorgehen zugestimmt.1106 Um den Verhandlungen ein Ende zu bereiten, ließ sie ihm „700 Reichstaler Pension“ am folgenden Tag auszahlen – nicht ohne im Kalender zu vermerken, dass dies „auf Freundschafft und zum lezten Mahl“ geschehen sei.1107 Ende des Jahres griffen neuerliche Gläubiger des Herrn von Werder ins Geschehen ein. Durch den Kanzleiboten erhielt Eleonora ein Dekret des Kurfürsten, das bestimmte, „die 14 000 Reichstaler so dem jungsten Herrn von Werden wegen seiner vätterlichen Schulden ahn dem Vergleichsquantum zu unserer Sicherheit einbehalten nichts außzuzuahlen biß auff weittere churfürstliche Verordnung […].“1108 Eine Fami1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106 1107 1108
Ebd. Ebd. Ebd. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 19. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Ebd. Eintrag vom 23. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Vgl. ebd. Eintrag vom 24. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Eintrag vom 7. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606.
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lie Kampfer hatte „eine alte Schult an die noch gesambte Werdern zu forderen.“1109 Da Eleonora dieses Dekret offenbar nicht einzuordnen vermochte und nicht wusste, wie sie darauf zu reagieren hatte, schickte sie es nach Wetzlar, um Rat bei Assessor Cramer einzuholen.1110 Dieser konnte nicht direkt darauf antworten, da er zunächst die Rückkehr des von Werder abwartete. Tatsächlich konnte letzterer aber keine Auskunft geben. Er „suspendire dahero auch noch meine [seine] Gedancken, biß von Herrn Rosenhan Antwort einkombt, weilen mir [ihm] die Vergleichspuncte eben so genaw nicht mehr beywohnen […].“1111 Allerdings glaubte er nicht, dass Eleonora für „die kämpferische Forderung“ verantwortlich wäre bzw. sie für Eleonora Schwierigkeiten bereithalten könnte.1112 Eleonora fasste Cramers Antwort im Kalender zehn Tage später zusammen.1113 In der Zwischenzeit hatte es auch beim Prozess gegen Metternich von Wehrden wieder Aktivitäten gegeben. Wie Eleonora selbst bemerkte, hatte dieser „Jahr und Tag still gelegen, jetzt fangt er wieder ahn sich zu bewegen“.1114 Es blieb jedoch vorerst dabei, dass Advokat Hamm – wohl als Nachfolger des Verstorbenen – die für den Prozess relevanten Akten erhielt.1115 Im Februar des folgenden Jahres wurde dann ein Prozessbericht an Ferdinand von Plettenberg geschickt. Dieser sollte Einfluss auf die Hildesheimer Regierung nehmen, sodass sie zugunsten von Eleonora bzw. der Grachter Partei entscheiden möge.1116 Im Jahresverlauf traf „das Urtheil gegen den Metternich von Werden“ bei Eleonora ein, ohne jedoch im Schreibkalender näher erläutert zu werden.1117 Beendet war der Fall damit aber noch nicht: Im September wurde eine „Schrift gegen den Metternich von Werden nach Hildesheim geschickt“1118, womit der Fall erneut ruhte. Der erste werdrische Fall beschäftigte Eleonora allerdings weiterhin. Der junge Herr von Werder gab sich nicht mit den von Eleonora gemachten Zugeständnissen zufrieden, vermutlich ließ ihm seine finanzielle Situation aber auch keine andere Wahl: Im April 1731 erreichte ein Schreiben aus Wetzlar Schloss Gracht. Darin forderte der Kammerrichter im Auftrag Heinrich Emanuels nun eine Auszahlung der 14 000 Reichstaler. Dem Schreiben war „ein facti species von dem Herrn von Werder bjlegt warumm solches ohne Gefahr geschehn kann.“1119 Dem entgegen standen aber das kurfürstliche Dekret des Vorjahres sowie Eleonoras Forderung nach Einigung 1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116 1117
Ebd. Vgl. Eintrag vom 8. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Kammergerichtsassessor Cramer an Eleonora, Wetzlar, 16. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 727. Ebd. Vgl. Eintrag vom 26. November 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Eintrag vom 29. Oktober 1730, in: ASG, Akten, Nr. 606. Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 20. Februar 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Der entsprechende Eintrag vom 7. Juni 1731 bricht mitten im Satz ab: „Heutt von Hildeßheim daß Urtheil gegen den Metternich von Werden bekommen, daß er sich.“, in: ASG, Akten, Nr. 607. 1118 Eintrag vom 22. September 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. 1119 Eintrag vom 7. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607.
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mit den werdrischen Gläubigern. Daher konnte man nur eine abschlägige Antwort nach Wetzlar schicken, in der Eleonora dem Richter erläuterte, „warumb ich den von Werda [!] die 14 000 Reichstaler nicht außzahlen kann.“1120 Doch die Gegenseite gab nicht auf – der junge Herr von Werder brauchte offenbar dringend Geld. Im Februar des Jahres 1732 erreichten Eleonora nahezu täglich Briefe, anhand derer erneut um finanzielle Mittel gebeten wurde. Den Auftakt zu dieser Korrespondenzflut bildete ein Besuch Advokat Rosenhans Ende Januar auf der Gracht. Eindringlich bemühte er sich um 2 000 Reichstaler, die Eleonora ihm jedoch nicht zugestehen konnte. Wie zuvor verwies sie darauf, dass man die 14 000 Reichstaler zur Sicherheit einbehalten hatte und sich daran auch nichts ändern würde, solange der Herr von Werder sich nicht mit den Gläubigern geeinigt habe.1121 Tags darauf kam der erste diesbezügliche Brief des Herrn von Werder an. Als Eleonora zwei Tage später nach Bonn reiste, fand sie auch dort ein Schreiben gleichen Inhalts vor.1122 Beantwortet wird sie diese nicht haben, da sie Advokat Rosenhan ihre Antwort bereits mündlich gegeben hatte. Drei Tage später traf erneut ein Brief in Bonn ein – diesmal per Express1123 – und nur weitere zwei Tage darauf erreichte sie ein Brief in Köln, „in welchem er mir 1 Proiet von Wechßel Brieff bylegt, den ich auff Monat unterschreiben mögte und er mir solches Gelt alß dann wiedergeben wollte, […].“1124 Beide Schreiben beantwortete sie mit einer Absage.1125 Unterdessen hatte sie auch die Herren von Bornheim und Lapp ob dieser Bittgesuche zu Rate gezogen. Gemeinsam entschied man, Heinrich Emanuel von Werder noch einmal deutlich zu machen, dass kein Geld von Grachter Seite fließen werde: „[…] er mogte die wenige Zeit biß zu meines Sohns Grosjahrigkeit in Gedult stehen, dan die Vormundschafft nicht verandwortten könnte, von dem, was im Vergleich und recessen enthalten, abzugehen.“1126 Damit hofften sie weiteren Bittschreiben entgegen gewirkt zu haben. Gleichzeitig macht es den Eindruck, als wollten sich die Vormünder nicht länger mit dem Fall beschäftigen und die Verantwortung auf Franz Joseph übertragen. Die Absagen aus dem Rheinland zeigten jedoch keine Wirkung: Die folgenden fünf Einträge im Kalender, die sich über einen Zeitraum von zwei Wochen erstrecken, handeln ausschließlich von Eilbriefen des Herrn von Werder, die er entweder nach Bonn oder Köln schickte, vermutlich um sicher zu gehen, dass die Briefe Eleonora an all ihren möglichen Aufenthaltsorten zeitnah erreichten.1127 Nachdem die ersten beiden Anfragen wieder umsonst gewesen waren, scheint er beim dritten Mal den Betrag verringert zu haben. Er forderte „nur […] 350 Reichstaler“, die ihm aber auch verwehrt 1120 1121 1122 1123 1124 1125 1126 1127
Eintrag vom 15. April 1731, in: ASG, Akten, Nr. 607. Eintrag vom 27. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Einträge vom 28. und 30. Januar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Eintrag vom 2. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 4. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Einträge vom 2. und 4. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 7. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Vgl. Einträge vom 8. und 12. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608.
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blieben.1128 Am 19. Februar schließlich forderte er nicht explizit einen Geldbetrag, sondern verlangte ein „Atestatum“ über den Vergleich, das er seinem Schwiegervater vorlegen wollte, der nun offenbar auch in die Angelegenheit involviert war.1129 Auch in diesem Fall war Eleonora nicht verhandlungsbereit – „der aditional recesse und die obligation der 14 000 Reichstaler so er in Handen hätte wehre attestat genug so er sein Schwiegervatter vorzeigen konte.“1130 Später am Tag scheint die Grachter Vormundschaft dann doch ein Nachsehen mit dem jungen Herrn gehabt zu haben: Man wies ihm 300 Reichstaler an.1131 Dies nahm Heinrich Emanuel dankend an, bat aber gleichzeitig um weiteres Geld, für das er einen Wechselentwurf mitsandte. Eleonora hatte nun genug von den penetranten Anfragen des Herrn von Werder: „mitt Ungedult“ beantwortete sie sein Gesuch und war nicht gewillt, ihm mehr als die 300 Reichstaler zu übermitteln.1132 Auch ein letzter Brief „mitt newem Vorschlag umb Gelt zu geben“ blieb ohne Erfolg.1133 Für ein gutes halbes Jahr sollte Ruhe einkehren: Zeit, die die werdrische Seite offenbar nutzte, um eine neue Strategie zu entwickeln, Eleonora zur vorzeitigen Zahlung der 14 000 Reichstaler zu bewegen. Cramer konnte im Mai aus Wetzlar vermelden, „daß der Herr ältere Herr von Werder ohne Kinder gestorben“ und der junge Herr sein Erbe war, aufgrund der Leibzucht der Witwe des Verstorbenen aber das Erbe noch nicht antreten konnte.1134 Wie Cramer richtig voraussagte: „[…] er wird sich mitt der Zeit wohl weiter melden […].“1135 Zunächst war es aber Adovkat Rosenhan, der im Auftrag des Herrn von Werder, einen Vorstoß zur Auszahlung des Betrages wagte: Er regte an, „daß ganze Capital der 14 000 Reichstaler gegen Caution von seinem Schwiegervatter auf seiner Frawen Gutter außzuzahlen.“1136 Assessor Cramer machte den Vorschlag „dem Herrn von Werdern auff das Capital 2 000 Reichstaler gegen Caution auff seiner Frawen Gutter außzuzahlen […].“1137 Die dann noch ausstehenden 12 000 Reichstaler sollten zu drei oder vier Prozent verzinst werden. Eleonora wollte dies aber nicht allein bestimmen und bat Cramer auch ihren Schwiegersohn darüber zu informieren.1138 Anfang des Jahres 1733 war eine Entscheidung getroffen worden: Eleonora wandte sich an Advokat Rosenhan, um ihm mitzuteilen, dass nicht nur er die ihm zustehenden 1 500 Reichstaler erhalten sollte, „sondern auch meinem Sohn dahin disponirt dem 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135 1136 1137 1138
Eintrag vom 14. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 19. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Ebd. Da diese Notiz nicht unmittelbar an die „Attest-Sache“ anschließt, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung erst später gefallen ist. Vgl. Eintrag vom 19. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 22. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 28. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Kammergerichtsassessor Cramer an Elenora, Wetzlar, 1. Mai 1732, in: ASG, Akten, Nr. 727. Ebd. Eintrag vom 19. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Eintrag vom 24. September 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Ebd.
