Informationsintermediäre des Kapitalmarkts: Private Marktzugangskontrolle durch Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse 9783161540974, 9783161540967

Informationsintermediäre des Kapitalmarkts vermitteln zwischen Unternehmen, Aktionären und Investorenpublikum. Internati

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
1. Kapitel: Forschungsfeld
A. Informationsintermediäre des Kapitalmarkts
B. Offene Wirtschaftsgesellschaft, private Macht und Verantwortung
C. Marktstruktur, Internationalisierung und neue Intermediationsfelder
D. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Untersuchungsfokus
E. Gang der Untersuchung
2. Kapitel: Begriff
A. Eingrenzungen und Annäherungen
I. Informationsintermediation
II. Kapitalmarktbezug
III. Marktzugangskontrolle
B. Informationssammlung, -verarbeitung und -vermittlung
I. Prüfungsstandards (IDW PS, ISA)
II. Ratingkriterien und -modelle
III. Finanzanalysemethoden
C. Zertifizierung, Substituierung, Evaluation
I. Fortbestehensprognose (going concern)
II. Bonitätseinstufung (rating grade)
III. Analystenempfehlung (buy, hold, sell)
3. Kapitel: Funktionen
A. Vertragsermöglichung (contract governance)
I. Wirtschaftsprüfertestate (comfort letters)
II. Bonitätsbeurteilungen (rating triggers)
III. Finanzanalysen (deal related research)
B. Geschäftsleiterüberwachung (Corporate Governance)
I. Abschlussprüfer zwischen Verband und Markt (Prüfungsbericht)
II. Ratingbasierte Unternehmensfinanzierung (rating enhancements)
III. Finanzanalyse und Marktverbleib (non-deal related research)
C. Marktfunktionsschutz (market governance)
I. Pflichtprüfung zur Krisenprävention (Intermediationsobligatorium)
II. Rating als Regulierungssubstitut (Eigenkapitalbemessung)
III. Finanzanalyse und Informationsintegrität (regulierte Intermediation)
4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele
A. Grundlagen
I. Entwicklungen
II. Ökonomik
III. Empirik
B. Marktzugangskontrolle
I. Regulatorische Indienstnahme
II. Grenzen und Regelungsfolgepflichten
III. Rechtliche Grundstrukturen
C. Rechtsrahmen
I. Vertrag
II. Partei- und Dritthaftung
III. Berufsrecht und Regulierung
Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt
5. Kapitel: Entwicklungen
A. Berufsstände
I. Frühformen vor dem 19. Jahrhundert
1. Wanderrevisoren und Buchhalter
2. Kreditauskunfteien und Bonitätsbücher
3. Wirtschaftsjournalismus
II. Internationalisierung bis ins 20. Jahrhundert
1. Industrialisierung und Auslandsinvestitionen
2. Deutsch-Amerikanische Treuhand von 1890
3. Berufsstände im beginnenden 20. Jahrhundert
III. Professionalisierung bis ins 21. Jahrhundert
1. Berufszulassung und -ausschließlichkeit
2. Berufsständische Aufsicht und Disziplinierung
3. Berufsstände in der Kritik
B. Regulierung
I. Aufkommen im 20. Jahrhundert
1. Pflichtprüfung
a. Notverordnung zur Abschlussprüfung von 1931
b. Vergleichende Einordnung
2. Kapitalmarktverhaltensrecht
a. US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre
b. Rezeption in der Europäischen Union
3. Anerkennungserfordernisse
a. US-amerikanische NRSRO-Registrierung 1973
b. Europäisches Registrierungsmodell 2009
II. Rollenausformungen bis ins 21. Jahrhundert
1. Anteilseignerinteressen (shareholders' watchdog)
2. Öffentliche Interessen (public watchdog)
3. Krisenbewältigung (insbesondere Enron 2001)
III. Weichenstellungen im 21. Jahrhundert
1. Verdichtung der Pflichtengerüste, Aufsicht und Sanktion
2. Rückbau regulatorischer Ratingindienstnahmen (Dodd-Frank Act 2010)
3. Wettbewerb und Systemschutz
C. Markt
I. Nachfrageseite
1. Emittenten
2. Anlegerpublikum
3. Banken
4. Institutionelle Investoren
II. Angebotsseite
1. Konsolidierung des Wirtschaftsprüfermarkts
2. Anfängliche Konzentration des Ratingmarkts
3. Wendepunkte im Markt für Finanzanalyse
III. Kostenteilung
1. Emittentenfinanzierung von Abschlussprüfung und Rating
2. Investorenfinanzierung der Finanzanalyse
3. Quersubventionierungen und Anteilseignerstrukturen
D. Erfahrungen, Erklärungsschwächen und Klärungsbedarf (Zusammenfassung)
6. Kapitel: Ökonomik
A. Informationseffizienz
I. Effizienz des Kapitalmarkts
II. Relative Informationseffizienz
III. Austausch- und Informationsmarkt
B. Intermediation und Finanzsystem
I. Informationsinternalisierung und -externalisierung
II. Informationsintermediation als Systemdeterminante
III. Disintermediation und Systemwechsel
C. Finanz- und Informationsintermediation
I. Finanzintermediäre im weiteren Sinne
II. Informationsintermediation als abgeleitete Überwachung
III. Multilaterales Agenturverhältnis
D. Information, Reputation und Markt
I. Information als hybrid privat-öffentliches Wirtschaftsgut
II. Glaubwürdigkeit und Reputation
III. Informations- und Reputationsmarkt
E. Erträge der theoretischen Ökonomik (Zusammenfassung)
7. Kapitel: Empirik
A. Bedeutung
I. Finanzsystem
1. Systemeffizienz
2. Markteffizienz
3. Unternehmensüberwachung
II. Investoren
1. Informationsauswertung
2. Standarderwartung
3. Differenzierungen (unbeauftragte und beauftragte Leistungen)
III. Emittenten
1. Fremdkapital (Rating-Herabstufung von ThyssenKrupp 2003)
2. Eigenkapital
3. Kapitalstruktur (rating driven finance)
B. Versagen
I. Beurteilungsschwächen
1. Anpassungsschwächen
2. Überoptimismus
3. Herdenverhalten
II. Interessenkonflikte
1. Absatzdruck (opinion shopping)
2. Vergütung
3. Leistungskombinationen (low-balling)
III. Qualitätsstagnation
C. Disziplinierung
I. Reputation
II. Haftung
III. Regulierung
D. Belege, Folgerungen und fortdauernde Suche (Zusammenfassung)
Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte
8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre
A. Grundsatzfragen
I. Steuerungsprozesse
1. Transformation der Steuerungsaufgaben
2. Komplexität und kooperative Regulierung
3. Transnationale Konstitutionalisierung
II. Regelungskonzeptionen
1. Anreizsteuerung
a. Wohlverhaltensanreize statt Abschreckung
b. Anreizhomogenität und -heterogenität
c. Regulierungsparadoxon
2. Metaregulierung
a. Eingebettete Selbstregulierung
b. Vereinnahmungen durch das Regelungssubjekt
c. Komparativer Institutionenansatz
3. Markt- und Risikoorientierung
a. Anknüpfung an Zahlungsbereitschaften
b. Risikoexternalisierung als Funktionsgrenze
c. Leistungsgrenzen der Marktkräfte
III. Verfassungsrecht
1. Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität
a. Gewährleistungsverantwortung
b. Staatliche Gestaltungsentscheidung
c. Staatliches und privates Ordnungswissen
2. Staatliche Verantwortung bei hybrider Regulierung
a. Inanspruchnahme privater Dritter
b. Funktionale Kooperationsverhältnisse
c. Staatliche Eigenwahrnehmung und Komplexitätsminderungen
3. Legitimation von Expertenrecht
a. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft
b. Steuerung privater Standardsetzung
c. Legitimation transnationaler Standardsetzung
4. Abwehr-, Schutz- und Gewährleistungsansprüche
a. Informationsintermediation und Daseinsvorsorge
b. Staatliche Schutzpflichten
c. Grundrechtliche Drittwirkungen
B. Typologie regulatorischer Indienstnahmen
I. Verantwortungszuweisung (third-party policing)
1. Einordnung
2. Steuerung komplexer Interaktion zwischen Privaten
3. Geldwäschebekämpfung als Pars pro Toto
II. Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory license)
1. Einordnung
2. Explizite und implizite Rechtsfolgenanknüpfung
3. Bewertung durch Wettbewerbskräfte bei Umfeldkomplexität
4. Prospektverantwortlichkeit der Banken als Pars pro Toto
III. Marktzugangskontrolle (gatekeeping)
1. Einordnung
2. Relationale Überwachung der Marktteilnahme
3. Selbstdurchsetzende Überwachung in Reputationsmärkten
4. Mehrebenensystem der Marktzugangskontrolle
5. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Partes pro Toto
C. Gestaltungsfaktoren
I. Grenzen der Abschreckung Primärverantwortlicher
II. Fehlende Anreize zum privaten Selbst- oder Fremdschutz
III. Verhinderungsmöglichkeit und -anreize des privaten Dritten
IV. Verhältnismäßigkeit der Kosten
D. Folgeprobleme regulatorischer Indienstnahmen (Zusammenfassung)
9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungsfolgepflichten
A. Funktionsgrenzen
I. Verhaltensanomalien in der Diskussion
1. Informationsunsicherheit
2. Anomalien
3. Professionalisierung
II. Systematische Fehlanreize
1. Heterogenität der Präferenzen
2. Individuelle Präferenzen
3. Anreizsteuerung
III. Mechanismusinstabilität
B. Typologie des Intermediationsversagens
I. Ausbleibende Intermediation
1. Angebotsfaktoren
2. Nachfragestörungen
3. Markteintrittsbarrieren
II. Fehlerhafte Information
1. Kollusionen
2. Agenturprobleme
3. Oligopole
III. Schädliche Folgewirkungen
1. Folgewirkung
2. Schädlichkeit
3. Pfadabhängigkeit
C. Regelungsebenen
I. Private Steuerung
1. Vertragspraxis
2. Kodexregeln
3. Schwächen
II. Berufsrechtliche Konkretisierung
1. Selbstverwaltung
2. Gefahren
3. Fortentwicklung
III. Regulatorischer Eingriff
1. Konventionelle Regulierung
2. Unbestimmte Rechtsbegriffe
3. Deregulierung
D. Regelungspflichten infolge von Funktionsgrenzen der Informationsintermediation (Zusammenfassung)
10. Kapitel: Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarkt-lichen Informationsintermediation
A. Grundstrukturen (anatomy)
B. Regulatorische Rahmenbedingungen (regulatory strategies)
I. Verhaltenspflichten (agent constraints)
1. Verhaltensvorgaben (rules)
2. Verhaltensstandards (standards)
II. Einbindungsregeln (affiliation terms)
1. Eintritt (entry)
2. Austritt (exit)
III. Durchsetzungsmodi (enforcement)
C. Strukturen privater Ausgestaltung (governance strategies)
I. Bestellungsrechte (appointment rights)
1. Auswahl (selection)
2. Abbestellung (removal)
II. Einwirkungsrechte (decision rights)
1. Ergebnisvorgabe (initiation)
2. Ergebnisbeeinflussung (veto)
III. Anreizkonformität (agent incentives)
1. Interessenwahrung und Reputation (trusteeship)
2. Interessenzuordnung durch Vergütung (reward)
D. Strukturwandel – Zum Fortgang der Untersuchung
Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation
11. Kapitel: Vertrag
A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen
I. Regelungsprobleme
1. Vertragsautonomie (Markt statt Regulierung)
2. Grenzen privater Ordnung (Externalitäten)
3. Freie Rechtswahl (Rechtsordnungsarbitrage)
II. Regelungsbestand
1. Abschlussprüfung
2. Bonitätsrating
3. Finanzanalyse
III. Strukturfragen
B. Intermediationsabsprache
I. Pflichtenprogramm
1. Vertragswesentliche Pflichten (Freizeichnungsgrenzen)
a. Leistungsumfang
b. Umfassende Haftungsfreizeichnung
c. Grobe Fahrlässigkeit als faktischer Sorgfaltsmaßstab
2. Sorgfalt (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung)
a. Verkehrsübliche Sorgfalt
b. Neutralität, Sachkunde und Objektivität
c. Bestimmbarkeit
3. Treue (insbesondere Vertraulichkeit)
a. Vertraulichkeit als Korrelat des Auftraggebervertrauens
b. Vertraulichkeit und marktliche Informationserwartung
c. Interessenwahrung und Marktzugangskontrolle
II. Selbstbindung
1. Private Wohlverhaltensregeln (codes of conduct)
2. Bindungswirkung (Vertragsmechanismus)
3. Einschränkbarkeit (Discount-Broker-Rechtsprechung)
III. Drittbindung
1. Ansätze zwischen Vertrag und Markt
2. Durchbrechungen des Grundsatzes caveat investor
3. Interessenkonflikte (Grundmodell des § 181 BGB)
C. Nebenabreden
I. Marktfunktionsschützende Klauselkontrolle (§§ 305 ff. BGB)
II. Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
1. Zinsanpassungsklauseln im Fokus
2. Inbezugnahme externer Ratings
3. Intransparenter Verhaltensstandard?
III. Angemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB)
1. Nachbesicherungspflichten als Beispiel
2. Frühwarnfunktion allein zugunsten des Kreditgebers
3. Unangemessene Klippen- und Kaskadeneffekte?
IV. Drittinteressen (§§ 307 Abs. 1 Satz 1, 334 BGB)
1. Ausschluss von Drittinteressen
2. Begrenzung der Dritthaftung
3. Grenzen des Einwendungsdurchgriffs
D. Absprachegrenzen
I. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)
1. Ausnutzung von Machtpositionen
2. Standeswidriges Verhalten
3. Drittschädigung (Kollusion)
II. Unlauterkeit (§§ 1 ff. UWG i. V. m. §§ 134, 138 BGB)
1. Mitbewerber
2. Vertragsparteien
3. Investor
III. Marktmanipulation (§ 134 BGB i. V. m. Art. 15 EU-MarktmissbrauchsVO)
E. Leistungsgrenzen des Vertragsrechts (Zusammenfassung)
12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung
A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen
I. Regelungsprobleme
1. Intermediär-, Emittenten- und Beraterhaftung (Mehrebenensystem)
2. Funktionsschutz durch Haftung (gatekeeper liability)
3. Vermögensschäden Dritter (pure economic loss)
4. Verschuldensmaßstäbe bei Partei- und Dritthaftung
5. Verantwortungsteilung (comparative negligence, proportionate liability)
6. Haftungshöchstsummen (liability caps)
7. Anwendbares Recht (Divergenzen des Schutzniveaus)
8. Insbesondere: Haftung internationaler Ratingagenturen
9. Insbesondere: Lokalisierung reiner Vermögensschäden
II. Regelungsbestand
1. Abschlussprüfer
2. Rating
3. Finanzanalyse
III. Strukturfragen
B. Parteien
I. Emittent
1. Prognosehaftung
2. Einseitige Pflichtenentlastung (bespeaks doctrine)
3. Steuerungsausfall der Haftung
II. Abonnenten
1. Finanzanalysen (Börsendienst-Urteil)
2. Ratings
C. Dritte
I. Stand und Wandel der Diskussion
II. Emittent
1. Kredit- und Betriebsschutz (§§ 823 Abs. 1, 824 BGB)
2. Vermögensschutz (§ 826 BGB)
3. Wettbewerbsschutz (§§ 8 ff. UWG)
III. Anleger
1. Vertrauensschutz
a. Vertrauenstypisierung (Prospekthaftung i. e. S.)
b. Individualvertrauen (Vertrag mit Schutzwirkung)
c. Sondervertrauen (Sachwalterhaftung)
2. Vermögensschutz
a. Spezialgesetze (§ 21 WpPG und Art. 35a EG-RatingVO)
b. Schutzgesetze (§§ 323 HGB, Art. 6 ff. EG-RatingVO, § 34b WpHG)
c. Sittenwidrigkeit (§ 826 BGB)
D. Schaden, Kausalität, Beweislast
I. Kursdifferenzschaden
1. Vertragsabschluss- und Kursdifferenzschaden
2. Zwei-Personen- und Marktverhältnis
3. Begrenzung auf den Kursdifferenzschaden
II. Preiskausalität
1. Preisbeeinträchtigung statt Vertrauensverletzung
2. Folgen für die Kausalitätskette (fraud on the market theory)
3. Informationsintegrität als Schutzgut
III. Beweislast
1. Kausalitätsnachweis (Anscheinsbeweis)
2. Beweisnot („Berücksichtigung“, Art. 35a EG-RatingVO)
3. Darlegung (Erleichterungen?)
E. Haftungshöchstsummen
I. Gesetz
1. Bemessung (Versicherbarkeit)
2. Bezugsgröße (absolut oder relativ)
3. Drittwirkung (Wertentscheidung)
II. Vertrag
1. Beschluss und Offenlegung (Legitimation)
2. Gerichtliche Kontrolle (Angemessenheit)
3. Zwingender Drittschutz (Verbote)
III. Selbstbehalt – Korrelat der Haftungshöchstsumme
F. Haftungsausschluss und -minderung
I. Einwilligung des Emittenten (volenti non fit iniuria)
II. Mitverschulden des Emittenten
III. Mitverschulden des Drittgeschädigten
G. Gesamtschuld und Rückgriff
I. Intermediär und Emittent
II. Intermediäre untereinander (multiple gatekeepers)
H. Intermediärhaftung als Gestaltungsaufgabe (Zusammenfassung)
13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten
A. Berufszugang und Verhaltenspflichten
I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen
1. Regelungsprobleme
a. Rollenausformungen
b. Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
c. Berufsrecht und Regulierung
2. Regelungsbestand
a. Abschlussprüfung
b. Bonitätsrating
c. Finanzanalyse
3. Strukturfragen
II. Berufszugang
1. Organisation der Mitarbeiterstruktur
2. Offenlegung der Marktteilnahme
3. Verbot der Leistungserbringung ohne Zulassung
4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
III. Verhaltenspflichten
1. Organisation des Intermediationsprozesses
a. Quellenprüfung (Nachforschung)
b. Auswertung (Methodenverantwortung)
c. Berichtigung und Aktualisierung (Nachverfolgung)
2. Darbietung und Kennzeichnung
a. Maßstab (Adressatenbezogenheit)
b. Standardangaben (Informationsquellen und Methoden)
c. Besondere Kennzeichnung (Verlässlichkeit)
3. Veröffentlichungsgebote und -verbote
a. Veröffentlichungsverbot bei Zweifeln
b. Unbedingte Veröffentlichungspflicht?
c. Verbot des stillen Leistungsabbruchs?
4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
IV. Rechte des Emittenten
1. Stellungnahmen des Emittenten
2. Öffentlicher Widerspruch und Untersagungsverlangen
3. Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe
4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
V. Zusammenführung der Ergebnisse
B. Unabhängigkeit
I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen
1. Regelungsprobleme
a. Interessenwahrung und Informationsintegrität
b. Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Interessenkonflikte
c. Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot
2. Regelungsbestand
a. Abschlussprüfung
b. Bonitätsrating
c. Finanzanalyse
3. Strukturfragen
II. Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit
1. Eigenverantwortlichkeit
a. Organisation
b. Offenlegung
c. Verbot nachgelagerter Tätigkeiten (Abkühlungsphase?)
2. Unbefangenheit
a. Organisation (interne Rotation)
b. Offenlegung (transparente Rotation?)
c. Leistungsverbot (externe Rotation)
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
III. Personelle und finanzielle Verflechtung
1. Personelle Verflechtung
a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung
b. Offenlegung als Mindestverhaltenspflicht
c. Leistungsverbot für unausweichliche Konfliktlagen
2. Finanzielle Verflechtungen
a. Organisation als mittelbare Compliance-Pflicht
b. Offenlegung wesentlicher Eigenbeteiligungen
c. Leistungsverbot bei Eigenbeteiligung
d. Leistungsverbot bei Fremdbeteiligung
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
IV. Geschäftliche Beziehungen
1. Finanzielle Abhängigkeit
a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung
b. Offenlegung der Einnahmen
c. Leistungsverbot bei Umsatzabhängigkeit
2. Leistungskombinationen
a. Organisation der Informationsflüsse (Chinese walls bzw. screens)
b. Offenlegung von Zusatzleistungen
c. Verbot einzelner Zusatzleistungen
d. Verbot zum Schutz des Marktvertrauens
e. Verbot der Selbstprüfung
f. Verbot strategischer Kombinationen (low-balling)
g. Vollständiges Beratungsverbot
h. Fortbestehende Probleme beim Rating
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
V. Zusammenführung der Ergebnisse
C. Vergütung
I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen
1. Regelungsprobleme
a. Vergütung, Reputation und Interessenkonflikte
b. Vergütungsmodelle (issuer pay v. investor pay)
c. Markt oder Regulierung?
2. Regelungsbestand
a. Abschlussprüfung
b. Bonitätsrating
c. Finanzanalyse
3. Strukturfragen
II. Vergütungsverhandlung und -gestaltung
1. Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten
a. Organisation auf Emittentenseite (audit committee, financial expert)
b. Offenlegung der Aufsichtsratsbeteiligung
c. Teilnahmeverbote auf Intermediärseite
2. Intermediärinterne Vergütungsgestaltung
a. Organisation interner Vergütungsverhandlungen (remuneration committe)
b. Offenlegung der Vergütungsstrukturen
c. Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
III. Missbräuchliche Vergütungsabsprachen
1. Provisionsorientierte Vorableistungen (opinion shopping)
a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung
b. Offenlegungspflichten als unvollständiger Ansatz
c. Vergütungszwang für Vorabbewertungen (fee for service)
2. Vergütungserzwingung durch unbeauftragte Leistungen (unsolicited rating)
a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung
b. Offenlegung unbeauftragter Leistungen
c. Leistungsverbot bei Missbrauch
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
IV. Zusammenführung der Ergebnisse
Zusammenfassung
Einführung: Forschungsfeld, Begriff, Funktionen
1. Kapitel: Forschungsfeld
2. Kapitel: Begriff
3. Kapitel: Funktionen
Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt
5. Kapitel: Entwicklungen
6. Kapitel: Ökonomik
7. Kapitel: Empirik
Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte
8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre
9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediationund Regelungsfolgepflichten
10. Kapitel: Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichenInformationsintermediation
Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation
11. Kapitel: Vertrag
12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung
13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten
A. Berufszugang und Verhaltenspflichten
B. Unabhängigkeit
C. Vergütung
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
I. Europäische Union
II. Deutschland
III. USA
IV. Weitere
1. Australien
2. Frankreich
3. Österreich
4. Vereinigtes Königreich
Sachverzeichnis
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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 222

Patrick C. Leyens

Informationsintermediäre des Kapitalmarkts Private Marktzugangskontrolle durch Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse

Mohr Siebeck

Patrick C. Leyens, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaft in Köln und London; 2006 Promotion; 2014 Habilitation in Hamburg; 2007–2013 Juniorprofessor für Zivilrecht und ökonomische Analyse des Rechts an der Universität Hamburg; derzeit Professor an der Erasmus Universiteit Rotterdam.

e-ISBN PDF 978-3-16-154097-4 ISBN 978-3-16-154096-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Diana

Vorwort Vorwort

Vorwort

Kapitalmärkte sind auf verlässliche Informationen angewiesen. In die Informationsvermittlung zwischen den kapitalsuchenden Emittenten und dem Investorenpublikum sind private Informationsanbieter eingebunden, insbesondere Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten. Fallen deren Beurteilungen schlecht aus, erhöhen sich die Kosten der Kapitalmarktteilnahme. Faktisch entscheiden damit die so genannten Informationsintermediäre über den Kapitalmarktzugang der Unternehmen. Aus dieser Beobachtung ist die international und heute interdisziplinär geführte Debatte um die Chancen einer privaten Marktzugangskontrolle (gatekeeping) erwachsen. Die öffentlichen Erwartungen wurden jedoch immer wieder enttäuscht, zuletzt im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008. In der deutschen Zivilrechtswissenschaft werden die Anforderungen an ein leistungsfähiges Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation an den Schnittstellen von Vertrag, Delikt, Berufsrecht und Regulierung bislang noch nicht übergreifend diskutiert. Die vorliegende Untersuchung soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg wurde die Untersuchung im Wintersemester 2014/15 als Habilitationsschrift angenommen. Entstanden ist sie während meiner Juniorprofessor für Zivilrecht und ökonomische Analyse des Rechts am Institut für Recht und Ökonomik dieser Fakultät von 2007 bis 2013. Fertiggestellt wurde sie im Rahmen einer darauf folgenden eineinhalbjährigen Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Die vorliegende Monographie ist auf Stand von März 2017. Mein wichtigster und tief empfundener Dank richtet sich an meinen verehrten akademischen Lehrer Prof. em. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt, ehemaliger Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Er hat das Habilitationsvorhaben mit größtem Einsatz begleitet. Als vertrauensvoller Mentor hat er mein Forschungsverständnis weit darüber hinaus geprägt. Das schwerpunktmäßig auf die Rechtsökonomik ausgerichtete Zweitgutachten hat freundlicherweise Prof. Dr. Hans-Bernd Schäfer, Bucerius Law School, übernommen. Seit der Zusammenarbeit an der Universität Hamburg durfte ich seine Offenheit im stets bereichernden Dialog über die ökonomische Analyse des Rechts immer wieder erfahren. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, Direktor des genannten Hamburger MPI, hat als Drittgutachter wertvolle Hinweise gegeben, die vorliegend sämtlich berücksichtigt sind.

VIII

Vorwort

Zur Verdichtung der Gedanken hat der Austausch mit zahlreichen Rechtswissenschaftlern aus In- und Ausland beigetragen, am Hamburger MPI besonders mit den Kollegen PD Dr. Walter Doralt, Dr. Andreas M. Fleckner, Prof. Dr. Christoph Kumpan, PD Dr. Felix Steffek, in der Anfangszeit mit Prof. Dr. Markus Roth. Das kontinuierliche Zwiegespräch mit Prof. Dr. Hannes Rösler sowie die Beratung durch Prof. Dr. Anatol Dutta, PD Dr. Jan Lüttringhaus und Prof. Dr. Giesela Rühl hat diesen Austausch an wichtigen Stellen ergänzt. Das Hamburger MPI und seine Direktoren, neben Prof. Basedow, dem Drittgutachter der Habilitationsschrift, Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann, haben meine Forschung großzügig gefördert. Der Redaktion des MPI und ihrem Leiter, Dr. Christian Eckl, danke ich für die freundliche Unterstützung, ganz besonders Frau Janina Jentz für die fachkundige Erstellung der Druckvorlage. Durch die Mitarbeiter der Bibliothek des MPI konnte ich vielfach Hilfe erfahren, die besonders für die rechtsvergleichenden Teile der Untersuchung wichtig war. Vom Deutschen Aktieninstitut, der Esche Schümann Commichau Stiftung, dem Finanzplatz Hamburg und der Stiftung Kapitalmarktrecht für den Finanzplatz Deutschland wurde die Untersuchung mit Förderpreisen ausgezeichnet. Den Stiftern, Vorständen und wissenschaftlichen Beiräten danke ich für diese große Anerkennung. Gewidmet ist die Monographie meiner Frau. Hamburg, im August 2017

Patrick C. Leyens

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht

Einführung ................................................................................................. 1 1. 2. 3. 4.

Kapitel: Forschungsfeld ............................................................................. 3 Kapitel: Begriff......................................................................................... 11 Kapitel: Funktionen ................................................................................. 25 Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele .................................................. 39

Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt ..............47 5. Kapitel: Entwicklungen ........................................................................... 49 6. Kapitel: Ökonomik ................................................................................ 147 7. Kapitel: Empirik .................................................................................... 177

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte ........... 203 8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre ....................................................................... 205 9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungsfolgepflichten .......................................................................... 283 10. Kapitel: Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation .................................................................... 319

Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation ................................................................. 343 11. Kapitel: Vertrag...................................................................................... 345 12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung............................................................ 405 13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten ............................. 557

Zusammenfassung .................................................................................. 723

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................................................... V Inhaltsübersicht ............................................................................................. IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... XXV

Einführung 1. Kapitel: Forschungsfeld ....................................................................... 3 A. B. C. D.

Informationsintermediäre des Kapitalmarkts .............................................. 3 Offene Wirtschaftsgesellschaft, private Macht und Verantwortung ............. 4 Marktstruktur, Internationalisierung und neue Intermediationsfelder ......... 6 Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Untersuchungsfokus .................................................................................. 9 E. Gang der Untersuchung ........................................................................... 10

2. Kapitel: Begriff .....................................................................................11 A. Eingrenzungen und Annäherungen ........................................................... 11 I. Informationsintermediation ................................................................ 12 II. Kapitalmarktbezug ............................................................................. 12 III. Marktzugangskontrolle ....................................................................... 14 B. Informationssammlung, -verarbeitung und -vermittlung ............................15 I. Prüfungsstandards (IDW PS, ISA) ......................................................16 II. Ratingkriterien und -modelle .............................................................. 18 III. Finanzanalysemethoden ...................................................................... 19 C. Zertifizierung, Substituierung, Evaluation .................................................21 I. Fortbestehensprognose (going concern) ...............................................21 II. Bonitätseinstufung (rating grade) ........................................................23 III. Analystenempfehlung (buy, hold, sell).................................................24

3. Kapitel: Funktionen ............................................................................25 A. Vertragsermöglichung (contract governance) .............................................25 I. Wirtschaftsprüfertestate (comfort letters) ............................................26 II. Bonitätsbeurteilungen (rating triggers) ................................................26

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Finanzanalysen (deal related research) .................................................28 B. Geschäftsleiterüberwachung (Corporate Governance) ................................29 I. Abschlussprüfer zwischen Verband und Markt (Prüfungsbericht) ..........30 II. Ratingbasierte Unternehmensfinanzierung (rating enhancements) ........31 III. Finanzanalyse und Marktverbleib (non-deal related research) ...............32 C. Marktfunktionsschutz (market governance) ...............................................33 I. Pflichtprüfung zur Krisenprävention (Intermediationsobligatorium) .....34 II. Rating als Regulierungssubstitut (Eigenkapitalbemessung) ...................35 III. Finanzanalyse und Informationsintegrität (regulierte Intermediation) ..36

4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele .......................................39 A. Grundlagen .............................................................................................. 39 I. Entwicklungen ................................................................................... 39 II. Ökonomik ......................................................................................... 39 III. Empirik ............................................................................................. 40 B. Marktzugangskontrolle ............................................................................. 40 I. Regulatorische Indienstnahme ............................................................ 40 II. Grenzen und Regelungsfolgepflichten .................................................41 III. Rechtliche Grundstrukturen ............................................................... 41 C. Rechtsrahmen .......................................................................................... 42 I. Vertrag .............................................................................................. 42 II. Partei- und Dritthaftung .................................................................... 43 III. Berufsrecht und Regulierung .............................................................. 44

Erster Teil

Informationsintermediation am Kapitalmarkt 5. Kapitel: Entwicklungen ......................................................................49 A. Berufsstände............................................................................................. 50 I. Frühformen vor dem 19. Jahrhundert .................................................50 1. Wanderrevisoren und Buchhalter ...................................................51 2. Kreditauskunfteien und Bonitätsbücher ..........................................54 3. Wirtschaftsjournalismus ................................................................. 55 II. Internationalisierung bis ins 20. Jahrhundert .......................................55 1. Industrialisierung und Auslandsinvestitionen ..................................56 2. Deutsch-Amerikanische Treuhand von 1890 ..................................61 3. Berufsstände im beginnenden 20. Jahrhundert ................................63 III. Professionalisierung bis ins 21. Jahrhundert ........................................66 1. Berufszulassung und -ausschließlichkeit ..........................................67 2. Berufsständische Aufsicht und Disziplinierung ................................69

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Berufsstände in der Kritik............................................................... 73 B. Regulierung ............................................................................................. 78 I. Aufkommen im 20. Jahrhundert .........................................................78 1. Pflichtprüfung ............................................................................... 79 a. Notverordnung zur Abschlussprüfung von 1931 .........................79 b. Vergleichende Einordnung .........................................................83 2. Kapitalmarktverhaltensrecht ........................................................... 86 a. US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre............87 b. Rezeption in der Europäischen Union .........................................90 3. Anerkennungserfordernisse ............................................................. 93 a. US-amerikanische NRSRO-Registrierung 1973 ..........................93 b. Europäisches Registrierungsmodell 2009 .....................................95 II. Rollenausformungen bis ins 21. Jahrhundert .......................................97 1. Anteilseignerinteressen (shareholders’ watchdog) .............................98 2. Öffentliche Interessen (public watchdog) ...................................... 100 3. Krisenbewältigung (insbesondere Enron 2001) ............................. 104 III. Weichenstellungen im 21. Jahrhundert ............................................. 109 1. Verdichtung der Pflichtengerüste, Aufsicht und Sanktion .............. 109 2. Rückbau regulatorischer Ratingindienstnahmen (Dodd-Frank Act 2010) .................................................................................... 110 3. Wettbewerb und Systemschutz ..................................................... 114 C. Markt .................................................................................................... 117 I. Nachfrageseite .................................................................................. 117 1. Emittenten .................................................................................. 117 2. Anlegerpublikum ......................................................................... 119 3. Banken ........................................................................................ 119 4. Institutionelle Investoren.............................................................. 122 II. Angebotsseite ................................................................................... 126 1. Konsolidierung des Wirtschaftsprüfermarkts ................................. 126 2. Anfängliche Konzentration des Ratingmarkts ................................ 128 3. Wendepunkte im Markt für Finanzanalyse ................................... 133 III. Kostenteilung ................................................................................... 134 1. Emittentenfinanzierung von Abschlussprüfung und Rating ........... 134 2. Investorenfinanzierung der Finanzanalyse ..................................... 135 3. Quersubventionierungen und Anteilseignerstrukturen ................... 138 D. Erfahrungen, Erklärungsschwächen und Klärungsbedarf (Zusammenfassung) ............................................................................... 143

6. Kapitel: Ökonomik ........................................................................... 147 A. Informationseffizienz .............................................................................. 148 I. Effizienz des Kapitalmarkts ............................................................... 148 II. Relative Informationseffizienz ........................................................... 152