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VIII. Zähe Verhandlungen
Herrn von Werder ein paar taußend Reichstaler auff sein Capital zu schießen hingegen aber wie er sich erbotten seiner Frauen Gutter gerichtlich zu verschreiben.“1139 Rosenhan und Assessor Cramer sollten jeweils einen Entwurf anfertigen.1140 Bemerkenswert an diesem Eintrag ist die Formulierung „meinem Sohn“. Hatte Eleonora schon im Jahr zuvor darauf verwiesen vor der Großjährigkeit ihres Sohnes keine allzu einschneidenden Verfügungen mehr treffen zu wollen1141, so scheint er nun tatsächlich der Entscheidungsträger gewesen zu sein – freilich in Absprache mit seinen Vormündern. Eleonora leitete langsam ihren Rückzug aus den Herrschaftsgeschäften ein – Franz Joseph war Anfang Zwanzig, hatte seine Kavalierstour abgeschlossen und war nun bereit nach und nach seine Rolle als Oberhaupt der Familie wahrzunehmen. Verschiedene Eindrücke lassen sich zu den Eintragungen rund um die we(h)rdrische Sache festhalten. Neben dem Gegenstand des Prozesses erkennt man hier – wie auch im Falle von Burgau – die Abläufe, die im Hintergrund stattfanden und über die die eigentlichen Prozessakten keine Auskunft geben. Sie dokumentieren die regelmäßigen Treffen mit den juristischen Beratern, den dazugehörigen Schriftverkehr und die Schritte, die zum Vorantreiben des Verfahrens nötig waren und darüber hinaus auch wie viel Zeit diese in Anspruch nahmen. Dabei bestätigen die Einträge Anette Baumanns Aussage zur Prozessdauer vor dem Reichskammergericht: Dass sich die Wolff Metternich’schen Prozesse teilweise über Jahrzehnte streckten, lag nicht darin begründet, dass das Gericht „langsam und ineffizient arbeitete“, sondern daran, „dass die Prozessdauer oft durch die Parteien selbst beeinflusst wurde.“1142 Eleonoras Notate erwecken dabei durchgängig den Eindruck, dass der effektive metternich’sche Verwaltungsapparat stets auf eine zügige Einigung hinarbeitete. Die Prozessverzögerung lag meist in der Nichteinhaltung von Fristen der Gegenpartei begründet, wenngleich es sich dabei rein um die Sicht der Wolff Metternichs handelt. In Eleonoras Fall wird zudem noch einmal das Verhältnis zu Assessor Cramer deutlicher, der – wie von ihrem Mann gewünscht – zu ihren engsten Beratern zählte und auf dessen Meinung sie in fast allen Bereichen ihrer Vormundschaft Wert legte. Hofrat Sauer wird eine ähnliche Vertrauensposition gehabt haben. Der Eintrag zu seinem Tod
1139 Eintrag vom 11. Januar 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. 1140 Vgl. ebd. Ähnliches schrieb auch Cramer im letzten Brief, der von ihm zur werdrischen Sache überliefert ist. Da der Entwurf „einiges Nachdencken und Einsehung der Bucher [erforderte]“, er aber stark eingebunden sei, verwies er zunächst auf den Entwurf Rosenhans und würde seinen später nachliefern. Kammergerichtsassessor Cramer an Elenora, Wetzlar, 18. Januar 1733, in: ASG, Akten, Nr. 727. 1141 Vgl. Eintrag vom 7. Februar 1732, in: ASG, Akten, Nr. 608. Siehe auch Anm. 1127. 1142 Anette Baumann, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zum 17. und 18. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 36), Köln/Weimar/Wien 2001, S. 106.
VIII.2 Die we(h)rdrische Sache weitet sich aus
179
und die Beileidsbekundungen, die Eleonora dazu u. a. von Cramer erhielt, sprechen eine deutliche Sprache. Auch Eleonoras Schreibverhalten lässt sich in diesem Zusammenhang besser erkennen. Die erwähnten Streichungen, die sie vorgenommen hat, belegen, dass für sie „nicht nur die Regelmäßigkeit, sondern auch die Richtigkeit der Eintragungen“ von Bedeutung war.1143 Eine Erkenntnis, die Helga Meise auch schon aus ihrer Untersuchung der Kalender der Sophia Eleonora von Hessen-Darmstadt gewonnen hat.
1143 Helga Meise, Die Tagebücher der Landgräfinnen Sophia Eleonora und Elisabeth Dorothea von Hessen-Darmstadt. Höfische Ego-Dokumente des 17. Jahrhunderts zwischen Selbstvergewisserung und Selbstreflexion, in: Magdalene Heuser (Hg.), Autobiographien von Frauen. Beiträge zu ihrer Geschichte (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 85), Tübingen 1996, S. 49– 70, hier S. 53.
IX. Allmählicher Rückzug Übernahme der Herrschaft durch Franz Joseph Die Einträge zur werdrischen Sache zu Beginn des Jahres 1733 haben es schon angedeutet: Nachdem Franz Joseph Anfang Dezember 1732 von seiner Kavalierstour ins Rheinland zurückgekehrt war, wurde er mehr und mehr in die Herrschaftsgeschäfte einbezogen, was zum Abschluss anhand der Kalendereintragungen ab 1733 dargestellt werden soll. Bereits während seines zweiten Wien-Aufenthaltes hatte Eleonora ihrem Sohn den Auftrag gegeben sich unter anderem in der werdrischen Sache zu engagieren, die auch nach seiner Rückkehr viel Aufmerksamkeit verlangte. Zunächst war es aber weiterhin Eleonora, die sich um die Angelegenheit kümmerte: Anfang März nahm sie einen Wechsel auf, um Advokat Rosenhan die 1 500 Reichstaler zahlen zu können, welche er persönlich am 21. März abholte.1144 Zuvor hatte er sich seinerseits mit einem Entwurf für die Verschreibung der angeheirateten Güter des Herrn von Werder zurückgemeldet1145, worüber Eleonora sich bereits mit ihrem Schwiegersohn und Herrn Lapp beraten hatte, ohne jedoch ein Ergebnis im Kalender festzuhalten.1146 Der Herr von Werder war im Juli wieder selbst derjenige, der den Sachverhalt um das ausstehende Kapital noch einmal aufzurollen versuchte. Nun brachte er einen neuen Aspekt ein und erklärte die Grachter Voraussetzung, sich erst mit seinen Gläubigern zu einigen, als irrelevant, da die 14 000 Reichstaler kein Bestandteil des väterlichen Erbes seien und deshalb vonseiten der Creditoren keine diesbezüglichen Forderungen
1144 Vgl. Einträge vom 8. und 21. März 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Am 22. März reiste Rosenhan wieder nach Wetzlar. Ein Eintrag vom Ende des Monats gibt Einblick in Eleonoras Geldgeschäfte in diesem Zusammenhang. Eintrag vom 31. März 1733: „Heutt hatt die Wittib Burgmeister de Grotte die 10 000 Reichstaler erlegt, davon zu Collen den Herrn Geyer die den Rosenhan erlegte 1 500 Reichstaler wieder geben, das ubrige mitt hirher genohhmen, weil der Brauman verlangt, daß ich ihm das Gelt ahlhir erlegen mogte. Die 10 000 Reichstaler seint auff ein Obligation per 4 percento gestelt.“, in: ASG, Akten, Nr. 609. 1145 Vgl. Eintrag vom 6. März 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. 1146 Vgl. Eintrag vom 9. März 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Am 25. April kam ein weiterer Brief Rosenhans an, dessen Inhalt ebenfalls nicht näher dargelegt wird.
IX. Allmählicher Rückzug
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gestellt werden könnten.1147 Einmal mehr musste Assessor Cramer eine Erwiderung ausarbeiten1148, die aber bald nur noch zweitrangig war, da ein weiterer Faktor die Verhandlungen beeinflussen sollte. Beim Wetzlarer Kammergericht war eine Bittschrift „von einem Juden von Wezlar“, der nicht näher benannt wird, eingegangen, ihm von den 14 000 Reichstalern eine bestimmte Summe auszuzahlen. Auch die Summe wird nicht weiter beziffert – im Eintrag selbst hat Eleonora eine Lücke gelassen, in die vermutlich der Wert hätte nachgetragen werden sollen. Auch zu dieser Forderung sollte man in einer Frist von 14 Tagen Stellung beziehen1149, was zehn Tage später geschah.1150 Während Eleonora die Prozess-Fäden weiterhin in der Hand hielt, scheint der Herr von Bornheim Franz Joseph unter seine Fittiche genommen zu haben. Zwei Einträge vom Mai 1733 lassen darauf schließen, dass Franz Joseph die erste Hälfte des Jahres hauptsächlich mit ihm verbracht hat. Am 14. Mai kamen sie gemeinsam zu Eleonora auf die Gracht und reisten am nächsten Morgen in aller Frühe schon wieder zurück nach Bonn.1151 Der Herr von Bornheim war es auch, der Franz Joseph im Auftrag des Kurfürsten die Stelle als Hofratspräsident bestätigen konnte. Letzterer nutzte die Gelegenheit sich persönlich bei Clemens August zu bedanken, bevor der Kurfürst eine Reise nach München antrat.1152 Zum sich immer deutlicher abzeichnenden Herrschaftsantritt Franz Josephs gehörte auch, dass er sich einen Überblick über seine Besitzungen und Güter verschaffte. Aus diesem Grund reiste er Anfang August „uber Coblenz, Mainz, Manheim und Bruchsall nach Flehingen umb kentschafft von den Gutter im mainzischen und in der Pfalz zu nehmen“.1153 Die Visitation nahm man zum Anlass auch dem Kurfürsten von Trier die Aufwartung zu machen. Franz Georg schrieb Eleonora danach, um sich zu bedanken, „das mir meine herzallerliebste Fraw Baas das erfrewliche Vergnügen vergönnen wolle, ihren sehr wackern und in der That ganz vollkommenen Herrn Sohn zu mir auff seiner weiders vorgehabten Reyss abzuschücken […].“1154 Nach fast zwei Monaten kehrte Franz Joseph Ende September nach Bonn zurück, wo Eleonora ihn bereits erwartete.1155 Im Oktober besuchte er das Gut, dem er den Namenszusatz seiner Standeserhöhung zu verdanken hatte. Gemeinsam mit seiner Mutter und Schwester Felicitas fuhr
1147 1148 1149 1150 1151 1152 1153 1154 1155
Vgl. Eintrag vom 15. Juli 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 25. Juli 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 8. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Auch bei diesem Eintrag fehlt der Betrag: Eintrag vom 18. Oktober 1733: „Heutt nach Wezlar die Andwortt wegen deß Juden, der die [Auslassung] Reichstaler auff die Asignation deß Herrn von Werder bezahlt zu haben begehrt.“, in: ASG, Akten, Nr. 609. Einträge vom 14. und 15. Mai 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Einträge vom 9., 11. und 12. Juni 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 4. August 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Franz Georg von Schönborn an Eleonora, Engers, 6. September 1733, in: ASG, Akten, Nr. 712. Vgl. Einträge vom 22. und 24. September 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609.