XIV

Inhaltsverzeichnis

III. Austausch- und Informationsmarkt ................................................... 153 B. Intermediation und Finanzsystem ........................................................... 157 I. Informationsinternalisierung und -externalisierung ............................ 158 II. Informationsintermediation als Systemdeterminante ......................... 159 III. Disintermediation und Systemwechsel .............................................. 162 C. Finanz- und Informationsintermediation ................................................ 163 I. Finanzintermediäre im weiteren Sinne .............................................. 164 II. Informationsintermediation als abgeleitete Überwachung .................. 165 III. Multilaterales Agenturverhältnis ....................................................... 168 D. Information, Reputation und Markt ....................................................... 169 I. Information als hybrid privat-öffentliches Wirtschaftsgut .................. 169 II. Glaubwürdigkeit und Reputation ..................................................... 171 III. Informations- und Reputationsmarkt ................................................ 173 E. Erträge der theoretischen Ökonomik (Zusammenfassung) ....................... 175

7. Kapitel: Empirik ................................................................................ 177 A. Bedeutung ............................................................................................. 178 I. Finanzsystem.................................................................................... 178 1. Systemeffizienz ............................................................................ 178 2. Markteffizienz .............................................................................. 180 3. Unternehmensüberwachung ......................................................... 182 II. Investoren ........................................................................................ 183 1. Informationsauswertung ............................................................... 184 2. Standarderwartung ....................................................................... 184 3. Differenzierungen (unbeauftragte und beauftragte Leistungen) ...... 185 III. Emittenten ....................................................................................... 186 1. Fremdkapital (Rating-Herabstufung von ThyssenKrupp 2003)...... 187 2. Eigenkapital ................................................................................. 187 3. Kapitalstruktur (rating driven finance) .......................................... 189 B. Versagen ................................................................................................ 189 I. Beurteilungsschwächen ..................................................................... 190 1. Anpassungsschwächen .................................................................. 190 2. Überoptimismus .......................................................................... 192 3. Herdenverhalten .......................................................................... 193 II. Interessenkonflikte ........................................................................... 193 1. Absatzdruck (opinion shopping) ................................................... 193 2. Vergütung ................................................................................... 194 3. Leistungskombinationen (low-balling) .......................................... 195 III. Qualitätsstagnation .......................................................................... 197 C. Disziplinierung ...................................................................................... 198 I. Reputation ....................................................................................... 198 II. Haftung ........................................................................................... 200

Inhaltsverzeichnis

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III. Regulierung ..................................................................................... 200 D. Belege, Folgerungen und fortdauernde Suche (Zusammenfassung) ........... 201

Zweiter Teil

Marktzugangskontrolle durch private Dritte 8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre ................................................. 205 A. Grundsatzfragen ..................................................................................... 205 I. Steuerungsprozesse ........................................................................... 206 1. Transformation der Steuerungsaufgaben ....................................... 206 2. Komplexität und kooperative Regulierung .................................... 210 3. Transnationale Konstitutionalisierung .......................................... 212 II. Regelungskonzeptionen .................................................................... 214 1. Anreizsteuerung ........................................................................... 215 a. Wohlverhaltensanreize statt Abschreckung ................................ 216 b. Anreizhomogenität und -heterogenität ...................................... 217 c. Regulierungsparadoxon ............................................................ 218 2. Metaregulierung .......................................................................... 219 a. Eingebettete Selbstregulierung .................................................. 220 b. Vereinnahmungen durch das Regelungssubjekt ......................... 222 c. Komparativer Institutionenansatz ............................................. 223 3. Markt- und Risikoorientierung ..................................................... 224 a. Anknüpfung an Zahlungsbereitschaften .................................... 225 b. Risikoexternalisierung als Funktionsgrenze ................................ 226 c. Leistungsgrenzen der Marktkräfte ............................................. 227 III. Verfassungsrecht .............................................................................. 228 1. Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität ............. 229 a. Gewährleistungsverantwortung ................................................. 230 b. Staatliche Gestaltungsentscheidung ........................................... 232 c. Staatliches und privates Ordnungswissen................................... 233 2. Staatliche Verantwortung bei hybrider Regulierung....................... 234 a. Inanspruchnahme privater Dritter............................................. 234 b. Funktionale Kooperationsverhältnisse ....................................... 235 c. Staatliche Eigenwahrnehmung und Komplexitätsminderungen ........................................................ 237 3. Legitimation von Expertenrecht ................................................... 238 a. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft .................................... 238 b. Steuerung privater Standardsetzung .......................................... 241 c. Legitimation transnationaler Standardsetzung ........................... 243

XVI

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4. Abwehr-, Schutz- und Gewährleistungsansprüche ......................... 247 a. Informationsintermediation und Daseinsvorsorge...................... 247 b. Staatliche Schutzpflichten ......................................................... 248 c. Grundrechtliche Drittwirkungen .............................................. 249 B. Typologie regulatorischer Indienstnahmen .............................................. 249 I. Verantwortungszuweisung (third-party policing) ............................... 250 1. Einordnung ................................................................................. 250 2. Steuerung komplexer Interaktion zwischen Privaten ...................... 251 3. Geldwäschebekämpfung als Pars pro Toto .................................... 252 II. Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory license)..................................... 253 1. Einordnung ................................................................................. 253 2. Explizite und implizite Rechtsfolgenanknüpfung........................... 254 3. Bewertung durch Wettbewerbskräfte bei Umfeldkomplexität ........ 256 4. Prospektverantwortlichkeit der Banken als Pars pro Toto .............. 257 III. Marktzugangskontrolle (gatekeeping) ................................................ 258 1. Einordnung ................................................................................. 259 2. Relationale Überwachung der Marktteilnahme.............................. 262 3. Selbstdurchsetzende Überwachung in Reputationsmärkten ............ 263 4. Mehrebenensystem der Marktzugangskontrolle ............................. 265 5. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Partes pro Toto ...................................................................................... 268 C. Gestaltungsfaktoren................................................................................ 269 I. Grenzen der Abschreckung Primärverantwortlicher ........................... 270 II. Fehlende Anreize zum privaten Selbst- oder Fremdschutz .................. 271 III. Verhinderungsmöglichkeit und -anreize des privaten Dritten ............. 273 IV. Verhältnismäßigkeit der Kosten ........................................................ 276 D. Folgeprobleme regulatorischer Indienstnahmen (Zusammenfassung) ....... 280

9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungsfolgepflichten ............................................ 283 A. Funktionsgrenzen ................................................................................... 283 I. Verhaltensanomalien in der Diskussion ............................................. 284 1. Informationsunsicherheit ............................................................. 285 2. Anomalien ................................................................................... 287 3. Professionalisierung...................................................................... 288 II. Systematische Fehlanreize ................................................................. 290 1. Heterogenität der Präferenzen ...................................................... 290 2. Individuelle Präferenzen ............................................................... 291 3. Anreizsteuerung ........................................................................... 291 III. Mechanismusinstabilität ................................................................... 292 B. Typologie des Intermediationsversagens .................................................. 294 I. Ausbleibende Intermediation ............................................................ 294

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XVII

1. Angebotsfaktoren ......................................................................... 294 2. Nachfragestörungen ..................................................................... 295 3. Markteintrittsbarrieren ................................................................. 296 II. Fehlerhafte Information.................................................................... 297 1. Kollusionen ................................................................................. 298 2. Agenturprobleme ......................................................................... 298 3. Oligopole .................................................................................... 301 III. Schädliche Folgewirkungen .............................................................. 302 1. Folgewirkung ............................................................................... 303 2. Schädlichkeit ............................................................................... 304 3. Pfadabhängigkeit ......................................................................... 305 C. Regelungsebenen .................................................................................... 307 I. Private Steuerung ............................................................................. 307 1. Vertragspraxis .............................................................................. 308 2. Kodexregeln................................................................................. 308 3. Schwächen ................................................................................... 309 II. Berufsrechtliche Konkretisierung ...................................................... 310 1. Selbstverwaltung .......................................................................... 310 2. Gefahren ..................................................................................... 311 3. Fortentwicklung .......................................................................... 312 III. Regulatorischer Eingriff .................................................................... 313 1. Konventionelle Regulierung ......................................................... 313 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe ........................................................ 314 3. Deregulierung .............................................................................. 315 D. Regelungspflichten infolge von Funktionsgrenzen der Informationsintermediation (Zusammenfassung) .................................... 316

10. Kapitel: Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation ............................... 319 A. Grundstrukturen (anatomy) ................................................................... 320 B. Regulatorische Rahmenbedingungen (regulatory strategies) ..................... 322 I. Verhaltenspflichten (agent constraints) ............................................. 323 1. Verhaltensvorgaben (rules) ........................................................... 323 2. Verhaltensstandards (standards) .................................................... 325 II. Einbindungsregeln (affiliation terms) ................................................ 326 1. Eintritt (entry) ............................................................................. 327 2. Austritt (exit) ............................................................................... 328 III. Durchsetzungsmodi (enforcement) ................................................... 330 C. Strukturen privater Ausgestaltung (governance strategies) ........................ 330 I. Bestellungsrechte (appointment rights) ............................................. 331 1. Auswahl (selection) ...................................................................... 331 2. Abbestellung (removal) ................................................................ 332

XVIII

Inhaltsverzeichnis

II. Einwirkungsrechte (decision rights) .................................................. 333 1. Ergebnisvorgabe (initiation) ......................................................... 334 2. Ergebnisbeeinflussung (veto) ........................................................ 335 III. Anreizkonformität (agent incentives)................................................. 336 1. Interessenwahrung und Reputation (trusteeship) ........................... 336 2. Interessenzuordnung durch Vergütung (reward)............................ 337 D. Strukturwandel – Zum Fortgang der Untersuchung ................................ 339

Dritter Teil

Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation 11. Kapitel: Vertrag ............................................................................... 345 A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen.................................... 345 I. Regelungsprobleme .......................................................................... 346 1. Vertragsautonomie (Markt statt Regulierung) ............................... 346 2. Grenzen privater Ordnung (Externalitäten) .................................. 348 3. Freie Rechtswahl (Rechtsordnungsarbitrage) ................................. 349 II. Regelungsbestand ............................................................................. 352 1. Abschlussprüfung ......................................................................... 352 2. Bonitätsrating .............................................................................. 353 3. Finanzanalyse............................................................................... 356 III. Strukturfragen .................................................................................. 357 B. Intermediationsabsprache ....................................................................... 358 I. Pflichtenprogramm .......................................................................... 358 1. Vertragswesentliche Pflichten (Freizeichnungsgrenzen).................. 358 a. Leistungsumfang ...................................................................... 359 b. Umfassende Haftungsfreizeichnung .......................................... 360 c. Grobe Fahrlässigkeit als faktischer Sorgfaltsmaßstab .................. 361 2. Sorgfalt (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung) .............................. 363 a. Verkehrsübliche Sorgfalt ........................................................... 363 b. Neutralität, Sachkunde und Objektivität ................................... 364 c. Bestimmbarkeit ........................................................................ 367 3. Treue (insbesondere Vertraulichkeit) ............................................ 368 a. Vertraulichkeit als Korrelat des Auftraggebervertrauens ............. 368 b. Vertraulichkeit und marktliche Informationserwartung ............. 369 c. Interessenwahrung und Marktzugangskontrolle ......................... 370 II. Selbstbindung .................................................................................. 370 1. Private Wohlverhaltensregeln (codes of conduct) .......................... 371 2. Bindungswirkung (Vertragsmechanismus) .................................... 372 3. Einschränkbarkeit (Discount-Broker-Rechtsprechung) .................. 375

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III. Drittbindung ................................................................................... 375 1. Ansätze zwischen Vertrag und Markt ............................................ 376 2. Durchbrechungen des Grundsatzes caveat investor ........................ 378 3. Interessenkonflikte (Grundmodell des § 181 BGB) ....................... 379 C. Nebenabreden ........................................................................................ 380 I. Marktfunktionsschützende Klauselkontrolle (§§ 305 ff. BGB) ........... 381 II. Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ............................................ 383 1. Zinsanpassungsklauseln im Fokus ................................................. 383 2. Inbezugnahme externer Ratings .................................................... 384 3. Intransparenter Verhaltensstandard? ............................................. 385 III. Angemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ...................................... 386 1. Nachbesicherungspflichten als Beispiel ......................................... 386 2. Frühwarnfunktion allein zugunsten des Kreditgebers..................... 387 3. Unangemessene Klippen- und Kaskadeneffekte?............................ 387 IV. Drittinteressen (§§ 307 Abs. 1 Satz 1, 334 BGB) .............................. 388 1. Ausschluss von Drittinteressen...................................................... 388 2. Begrenzung der Dritthaftung ........................................................ 389 3. Grenzen des Einwendungsdurchgriffs ........................................... 391 D. Absprachegrenzen................................................................................... 392 I. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) ........................................................... 393 1. Ausnutzung von Machtpositionen ................................................ 394 2. Standeswidriges Verhalten ............................................................ 394 3. Drittschädigung (Kollusion) ......................................................... 394 II. Unlauterkeit (§§ 1 ff. UWG i. V. m. §§ 134, 138 BGB) .................... 395 1. Mitbewerber ................................................................................ 396 2. Vertragsparteien ........................................................................... 398 3. Investor ....................................................................................... 399 III. Marktmanipulation (§ 134 BGB i. V. m. Art. 15 EU-MarktmissbrauchsVO) ............................................................... 400 E. Leistungsgrenzen des Vertragsrechts (Zusammenfassung) ........................ 402

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung ................................................ 405 A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen.................................... 407 I. Regelungsprobleme .......................................................................... 407 1. Intermediär-, Emittenten- und Beraterhaftung (Mehrebenensystem) .................................................................... 408 2. Funktionsschutz durch Haftung (gatekeeper liability).................... 413 3. Vermögensschäden Dritter (pure economic loss) ........................... 419 4. Verschuldensmaßstäbe bei Partei- und Dritthaftung ...................... 424 5. Verantwortungsteilung (comparative negligence, proportionate liability) ................................................................. 425 6. Haftungshöchstsummen (liability caps) ........................................ 430

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7. Anwendbares Recht (Divergenzen des Schutzniveaus) ................... 434 8. Insbesondere: Haftung internationaler Ratingagenturen ................ 438 9. Insbesondere: Lokalisierung reiner Vermögensschäden .................. 441 II. Regelungsbestand ............................................................................. 444 1. Abschlussprüfer............................................................................ 445 2. Rating ......................................................................................... 450 3. Finanzanalyse............................................................................... 457 III. Strukturfragen .................................................................................. 461 B. Parteien ................................................................................................. 462 I. Emittent .......................................................................................... 464 1. Prognosehaftung .......................................................................... 464 2. Einseitige Pflichtenentlastung (bespeaks doctrine) ......................... 466 3. Steuerungsausfall der Haftung ...................................................... 467 II. Abonnenten ..................................................................................... 468 1. Finanzanalysen (Börsendienst-Urteil)............................................ 469 2. Ratings ........................................................................................ 470 C. Dritte .................................................................................................... 472 I. Stand und Wandel der Diskussion .................................................... 473 II. Emittent .......................................................................................... 475 1. Kredit- und Betriebsschutz (§§ 823 Abs. 1, 824 BGB) .................. 476 2. Vermögensschutz (§ 826 BGB) .................................................... 479 3. Wettbewerbsschutz (§§ 8 ff. UWG) ............................................. 481 III. Anleger ............................................................................................ 482 1. Vertrauensschutz .......................................................................... 482 a. Vertrauenstypisierung (Prospekthaftung i. e. S.) ......................... 483 b. Individualvertrauen (Vertrag mit Schutzwirkung) ...................... 487 c. Sondervertrauen (Sachwalterhaftung) ........................................ 493 2. Vermögensschutz ......................................................................... 496 a. Spezialgesetze (§ 21 WpPG und Art. 35a EG-RatingVO) .......... 497 b. Schutzgesetze (§§ 323 HGB, Art. 6 ff. EG-RatingVO, § 34b WpHG) ......................................................................... 503 c. Sittenwidrigkeit (§ 826 BGB) ................................................... 507 D. Schaden, Kausalität, Beweislast ............................................................... 511 I. Kursdifferenzschaden........................................................................ 512 1. Vertragsabschluss- und Kursdifferenzschaden ................................ 513 2. Zwei-Personen- und Marktverhältnis ............................................ 515 3. Begrenzung auf den Kursdifferenzschaden .................................... 516 II. Preiskausalität .................................................................................. 517 1. Preisbeeinträchtigung statt Vertrauensverletzung ........................... 517 2. Folgen für die Kausalitätskette (fraud on the market theory) .......... 518 3. Informationsintegrität als Schutzgut ............................................. 520 III. Beweislast ........................................................................................ 520 1. Kausalitätsnachweis (Anscheinsbeweis) ......................................... 521

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E.

F.

G. H.

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2. Beweisnot („Berücksichtigung“, Art. 35a EG-RatingVO) .............. 523 3. Darlegung (Erleichterungen?) ....................................................... 524 Haftungshöchstsummen ......................................................................... 526 I. Gesetz .............................................................................................. 527 1. Bemessung (Versicherbarkeit) ....................................................... 527 2. Bezugsgröße (absolut oder relativ) ................................................ 530 3. Drittwirkung (Wertentscheidung) ................................................ 532 II. Vertrag ............................................................................................ 533 1. Beschluss und Offenlegung (Legitimation) .................................... 534 2. Gerichtliche Kontrolle (Angemessenheit) ...................................... 535 3. Zwingender Drittschutz (Verbote) ................................................ 537 III. Selbstbehalt – Korrelat der Haftungshöchstsumme ............................ 538 Haftungsausschluss und -minderung ....................................................... 539 I. Einwilligung des Emittenten (volenti non fit iniuria) ......................... 540 II. Mitverschulden des Emittenten ........................................................ 541 III. Mitverschulden des Drittgeschädigten ............................................... 547 Gesamtschuld und Rückgriff .................................................................. 548 I. Intermediär und Emittent................................................................. 549 II. Intermediäre untereinander (multiple gatekeepers) ............................ 550 Intermediärhaftung als Gestaltungsaufgabe (Zusammenfassung) .............. 552

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten ............ 557 A. Berufszugang und Verhaltenspflichten .................................................... 557 I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen .............................. 558 1. Regelungsprobleme ...................................................................... 558 a. Rollenausformungen ................................................................ 558 b. Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit .......................... 561 c. Berufsrecht und Regulierung .................................................... 563 2. Regelungsbestand ......................................................................... 565 a. Abschlussprüfung ..................................................................... 565 b. Bonitätsrating .......................................................................... 567 c. Finanzanalyse ........................................................................... 569 3. Strukturfragen ............................................................................. 572 II. Berufszugang .................................................................................... 572 1. Organisation der Mitarbeiterstruktur ............................................ 572 2. Offenlegung der Marktteilnahme ................................................. 574 3. Verbot der Leistungserbringung ohne Zulassung ........................... 575 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 577 III. Verhaltenspflichten .......................................................................... 578 1. Organisation des Intermediationsprozesses .................................... 579 a. Quellenprüfung (Nachforschung) ............................................. 579 b. Auswertung (Methodenverantwortung) ..................................... 583

XXII

Inhaltsverzeichnis

c. Berichtigung und Aktualisierung (Nachverfolgung) ................... 585 2. Darbietung und Kennzeichnung ................................................... 587 a. Maßstab (Adressatenbezogenheit) ............................................. 587 b. Standardangaben (Informationsquellen und Methoden) ............ 589 c. Besondere Kennzeichnung (Verlässlichkeit) ............................... 590 3. Veröffentlichungsgebote und -verbote .......................................... 591 a. Veröffentlichungsverbot bei Zweifeln........................................ 591 b. Unbedingte Veröffentlichungspflicht? ....................................... 592 c. Verbot des stillen Leistungsabbruchs?........................................ 593 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 595 IV. Rechte des Emittenten ...................................................................... 597 1. Stellungnahmen des Emittenten ................................................... 598 2. Öffentlicher Widerspruch und Untersagungsverlangen .................. 601 3. Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe ................................ 603 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 604 V. Zusammenführung der Ergebnisse .................................................... 605 B. Unabhängigkeit...................................................................................... 607 I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen .............................. 607 1. Regelungsprobleme ...................................................................... 608 a. Interessenwahrung und Informationsintegrität .......................... 608 b. Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Interessenkonflikte ......... 611 c. Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot........................ 614 2. Regelungsbestand ......................................................................... 616 a. Abschlussprüfung ..................................................................... 617 b. Bonitätsrating .......................................................................... 621 c. Finanzanalyse ........................................................................... 623 3. Strukturfragen ............................................................................. 625 II. Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit .................................... 626 1. Eigenverantwortlichkeit ............................................................... 626 a. Organisation ............................................................................ 627 b. Offenlegung ............................................................................. 629 c. Verbot nachgelagerter Tätigkeiten (Abkühlungsphase?) ............. 629 2. Unbefangenheit ........................................................................... 631 a. Organisation (interne Rotation) ................................................ 633 b. Offenlegung (transparente Rotation?) ....................................... 638 c. Leistungsverbot (externe Rotation) ........................................... 638 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 641 III. Personelle und finanzielle Verflechtung ............................................. 642 1. Personelle Verflechtung ................................................................ 642 a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung .......................... 643 b. Offenlegung als Mindestverhaltenspflicht.................................. 644 c. Leistungsverbot für unausweichliche Konfliktlagen.................... 644 2. Finanzielle Verflechtungen ........................................................... 645

Inhaltsverzeichnis

XXIII

a. Organisation als mittelbare Compliance-Pflicht......................... 646 b. Offenlegung wesentlicher Eigenbeteiligungen............................ 647 c. Leistungsverbot bei Eigenbeteiligung ........................................ 648 d. Leistungsverbot bei Fremdbeteiligung ....................................... 649 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 650 IV. Geschäftliche Beziehungen ............................................................... 650 1. Finanzielle Abhängigkeit .............................................................. 651 a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung ...................... 652 b. Offenlegung der Einnahmen..................................................... 652 c. Leistungsverbot bei Umsatzabhängigkeit ................................... 655 2. Leistungskombinationen .............................................................. 657 a. Organisation der Informationsflüsse (Chinese walls bzw. screens) .................................................................................... 659 b. Offenlegung von Zusatzleistungen ............................................ 662 c. Verbot einzelner Zusatzleistungen............................................. 665 d. Verbot zum Schutz des Marktvertrauens ................................... 668 e. Verbot der Selbstprüfung.......................................................... 670 f. Verbot strategischer Kombinationen (low-balling) ..................... 671 g. Vollständiges Beratungsverbot .................................................. 673 h. Fortbestehende Probleme beim Rating ...................................... 677 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 680 V. Zusammenführung der Ergebnisse .................................................... 682 C. Vergütung.............................................................................................. 684 I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen .............................. 685 1. Regelungsprobleme ...................................................................... 685 a. Vergütung, Reputation und Interessenkonflikte ........................ 685 b. Vergütungsmodelle (issuer pay v. investor pay) .......................... 688 c. Markt oder Regulierung? .......................................................... 692 2. Regelungsbestand ......................................................................... 695 a. Abschlussprüfung ..................................................................... 695 b. Bonitätsrating .......................................................................... 697 c. Finanzanalyse ........................................................................... 698 3. Strukturfragen ............................................................................. 698 II. Vergütungsverhandlung und -gestaltung ........................................... 699 1. Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten ................................ 699 a. Organisation auf Emittentenseite (audit committee, financial expert) ....................................................................... 700 b. Offenlegung der Aufsichtsratsbeteiligung .................................. 703 c. Teilnahmeverbote auf Intermediärseite ..................................... 703 2. Intermediärinterne Vergütungsgestaltung ..................................... 705 a. Organisation interner Vergütungsverhandlungen (remuneration committe) ......................................................... 705 b. Offenlegung der Vergütungsstrukturen ..................................... 705

XXIV

Inhaltsverzeichnis

c. Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen ..................................... 706 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 710 III. Missbräuchliche Vergütungsabsprachen ............................................ 711 1. Provisionsorientierte Vorableistungen (opinion shopping) ............. 711 a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung .......................... 711 b. Offenlegungspflichten als unvollständiger Ansatz ...................... 712 c. Vergütungszwang für Vorabbewertungen (fee for service) .......... 714 2. Vergütungserzwingung durch unbeauftragte Leistungen (unsolicited rating) ....................................................................... 715 a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung ...................... 716 b. Offenlegung unbeauftragter Leistungen .................................... 717 c. Leistungsverbot bei Missbrauch ................................................ 718 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................. 719 IV. Zusammenführung der Ergebnisse .................................................... 721

Zusammenfassung Einführung: Forschungsfeld, Begriff, Funktionen ......................................... 724 Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt ............................. 727 Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte ............................ 731 Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation ......... 736

Literaturverzeichnis ..................................................................................... 747 Rechtsprechungsverzeichnis ......................................................................... 811 Sachverzeichnis............................................................................................ 817

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a.E. a. F. a. M. AAB-WP AAPA ABA J. abgedr. ABl. EG ABl. EU ABN AMRO Abs. Abschn. AC Acad. Mmgt. Rev. Acct. Horiz. Acct. Org. & Soc. Acct. Rev. Achte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie

AcP ACSR ADHGB AEUV AG AGB AICPA AIG AIMR AktR

Abkürzungsverzeichnis anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung am Main Allgemeine Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften v. 1.1.2017, hrsg. v. IDW Association of Authorised Public Accountants American Bar Association Journal abgedruckt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Algemene Bank Nederland (ABN) Amsterdam-Rotterdam Bank (AMRO) Absatz, Absätze Abschnitt(e) Appeal Cases (Law Reports) Academy of Management Review Accounting Horizons Accounting, Organizations and Society Accounting Review Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. L 126 v. 12.5.1984, S. 20 Archiv für die civilistische Praxis Australian Corporations and Securities Reports Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Konsolidierte Fassung, bekanntgemacht am 9.5.2008, ABl. EU C 115 v. 9.5.2008, S. 47 Amtsgericht; Aktiengesellschaft (Rechtsform); Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen American Institute of Certified Public Accountants American International Group Association for Investment Management and Research Aktienrecht

XXVI Ala. L. Rev. All ER Alt. Am. Bankr. Inst. J. Am. Bus. L.J. Am. Econ. Rev. Am. J. Comp. L. Am. Res. J. Hum. Soc. Sc. Am. U. L. Rev. AMF Änderungsrichtlinie 2014/56/EU zur EG-Abschlussprüfer richtlinie ÄnderungsVO Nr. 462/ 2013 zur EGRatingVO Anh. Anm. Ann. Fin. Ann. Rev. L. & Soc. Sci. AnSVG AnwBl AöR APAG APAK APAReG

APAS APB AppCas AReG

Abkürzungsverzeichnis Alabama Law Review All England Law Reports Alternative(n) American Bankruptcy Institute Journal American Business Law Journal American Economic Review American Journal of Comparative Law American Research Journal of Humanities and Social Sciences American University Law Review Autorité des marchés financiers Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/ 43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. EU L 158 v. 27.5.2014, S. 196 Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verord nung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU L 146 v. 31.5.2013, S. 1 Anhang, Anhänge Anmerkung Annals of Finance Annual Review of Law & Social Science Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, S. 2630 Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht über Abschlussprüfer in der Wirtschaftsprüferordnung (Abschlussprüferaufsichtsgesetz – APAG) v. 27.12.2004, BGBl. I 2004, 3846 Abschlussprüferaufsichtskommision Gesetz zur Umsetzung der aufsichts- und berufsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/ 2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz – APAReG) v. 31.3.2016, BGBl. I 2016, 518 Abschlussprüferaufsichtsstelle Accounting Principles Board Appeal Cases Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) v. 10.5.2016, BGBl. I 2016, 1142

Abkürzungsverzeichnis ARegV Ariz. L. Rev. Art. ASCPA Asia-Pacific J. Fin. Stud. Aufl. B.C. L. Rev. B.U. L. Rev. BaFin Banking L.J. Banz, AT, B BARefG

Basel II Basel III BAWe BB BCBS BCC BCCG Bd., Bde. BDA BDI BDO BdRA Bearb., bearb. BeckRS begr., Begr. Beih. Bell J. Econ. Bell J. Econ. Mgt. Sc. BFuP BGBl. I, II BGBl. III BGH BGHZ

XXVII

Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) v. 29.10.2007, BGBl. I 2007, 2529 Arizona Law Review Artikel American Society of Certified Public Accountants Asia-Pacific Journal of Financial Studies Auflage Boston College Law Review Boston University Law Review Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Banking Law Journal Bundesanzeiger, Amtlicher Teil, Bekanntmachung Gesetz zur Stärkung der Berufsaufsicht und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen in der Wirtschaftsprüferordnung (Berufsaufsichtsreformgesetz – BARefG) v. 3.9.2007, BGBl. I 2007, 2178 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Juni 2006 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Juni 2011 Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, seit 1.5.2002 BaFin Betriebs-Berater Basel Committee on Banking Supervision (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht) British Company Law Cases Berlin Center of Corporate Governance Band, Bände Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Binder Dijker Otte Bundesverband der Ratinganalysten e. V. Bearbeitung, bearbeitet Beck online Rechtsprechung begründet, Begründer, Begründung Beiheft(e) Bell Journal of Economics Bell Journal of Economics and Management Science Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesgesetzblatt Teil I, II Bereinigte Sammlung des Bundesrechts, abgeschlossen am 31.12.1968, in Nachweisform fortgeführt durch FNA Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

XXVIII BilKoG BilMoG BilReG

BIZ BKR BR-Drucks. BRAO Brook. J. Int’l L. Bros. BS WP/vBP

BT-Drucks. BuB Bus. L. Today Bus. Law. Bus. & Soc. Rev. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. C.F.R. C.M.L.R. CA ca. Cal. L. Rev. CalPERS CAP CCZ CDO CEO CESR CF CFA CFO CFR Ch. Chapman L. Rev.

Abkürzungsverzeichnis Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) v. 15.12.2004, BGBl. I 2004, 3408 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) v. 4.12. 2004, BGBl. I 2004, 3166 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesratsdrucksache Bundesrechtsanwaltsordnung Brooklyn Journal of International Law Brothers Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer – BS WP/vBP) v. 21.6.2016, BAnz AT v. 22.07.2016, B1 Bundestagsdrucksache Bankrecht und Bankpraxis Business Law Today Business Lawyer Business and Society Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Code of Federal Regulations Common Market Law Review Court of Appeals circa California Law Review California Public Employees’ Retirement System Committee on Accounting Procedures Corporate Compliance Zeitschrift collaterized debt obligations chief executive officer Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden) Corporate Finance Chartered Financial Analyst chief financial officer Code of Federal Regulations Chancery (Law Reports) Chapman Law Review

Abkürzungsverzeichnis ChApp ChD Civ. Civilprozeßordnung von 1877 CLJ Cm CMLR Co. Co. Law. Colum. Bus. L. Rev. Colum. J. Transnat’l L. Colum. L. Rev. Com. Combined Code Companies Act 1900 Companies Act 1985 Companies Act 2006 Cong. Conn. L. Rev. Contemp. Acct. Res. Corp. Corp. Gov. Int’l Rev. CPA CPA J. CRD IV

Credit Rating Agencies Reform Act Credit Rating Agency Duopoly Relief Act CRR

d. h. D&O DAI DAJV-NL DAV DAX DB

XXIX

Chancery Appeals (Law Reports) Chancery Division (Law Reports) Civil Division Civilprozeßordnung v. 30.1.1877, RGBl. 1877, 83 Cambridge Law Journal Command Paper Common Market Law Review Company Company Lawyer Columbia Business Law Review Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Commission The Combined Code on Corporate Governance, The Financial Reporting Council, London, July 2003 Companies Act 1900, 63 & 64 Vict., c. 48 Companies Act 1985, c. 6 Companies Act 2006, c. 46 Congress Connecticut Law Journal Contemporary Accounting Research corporate, corporation Corporate Governance: An International Review Certified Public Accountant The CPA Journal Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU L 176 v. 27.6.2013, S. 338 Credit Rating Agencies Reform Act, Pub. L. 109-291, September 29, 2006, 120 Stat. 1327 (2006) Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005, H.R. 2990, 1st sess., 109th Cong., Juni 20, 2005 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. EU L 176 v. 27.6.2013, S. 1 ff. das heißt Directors & Officers Deutsches Aktieninstitut Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristenvereinigung Deutscher Anwaltverein Deutscher Aktienindex Der Betrieb

XXX DBW DCGK Delegierte VO (EU) 2016/958

Denv. U. L. Rev. ders. Die Bank dies. DIHT DIN DiskE-KapInHaG

DJT Dodd-Frank Act DPR DRSC DStR Duke L.J. DVBl. DVFA E e. V. EBA ebd. EBLR EBOR ECAI ECFR ECMH ECMI Econ. J.

Abkürzungsverzeichnis Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex, i. d. F. v. 7.2.2017, BAnz AT v. 24.04.2017 B2 Delegierte Verordnung (EU) 2016/958 der Kommission vom 9. März 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die technischen Regulierungsstandards für die technischen Modalitäten für die objektive Darstellung von Anlageempfehlungen oder anderen Informationen mit Empfehlungen oder Vorschlägen zu Anlagestrategien sowie für die Offenlegung bestimmter Interessen oder Anzeichen für Interessenkonflikte; ABl. EU L 160 v. 17.6.2016, S. 15 Denver University Law Review derselbe Die Bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Deutsches Institut für Normung Bundesministerium der Finanzen, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG), abgedr. in: NZG 2004, 1042 Deutscher Juristentag Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Pub. L. 111-203, July 21, 2010, 124 Stat. 1376 Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal Das Deutsche Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management Entwurf eingetragener Verein European Banking Authority ebenda European Business Law Review European Business Organization Law Review External Credit Assessment Institution European Company and Financial Law Review efficient capital market hypothesis European Capital Markets Institute The Economic Journal

Abkürzungsverzeichnis EG-Abschlussprüferrichtlinie

XXXI

Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über die Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU L 157 v. 9.6.2006, S. 87 EG-Eigenkapitalrichtlinie Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EU L 177 v. 30.6.2006, S. 1 EG-MarktmissbrauchsRichtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des richtlinie Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. L 96 EU v. 12.4.2003, S. 16 EG-Prospektrichtlinie Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU L 345 v. 31.12.2003, S. 64 EG-ProspektVO Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. EU L 149 v. 30.4.2004, S. 1. EG-RatingVO Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABI. EU L 302 v. 17.11.2009, S. 1 EG-Richtlinie über unlau- Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des tere Geschäftspraktiken Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/ EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. EU L 149 v. 11.6.2005, S. 22 EG-Übernahmerichtlinie Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU L v. 30.4.2004, S.12 Emory L.J. Emory Law Journal EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig Erg.-Lfg. Ergänzungslieferung ESFS Europäisches Finanzaufsichtssystem ESMA European Securities and Markets Authority (Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde)

XXXII

Abkürzungsverzeichnis

ESME ESRC etc. ETF EU EU-AbschlussprüferVO

European Securities Markets Expert Group Economic & Social Research Council et cetera Exchange-Traded Fund Europäische Union VO (EU) 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, ABl. EU L 158 v. 27.5.2014, S. 77 EU-AbschlussprüfungsSiehe: Änderungsrichtlinie 2014/56/EU zur EGreform 2014 Abschlussprüferrichtlinie und EU-AbschlussprüferVO EU-MarktmissbrauchsRichtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des richtlinie Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. EU L 173 v. 12.6.2014, S. 179 EU-MarktmissbrauchsVO Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/ 72/EG der Kommission, ABl. EU L 173 v. 12.6.2014, S. 1 EuGH Europäischer Gerichtshof EuR Europarecht Eur. Acct. Rev. European Accounting Review Eur. Fin. Mgt. European Financial Management Eur. J.L. & Econ. European Journal of Law and Economics Europ. J. Fin. European Journal of Finance EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWCA England and Wales, Court of Appeal EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWHC England and Wales, High Court EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EZB Europäische Zentralbank F. Supp. f., ff. F.2d, 3d FASB FAVAG FAZ FB FCA FCAFC FG FIMALAC Fin. Analysts J.

Federal Supplement folgende Federal Reporter, 2d Series, 3d Series Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz-Betrieb: Zeitschrift für Unternehmensfinanzierung und Finanzmanagement Financial Conduct Authority Federal Court of Australia Full Court Festgabe, Freundesgabe Financière Marc Ladreit de Lacharrière Financial Analysts Journal

Abkürzungsverzeichnis FinAnV FinDAG FINRA Fla. St. U. L. Rev. FLI Fn. FNA FR FRBNY FRBNY Econ. Pol. Rev. FRBNY Q. Rev. FrHSchV D-USA FRRP FRUG

FS FSA FSMA 2000 FTSE G GAO GBP GDV Geo. L.J. Geo. Mason U. C.R. L.J. Geo. Wash. L. Rev. GesKR GesRZ ggf. GLJ GmbH GmbHG Großkomm. GRUR GS

XXXIII

Finanzanalyseverordnung v. 17.12.2004 (BGBl. I 2004, 3522), geändert durch Art. 1 der Verordnung v. 20.7.2007 (BGBl. I 2007, 1430) Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310 Financial Industry Regulatory Authority Florida State University Law Review Financial Law Institute, Universiteit Gent Fußnote(n) Fundstellennachweis A (Bundesrecht), siehe BGBl. III Federal Register Federal Reserve Bank of New York Current Issues in Economics and Finance Federal Reserve Bank of New York Economic Policy Review Federal Reserve Bank of New York Quarterly Review Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954, BGBl. II 1956, 487 Financial Reporting Review Panel Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330 Festschrift Financial Services Authority Financial Services and Markets Act 2000 Index von Financial Times Stock Exchange Gesetz, Gericht (in zusammengesetzten Abkürzungen) United States Government Accountability Office Great Britain Pound Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Georgetown Law Journal George Mason University Civil Rights Law Journal George Washington Law Review Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Der Gesellschafter – Zeitschrift für Gesellschafts- & Unternehmensrecht gegebenenfalls German Law Journal Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v. 20.4.1892, RGBl. I 477, i. d. F. v. 20.5.1898, RGBl. I 846, FNA 4123-1 Großkommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

h. M . H.R. Halbs. Harv. Bus. L. Rev. Harv. Int’l L.J. Harv. L. Rev. Hastings Bus. L.J. Hdb. HDSW HL HM Hous. L. Rev. Hrsg., hrsg. Human Rel.

herschende Meinung House Reports Halbsatz Harvard Business Law Review Harvard International Law Journal Harvard Law Review Hastings Business Law Journal Handbuch Handwörterbuch der Sozialwissenschaften House of Lords Her/His Majesty Houston Law Review Herausgeber, herausgegeben Human Relations

i. d. F. i. e. S. i. H. v. i. R . d. i. S . d. i. S . v . i. V. m. i. w . S. IAS IASB ICAEW ICFA IDW IDW PH IDW PS IDW RH IFAC IFRS IJD&G IKB Inc. Ind. Mgmt. Rev. Insolvency Act 1986 Int. J. Fin. Econ. Int. J. Ind. Organ. Int’l Fin. L. Rev. Int’l Rev. L. & Econ. Investment Company Act

in der Fassung im engeren Sinne in Höhe von im Rahmen der/des im Sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne International Accounting Standards International Accounting Standards Board Institute of Chartered Accountants of England and Wales Institute of Chartered Financial Analysts Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. IDW Prüfungshinweise IDW Prüfungsstandards IDW Rechnungslegungshinweise International Federation of Accountants International Financial Reporting Standards International Journal of Disclosure and Governance Deutsche Industriebank Incorporated Industrial Management Review Insolvency Act 1986, c. 45 International Journal of Finance & Economics International Journal of Industrial Organization International Financial Law Review International Review of Law and Economics Investment Company Act, Pub. L. 76-768, August 22, 1940, 54 Stat. 789 (1940) International Organization of Securities Commissions Iowa L. Rev. Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts internal rating based approach

IOSCO Iowa L. Rev. IPO IPRax IRB

Abkürzungsverzeichnis IRN IRT ISA ISB IStR

Independent Research Network Institut für das Revisions- und Treuhandwesen International Standards on Auditing Independence Standards Board Internationales Steuerrecht

J. Acct. & Econ. J. Acct. Aud. & Fin. J. Acct. Res. J. Bank. Regul. J. Banking & Fin. J. Betriebwirtschaft/ Mgt. Rev. Q. J. Bus. J. Bus. Ethics J. Bus. Fin. & Acct. J. Contemp. Bus. J. Corp. L. J. Econ. & Bus. J. Econ. & Bus. Hist. J. Econ. & Fin. J. Econ. Behav. Organ. J. Econ. Persp. J. Econ. Surveys J. Econ. Th. J. Empirical Legal Stud. J. Fin. J. Fin. Econ. J. Fin. Intermed. J. Fin. Res. J. Fixed lncome J. Int’l Money & Fin. J. Legal Stud. J. Mgmt. Stud. J. Monet. Econ. J. Money, Credit & Bank. J. Pol. Econ. J. Pub. Pol’y J. Struct. Fin. J.L. & Econ. J.L. Econ. & Org. JARAF Jb. JBl JCLS JDM JEP jew. JfB

Journal of Accounting and Economics Journal of Accounting, Auditing and Finance Journal of Accounting Research Journal of Banking Regulation Journal of Banking & Finance Journal für Betriebswirtschaft/ Management Review Quarterly Journal of Business Journal of Business Ethics Journal of Business Finance & Accounting Journal of Contemporary Business Journal of Corporation Law Journal of Economics and Business Journal of Economic and Business History Journal of Economics and Finance Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Economic Perspectives Journal of Economic Surveys Journal of Economic Theory Journal of Empirical Legal Studies Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial Intermediation Journal of Financial Research Journal of Fixed lncome Journal of International Money and Finance Journal of Legal Studies Journal of Management Studies Journal of Monetary Economics Journal of Money, Credit & Banking Journal of Political Economy Journal of Public Policy Journal of Structured Finance Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics & Organization Journal of Applied Research in Accounting and Finance Jahrbuch Juristische Blätter Journal of Corporate Law Studies Judgment and Decision Making Journal of Economic Perspectives jeweils Jahrbuch für Betriebswirte

XXXV

XXXVI JFC JITE Joint Companies Act 1856 Joint Stock Companies Act 1844 Journalism Q. JuS Just. Q. JW JZ

Abkürzungsverzeichnis Journal of Financial Crime Journal of Institutional and Theoretical Economics Joint Companies Act 1856, 19 & 20 Vict., c. 47 Joint Stock Companies Act 1844, 7 & 8 Vict., c. 110 Journalism Quarterly (heutiges: Journalism & Mass Communication Quarterly) Juristische Schulung Justice Quarterly Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung

KAGB

Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981

Kap. KapInHaG

Kapitel Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG), abgedr. in: NZG 2004, 1042 King’s Bench (Law Reports) Kammergericht (Berlin); Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommission (der Europäischen Gemeinschaften) Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786 Der Konzern Koordinator Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Klynveld Peat Marwick Goerdeler Kredit und Kapital Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2776

KB KG KGaA Köln. KOM Komm. KonTraG Konzern Koord. KoR KPMG KuK KWG L. & Contemp. Prob. L. & Pol’y L. & Pol’y Int’l Bus. LB Lewis & Clark L. Rev. LFMR LG lit. Lloyd’s Rep. Losebl. LQR LR

Law and Contemporary Problems Law & Policy Law and Policy in International Business Landesbank Lewis & Clark Law Review Law and Financial Markets Review Landgericht litera, Buchstabe Lloyd’s Reports Loseblatt Law Quarterly Review Law Reports

Abkürzungsverzeichnis

XXXVII

ltd.

limited

m. w. N. M&A MaComp

MR Münch.

mit weiteren Nachweisen Mergers and Acquisitions BaFin, Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp), Rundschreiben 4/2010 (WA), Stand: 7.8.2014 Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) v. 1.3.2005, BGBl. I 2005, 515) Managerial Auditing Journal Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Rundschreiben 15/2009(BA) der BaFin v. 14.8.2009 Proceedings of the Midwest Business Economics Association Mortgage backed securities McGill Law Journal Maryland Law Review Midcap-Index der Deutschen Börse Metropolitan Corporate Counsel Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates, ABl. EG L 145 v. 30.4.2004, S. 1 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU L 241 v. 2.9.2006, S. 26 Minnesota Journal of International Law Minnesota Law Review Mississippi Law Journal Modern Law Review Missouri Law Review Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. II: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1888 Master of the Rolls Münchener

N.C. Banking Inst. N.C. L. Rev. n. F. N.Y.U. L. Rev.

North Carolina Banking Institute North Carolina Law Review neue Fassung New York University Law Review

MaKonV Managerial Audit. J. MaRisk MBEA Proc. MBS McGill L.J. Md. L. Rev. MDax Metr. Corp. C. MiFID

MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG

Minn. J. Int’l L. Minn. L. Rev. Miss. L.J. MLR Mo. L. Rev. Mot. II

XXXVIII Nachdr. Nachw. NASDAQ

Abkürzungsverzeichnis

Nr. NRSRO NSW NSWLR NVwZ NYSE NZA NZG NZLR

Nachdruck Nachweis(e) National Association of Securities Dealers Automated Quotations National Bureau of Economic Research National Federation of Financial Analysts’ Societies Neue Juristische Wochenschrift number Notre Dame Law Review Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie v. 19.9.1931, RGBl. I 1939, 493 Nummer Nationally Recognized Statistical Rating Organization New South Wales New South Wales Law Reports Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht New Zealand Law Reports

ÖBA OECD OFR OGH OHG OJLS Okla. L. Rev. OLG OR Spectrum ÖZW

Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen Organisation for Economic Co-operation and Development operating and financial review Oberster Gerichtshof (Österreich) Offene Handelsgesellschaft Oxford Journal of Legal Studies Oklahoma Law Review Oberlandesgericht Operations Research Spectrum Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

PCAOB plc. POB Private Securities Litigation Reform Act Prot. II Pub. L. PwC

Public Company Accounting Oversight Board public limited company Public Oversight Board Private Securities Litigation Reform Act, Pub. L. 104-67, December 22, 1995, 109 Stat. 737 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB, Bd. II, Berlin 1898 Public Law Pricewaterhouse Coopers

Q. J. Bus. & Econ. Q. J. Econ. Q. Rev. Econ. & Bus. Q. Rev. Econ. & Fin. QB QBD

Quarterly Journal of Business and Economics Quarterly Journal of Economics Quarterly Review of Economics and Business Quarterly Review of Economics and Finance Queen’s Bench Queen’s Bench Division (Law Reports)

NBER NFFS NJW no. Notre Dame L. Rev. Notverordnung

Abkürzungsverzeichnis

XXXIX

QBD (Comm. Ct.)

Queen’s Bench Division (Commercial Court)

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de Droit des Affaires Internationales/International Business Law Journal Redakteuer Referentenentwurf regulation(s) Regierungsentwurf Regulation Analyst Certification, 17 CFR 242.500 (2003).

RDAI/IBLJ Red. RefE reg. RegE Regulation Analyst Certification Regulation Fair Disclosure Rev. Banking & Fin. L. Rev. Econ. Stud. Rev. Fin. Stud. RGBl. I, II Riv. soc. RIW Rn. ROHG Rom I-VO

Rom II-VO

Rs. Rt. Hon. RW S. S. Tex. L. Rev. S.C. L. Rev. S.I. S&P San Diego L. Rev. Sarbanes-Oxley Act SEC Sess. Seton Hall Legis. J. Slg. Soc. Just. SRO SSRN

Regulation Fair Disclosure, 17 CFR 243.100 (2000) Review of Banking and Financial Review of Economic Studies Review of Financial Studies Reichsgesetzblatt Teil I, II Rivista delle società Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Gutachten des Reichsoberhandelsgerichts Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. EU L 177 v. 4.7.2008, S. 6 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S. 40 Rechtssache Right Honourable Rechtswissenschaft – Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung Seite(n) South Texas Law Review South Carolina Law Review Statutory Instrument Standard & Poor’s San Diego Law Review Sarbanes-Oxley Act of 2002, Pub. L. 107-204, July 30, 2002, 116 Stat. 745 United States Securities and Exchange Commission Session Seton Hall Legislative Journal Sammlung Social Justice Self-regulatory Organization Social Science Research Network

XL

Abkürzungsverzeichnis

Stan. J.L. Bus. & Fin. Stan. L. Rev. Stat. StB StuB StuW

Stanford Journal of Law, Business & Finance Stanford Law Review Statute Steuerberater Unternehmenssteuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft: Zeitschrift für die gesamten Steuerwissenschaften Sup. Ct. Econ. Rev. Supreme Court Economic Review Syracuse J. Int’l L. & Com. Syracuse Journal of International Law and Commerce SZW/RSDA Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarkt­ recht/Revue suisse de droit des affairs et du marche financier Tex. L. Rev. TLR Transnat’l Law. TransPuG Tul. L. Rev. Tz. U. Chi. L. Rev. U. Chi. L. Rev. Dialogue U. Cin. L. Rev. U. Pa. L. Rev. U. Pitt. L. Rev. u. a . UCLA L. Rev. UKHL UKlaG

Texas Law Review Times Law Reports Transnational Lawyer Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681 Tulane Law Review Teilziffer

UmwG Unterabs. URN US US-GAAP Utah L. Rev.

University of Chicago Law Review University of Chicago Law Review Dialogue University of Cincinnati Law Review University of Pennsylvania Law Review University of Pittsburgh Law Review und andere; unter anderem UCLA Law Review United Kingdom House of Lords Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG) v. 27. August 2002, BGBl. I 2002, 3422) Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802 Umwandlungsgesetz Unterabsatz Universal Ressource Name United States United States Generally Accepted Accounting Principles Utah Law Review

v. Va. J. Int’l L. Va. L. & Bus. Rev. Va. L. Rev. VAG Vand. L. Rev. Var.

versus; von; vom Virginia Journal of International Law Virginia Law and Business Review Virginia Law Review Versicherungsaufsichtsgesetz Vanderbilt Law Review Variante(n)

UMAG

Abkürzungsverzeichnis VerkProspG VermAnlG VersR vgl. Vierte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie Viertes Finanzmarktförderungsgesetz Vill. L. Rev. VO VOC Vor VorstAG VSWG VuR VVDStRL VVG W. Econ. J. Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L.Q. WiPrPrO

XLI

Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2701 Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz – VermAnlG) v. 6.12.2011, BGBl. I 2011, 2481 Versicherungsrecht: Zeitschrift für Versicherungsrecht vergleiche Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222 v. 14.8.1978, S. 11 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, S. 2010 Villanova Law Review Verordnung, -verordnung Vereenigde Oostindische Compagnie Vorbemerkung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509 Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Verbraucher und Recht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG) v. 23.11.2007, BGBl. I 2077, 2631

Western Economic Journal Washington and Lee Law Review Washington University Law Quarterly Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) v. 5.11.1975, BGBl. I 1975, 2803 WiPrPrüfV Prüfungsverordnung für Wirtschaftsprüfer nach §§ 14 und 131 I der Wirtschaftsprüferordnung (Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung – WiPrPrüfV) v. 20.7.2004, BGBl. I 2004, 1707 Wirtschaftsdienst Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Wis. Int’l L.J. Wisconsin International Law Journal WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium WLR Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wm. & Mary Bus. L. Rev. William & Mary Business Law Review WP Praxis Wirtschaftsprüferpraxis WpAIV Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung) v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, 3376 WPg Die Wirtschaftsprüfung

XLII WpHG

Abkürzungsverzeichnis

WRP

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2708 Wirtschaftsprüferkammer Mitteilungen der Wirtschaftsprüferkammer Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) i. d. F. v. 5.11.1975, BGBl. I 1975, 2803, FNA 702-1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) v. 20.12. 2001, BGBl. I 2001, 3822, FNA 4110-7 Wettbewerb in Recht und Praxis

Yale L.J. Yale Rev.

Yale Law Journal Yale Review

z. B. ZBB ZD ZEuP ZfA ZfB Zfbf

zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer(n) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift Interne Revision Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

WPK WPK-Mitt. WPO WpÜG

ZfhF ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIR ZKredW ZSR ZVglRWiss

Einführung Einführung

1. Kapitel

Forschungsfeld 1. Kapitel: Forschungsfeld

A. Informationsintermediäre des Kapitalmarkts

Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten zählen zu den wichtigsten Informationsintermediären des Kapitalmarkts. Informationsintermediäre stehen zwischen Emittenten und Investoren und fördern durch ihre Informationsleistungen den Kapitalaustausch. Die vom Abschlussprüfer übernommene Prüfung der Rechnungslegung zeigt die Fähigkeit der Geschäftsführung des Emittenten auf, ihre Kernfunktionen zu erfüllen, also Kapitaleingänge wie -ausgänge und die damit verbundenen Risiken wahrzunehmen und ordnungsgemäß offenzulegen. Bonitätsratings geben Auskunft zur voraussichtlichen Fähigkeit der Schuldenbedienung, steuern also Informationen zum Fortbestand des Emittenten bei. Finanzanalysen schätzen die künftige Kursentwicklung ein und sprechen Empfehlungen zum Kapitaleinsatz aus. In ihrer Gesamtheit bilden die Leistungen dieser Informationsintermediäre die wesentlichen Komponenten einer mit Investitionsentscheidungen verbundenen Informationsnachfrage. Die Funktionsfähigkeit des anonymen Austauschs am Kapitalmarkt ist durch die Verlässlichkeit der vermittelten Informationen bedingt. Aus diesen Beobachtungen ist eine umfangreiche international und interdisziplinär geführte Diskussion um die Informationsintermediation als Instrument einer privaten Marktzugangskontrolle (gatekeeping) erwachsen. Ausgangspunkt ist die Bedeutung der vermittelten Information für das Investorenverhalten und den Preis für Kapital. Positive Informationen senken, schlechte Informationen steigern die Kosten der Kapitaleinwerbung von Emittenten. Intermediationsleistungen beeinflussen folglich sowohl das Angebots- als auch das Nachfrageverhalten. Rechtlich kann diese Wirkung durch Verantwortungs- und Pflichtenzuweisungen an die Intermediäre ausgebaut werden. Während die Abschlussprüfung schon früh in den Blick des Gesetzgebers rückte, wird der Regelungsbestand zu Ratingagenturen und Finanzanalysten erst in jüngerer Zeit aufgebaut. Die Intermediationsleistungen der Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten weisen zahlreiche Unterschiede auf. Ausgehend von der ihnen gemeinsamen Funktion als private Kontrolleure des Marktzugangs stellen sich jedoch in allen drei Bereichen ähnliche Regelungsfragen. Einen wichtigen Anstoß für die vergleichende Erforschung der Informationsintermediation gab die im Jahr 2006 von John C. Coffee vorgelegte Monographie „Gatekeepers: The Role of the Professions and Corporate Governance“. Die

4

Einführung

Rolle privater Informationsdienstleister als Kontrolleure des Marktzugangs hatte zuvor bereits Reinier H. Kraakman in seinem Aufsatz „Gatekeepers: The Anatomy of a Third-Party Enforcement Strategy“ aus dem Jahr 1986 erschlossen.1 Regelungsprobleme der kapitalmarktlichen Informationsintermediation werden zumeist kriseninduziert angegangen und richten sich gegen das Fehlverhalten einzelner Berufsgruppen. Mit diesem Vorgehen können sich für das betroffene Intermediationssegment Übersteuerungen ergeben, während es für andere Bereiche bis zum verstärkten Auftreten von Fehlverhalten bei Untersteuerungen bleibt. Die vorliegende Untersuchung zeigt die Grundsatzfragen der Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre auf. Dazu werden die entwicklungsgeschichtlichen, ökonomischen und empirischen Grundlagen von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse erschlossen. Es folgt eine regulierungstheoretische Erfassung von Chancen und Grenzen der Indienstnahme privater Informationsdienstleister zur Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität, die zu Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation verdichtet wird. Hieran sind Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des rechtlichen Rahmens der Informationsintermediation zwischen Vertrag, Haftung, Berufsrecht und Regulierung zu messen.

B. Offene Wirtschaftsgesellschaft, private Macht und Verantwortung Eine offene Wirtschaftsgesellschaft überlässt den privaten Parteien die Entscheidung über Inhalt und Gestaltung ihres Austauschs.2 Diese Offenheit kommt bei der freien Unternehmensgründung und Wahl von Formen der Kapitaleinwerbung zum Ausdruck. An die Stelle der staatlichen Entscheidungssteuerung tritt die geregelte Unternehmenspublizität.3 Die Prüfung des Jahresabschlusses ist verpflichtend. Die meisten anderen Intermediationsleistungen bleiben hingegen zumindest im Ausgangspunkt dem freien Spiel von Informationsangebot und -nachfrage überlassen. Mittelbare Zwänge zur Einholung von Bonitätsbeurteilungen ergeben sich, soweit sie für die Bemessung des Eigenkapitals von finanzierenden Banken verwendet werden.4 Vor allem aber zwingen privat gewachsene Marktpraktiken zur Inanspruchnahme der Leistungen von Informationsintermediären bis hin zur Einwerbung von Finanzanalysen. Mit der Offenheit für den privaten Kapital- und Informationsaustausch verbinden sich Chancen der Wohlfahrtssteigerung, zugleich aber auch Gefahren infolge einer Akkumulation privater Informationsmacht durch kleine Gruppen.5 1 2 3 4 5

2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). Basedow The Law of Open Societies, 2015, Rn. 89 ff., 91 (S. 56 ff.) Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 31 ff., 127. Schroeter Ratings, 2014, S. 100. Möslein in: ders. (Hrsg.), Private Macht, 2016, S. 1, 17 zum Forschungsgegenstand.

1. Kapitel: Forschungsfeld

5

Frühere Machtkonzentrationen bei eng miteinander verbundenen Unternehmen und Banken verlagern sich zu beachtlichen Teilen auf neu entstandene Entscheidungsgefüge im Informationsmarkt.6 Pointiert formulierte Thomas L. Friedman im Jahr 1996: „There are two superpowers in the world today in my opinion. There is the United States and there is Moody’s Bond Rating Service. The United States can destroy you by dropping bombs, and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds. And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.“7

Die Informationsmacht privater Intermediäre fordert eine auf den Schutz der freien Meinung und wirtschaftlichen Betätigung bauende Rechtsordnung heraus. In einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt sollten sich Beurteilungen von niedriger Qualität nicht dauerhaft durchsetzen können. Beeinträchtigungen einzelner Leistungen infolge von Interessenkonflikten bringen zumeist Institutionen zur Sicherung der Unabhängigkeit hervor. In den durch enge Oligopole geprägten Märkten von Abschlussprüfung und Bonitätsrating ist mit dem ungesteuerten Aufkommen solcher Institutionen nur eingeschränkt zu rechnen.8 Ähnliche Probleme ergeben sich aus der Dominanz der verkaufsseitigen Finanzanalyse durch Banken.9 Invasive Maßnahmen zur Steigerung des Wettbewerbs wie etwa die Aufspaltung privat errichteter Unternehmenseinheiten dürfen allgemein nur als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden.10 Auf Informationsanbieter wären solche Maßnahmen kaum zu beschränken. Ihr flächendeckender Einsatz bedeutete eine Rückkehr zur staatlichen Entscheidung über den Nutzen der Unternehmensgröße. Im grenzüberschreitenden Informationsmarkt wären nationale Vorstöße zur Reduzierung privater Machtpositionen von vornherein chancenlos. Die stattdessen angezeigte Ingriffnahme systematisch auftretender Schwächen der Informationsintermediation lässt sich ebenfalls nur international bewerkstelligen. Deutlich wird dies besonders mit Blick auf die großen Ratingagenturen, die jeweils über einen Hauptsitz in den USA verfügen. Über lange Zeit bestanden kaum Verhaltensvorgaben. Allgemeine Haftungsandrohungen blieben wirkungslos, weil US-amerikanische Gerichte das Rating dem Schutz der Meinungsfreiheit unterstellten. Erst in den letzten Jahren gerät der (zu) weit gehende Zur Bankenmacht Mülbert Gutachten E, 61. DJT 1996, S. E22 ff. m. w. N. Friedman im Interview „The News Hour“ aus dem Jahr 1996. Vielfach aufgegriffen, z. B. von Coffee Gatekeepers, 2006, S. 283. 8 Cox in: Armour / McCahery (Hrsg.), After Enron, 2006, S. 295 ff. zur Abschlussprüfung; Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 274 f. zum Rating. 9 Fisch in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 315, 320. 10 Erwogen wurden solche Maßnahmen in Bezug auf systemrelevante Finanzinstitute. Dazu Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G28 ff., G31. Zu Ratingagenturen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 369. 6 7

6

Einführung

Institutionenschutz des Ratings ins Wanken. Die Folge sind spezifische Maßnahmen zum Rückbau der regulatorischen Indienstnahmen von Bonitätsbeurteilungen diesseits wie jenseits des Atlantiks. Hinzu kommen für das Rating wie bereits zuvor für die Finanzanalyse Pflichtenkataloge, die Konvergenzen zum Recht der Abschlussprüfung erkennen lassen.

C. Marktstruktur, Internationalisierung und neue Intermediationsfelder Bedeutung, Ausformung und Fortentwicklung der Informationsintermediation sind in großem Maße durch die Marktstrukturen bedingt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das deutsche Finanzsystem durch wechselseitige Beteiligungen, Überkreuzverflechtungen und vor allem durch die starke Rolle der Banken geprägt. Informationszugang und -auswertung konzentrierten sich auf wenige Akteure. Spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich diese Ausgangsbedingungen geändert.11 Durch die gestiegene Präsenz institutioneller Investoren und das bei DAX-30-Unternehmen hälftige Anteilseigentum ausländischer Investoren glichen sich die Informationsprozesse an die des US-amerikanischen Markts an. Die Informationsintermediation ist ein wichtiges Scharnier für den Übergang auf ein Finanzsystem, das auf die Informationsverarbeitung durch den Markt setzt.12 Bereits seit ihren Anfängen war die Informationsintermediation Begleiter der Globalisierung. Die Teilnahme US-amerikanischer Unternehmen am Markt für Investitionen aus dem Ausland wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend von der Vorlage geprüfter Abschlüsse abhängig. Dies führte zum Import der britischen Wirtschaftsprüfung.13 In den 1930er-Jahren wurde in den USA und auch in Deutschland die Pflichtprüfung eingeführt, wie bereits ein knappes Jahrhundert zuvor in Großbritannien. Das der US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre zugrunde liegende Konzept der geprüften Unternehmenspublizität erfuhr praktisch weltweite Akzeptanz.14 Zugleich fanden die in den USA schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannten Bonitätsbeurteilungen ihren Weg in die internationalen Märkte. Für Anleiheemissionen entwickelte sich die Zwei-plus-Usance, nach der die Emittenten mindestens Monopolkommission, Einundzwanzigstes Hauptgutachten, BT-Drucks. 18/9807 v. 30.9.2016, S. 119 ff., 172, 178 mit instruktiven Graphiken zur Entwicklung von finanziellen und personellen Verflechtungen. 12 Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 487 ff. 13 Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 21. 14 Hopt in: Reimann / Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2006, S. 1161, 1179. 11

1. Kapitel: Forschungsfeld

7

zwei Bonitätsbeurteilungen beizubringen haben.15 Zum Durchbruch verhalf dem Rating sodann die Bemessung des regulatorisch geforderten Eigenkapitals der Banken nach Maßgabe von Bonitätsbeurteilungen ihrer Schuldner, die seit Anfang der 1990er-Jahre in der Europäischen Union diskutiert wurde und schließlich Eingang in den Basel II-Akkord von 2005 fand.16 Neue Intermediationsfelder werden sich aller Voraussicht nach unter ähnlichen Entwicklungsparametern herausbilden und vergleichbare Herausforderungen für das Recht stellen. Dies betrifft insbesondere Vergütungs- und Stimmrechtsberater deren Rolle als externe Unternehmensüberwacher erst in jüngerer Zeit erschlossen wird:17 Im Zuge der Corporate-Governance-Bewegung entsteht Druck auf die Aufsichtsräte, anreizkompatible Systeme der Vorstandsvergütung vorzusehen. Schon zur Vermeidung von Haftungsgefahren bietet sich die Inanspruchnahme professioneller und unabhängiger Vergütungsberater an. Dadurch kann es zu einer faktischen Verantwortungsverlagerung auf die externen Berater kommen. Schädliche Folgen einer zu weit gehenden Verantwortungsverlagerung sind aus der vorliegend zu beleuchtenden Diskussion um Bonitätsbeurteilungen durch Ratingagenturen bekannt. Stimmrechtsberatern (proxy advisors) kommt zunehmend Einfluss auf die Entscheidungen der nicht über Kontrolleigentum verfügenden Aktionäre in der Hauptversammlung zu.18 Die internationalen Anbieter legen ihrer Beratung in Eigenregie erstellte und nicht zwingend mit nationalen Kodexwerken übereinstimmende Kriterienkataloge zugrunde. Besonders die großen Emittenten unterliegen wegen ihrer zunehmend internationalen Anlegerschaft einem faktischen Zwang zur Beachtung dieser Kriterienkataloge. Einer zukunftsfähigen Standardbildung und Regelsetzung kann dies durchaus zuträglich sein. Mit dem wachsenden Einfluss der Stimmrechtsberater verbinden sich aber auch die hier zu erschließenden Gefahren aus der Konzentration der privaten Standardsetzung auf wenige Anbieter.19 Erfahrungen mit den Stärken und Schwächen einer auf private Informationsdienstleister gestützten Selbstregulierung der Wirtschaft bestehen bei sämtlichen hier behandelten Intermediären. Die Aufarbeitung dieser Erfahrungen lohnt schon wegen der sich bereits heute abzeichnenden Parallelen in der Rechtsetzung zu den behandelten, aber auch den neuen Intermediationsfeldern. Als Beispiel zu IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets, Final Report, Mai 2008, S. 13 („tacit investor requirement“). Näher Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 60 (2004). 16 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Juni 2006 (konsolidierte Fassung). Näher Brocker Bankenaufsicht, in: Derleder u. a. (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2017, § 81 Rn. 30; Schroeter Ratings, 2014, S. 100 ff., 113. 17 Fleischer ZGR 2012, 160, 189, 194 zu den übergreifenden Herausforderungen. 18 Schneider ZGR 2012, 518, 520. 19 Leyens Referat zum 69. DJT 2012, Bd. II/1, S. N13, N25 f. 15

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Einführung

Letzteren seien nur die unionsrechtlichen Vorstöße zur Verbesserung der Transparenz bei der Stimmrechtsberatung genannt: Die EU-Finanzaufsichtsbehörde ESMA forderte die großen Stimmrechtsberater 2013 auf, sich einem Verhaltenskodex zu unterwerfen und jährlich ihren Umgang mit dessen Vorgaben zu erläutern (comply or explain).20 In ihrem Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie21 von 2014 („Kompromisstext“ von 2017)22 sieht die Europäische Kommission darüberhinaus verpflichtende Regeln zur Offenlegung insbesondere zu Informationsquellen und Auswertungsmethoden vor. Sowohl bei den Regelungsinhalten als auch bei der Verdichtung der Regelungsebenen zeigen sich Parallelen zum Bonitätsrating. Noch 2006 setzte der seinerzeitige CESR auf eine Selbstverpflichtung der Agenturen und forderte lediglich eine jährliche Berichterstattung zum Umgang mit den von der IOSCO im Jahr 2004 verabschiedeten Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies.23 In Reaktion auf die Finanzmarktkrise wurden die Vorgaben der IOSCO durch die EG-RatingVO von 2009 in zwingendes Unionsrecht überführt.24 Aus solchen Beobachtungen paralleler Entwicklungen sind zwar keine abschließenden Aussagen zur Leistungsfähigkeit der für den einzelnen Intermediationsbereich gewählten Rechtsregeln abzuleiten.25 Wie zu belegen ist, zeigen sich aber in sämtlichen Bereichen der Informationsintermediation wiederkehrende Muster der Regulierung und Reregulierung. Ein gestärktes Verständnis von Funktionsweise und Regelsetzungserfordernissen sollte dazu beitragen können, die Herausforderungen eines leistungsfähigen Rechts der Informationsintermediation nicht erst in der Krise zu erkennen. ESMA, Final Report: Feedback statement on the consultation regarding the role of the proxy advisory industry, ESMA/2013/84, 19.2.2013, S. 7, Nr. 18 ff. zu den Erwartungen an das Kodexwerk sowie daran anknüpfend ESMA, Report: Follow-up on the development of the Best Practice Principles for Providers of Shareholder Voting Research and Analysis, ESMA/2015/1887, 8.12.2015. Zu den zwischenzeitlich erarbeiteten Best Practice Principles for Shareholder Voting Research & Analysis Zetzsche / Preiner, AG 2014, 685, 689 ff. 21 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, 9.4.2014, COM (2014) 213 fin., Art. 3i Abs. 2 lit. a, b. 22 Europäisches Parlament / Rat, Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, 23.3.2017, 2014/0121 (COD), Art. 3j Abs. 2 lit. a, b. 23 CESR, CESR’s technical advice to the European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, CESR/05-139b, März 2005, Rn. 216, 255 und sodann Aufforderung der Europäischen Kommission an den CESR, die Einhaltung der von der IOSCO erarbeiteten Grundsätze durch die Agenturen zu überwachen; Europäische Kommisssion, Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, 2006/C 59/02, ABl. C 59 v. 11.3.2006, S. 2, 6. 24 Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 155 ff.; Schroeter Ratings, 2014, S. 514 ff., 681 ff. Zum Stand Deipenbrock WM 2016, 2277. 25 Leyens ZEuP 2016, 388, 417 ff. 20

1. Kapitel: Forschungsfeld

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D. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Untersuchungsfokus Der vorliegend gewählte Fokus auf Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse erklärt sich aus der folgenden Überlegung: Sämtliche der behandelten Leistungen sind in das Gefüge der öffentlich verfügbaren Kapitalmarktinformation eingebunden, verbleiben in ihren Wirkungen also anders als etwa die im vorangegangenen Abschnitt angesprochene Vergütungsberatung nicht bei der Entscheidungsbildung innerhalb der Unternehmung. Die vermittelten Informationen richten sich vielmehr an den Markt als Ganzes. Sie leiten anders als die ebenfalls im vorangegangenen Abschnitt genannte Stimmrechtsberatung nicht nur Entscheidungen einzelner Aktionärsgruppen an. Durch diesen Marktbezug unterscheiden sie sich wesentlich von der im bilateralen Verhältnis erbrachten Anlageberatung, bei der auch individuelle Investitionsziele des jeweiligen Kunden zu berücksichtigen sind. Das vorrangige Regelungsziel richtet sich bei der kapitalmarktlichen Informationsintermediation infolgedessen nicht auf den Schutz der Interessen einzelner Vertragspartner oder identifizierbarer Gruppen, sondern auf die Wahrung der übergeordneten kapitalmarktlichen Informationsintegrität. Das verfestigte und teilweise zu regulatorischen Zwecken verwendete Informationsangebot aus dem Ergebnis der Rechnungslegungsprüfung, der Beurteilung aktueller Bonitätsrisiken und den Empfehlungen zum künftigen Investitionsverhalten steht für die unerlässlichen Komponenten von Investitionsentscheidungen. Die behandelten Leistungen bilden damit die – mit oder ohne Intermediation – gegebenene informationelle Grundstruktur kapitalmarktbezogener Entscheidungsmuster ab. Die Einbindung der Leistungen in das nicht bilateral, sondern multilateral organisierte Marktverhältnis bedingt eine durch kapitalmarktliche Austauschpreise beeinflusste Anreizstuktur. Daraus ergeben sich eigene Regelungsprobleme der auf private Absprachen mit einzelnen Auftraggebern gestützten, aber an den Gesamtmarkt gerichteten und in dessen Interesse stehenden Informationsintermediation. In aufsteigendem Maße sind Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse auf subjektive Beurteilungsfaktoren angewiesen. Mit der Auswahl der genannten Leistungen ist infolgedessen das Spektrum der bei Prüfung, Beurteilung und Prognose durch Dritte auftretenden Problemstellungen abzubilden. An den in allen Einzelbereichen vorhandenen Regelungserfahrungen sind Konvergenzbewegungen nachzuzeichnen, die Anleitung für die Bewältigung bekannter wie neuer Sachverhalte bieten können. Zugleich liefern die Unterschiede zwischen den betrachteten Intermediationsleistungen Erklärungen für möglicherweise zu Recht fortbestehende Regelungsdivergenzen. Aus der vergleichenden Untersuchung von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse sind vor diesem Hintergrund übergreifende Einsichten zu den Funktionszusammenhängen und den Chancen einer auf die private Informationsintermediation gestützten Kontrolle des Zugangs zum Kapitalmarkt zu

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Einführung

erlangen. Die im Verlauf der Untersuchung aufzudeckenden Grundsatzfragen weisen Schnittmengen mit weiteren kapitalmarktbezogenen Informationsleistungen auf, deren Verfestigung sich andeutet und die möglicherweise ebenfalls zu rechtlichen Inbezugnahmen geeignet sind. Einzelfragen der Übertragbarkeit auf andere Intermediationsfelder sind an den dazu geeigneten Stellen anzusprechen. Insgesamt zielt die Untersuchung auf eine Systematisierung von Erfahrung, Theorie und regulierungspraktischen Konzeptionen zur Zuweisung von Verantwortung für die Marktzugangskontrolle an private Informationsintermediäre.