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IX. Allmählicher Rückzug
Franz Joseph nach Burgau. Seinen Aufenthalt nutzte er, wie bereits erwähnt, dazu sich u. a. die Situation an der Rur anzusehen. Der Konflikt um den Rurbau war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beigelegt.1156 Außerdem nahm er die Niederauer Mühle und zum Besitz gehörende Güter in Augenschein und verband dies zugleich mit der Neuverpachtung der Höfe.1157 Zurück in Bonn traf sich Franz Joseph mit Assessor Cramer.1158 Auch hier lässt sich eine weitere Einarbeitung in die laufenden Prozesse und somit in die Herrschaftsverwaltung vermuten, genau so wie Cramer es schon zu Beginn der Vormundschaft Eleonoras übernommen hatte, ihre Geschäfte einzurichten.1159 Das nächste Gut, das Franz Joseph besuchte, war Strauweiler. Dort wurde zudem Hofrat Schramm als Richter eingeführt und der junge Wolff Metternich hielt das Herrengeding ab.1160 Mit der Rückkehr nach Bonn waren seine Visitationen am 31. Oktober 1733 beendet.1161 Zum Ende des Jahres meldete sich noch einmal Assessor Cramer in der werdrischen Angelegenheit zu Wort, um das Kapital weiterhin ruhen zu lassen.1162 Demgegenüber stand ein erneuter Vorstoß des jungen von Werder, an die 14 000 Reichstaler zu gelangen. Er hatte „ein Zeugnus von der Altenburgischen Ritterschafft bylegt, wordurch er probiren will, das dis capital nicht in den Concurs gehöre.“1163 Eleonora muss daraufhin wieder Kontakt mit Cramer aufgenommen haben. Nicht nur, dass der Herr von Werder ohne Unterlass verlangte und Beweise dafür vorlegte, dass ihm das Kapital endlich auszuzahlen sei, gleichzeitig hatte immer noch das von der Witwe Kämpfer erwirkte kurfürstliche Dekret Bestand, nichts von den 14 000 Reichstalern auszugeben. Assessor Cramer benötigte deshalb Einsicht in weitere Akten. Es sollte bereits einen Vergleich zwischen Werder und Kämpfer gegeben haben, den Advokat Rosenhan wohl auch übermittelt hatte. Im Eintrag von Eleonora wirkt es aber so, als wäre diese Information neu und läge der Grachter Seite nicht vor.1164 Auch im März forderte Rosenhan noch einmal das werdrische Kapital ein – Eleonora wird ihm wiederum abschlägig geantwortet haben.1165 Nur knapp einen Monat später gab es neue Erkenntnisse: Abermals traf ein Brief des werdrischen Advokaten bei Eleonora ein: „[…] das Mandat wegen des werdrischen Capital [sei] zu zahlen erkant […]“1166, das Geld sollte nunmehr ausgezahlt werden. Am selben Tag riet Assessor Cramer jedoch dazu, der
1156 1157 1158 1159 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166
Vgl. Einträge vom 11. und 12. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Einträge vom 12. bis 14. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 16. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 25. September 1722, in: ASG, Akten, Nr. 599. Eintrag vom 26. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 31. Oktober 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 28. November 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Eintrag vom 6. Dezember 1733, in: ASG, Akten, Nr. 609. Vgl. Eintrag vom 3. Februar 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Einträge vom 21. und 25. März 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 15. April 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610.
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Kammer zunächst noch einmal die Wolff Metternich’sche Sicht der Dinge darzulegen und nichts zu unternehmen, solange keine neue Anordnung des Gerichts erfolgt sei.1167 Auch ohne eine gerichtliche Verordnung wurde weiterverhandelt. Rosenhan reiste noch im April nach Bonn.1168 Am Tag nach seiner Ankunft traf er sich mit Eleonora „in Beysein deß Herrn von Bornheim, meines Sohns, Herr Lapp und Schmiz […].“1169 Franz Joseph nahm zum ersten Mal an einer solchen Unterredung teil. Ergebnis war, dass man sich an den von Cramer gemachten Vorschlag halten würde. Sollte die Kammer in Wetzlar jedoch auf Zahlung des Kapitals bestehen, werde man dem Folge leisten.1170 Im Auftrag von Eleonora reiste Schmitz Ende Mai nach Wetzlar. Zuvor hatte er sie noch einmal auf der Gracht aufgesucht, um weitere Anordungen zu erhalten.1171 Seine Aufgabe bestand nicht nur darin, die Eingabe zur werdrischen Sache vorzubringen, sondern „auch nach allen unseren Processen zu sehen und dieselbe zu recomendiren.“1172 Zwei Wochen sollte es dauern bis er Neuigkeiten aus Wetzlar vermelden konnte: Ein Gutachten zu „2 Puncten in der werdrischen Sach wegen Sicherheit der Außzahlung deß Capital“ wurde verlangt.1173 In den darauf folgenden Tagen bemühte sich Eleonora um eine schnelle Ausführung: Vaessen wurde mit dem Brief aus Wetzlar nach Bonn geschickt1174, wo er von Franz Joseph erwartet wurde. Ihm oblag es tags darauf mit den Hofräten Lapp, Dieraht und Dierna über die Angelegenheit zu beraten. Zu einem Ergebnis kam man jedoch nicht: Erst sollten noch weitere Informationen aus Wetzlar geliefert werden.1175 Sobald der Brief aus Wetzlar eingegangen war, liefen die gleichen Vorgänge ab: Wiederum war es Franz Joseph, der die Gespräche mit Hofrat Dierna – die anderen beiden Räte waren verhindert – führte.1176 Er wurde immer stärker von seiner Mutter in die Herrschaftsgeschäfte eingebunden und er war es auch, der Schmitz Anfang Juli aufforderte, von Wetzlar zurück ins Rheinland zu kommen.1177 Sobald er wieder auf der Gracht eingetroffen war, machte Franz Joseph sich mit ihm auf den Weg nach Bonn. Dort legte er gegenüber seinem Herrn und den drei erwähnten Hofräten einen ausführlichen Bericht zur werdrischen Sache ab.1178 Auch in der Konkurssache der Werder ergriff nun Franz Joseph die Initiative. Er verfasste einen diesbezüglichen Brief an den Grafen von Seckendorff. Adressiert wurde er von Eleonora an den „General Seckendorff “ – den kaiserlichen Feldmarschall Friedrich 1167 1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174 1175 1176 1177 1178
Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 20. April 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 21. April 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. ebd. Vgl. Eintrag vom 4. Mai 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 29. Mai 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Eintrag vom 14. Juni 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 15. Juni 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Einträge vom 16. und 17. Juni 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Einträge vom 22., 23. und 27. Juni 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Eintrag vom 8. Juli 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Vgl. Einträge vom 29. und 30. Juli 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610.
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IX. Allmählicher Rückzug
Heinrich von Seckendorff (1673–1763).1179 Der nach Altenburg im heutigen Thüringen geschickte Brief traf den Feldmarschall dort aber nicht an, da dieser sich in Wien aufhielt. Sein Sohn antwortete an seiner Stelle, „er wolte aber unsere Sach wegen deß werdrischen Concurs nachzufragen seinen advocatten auffgeben.“1180 Es liegt nahe, dass es sich beim Grafen von Seckendorff um einen Gläubiger des Herrn von Werder handeln musste, da sonst keine Verbindung nach Altenburg zu bestehen schien. Franz Joseph, der sich inzwischen vermutlich in Frankfurt aufhielt, verlangte, dass Eleonora Schmitz dorthin schicken sollte.1181 Eleonora hatte unterdessen noch einmal in Bonn mit den Hofräten über die werdrische Sache konferiert. Die Vormundschaft war sich einig, dass man sich nicht dazu drängen lassen sollte, die 14 000 Reichstaler Kapital gegen Kaution auszuzahlen: […] nachdeme ich es mitt unsern Consulenten überlegt und sie absolute nicht finden daß wegen der Gefahr die werdrische Caution anzunehmen seye, weil es aber mein Sohn verlangt so ist heit der Schmiz nach Frankfurt abgereist, umb wenigsten ihm zu assistiren.1182
Franz Joseph wollte den Prozess aber zu einem gütlichen Ende bringen. Dies ging aus einer Aufstellung des Herrn Schmitz hervor, die Eleonora in Bonn erreichte und offenbar Argumente enthielt, „warumb ihm das Gelt konte außgezahlt werden, in dem mein Sohn nit gern in newen Process sich einlasen wolte.“1183 Eleonora ließ deren Inhalt durch die Hofräte überprüfen.1184 Das daraus entstandene Gutachten wurde wiederum an Schmitz geschickt.1185 Im Laufe der Zeit wurde mehr und mehr deutlich, dass die Vormundschaft durch selbständige Entscheidungen Franz Josephs abgelöst wurde. Auch nach außen wurde der Wandel in der Herrschaft auf der Gracht vollzogen. Anfang Oktober wurde das Wappen Franz Josephs auf dem Landtag in Düsseldorf vorgestellt.1186 Ein Jahr später sollte die Aufschwörung erfolgen. Zudem war Franz Joseph immer häufiger im Auftrag des Kurfürsten unterwegs. Erst am Neujahrstag 1735 war er aus Mannheim „von seiner gehabten Comission“ zurückgekehrt.1187 Eleonora ergriff die Gelegenheit, um am folgenden Tag mit dem Herrn Schmitz über die immer noch ungeklärte „werdri1179 Eintrag vom 22. August 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. Zu Seckendorff vgl. Bruno Kuntke, „Seckendorff, Friedrich Heinrich Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 118–119, [OnlineVersion] URL: https://www.deutsche-biographie.de/gnd119473798.html#ndbcontent (24.11.2019). 1180 Eintrag vom 1. September 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1181 Vgl. Eintrag vom 20. Oktober 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1182 Eintrag vom 23. Oktober 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1183 Eintrag vom 18. November 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1184 Vgl. Eintrag vom 20. November 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1185 Dieser hielt sich nun in Mannheim auf: Eintrag vom 28. November 1734: „heutt den Schmitz nach Manheim das Guttachten von dem Herrn Lapp, Dieraht und Dierna eingeschickt […].“, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1186 Eintrag vom 4. Oktober 1734, in: ASG, Akten, Nr. 610. 1187 Eintrag vom 1. Januar 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611.
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sche Sach“ zu reden.1188 Intensiver wurde die Angelegenheit jedoch erst zum Ende des Monats diskutiert. Auch hier ist wieder Franz Joseph die maßgeblich handelnde Person. „Auff meines Sohns Begehren“ versammelten sich sein Onkel und die Hofräte sowie Herr Schmitz in Bonn, um den Fall weiter voranzubringen. Herr Schmitz sollte nach Altenburg reisen, um bei den Grafen von Seckendorff – hier als „werdrische[n] Creditoren“ eindeutig benannt – detailliert über den Konkurs informiert zu werden. Zudem sollte er Entwürfe aufsetzen, die man dem Herrn von Werder und nach Wetzlar schicken wollte, um den Metternich’schen Standpunkt erneut darzulegen.1189 Anfang Februar reiste Schmitz zu den Grafen von Seckendorff nach Thüringen.1190 Unterdessen erreichten zwei Schriftstücke aus Wetzlar Eleonora in Bonn. Prokurator Jung teilte ihr zunächst mit, dass dem Herrn von Werder 3 000 Reichstaler ausgezahlt werden sollten.1191 Darüber hinaus war aus Wetzlar ein Dekret eingetroffen, dass Eleonora bzw. die Wolff Metternich’sche-Partei dazu aufforderte binnen 14 Tagen die ausstehenden Pensionszahlungen der 14 000 Reichstaler an den Herrn von Werder zu entrichten.1192 Bevor in dieser Sache etwas unternommen wurde, versammelte sich der Beraterkreis wieder einmal in Bonn. Neben den Hof- bzw. Geheimräten Lapp, Dieraht, Dierna sowie Franz Joseph und dem Herrn von Bornheim, nahm auch Advokat Rosenhan an dieser Unterredung teil, der eigens aus Wetzlar angereist war.1193 Eine Einigung konnte jedoch nicht erzielt werden, „weil aber er seiner und wir unserseiths auff unserer Meinnung bestanden, so ist es dabey geblieben zumahlen wir erst Nachricht von dem Schmiz wegen der Creditoren von Altenburg haben müsen.“1194 Um dem Dekret des Kammergerichts Folge zu leisten, beschloss man zumindest die Pension auszuzahlen.1195 Am selben Tag, an dem der Wechsel ausgestellt wurde, kam ein Zwischenbericht des Herrn Schmitz aus Altenburg an: Er konnte jedoch nur mitteilen, dass es ihm noch nicht gelungen war, Einsicht in die „Concursacten“ zu nehmen, da diese nicht vor Ort waren. Besonders aufschlussreich ist die Erkenntnis, die er außerdem übermittelte: „er hatt auch ein zimblich Partialitet vor den Herrn von Werder by dem Canzler vermerckt.“1196 Die hier angedeutete Parteinahme zugunsten des jungen Werder konnte nicht im Sinne Eleonoras sein und würde die weiteren Verhandlungen weiter hinauszögern und erschweren. Bis in den Juni des Jahres 1735 sollte sich nichts in der Sache bewegen. Regelmäßig wurde aus Altenburg Bericht erstattet, ohne dass Eleonora Details im Kalender 1188 1189 1190 1191 1192 1193 1194 1195 1196
Eintrag vom 2. Januar 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 22. und 30. Januar 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 7. Februar 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 15. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 16. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 20. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 23. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Ebd. Eintrag vom 27. März 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611.