E. Gang der Untersuchung In den beiden zunächst folgenden Kapiteln sind der Begriff der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation näher einzugrenzen und die vorhandenen Erkenntnisse zu den Funktionen der Informationsintermediation aufzuzeigen. Die weitere Untersuchung ist in drei Teile mit jeweils drei Kapiteln gegliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen behandelt, also die historischen Entwicklungen, Erkenntnisse der theoretischen Ökonomik und der analytischen Empirik. Der zweite Teil ist der Marktzugangskontrolle gewidmet, untersucht die regulierungstheoretischen Grundlagen, zeigt die Grenzen eines auf private Steuerung setzenden Regelungssystems auf und erschließt Gestaltungsprinzipien eines Rechts der Informationsintermediation. Im dritten Teil ist der Leistungsfähigkeit vorhandener hybrid hoheitlich-privat gesetzter rechtlicher Rahmenbedingungen der Informationsintermediation nachzugehen, also die Reichweite vertraglicher, haftungsrechtlicher, berufsrechtlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen zu untersuchen.

2. Kapitel

Begriff 2. Kapitel: Begriff

Der Begriff der Informationsintermediation ist nur kontextspezifisch und aus dem Blickwinkel der damit umschriebenen Einzelfunktionen heraus einzugrenzen. Im Folgenden wird zunächst eine Annäherung nach üblichen Begriffsverwendungen vorgenommen.1 Daran schließt sich eine prozessbezogene Beschreibung des Ablaufs bei den hier behandelten Formen der Informationsintermediation an.2 Im Anschluss sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse durch Zuordnung zu den Funktionen der Zertifizierung, Substituierung und Evaluation von Informationen aufzuzeigen.3

A. Eingrenzungen und Annäherungen Der Begriff der Informationsintermediation findet vor allem im kapitalmarktbezogenen Kontext Verwendung.4 Es handelt sich um einen bislang rechtlich nicht belegten Terminus, mit dem die am Kapitalmarkt vorzufindenden Informationsleistungen innerhalb und außerhalb vertraglicher Absprachegefüge erfasst werden. Zugrunde liegen können vertragliche Leistungsbeziehungen, deren rechtliche Einordnung bislang nicht abschließend gelungen ist.5 Mit der Einordnung etwa als Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. §§ 611, 631, 675 BGB ist für auftragslos erbrachte Leistungen, wie sie bei Rating und Finanzanalyse vorkommen, von vornherein wenig zu gewinnen. Ebenso wenig eignet sich die Begriffswelt des Regulierungsrechts, beispielsweise die Einordnung der Finanzanalyse nach § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG als Wertpapiernebendienstleistung, zur Erfassung von außerhalb des Wertpapiergeschäfts erbrachten Leistungen. Ein umfassendes Bild von der Informationsintermediation ist nur durch eine wirkungsbezogene Sicht auf die Leistungen im kapitalmarkttypischen mul-

Abschn. A. Abschn. B (S. 15). 3 Abschn. C (S. 21). 4 Abschn. I. 5 Zur vertragstypologischen Einordnung der Intermediationsabsprache 11. Kapitel: A.II (S. 352 ff.). 1 2

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Einführung

tilateralen Informations- und Austauschgefüge zu erlangen.6 Erst daraus erschließt sich ihre Funktion der Marktzugangskontrolle.7

I. Informationsintermediation Die Informationsintermediation ist Teilfunktion der Finanzintermediation, die vor allem durch Banken erbracht wird, tritt aber auch losgelöst von dieser auf.8 Allgemein dienen Intermediationsleistungen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage.9 Anders als Finanzintermediäre übernehmen Informationsintermediäre aber keine Transformationsleistungen, die von Geschäfts- oder Universalbanken durch Angleichung von Volumina, Zeiträumen und Sicherungsbedürfnissen im Wege der Hereinnahme von Einlagen und Herausgabe von Krediten erbracht werden.10 Informationsintermediäre beteiligen sich außerdem nicht an der Transaktionsabwicklung, also der technischen Zusammenführung von Kapitalangebot und Nachfrage, wie sie Gegenstand von Investment Banking und Börsengeschäfts ist. Mit der Finanzintermediation durch Banken teilen sich die Informationsintermediäre die Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und -nachfragenden. Seit den 1980er-Jahren wurden die weitergehenden Funktionen der Banken unter dem Begriff der Finanzintermediation von der theoretischen Ökonomik vermessen. Der Zuordnung einer Teilfunktion innerhalb der Finanzintermediation entsprechend kommt der Informationsintermediation die den Banken zugeschriebene Funktion einer abgeleiteten Überwachung zu (delegated monitoring). Diese Überwachungsleistung ergibt sich auch ohne eine rechtliche Einbindung wie bei der Abschlussprüfung aus der Einbringung der Intermediationsleistung in den Informationsbestand des Markts sowie der dadurch beeinflussten Austauschentscheidungen und Preisentwicklungen.

II. Kapitalmarktbezug Intermediationsleistungen treten in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auf. Das gilt in besonderem Maß für die hier behandelte kapitalmarktliche Informationsintermediation, die nicht nur im Rahmen der Finanzintermediation Abschn. II (S. 12). Abschn. III (S. 14). 8 Zur Finanzintermediation durch Banken GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 10/1Grundmann Teil 1 Rn. 6; zu den Querbezügen zwischen Finanz- und Informationsintermediation Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2009, Bd. 1, S. 604 f. 9 Greenbaum / Thakor Contemporary Financial Intermediation, 2. Aufl., 2007, S. 43; Scholtens 140 De Economist 470, 477 (1992) mit umfangreichen Literaturnachweisen; Zetzsche Prinzipien der kollektiven Vermögensanlage, 2015, S. 105. 10 Näher GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 10/1-Grundmann Teil 1 Rn. 9. 6 7

2. Kapitel: Begriff

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i. e. S. erbracht wird. Die untersuchten Leistungen der Abschlussprüfung, Bonitätsbeurteilung und Finanzanalyse weisen vor allem im vorliegend gewählten kapitalmarktbezogenen Zusammenhang gemeinsame und sich wechselseitig ergänzende Funktionen auf. Sie ergänzen sich wegen ihrer zwar unterschiedlichen, aber in der Summe für die Investitionsentscheidung am anonymen Markt maßgeblichen Informationsinhalte. Wie angesprochen hängt die Investitionsbereitschaft im Wesentlichen von der Einschätzung der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit der Geschäftsführung (Rechnungslegungsprüfung), der voraussichtlichen Zahlungsfähigkeit des Emittenten (Bonitätsbeurteilung) und der Einschätzung der künftigen Preisentwicklung (Finanzanalyse) ab.11 Diese Informationen müssen zwar nicht von Informationsintermediären bezogen werden. Ohne Intermediation wären sie aber anderweitig zusammenzutragen. Dementsprechend bilden die hier behandelten Intermediäre die informationelle Grundstruktur des Kapitalmarkts ab. Daraus erklärt sich zugleich die Bedeutung der behandelten Intermediationsleistungen für die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität, die essentielle Voraussetzung für einen funktionierenden anonymen Austausch von Finanzmitteln ist. Aus dem Blickwinkel des Kapitalmarktbezugs der Informationsintermediation sind weitere, aus rechtlicher Sicht entscheidende, Eingrenzungen vorzunehmen: Anders als bei der Anlageberatung werden individuelle Anlageziele im Rahmen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation nicht berücksichtigt.12 Die vermittelte Information ist selbst bei empfehlendem Charakter wie im Fall der Finanzanalyse nicht auf die Investitionsziele des Einzelnen abgestimmt. Prüfungs- und Beurteilungsergebnisse reichern die Informationsgrundlage lediglich in Bezug auf ein bestimmtes Investitionsobjekt an. Sodann durchlaufen sie aber mehrere, ganz unterschiedlich ausgestaltete oder ausgestaltbare Auswertungsstufen, bis sie in die konkrete Investitionsentscheidung einfließen. Bedeutung hat dies allgemein für Pflichtengerüste, die an der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Ebene der Informationsintermediation auszurichten sind. Die Berücksichtigung individueller Investitionsziele ist im Rahmen der Anlageberatung unerlässlich und haftungsrelevant.13 Für die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität durch Informationsintermediäre wäre die Einbeziehung von individuellen Anlegerzielen oder von typisierbaren Zielen bestimmter Anlegergruppen hingegen kontraproduktiv. Zur Ökonomik 6. Kapitel: D.I (S. 169). Zu den Pflichten des Anlageberaters BankrechtsKomm2-Spindler (33) Rn. 76; Beck OGK BGB2017-Buck-Heeb / Lang § 675 Rn. 132; Edelmann in: Assmann / Schütze (Hrsg.), Hdb. des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl., 2015, § 3 Rn. 3 ff.; Veil Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2014, S. 539. 13 BGH, Urt. v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93 (Bond), BGHZ 123, 126, Juris-Tz. 17. Einordnend Edelmann in: Assmann / Schütze (Hrsg.), Hdb. des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl., 2015, § 3 Rn. 3 ff. 11 12

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Gemeinsames Merkmal der behandelten Leistungen der Informationsintermediation ist außerdem die fehlende Beteiligung am Erfolg der (gezielt oder faktisch) unterstützten Transaktion. In Abgrenzung zu anderen Vermittlungsleistungen, für die prototypisch das Maklergeschäft und die Abhängigkeit des Vergütungsanspruchs vom Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags nach § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB genannt werden kann, erbringen die Informationsintermediäre des Kapitalmarkts ihre Leistungen (in der Regel) nicht in Abhängigkeit von einem bestimmten Geschäft. Negative Prüfungsergebnisse oder Einschätzungen können zum gegenteiligen Ergebnis, also zum Ende einer laufenden Geschäftsbeziehung durch Deinvestition führen. Die fehlende Beteiligung an konkreten Transaktionserfolgen ist aus regulierungstheoretischer Sicht für den Beitrag der Informationsintermediäre zur kapitalmarktlichen Informationsintegrität, die damit verbundenen Wirkungen für die Corporate Governance und die Funktionsfähigkeit des Markts maßgeblich. Herauszubilden und abzusichern ist die Unabhängigkeit vom Geschäftserfolg allerdings letztlich nur durch berufsrechtliche oder regulatorische Regeln, in Ansätzen auch durch Haftungsrecht. Daraus folgt, dass auf Eigeninteressen an einem bestimmten Geschäft beschränkte Rechtsregeln für eine gehaltvolle Verhaltenssteuerung der Informationsintermediäre des Kapitalmarkts zu kurz griffen.

III. Marktzugangskontrolle In der internationalen Diskussion wird die Überwachungsleistung der Informationsintermediäre unter dem Gesichtspunkt der Marktzugangskontrolle (gatekeeping) in den Vordergrund gestellt.14 Regulierungstheoretisch handelt es sich beim Zugriff auf Informationsintermediäre um eine Verantwortungszuweisung an Dritte (third-party policing) mit dem Ziel der Durchsetzung von Wohlverhalten eines anderen Akteurs (third-party enforcement).15 Unterschieden wird insoweit zwischen dem primär verantwortlichen Emittenten und dem sekundär verantwortlichen Intermediär.16 Abschlussprüfung, Rating und Finanzanalyse heben sich von anderen Kontrolleuren des Marktzugangs ab, weil sie die Marktteilnahme des Emittenten fortlaufend durch Informationsleistungen begleiten (relational gatekeeping). Die Funktion der Informationsintermediation als Institution der Marktzugangskontrolle ist Anlass der vorliegenden Untersuchung. Die Einordnung der Intermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs (gatekeepers) folgt der international führenden Literatur, ist aber nicht unumstritten.17 Als neuralgisch erweisen sich 14 Coffee Gatekeepers 2006, S. 1 ff., 6. Zum Stand GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 47. 15 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 45. 16 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 56 ff. (1986). 17 Enriques / Hertig / Kraakman / Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 243, 263. Abweichend aber etwa Hunt 1 Colum. Bus. L. Rev. 109,

2. Kapitel: Begriff

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die Anforderungen, die an eine tragfähige Funktion der Marktzugangskontrolle gestellt werden. Bei der Einordnung des Abschlussprüfers ist kaum auf Widerstand zu stoßen. Verweigert er sein Testat, bleibt zwar die fortgesetzte Teilnahme am Kapitalmarkt nach allgemeinem Handels- und Gesellschaftsrecht bei entsprechender Offenlegung möglich. Verstellt sind aber einzelne primärmarktliche Transaktionen oder Transaktionsgestaltungen. Insofern verfügt der Abschlussprüfer über eine Möglichkeit zur Verhinderung von Transaktionen im eigentlichen Sinne. Zur Beibringung von Bonitätsbeurteilungen sind die Emittenten nicht verpflichtet, kommen aber schon dann nicht daran vorbei, wenn sie ihre Anleihen an internationalen Märkten platzieren wollen. Anders als Prüfertestate sind die Bedingungen der Ratingerstellung aber weitestgehend privat verhandelbar. Erst jüngere Regulierungsschritte schränken die Gestaltungsmöglichkeiten ein. Ähnliches gilt für Finanzanalysen. Bonitätsrating und Finanzanalyse fließen wie die Abschlussprüfung in den Informationsbestand ein und wirken sich infolgedessen auf die Kosten der Marktteilnahme des Emittenten aus. Die Marktzugangskontrolle, verstanden als Möglichkeit zur Einwirkung auf die Kosten der Marktteilnahme, öffnet den Blick für Schnittmengen zwischen den Informationsleistungen. Begrifflich gehen dadurch nur vermeintlich Konturen verloren, denn letztlich entscheiden nicht die Formen der Kapitaleinwerbung, sondern die mit der jeweiligen Gestaltung verbundenen Kosten über die Teilnahme des Emittenten am Kapitalmarkt.

B. Informationssammlung, -verarbeitung und -vermittlung Die Grundfunktionen der Informationsintermediation werden als Dreiklang aus Informationssammlung, -verarbeitung und -vermittlung beschrieben.18 Allgemein mag dem Bild des Dreiklangs entgegengehalten werden, dass jede Informationssammlung stets auf ein Ziel gerichtet ist, dass also nicht erst die Verarbeitung, sondern bereits die anfängliche Informationssuche und ihre schrittweise Anpassung den Radius möglicher Ergebnisse verengt.19 Informationssammlung, -verarbeitung und -weitergabe sind demnach genauer als interdependente Komponenten eines zielgerichteten Prozesses der Informationsproduktion zu verstehen.20 Dieser Prozess wird bei der Abschlussprüfung auf allen Stufen durch Prü-

198 (2009), der freiwillige Intermediationsleistungen ausblendet. Ähnlich Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1664 (2010) m. w. N. 18 Seibt ZGR 2006, 501, 517 zur Finanzanalyse. Übergreifend GroßkommStaubHGB5BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 47. 19 Hax Informationsintermediation, 1998, S. 11 ff.; Michaelsen Informationsintermediation für Privatanleger am Aktienmarkt unter besonderer Berücksichtigung des neuen Marktes, 2001, S. 24 ff. 20 Näher Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 35 ff., 37.

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fungsstandards strukturiert,21 demgegenüber bei Rating und Finanzanalyse mehr durch wissenschaftlichen Fortschritt und Branchenüblichkeit der von den Erstellern selbst gewählten Bewertungsparameter beeinflusst.22

I. Prüfungsstandards (IDW PS, ISA) Im öffentlich zugänglichen Bestätigungsvermerk hat der Abschlussprüfer das Ergebnis seiner Prüfung des (Konzern-)Jahresabschlusses wiederzugeben (§ 322 HGB). Das dahin führende Prüfungsverfahren entwickelt der Berufsstand selbst.23 Zu Prüfungsplanung und -durchführung werden allerdings vom IDW detaillierte Prüfungsstandards (IDW PS) veröffentlicht. Bei der Formulierung seiner Prüfungsstandards orientiert sich das IDW an den von der International Federation of Accountants (IFAC) herausgegebenen International Standards on Auditing (ISA).24 Die ISA werden von der Europäischen Kommission im Verfahren nach Art. 26 Abs. 1 der EG-Abschlussprüferrichtlinie angenommen (Komitologieverfahren). Soweit angenommen, verdrängen sie nationale Prüfungsstandards.25 Den auf dieser Grundlage vom IDW veröffentlichten Prüfungsstandards kommt gesetzesgleiche Wirkung zu, weil die Nichtachtung von der WPK als Verletzung der Berufspflichten sanktioniert werden kann. Übergreifendes Prinzip ist die Prüfungswesentlichkeit (audit materiality).26 Es erfolgt also keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung. Vielmehr ist nach Bedeutung des Prüfungsgegenstands vorzugehen. Dies führt in aller Regel zu einer Prüfung nach Stichproben, deren Anzahl in Risikobereichen zu erhöhen ist.27 Die Kriterien für die Fehlerwesentlichkeit werden vor Prüfungsbeginn festgelegt. Bei Anhaltspunkten für Unrichtigkeiten bestehen Nachforschungspflichten.28 Bei den Prüfungstechniken wird zwischen Systemprüfung (Aufbauprüfung und Funktionsprüfung) und aussagebezogener Prüfung (analytischer Prüfung) unterschieden. Etwa in Bezug auf das Risikomanagement ist nach § 317 Abs. 4 HGB nicht nur die organisatorische Funktionstüchtigkeit, sondern auch das Risikobewusstsein der Geschäftsführung zu beurteilen.29 Die dem Abschlussprüfer hierzu zur Verfügung gestellten Auskunfts- und Inspektionsrechte bestehen nach § 320 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 HGB sowohl gegenüber Mutter- als auch Tochterunternehmen. Für die über den gesetzlichen Auftrag hinausgehenden freiwilligen 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Abschn. I. Abschn. II (S. 18), III (S. 19). Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 14. Grundsatzfragen und Stand der Diskussion bei Merkt ZGR 2015, 215, 217 ff. Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 13. MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 66 ff. MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 45. Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 3 f. Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 11.

2. Kapitel: Begriff

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Prüfungen im Auftrag des Aufsichtsrats leiten sich die Informationsrechte von dessen Einsichts- und Prüfungsrecht aus § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG ab, können vom Aufsichtsrat also nur im Rahmen der eigenen Kompetenzen gewährt werden.30 Im Falle der Informationsverweigerung durch Vorstand oder Aufsichtsrat soll dem Abschlussprüfer neuerdings auch in Deutschland wie beispielsweise nach englischem Recht ein Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung zustehen.31 In der Praxis ist die Informationsverweigerung selten. Kommt es dazu, bleibt dem Prüfer der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgelds nach § 335 HGB, im Übrigen die Einschränkung oder auch Versagung des Bestätigungsvermerks nach § 322 Abs. 2 HGB.32 Wie jede Prüfungs- und Beurteilungsleistung weist auch die des Abschlussprüfers subjektive Komponenten auf. Angesichts der detaillierten Prüfungsgrundsätze sind die Spielräume begrenzt. Entscheidend ist die Ausrichtung der Prüfung auf eine Vertretbarkeitsbeurteilung. Dem Abschlussprüfer ist es also versagt, eigene Entscheidungen an die Stelle der zur Rechnungslegung verpflichteten Geschäftsleitung zu setzen.33 Die Prüfung ist eine Ordnungsmäßigkeits-, keine Opportunitätsbeurteilung. Auf bilanzpolitische Entscheidungen kann der Prüfer allenfalls mit beratenden Hinweisen reagieren, während durchgreifende Maßnahmen zur Beeinflussung von Vorstandsentscheidungen allein vom Aufsichtsrat ergriffen werden können. Im Unterschied zu anderen Informationsintermediären richtet sich die öffentliche Kritik weniger gegen eine mangelnde Nachvollziehbarkeit oder fehlende Objektivität der Abschlussprüfung. Die seit dem Aufkommen der Abschlussprüfung immer wieder zutage getretene Erwartungslücke (expectation gap) resultiert vielmehr aus übersteigerten Erwartungen, denen der Abschlussprüfer jedenfalls im Rahmen seines gesetzlichen Prüfungsauftrags schlichtweg nicht gerecht werden kann.34 Insbesondere die Erwartung einer guten Corporate Governance kann nicht auf den Aussagegehalt des Testats gestützt werden. Dies wird etwa daran deutlich, dass der Abschlussprüfer nur zu prüfen hat, ob die nach § 285 Nr. 16 HGB in den Anhang aufzunehmende Angabe über die Veröffentlichung der Entsprechenserklärung zum DCGK zutrifft, nicht aber ob die abgegebene

Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 218. GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 320 Rn. 12; MünchKommHGB3Ebke § 320 Rn. 68 f. Vergleichend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 18 Fn. 71 m. w. N. 32 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 320 Rn. 2. 33 MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 17. 34 Zum Stand Beck BilanzKomm10-Schmidt / Küster § 322 HGB Rn. 10; Mattheus in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl., 2009, S. 563, 567. Zur Diskussionsentwicklung Marx ZGR 2002, 292, 310, 315. Frühe Ansätze bei Liggio 3 J. Contemp. Bus. 27 (1974). 30 31

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Erklärung selbst inhaltlich richtig ist oder gar, ob der gewählte Umgang mit den Kodexempfehlungen opportun erscheint.35

II. Ratingkriterien und -modelle Bonitätsurteile gründen auf Indikatoren und Faktoren, die von den Erstellen der Beurteilung für das Kreditrisiko des betreffenden Schuldners als ursächlich oder aussagekräftig angesehen werden.36 Bei nichtbeauftragten Ratings kann nur auf öffentlich verfügbare Informationen zurückgegriffen werden. Methodisch handelt es sich dann um ein quantitatives Rating. Demgegenüber können bei entsprechender Absprache mit dem Emittenten auch Informationen aus Kontakten zum amtierenden Management in die Bewertung einfließen. Es handelt sich dann um ein (auch) qualitatives Rating. Die zugrunde gelegten Ratingkriterien unterscheiden sich je nach Branche, also z. B. bei Bonitätsurteilen zu Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts.37 Besonders in den regulatorisch sensiblen Märkten für Verbriefungen (securitization) legen die führenden Agenturen unterschiedliche Faktorengewichtungen zugrunde.38 Die quantitativen Daten werden bildlich gesprochen zumeist von oben nach unten (top down) eingebracht: Sie betreffen zuerst die Risiken des Domizillands und die branchentypischen Risiken, sodann die unternehmensspezifischen Risiken und erst zuletzt die Charakteristika der jeweiligen Emission. Die umgekehrte Reihenfolge (bottom up) ist ebenfalls denkbar. Zentrale Datenquelle ist jeweils der Jahresabschluss. Die Kennzahlen werden im Wege mathematischstatistischer Analyse zu Finanzmarktdaten ins Verhältnis gesetzt. Kennzeichnend für Erstellung und Auswertung des Datensatzes ist die Bindung an rechnerische Vorgaben des jeweils gewählten Modells bei identischer Gewichtung sämtlicher Analyseobjekte. Die offensichtliche Schwäche rein quantitativer Bewertungen besteht in der fehlenden Möglichkeit zur Berücksichtigung von weiteren FaktoGroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 436 ff., 455. Übersicht bei Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 56. Zum Rating von Anleihen Dörscher in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1380, 1383 Rn. 8.15 ff. 37 Frey in: Büschgen / Everling (Hrsg.), Hdb. Rating, 2. Aufl., 2007, S. 119, 124 ff., 128 ff. am Beispiel von Ratings der Automobilindustrie durch die Agentur Moody’s: erstens Größe, Diversifikationsgrad und Wettbewerbsposition, zweitens Umsatzwachstum, drittens Kostenposition und Rentabilität, viertens Variabilität der Cashflows, fünftens Finanzierungspolitik und Kapitalstruktur. 38 Instruktiver Bericht bei Morkötter / Westerfeld ZfgK 2008, 393: „Alle drei Ratingagenturen […] nutzen sowohl qualitative als auch quantitative Elemente […]: Zunächst wird der Verlust des Forderungspools bestimmt, dann eine Cash-Flow-Analyse der Zahlungsströme durchgeführt und schließlich die Strukturierung der Transaktion genauer betrachtet. […] Ratingmethodologie: Fitch und S&P greifen auf ein Probability-of-Default-Konzept zurück (Ausfallswahrscheinlichkeit des ersten Euros einer Tranche), während Moody’s einen Expected-Loss-Ansatz (Höhe des erwarteten Verlustes einer Tranche) nutzt.“ 35 36

2. Kapitel: Begriff

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ren, die – wenn auch schwer mathematisch fassbar – für die Treffgenauigkeit der Bonitätsbeurteilung essentiell sein können. Durchgesetzt hat sich deshalb ein Mischsystem, das neben quantitativen Daten auch qualitative Faktoren (soft factors) einbezieht.39 In der Folge entsteht ein von außen nicht beobachtbares Faktorengefüge (Blackbox).40 Einbezogen werden insbesondere Managementqualität und Unternehmenskultur, also Faktoren, um deren Kodierbarkeit auch außerhalb des Ratingkontexts gerungen wird.41 Kennzeichnend ist einerseits die Möglichkeit zur Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Einzelfalls, andererseits die mangelnde intersubjektive Nachvollziehbarkeit der mathematischen Verknüpfung. Im größeren Zusammenhang tritt insoweit das Grundsatzproblem jedweder von der schematischen Compliance losgelösten Berichterstattung über die Corporate Governance zutage: Weder empirische Untersuchungen noch verbandsgesteuerte Formalisierungsversuche (z. B. DVFA Scorecard) haben es vermocht, verlässliche oder zumindest eine vom Marktdruck unabhängige Akzeptanz der Kodierungsinstrumente hervorzubringen.42 Aktuell richtet sich die Kritik gegen die formalisierten Einschätzungen von Stimmrechtsberatern (proxy advisors). Die Verlässlichkeit der Einschätzung wäre insbesondere auf eine zielgenaue Auswertung etwa von gut begründeten und zu Recht erfolgten Abweichungen der Verwaltungsorgane von den Vorgaben der nationalen Kodexwerke angewiesen. Wegen Abweichungen der selbst erstellten Indikatorengefüge von nationalen Kodexwerken ist damit nicht zu rechnen. Qualitative Faktoren bleiben – trotz anerkannter Bedeutung – Einfallstor für eine subjektive Urteilsbildung durch den einzelnen Ratinganalysten, die Eigeninteressen und anderen Fehlsteuerungen unterliegen kann.

III. Finanzanalysemethoden Finanzanalysen bauen zum einen auf öffentlich verfügbare Informationen zur (Global-)Wirtschaft, zur jeweiligen Branche und auf die Finanzkennzahlen des betreffenden Unternehmens. Zum anderen werden wie beim Rating Informationen aus Kontakten zum amtierenden Management einbezogen, deren Bewertung dem einzelnen Analysten obliegt.43 Wie beim Rating finden sich auch bei der Finanzanalyse Verfahrenskombinationen, mittels derer weiche Faktoren ein-

Morkötter / Westerfeld ZfgKW 2008, 393. Blaurock ZGR 2007, 603, 645. Zur Unzugänglichkeit bereits der frühen Ratingmanuals Palyi 11 J. Bus. 70, 81 (1938). 41 Überblick bei GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 48. 42 Zu frühen Ansätzen nur DVFA, Scorecard for German Corporate Governance, 2000. 43 Überblick bei KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 51. Siehe weiter Fazley Regulierung von Finanzanalysten und Behavioral Finance, 2008, S. 42; Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 29. 39 40

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Einführung

bezogen werden können. Üblich ist die Kombination von technischer und fundamentaler Analyse. Als technische Analyse wird die Suche auf Kursbewegungen gestützte Suche nach Zahlungsbereitschaften bezeichnet. Bestimmbar wird hierdurch vor allem der „richtige“ Zeitpunkt zum Aktienerwerb. Den Ausgangspunkt bildete zunächst die von Charles H. Dow 1884 eingebrachte Beobachtung von sich wiederholenden Mustern der Kursverläufe. Die moderne technische Analyse unterscheidet zusätzlich nach Trendphasen, zyklischen Kursbewegungen und Seitwärtsverläufen. Ermittelt werden Trendlinien, -fächer und -korridore, die in der Zusammenschau anzeigen, ob und wann der Kursverlauf an seinem oberen Ende ankommt und auf Verkaufsbewegungen (Widerstand) oder am unteren Ende auf Kaufbereitschaften (Unterstützung) stößt. Widerstand und Unterstützung werden unter anderem an der Häufung von Kauf- und Verkaufslimits erkennbar (stop buy/stop loss orders). Demgegenüber zielt die Fundamentalanalyse auf die Ermittlung des inneren Werts eines Finanztitels ab, der von dem im Börsenkurs verkörperten äußeren Wert abweichen kann. Ermöglicht wird hierdurch vor allem eine Auswahl derjenigen Aktien, die das höchste Entwicklungspotential aufweisen. Ermittelt werden fundamentale Daten des Emittenten, zu denen Gewinn, Cashflow, Kostenstruktur, Ertragskraft und Zukunftsaussichten zählen. Diese Daten werden sodann mit den Kennzahlen anderer Branchenzugehöriger verglichen. Beide Analyseformen sind grundsätzlichen Einwänden ausgesetzt. Zweifel äußerte bereits Burton G. Malkiel in seiner Studie von 1977 zu geschlossenen Publikumsfonds, deren Börsenkurs die Summe der im Fonds enthaltenen Einzelwerte regelmäßig unterschritt.44 In der seitdem weiterentwickelten Finanzmarkttheorie wurden unterschiedliche Gründe für partielle Schwächen der Informationsverarbeitung durch den Markt mit dem Ergebnis einer bloß relativen Informationseffizienz herausgearbeitet.45 Die nicht abgeschlossene Theoriebildung wirkt in Unsicherheiten über die Verlässlichkeit von Kombinationen technischer und fundamentaler Analyse fort. Kombinationen bieten Möglichkeiten zur Rechtfertigung von Ergebnissen aus einer Höher- oder NiedrigerGewichtung. Die dadurch verstärkte Subjektivität der Empfehlungen ist die offene Flanke der Finanzanalyse. Strukturell entsprechen die Einwände denen, die gegen die mangelnde Objektivität einer Bonitätsbeurteilung erhoben werden. In alle Formen der Finanzanalyse fließen die auch für das Rating erhobenen quantitativen Global-, Branchendaten und unternehmensspezifische Daten ein, müssen zur Vervollständigung des Bilds aber mit qualitativen Eckdaten zusammengeführt werden.46 Im Vergleich kommt subjektiven Einschätzungen bei der zukunftsbezogenen Fi44 45 46

Malkiel 32 J. Fin. 847 (1977). Dazu 6. Kapitel: A.I, II (S. 148 ff., 152). KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 62 ff., 67.

2. Kapitel: Begriff

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nanzanalyse größeres Gewicht zu als bei den stärker vergangenheits- bzw. gegenwartsbezogenen Intermediationsformen der Abschlussprüfung und der Bonitätsbeurteilung. Der Einfluss subjektiver Elemente vergrößert sich bei der Finanzanalyse noch weiter, wenn wie bei neuen Emittenten oder innovativen Produkten von vornherein nur eingeschränkte Möglichkeiten zum Abgleich von Ergebnissen der technischen und fundamentalen Analyse bestehen.

C. Zertifizierung, Substituierung, Evaluation Im Wege der Informationsintermediation werden vorhandene Informationen geprüft (Zertifizierung), noch nicht vorhandene Informationen eingebracht (Substitution) und handlungsorientierte Bewertungen erstellt (Evaluation). Die Leistungen von Abschlussprüfern,47 Ratingagenturen48 und Finanzanalysten49 lassen sich jeweils schwerpunktmäßig einer dieser Funktionen zuordnen, weisen aber jeweils Bezüge zu den anderen Funktionen auf.50 Subjektive Elemente fließen in aufsteigendem Maße in die Informationszertifizierung, die -substituierung und -evaluation ein. Gleichwohl sind Gemeinsamkeiten zu erkennen. Besonders deutlich wird dies im Vergleich von Fortbestehensprognose des Abschlussprüfers, stets gradueller Beurteilung der Ratingagentur und abgestufter Handlungsempfehlung des Finanzanalysten.

I. Fortbestehensprognose (going concern) Die Abschlussprüfung ist auf die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung gerichtet, also in erster Linie Verifikationsleistung und wegen des Bestätigungsvermerks Zertifizierungsleistung. Der Prüfer hat die Vollständigkeit und Richtigkeit des (Konzern-)Jahresabschlusses (stichprobenartig), darunter die organisatorische Eignung einzelner Maßnahmen (Funktionsprüfung) zu prüfen, aber auch die Vertretbarkeit weiterer Angaben (Aussageprüfung) zu bewerten. Evaluierende Elemente mit Nähe zu weiteren Intermediationsleistungen, insbesondere zum Bonitätsrating, treten prototypisch bei der Prüfung an § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu orientierenden Fortführungsprognose zutage. Der grundsätzliche Unterschied zu einem externen Ratingurteil besteht darin, dass es sich um die Prüfung einer Fremdeinschätzung, nicht um eine eigene Einschätzung handelt. Ohnehin unterscheidet sich die Methodik der Abschlussprüfung von der des Bonitätsratings. Gleichwohl ist dem Prüfer die Aufgabe überantwortet, sich zu Abschn. I. Abschn. II (S. 23). 49 Abschn. III (S. 24). 50 Übergreifend GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 47. Zur Abschlussprüfung als Verifikationsleistung Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 190 ff., 209. 47 48

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Einführung

der für die Beurteilung der künftigen Zahlungsfähigkeit essentiellen Möglichkeit einer wirtschaftlichen Fortführung der Gesellschaft zu äußern. Die handelsrechtliche Fortführungsprognose ist Teil des (Konzern-)Jahresabschlusses und Einschätzung der Geschäftsleitung dazu, ob von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden kann. Abzugrenzen ist sie von der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO, die als Zahlungsfähigkeitsprognose nur aus konkretem Anlass erstellt wird, rein liquiditätsorientiert ist und eine Aussage darüber trifft, ob vom Vorliegen eines der gesetzlichen Insolvenzgründe auszugehen ist.51 Bei der handelsrechtlichen Fortführungsprognose nach § 317 Abs. 2 Satz 2 HGB ist demgegenüber zu prüfen, ob „die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind“. Schon aus dem Wortlaut des gesetzlichen Auftrags ergibt sich, dass der Abschlussprüfer nicht eine eigene Prognose an die Stelle derer der Geschäftsführung zu setzen hat.52 Er ist vielmehr zu einer Vollständigkeits- und Richtigkeitsprüfung verpflichtet, hat also festzustellen, ob die Annahmen und Folgerungen realistisch, in sich widerspruchsfrei und Ergebnis eines ordnungsgemäß angewendeten Prognoseverfahrens sind (Plausibilitätsprüfung).53 Bei den dazu erforderlichen Prüfungsschritten kommt der Abschlussprüfer allerdings gerade in den kritischen Fällen nicht umhin, eigenständige Bewertungen vorzunehmen. Üblich ist eine dreistufige Prüfung:54 Auf erster Stufe wird die Fortführung vermutet, wenn in der Vergangenheit Gewinne erwirtschaftet wurden, ohne Schwierigkeiten auf finanzielle Mittel zurückgegriffen werden konnte und keine bilanzielle Überschuldung droht (going concern principle). Fehlt es kumulativ an diesen Voraussetzungen, ist auf zweiter Stufe zu prüfen, ob eine Krise vorliegt (Krisendiagnose) oder ob unter Anwendung detaillierter Prüfungsgrundsätze von der Fortführung ausgegangen werden kann. Sofern sich Zweifel ergeben, ist auf dritter Stufe eine umfangreiche Fortführungsprüfung vorzunehmen, in die auch mögliche Sanierungsmaßnahmen einzubeziehen sind (Fortführungsprognose). Eigenständige Gewichtungen werden (spätestens) auf der zweiten Stufe erforderlich. Die einschlägigen Prüfungsgrundsätze sehen einen langen Katalog nicht nur rechnerisch erfassbarer finanzieller, sondern auch sonstiger betrieblicher Umstände vor.55 Der Abschlussprüfer muss Ursachen und Tragweite dieser quantitativen und qualitativen (finanziellen und nichtfinanziellen) Indikatoren in ihrem Zusammenwirken abschätzen, die möglichen Wirkungen und zusätzlich die von Gegenmaßnahmen beurteilen. Instruktiv IDW, Positionspapier: Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose, 13.8.2012. 52 Zu den Anforderungen Goette DStR 2016, 1684, 1752 zweiteilig. 53 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 7; MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 43. 54 Überblick bei Wentzler in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 570 f. 55 IDW PS 270. 51

2. Kapitel: Begriff

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Ohne eigenständige unternehmerische Bewertung ist hierbei nicht auszukommen. Nähe zum Rating weist die Beurteilung der Fremdeinschätzung durch den Abschlussprüfer jedenfalls insoweit auf, als dass die maßgeblichen Kriterien und Berechnungsmodelle nicht gesetzlich vorgegeben werden. Anders als die Ratingagentur richtet sich der Prüfer allerdings nach (international) anerkannten und berufsständisch fortentwickelten Prüfungsstandards.

II. Bonitätseinstufung (rating grade) Das Bonitätsurteil externer Ratingagenturen gibt Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit eines Forderungsausfalls, weist also in Zielrichtung und Datengrundlage eine gewisse Nähe zur handelsrechtlichen Fortführungsprognose auf. Wie der Prüfung der Fortführungsprognose durch den Abschlussprüfer liegt dem Bonitätsurteil eine an quantitativen und qualitativen Kriterien ausgerichtete Einschätzung zu den künftigen Chancen und Risiken des Unternehmensfortbestands zugrunde. Anders als bei der Abschlussprüfung handelt es sich aber um eine eigenständige Beurteilung, nicht um die Beurteilung einer Fremdeinschätzung. Die von der Unternehmensführung getroffenen Beurteilungen fließen zwar ein, sind aber nicht alleiniger Gegenstand des Ratingurteils. Dem Rating kommt nach hier gewählter Terminologie ein substituierender Charakter zu: Generiert wird eine im Rahmen der Unternehmenspublizität nicht oder jedenfalls nicht so verfügbare Information. Der Einordnung in die verschiedenen Bonitätsklassen liegt eine vergleichende Beurteilung zugrunde, die durch Verifikationsleistungen wie die Prüfung des Jahresabschlusses auch unter Einbeziehung der Abschlüsse konzernzugehöriger Gesellschaften nicht zu leisten ist. Bei fortgesetzter Ratingbeobachtung wird von einem „dynamischen Informationswert“56 gesprochen, weil die Bonitätsbeurteilung die primärmarktliche (Prospekt-)Publizität für die Informationsversorgung des Sekundärmarkts (in Teilaspekten) fortsetzt. Ratingurteile sind anders als Finanzanalysen nicht auf die Anleitung eines bestimmten Investitionsverhaltens gerichtet. In seinen faktischen Wirkungen ist das Bonitätsurteil meist von größerer Bedeutung als die Analystenaussage, die häufig nur eine unter vielen, möglicherweise voneinander abweichenden Empfehlungen ist. Anders als die Analystenempfehlung steht das Rating zuvorderst für eine Absicherung der Investitionsentscheidung durch Bereitstellung zusätzlicher, bonitätsbezogener Informationen und nicht für eine originäre Anleitung des Investitionsverhaltens.

56

Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F133.

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Einführung

III. Analystenempfehlung (buy, hold, sell) Empfehlungen von Finanzanalysten sind auf Kauf, Halten, Verkauf (buy, hold, sell) gerichtet. Die zugrunde liegende Analysetechnik weist wie die zuvor beschriebenen Intermediationsleistungen Elemente einer (faktischen) Verifikation vorhandener Information auf, zumal in der Analyse implizit Einschätzungen dazu zum Ausdruck gebracht werden, ob die Angaben in Jahresabschlüssen und auch die Bewertungen anderer Informationsintermediäre wie die der Ratingagenturen glaubhaft sind. So wurde durch Analysten die fehlende Stichhaltigkeit der Finanzberichterstattung und ihrer Prüfung in Betrugsfällen aufgedeckt.57 Denkbar wäre auch eine Infragestellung gleicher Bonitätsnoten für Staatsanleihen und strukturierte Finanzprodukte gewesen, die allerdings in der Finanzmarktkrise von 2008 unterblieb. Die Einschätzungen der Finanzanalysten sind nur unter Rückgriff auf die auch anderen Intermediären zur Verfügung stehenden öffentlichen Informationen zum einzelnen Emittenten zu treffen, also insbesondere auf Grundlage der Angaben im (Konzern-)Jahresabschluss. Wie das Rating und anders als die Abschlussprüfung ist die Finanzanalyse auf die Produktion einer eigenständigen Information gerichtet. Der Analystenempfehlung kommt hierbei primär eine evaluierende Funktion zu. Der evaluierende Charakter ergibt sich im Zusammenspiel der stets erforderlichen vergleichenden Bewertung des Analyseobjekts und der darauf gründenden Empfehlung. Die vom Analysten erbrachte Empfehlung setzt Marktüberblick, im Mindestmaß Überlegungen zu den Möglichkeiten eines alternativen Kapitaleinsatzes etwa im Wege des Erwerbs von Anteilen anderer branchenzugehöriger Emittenten oder Staatsanleihen voraus. Von der Anlageberatung unterscheidet sich die Finanzanalyse nicht im Konkretisierungsgrad der Handlungsempfehlung, sondern durch ihre vom individuellen Investitionsziel losgelöste, übergreifende Evaluation.

Zu den Erfahrungen im Fall Dirks v. SEC 463 US 646 (1983) siehe Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1059 (2003). 57

3. Kapitel

Funktionen 3. Kapitel: Funktionen

Emittenten und Investoren handeln im Regelungs- bzw. Anreizdreieck von Vertrag, Verband und Markt. Damit sind die Wirkungsebenen und Möglichkeiten eines regulatorischen Zugriffs auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation umrissen. Beides lässt sich Governance-Funktionen zuordnen. Zu diesen Funktionen zählen die Vertragsermöglichung (contract governance),1 die Überwachung der Geschäftsleiter des einzelnen Emittenten (Corporate Governance)2 und, weiter ausgreifend, die des Marktfunktionsschutzes (market governance).3

A. Vertragsermöglichung (contract governance) Überlegungen zu einer vertragsermöglichenden Funktion der Einbeziehung von Intermediationsleistungen folgen zumeist dem Erklärungskonstrukt der Transaktionskostenökonomik. Danach richtet sich das Zustandekommen von Langzeitverträgen nach Einschätzungen über die Kosten künftiger Vertragsanpassungen. Maßgeblich auf die in den 1980er-Jahren vorgelegten Arbeiten von Oliver E. Williamson geht die Erkenntnis zurück, dass die Transaktionskosten von der Eignung der gewählten Governance-Mechanismen zur Bewältigung von Umstandsveränderungen abhängen.4 Diese bereits von Ronald H. Coase 5 im Jahr 1937 zur Existenz von Unternehmen und ihrer Größe vorgestellte Erklärung wurde in jüngerer Zeit mit dem Ausruf einer Neuen Vertragsrechtsforschung zur Contract Governance (wieder-)entdeckt.6 In der interdisziplinären rechtsökonomischen Forschung ist ein weiter ausgreifendes Gedankengerüst zu erkennen, das bis hin zu den in folgenden Kapiteln zu behandelnden Faktoren für die Wahl zwischen der Ausfüllung staatlicher Gewährleistungsverantwortung im Wege entweder privater oder hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung reicht (public choice). Die vertragliche Einbindung von Drittbeurteilungen (trilateral contract governance) kommt bei Beschreibungsproblemen oder Unvorhersehbarkeit künftiger Abschn. A. Abschn. B (S. 29). 3 Abschn. C (S. 33). 4 Williamson The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 68. 5 Coase 4 Economica 386 (1937). 6 Statt vieler Grundmann u. a. (Hrsg.), Contract Governance, 2015, mit Einführung durch die Hrsg., S. 3 ff. 1 2

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Einführung

Umfeldveränderungen in Betracht, wie sie für Langzeitverträge kennzeichnend sind (incomplete contingent contracts).7 Von der Alternative einer zwischen den Parteien abgestimmten sequentiellen Qualitäts- und Mengenanpassung, wie sie durch komplexe Preisanpassungsklauseln oder gar vertikale Integration der Entscheidungsmacht in der Unternehmung erfolgen könnte (bilateral contract governance oder organization), unterscheidet sie sich durch ihre vergleichsweise geringen Einrichtungskosten. Die im kapitalmarktlichen Kontext stehenden Transaktionen sind in besonderem Maße durch Preisunsicherheiten begleitet. Die Formen privater Inanspruchnahmen von Intermediationsleistungen zur Ermöglichung von Austauschprozessen sind vielfältig. In chronologischer Anordnung der rechtstatsächlich zu beobachtenden Inanspruchnahmen kann in einmalig zum Zwcke des Markteintritts eingeholte, die Marktteilnahme begleitende und für die Beendigung der Marktteilnahme relevante Leistungen unterteilt werden. Mit diesen Zielen erbrachte Informationsleistungen finden sich sowohl bei der Wirtschaftsbzw. Abschlussprüfung,8 als auch beim Bonitätsrating9 und der Finanzanalyse10 Überlegungen zur Nachbildung fehlender privater Inanspruchnahmen im Wege der Regulierung (market mimicking) bleiben späteren Kapiteln vorbehalten.11

I. Wirtschaftsprüfertestate (comfort letters) Prototypisch für eine vertragsermöglichende und den Markteintritt begleitende Informationsintermediation stehen Testate, die von Experten erstellt werden und die eine zum Zustandekommen des Vertrags notwendige Schließung von Informationslücken der Parteien bewirken. In Vorbereitung spezifischer Transaktionen sind unterjährige Bestätigungen ordnungsgemäßer Rechnungslegung der Wirtschaftsprüfer (comfort letter) üblich.12 Die vertragsermöglichende Funktion dieser Bestätigungen entspricht der eines einzelfallbezogenen Wertgutachtens.

II. Bonitätsbeurteilungen (rating triggers) Bonitätsbeurteilungen werden insbesondere zur Preisfindung eingesetzt. Bei Anleiheemissionen gelten sie als entscheidender Faktor.13 Nebenabreden zu Darlehens- und Anleiheverträgen nehmen häufig Bezug auf Bonitätsbeurteilungen, denen daduch die Funktion einer fortgesetzten drittgestalteten Begleitung von Eingehend Eger Eine ökonomische Analyse von Langzeitverträgen, 1995, S. 40. Abschn. I. 9 Abschn. II (S. 26). 10 Abschn. III (S. 28). 11 Siehe 8. Kapitel: A.I.2 (S. 210). 12 Näher Harrer in: Müller / Rödder (Hrsg.), Beck’sches Hdb. AG, 2. Aufl., 2009, § 27 Rn. 136; Sudmeyer in: Schüppen / Schaub (Hrsg.), Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, § 47 Rn. 68. 13 Zum Ganzen Ebenroth / Daum WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 4 ff. 7 8

3. Kapitel: Funktionen

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Langzeitverträgen zukommt.14 Der verbreitete Einsatz zur Vertragsanpassung bei schwerwiegenden Umstandsveränderungen (material adverse change clauses)15 ist in den größeren Zusammenhang einer Angloamerikanisierung der Vertragspraxis einzuordnen.16 Rechtstechnisch handelt es sich bei ratingabhängigen Vertragsanpassungsklauseln (rating triggers) zumeist um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung i. S. d. § 158 BGB.17 Zu den wesentlichen Erscheinungsformen zählen graduelle Zinsanpassungen (pricing grids) bei Herauf- oder Herabstufung der Bonitätsbeurteilung (step up/step down), der Fortfall von Besicherungspflichten bei Heraufstufung (fall away covenants), Pflichten zur Nachbesicherung (springing liens), Rechte zur beschleunigten Rückforderung (acceleration trigger) oder zur fristlosen Kündigung, ggf. verbunden mit einem Andienungsrecht des Anleiheinhabers (put option).18 In allen Fällen kommt es zu einer mechanischen Angleichung der Austauschparameter. Während rating triggers in den USA schon früh verbreitet waren, werden sie in Deutschland erst seit der durch Basel II ermöglichten Eigenkapitalbemessung der Banken auf Grundlage des Ratingergebnisses verstärkt eingesetzt. Daneben finden aber auch interne Bonitätsbeurteilungen Verwendung. Graduelle Zinsanpassungen infolge von Änderungen der externen Bonitätsbeurteilung werden als „harmlose“,19 transaktionssparende Drittbewertung eingeschätzt. Demgegenüber kann sich aus Pflichten zur Nachbesicherung, beschleunigter Rückzahlung, dem Recht zur Kündigung, ggf. verbunden mit dem Recht oder auch der Pflicht zur Andienung, ein Klippeneffekt (credit cliff) ergeben, also ein durch Bedingungseintritt bewirkter Untergang des Emittenten.20 Ursache ist jeweils der Aufruf weiterer Finanzmittel zu einem Zeitpunkt, zu dem der Schuldner in seiner Leistungsfähigkeit ohnehin eingeschränkt ist.21 Prominente Beispiele sind die auf die Auslösung von rating triggers zurückgehenden Fälligstellungen von Forderungen im Vorfeld des Untergangs von Enron22 im 14 Instruktive Graphik bei Fischer / Sittmann-Haury IRZ 2006, 217, 218. Überblick bei Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 86 ff. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 445. 15 Dazu Hopt in: FS Schmidt 2009, S. 681 f. m. w. N. 16 Übergreifend Merkt ZHR 171 (2007) 490, 500. 17 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 188 f. 18 Kusserow / Dittrich WM 2000, 745, 748; Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 93. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 445 ff. Übergreifend GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 10/2-Renner Teil 4 Rn. 882 ff., 897; Oulds in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1174, 1189 Rn. 3.44 ff. 19 Cormier 21 Am. Bankr. Inst. J. 16 (2002) („harmless“). 20 Parmeggiani EBOR 2013, 425, 442. 21 Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 61.

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Einführung

Jahr 2001 und die in der Finanzmarktkrise 2008 nur durch staatliche Rettungsmaßnahmen verhinderte Insolvenz des US-amerikanischen Versicherers AIG.23 Im bilateralen Verhältnis kommt der Auslösung von rating triggers eine im Grunde begrüßenswerte Frühwarnfunktion zu. 24 Der angesprochene Klippeneffekt kann aber auch zu kaskadenartigen Wirkungen führen, von denen nicht am jeweiligen Vertrag beteiligte Dritte erfasst werden. Hauptursache unvermeidbarer Kaskaden ist die vorherrschende Vertragspraxis mit ihrer Synchronisierung der Mindestbonität auf hoher Stufe (investment grade). Angelegt ist dieses Erfordernis in der regulatorischen Vorgabe, unterhalb dieser Bonitätsstufe stehende Finanztitel (high yield oder junk bonds) zu besichern. Wegen der Synchronisierung der Bedingungen einer Vielzahl von Verträgen und zusätzlich der Eigenkapitalanforderungen von Banken können schon einzelne Herabstufungen (rating downgrades) eine Abwärtsspirale auslösen.25 In der Finanzmarktkrise von 2008 hatte die Herabstufung der Bonität von Kreditportfolios massive und zeitgleiche Verkäufe durch Finanzinstitute zur Folge (fire sales), die ihre Risikostruktur wegen der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen rasch anzupassen hatten (deleveraging). Der Markt war mit der Aufnahme der Titel überfordert.26 Der Untergang der US-amerikanischen Investmentbank Bear Sterns wurde unter Einsatz von Staatsmitteln verhindert, der von Lehman Bros. nicht.

III. Finanzanalysen (deal related research) Transaktionsbezogene Finanzanalysen (deal related research) werden insbesondere im Vorfeld einer Börsenerstzulassung (initial public offering, IPO) oder einer Kapitalerhöhung erstellt.27 Dabei liegt aus Sicht des kapitalsuchenden Emittenten der Versuch einer Instrumentalisierung von Finanzanalysten nahe. In Betracht kommt die zwischen finanzierender Bank und Geschäftsleitung des Emittenten abgestimmte Teilnahme von Analysten an transaktionsbezogenen Werbeveranstaltungen des Emittenten (deal related road shows).28 Enron sah sich nach Auslösung eines rating trigger einer Rückzahlungspflicht von 690 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 94. 23 Zum US-amerikanischen Versicherer AIG, der während der Finanzmarktkrise infolge der Auslösung eines rating trigger zusätzliche Sicherheiten i. H. v. 15 Mrd. US-Dollar zu stellen hatte Hunt 60 S.C. L. Rev. 749, 762 (2009). 24 Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 1 ff., 5. 25 Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 453 ff., 455. 26 Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E28 ff. 27 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 3. 28 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 167. 22

3. Kapitel: Funktionen

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In den Blick der Finanzaufsicht geraten sind vor allem die zur Einwerbung eines Mandats der IPO-Begleitung erstellten Analysen.29 Im Jahr 2005 wurde in mehreren Fällen eine auktionsgleiche Mandatsvergabe an Finanzinstitute beobachtet.30 In den Blick der Finanzaufsicht gerieten Versuche von Finanzinstituten, die Einwerbung von Mandaten zur lukrativen Transaktionsdurchführung durch Vorabanalysen (pre-deal research) zu fördern und dadurch Mitbewerber zu verdrängen (competitive IPO).31 Auktionen werden allgemein als Chance zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften angesehen.32 Für das um die Begleitung eines IPO bietende Finanzinstitut ergeben sich jedoch systematische Anreize zu überoptimistischen Bewertungen. Die Going-Public-Grundsätze der Deutschen Börse AG hatten für einen bestimmten Zeitraum vor der Emission Veröffentlichungsverbote statuiert (black-out periods), wurden aber 2005 zurückgezogen.33 Die britische FSA (heutige FCA) hat sich schon früh für eine aussagekräftige Kennzeichnung der Vorabanalysen und gegen die Verwendung von Begriffen wie „unabhängig“ oder „objektiv“ ausgesprochen.34 Den Erträgen dieses weiterführenden Vorstoßes ist unter berufsrechtlichen und regulatorischen Gesichtspunkten weiter nachzugehen.35

B. Geschäftsleiterüberwachung (Corporate Governance) Aus Sicht der Corporate Governance reicht die Wirkung von Leistungen der Informationsintermediation über die Ermöglichung einzelner Verträge hinaus. Zum Untersuchungsprogramm der Corporate Governance zählen sämtliche Faktoren, die sich auf die unternehmerischen Entscheidungsprozesse auswirken („System by which companies are directed and controlled“).36 Informationsintermediäre gehören zu den sogenannten Bausteinen (building blocks) der Corporate Governance, weil sie die für den Unternehmenserfolg wie auch den indiFSA, UKLA Publications, Issue No. 11, Supplementary Edition, November 2005. Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 53 nennt die Fälle Imarsat (Vereinigtes Königreich), Pages Jaunes (Frankreich), Telenet (Belgien) und EFG (Schweiz). Näher Jenkinson / Jones 15 Europ. Fin. Mgt. 733, 739 (2009). 31 Jenkinson / Jones 15 Europ. Fin. Mgt. 733, 744 (2009) mit einer instruktiven Übersicht zum zeitlichen Ablauf. 32 Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 21. 33 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 39; Schlitt / Schäfer in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2469, 2472. 34 FSA, UKLA Publications, Issue No. 11, Supplementary Edition, November 2005, S. 2. 35 Im Einzelnen 13. Kapitel: A.III.2 (S. 587 ff.). 36 Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (Cadbury-Report), London, Dezember 1992, Rn. 2.5. Aufgegriffen durch die Europäische Kommission, Europäischer Corporate Governance-Rahmen v. 5.4.2011, KOM (2011) 164 endg., S. 2. 29 30

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Einführung

viduellen Erfolg des einzelnen Geschäftsleiters relevanten Informationen zu Außenbewertungen vermitteln.37 Diese Wirkung ist sowohl für die Abschlussprüfung,38 als auch das Bonitätsrating39 und die Finanzanalyse40 anerkannt. Aus Sicht der Corporate Governance ist die Informationsintermediation als ein zwischen der unternehmensinternen und der externen Überwachung durch den Markt stehender Mechanismus der Überwachung von Geschäftsleitern einzuordnen. Die Unterscheidung der Finanzsysteme nach Informationsprozessen, also die Informationsauswertung entweder innerhalb kleiner Gruppen (Informationsinternalisierung) oder durch den Markt (Informationsexternalisierung) setzt sich in der Unterscheidung von Insider- und Outsidermodellen der Corporate Governance fort.41 Die Bedeutung der Informationsintermediation für die Corporate Governance ist hiernach nur im Zusammenspiel mit den weiteren Bausteinen, also vor allem der unternehmensinternen Überwachung durch den Aufsichtsrat, dem Markt für Unternehmenskontrolle und weiteren Kräften wie der Überwachungsleistung durch Banken, Börsen und Behörden zu ermessen.42

I. Abschlussprüfer zwischen Verband und Markt (Prüfungsbericht) Am besten erschlossen ist die Doppelrolle des Abschlussprüfers, dessen nach § 322 HGB zu erstellender Bestätigungsvermerk dem Markt die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung spiegelt, während der von § 321 HGB vorgesehene Prüfungsbericht auf die Informationsbedürfnisse des Aufsichtsrats zugeschnitten ist.43 Der Ausbau des Informationsflusses zwischen Abschlussprüfer und internen Unternehmensüberwachern ist zentrales Anliegen der internationalen Corporate-Governance-Bewegung. Die Informationsbedürfnisse der nebenamtlich tätigen Aufsichtsräte und der nichtgeschäftsführenden Direktoren eines einstufig organisierten Verwaltungsrats (board model) entsprechen sich weitgehend.44 Das Ziel einer Verzahnung von interner Überwachung und Abschlussprüfung kommt durch die teils gesetzlich vorgeschriebene, teils durch Kodexwerke empfohlene Einrichtung

Hopt ZHR 175 (2011) 444, 508 mit umfassender Rechtsvergleichung. Übergreifend zur Bedeutung des Kapitalmarkts für die Corporate Governance GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 8. 38 Abschn. I. 39 Abschn. II (S. 31). 40 Abschn. III (S. 32). 41 Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 489 ff. Im Einzelnen 6. Kapitel: B.I (S. 158). 42 Coffee Gatekeepers 2006, S. 8. 43 Zum Stand MünchKommHGB3-Ebke § 316 Rn. 24 ff., 26, 30. Siehe bereits die Beiträge in Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer als Element der Corporate Governance, 2001. 44 Vergleichend zu Rolle und Aufgaben Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 77 ff., 131 ff. 37

3. Kapitel: Funktionen

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eines Prüfungsausschusses zum Ausdruck, dem nach europäischem wie US-amerikanischem Recht ein Finanzexperte anzugehören hat.45 In Deutschland leistete maßgeblich das KonTraG von 1998 die Reorientierung des Abschlussprüfers auf den Aufsichtsrat, indem es Letzterem die im heutigen § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG niedergelegte Kompetenz zur Vergabe des Prüfungsmandats übertrug und den Abschlussprüfer durch den ergänzten § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG auf die Teilnahme an der Bilanzsitzung verpflichtete.46 Nicht zuletzt gestärkt durch die Rechtsprechung zur Redepflicht des Abschlussprüfers bei bestandsgefährdenden Risiken gilt der Abschlussprüfer als wichtigste vom Vorstand unabhängige Informationsquelle des Aufsichtsrats.47 Mit dem Prüfungsbericht, also der nach innen, an den Aufsichtsrat gerichteten Berichterstattung über die Beobachtungen während der Prüfung und über ihre Ergebnisse, verbindet sich die Chance einer verbesserten Informationsversorgung des Aufsichtsrats. Daran wird unionsrechtlich durch die Einführung eines zusätzlichen Berichts an den Prüfungsausschuss angeknüpft.48 Die damit verbundene konzeptionelle Neuausrichtung der Abschlussprüfung in greift das deutsche Modell der Verzahnung von unternehmensinterner und intermediärer Überwachungsebene auf.

II. Ratingbasierte Unternehmensfinanzierung (rating enhancements) Die Überwachungsfunktion externer Bonitätsbeurteilungen reicht bis hin zu Formen der ratinggesteuerten Unternehmensfinanzierung.49 Anleihen sind bei institutionellen Investoren entweder infolge regulatorischer Vorgaben, wie sie schon früh in den USA eingeführt wurden, oder rechtspraktisch wegen interner Anlageleitlinien der institutionellen Investoren nur bei hoher Bonitätsstufe (investment grade) absetzbar. An manchen Börsenplätzen, z. B. bei Euronext, ist die Vorlage eines Ratings Voraussetzung der Börsenzulassung.50 Eine deutlich größere Breitenwirkung kommt der Beachtung des Bonitätsratings durch aktuelle oder künftige Gläubiger des Unternehmens zu. Deshalb fließen die von Ratingagenturen veröffentlichten Ratingkriterien und -methoden mittelbar in praktisch jede Finanzierungsentscheidung ein.51 Einer Umfrage unter US-amerikanischen Fi-

Dazu GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 19 im Zusammenhang mit der Internationalisierung. 46 Hommelhoff BB 1998, 2567 (Teil 1) und 2625 (Teil 2); ders. / Mattheus AG 1998, 249. 47 Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 201 m. w. N. 48 Art. 11 EU-AbschlussprüferVO. Im Einzelnen Hommelhoff DB 2012, 389 (Teil 1) und 445 (Teil 2). 49 Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 377 ff., 380 mit zahlreichen Beispielen; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 93 ff., 95. 50 Dörscher in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1380, 1386 Rn. 8.31 ff. 45

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nanzvorständen (CFOs) zufolge sind die Auswirkungen auf das Rating zweitwichtigster Entscheidungsfaktor der Transaktionsgestaltung.52 Ratingagenturen übernehmen Aufgaben der privaten Standardsetzung für die gesetzlich weitgehend offen gelassenen Anforderungen an eine verlässliche Unternehmensfinanzierung.53 Eigenkapitalquoten werden außerhalb der Finanzindustrie nicht verpflichtend vorgegeben, sondern unterliegen dem Geschäftsleiterermessen.54 Die den Bonitätsbeurteilungen zugrunde liegenden Kriterien führen damit in der Sache zu einer ratinginduzierten Eigenkapitalquote.55 Ratingagenturen entscheiden auch darüber, welche Finanzierungsform als Eigenkapital eingestuft wird. Hybride Finanzierungen (mezzanine) sind zwar rechtlich Fremdkapital, können nach der von den Agenturen zugrunde gelegten wirtschaftlichen Funktion aber als Eigenkapital bewertet werden, das sich positiv auf die Bonitätsnote auswirkt. Der Einsatz hybrider Finanzierungsformen gilt deshalb als ein zu weiten Teilen ratinggetriebenes Phänomen.56 Kaum verwunderlich führt schon die Ankündigung von Änderungen der Ratingkriterien oder -methoden zu Neuausrichtungen der Finanzierungspolitik von Emittenten.57 Geschäftsleiter haben also bei jeder ihrer Entscheidungen die möglichen Auswirkungen auf die Bilanz zu berücksichtigen. Die beschriebenen marktlichen Wirkungen der Bonitätsbeurteeilung durch Ratingagenturen zwingen zur fortlaufenden Kontrolle der Finanzierungsstruktur. Wie mit Wirtschaftsprüfern wird auch mit Ratingagenturen im Vorfeld von wirtschaftlich bedeutsamen Entscheidungen Kontakt aufgenommen. Trotz solcher Entsprechungen sind die Möglichkeiten zur Verzahnung der über Ratingagenturen vermittelten marktlichen Kontrolle mit der unternehmensinternen Überwachung durch den Aufsichtsrat anders als bei der Abschlussprüfung bislang kaum erschlossen.58

III. Finanzanalyse und Marktverbleib (non-deal related research) Die Geschäftsleiter stehen auch unabhängig von einzelnen Transaktionen unter ständiger Beobachtung durch Finanzanalysten (non-deal related research). Schon mangels regulatorischer Einbindung bleiben die Wirkungen der Finanzanalyse hinter denen von Abschlussprüfung oder Bonitätsbeurteilung zurück. Verkaufs51 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 4 ff., 7. 52 Graham / Harvey 60 J. Fin. Econ. 187, 189, 211 (2001): Umfrage unter USamerikanischen CFOs. Siehe auch Kisgen 61 J. Fin. 1035 (2006). 53 Schroeter Ratings, 2014, S. 379. 54 Schmidt Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2002, § 18 II 4. 55 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 88. 56 Kraft ZGR 2008, 324, 351; Sester ZBB 2006, 443, 453. Vergleichend Blaurock ZGR 2007, 603, 610. 57 Schaber / Isert BB 2006, 2401. 58 Näher 13. Kapitel: C.II.1 (S. 699).