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IX. Allmählicher Rückzug
notierte.1197 Am 18. Juni traf Schmitz auf Schloss Gracht ein. Im Gepäck hatte er die Bestätigung der Gläubiger für den ausgehandelten Vergleich.1198 Als er am Tag nach seiner Rückkehr aus Altenburg mit dem immer noch anwesenden Advokaten Rosenhan darüber sprechen wollte, kam es offenbar zu einem Eklat. Über die Ratification der Gläubiger sei er „sehr erschrocken und in Eiffer kommen, dergestalt, daß er nichts mehr ahnhören wollen, sondern gleich den andern Weg nach Wezlar, alwo er Himmel und Erd bewegen wird […]“.1199 Wodurch genau diese Entrüstung ausgelöst wurde, kann nur vermutet werden. Möglicherweise fühlte er sich durch die Vorgehensweise der Wolff Metternichs, sich durch die Gläubiger absichern zu wollen, hintergangen. Franz Joseph hielt es vonnöten, dem Rosenhan so schnell wie möglich hinterher zu reisen, um Schadensbegrenzung zu betreiben.1200 An dieser Stelle sei auf einen Eintrag verwiesen, der sich in den vorhergegangenen Monaten immer weiter angekündigt hatte und der das Ende der vormundschaftlichen Regierung durch Eleonora und Johann Jakob Waldbott von Bassenheim besiegelte. Ende Juni 1735 hatte Franz Joseph sein 25. Lebensjahr vollendet und somit die Mündigkeit erlangt.1201 Am 28. Juni bat Eleonora Herrn Lapp beim Hofrat „die Großjährigkeit meines Sohn ahnzuzeigen […]“, für welche sie Gottes Segen erbat und gleichzeitig hoffte, dass „der allmachtige Gott […] mir meine gehabte Mühe und Sorg im Himmel vergelten wolle.“1202 Im Gegensatz zu anderen vaterlosen Standesgenossen, wie z. B. Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, der bereits mit 19 Jahren großjährig erklärt wurde1203, hatte man bei Franz Joseph das Erreichen des entsprechenden Alters abgewartet.1204
1197 Vgl. Einträge vom 3. und 10. April 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Sind dies auch die beiden einzigen Einträge, die auf Schreiben des Herrn Schmitz aus Altenburg beruhen, so ist davon auszugehen, das weitere folgten, aber nicht erwähnt wurden. 1198 Vgl. Eintrag vom 18. Juni 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. 1199 Eintrag vom 19. Juni 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. 1200 Ebd. 1201 Er war am 25. Juni 1710 in St. Columba getauft worden und der Brief seines Vaters an Melchior Friedrich von Schönborn bestätigt den Tag als Geburtsdatum. Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723; Johann Adolf Wolff Metternich zur Gracht an Melchior Friedrich von Schönborn, Köln, 26. Juni 1710, in: StAW, SAW Melchior Friedrich, 1615. „Seit dem Hochmittelalter verschob sich der Mündigkeitstermin bis zum achtzehnten, 21. oder 25. Lebensjahr.“ Puppel, Die Regentin (wie Anm. 22), S. 119. 1202 Eintrag vom 28. Juni 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. 1203 Vgl. Wunderlich, Studienjahre (wie Anm. 198), S. 213; Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 62. 1204 Martin Otto Braun war aufgrund fehlender Quellen davon ausgegangen, dass die Kavalierstour Franz Josephs mit dem Aufenthalt in den Niederlanden abgeschlossen war und hatte daher vermutet, dass der junge Metternich vorzeitig volljährig erklärt worden sei. Vgl. Braun, Franz Joseph Graf Wolff-Metternich (wie Anm. 220), S. 70 und Martin Otto Braun / Monika Gussone, Kavalierstour, in: Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 53–59, hier S. 55 f.
IX. Allmählicher Rückzug
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Franz Joseph sollte nun hauptsächlich allein die Herrschaftsangelegenheiten regeln. Am 1. Juli reiste er gemeinsam mit Schmitz nach Wetzlar ab, um vor Ort die werdrische Sache zu klären.1205 Tags zuvor hatten Assessor Cramer und Eleonora beim Kurfürsten um Erlaubnis für diese Reise gebeten, da Franz Joseph in seiner Rolle als Hofrat zur Anwesenheit am Hof verpflichtet war.1206 Über die Vorgänge erfährt man aus Eleonoras Schreibkalender nun jedoch nicht allzu viel, da sie nicht mehr direkt darin involviert war. Am 17. Juli kehrte Franz Joseph auf die Gracht zurück, ohne dass Ergebnisse im Kalender notiert worden wären.1207 Den allerletzten Eintrag zu diesem Prozess findet man im Schreibkalender des Jahres 1736, der zugleich der letzte von Eleonora geführte Kalender ist. An der entsprechenden Stelle wird die nunmehr passive Rolle Eleonoras deutlich. Sie notierte, dass Franz Joseph die neusten Entwicklungen in der werdrischen Sache „von Wezlar vernohmen“ habe.1208 Anfang August folgte dann die offizielle Ernennung zum Geheimrat und Hofratsvizepräsidenten durch Kurfürst Clemens August. Zusätzlich wurde Franz Joseph Mitglied im Orden vom Heiligen Michael, dem Ritterorden, der als Verdienstorden für kurkölnische Hofbeamte von Joseph Clemens, Onkel und Amtsvorgänger des Kurfürsten, Ende des 17. Jahrhunderts gegründet worden war.1209 Aus dem ein Jahrhundert später herausgegebenen „Wappen-Almanach“ des Ordens geht hervor, dass Franz Joseph im Rang eines Großkreuzes aufgenommen worden war. Zwei Jahre vor dessen Tod war auch seinem Vater Johann Adolf II. diese Ehre zu Teil geworden.1210 Ende des Monats wurde Franz Joseph im Auftrag des Kurfürsten zur kaiserlichen Armee geschickt.1211 In seiner Abwesenheit kümmerte sich Vaessen um die Vorbereitungen der bevorstehenden Aufschwörung Franz Josephs auf dem Düsseldorfer Landtag.1212 Im Oktober reiste er nach Düsseldorf, um alle Belege, die dafür notwendig waren vorzulegen.1213 Dazu gehörte u. a. der „Nachweis über 16 adlige Vorfahren in der obersten Ahnenreihe […].“1214 Eine Woche nach seiner Abreise kehrte er mit der guten Nachricht zurück, dass „by den Landstanden alles ahngenohmen und dieselbe die probationen 1205 1206 1207 1208 1209 1210
1211 1212 1213 1214
Vgl. Eintrag vom 1. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 30. Juni 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 17. Juli 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 17. Februar 1736, in: ASG, Akten, Nr. 612. Eintrag vom 6. August 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Winterling, Hof (wie Anm. 148), S. 96. Dies geht aus dem „Verzeichniss der seit der Stiftung des Ordens verstorbenen Mitglieder“ hervor. Vgl. Johann Baptist Kranzmayr, Wappen-Almanach des Königlich Bayerischen Haus-RitterOrdens vom Heiligen Michael, München 1833, S. 91, online unter: https://www.bavarikon.de/ object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10371960?cq=kranzmayr&p=1&lang=de (24.11.2019). Mitglieder der Wehrdener Linie sind dort ebenso zu finden wie Johann Jakob Waldbott von Bassenheim. Ebd., S. 97. Eintrag vom 10. August 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 22. August 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 19. Oktober 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Hans-Werner Langbrandtner, Ahnenprobe und Aufschwörung, in: Gudrun Gersmann / Ders. (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit
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IX. Allmählicher Rückzug
sehr schön gefunden“.1215 In Franz Josephs Abwesenheit wurde Schmitz erneut alleine nach Wetzlar geschickt, um sich um alle dort anhängenden Prozesse zu kümmern – so auch um den werdrischen – aber dazu fehlen weitere Informationen.1216 Zu diesem Zeitpunkt weilte der junge Graf selbst noch in Koblenz. Dort erhielt er den weiteren Auftrag „aus Ordre von Churfürsten und colnische Landstande“ zu Friedrich Heinrich von Seckendorff, dem kaiserlichen General, an die Mosel zu reisen.1217 Mitte November kehrte Franz Joseph für einen kurzen Zwischenhalt in Bonn ein, bevor er sich mit seinem Schwager nach Adenau in die Hocheifel begab, wo laut Schreibkalender die dänischen Truppen kampierten.1218 Ihr Auftrag war es, sich um das Winterquartier der Truppen zu kümmern. Zur „Regulierung“ desselben reisten sie von Adenau über Bonn weiter nach Köln.1219 Eleonora sah ihren Sohn erst Anfang Dezember auf der Gracht wieder. Kurz darauf reiste er jedoch weiter nach Hambach, wo sich Herzog Ferdinand von Bayern aufhielt.1220 Bis zum Ende des Jahres sollten Truppeneinquartierungen weiterhin die Hauptaufgabe des jungen Wolff Metternich sein und Eleonora vermerkte seine Aufträge in ihrem Schreibkalender, kam aber auch selbst mit den Folgen der Einquartierungen in Berührung. Während Franz Joseph und der Herr von Bornheim zu General Seckendorff nach Aachen reisten, traf bei Eleonora der Rentmeister von Burgau ein. Dort waren hessische Truppen einquartiert worden und Wintersdorf erstattete über die dadurch bisher angefallenen Kosten Bericht.1221 In Aachen angekommenen verhandelte Franz Joseph im Auftrag des Kurfürsten mit General Seckendorff über „Truppen und Marchen von colnischen Land“ und blieb für den Rest des Jahres dort.1222 Zurück auf der Gracht kümmerte er sich zu Beginn des Jahres 1736 sowohl um die werdrische als auch die Schaesberger Sache. Eleonora konnte nur noch die entsprechenden Notizen im Schreibkalender vornehmen.1223 Am 24. Juni 1736 hielt Eleonora den letzten Schritt, der die Herrschaftsübernahme durch ihren Sohn und ihren eigenen Rückzug aus dem zumindest für die Nachwelt sichtbaren Verwaltungsgeschehen besiegelte, im Kalender fest: Franz Joseph würde heiraten und hatte „Freulein Isabelle von Gimmenich die Proposition zu heyrahten gethan.“1224 Damit konnte Eleonora sich endgültig zurückziehen. Sie hatte dafür Sorge getragen, dass die Basis für eine überaus erfolgreiche, wenn auch kurze Karriere ihres
1215 1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222 1223 1224
(Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 178–186, hier S. 181. Eintrag vom 25. Oktober 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Vgl. Eintrag vom 4. September 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 29. Oktober 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Einträge vom 17., 19. und 20. November 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Einträge vom 23. und 24. November 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 12. Dezember 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 15. Dezember 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Eintrag vom 17. Dezember 1735, in: ASG, Akten, Nr. 611. Einträge vom 17. und 18. Februar sowie 4. März 1736, in: ASG, Akten, Nr. 612. Eintrag vom 24. Juni 1736, in: ASG, Akten, Nr. 612.