3. Kapitel: Funktionen

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empfehlungen können sich negativ auf den Börsenkurs und damit verbunden auf erfolgsabhängige Teile der Vergütung von Geschäftsleitern auswirken. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Bereitschaft von Geschäftsleitern zur selektiven Informationsweitergabe an Analysten, die allerdings den Schranken des Insiderrechts unterliegt bzw. in den USA durch die Regulation Fair Disclosure von 2000 allgemein untersagt wurde. Über Möglichkeiten der Verzahnung mit der internen Unternehmensüberwachung wird aus dem Blickwinkel einer Einbeziehung des Aufsichtsrats in die Kontakte des Vorstands zu Investoren diskutiert (investor relations).59 Gestaltungsvorschläge zu den Einsatzmöglichkeiten des Aufsichtsratsältesten, also dem Erfahrensten unter den nicht geschäftsführenden und unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern (senior independent director) unterbreitet der UK Corporate Governance Code.60 Die Übertragbarkeit auf die zweistufig organisierte Unternehmensverwaltung, in der dem Aufsichtsrat die Rolle eines Innenorgans zukommt, ist nicht abschließend geklärt, aber auch nicht von vornherein zu verneinen. Der DCGK enthält sich jeglicher Äußerung zu einer möglichen Einbindung des Aufsichtsrats in die für die Finanzierungsstrategie hoch bedeutsame Zusammenarbeit des Vorstands mit Finanzanalysten.

C. Marktfunktionsschutz (market governance) Die beschriebenen Ermöglichungs- und Überwachungsfunktionen der Informationsintermediation fügen sich unter dem Begriff der Marktdisziplin zu selbstregulierenden Kräften des kapitalmarktlichen Austauschmarkts zusammen.61 Die Begleitung der Unternehmenspublizität und ihre Ergänzung durch Leistungen der Informationsintermediation reichert den Informationsbestand des Markts an. In der Folge der Informationsbündelung sinken die Informations-, also die Transaktionskosten. Damit verbinden sich Chancen auf Steigerungen der informationellen, operationellen und übergreifend der allokativen Effizienz des Markts, die zusammengenommen als selbstregulative Kräfte des Markts einzuordnen sind.62 Die Informationsintermediation ist deshalb über die beschriebenen Funktionen hinaus Komponente eines durch private Mechanismen bestellten Marktfunktionsschutzes (market governance). 59 Siehe neuerdings Ziff. 5.2 DCGK und vorangegangenen Vorstoß der Initiative Developing Shareholder Communication, Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat, 5.7.2016. Erläuternd Hirt / Hopt / Mattheus AG 2016, 725. Zuvor Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 383. 60 UK Corporate Governance Code, code provisions A.4.1. f. 61 Der Begriff verbindet sich mit der Dritten Säule der Basler Rahmenvereinbarung (Basel II) und meint die erweiterten Offenlegungspflichten der Kreditinstitute. Zu den maßgeblichen Volumen und Preiseffekten EZB, Monatsbericht, Februar 2005, S. 57 ff., 59. Aus der Literatur Streiter / Thiry / Pfingsten in: FS Rudolph 2009, S. 81, 86.

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Die Abschlussprüfung wurde nicht zuletzt aus Gründen der Krisenprävention verpflichtend. Beim Rating wurden die tatsächlichen Wirkungen (mit zweifelhaftem Erfolg) durch regulatorische Inbezugnahmen in Richtung einer systemschützenden Eigenkapitalregulierung der Banken ausgebaut. Mittlerweile hat sich für alle Formen der Informationsintermediation, darunter auch für die Finanzanalyse, die Erkenntnis verfestigt, dass private Informationsintermediäre bei verlässlicher Verpflichtung auf die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität eine marktfunktionsschützende Rolle zukommen kann.

I. Pflichtprüfung zur Krisenprävention (Intermediationsobligatorium) Zur verpflichtenden Abschlussprüfung kam es durch die Notverordnung des Jahres 1931, der unerwartete Unternehmenszusammenbrüche und der große Börsenkrach von 1929 vorausgegangen waren. Seitdem hat sich im Zuge zahlreicher weiterer Krisen und jeweils folgender Regulierungsschritte ein Verständnis entwickelt, dem zufolge geprüfte Abschlüsse für die Vermeidung von Bilanzbetrug unabdingbar sind. Die geprüfte Unternehmenspublizität wird als Voraussetzung der Funktionstüchtigkeit eines durch Haftungsbegrenzung, Fremdgeschäftsführung sowie Unternehmenspublizität gekennzeichneten und auf anonymen Kapitalaustausch angelegten Finanzsystems erachtet.63 Innerhalb der hier behandelten Formen der Informationsintermediation ist die Pflicht der Emittenten zur jährlichen Prüfung der Rechnungslegung das einzige gesetzlich vorgeschriebene Intermediationsobligatorium. Über die Reichweite einer im Zeichen des Funktionsschutzes stehenden Verantwortung des Abschlussprüfers für die Wahrung des öffentlichen Interesses an der Informationsintegrität wird gestritten.64 An der grundsätzlichen Einordnung als Mechanismus sowohl des Anteilseignerschutzes als auch des Schutzes öffentlicher Interessen an der Krisenprävention ist demgegenüber heute nicht mehr zu rütteln.65 Auf die Verpflichtung zur jährlichen externen Prüfung des Jahresabschlusses wird zur Steuerung der Sekundärmarktpublizität, soweit ersichtlich, in keinem der entwickelten Märkte verzichtet. In Bezug auf die Primärmarktpublizität verpflichtet das Unionsrecht allgemein nur zur Wiedergabe des Bestätigungs62 Zur Abschlussprüfung Ebke in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 559, 569. Zum Rating Schroeter Ratings, 2014, S. 50 ff. Zur Finanzanalyse Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 45. 63 Übergreifend Black 44 UCLA L. Rev. 781, 792 (2001). 64 Die öffentliche Funktion betont Doralt ZGR 2015, 266, 287. Zurückhaltend demgegenüber MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 36. 65 Auszug aus einer jüngeren Rede des Kommissars Michel Barnier „it is now high time for auditors to meet the challenges of their role – a societal role“; Europäische Kommission, Commissioner Michel Barnier welcomes provisional agreement in trilogue on the reform of the audit sector, Memo 13/1171 v. 17.12.2013. Im Einzelnen 5. Kapitel: B.II.1., 2 (S. 98 ff., 100).

3. Kapitel: Funktionen

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vermerks im Prospekt.66 Bei Aufnahme einer Gewinnprognose ist demgegenüber ein zusätzlicher Buchprüfer- bzw. Wirtschaftsprüferbericht erforderlich.67 Die Inanspruchnahme von Prüfertestaten ist bei Emissionen schon wegen der praxisüblichen Einforderung von comfort letters durch die emissionsbegleitenden Banken (underwriters) ohnehin erforderlich.68

II. Rating als Regulierungssubstitut (Eigenkapitalbemessung) Bonitätsratings sind den Emittenten zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber faktisch unausweichlich. Statt obligatorischer Einbindung in die Unternehmenspublizität wurden sie zu einem Regulierungssubstitut innerhalb des Eigenkapitalrechts der Banken ausgebaut.69 Die Grundgedanken sind bis auf die Zeit vor der US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre und die Verpflichtung institutioneller Investoren zurückzuverfolgen, allein mit investment grade versehene Titel aufzunehmen. Durch den Basel II-Akkord von 2005 und die europäische Eigenkapitalrichtlinie von 2006 setzte sich die Überzeugung durch, dass extern erstellte Ratings zu einer risikosensitiven Berechnung der Kapitalanforderungen eingesetzt werden können. Derzeit kehrt sich diese Überzeugung unter dem durch US-amerikanische Regulierungsschritte angestoßenen neuen Paradigma des Rückbaus regulatorischer Funktionen des Bonitätsratings (reducing regulatory reliance on ratings) auch in der Europäischen Union in ihr Gegenteil um.70 Mit der Finanzmarktkrise von 2008 und der darauf folgenden Regulierungsdiskussion sind erneut Fehlentwicklungen Anlass für Neuorientierungen im Recht der Informationsintermediation. Das Aufkommen und die Verfestigung des Ratings in den USA bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sind zunächst allein auf marktliche Informationsbedürfnisse zurückzuführen. Die spätere Eigenkapitalregulierung der Finanzinstitute machte sich diese bereits vorhandene Einbindung des Ratings in das kapitalmarktliche Informationsgefüge und die damit verbundene Rolle der Agenturen als Instanzen 66 § 7 WpPG i. V. m. Anh. I Ziff. 20.1 Abs. 1 EG-ProspektVO. Näher KapitalmarktrechtsKomm4-Heidelbach / Doleczik WpPG § 7 Rn. 20. 67 § 7 WpPG i. V. m. Anh. I Ziff. 13.2 EG-ProspektVO. 68 Dazu 3. Kapitel: A.I (S. 26). 69 Zum Stand Boos / Fischer / Schulte-MattlerKWG5-Dürselen Art. 135 CRR-VO Rn. 7 ff. Zur früheren Rechtslage Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 5. Überblick bei Schroeter 6 JARAF 14, 21 (2011). Im Einzelnen ders. Ratings, 2014, S. 100 ff.; ders. ZIP 2016, 703 zum Rating von Mittelstandsanleihen. 70 European Commission, EU Response to the Financial Stability Board (FSB) – EU Action Plan to reduce reliance on Credit Rating Agency (CRA) Ratings, Staff Working Paper, Brüssel 16.5.2014. Vorausgegangen war der US-amerikanische Dodd-Frank Act von 2010. Näher Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 1, 6. Aufl., 2011, S. 7. Speziell zum Rating Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 294. Zum Stand Bauerfeind WM 2015, 1743; Schulte-Mattler / Affeld Die Bank 2016, 8.

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der Marktdisziplin zunutze. Ohne Eigenkapitalrestriktionen verfügen vor allem Banken über beinahe unbegrenzte Möglichkeiten der Risikosteigerung, weil schon mit geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinnchancen, aber eben auch hohe Verlustrisiken aufgebaut werden können (leverage).71 Die Größe führender Institute zusammen mit der internationalen Vernetzung ihrer Risiken (too big and too interconnected to fail) zwang zahlreiche Staaten und auch die Europäische Union in den Krisenjahren ab 2008 zu volkswirtschaftlich einschneidenden Rettungsmaßnahmen. Ratings hatten sich zur Erfassung von Risikogrößen, Ausfallwahrscheinlichkeiten und vor allem von korrelierten Risikofaktoren als untauglich erwiesen. Gleichwohl ist die grundsätzliche Eignung des Ratings zur Beurteilung von Kreditrisiken nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Zum Beleg der Treffgenauigkeit erstellte Zahlenwerke mögen nicht immer überzeugend sein.72 Umgekehrt sind die Gründe für Fehlleistungen in Bezug auf strukturierte Finanzprodukte, die für die Krise von 2008 ausschlaggebend waren, nicht ohne Weiteres auf die kontinuierliche Begleitung des konservativeren Anleihemarkts zu übertragen.73 Der jetzt anstehende Rückbau von Rating-Inbezugnahmen mag (weitestgehend) berechtigt sein. Eine Alternative zu den bekannten Formen der Bonitätsbeurteilung, die als solche unerlässlich ist, wurde aber bislang nicht erarbeitet und ist innerhalb des gewachsenen Systems auch nur schwer herauszubilden. Die privaten Wirkungen der Bereitstellung von Bonitätsratings sind schon angesichts der auf die Einholung unabhängiger Informationen verpflichteten Geschäftsleiter (business judgment rule, § 93 AktG) weder innerhalb noch außerhalb des Finanzsektors vollständig zu unterbinden. Angesichts der gewachsenen praktischen Abläufe der transaktionsbegleitenden Informationseinholung – von der professionell begleiteten Großtransaktion bis hin zur beratenen Einzelentscheidung der Kleinanleger – wird privaten Ratings auch fortan eine Rolle beim Marktfunktionsschutz zukommen. Wie für die weiteren Intermediäre kommt es auch künftig auf durchsetzbare Verpflichtungen zur Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität an.

III. Finanzanalyse und Informationsintegrität (regulierte Intermediation) Die Finanzanalyse wird als privates Leistungsangebot zur Unterstützung von Vorhaben des Emittenten und dessen Verlässlichkeit am Markt (market standing) wahrgenommen, zunehmend aber auch in den größeren Zusammenhang eines systemschützenden kapitalmarktlichen Informationsmarkts gestellt.74 Die seit dem Jahrtausendwechsel in der Europäischen Union und anderswo ergriffeHellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E28 f. Zur Kritik Coffee Gatekeepers, 2006, S. 297. 73 Schroeter Ratings, 2014, S. 245 ff., 283. 74 Einerseits Orcutt 81 Denv. U. L. Rev. 1, 77 (2003). Andererseits Pfüller / Wagner WM 2004, 253, 262. 71 72

3. Kapitel: Funktionen

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nen Maßnahmen verpflichten die Finanzanalysten auf die Wahrung der Informationsintegrität. Dadurch entsteht, wenngleich anders als bei Abschlussprüfung und Rating, im weit verstandenen Sinne ein Berufsstand, der sich beim Angebot seiner Leistungen nicht auf die Wahrung der Interessen eines beauftragenden oder geschäftsverbundenen Emittenten zurückziehen darf, sondern sich an übergreifenden Zielen des Marktfunktionsschutzes messen lassen muss. Finanzanalysten haben in der Vergangenheit zur Aufdeckung von Finanzskandalen, wegen gleichgerichteter Fehleinschätzungen aber auch zu fortgesetzten Kursübersteigerungen mit darauf folgenden noch höheren Markteinbrüchen beigetragen. Die seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz in § 34b WpHG verankerten Regeln verpflichten die Analysten zu einem sachgerechten Umgang mit Interessenkonflikten, wie sie insbesondere aus den Geschäftszielen des sie beschäftigenden Finanzhauses resultieren können. Um die Erfolgsbeurteilung der heute international üblichen Trennung von Informationsflüssen (Chinese walls bzw. screens) oder auch des Verbots einer Weitergabe selbst von nicht kursrelevanten Informationen vom Emittenten an den Analysten nach US-amerikanischem Recht (Regulation Fair Disclosure von 2000) wird weiter gerungen.75 Unumstritten ist, dass eine freie Finanzanalyse ebenso wie eine freie Finanzpresse durch Recherche, Hintergrundberichterstattung und Kritik zur Anreicherung des Informationstands der Marktteilnehmer beitragen kann.76 Voraussetzung ist bei der Finanzanalyse ebenso wie bei den anderen Informationsintermediären eine zielgenaue Unterbindung systematischer Fehlanreize, also von Verhalten, dass vorhersehbar zur Nichtachtung des Ziels integrer Finanzinformationen führt. Die dahin führenden regulatorischen Maßnahmen sind bislang nicht in einer der Abschlussprüfung vergleichbaren Detailgenauigkeit ausgeformt und stehen auch hinter den Vorgaben an Ratingagenturen zurück. Im Abgleich hiermit werden die möglichen Schritte erkennbar, infolge derer sich die Finanzanalyse zur Komponente einer auf Informationsintegrität angelegten privaten Informationsintermediation fortentwickeln könnte. Ein vollständiger Gleichlauf mit den zu anderen Informationsintermediären gewählten Maßnahmen ist nicht zwingend angezeigt, wohl aber abzuwägen.

75 76

Zum Ganzen Coffee Ratings, 2006, S. 263. Einordnend Black 48 UCLA L. REV. 781, 798 (2001).

4. Kapitel

Forschungsprogramm und -ziele 4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele

Die bis hierhin umrissenen Chancen und Herausforderungen eines funktionstauglichen Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation lassen die Ziele, Themen und erste Perspektiven erkennen. Daraus ergibt sich das dreiteilige Forschungsprogramm der vorliegenden Untersuchung.1

A. Grundlagen I. Entwicklungen Im Zuge der bis auf das 19. Jahrhundert zurückreichenden Ursprünge der modernen Intermediationsleistungen haben sich für Abschlussprüfung, Ratingagenturen und Finanzanalysten unterschiedlich stark ausgeprägte Normbestände herausgebildet. Die Ausformung dauert an und erfolgt zumeist in krisengetriebenen Schüben. Die maßgeblichen Entwicklungsparameter betreffen das Aufkommen der Berufsstände, regulatorische Maßnahmen und die Strukturen des Markts für kapitalmarktbezogene Leistungen der Informationsintermediation. Bei der Durchsicht gilt es, die Vermutung wiederkehrender Muster des Intermediärversagens und von Konvergenzbewegungen in Regelungsbeständen und Rollenverständnissen zu belegen.

II. Ökonomik Die theoretische Ökonomik liefert unter dem Gesichtspunkt der relativen Markteffizienz Erklärungen für die Bedeutung der Informationsintermediation und die Eigengesetzlichkeiten des neben dem kapitalmarktlichen Austauschmarkts bestehenden Markts für Intermediationsleistungen. Die Informationsintermediation als Systemdeterminate und Elastizität schaffende Komponente des Systemwandels wird aus dem Blickwinkel der prozessbezogenen Einteilung in informationsinternalisierende und -externalisierende Finanzsysteme fassbar. Ihre mögliche Rolle bestimmt sich hiernach einerseits nach den Informationsbedürfnissen innerhalb eines auf verlässliche und öffentlich zugängliche Bewertungen angewiesenen Markts, andererseits tritt sie bei fortschreitender Disintermediation, also Entwicklungen zu nicht durch Intermediäre begleiteten Informa1

Näher zu den einzelnen Teilen Abschn. A, B (S. 40), C (S. 42).

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Einführung

tionsprozessen in den Hintergrund. Die weiteren Determinanten einer verlässlichen Informationsintermediation bestimmen sich nach schwer fassbaren Wirkungszusammenhängen. Das Wirtschaftsgut Information, die zu ihrer Verlässlichkeit erforderliche Reputation des Informationserstellers und die stilisierbaren Abläufe des marktlichen Informationsaustauschs lassen natürliche Tendenzen zur Bildung oligopoler Strukturen vermuten.

III. Empirik Empirisch sind zahlreiche Einzelerkenntnisse der diese Vermutungen anleitenden theoretischen Ökonomik belegt. Von rechtspolitischem Interesse ist die Belastbarkeit möglicher Erkenntnisse für die strukturelle Ausgestaltung des Finanzsystems, die von der Empirik aber erwartungsgemäß nicht abschließend zu leisten sind. Den Informationsintermediären kommt nicht allein in informationsinternalisierenden Finanzsystemen Bedeutung zu. Nachweisbar sind Einflüsse auf das Investitionsverhalten und auf die von Emittenten gewählten Kapitalstrukturen. Auf diese Einflüsse gründet die Überzeugung von der Notwendigkeit regulatorischer Vorgaben. Gemeinsame Versagensmuster und -gründe, etwa auch verhaltenspsychologisch fundierte systematische Fehleinschätzungen, könnten Versuchen einer fortgesetzten privaten oder regulatorischen Einbindung der Informationsintermediation entgegenstehen. Dasselbe gilt für Interessenkonflikte, die zwischen Absatzdruck, Vergütungsinteressen und systematisch zur Gewinnsteigerung einsetzbaren Leistungskombinationen Schwächen der Marktmechanismen aufzeigen. Maßnahmen zur Integritätssicherung sind in den Einzelbereichen der Intermediation oft ergriffen worden. Ihre Tauglichkeit zur Herbeiführung von Verhaltensänderungen ist unter den Gesichtspunkten der Reputation, Haftung und der weiteren Regulierung vermessen worden.

B. Marktzugangskontrolle I. Regulatorische Indienstnahme Regulatorische Indienstnahmen finden sich im Recht der Abschlussprüfung und des Bonitätsratings, nicht bei der Finanzanalyse. Die bekannten Formen der Einbindung von Intermediären in regulatorische Ziele sind als hybrid hoheitlich-private Steuerungsprozesse zu erfassen. In der Regulierungstheorie finden sich anreizorientierte, metaregulative und markt- bzw. risikoorientierte Regelungskonzeptionen. Die voraussichtliche Leistungsfähigkeit dieser Konzeptionen ist Vorfrage der Einsatzmöglichkeiten privater Informationsintermediäre zur Erreichung hoheitlicher Ziele. Auch im Rahmen ihres Leistungsspektrums setzen verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzgeberische Wertentscheidungen dem Einsatz der Informationsintermediation Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen kom-

4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele

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men drei Typen der regulatorischen Indienstnahme in Betracht: erstens eine an die private Einflussmöglichkeit des Intermediärs geknüpfte Verantwortungszuweisung (third-party policing), zweitens die an seine Leistung anknüpfende Rechtsfolgenzuweisung (regulatory licensing) und drittens die mehrere Ansätze kombinierende begleitende Marktzugangskontrolle (relational gatekeeping). Die Abwägung zwischen den einzelnen Formen ist maßgeblich an vier Kriterien auszurichten: den Grenzen der Abschreckung des primär verantwortlichen Emittenten, den vorhandenen oder fehlenden Anreizen zum privaten Selbst- oder Fremdschutz, den Möglichkeiten des Intermediärs zur Verhinderung von Fehlverhalten sowie der Verhältnismäßigkeit der Kosten.

II. Grenzen und Regelungsfolgepflichten Private Informationsdienstleistungen sind zur Sicherstellung oder Förderung des Ziels kapitalmarktlicher Informationsintegrität nur bei entsprechender Leistungsfähigkeit und zusätzlich zielkompatibler Anreize geeignet. Systematisch auftretende Schwächen geben sowohl bei regulatorischer Indienstnahme als auch bei freier Informationsintermediation Anlass zur Regelsetzung. Beeinträchtigungen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität treten maßgeblich in drei Formen auf: erstens bei Ausbleiben, zweitens bei Fehlerhaftigkeit und drittens bei schädlichen Folgewirkungen der Intermediationsleistung. Die Steuerung kann auf drei Regelungsebenen erfolgen: der allein privaten Standardsetzung, der hybrid hoheitlich-privater berufsrechtlichen Konkretisierung oder der direkten Vorgabe durch regulatorischen Zugriff.

III. Rechtliche Grundstrukturen Die bislang fehlenden Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation können im Dialog mit der funktionalen Gesellschaftsrechtsforschung ausgeformt werden. Zu den dort erschlossenen Regelungsstrategien zählen erstens Verhaltenspflichten der Intermediäre (rules / standards) sowie Vorgaben zu ihrer Einbindung in das Zustandekommen oder in die Beendigung von Investitionsbeziehungen mit Emittenten (entry/exit). Zweitens kommen in unterschiedlichem Umfang steuerbare Bestellungsrechte (selection/removal), Einwirkungsrechte (initiation/veto) und Maßnahmen zur Herstellung von Anreizkonformität (trusteeship/reward) in Betracht. Die Überzeugungen zu den Einsatzradien dieser Regelungsstrategieen auf privater, hoheitlich gesteuerter oder unmittelbar regulatorischer Ebene befinden sich im Wandel. Auf lange Sicht werden Überlegungen zu den Gründen für Veränderungen, darunter insbesondere Änderungen von Anteilseignerstrukturen und Anlegertypen, zur verbesserten Einschätzung dauerhaft belastbarer Regelungsarrangements beitragen.

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Einführung

C. Rechtsrahmen I. Vertrag 1. Leistungen der privaten Informationsintermediation werden auf vertraglicher Grundlage erbracht. Die privatautonome Absprache bürgt im Zwei-PersonenVerhältnis für die Richtigkeitsgewähr des Austauschs und bringt unter dem Gesichtspunkt einer Vielzahl in diesem Sinne richtiger Absprachen eine marktfunktionsschützende Wirkung hervor. Von vertraglich vereinbarten Leistungen der Informationsintermediation sind aber in der Regel außenstehende Dritte betroffen. Drittinteressen können reflexartig im Wege der Durchsetzung von Interessen des Auftraggebers gewahrt sein. Übergreifende Grenzen findet dieser reflexartige Schutz durch Möglichkeiten der Parteien, die Rechte Dritter auszuschließen und sich im Wege der Rechtswahl den Vorstellungen des nationalen Rechts vom Umfang drittschützender Wirkungen zu entziehen. Die Leistungsgrenzen einer allein durch privatautonome Absprachen gesteuerten Informationsintermediation werden unter den folgenden drei Gesichtspunkten fassbar: 2. Die Intermediationsabsprache hat die Vereinbarung einer Leistung zum Gegenstand, die durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens geprägt ist. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion ist offen, inwieweit Leistungen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation nach prozeduralen Standards zu bestimmen sind, wie sie von der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung herausgebildet wurden. Selbstbindungen der Intermediäre an die Einhaltung prozeduraler Pflichten gehen allgemeinen Grundsätzen vor und bauen diese teilweise leistungsspezifisch aus. Eine Drittbindung resultiert daraus jedoch nicht zwingend. 3. Intermediationsverträge werden in großer Zahl geschlossen. Der Leistungsumfang wird wie sonst auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen konkretisiert. Inwieweit die private Indienstnahme von Intermediationsleistungen dem Transparenz- und Angemessenheitsgebot der §§ 305 ff. BGB gerecht wird, ist schon für das Zwei-Personen-Verhältnis umstritten. Darüber hinaus kommt es auf die Zulässigkeit des Ausschlusses von Drittrechten und der drittwirkenden Haftungsbegrenzung sowie auf die Grenzen des Einwendungsdurchgriffs an. Erwartungsgemäß bietet das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nur einen lückenhaften Schutz des übergreifenden Interesses an der Integrität der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation. 4. Die Generalklauseln der §§ 134, 138 BGB i. V. m. mit dem Verbot unlauteren Verhaltens nach § 3 UWG haben aus ihrem Zuschnitt auf das bilaterale Vertragsverhältnis bzw. die Sicherstellung ordnungsgemäßen Verhaltens der primärverantwortlichen Emittenten wenig entgegenzusetzen. Immerhin ziehen sie allgemeine Grenzen für eine Grundüberzeugungen zuwider laufende Inanspruchnahme wirtschaftlicher und auch informationsbedingter Machtpositionen. Konkreter auf die Informationsintermediation zugeschnitten sind Regeln

4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele

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wie das Verbot der Marktpreismanipulation, dem nach der Rechtsprechung des BGH allerdings der haftungsrechtliche Drittschutz entzogen ist.

II. Partei- und Dritthaftung 1. Die Partei- und Dritthaftung der Intermediäre des Kapitalmarkts wirft alle bekannten Grundsatzfragen der Berufshaftung und kapitalmarktlichen Informationshaftung auf. Funktionsbezogene Haftungsregeln müssen die kapitalmarktbezogene Zielrichtung, also nicht auf die individuellen Risikopräferenzen ausgerichtete Informationsintermediation berücksichtigen (Mehrebenensystem). International wird ein Ausbau der Haftung nach Gesichtspunkten (allein) des Funktionsschutzes erwogen (gatekeeper liability). Die Vorschläge sind an den gewachsenen Grundsätzen einer zurückgenommenen Haftungsverantwortung für reine Vermögensschäden zu messen (pure economic loss). Vorteile der Arbeitsteilung sind zu wahren (comparative negligence, proportionate liability). Funktionsstörende Haftungserweiterungen können aber etwa durch Einrichtung von Haftungshöchstsummen aufzufangen sein (liability caps). Eine Beseitigung dysfunktionaler Verhaltensanreize durch nationales Haftungsrecht kommt gleichwohl nur innerhalb der Grenzen des international privatrechtlich zu bestimmenden Haftungsstatuts in Betracht. Dies wirft besondere Probleme auf, wenn die Leistungen wie beim Rating von Anbietern mit Sitz in den USA erbracht werden. 2. Bereits die in In- und Ausland geltenden Regeln der Parteihaftung können zu einem Steuerungsausfall führen. Aus dem US-amerikanischen Recht ist die Haftungsentlastung auf Grundlage von Warnhinweisen (bespeaks doctrine) zu nennen. Die Einordnung von Intermediationsleistungen als Beratung, wie sie der BGH zu den im Abonnement erbrachten Finanzanalysen vorgenommen hat, könnte umgekehrt zu weit gehen. 3. Ein Ausfall der haftungsrechtlichen Verhaltenssteuerung zeigt sich bei der Dritthaftung. Zu weiten Teilen ist dies Folge eines nicht anreizorientierten Umgangs mit den angesprochenen Grundsatzfragen. Die in Betracht kommenden Einordnungen zwischen drittschützendem Vertrag und berufshaftungsrechtlich ausgeformter deliktischer Haftung für reine Vermögensschäden führen zu einem insgesamt lückenhaften System der Anreizsteuerung. Zugleich bietet der im Zusammenhang mit der kapitalmarktlichen Informationshaftung besonders intensive Dialog zwischen Rechtsprechung und Lehre Ansatzpunkte zu Rechtsfortbildungen de lege lata und de lege ferenda. Maßgebliche Justierungen mit dem Ziel eines leistungsfähigen Rechts der Informationsintermediation sind neben der Schutzgüterdiskussion bei Schaden, Kausalität und Beweislast, möglichen Haftungshöchstsummen, den Regeln zu Haftungsausschluss und -minderung sowie bei Gesamtschuld und Rückgriff anzustoßen.

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Einführung

III. Berufsrecht und Regulierung 1. Berufsrecht und Regulierung tragen zur Rollenbildung bei. Bei entsprechender Ausgestaltung sind die Vorteile der privaten Informationsintermediation, also der durch Angebot und Nachfrage gesteuerten Informationsleistungen zu wahren. Bei Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse sind unterschiedlich tiefe Regelungsbestände vorzufinden. Aus Sicht der kapitalmarktlichen Informationsintegrität kommt es übergreifend auf Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Handelnden an. Die jeweiligen Regelungsbestände unterscheiden sich in Bezug auf Berufszugang, Verhaltenspflichten, Vorgaben an die Unabhängigkeit und als mit Letzterem eng verbundenem Regulierungsthema Regeln der Vergütung. Durchweg ist nach Organisations-, Offenlegungs- und Abstandnahmepflichten einzuteilen. Innerhalb dieser nach Eingriffsintensität steigenden Stufen bieten sich Möglichkeiten zur Differenzierung nach Art der jeweiligen Intermediationsleistung an. 2. Die größten Unterschiede sind beim Berufszugang zu verzeichnen. Allein bei der Abschlussprüfung findet sich ein auf den einzelnen Handelnden bezogenes Regelungskonzept. Die weiteren Verhaltenspflichten unterliegen dort wie bei den anderen Intermediären stetigem Wandel. Zunehmend in den Blick geraten die Vorgaben an den Intermediationsprozess insgesamt, darunter Regeln zur Prüfung der Informationsgrundlage, zusätzlich Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten sowie Veröffentlichungsgebote bei negativen Beurteilungen, Letztere im Spannungsverhältnis mit den Rechten eines beauftragenden Emittenten. 3. Die Unabhängigkeit der Informationsintermediäre ist neben der Qualifikation wichtigste, in ihren Ausformungen aber zugleich schillerndste Voraussetzung. Einer leistungsfähigen Informationsintermediation stehen zu weit gehende Pflichten der Interessenwahrung gegenüber dem Auftraggeber ebenso wie die Untersagung eines Informationsaustauschs mit diesem entgegen. Besonders hieran ist der Vorrang der auf Organisation oder Offenlegung gerichteten Lösungen gegenüber dem Leistungsverbot aufzuzeigen. Zum Ausgleich gedachte Regeln stellen übergreifende Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit, den Umgang mit personellen und finanziellen Verflechtungen und geschäftlichen Beziehungen. Mögliche Schwächen in den unverbundenen Normbeständen der einzelnen Intermediationsleistungen deuten sich bei fehlendem Zugriff auf die im jeweils anderen Intermediationsbereich geregelten Konflikte an. 4. Die privat getroffenen Vergütungsabsprachen können die für die Verlässlichkeit der einzelnen Intermediationsleistung sonst entscheidenden marktlichen Mechanismen, insbesondere den Reputationsmechanismus, aushebeln. Insoweit stehen sich Modelle der emittenten- und der investorenfinanzierten Informationsintermediation gegenüber. Eine sachgerechte Regulierung der Vergütungsfrage ist unter Berücksichtigung der Wirkungen von Vergütungsanreizen auf einerseits die Reputation der Intermediärunternehmung und andererseits die des einzelnen für diese Unternehmung Handelnden zu erlangen. Hieran ist der

4. Kapitel: Forschungsprogramm und -ziele

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Regelungsbestand zu messen. Konkrete Fragen stellen sich in Bezug auf Vergütungsverhandlung und -gestaltung, organisatorische Maßnahmen des Emittenten sowie auf solche zur Unterbindung der Vergütungserzwingung durch den Intermediär im Wege des Missbrauchs seiner privaten Informationsmacht.

Erster Teil

Informationsintermediation am Kapitalmarkt Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Die private Informationsintermediation durch Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse zählt zu den verfestigten Bestandteilen des Informationsgefüges moderner Kapitalmärkte. Die jeweiligen historischen Wurzeln reichen unterschiedlich weit zurück. An der im zuerst folgenden Kapitel zu beschreibenden Entwicklungsgeschichte ist zu zeigen, dass die Informationsleistungen in jeweils unterschiedlichem Maße durch Markt, Staat und Regulierung ausgeformt wurden. Daraus sind für die heutige Rolle der Informationsintermediäre und ihre Fortentwicklung maßgebliche Einzelerfahrungen abzuleiten. Im darauf folgenden Kapitel ist der von der ökonomischen Theorie erschlossenen Bedeutung der Informationsintermediation für die Effizienz des Kapitalmarkts und die Anpassungsfähigkeit des Finanzsystems sowie den für ihre Funktionsweise entscheidenden Mechanismen nachzugehen. Das letzte Kapitel des ersten Teils widmet sich empirisch-analytischen Erklärungen für die zuvor beschriebenen Erfahrungen und auch Infragestellungen der theoretischen Begründungen zu Existenz, Funktionen und Steuerung der Informationsintermediation.

5. Kapitel

Entwicklungen 5. Kapitel: Entwicklungen

Zur Entwicklungsgeschichte vor allem der Abschlussprüfung1 und des Bonitätsratings,2 weniger der Finanzanalyse,3 liegen zahlreiche Einzelaufarbeitungen vor. Seltener finden sich vergleichende Untersuchungen zur Entwicklung der einzelnen Intermediationsleistungen. Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Erfahrungen. Erkennbar sind aber auch Gemeinsamkeiten der für die jeweiligen Entwicklungsschritte maßgeblichen Parameter.4 Bereits in den Anfängen erwiesen sich die Erfahrungen im Ausland, vor allem in den USA und dem Vereinigten Königreich als prägend. Zu weiten Teilen ist die Geschichte der Informationsintermediation keine deutsche, sondern eine solche der fortschreitenden Internationalisierung des Kapitalmarkts. Periodisierungen schaffen bloß grobe Ankerpunkte für die teils mehr durch US-amerikanische, teils mehr durch britische Entwicklungen geprägten und insgesamt deutlich zeitlich versetzten Entwicklungsschritte.5 Deshalb bietet sich eine nach den modernen Strukturfragen gegliederte Durchsicht der Zusammenhänge an: Dazu gehören die berufsständi1 Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681; IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007 sowie aus den Anfängen Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925. International die Historiographie von Carey The Rise of the Accounting Profession, 1969, zweibändig; Edwards / Walker (Hrsg.), The Routledge Companion to Accounting History, 2009; Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933; Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998; Zeff 17 Acct. Horiz. 189 (2003), 267 (2003), zweiteilig. Vergleichend Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1 (2006); Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 13 ff. 2 Berghoff VSWG 92 (2005) 141; Schroeter Ratings, 2014, S. 41. International Cantor /  Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1 (Summer / Fall 1994); Harold Bond Ratings as an Investment Guide, 1938; Langohr / Langohr The Rating Agencies and their Credit Ratings, 2008, S. 375; Sinclair The New Masters of Capital, 2005; Sylla in: Levich / Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, Rating Agencies and the Global Financial System, 2002, S. 19. Vergleichend Ebenroth / Dillon 24 L. & Pol’y Int’l Bus. 783 (1993) zur Haftung. 3 Kurz Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 25, 312 und aus den USA Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1038 (2003). Ausführlich Jacobson From Practice to Profession, 1997. Einordnend Black 48 UCLA L. Rev. 781, 798 (2001). Vergleichend Drygala, WM 2001, 1282, 1313, zweiteilig. 4 Führend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 15 ff., 317 ff. 5 Zu Periodisierungen für das auch im vorliegenden Zusammenhang wichtige Bankgeschäft Hopt in: Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

schen Verfestigungen,6 ihre regulatorischen Begleitumstände und Fortentwicklungen7 sowie die Marktbedingungen des zunehmend grenzüberschreitenden Angebots von Leistungen der Informationsintermediation.8

A. Berufsstände Die Entwicklung der Berufsstände ist bis lang vor die Zeit des internationalen Wertpapierhandels zurückzuverfolgen. Der Begriff des Berufsstands wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur von dem der Professionalisierung abgegrenzt.9 Diese Differenzierung ist angesichts der im Folgenden zu erörternden Unterschiede in der rechtlichen Anerkennung und regulatorischen Rahmengebung der kapitalmarktlichen Informationsintermediation durchaus weiterführend. Evolutorisch kann die Professionalisierung allerdings auch bloß Zwischenschritt und hinreichende Bedingung für die Herausbildung eines Berufsstands im eigentlichen Sinne sein. Aus größerem Abstand betrachtet verschwimmt die Grenzziehung. Nach dem international üblichen und großzügigeren Sprachgebrauch bilden nicht nur die Wirtschaftsprüfer, sondern auch die Rating- und Finanzanalysten jeweils einen Berufsstand (profession). Nachzugehen ist den Erfahrungen zu den Umständen, unter denen sich Berufsstände herausbilden und verfestigen. Dazu sind in der gebotenen Kürze die Entwicklungsschritte von den Frühformen der Einzelleistungen vor dem 19. Jahrhundert10 über die Verfestigungen bis zum 20. Jahrhundert11 hin zur Professionalisierung bis ins 21. Jahrhundert zusammenzustellen.12

I. Frühformen vor dem 19. Jahrhundert Nach einem vielzitierten Satz reichen die geschichtlichen Ursprünge der Wirtschaftsprüfung weit zurück, während sich der Prüferberuf erst in jüngerer Zeit langsam herausbildete: „accounting is an old art, but a relatively modern profession“.13 Wie zu zeigen ist, ist dieser Befund zumindest in Ansätzen auf Bonitätsrating und Finanzanalyse übertragbar.

Abschn. A. Abschn. B (S. 78). 8 Abschn. C (S. 117). 9 Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 103 zur Abgrenzung des freien Berufs, der Profession und zum Begriff der Professionalisierung. 10 Abschn. I. 11 Abschn. II (S. 55). 12 Abschn. III (S. 66). 13 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 108. 6 7

5. Kapitel: Entwicklungen

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1. Wanderrevisoren und Buchhalter Die Vorformen der Abschlussprüfung werden von der American Accounting Association auf 3400 oder gar 4500 v. Chr. datiert.14 Bis dahin nachzuverfolgende Steuererhebungen in Babylon setzten Zahlensysteme voraus, wie sie auch von den Ägyptern oder den Chaldäern entwickelt wurden. Eine Prüfungsleistung im eigentlichen Sinne erbrachten ab dem 13. Jahrhundert die englischen awdytours (six good men of the city).15 Ihre Aufgabe bestand darin, die bestimmungsgemäße Verwendung öffentlicher Gelder sicherzustellen. Dazu erhielten sie die Kompetenz, Fehlverwendungen mit Gefängnisstrafen zu sanktionieren. Dies trifft sich mit deutschen Beobachtungen, nach denen die staatliche Mittelverwaltung als Ursprung des Revisionswesens gesehen wird, weil sich zuerst dort ein geordnetes Rechnungswesen herausbildete.16 Die Geschichte der privaten Buchprüfung lässt sich in England bis zur Organisation der Gutshöfe (manors) im 14. Jahrhundert zurückverfolgen, an denen der auditor zu prüfen hatte, ob die vom Lehnsherren vergebenen Mittel ordnungsgemäß eingesetzt worden waren, und im Falle der Fehlverwendung disziplinierende Maßnahmen anordnete.17 Als erste systematische Aufarbeitung privater Rechnungslegungspraktiken gilt die Bestandsaufnahme der doppelten Buchführung italienischer Händler von Luca Pacioli aus dem Jahr 1494.18 In den noch wenig entwickelten Verhältnissen des ausgehenden 15. bis zum 17. Jahrhundert kam es in Deutschland zur Wanderrevision, weil sich für ortsansässige freie Revisoren noch keine ausreichenden Verdienstmöglichkeiten ergaben.19 Als Vorläufer der ortsgebundenen Buchprüfer gelten die Fallitenbuchhalter. Durch die Hamburger Falliten-Ordnung von 1647 (erneuert 1753)20 wurden zahlungsunfähige Schuldner (Falliten) zur Einschaltung eines externen Buchhalters bei der Abwicklung verpflichtet. Im Jahr 1795 soll es 140 Fallitenbuchhalter gegeben haben.21 Zu den ersten Kapitalgesellschaften, die wegen ihrer breiten Publikumsbeteiligung und börslich gehandelten Anteile potentiell auf extern erbrachte Informati14 Die „Historical Dates in Accounting“ sind zusammengestellt von der American Accounting Association, 29 Acc. Rev. 486 (1954). Zu Erfahrungen seit der byzantinischen Zeit vom 4. bis zum 15. Jahrhundert Baker 18 Acct. Hist. 211 (2013). 15 Näher Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 15 f.; Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 260 ff. 16 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 13. 17 Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 260 f. 18 Pacioli Summa di Arithmetica Geometria, Proportioni et Proportionalitá, 1494. Dazu die „Remembrance of Luca Pacioli“ bei Macve in: Lee / Bishop / Parker (Hrsg.), Accounting History from the Renaissance to the Present, 1996, S. 3. Zu möglichen Vorläufern Previts /  Merino A History of Accounting in the United States, 1998, S. 2 ff. 19 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 19. 20 Neue Falliten-Ordnung v. 31.8.1753. Die Ordnung galt nur innerhalb des Stadtgebiets. Näher Hasche Erläuterung der Hamburgischen Falliten-Ordnung, Bd. 1, 1797, S. 24. 21 Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 1 m. w. N.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

onsleistungen angewiesen sein konnten, zählen die Zusammenschlüsse privater Kaufleute zu Handelskompagnien im beginnenden 17. Jahrhundert.22 Ihre Geschäftstätigkeit durften sie nur infolge hoheitlicher Octroi (bzw. charter) erbringen, erhielten aber zugleich staatlich gewährte Handelsprivilegien.23 Den vorherrschenden merkantilistischen Vorstellungen folgend stellten Octroi und Privilegien die Handelskompagnien in den Dienst des Staats, ohne dass dieser unmittelbar auf Geschäftsführungsentscheidungen Einfluss nahm.24 Der für Kontinentaleuropa wichtigste Zusammenschluss war die niederländische Vereinigte Ostindische Kompagnie (VOC) mit charter von 1602.25 Zu ihren Privilegien gehörten Rechte zur Kriegsführung und Kolonisierung sowie das Handelsmonopol für die historisch als Ostindien bezeichnete Großregion Asiens. Neben den Eignern der Gründungsgesellschaften als Hauptpartizipanten zeichneten unterschiedlichste Anleger aus der Bevölkerung.26 Der Handel an der Amsterdamer Börse blühte auf.27 Für die in diesem Zusammenhang aufkommende Nachfrage nach geprüfter Rechnungslegung bietet die Trennung von Eigentum und Kontrolle eine Erklärung, die drei Jahrhunderte später von Adolf A. Berle und Gardiner C. Means als Kernproblem der im Streueigentum stehenden und fremdgeführten Unternehmung beschrieben werden sollte.28 Informationsrechte und Einwirkungsmöglichkeiten hingen vom Umfang der Beteiligung ab.29 Die Hauptpartizipanten, die zugleich als Direktoren fungierten, nutzten ihre Handlungsmöglichkeiten zu massiven Eigenbereicherungen.30 Auf die Opposition der benachteiligten Partizipanten (Doleanten)31 kam es im Jahr 1622 zu einer Statutenänderung. Mit dem Komitee der Neun wurde eine Vorform des Aufsichtsrats eingerichtet. Der Jahresabschluss war fortan bei der Staatsverwaltung einzureichen. Den Dolean22 Zur Einordnung Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 19 f. Vergleichend Lehmann Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce, 1895, Nachdr. 1968, S. 57 f. 23 Z.B. Monopole, Befreiungen von Steuern und Zöllen oder richterliche Kompetenzen. Näher Cordes / Jahntz in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 1, 15 Rn. 30. 24 Cordes / Jahntz in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 1, 14 Rn. 27 ff.; Schäfer / Jahntz in: ebd., Bd. 2, S. 217 Rn. 9. 25 Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 49; Gepken-Jager in: dies. u. a. (Hrsg.), VOC 1602–2002, 2005, S. 41. Siehe ebd. zu den Vereinigten Handelskompagnien in anderen Ländern: Sørenson zu Dänemark (S. 107), Harris zu England (S. 217), Conac zu Frankreich (S. 131) sowie Bergfeld zu Handelskompagnien in Brandenburg (S. 249). 26 Cordes / Jahntz in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 1, 14 Rn. 33; Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 59. 27 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 21 f. 28 Berle / Means The Modern Corporation and Private Property, 1932, 10. Nachdr. 2009. 29 Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 61, 66. 30 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 21. 31 Auch: Dolerende Participanten. Näher Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 81, 83.

5. Kapitel: Entwicklungen

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ten wurde das Recht gewährt, einen externen Rechnungsprüfer (rekeningopnemer) einzuschalten.32 Das Verfahren erwies sich nicht als erfolgreich. Die Schwächen werden zurückgeführt auf zunächst zu geringe Inspektionsrechte, die zwar in der Folgezeit erweitert wurden, aber dem gezielten Verbergen der Informationen durch die Direktoren wenig entgegenzusetzen vermochten.33 Erfahrungen im 18. Jahrhundert, unter anderem in Frankreich mit seiner Compagnie des Indes, spiegeln das Problem der Informationsmacht der Hauptpartizipanten wider. Zu einer privat organisierten Informationsintermediation kam es auch dort nicht. Stattdessen wurde durch Änderungen der Statuten oder Privilegien auf die einzelne Handelskompagnie eingewirkt. Eingeführt wurden Pflichten zur Offenlegung des Gesellschaftsvermögens, Minderheitsrechte wie Stimmrechtsbegrenzungen oder Möglichkeiten zur Einberufung der Hauptversammlung. Außerdem wurden Staatsbeamte entsandt, die mit Inspektionsrechten ausgestattet waren und etwa bei der wirtschaftlich entscheidenden Dividendenfestsetzung mit der Vertretung der Interessen sowohl des Staats als auch der Anteilseigner betraut wurden.34 Kennzeichnend für das Octroi-System war damit ein durch staatliche Marktzugangskontrolle im Einzelfall, nicht durch private Informationsintermediation sichergestelltes Anlegervertrauen.35 Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden in Kontinentaleuropa und den USA hinreichende Verdienstmöglichkeiten für den Beruf des externen Bücherrevisors.36 Vor der Entstehung der juristischen Person in der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Rechnungsprüfer vor allem Helfer bei der Bewertung der Geschäftsaktivitäten des Unternehmensinhabers, also Angestellte oder weisungsgebundene Auftragnehmer.37 Der im Auftrag des Geschäftsherrn tätige Buchhalter entwickelte sich in der Folgezeit zum unabhängigen Wirtschaftsprüfer.38 Die Vorformen des späteren Berufsstands werden für Deutschland allgemein auf die Gründerzeit der Jahre 1871 bis 1873 datiert, „als zu Beginn der kapitalistischen Entwicklung sich größere Handelsbetriebe entwickelten“.39 Allerdings hatte die Art. 2, 2a Charter v. 13.3.1623; abgedruckt bei Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 96. 33 Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 101. 34 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 25. 35 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 25. 36 Zum Begriff Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 13 ff., 17: „Die ,Revision im engeren Sinne‘ ist also die Nachprüfung aller Darstellungen des Rechnungswesens, ob sie den Vorschriften und Tatsachen entsprechen. Diese Nachprüfung vollzieht sich in einer Wiederholung der schriftlichen Darstellungen in abgekürzter Form. Sie wird als Revisionstechnik bezeichnet.“ Zur Entwicklung in Großbritannien Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 260 ff. Zu den USA Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 18 f. 37 Zur Entstehung der juristischen Person Zimmer in: Gepken-Jager u. a. (Hrsg.), VOC 1602–2002, 2005, S. 261. 38 Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 165 ff., 168. 39 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 19, 22. 32

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

„Revision […] dort wie hier den Charakter der »internen« Revision. Die Entfaltung des Wirtschaftslebens im Zusammenhang mit der Zunahme der Kreditwirtschaft schuf das Bedürfnis nach Sachverständigen in Rechnungs- und Buchhaltungsangelegenheiten auch im freien Erwerbsleben.“40

2. Kreditauskunfteien und Bonitätsbücher Zu den Vorformen der Bonitätsbewertung durch Ratingagenturen sind die Schiffsklassifizierungsgesellschaften zu zählen, insbesondere das Lloyd’s Register of Shipping, in dem ab 1760 Informationen zur Bewertung der Seetüchtigkeit von Schiffen zusammengestellt wurden.41 Mit der Bonitätsprüfung im eigentlichen Sinne waren erstmals Kreditauskunfteien (mercantile agencies) befasst. In den USA kamen sie vermehrt in Reaktion auf die Unternehmenskrisen von 1837 auf. Sie sammelten bonitätsrelevante Informationen durch Kreditkorrespondenten vor Ort und stellten diese gegen Gebühr zur Verfügung.42 Die erste mercantile agency wurde von Louis Tappen 1841 in New York gegründet und sodann von Robert Dun übernommen.43 Im Jahr 1849 entstand die Kreditauskunftei von John Bradstreet. Ab 1850 richtete sich das Geschäft auf die US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften aus, die begannen, ihren immensen Kapitalbedarf durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen zu decken. Im Jahr 1849 wurde Henry Varnum Poor Herausgeber des American Railroad Journal.44 Ab 1854 stellte er Bonitätsbewertungen in Buchform zusammen. Im Jahr 1857 erschien die Erstausgabe des „Rating Guide“ von Bradstreet, 1859 „Dun’s Rating Book“. Die erste Auflage der „History of Railroads and Canals of the United States“ von Poor wurde 1860 veröffentlicht. Das 1868 folgende „Poor’s Manual of the Railroads of the United States“ setzte das Geschäftsmodell des Buchverkaufs fort. Bereits zu dieser Zeit ist die Bezeichnung als Rating zu finden.45 Auch sind erste Einflüsse auf die Rechtsprechung zu verzeichnen.46 Im Unterschied zu den probabilistischen Aussagen moderner Ratings handelte es sich zunächst überwiegend um Zusammenstellungen von Tatsachen. Der Beginn des modernen Ratings wird auf die ersten Bonitätsbeurteilungen zu den Anleihen von EisenbahnSponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 21. Dazu Lagoni The Liability of Classification Societies, 2007, S. 8 ff. Mit vergleichender Erörtertung der Haftung Ebenroth / Dillon 24 L. & Pol’y Int’l Bus. 783, 794 (1993). 42 Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994). Aus den Anfängen Palyi 11 J. Bus. 70, 83 (1938); Vlassis 43 Va. L. Rev. 561 (1957). 43 Zum Ganzen Madison 48 Bus. Hist. Rev. 164, 167 (1974). 44 Chandler Henry Varnum Poor, 1956, S. 31, 37 f. mit Abdruck von Auszügen einer Ausgabe der seit 1831 erscheinenden Zeitung. 45 Vlassis 43 Va. L. Rev. 561 (1957) m. w. N. zur frühen US-amerikanischen Rechtsprechung. 46 Bereits nach der frühen Entscheidung In re Bartol 38 A. 527 (Pa. 1897) handelte ein Vermögensverwalter pflichtgemäß, wenn er Investitionen auf Poor’s Manual stützte. Dazu Partnoy in: Levich / Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, 2002, S. 66, 78. 40 41

5. Kapitel: Entwicklungen

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gesellschaften durch John Moody im Jahr 1909 datiert.47 Die heute als Inbegriff des Ratings geltenden Ratingkürzel sollten sich aber erst später durchsetzen. 3. Wirtschaftsjournalismus Die geschichtlichen Wurzeln der Finanzanalyse sind im Vergleich zu Wirtschaftsprüfung und Bonitätsrating weniger konkret datierbar.48 Als Frühform ist am ehesten der Wirtschaftsjournalismus zu bezeichnen. In Deutschland soll die Tagespresse ab 1842 vor übersteigerten Erwartungen an die Investition in ausländische Eisenbahngesellschaften gewarnt haben.49 Etwa zeitgleich stellten die New Yorker Tageszeitungen spezialisierte Reporter ein.50 Die in dieser Zeit erscheinenden Kolumnen bezogen sich den Investitionsmöglichkeiten des breiten Publikums entsprechend vor allem auf die Schuldverschreibungen der großen Infrastrukturprojekte. Die aufkommende Beschäftigung der Presse mit Finanzinvestitionen in Infrastrukturprojekte, insbesondere mit den Eisenbahngesellschaften, wird auf das im Vergleich zu sonstigen Unternehmen größere Angebot öffentlich verfügbarer Informationen zurückgeführt.51 Von den Anfängen eines Berufsstands wird gleichwohl erst ab den 1920erJahren gesprochen.52 Die Kriegsjahre hielten die Entwicklung sodann auf. Der Beginn der modernen Finanzanalyse wird auf die Gründung der New Yorker Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette im Jahr 1959 datiert, die ihre Aktienbewertungen Wertpapierdienstleistern und Pensionsfonds zur Verfügung stellte.53 Im Gegenzug verpflichteten sich die Abnehmer zur Abwicklung sämtlicher Kauf- und Verkaufsaufträge über die Bank.

II. Internationalisierung bis ins 20. Jahrhundert Die weitere Geschichte der Informationsintermediation bis ins 20. Jahrhundert ist eng mit der fortschreitenden Industrialisierung, dem Aufkommen von Auslandsinvestitionen und der Rolle der Banken verknüpft. Besonders die AbCantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994); Friedman Fortune Tellers, 2014, S. 86 ff.; Sylla in: Levich / Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, Rating Agencies and the Global Financial System, 2002, S. 19, 21. 48 Überblick bei Jacobson From Practice to Profession, 1997, S. 8. Siehe auch Friedman Fortune Tellers, 2014, S. 3 ff. zu gemeinsamen Erklärungen für das Aufkommen von externen Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen. 49 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 28. 50 Chandler Henry Varnum Poor, 1956, S. 31 f. mit einem Überblick zu den teilweise in Konkurrenz zu den Veröffentlichungen der Kreditauskunfteien stehenden Zeitungen. 51 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 253. 52 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 245. 53 Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 25. 47

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

schlussprüfung entwickelte sich zu einer die neuen Investitionsmöglichkeiten komplementierenden Institution, ohne die sich die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt nicht zu ihrem heutigen Ausmaß hätte entwickeln können.54 Ihren deutschen Ausgangspunkt fand die Abschlussprüfung zum Ende des 19. Jahrhunderts in dem durch Banken initiierten Revisionswesen. Im Vergleich treten bereits insoweit die aus der traditionellen Gegenüberstellung von Outsider- und Insidermodell der Corporate Governance bekannten Unterschiede hervor: Während in dem auch künftig stärker kapitalmarktlich ausgerichteten Markt der USA eine Revisionstätigkeit durch Banken untersagt war, wurden die Banken in Deutschland sogar ermuntert, ihre Leistungen als Überwacher im Schnittfeld zwischen interner und externer Überwachung auszubauen. 1. Industrialisierung und Auslandsinvestitionen Zuerst schritt die Entwicklung der externen Rechnungslegungsprüfung in Großbritannien voran, der international wichtigsten Wirtschaftsmacht des 19. Jahrhunderts und zugleich dem frühesten Schauplatz der Industriellen Revolution.55 Die durch Premierminister William E. Gladstone geprägte und unter seinem Namen bekannte Gladstone Legislation der 1840er-Jahre führte die externe Pflichtprüfung ein, und es kam gleichsam qua Gesetz zur Schaffung des Berufsstands.56 Im Hintergrund stand der Wegfall des staatlichen Zulassungserfordernisses (Konzession) für die Gründung der Aktiengesellschaft, das infolge der Südseespekulation (south sea bubble) von 1720 eingeführt worden war. Zum konkreten Auslöser wurden die Spekulationen um Anteile an Eisenbahngesellschaften (railroad mania) der 1830er-Jahre mit letztlich allen aus frühen wie auch modernen Marktübersteigerungen bekannten Problemen, von der aggressiven Werbung um Investoren über betrügerische Angebote bis hin zu exzessiven Eigenbereicherungen durch die Geschäftsleiter.57 Überlegt wird, ob die Einführung der Pflichtprüfung angesichts der beschriebenen frühen englischen Erfahrungen mit der Prüfung bei der Gemeindeverwaltung und im Lehnswesen des 14. Jahrhunderts58 auf vergleichsweise geringere Widerstände stieß als etwa in den USA oder in Deutschland.59 Sowohl der private Gesellschaften betreffende Joint Stock Companies Act 1844 als auch der Konzessions-Aktiengesellschaften erfassende Companies Clauses Consolidation Act 1845 sahen die Pflichtprüfung vor, verlangten die Wahl des Prüfers durch die Aktionäre und wiesen die Prüfungskosten der Gesellschaft 54 55 56 57

40.

58 59

Coffee Gatekeepers, 2006, S. 109. Edwards in: Lee / Bishop / Parker (Hrsg.), Accounting History from the Renaissance, S. 35. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 112. Edwards in: Lee / Bishop / Parker (Hrsg.), Accounting History from the Renaissance, S. 35, Näher zu diesen Ursprüngen oben 5. Kapitel: A.I.1 (S. 51). Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 296.

5. Kapitel: Entwicklungen

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zu.60 Im Unterschied zu den Vorformen war jetzt ein außenstehender Prüfer erforderlich, der nicht Angestellter der Gesellschaft sein durfte. Auf die nähere Bestimmung der Prüferqualifikation wurde angesichts des erst entstehenden Berufsstands noch verzichtet. Es wird aber davon ausgegangen, dass den Geschäftsleitern bei Bestellung eines nicht qualifizierten Prüfers Haftungsgefahren für den Fall drohten, dass Rechnungslegungsfehler nicht aufgedeckt wurden.61 In der Folge der beiden Companies Acts stieg die Anzahl in der City of London praktizierender Rechnungslegungsprüfer von zunächst nur 11 im Jahr 1799 auf 210 im Jahr 1850. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formten sich die ersten Vereinigungen, beginnend mit der Edinburgh Society of Accountants in Schottland (1954), dem Glasgow Institute of Accountants and Actuaries (1854) und der Aberdeen Society of Accountants (1867), jeweils mit praktisch unmittelbar folgender Anerkennung durch die Krone (royal charter). Nur die Mitglieder der anerkannten Vereinigungen durften sich chartered accountants nennen, nur diese Vereinigungen durften Eignungsprüfungen abnehmen und die zunächst noch wenig ausgeprägten Disziplinarrechte einsetzen.62 In den USA setzte sich die Überzeugung vom Nutzen der Pflichtprüfung wie in Deutschland erst knapp ein Jahrhundert später durch.63 Für die USA wird dies maßgeblich auf die im Vergleich zu Großbritannien spätere Entstehung des Aktienmarkts zurückgeführt.64 Noch um 1850 soll es üblich gewesen sein, dass Gruppen von Aktionären in bestimmten Zeitabständen die Finanzberichterstattung am Ort des Unternehmenssitzes selbst prüften.65 Das Aufkommen von Wirtschaftsprüfung und Berufsstand ist gleichwohl wie in Großbritannien als „by-product of the industrial revolution“66 zu beschreiben. Seit den 1880er-Jahren bauten britische Wirtschaftsprüfer Niederlassungen in den USA auf, zunächst allerdings mit dem vornehmlichen Ziel der Überwachung der aus Großbritannien stammenden Investitionen vor allem in die Eisenbahngesellschaften und gegebenenfalls der

60 Joint Stock Companies Act 1844 und Joint Stock Companies Act 1856. Näher O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 756 ff. (2004); Watts / Zimmerman 26 J.L. & Econ. 613, 626 (1983). Im Überblick Maltby 3 Acct. Hist. 9 (1998). 61 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 111. 62 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 112. 63 Überblicke bei Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 181 ff., 184; Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998, S. 270; Zeff 17 Acct. Horiz. 189, 191 ff. (2003). Vergleichend Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 94 ff. 64 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 28. 65 Littleton Accounting Evolution to 1900, 1933, S. 296; Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998, S. 131. 66 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 28.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Begleitung von Reorganisationen.67 Die Eisenbahngesellschaften standen dort wie in Kontinentaleuropa im Zentrum der Industriellen Revolution. Gemessen am Aktienkapital folgten in Deutschland Unternehmen des Bergbaus und Handels, Banken und Industriegesellschaften sowie die Dampfschifffahrt.68 Bereits die erste deutsche Eisenbahn, die Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth von 1835, wurde durch den Aktienmarkt finanziert.69 In diese Zeit fiel der Übergang auf das Konzessionssystem, nach dem die Gründung einer Aktiengesellschaft von der staatlichen Zustimmung abhängig wurde.70 Eine spezialgesetzliche Konzessionierungspflicht sah das Preußische Eisenbahngesetz von 1838 vor.71 Die dortigen Vorgaben baute das Preußische Aktiengesetz von 1843 als erstes deutsches Aktiengesetz aus.72 Die Pflicht zur Rechnungslegung war allgemein aus der Fremdinteressenwahrung anerkannt.73 Die Vorstellungen von der Buchführung waren jedoch noch „rudimentär“.74 Eine Rechnungslegungspublizität fehlte. Die Buchführung wurde in dieser Entwicklungsphase von Staatskommissaren überwacht, die über Inspektions- und Vetorechte verfügten. Die Erkenntnis, dass ein Fortschritt bei der Unternehmensform der Aktiengesellschaft nicht durch staatliche Konzessionsentscheidung, sondern nur durch einheitliche Marktzugangsregeln zu erzielen sein würde, verfestigte sich zunehChandler The Visible Hand, 1977, S. 464; Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998, S. 138 führen das Auftreten britischer Wirtschaftsprüfer auf den Aufschwung in der US-amerikanischen Brauereiindustrie ab den 1890er-Jahren zurück. 68 Hierzu und zum Folgenden Hopt in: Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128, 137. 69 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 28. 70 Die Ministerialinstruktion über die Konzessionierung von Aktiengesellschaften aus dem Jahr 1845 verlangte, dass die Förderung des jeweiligen Industrie- oder Geschäftszweigs im allgemeinen Interesse wünschenswert und die Form der Aktiengesellschaft wegen der Höhe des erforderlichen Kapitals oder der Natur des Unternehmens notwendig war und schließlich, dass das Publikum in personeller und finanzieller Hinsicht hinreichend vor Schaden geschützt erschien. Dazu Hopt in: Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128, 144 m. w. N. Zu den Hintergründen auch Schäfer / Jahntz in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 217 Rn. 13 ff. 71 Speziell hierzu Kießling in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 126 Rn. 55 ff. 72 Neben dem Konzessionserfordernis waren insbesondere der Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags, seine Bekanntmachung nach Bestätigung sowie gläubigerschützende Kapitalvorschriften vorgesehen. Näher Schumacher Die Entwicklung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft im deutschen Recht bis zum Allgemeinen Deutschen Handels-Gesetzbuch, 1937, S. 45 ff. 73 Pöhls Das Recht der Actiengesellschaften mit besonderer Rücksicht auf Eisenbahngesellschaften, 1842, S. 252 zur „Rechnungsablage“. 74 Hopt in: Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128, 155. 67

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mend.75 Bemerkenswert ist die von Unternehmerseite bereits früh, prominent durch David J. L. Hansemann im Jahr 1837 geäußerte und mit der Kritik an den weiten staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in das Eisenbahngeschäft verbundene Forderung nach einem Rechenschaftsbericht gegenüber der Generalversammlung und dessen Veröffentlichung in der Tagespresse.76 Von dem weitergehenden Ruf nach einer Pflichtprüfung, wie sie in den 1840er-Jahren in England eingeführt wurde, war aber sowohl die deutsche als auch die US-amerikanische Debatte noch weit entfernt. In der Rückschau erscheint das Konzessionssystem als Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer auf Wettbewerb und marktliche Kontrolle setzenden Organisation der Privatwirtschaft und diese begleitenden Institutionen der Informationsintermediation.77 Mit einer fortlaufenden Rechnungslegungsprüfung oder auch Bonitätskontrolle war der Staat überfordert.78 Die Erwartung des Anlegerpublikums, dass infolge des Konzessionserfordernisses allein wirtschaftlich tragfähige Unternehmen gegründet würden, war allzu oft widerlegt worden.79 Abgeschafft wurde das Konzessionssystem ab den 1860er-Jahren, durch die Aktienrechtsnovelle zum ADHGB von 1870 schließlich auch in Deutschland.80 Eingeführt wurde der Pflichtaufsichtsrat, dem allerdings zunächst mehr die Rolle eines Verwaltungsrats denn eines internen Überwachungsorgans zukommen sollte. Das an die Stelle des Konzessionssystems tretende System der Normativbestimmungen verlangte insbesondere nach Gründungspublizität, wie sie in Großbritannien seit den 1840er-Jahren bereits üblich war. Auf den Gründerkrach von 1873 häuften sich sodann Forderungen nach Wiedereinführung des Konzessionssystems. Stattdessen setzte die Aktienrechtsnovelle von 1884 auf die Prüfung der Gründungspublizität.81 Auf die Einführung einer jährlichen, externen Abschlussprüfung wurde allerdings zunächst noch verzichtet.82

Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 34. Hansemann Die Eisenbahnen und deren Aktionäre in ihrem Verhältnis zum Staat, 1837, § 109 (S. 104). 77 Zur aufkommenden Kontrolle durch Öffentlichkeit und Markt Hopt in: Coing /  Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128, 154. 78 Zu den damit zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Fragen 8. Kapitel: A.III.3.a (S. 228 ff., 238). 79 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 33 f. 80 Im Überblick Schmoeckel Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008, Rn. 274 ff. Zu den Hintergründen in Deutschland Schäfer / Jahntz in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 217 Rn. 35 ff. 81 Hintergründe bei Wiener Zur Reform der Aktien-Gesetzgebung, Berlin 1873, S. 3 ff. 82 Zu den Hintergründen Hopt in: Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5, Geld und Banken, 1980, S. 128, 155; Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 22. Zum Diskussionswandel unten 5. Kapitel: B.I.1.a (S. 79). 75 76

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

In den USA erfolgte der Aufbau der externen Wirtschaftsprüfung, die zunächst ebenso wenig wie in Deutschland verpflichtend war, unter starker britischer Dominanz.83 Britische Partner stießen die Gründung von Barrow, Wade, Guthrie & Co. im Jahr 1883 als erste US-amerikanische Wirtschaftsprüfung an.84 Noch bis 1897 soll Price Waterhouse keine US-amerikanischen Absolventen eingestellt haben. Aus den seinerzeitigen big eight hatte allein Andersen keinen Ursprung in Großbritannien.85 Zurückgeführt wird der starke britische Einfluss auf das Fehlen einheitlicher Prüfungsgrundsätze.86 Den Anfang für die USA machte erst das von Robert H. Montgomery im Jahr 1905 veröffentlichte Werk „Auditing: A Practical Manual for Auditors“. Der britische Directors Liability Act von 1890 hatte mit seiner Prospekthaftung das System verpflichtender Unternehmenspublizität vervollständigt.87 Zu vergleichbaren gesetzlichen Entwicklungen sollte es in den USA erst durch die Securities Legislation der 1930er-Jahre kommen.88 Treiber der Entwicklung waren zunächst die emissionsbegleitenden Banken (underwriters), die als wichtigste Reputationsintermediäre galten. Der Wendepunkt kündigte sich im Jahr 1902 an, als US Steel neue Standards einer detaillierten Finanzberichterstattung setzte und sich der Prüfung durch Price Waterhouse unterwarf.89 US Steel war aus einer Großfusion hervorgegangen, betreut von der Investmentbank J. P. Morgan. Aus den britischen Wurzeln von J. P. Morgan könnte sich die Empfehlung zu einer den seinerzeitigen britischen Standards folgenden Rechnungslegung und Prüfung erklären. Auf den Einsatz vergleichbarer Standards der Unternehmenspublizität drängten die privaten Banken sodann maßgeblich wegen der ab den 1920er-Jahren in den US-amerikanischen Einzelstaaten aufgekommenen Gesetze zum Schutz vor Anlagebetrug (blue sky laws).90 Mit gewissem Stolz wird aus US-amerikanischer Sicht geschrieben, dass die Ära der privaten Marktzugangskontrolle keine Entsprechung im schon früh auf verpflichtende Regeln setzenden Großbritannien 83 Näher Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 21; Chandler The Visible Hand, 1977, S. 464. 84 Wilkins The History of Foreign Investment in the United States to 1914, 1989, S. 536 mit Details zu den beteiligten Partnern. 85 Britische Muttergesellschaften hatten Coopers & Lybrand; Deloitte, Haskins & Sells; Ernst & Whinney; Peat, Marwick & Mitchell; Price Waterhouse; Touche Ross. Arthur Young wurde durch einen schottischen Emigranten gegründet. Im Einzelnen Wilkins The History of Foreign Investment in the United States to 1914, 1989, S. 545. Näher Wilkins The History of Foreign Investment in the United States to 1914, 1989, S. 545. 86 Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 98 f. 87 Näher Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 55. 88 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 118. 89 Hawkins 37 Bus. Hist. Rev. 135, 147 (1963). 90 Hawkins 37 Bus. Hist. Rev. 135, 151 (1963). Vergleichend Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 116.