IX. Allmählicher Rückzug
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Sohnes geschaffen worden war. Den Höhepunkt bildete zehn Jahre später seine Rolle als kurkölnischer Botschafter bei der Kaiserwahl Karls VII. in Frankfurt. Diese Reise sollte er jedoch nicht überleben. Im Alter von 30 Jahren verstarb er in Frankfurt am 28. März 1741 an einer Pockenerkrankung1225 und hinterließ seine schwangere Frau mit drei kleinen Söhnen.1226 Die Geschichte seiner Mutter schien sich zu wiederholen. Am 3. Dezember 1732 kehrte Franz Joseph von seiner Kavalierstour, die ihn vom Rheinland zunächst zum Studium in die Niederlande, im Anschluss daran nach Frankreich und Italien sowie an den Kaiserhof in Wien geführt hatte, zurück auf die Gracht. Die Tour war ein voller Erfolg gewesen – dies belegt nicht zuletzt die Erhebung in den Reichsgrafenstand durch Kaiser Karl VI. Mit seiner Tour hatte der junge Wolff Metternich auf Betreiben seiner Mutter den Grundstein für eine arrivierte Karriere in kurkölnischen Diensten gelegt, wenngleich sie ein jähes Ende finden sollte. Da er nach seiner Rückkehr mit fast 23 Jahren näher an die Großjährigkeit herangerückt war, bestanden die weiteren Lehrjahre darin, dass ihn sein Schwager und Mitvormund Johann Jakob Waldbott von Bassenheim zu Bornheim allmählich in die Herrschaftsgeschäfte einführte und man zu diesem Zweck zu den Besitztümern reiste. Eleonora, so verdeutlichen es ihre Schreibkalendereinträge, zog sich mehr und mehr aus dem Geschehen zurück und gab ihrem Sohn immer häufiger Einblick in Akten und Prozesse bis er in der Mitte des Jahres 1735 großjährig wurde. Sie selbst war nur noch selten Adressatin der eingehenden Korrespondenz. Mit dem Ende der Vormundschaft schien für sie auch das Ende der Kalenderführung gekommen zu sein. Da Franz Joseph nun selbst in der Verantwortung stand, gab es keinen Grund mehr in Schreibkalendern über die Herrschaftsverwaltung Buch zu führen. Es war nicht länger notwendig, Rechenschaft ablegen zu können. Dass es sich beim Eintrag zur Verlobung ihres Sohnes mit Isabella von Gymnich um einen der letzten aussagekräftigen Einträge von Eleonora handelt, rundet den Eindruck des „Machtwechsels“ auf der Gracht ab.
1225 Dela von Boeselager, Capella Clementina. Kurfürst Clemens August und die Krönung Kaiser Karls VII. (Studien zum Kölner Dom Band 8), Köln 2001, S. 23; Vgl. Oidtman, Sammlung (wie Anm. 60), Bd. 16, Mappe 1304 „Wolff III von Metternich“, S. 723. 1226 Vgl. ebd.
X. Resümee Betrachtet man abschließend die vierzehn Schreibkalender der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, ergibt sich der Eindruck, dass diese bzw. die in ihnen behandelten Themenfelder als Sonde fungieren, die nahezu alle Bereiche adligen Lebens abbildet. Die Einträge geben dabei ganz praktische Einblicke in den adligen Lebenslauf, adlige Erziehung und Bildung, die Repräsentation am kurfürstlichen Hof, (familiäre) Netzwerke sowie in die Rechte und Pflichten der Herrschaftsverwaltung und Konflikte – meist in Form von Erbstreitigkeiten –, die sich bis zu einem Prozess vor dem Reichskammergericht ausweiten konnten. Das verbindende Element der Notate Eleonoras liegt dabei am Ende der Untersuchung deutlich vor Augen: In allen bzw. fast allen vorgestellten Bereichen von Eleonoras Wirken spielt der Erbe und Stammhalter eine zentrale Rolle, die jedoch nicht immer explizit innerhalb der Kalender oder der übrigen Quellen dargestellt wird. Schon in den Regelungen der Heiratsverschreibung, des Testaments Johann Adolfs II. und der Einigung mit den Vormündern kann man Eleonoras Auffassung der Vormundschaft erkennen bzw. die genannten Quellen breiten die Basis für die folgenden Jahre aus. Eleonoras Beharren auf der Bestimmung, dass die Güterverwaltung in ihren Händen liege und nicht hauptsächlich Assessor Cramer obliegen sollte, wie ihr Mann es im Testament vermerkt hatte, spricht eine deutliche Sprache. Sie sah sich dazu bestimmt und durchaus in der Lage die Zügel während der Vormundschaftszeit in allen Bereichen in der Hand zu halten. Dass sie dabei immer wieder bei Assessor Cramer und anderen langjährigen Beratern um Rat fragte – so wie es ihr Mann zuvor auch getan hatte – stellt dazu keinen Widerspruch dar. Aber sie wollte – so scheint es – die Zukunft ihres Sohnes in diesem Bereich aktiv mitgestalten und ihren Einfluss darauf geltend machen. Ganz deutlich wird dies immer dann, wenn sie ausdrücklich auf ihren Sohn Bezug nimmt, wie es im Rahmen seiner Ausbildung der Fall ist. Von besonderer Bedeutung sind zudem das Verhältnis zur Würzburger Verwandtschaft Eleonoras und der Einfluss, den diese auf die Geschicke des rheinländischen Geschlechts und seiner Vertreter nehmen konnte. Zunächst unterstreicht aber die „Domscholasterwahl-Episode“ wie aktiv Eleonora sich in ämterpolitische Strategien einzubringen wusste und diese zum Teil mitzugestalten versuchte. Im Vorfeld der Wahl
X. Resümee
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von 1721 war sie eine verlässliche Agentin, die ihren Vetter über die wichtigsten Begebenheiten – gar Intrigen – innerhalb des kurkölnischen Hofadels beinahe minutiös unterrichtete und ihm so ermöglichte, eventuellen Fallstricken aus dem Weg zu gehen oder sie zu seinem Vorteil umzukehren. Der Einblick in das Wahlkampfgeschehen erlaubt zudem einen neuerlichen Eindruck von Eleonoras Interpretation ihrer Rolle zu gewinnen. Sie beschränkte sich eben nicht auf ihre Funktion als „Hausmutter“, sondern versuchte aktiv, wenngleich im Hintergrund, die Fäden zu ziehen und tat dies bereits zu Lebzeiten ihres Mannes. Diesem war es aufgrund seiner Ämter am Kurfürstenhof vermutlich nicht möglich, seinen Vetter in dieser Form zu unterstützen, ohne sich selbst angreifbar zu machen. Die Ausführungen zum familiären Netzwerk verweisen darüber hinaus aber auch darauf, wie Franz Joseph im Rahmen seiner Kavalierstour von den verwandtschaftlichen Beziehungen profitierte. Vor allem am Kaiserhof in Wien und in Form der Standeserhebung, die nicht allein auf den Meriten seiner Vorfahren beruht haben dürfte, wird der Erfolg des jungen Wolff Metternichs besonders deutlich. Auch die Einträge, welche die Herrschaftsverwaltung, d. h. die Verwaltung der zum Besitz der Wolff Metternichs gehörigen Güter, betreffen, die hier anhand zweier Beispiele vorgestellt worden sind, belegen die Verbindung zum Stammhalter, auch wenn dieser nicht explizit innerhalb der Notate erwähnt wird. Zu welchem Zweck hätte Eleonora die Verfahren und Prozesse sonst so detailliert und teilweise sogar korrigiert in ihrem Kalender festgehalten, wenn sie die Vermerke nicht selbst für sich noch einmal verwendet hätte und vor allem, wenn sie ihrem Sohn nicht als Rechenschaft über ihre Vormundschaft und als Nachschlagemöglichkeit in seiner Herrschaft gedient haben könnten. Schließlich war Eleonora nicht zuletzt durch das Testament ihres Mannes dazu verpflichtet, am Ende ihrer Vormundschaftszeit ihrem Sohn alle in diesem Zeitraum angefallenen Akten vorzulegen, falls er dies verlangen sollte. Die von Eleonora selbst verfassten, tagesaktuellen Vermerke dienten in diesem Zusammenhang zum tieferen Einblick in die Entscheidungsfindung der Vormünder. Davon unabhängig könnte in diesem Kontext die Frage aufgeworfen werden, ob Eleonoras Position als Frau dazu beigetragen hat, dass sich die Verfahren und Prozesse über einen so langen Zeitraum hinzogen. Überspitzt gesagt könnte man ihr unterstellen, dass sie als Frau nicht in der Lage war, die Prozesse zu einem zügigen und positiven Ausgang zu führen, obwohl ihre Einträge immer wieder den Eindruck vermitteln, dass ihr an einer raschen Klärung gelegen war. Demgegenüber steht jedoch die Tatsache, dass der Streit um Burgau bereits vor ihrer Vormundschaftszeit begonnen hatte, sich noch weit über die Herrschaft Franz Josephs ausdehnen und letztendlich zum Verlust des Gutes führen sollte. Zum Schluss bleibt noch Eleonoras Kontakt zum Kurfürstenhof zu nennen. Auch hier zog Eleonora sich anders als andere Witwen nicht aus der Öffentlichkeit auf einen Witwensitz zurück – wie es ihr Johann Adolf II. freigestellt hatte –, sondern nahm häufig am Hofleben teil und zeigte Präsenz. Neben der Anwesenheit bei Feierlichkeiten,
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X. Resümee
wie z. B. zur Karnevalszeit oder am Geburts- oder Namenstag des Kurfürsten, ist auch in diesem Bereich die Verbindung zu Franz Joseph eindeutig erkennbar. Besonders eindrücklich ist dabei der Konflikt um die Hofratsstelle mit Ambrosius Franz von Virmond, den Eleonora durch eigenes, vehemtes Intervenieren zugunsten ihres Sohnes entscheiden konnte. Nicht zuletzt spricht auch der oft erwähnte Zeitraum, den die Kalender umfassen, dafür, dass Franz Joseph das verbindende Element darstellt. Eleonora führte weder vor dem Tod ihres Mannes noch nach der Großjährigkeit bzw. der Herrschaftsübernahme ihres Sohnes einen Kalender und verfasste auch keine anderen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen.1227 Der Vermerk der Jahreszahl auf dem Buchrücken des jeweiligen Kalenders spricht dafür, dass die Kalenderbücher jederzeit griffbereit in der Schlossbibliothek gestanden haben. Ob die Kalender Franz Joseph, wie bereits vermutet, tatsächlich als Nachschlagewerke in Prozessangelegenheiten o. ä. gedient haben, ist freilich nicht zu klären. Seine Mutter scheint diese Form der Erinnerungstütze als Instrument zur Protokollführung über ihre Vormundschaft festgelegt zu haben, wenngleich sie wie die meisten kalenderführenden Personen keine „explizite[n] Aussagen über Gebrauch und Gattung, Sinn und Zweck der Aufzeichnungen“ gemacht hat.1228 Hinzu kommt der zum größten Teil nüchtern sachliche Stil, in dem ihre Eintragungen formuliert sind. Nur äußerst selten blitzt in diesem Zusammenhang eine persönliche Note hervor, die Rückschlüsse auf Eleonoras Empfinden geben könnte. Die Einträge zu Franz Georg von Schönborn stellen ein gutes Beispiel dafür dar. Nachdem dieser zum Kurfürsten von Trier gewählt worden war, tritt er nur noch als „Kurfürst“ im Kalender in Erscheinung. Die „Reduzierung“ auf den Titel ihres Vetters, den sie zuvor beispielsweise auch als „Vetter Joerg“ bezeichnet hatte, unterstreicht den sachlichen Ton des Kalenders. Explizite Ich-Formulierungen sind fast nicht vorhanden. Dies betont die Bedeutung des Kalenders als „Schwellengattung“, wie es Helga Meise formuliert hat.1229 In dieser Form diente der Kalender als Schriftträger für Aufzeichungen, „die für die eigene Person wichtig waren, […] aber keinen eigenen Ort hatten, so daß sich ihre Fixierung im Schreibkalender anbot.“1230 In Eleonoras Fall könnte man die Zuordnung dahingehend ergänzen, dass die Aufzeichungen eben nicht vorrangig für die eigene Person von Bedeutung waren, sondern auch für andere. Als weiterer Aspekt der Verortung als Schwellengattung lässt sich festhalten, dass die Kalender kein autobiographisches Schreiben im herkömmlichen Sinne eines Tage-
1227 Zumindest sind keine derartigen Unterlagen im Familienarchiv überliefert. 1228 Wobei solche Aussagen wohl nur äußerst selten der Fall waren. Meise, Die Tagebücher der Landgräfinnen (wie Anm. 1143), S. 52. 1229 Meise, Schreibkalender (wie Anm. 25), S. 546. 1230 Ebd.
X. Resümee
193
buches darstellen. Indem „die Aufzeichnungen immer auf die Bedürfnisse des einzelnen direkt zugeschnitten“ sind, lassen sie aber eben doch autobiographische Ansätze erkennen.1231 Sie stehen sozusagen auf der Schwelle zum Tagebuch. Dass Eleonora durchaus auch Einträge vornahm, die von ihrem Inhalt eher Tagebuchcharakter mit einer, wenngleich gering ausgeprägten, persönlichen Note hatten, belegen v. a. ihre Vermerke zu binnenfamiliären Ereignissen. Dies ist der Fall, wenn sie die Geburt oder den Tod ihrer Enkel schriftlich niederlegt und einen kurzen Einblick in ihre Gefühlswelt gewährt. Auch die Notate, die ihren Sohn betreffen, bilden eine Ausnahme. Hier tritt sie blitzlichtartig als besorgte, stolze oder auch strenge Mutter in Erscheinung. Als Person greifbarer wird Eleonora jedoch nicht unbedingt durch ihre Schreibkalender. Dies ist fast ausschließlich durch ihre Korrespondenz der Fall. Sie trennte klar zwischen der privaten Kommunikation innerhalb ihrer Briefe und den „geschäftlichen“ Notaten der Kalender. Ihre Beziehung zu den Personen innerhalb ihres Netzwerkes, ihre Emotionen, gar ihr Humor, lassen sich nur anhand ihrer Briefe entdecken. Als wichtige Ergänzung zu den Schreibkalendern erlauben sie die Verfasserin jenseits ihres Herrschaftshandeln auch als Persönlichkeit näher zu betrachten. Damit gehört Eleonora laut Ernst Münch zu den wenigen Witwen, von denen Selbstzeugnisse überliefert sind, „in denen die betreffende adlige Witwe Individualität und Profil gewinnt.“1232 Eleonoras Geschichte stellt jedoch keinen Einzelfall dar. In Person ihrer Schwiegertochter findet sich eine vergleichbare Ausgangssituation innerhalb desselben Adelsgeschlechts: Als Franz Joseph nach gerade einmal vier Jahren Ehe in Frankfurt starb, hinterließ er seine schwangere Witwe Isabella von Gymnich mit drei jungen Söhnen. Dabei drängt sich die Frage auf, welchen Einfluss Eleonora in ihrer Rolle als Schwiegermutter, die ihren Sohn um 14 Jahre überleben sollte, weiterhin auf die Familiengeschicke hatte. Allein, die Witwen- und Vormundschaft ihrer Schwiegertochter scheint weit schlechter belegt als es bei Eleonora der Fall ist. Ohne den Tod ihres Mannes und ohne die mehr als ein Jahrzehnt dauernde Vormundschaft über den minderjährigen Sohn, hätten die Schreibkalender und vermutlich auch die Korrespondenz nicht überliefert werden können, sie wären wohl garnicht erst entstanden. Eleonora wäre das gleiche Schicksal widerfahren wie den meisten adligen, v. a. niederadligen Frauen – sie wäre für die Forschung unsichtbar und nicht im Gedächtnis geblieben. Mit ihren Schreibkalendern hat Eleonora Wolff Metternich zur Gracht nicht nur für sich und ihren Sohn eine Gedächtnisstütze geschaffen – sozusagen in ihr bzw. das
1231 Ebd. 1232 Ernst Münch, Adlige Witwen im Besitz des Toitenwinkels bei Rostock (16. bis 18. Jahrhundert), in: Martina Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003, S. 359–375, hier S. 374 f.
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X. Resümee
familiäre Gedächtnis geschrieben –, sie hat sich gleichzeitig in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben und so die Betrachtung ihrer Person durch die historische Forschung ermöglicht.
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, o. J. Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 2. Vereinfachte Stammtafel der Truchsessen von Wetzhausen zu Sternberg eigene Darstellung Abb. 3 Vereinfachte Stammtafel Wolff Metternich zur Gracht eigene Darstellung Abb. 4 Schreibalmanach Marcus Freund, 1725 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 601 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 5 Schreibalmanach Nicolaus Schmidt, 1722 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 599 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 6 Schreibkalender Michael Christoph Han, 1726 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 602 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 7 Schreibkalender Johann Christoph Wagner, 1723 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 600 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 8 Besitzvermerk im Kalender des Jahres 1723 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 600 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 9 Beispielseite vom Ende des Monats Mai 1728 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 604 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 10 Quantifizierung der thematischen Schwerpunkte der Notate eigene Darstellung Abb. 11 „Assertiones ex universa logica“, Disputationsschrift Franz Josephs, 1726 Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, GBXIII58 Bildrecht: gemeinfrei Foto: USB Köln Abb. 12 „Theses physicae de causa efficiente“, Disputation zum Abschluss der Physica, 1727 Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, GBXIII58 Bildrecht: gemeinfrei Foto: USB Köln Abb. 13 „Synopsis discursum feudalium […]“, Dissertation zum Feudalrecht, 1729 Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, KOEL1729HAMM Bildrecht: gemeinfrei Foto: USB Köln Abb. 14 Konflikt um die Hofratsstelle, November 1729 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 605 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Abb. 15 Wappen des Reichsgrafen Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht, 1731 Archiv Schloss Gracht, Akten, Nr. 511 Bildrecht: Wulffen’sche Stiftung (Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich) Foto: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum
Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archiv Schloss Gracht (ASG) Schreibkalender der Eleonora Wolff Metternich zur Gracht Akten, Nr. 599, Schreibkalender 1722. Akten, Nr. 600, Schreibkalender 1723. Akten, Nr. 601, Schreibkalender 1725. Akten, Nr. 602, Schreibkalender 1726. Akten, Nr. 603, Schreibkalender 1727. Akten, Nr. 604, Schreibkalender 1728. Akten, Nr. 605, Schreibkalender 1729. Akten, Nr. 606, Schreibkalender 1730. Akten, Nr. 607, Schreibkalender 1731. Akten, Nr. 608, Schreibkalender 1732. Akten, Nr. 609, Schreibkalender 1733. Akten, Nr. 610, Schreibkalender 1734. Akten, Nr. 611, Schreibkalender 1735. Akten, Nr. 612, Schreibkalender 1736. Weitere Quellen Findbuch Archiv Graf Wolff Metternich zur Gracht. Akten, Nr. 499, Vormundschaft über die Kinder Johann Adolf II., 1722. Akten, Nr. 500, Eheverträge Teil 1. Akten, Nr. 504, Testamente Teil 2. Akten, Nr. 511, Grafendiplom für Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht 17. Mai 1731. Akten, zu Nr. 544, Rechnungen und Korrespondenz, 1730–1732. Akten, Nr. 544, Reisetagebuch Degenhard Adolf Wolff Metternich zur Gracht, 1637–1639. Akten, Nr. 561–563, Schreibkalender Johann Adolfs I. Wolff Metternich zur Gracht, 1614–1658. Akten, Nr. 614–636, Schreibkalender der Flaminia Wolff Metternich zur Gracht geb. Prinzessin zu Salm-Salm, 1891–1913. Akten, Nr. 687, Briefe der Anna Adolfina von der Recke geb. Wolff Metternich an ihre Stiefmutter Eleonora, 1720–1734. Akten, Nr. 688, Briefe des Johann Jakob Freiherrn von Waldbott-Bassenheim, 1731–1734. Akten, Nr. 690, Korrespondenz Franz Joseph Wolff Metternich zur Gracht und dessen Hofmeister Knoest an Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, 1730–1732.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Akten, Nr. 710, Briefe von Kölner Kurfürsten, 1606–1790. Akten, Nr. 712, Briefe von Bischöfen und Kurfürsten aus dem Hause Schönborn, 1697–1752. Akten, Nr. 727, Berichte des Kammergerichtsassessors Cramer an Freifrau [Wolff Metternich], 1728–1732. Akten, Nr. 792, Familiengeschichte Truchsess von Wetzhausen (Einzelstücke). Staatsarchiv Würzburg, Gräflich Schönbornsches Archiv Wiesentheid (StAW, SAW) Franz Georg, 102a, Korrespondenz mit Karl Friedrich, Januar 1731. Franz Georg, 102d, Der junge Metternich in Wien, [1731]. Franz Georg, 205, Korrespondenz mit Frau von Metternich zur Gracht, 1721. Franz Georg, 206, Korrespondenz mit Frau von Metternich zur Gracht, 1721. Melchior Friedrich, 1615, Korrespondenz mit seinem Neffen von Metternich 1706–1710. Melchior Friedrich, 1683, Korrespondenz mit seiner Schwester Eva Rosina Freifrau von Truchsess zu Wetzhausen, div. Jahre.
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G. H. G. SPIEL (Hg.), Vaterländisches Archiv, oder Beiträge zur allseitigen Kenntniß des Königreichs Hannover, wie es war und ist. Vierter Band, Hannover 1821. Britta SPIES, Das Tagebuch der Caroline von Lindenfels, geb. von Flotow (1774–1850). Leben und Erleben einer oberfränkischen Adeligen am Ende der ständischen Gesellschaft (Internationale Hochschulschriften 531), Münster u. a. 2009. Peter STAUDER, Die Hochschulschriften der alten Kölner Universität 1583–1798. Ein Verzeichnis, München u. a. 1990. Karl STEINACKER (Bearb.), Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Holzminden (Die Bauund Kunstdenkmäler des Herzogthums Braunschweig 4), Wolfenbüttel 1907. Barbara STOLLBERG-RILINGER, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017. Barbara STOLLBERG-RILINGER (Hg.), Das Hofreisejournal des Kurfürsten Clemens August von Köln 1719–1745. Bearbeitet von André Krischer (Ortstermine 12), Siegburg 2000. Karl STOMMEL, Johann Adolf Freiherr Wolff genannt Metternich zur Gracht. Vom Landritter zum Landhofmeister. Eine Karriere im 17. Jahrhundert, Köln 1986. Gunnar TESKE, Adelsarchivpflege des LWL-Archivamts für Westfalen in Münster, in: Andreas HEDWIG / Karl MURK (Hg.), Adelsarchive. Zentrale Quellenbestände oder Curiosa? (Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 22), Marburg 2009, S. 45–52. Raphaela TKOTZYK / Monika GUSSONE, Biographische Quellen, in: Gudrun GERSMANN / Hans-Werner LANGBRANDTNER (Hg.), Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 3), Köln/ Weimar/Wien 2009, S. 200–205. Abraham Jacob VAN DER AA, Biographisch Woordenboek der Nederlanden, Bd. 19, Haarlem 1876. Hans Wagner, „Harrach, Friedrich Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 700, [Online-Version] URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118927434.html#ndbcontent (24.11.2019). Hans Ulrich WEHLER, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Europäischer Adel 1750–1950 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 13), Göttingen 1990, S. 9–18. Marcus WEIDNER, Landadel in Münster 1600–1760. Stadtverfassung, Standesbehauptung und Fürstenhof (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster n. F., Bd. 18 = Nr. 6 der Serie B), Münster 2000. Aloys WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln 1688–1794. Eine Fallstudie zur Bedeutung „absolutistischer“ Hofhaltung (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 15), Bonn 1986. Heide WUNDER, „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992. Heide WUNDER, Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Dies. (Hg.), Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 28), Berlin 2002, S. 9–27. Heinke WUNDERLICH, Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime (Beiträge zur Geschichte der Literatur und Kunst des 18. Jahrhunderts 8), Heidelberg 1984. Franz ZIERLEIN, Franz Georg Graf von Schönborn 1682–1756, in: Herold Jahrbuch 23 (1969/70), S. 79–116.
Personenregister Die Protagonistin des Bandes, Eleonora Wolff Metternich zur Gracht, wurde nicht ins Register aufgenommen. Da auch der Sohn, Franz Joseph, eine ähnlich zentrale Rolle spielt, wurde auch in seinem Fall auf einen Registereintrag verzichtet. Stattdessen sei an dieser Stelle auf die einschlägigen Kapitel zu seiner Ausbildung verwiesen (Kap. III., VI., IX.). Adlige Frauen sind nach Möglichkeit unter Geburts- und Ehenamen angegeben, wobei der Name, mit dem sie innerhalb des Textes erwähnt werden, den Haupteintrag bildet. Es erfolgt ein Verweis zum jeweils anderen Registereintrag. Kaiser und Kurfürsten sind unter dem Namen ihres Hauses aufgeführt. Bei Personen, bei denen keine Vornamen oder Lebensdaten zu ermitteln waren, ist zur besseren Unterscheidung ihre Funktion oder Amtsbezeichnung angegeben. Asseburg zu Hinneburg Sophia Brigitta von der, verh. Wolff Metternich zu Wehrden (gest. 1770) Bibra Maria von, verh. Truchsess von Wetzhausen Blatzheim Johann Gottfried
167
16 Anm. 51
138, 140
Boineburg Maria Sophie von, verh. von Schönborn (1652–1726)
79
Buschfeld Katharina von, verh. Wolff Metternich, Erbin von Schloss Gracht (1522–1588) Cavalieri Gaetano (1677–1738)
48
Cler Dorothea Josepha von, verh. von Schiller (gest. nach 1775) Coll Johann Matthias (1692–1752)
104
74
18
208
Personenregister
Cramer von Clausbruch Johann Melchior (1680–1740) 39–42, 57, 101, 104, 111–112, 115–116, 126–132, 134–135, 151, 158–159, 161–163, 166–168, 170–175, 177–179, 181–183, 187, 190 Croy Philipp Heinrich von (1652–1724/25)
88, 96
Dieraht Hofrat 57, 183–185 Dierna Hofrat 183–185 Dilherr Anna Rebecca von
s. Fugger, Anna Rebecca von
Doetsch Ludwig 48 Effelsberg Advokat 41, 124–125, 138–139, 150, 153–155, 172 Elmpt zu Burgau Daniel von (1615/20–1683) 114, 122 Hieronymus Franz von (1676–1704) 115 Maria Anna Katharina von, geb. Wolff Metternich zur Gracht, verh. (2.) von Schaesberg (1649– 1722) 114–115, 122–123, 133–136, 146 Erbtruchsess von Waldburg Johann Ferdinand (1705–1773) Ess Baron d’
68
Fabion Friedrich
54
Francken-Siersdorff Franz Kaspar von (1683–1770) Freund Marcus (1603–1662)
97
82, 84–88, 90, 95, 163
26–28
Fürstenberg Anna Maria von, verh. Wolff Metternich zur Gracht (gest. 1692)
20
209
Personenregister
Fürstenberg-Stühlingen Anton Maria Friedrich von
88
Fugger Anna Rebecca von, geb. von Dilherr (gest. 1742) Franz von (1663–1731) 83, 87 Fugger von Kirchberg Joseph Wilhelm (1683–1749)
83–87, 89–91, 93, 98
82, 92, 97
Fumetti Hofrat 57 Georg II. König von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg Geyer Hofrat von
169
57, 164–165, 180 Anm. 1144
Glimes Karl von (gest. 1738)
88, 91–94
Greiffenklau zu Vollraths Maria Ursula von, verh. von Schönborn (1610–1682) 16 Grotius Hugo (1583–1645)
68, 106
Guttenberg Johann Gottfried von (1645–1698)
18
Gymnich Isabella von, verh. Wolff Metternich zur Gracht (1718–1761) 109 Anm. 611, 116 Anm. 652, 188–189, 193 Karl Kaspar Wilhelm von (1667–1739) 101 Habsburg Ferdinand III. von 114 Karl VI. von 73, 75–76, 112–113, 189 Karl VII. von 189 Maria Elisabeth von (1680–1741) 63, 78 Hall zu Strauweiler Maria Katharina von, verh. Wolff Metternich zur Gracht (1599–1663)
19
210
Personenregister
Hamm Gerhard Ernst von (1692–1776) Advokat 175 Han Michael Christoph
31 Anm. 138, 53–54, 56, 58
27–28
Harrach Friedrich von (1696–1749)
73, 75
Hatzfeld Maria Eleonore von, verh. von Schönborn (gest. 1718) Hatzfeld-Gleichen Joseph Heinrich von (gest. 1721) Hechenkirchen Franz Carl von 125 Maximilian Clemens von
80 Anm. 433
95–96
125
Hessen-Darmstadt Elisabeth Dorothea von (1640–1709) 11, 28 Karoline von (1721–1774) 12 Sophia Eleonora von (1609–1671) 11, 179 Hessen-Kassel Karl von (1654–1730)
169
Hochsteden Maria von, verh. Wolff Metternich zur Gracht (gest. 1605)
19 Anm. 76
Hohenzollern-Sigmaringen Ferdinand von (1692–1750) 93, 97–98 Franz Anton von (1699–1767) 97–98 Hompesch Herr von 146–147 Horst-Hellenbroich Anna Antonia von der, verh. Wolff Metternich zur Gracht (1673–1764) Ingelheim Franz Adolf von (1659–1742) Jansen Prokurator
117, 166–167
127, 135, 151
20
Personenregister
Jung Prokurator Keinard Herr von
128, 130, 138, 154, 163, 165, 169–170, 185 147
Keller Landmesser
149
Kersting Johann 41, 153, 168 Kesselstatt Johann Hugo Wolfgang von (1691–1730) 101 Joseph Franz von (1695–1750) 101 Karl Kaspar von (1652–1723) 101 Anm. 575 Kesseler Johann Heinrich
130, 139, 147, 149–150
Kleefisch Heinrich (1694–1774) Klopper
138
171
Knoest Sixtus (geb. 1699)
47–48, 51, 53, 55, 57–58, 65, 68, 107–108, 112–121, 125, 141, 173
Konrath Notar 125 Kufstein Johann Ernst von
72
Lapp Johann Heinrich von
126, 154–163, 165–166, 173, 176, 180, 183–186
Leerodt Franz Anton von (gest. 1738)
50
Leszczyńska Maria, Königin von Frankreich (1703–1768)
63
Leyen Karl Kaspar von der (1655–1739) 99–100, 102–104 Maria Sophia von der s. Schönborn, Maria Sophia von
211
212
Personenregister
Lochner Johann Georg
27
Löwenstein-Wertheim-Rochefort Johann Ernst von (1667–1731) 88, 90, 92 Ludwig XV. König von Frankreich
63
Manderscheid-Blankenheim Johann Friedrich von (1677–1731) 48, 63, 67, 69, 77, 80, 84–85, 87, 90–91, 95, 97–98, 104 Moritz von (1676–1763) 64, 77, 84–85, 87–88, 90–91, 93, 95, 97 Meinertzhagen Isaac Jacob 164–165 Mering Heinrich von (1667–1735) Merl Herr von
88, 90
93
Metternich Sibilla, verh. Wolff Metternich (gest. nach 1454)
18
Metternich von Müllenark Damian Emmerich 100, 102 Lothar Ferdinand 100, 102 Moers Johann Heinrich von (gest. 1728)
83, 87
Montesquieu Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de (1689–1755) Nassau-Siegen Alexius Anton Christian Ferdinand von (1673–1734)
82
Nesselrode Franz Karl von (1673–1750) 137 Maria Theresia von, geb. von Schorlemer (gest. 1746)
136–137
Nosthof Baumeister
150
87
213
Personenregister
Notthafft zu Weissenstein Aloysia von (gest. 1756) 67, 87 Maximilian von (gest. 1763) 87 Oppel Siegmund Ehrenfried von (1687–1757)
161–162, 166, 173–174
Ostein Anna Charlotte von s. Schönborn, Anna Charlotte von Johann Franz Sebastian von (1652–1718) 103 Anm. 587 Johann Friedrich Karl von (1689–1763) 103 Anm. 587 Maria Antonia von, verh. Waldbott von Bassenheim (1710–1788) Pfalz-Neuburg Franz Ludwig von (1664–1732)
103
66, 75–76, 94, 96–97, 99
Plettenberg Ferdinand von (1690–1737) 54, 65, 67, 70–71, 73, 75, 77, 82–83, 89, 92, 96–97, 126, 130, 175 Franziska Theresia von, geb. Wolff Metternich zur Gracht (geb. 1667) 67 Quentel Johann Thomas (1696–1777) Rechberg Gaudenz von Reck Prokurator
87, 92–93
73 166, 169–170
Recke Anna Adolfina von der, geb. Wolff Metternich zur Gracht (gest. 1757) Johann Matthias von der (1672–1739) 133 Anm. 783 Reuschenberg-Setterich Philippine Agnes von, verh. Wolff Metternich zur Gracht Reux Johann Arnold de (1665–1746)
20
84–87, 90, 93–94
Rosenhan Advokat 156–159, 161–164, 169–171, 173, 175–178, 180, 182–186 Sachsen-Zeitz Christian August von (1666–1725) Salm-Reifferscheidt Wilhelm Franz von (gest. 1721)
82, 88
80–81
133–137, 151
214
Personenregister
Salm-Reifferscheidt-Dyck Joseph zu (1773–1861) 14, 186 Salm-Salm Flaminia zu
s. Wolff Metternich zur Gracht, Flaminia
Sauer Philipp Arnold, Notar 37 Hofrat, Prokurator 40, 54–58, 124, 126, 154–168, 170–173, 178 Schaesberg Johann Friedrich von (1663/4–1723) 115 Anm. 648, 123, 125 Johann Wilhelm von 115 Anm. 648, 126–138, 142, 144, 146 Maria Anna Katharina von s. Elmpt zu Burgau, Maria Anna Katharina von Schiller Dorothea Josepha von s. Cler, Dorothea Josepha von Johann Lorenz von (gest. 1745) 74 Thomas Carl von (gest. 1758) 62, 68 Schlösser Agent 119 Schmidt Nicolaus (1606–1671) Schmitz [Advokat]
26–27
129–132, 137–138, 183–187
Schönborn Anna Charlotte von, verh. von Ostein (1671–1746) 103 Anm. 587 Anselm Franz von (1681–1726) 97 Damian Hugo von (1676–1743) 79, 96 Eva Rosina von, verh. Truchsess von Wetzhausen (1650–1715) 16–18, 79, 105 Franz Georg von (1682–1756) 32–34, 69, 72–73, 78, 79–105, 106–107, 109–111, 113, 116, 181, 192 Friedrich Karl von (1674–1746) 79, 95, 101, 110–111, 113 Johann Erwein von (1654–1705) 103 Anm. 587 Johann Philipp von (1605–1673) 16 Anm. 52, 79 Johann Philipp Franz von (1673–1724) 79 Joseph Franz Bonaventura von (1708–1772) 111 Lothar Franz von (1655–1729) 22, 94, 97, 99 Maria Anna von s. Waldbott von Bassenheim, Maria Anna von Maria Anna Magdalena von s. Waldbott von Bassenheim, Maria Anna Magdalena von Maria Eleonore von s. Hatzfeld, Maria Eleonore von Maria Klara von (1647–1716) 127 Maria Sophia von, verh. von der Leyen (1670–1742) 99 Anm. 563 Maria Sophie von s. Boineburg, Maria Sophie von
Personenregister
Maria Ursula von s. Greiffenklau zu Vollraths, Maria Ursula von Marquard Wilhelm von (1683–1769) 79–80, 106 Melchior Friedrich von (1644–1717) 22, 79, 105, 186 Anm. 1201 Melchior Friedrich von (1711–1754) 111 Philipp Erwein von (1607–1668) 16, 79 Rudolf Franz Erwein (1677–1754) 80, 111 Anm. 624 Schorlemer Engelbert von 136 Anm. 801 Maria Theresia von s. Nesselrode, Maria Theresia von Sophia Elise von s. Wolff Metternich zur Gracht, Sophia Elise Schramm Hofrat 57, 128, 131–132, 137, 182 Schütz Notar 128, 131, 137 Seckendorff Friedrich Heinrich von (1673–1763)
183–185, 188
Siersdorff Hofrat 57 Sonborn Assessor 166 Spies Kommissar von Stablo Fürst von
148
s. Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Johann Ernst von
Torck zu Kreuzau Frau von 141 Traumes Gräfin von
74
Truchsess von Wetzhausen Anna Barbara (geb. 1673) 17 Dietericus 15 Eva Katharina (geb./gest. 1675) 17 Eva Rosina s. Schönborn, Eva Rosina von Hans (um 1300–1330) 15 Joachim (vor 1552–1606) 15 Joachim Ernst (1624–1709) 16, 18
215
216
Personenregister
Maria s. Bibra, Maria von Otto (um 1330) 15, 17 Anm. 62 Philipp Albrecht (1588–1663) 15 Wolff Dietrich (vor 1588–1639) 15 Wolff Dietrich (1625–1699) 16–18 Wolff Dietrich (geb./gest. 1671) 17 Türnich Notar 125, 138, 153 Vaessen Adam (gest. 1748)
43, 67, 120, 124–125, 128, 131, 139–147, 149–150, 154, 167, 171, 183, 187
Veyder Johann Werner von (1657–1723)
91–93, 96
Virmond Ambrosius Franz Friedrich von (1682/4–1744) 56–57, 69–71, 192 Joseph Ernst Damian von (1707–1730) 56, 69 Vitriarius Johann Jakob (1679–1745) 55, 58 Philipp Reinhard (1647–1720) 106 Wagner Johann Christoph (1640–1703)
27–28
Waldbott von Bassenheim Maria Anna, verh. von Schönborn (gest. 1702) 103 Anm. 587 Maria Anna Magdalena, verh. von Schönborn (gest. 1719) 103 Anm. 587 Maria Antonia s. Ostein, Maria Antonia von Rudolf Johann (1680–1731) 103 Waldbott von Bassenheim zu Bornheim Johann Jakob (1683–1755) 22 Anm. 93, 36–38, 40, 44–59, 68, 72, 76, 92–93, 97, 103 Anm. 587, 107–108, 117, 124–131, 137, 146, 154–165, 168, 173–177, 180–189 Maria Anna, geb. Wolff Metternich zur Gracht (geb. 1697) 22, 36–38, 44, 63, 69, 72–76, 87, 157 Walderdorff Johann Hugo von (1691–1737) 101 Anm. 575 Johann Philipp von (1701–1768) 101 Anm. 575 Werder Gebhard Paris von (1681–vor 1723) 153 Heinrich Emanuel von (geb. 1706) 153, 159–165, 168, 171–178, 180–185 Jobst von (gest. 1665) 152 Anm. 924
Personenregister
217
Weydert Franz 84, 91–93 Wied-Runkel Karl von (1684–1764)
127
Wintersdorf Gerichtsschreiber von Burgau
146, 188
Wittelsbach Clemens August von (1700–1761) 20, 47, 50, 59–78, 82, 84, 107, 113, 116, 120, 154, 163, 169, 181, 184, 187–188 Ferdinand von (1699–1738) 64, 75–76, 188 Johann Theodor von (1703–1763) 72, 94 Joseph Clemens von (1671–1723) 40, 61–62, 77, 81–87, 90–96, 98, 187 Karl Albrecht von (1697–1745) 64 Max Emanuel von (1662–1726) 94 Wolff Constantin
140
Wolff Metternich zur Gracht Adolf (1559–1619) 19 Anna Adolfina s. Recke, Anna Adolfina von der Anna Adriana (1621–1698) 20 Anna Antonia s. Horst-Hellenbroich, Anna Antonia von der Anna Maria s. Fürstenberg, Anna Maria von Charlotta Clara Maria (1699–vor 1720) 22 Charlotte (gest. 1720/22) 38 Anm. 158 Christiana Clara Maria Gabriela Felicitas (geb. 1706) 22, 36–38, 51, 68–69, 71–76, 102–103, 181 Degenhard Adolf (1616–1668) 19–20, 107 Flaminia, geb. zu Salm-Salm (1853–1913) 26 Franz Arnold Josef (1658–1718) 20, 81, 171 Franziska Theresia s. Plettenberg, Franziska Theresia von Godhard (gest. 1454) 18 Heinrich (1483/4–1540) 19 Hermann (1542–1603) 19 Hermann Werner (1625–1705) 19–23, 167–168, 170–171 Hieronymus (1519–1592) 18–19 Hieronymus Leopold (1661–1719) 20–23, 81, 167 Isabella s. Gymnich, Isabella von Johann Adolf I. (1592–1669) 19–20, 25, 106, 152 Johann Adolf II. (1651–1722) 18, 20–23, 26, 29, 31–34, 36–44, 59, 61–62, 67, 77, 89, 97, 104–107, 113–115, 121–124, 150–153, 160, 167–168, 171, 186–187, 190–193 Johann Ignaz (1740–1790) 115 Anm. 648 Josepha Franziska Maria Sophia Elisabeth Anna Magdalena (1708–vor Sept. 1720) 22 Katharina s. Buschfeld, Katharina von
218
Personenregister
Maria s. Hochsteden, Maria von Maria Anna s. Waldbott von Bassenheim zu Bornheim, Maria Anna Maria Anna Katharina s. Elmpt zu Burgau, Maria Anna Katharina von Maria Katharina s. Hall zu Strauweiler, Maria Katharina von Max Werner (1770–1839) 26 Philippine Agnes s. Reuschenberg-Setterich, Philippine Agnes von Sibilla s. Metternich, Sibilla von Sophia Elise, verh. von Schorlemer (geb. 1657) 136 Anm. 801 Wilhelm Hermann Ignaz (1665–1722) 40, 42, 81, 153 Wolff Metternich zu Wehrden August Wilhelm (1707–1764) 81 Anm. 444, 172 Carl Adrian (gest. 1755) 81 Anm. 444, 172 Franz Wilhelm (1700–1752) 81, 167, 172 Sophia Brigitta s. Asseburg zu Hinneburg, Sophia Brigitta von der
Roman Göbel / Gerhard Müller / Claudia Taszus (Hg.)
Familienkorrespondenz April 1857 – März 1859 ernst Haeckel briefedition – band 34 2020. XLI, 571 Seiten mit Frontispiz, 18 s/w-Abbildungen sowie 37 z.T. farbige Abbildungen auf 30 unpaginierten Tafeln 978-3-515-12022-7 gebunden 978-3-515-12026-5 e-book
Der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel zählt zu den bedeutendsten, aber auch umstrittensten Naturwissenschaftlern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Als begeisterter Anhänger Darwins arbeitete er an der Weiterführung und Popularisierung der Evolutionstheorie und wurde damit zu einer Symbolfigur in den Weltanschauungskämpfen der Zeit. Die im dritten Band veröffentlichte Familienkorrespondenz von April 1857 bis März 1859 zeigt, wie Haeckel nach der Promotion seine akademische Laufbahn konsequent weiterverfolgte. Den Anfang bilden Studienaufenthalte in Prag und Wien, wo er in verschiedenen Kliniken hospitierte und bei Ernst Wilhelm von Brücke und Carl Ludwig seine physiologischen Kenntnisse vertiefte. Nach Berlin zurückgekehrt, legte Haeckel sein medizinisches Staatsexamen ab und sah sich mit dem plötzlichen Tod seines Mentors Johannes Müller konfrontiert. Durch die
darauffolgende Krisen- und Findungsphase trugen ihn sowohl die beginnende Liebesbeziehung zu Anna Sethe als auch die Einflüsse der Professoren Max Schultze und Carl Gegenbaur, die ihm neue Perspektiven aufzeigten: eine längere Forschungsreise nach Italien, um sich dort Material für eine Habilitation zu erarbeiten. Nach einer intensiven Vorbereitungszeit am Anatomischen Museum Johannes Müllers trat Haeckel diese schließlich im Januar 1859 an und die vorliegenden „Hesperischen Reisebriefe“ begleiten ihn auf den ersten Stationen Florenz und Rom. die ausgabe Die historisch-kritische Ausgabe „Ernst Haeckel: Ausgewählte Briefwechsel“ (in 25 Bänden) wird im Auftrag der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Thomas Bach.
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Miriam Müller
Der sammelnde Professor Wissensdinge an Universitäten des Alten Reichs im 18. Jahrhundert WIssenschAftskulturen | reIhe I: WIssenschAftsgeschIchte – BAnd 1 2020. 268 Seiten mit 8 s/w-Abbildungen 978-3-515-12714-1 geBunden 978-3-515-12729-5 e-Book
Die Entstehung von Sammlungen ist eng mit dem Wandel des Wissenschaftsverständnisses im Europa der Frühen Neuzeit verknüpft: Neben das traditionelle Bücherwissen traten empirische Methoden, für die materielle Objekte und wissenschaftliche Instrumente zur Hauptquelle des Wissensgewinns, zu „Wissensdingen“, wurden. Im 18. Jahrhundert entstanden in großem Umfang Professorensammlungen, mit denen neue Lehrmethoden Einzug in die Hörsäle unterschiedlichster Fächer hielten. Universitätseinrichtungen für die Arbeit mit Wissensdingen – botanische Gärten, chemische Labore, anatomische Theater – wurden erweitert und neu eingerichtet. Nicht zuletzt wurden die ersten institutionell an eine Universität angebundenen Sammlungen und Museen gegründet, die Wissensdinge zu einem festen Bestandteil der Hochschulen machten. Die Praktiken, die diesem Wandlungsprozess zugrunde liegen, untersucht Miriam Müller
an zahlreichen Beispielen. Eine breite Quellenbasis zu sammelnden Professoren an den Universitäten Göttingen, Halle (Saale), Helmstedt, Leipzig, Erlangen, Tübingen, Freiburg i. Br. und Ingolstadt ermöglicht dabei den vergleichenden Blick auf ein überregionales, fächerübergreifendes Phänomen, das die Wissenschaften bis heute prägt. Aus dem InhAlt Einleitung | Eine Ökonomie der Wissensdinge | Wissenskommunikation | Die Institutionalisierung der Wissensdinge | Schluss | Quellenund Literaturverzeichnis | Personenregister dIe AutorIn Miriam Müller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Universitätsgeschichte, Wissens- und Wissenschaftsgeschichte sowie Sammlungsgeschichte der Frühen Neuzeit.
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In vierzehn Schreibkalendern dokumentiert Eleonora Wolff Metternich zur Gracht die Zeit ihrer Vormundschaft über ihren minderjährigen Sohn. Die von ihr verfassten Einträge erlauben Einblicke in unterschiedliche Handlungsbereiche einer niederadligen Witwe in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dazu gehören neben der praktischen Herrschaftsverwaltung und Prozessführung auch die Verbindungen zum Kölner Kurfürstenhof und die familiären Beziehungen zum Adelsgeschlecht der Schönborns – insbesondere zu Franz Georg von Schönborn.
ISBN 978-3-515-12712-7
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Alle vermerkten Aktivitäten verfolgen ein Ziel: Den Status und Besitz des Geschlechts zu erhalten und den Erben bestmöglich auf die Übernahme der Herrschaft vorzubereiten. Er und seine Ausbildung stellen dabei das einende Element aller Eintragungen dar, die aufgrund ihres sachlichen Stils wohl vor allem Rechenschaft über das vormundschaftliche Handeln ablegen sollten. Ganz selten wird dabei auch die Persönlichkeit ihrer Verfasserin sichtbar, die sich dank der für den rheinischen Adel einmaligen Quellen ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben hat.
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