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findet.91 Der eingangs genannte Befund dürfte deshalb nicht nur für die Abschlussprüfung gelten: Sämtliche Informationsintermediäre, darunter nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch Ratingagenturen und Finanzanalysten sind ein Nebenprodukt (by product) der Fortentwicklungen des Kapitalmarkts.92 2. Deutsch-Amerikanische Treuhand von 1890 Erst im späten 19. Jahrhundert erstarkte das Bedürfnis nach den durch Intermediäre bestellten Informationskanälen zur Unterstützung der öffentlichen Kapitaleinwerbung. Hierzu kam es mit zunehmender Unübersichtlichkeit des Anlagemarkts, auch infolge weiter verstärkter Auslandsinvestitionen und der wachsenden Präsenz ausländischer Emittenten zum Ende der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.93 Die Marktkapitalisierung deutscher Aktiengesellschaften belief sich im Jahr 1913 auf 44 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die der USamerikanischen Unternehmen auf immerhin 39 Prozent. Großbritannien war weiterhin mit einer Kapitalisierung von 109 Prozent voraus.94 Investitionen aus dem Ausland spielten in diese inländischen Größen hinein, zugleich bestimmten Investitionen in ausländische Unternehmen die Geldströme. Auf Auslandsinvestitionen aus Europa waren in den USA zunächst vor allem die Eisenbahngesellschaften wegen des kapitalintensiven Aufbaus ihres Schienennetzes angewiesen. Bereits um das Jahr 1890 war das US-amerikanische Schienennetz länger als das in gesamt Kontinentaleuropa und siebenmal so lang wie das in Deutschland.95 In New York stieg der Börsenhandel exponentiell an.96 Der bereits anfänglich hohe Bedarf an Auslandsinvestitionen zeigt sich etwa an der Notierung von 82 US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften an der Frankfurter Börse im Jahr 1855.97 Zugleich wuchs das Volumen an Investitionen in die deutsche Wirtschaft allein aus den USA bis zum Jahr 1930 auf zwischen ein Drittel und die Hälfte der Außenstände an. Die Bewilligung weiterer Finanzmittel aus London oder New York setzte in aller Regel die externe Prüfung durch einen dort zugelassenen Prüfer voraus.98 Im Hintergrund standen die seit der britischen railroad mania der 1830er-Jahre bekannten Risiken gewinnorientierter Einzelunternehmen. Erst langsam setzte sich in dem an staatliche Marktzugangskontrolle Coffee Gatekeepers, 2006, S. 113. Hintergründe bei Sylla in: Levich / Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, Rating Agencies and the Global Financial System, 2002, S. 19 f. 93 Langohr / Langohr The Rating Agencies and their Credit Ratings, 2008, S. 382; Sylla in: Levich / Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, Rating Agencies and the Global Financial System, 2002, S. 19, 21. 94 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 15 (2006) m. w. N. 95 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 10 (2006); dies. 84 Bus. Hist. Rev. 703, 720 (2010). 96 Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 175. 97 Gömmel in: Pohl (Hrsg.), Deutsche Börsengeschichte, 1992, S. 135, 144. 98 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 32 f. (2006). 91 92

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

gewöhnten Deutschland die Erkenntnis von der Gewinnorientierung der USamerikanischen Eisenbahngesellschaften durch (built to make money). Mit der im Jahr 1890 gegründeten Deutsch-Amerikanischen Treuhand nahm die geordnete Wirtschaftsprüfung ihren Anfang.99 Im Ausgangspunkt bestand der Auftrag der Treuhand in der Wahrung der „zu treuen Händen“ anvertrauten Vermögenswerte im Ausland.100 Auslöser für die Umformung der Treuhand in ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das die Finanzberichterstattung vor allem der in Not geratenen ausländischen Unternehmen prüfen sollte, war die (erneute) Schieflage der US-amerikanischen Northern Pacific Railway im Jahr 1893. Im Jahr 1902 nahm die Deutsche Treuhandgesellschaft ihre allgemeine Revisionstätigkeit auf. Die Treuhand war die größte mit der Wirtschaftsprüfung befasste Gesellschaft. Geführt wurde sie bis zur gesetzlichen Anordnung ihrer Unabhängigkeit von der Deutschen Bank.101 Seit 1979 ist sie Teil von KPMG. Nach ihrer Gründung entstanden auf Betreiben der Banken bis 1914 weitere 14 Treuhandgesellschaften.102 Die Rolle der bankengesteuerten Revision war keineswegs unumstritten: „Die Schöpfung der Treuhandgesellschaften wurde offen und versteckt als ein neues teuflisches Mittel der Großbankwelt hingestellt, ihre Macht und ihren Einfluß weiter zu verstärken.“103 Freiwillige Revisionen fanden zu dieser Zeit nur vereinzelt und, wo sie vorkamen, maßgeblich auf Druck der Aufsichtsräte statt.104 Die Anzahl der bei der Treuhand in Auftrag gegebenen Prüfungen stieg von zunächst 27 im Jahr 1903 auf über 400 im Jahr 1907.105 Bereits 1919 beschäftigte die Treuhand allein in ihrem Berliner Büro um die fünfzig Prüfer.106 Die Größenverhältnisse werden im Vergleich mit dem Jahr 1932, also dem Jahr nach der Einführung der Pflichtprüfung, deutlich. Der sich formierende Berufsstand zählte zu diesem Zeitpunkt insgesamt lediglich 457 Prüfer, die sich auf fünf Hauptvereinigungen und zahlreiche kleinere Organisationen verteilten. Trotz anfänglicher ideeller Zweifel erfuhren die von den Großbanken gegründeten Treuhandgesellschaften Anerkennung als die „leistungsfähigsten (und) auch als diejenigen, die das Revisionswesen fachlich am meisten gefördert haben“.107 99 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 12 (2006); Quick 15 Acct. Bus. & Fin. Hist. 317 ff. (2005); Schuld in: Muthesius (Hrsg.), 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 1965, S. 11. 100 Zur Bedeutung der Bankenbeteiligung Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 718 ff. (2010). 101 Kobrak Die Deutsche Bank und die USA, 2008, S. 150. Vergleichend Crockett / Harris /  Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 28. 102 Eisfeld WPg 1956, 450; Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 61. 103 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 62. 104 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 62. 105 Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 6. 106 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 22 (2006). Übergreifend Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 6. 107 Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 64.

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3. Berufsstände im beginnenden 20. Jahrhundert So eilig wie 1931 die Pflichtprüfung durch die Notverordnung des Reichspräsidenten eingeführt werden sollte, so eilig hatte bereits zuvor die eigentliche Formierung des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer in Deutschland begonnen.108 Im Vergleich zum angloamerikanischen Ausland setzte die Abgrenzung der Berufsstandszugehörigkeit später ein.109 Auslöser war der Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930, der die Pflichtprüfung trotz Knappheit der als Prüfer in Betracht kommenden Revisoren und Treuhänder vorsah. Zur Umsetzung sollte ein „Träger der durch behördliche Regelung zu schaffenden Berufsgruppe der Wirtschaftstreuhänder“ als Aufnahmeorganisation und spätere Selbstverwaltungsstelle der Berufsträger geschaffen werden.110 Von mehreren der seinerzeit noch zersplitterten Fachverbänden wurde hierzu das Institut für das Revisions- und Treuhandwesen (IRT) gegründet. Bis 1932 erledigte es die Aufnahme von rund 280 Wirtschaftsprüfern und 32 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Daraufhin folgte die Umbildung in das heutige Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW).111 Zur berufsständischen Selbstverwaltung trägt das IDW seitdem durch die Betreuung von Fachveröffentlichungen112 und die Arbeit seiner Fachausschüsse113 bei, am wichtigsten die IDW Prüfungsstandards (IDW PS). Nach Überwindung des Zonenrechts trat im Jahr 1961 die Wirtschaftsprüferordnung in Kraft, die – im internationalen Vergleich erst spät114 – die Ausgangsqualifikation festlegte und damit die Berufszugangsvoraussetzungen klärte. Die Folgezeit war geprägt durch den stetigen Ausbau der berufsständischen Aufsicht, die europäische Vereinheitlichung und eine Internationalisierung der Rechnungslegungsstandards, die mit der Einbettung der International Financial Reporting Standards (IFRS) in das Europäische Unionsrecht wohl nur einen vorläufigen Abschluss gefunden hat.115 Insgesamt war mit der Pflichtprüfung und gesetzlichen Ordnung des Berufsstands ein Kompromiss zwischen dem auf 108 Zur Notverordnung im Zusammenhang mit der aufkommenden Regulierung 5. Kapitel: B.I.1.a (S. 79). 109 Vergleichend Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 13 ff. 110 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 13. 111 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 21. 112 Die Fachzeitschrift Der Wirtschaftsprüfer (heute: Die Wirtschaftsprüfung, WPg) erscheint seit 1932. Sie geht zurück auf die Zusammenführung der Zeitschriften Archiv für das Revisions- und Treuhandwesen und Zeitschrift für das Treuhandwesen. Dazu IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 21. 113 Der im Gründungsjahr eingerichtete Fachausschuss für Fragen der Wirtschaftsprüfung befasste sich mit der Abschlussprüfung nach der Notverordnung von 1931. Der Fachausschuss für Fragen des Konkurs- und Vergleichsrechts bearbeitete den Entwurf der Vergleichsordnung des Reichsjustizministeriums. Näher IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 23. 114 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 21 (2006). 115 Im Zusammenhang 8. Kapitel: A.III.3.c (S. 238 ff., 243).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

die Anerkennung privater Verbände setzenden englischen Wirtschaftsprüfungssystem und Überlegungen zu einer stärker staatlich-bürokratischen Wirtschaftskontrolle gefunden. Vergleichbare Entwicklungen hin zu einem Berufsstand im eigentlichen Sinne finden sich beim Bonitätsrating nicht. Der Anstieg der Nachfrage wird auf die Zeit nach der Industriellen Revolution datiert, als sich nur noch größere Banken die Beschäftigung von Kreditanalysten leisten konnten.116 Spätestens mit der Gründung des Standard Statistics Bureau 1906 und seiner Veröffentlichung von Finanzdaten zu einzelnen Emittenten war der Grundstein des heutigen Bonitätsratings gelegt. Der Übergang von der Kreditauskunft auf die flächendeckende Bonitätsbeurteilung fand mit „Moody’s Analysis of Railroad Investments“ von 1909 ihren Anfang.117 Erstmals wurden Schuldverschreibungen unter Verwendung der bis heute üblichen Ratingkürzeln beurteilt. Im Jahr 1916 stieg Poor’s Publishing, 1922 Standards Statistics und 1924 Fitch Publishing ein. Es folgten zahlreiche Zusammenschlüsse, darunter die Fusion der Standard Statistics Company mit Poor zur Standard & Poor’s Corporation von 1941. Die Marktabdeckung wurde systematisch ausgebaut. Schon in den 1920er-Jahren entfielen 15 Prozent der US-amerikanischen Bonitätsratings auf ausländische Emittenten. Anders als bei der Wirtschaftsprüfung sind hieraus aber weder berufsständische Organisationen hervorgegangen noch ist es zu einer vergleichbaren Begleitung der Entwicklung durch Fachpublikationen gekommen. Auf den deutschen Markt wurde das von US-amerikanischen Agenturen bestellte Ratinggeschäft verstärkt seit den 1980er-Jahren ausgedehnt und erwies sich fortan auch hier als Begleiter der Internationalisierung des Kapitalmarkts. In Anbetracht der aufkommenden Präsenz ausländischer Emittenten verringerten sich die Möglichkeiten inländischer Unternehmen zur Werbung allein mit ihrem guten Namen.118 Mit der zunehmenden Unübersichtlichkeit des Markts wuchs das Bedürfnis nach einer international verständlichen und vergleichbaren Bonitätsinformation. In den 1990er-Jahren eröffneten die heutigen big three Büros in Deutschland, der Schweiz und Hongkong.119 Das Bonitätsrating hatte sich zu einer jedenfalls faktisch unerlässlichen120 Voraussetzung des Eintritts auch in den deutschen Kapitalmarkt entwickelt.121 Zu den weiteren Antriebsfaktoren zählte zunächst die ab den 1980er-Jahren verstärkt aufkommende Forderungsverbrie-

Zu den USA Madison 48 Bus. Hist. Rev. 164 ff., 166 (1974). Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994); Sylla in: Levich /  Majnoni / Reinhart (Hrsg.), Ratings, Rating Agencies and the Global Financial System, 2002, S. 19, 21. 118 Langohr / Langohr The Rating Agencies and their Credit Ratings, 2008, S. 382; Madison 48 Bus. Hist. Rev. 164 f. (1974). 119 Zur Schweiz Emmenegger in: Wiegand (Hrsg.), Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. 120 Breuer WM 1991, 1109 („Nicht-Markt“ für Emissionen ohne Rating). 121 Blaurock ZGR 2007, 603, 609; Ebenroth / Daum WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 4 ff. 116 117

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fung (securitization).122 Erst später erlangte das Rating in Europa eine weitreichende regulatorische Bedeutung bei der Eigenkapitalbemessung der Banken.123 Zum Zeitpunkt des Imports der Bonitätsbeurteilungen in den deutschen Finanzmarkt waren die wesentlichen Kennzeichen des modernen Ratinggeschäfts lange vorbereitet. Die von John Fitch 1922 entworfenen Ratingkürzel hatten sich nach der Fusion von Standards Statistics und Poor’s Publishing im Jahr 1941 bei der neu entstandenen Agentur Standards & Poor’s durchgesetzt. Die weiteren Agenturen, darunter vor allem Moody’s, verwenden vergleichbare Skalen.124 Im Anleihemarkt ist die gleichzeitige Einholung von mindestens zwei Bonitätsbeurteilungen üblich (Zwei-plus-Usance).125 Im Falle der Nichtübereinstimmung ist ein drittes Rating einzuholen (tie breaker).126 Im Abgleich hiermit weist die Entstehung der modernen Finanzanalyse durchaus Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede auf. Methodisch vorbereitet wurde sie durch die Veröffentlichungen von Arthur Stone Dewing im Jahr 1919 und Edgar Lawrence Smith im Jahr 1928.127 Als intellektuelle Mentoren128 werden Benjamin Graham und David Dodd gesehen, die mit ihrem grundlegenden Werk „Security Analysis“ („bible“)129 von 1934 das Fundament für die weitere Professionalisierung legten.130 Wichtigste Neuerung war, dass der Zukunftsbetrachtung nicht mehr auf die Dividenden, sondern die Einnahmen gestützt werden sollte, und zwar im Sinne von „true operating earnings“. Hierin zeigen sich gewisse Parallelen zur Wirtschaftsprüfung, die nach dem Werk von Andrew Paton und Ananias C. Littleton von 1940131 zunächst das matching principle132 122 Einordnend Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 4. 123 Dazu 5. Kapitel: B.I.2.b (S. 90). 124 Schroeter Ratings, 2014, S. 23 ff.; Johnson 13 J. Fixed Income 25, 26 (2004). 125 IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets, Final Report, Mai 2008, S. 13 (tacit investor requirement). Dazu Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 60 (2004). 126 Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. Acct. 1367, 1370 (2002) 127 Dewing The Financial Policy of Corporations, 1919; Smith Common Stock as LongTerm Investment, 1924, Nachdr. 2012. 128 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 254 („intellectual mentor of the profession“). 129 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 254. 130 Graham / Dodd Security Analysis, 1934. 131 Die Veröffentlichung von Paton / Littleton An Introduction to Corporate Accounting Standards, 1940, gilt als Meilenstein, weil sie den Fokus von der Bilanz auf die Ergebnisrechnung verschob, damit den Gewinn pro Aktie in den Vordergrund rückte und der Abschlussprüfung somit auch aus Sicht der Investoren einen Berechtigungsgrund gab. Das zugrunde gelegte matching principle ist heute überholt. Zur Bedeuung des Werks von Littleton siehe Bedford / Ziegler 50 Acct. Rev. (L) 435 (1975). 132 Nach dem matching principle sind in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung die Aufwendungen zu erfassen, die für die entsprechende Ertragsposition entstanden sind; HoptMerktBilanzR-Merkt Einl. v. 238 Rn. 151.

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zugrunde legte, aber heute der sogenannten „true and fair review“ folgt.133 Zum Bonitätsrating ergeben sich Parallelen und zwar aus der ebenfalls auf Vergleichbarkeit setzenden Verwendung von in der Regel drei bis fünf Stufen der Analystenempfehlungen, die von strong buy bis sell oder von outperform über peer perform bis underperform reichen.134 Ähnlich wie die Wirtschaftsprüfer, aber anders als die Ratingagenturen schlossen sich die Finanzanalysten in Berufsvereinigungen zusammen.135 Den Beginn machte die 1916 gegründete New York Society of Financial Statisticians. Die Entwicklung setzte sich nach den Kriegsjahren 1947 mit dem Zusammenschluss der verschiedenen lokalen Vereinigungen zur National Federation of Financial Analysts’ Societies (NFFS) fort.136 Mit dem (bis heute nicht erreichten) Ziel, eine der Wirtschaftsprüfung vergleichbare berufliche Anerkennung zu erlangen, wurde 1962 das Institute of Chartered Financial Analysts (ICFA) gegründet, das fortan Eignungsprüfungen abnahm und den Titel Chartered Financial Analyst (CFA) verlieh. Die Konsolidierung erfolgte 1990 durch den Zusammenschluss der NFFS und des ICFA zur Association for Investment Management and Research (AIMR), die 2004 in das Chartered Financial Analysts Institute (CFA Institute) umbenannt wurde, um die Verbindung zu den Ethikrichtlinien im CFA Charter zu betonen. Das CFA Institute zählt weltweit um die 110.000 Mitglieder, knapp 90 Prozent davon geprüfte CFAs, verteilt auf 138 Verbände in 60 Ländern. Die CFA Society Germany wurde im Jahr 2000 gegründet, nachdem bereits 1996 die erste CFAPrüfung in Frankfurt am Main angeboten worden war.137

III. Professionalisierung bis ins 21. Jahrhundert Die weitere Durchsicht der Entwicklungsschritte lässt sich auf drei Faktoren verengen, die für die heute zu findenden berufsständischen Verfestigungen von wesentlicher Bedeutung sind: erstens auf die Berufsausschließlichkeit und -zugangskontrolle,138 zweitens die berufsständische Aufsicht und Disziplinierung139 sowie drittens auf die wechselvollen Erfahrungen mit der berufsständischen Aufgabenwahrnehmung.140

Coffee Gatekeepers, 2006, S. 160, 254. Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1087 (2007). Zu den regulatorischen Grundlagen Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 152 f. mit instruktiver Zusammenstellung der Analystensprache. 135 Überblick bei Coffee Gatekeepers, 2006, S. 253. 136 Zur Mission der erste Präsident der Vereinigung Kenneth Woodworth in: 3 Analysts J. 41 (Fourth Quarter 1947). 137 Einzelheiten abrufbar unter CFA Society Germany, www.cfa-germany.de. 138 Abschn. 1. 139 Abschn. 2 (S. 69). 140 Abschn. 3 (S. 73). 133 134

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1. Berufszulassung und -ausschließlichkeit Die Berufsausschließlichkeit, verstanden als staatliche oder staatlich anerkannte Verleihung der ausschließlichen Befugnis zur Erbringung von Leistungen, führt zur stärksten Verengung einer Intermediationsleistung auf einen einzelnen Berufsstand. Eine dahingehende Vorbehaltsaufgabe ist für die Abschlussprüfung national wie international kennzeichnend, besteht – wenngleich in anderer Form – zumindest ansatzweise auch für das Bonitätsrating, aber fehlt bei der Finanzanalyse. Die Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftsprüfer ergibt sich aus § 2 Abs. 1 WPO. Nur Wirtschaftsprüfer dürfen den Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB erteilen. Voraussetzung ist die öffentliche Bestellung durch die Wirtschaftsprüferkammer, die insoweit auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WPO in mittelbarer Staatsverwaltung tätig wird. Diese Vorgaben waren schon in der Notverordnung von 1931 angelegt, die auch insoweit zu Recht als „Geburtsstunde des deutschen Wirtschaftsprüferberufs“141 bezeichnet wird.142 Vor der Notverordnung hatte sich der im Jahr 1896 als Interessenvertretung gegründete Verband Deutscher Bücherrevisoren für die Berufsausschließlichkeit eingesetzt,143 ab 1913 nur noch beeidete oder behördlich geprüfte Bücherrevisoren aufgenommen und ab 1929 eine verbandseigene Aufnahmeprüfung angeboten. Dies trug dazu bei, dass der gegen die Berufsausschließlichkeit und die Pflichtprüfung erhobene Einwand einer zu geringen Anzahl der in Betracht kommenden Prüfer zunehmend als von Unternehmerseite vorgeschobenes Argument zum Erhalt ungestörter und vor allem ungeprüfter unternehmerischer Freiheit entlarvt wurde.144 Auf die Notverordnung wurden durch Ländervereinbarung sodann zwölf Stellen zur Prüfung und Zulassung der Kandidaten errichtet, deren einheitliche Anforderungen im Wege von Normativbestimmungen durch die Hauptstelle für die öffentlichen Wirtschaftsprüfer beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) gewährleistet werden sollte.145 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 14. Im Einzelnen Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 23 ff., 30. 143 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 20. 144 Besonders offene Worte bei Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 37: „Ich bin aber der Ansicht, daß der Einwand einer unzureichenden Anzahl von Revisoren nur deshalb in den Vordergrund geschoben wurde, um andere Bedenken zu verhüllen. Es ist nicht zu leugnen, daß die Unternehmer früher eine starke Abneigung gegen die Revision der von ihnen geleiteten Gesellschaften durch Außenstehende zeigten und überwiegend heute noch zeigen. Sie betrachten sie als Eingriff in ihre Schaffenssphäre, als Beeinträchtigung ihrer Entschlußfreudigkeit, als Mißtrauen gegenüber ihren Handlungen. Anderseits ist es klar, daß bei dem Verlangen nach Revision ein gut Stück Mißtrauen gegenüber der unbeschränkten Handlungsfreiheit der Leitungen mitwirkt. Es muß aber jeder, der mit fremdem Gelde arbeitet, sich bewußt bleiben, daß er für dessen Verwendung Rechenschaft schuldig ist und daß er die Nachprüfung seiner Rechnungslegung dem Bedürfnis des Geldgebers und nicht seinem eigenen Gutdünken überlassen muß.“ 145 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 17. 141 142

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Ganz ähnlich hatte auch die britische Gladstone Legislation der 1840er-Jahre auf die Festlegung gesetzlicher Qualifikationsanforderungen verzichtet. Die Berufsausschließlichkeit nahm dort ihren Anfang mit den in rascher Folge ab den 1850er-Jahren errichteten und jeweils mit royal charter versehenen Berufsvereinigungen. Per Dekret von 1880 wurde sodann dem Institute of Chartered Accountants of England and Wales (ICAEW) die Berufszulassungskompetenz zugewiesen, die es bis heute wahrnimmt. Der vorausgegangene Anstieg von zunächst bloß 11 praktizierenden Wirtschaftsprüfern (accountants) in der City of London auf 210 im Jahre 1850 half, Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit der externen Prüfung zu entschärfen. Zu diesem Anstieg hatten neben der Einführung der Pflichtprüfung die angesprochenen Haftungsgefahren der Geschäftsleiter im Falle der Bestellung eines nicht hinreichend qualifizierten Prüfers beigetragen.146 Der deutschen Entwicklung zeitlich näher kam es in den USA erst infolge der Securities Legislation der 1930er-Jahre zum Erfordernis der Abschlussprüfung durch ein staatlich anerkanntes Mitglied des Berufsstands. Seit 1887 existierte zwar die auf Betreiben britischer Wirtschaftsprüfer gegründete American Association of Public Accountants (AAPA). Sie wurde aber zunächst mehr als Gilde und angesichts der britischen Dominanz im US-amerikanischen Prüfungsmarkt als „London’s men club“147 wahrgenommen. Mit ihren zunächst nur 31 und fünf Jahre später bloß 35 Mitgliedern war sie zudem deutlich kleiner als das britische ICAEW, dem bei seiner Gründung im Jahr 1880 bereits 1000 Mitglieder angehörten.148 Die AAPA verlieh ab 1896 den bis heute gebräuchlichen Titel Certified Public Accountant (CPA), war aber anders als die britischen societies nicht mit einer förmlichen Berufszulassungskompetenz ausgestattet.149 Bis 1917 erließen die meisten US-amerikanischen Einzelstaaten Regeln zur Berufszulassung.150 Die vollständige Anerkennung des Berufsstands wird erst auf die 1940er-Jahre datiert, als die neu gegründete Aufsichtsbehörde SEC vorschrieb, dass Prüferbeurteilungen von „authoritative support“ getragen sein müssen.151 Beim Rating stellt sich die Frage, ob überhaupt von einem Berufsstand im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann. Verbandsmäßige Zusammenschlüsse wie der Bundesverband der Ratinganalysten (BdRA) werben mit Aus- und Weiterbildungsangeboten, verfügen aber nicht über eine Zulassungskompetenz und nehmen auch sonst keine dem Stand der Wirtschaftsprüfer vergleichbare Verantwortung für Ausgestaltung und Beaufsichtigung der Berufsausübung wahr.152 Wie die Coffee Gatekeepers, 2006, S. 111. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 114. 148 Näher Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 38 f. 149 O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 752 (2004). 150 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 19 (2006); O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 752 (2004) mit Einzelnachweisen. 151 Zeff 17 Acct. Horiz. 189, 193 (2003). Im Einzelnen 5. Kapitel: B.I.2.a., 3.a (S. 87, 93). 152 Überblick zu den existierenden Verbänden bei Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 308 mit Nachw. Fn. 1207. 146 147

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Notverordnung zur Abschlussprüfung von 1931 wird die US-amerikanische Anerkennung der Ratingagentur als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) von 1973 als Geburtsstunde gewertet, allerdings nicht als solche eines Berufsstands, sondern der einer Übertragung hoheitlicher Regulierungsfunktionen auf kommerzielle Informationsanbieter. Wie nach der EG-RatingVO von 2009 kommt ohne die Anerkennung keine Verwendung der Bonitätsratings durch die Emittenten zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen in Betracht. Die rechtstatsächlichen Wirkungen sind vergleichbar: Die Anerkennung als NRSRO steht für eine zumindest partielle Berufsausschließlichkeit. Im Unterschied zur Wirtschaftsprüfung ergab und ergibt sich die Verengung auf die als qualifiziert angesehenen bzw. anerkannten Agenturen allerdings nicht aus der Schaffung eines Berufsstands qua Gesetz wie durch die britischen royal charters in den 1850er-Jahren. Vielmehr wurde die Registrierung als anerkannte Ratingagentur zunächst auf die Marktakzeptanz ihrer Urteile gestützt. Die Berufszugehörigkeit des einzelnen Ratinganalysten ist bis heute nicht an eine staatliche Zulassung gebunden. Über die Beschäftigung des einzelnen Ratinganalysten entscheiden die Agenturen frei, also letztlich allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Entwicklung der Finanzanalyse entspricht weitestgehend der beim Rating und ist unter ähnlichen Gesichtspunkten von der Geschichte der Abschlussprüfung abzugrenzen. Anders als Abschlussprüfung und Rating kommt Finanzanalysen aber keinerlei regulatorische Wirkung zu. Zwar ist für die Verwendung der Kurzform CFA im Geschäftsbetrieb die Prüfung als chartered financial analyst abzulegen. Abgesehen von den Ähnlichkeiten der Titel chartered financial analyst und chartered accountant (UK) bzw. certified public accountant (USA) bestehen keine nennenswerten Gemeinsamkeiten mit der Zulassung als Wirtschaftsprüfer. Die Bezeichnung als Finanzanalyst oder financial analyst unterliegt keinem besonderen Schutz und darf bei inhaltlicher und räumlicher Verbindung nicht im Zusammenhang mit amtlichen Berufsbezeichnungen verwendet werden.153 2. Berufsständische Aufsicht und Disziplinierung Für die Aufsicht und Disziplinierung wird heute in keinem der Intermediationsbereiche auf eine ausschließlich berufsständische Steuerung gesetzt. Im eigentlichen Sinne berufsständische Komponenten finden sich allein bei der Abschlussprüfung. Ratingagenturen und Finanzanalysten sind nur bei privater Entscheidung zur Einhaltung der Regeln von Fachverbänden wie dem BdRA oder der DVFA verpflichtet.154 Entscheidend sind jeweils regulatorische Pflichten und die 153 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 9.6.2010 – 1 BvR 1198/10, NJW 2010, 3705, Juris-Tz. 9 zu § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG; BFH, Beschl. v. 10.2.2016 – VII B 185/14, DStR 2016, 934, Juris-Tz. 9 zur Angabe „Zertifizierter Rating-Analyst“. 154 Dazu Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 296; Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 67 ff.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

behördliche Überwachung ihrer Einhaltung, bei den Ratingagenturen durch die ESMA und bei der Finanzanalyse durch die BaFin.155 Soweit es das Rating anbelangt, entspricht dies der Rechtslage in den USA, wo die Agenturen durch die SEC überwacht werden. Bei der Finanzanalyse zeigen sich in der Beschreibung der strategischen Ziele des CFA Institute Ansatzpunkte zum Ausbau des Berufsstands. Neben der Ausbildung und Titelvergabe übernimmt das CFA Institute die Etablierung von Verhaltens- und Branchenstandards in der Investmentindustrie.156 Bei Verstößen gegen seinen Verhaltenskodex kann es den Titel des chartered financial analyst entziehen.157 Letztlich entscheidend bleiben aber die gesetzlichen Organisationsund Wohlverhaltenspflichten, vor allem aus Art. 20 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie und FinAnV, deren Einhaltung nicht berufsständisch, sondern behördlich überwacht wird. Dies unterscheidet sich kaum von den in den USA geltenden Regeln. Dort übernehmen Self-Regulatory Organizations (SROs), wie insbesondere die Financial Industry Regulatory Authority (FINRA) die Standardbildung und Überwachung. Die FINRA unterliegt bei ihren Entscheidungen aber der Fachaufsicht durch die SEC und handelt letztlich in Form delegierter behördlicher Aufsicht.158 Die stärksten Ausprägungen berufsständischer Aufsicht und Disziplinierung finden sich bei der Wirtschaftsprüfung. Auf die beschriebenen Anfänge der Formierung des Berufsstands kam es nach dem Zweiten Weltkrieg in mehreren Schritten zu einem komplexen System aus Einrichtungen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen und Disziplinierungskompetenzen. Wichtigste berufsständische Komponente wurde die 1961 errichtete Wirtschaftsprüferkammer (WPK). Ihre vorrangige Aufgabe besteht darin, die Einhaltung der gleichzeitig erlassenen Wirtschaftsprüferordnung (WPO) zu überwachen und Verstöße zu sanktionieren. Maßgeblich infolge der EU-Abschlussprüfungsreform159 von 2014 und des diese umsetzenden Abschlussprüferaufsichtsreformgesetzes (APAReG) von 2016 verfestigt sich die bereits zuvor angelegte Aufteilung der Kompetenzen zwischen einerseits der dem Berufsstand obliegenden allgemeinen Aufsicht und andererseits der behördlich organisierten Aufsicht über Prüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, also den Prüfungen nach § 319a Abs. 1 Satz 1 155 Zur Aufsichtsarchitektur Bamberger Grundlagen des Banken- und Kapitalmarktrechts, in: Derleder u. a. (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 2017, § 1 Rn. 117. 156 CFA Society Germany, www.cfa-germany.de. 157 CFA Institute, Code of Ethics and Standards of Professional Conduct, Juni 2010, Präambel. 158 Zum Ganzen Girasa Corporate Governance and Finance Law, 2013, S. 179; Kotz Financial Regulation and Compliance, 2015, S. 3 ff., 6. 159 Bestehend aus der Änderungsrichtlinie 2014/56/EU zur EG-Abschlussprüferrichtlinie und der EU-AbschlussprüferVO zu spezifischen Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse.

5. Kapitel: Entwicklungen

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HGB:160 Allgemein ist die WPK auf Grundlage von § 57 Abs. 1 WPO dazu berufen, stichprobenartig die von ihren Mitgliedern geprüften und im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahres- und Konzernabschlüsse sowie die Bestätigungsvermerke zu sichten (formale Kontrolle). Bei Prüfungen der Unternehmen von öffentlichem Interesse ist hingegen die neue Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuständig, das seinerseits dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nachgelagert ist. Diese Aufteilung setzt sich bei der Qualitätskontrolle nach § 57a Abs. 5a Satz 3 WPO fort.161 Die Beurteilung des internen Qualitätssicherungssystems von Berufsangehörigen, die (auch) Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen, unterliegt nicht der berufsständischen Aufsicht durch die WPK (peer review), sondern der behördlichen Aufsicht durch die APAS. Die Fachaufsicht über die WPK durch die APAS tritt nach § 66a HGB an die Stelle der 2004 errichteten und jetzt aufgelösten Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK). Daneben besteht das 2004 eingeführte zweistufige Enforcement-Verfahren nach § 342b HGB fort. Auf erster Stufe hat die eigens dazu errichtete Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) die Aufgabe, bei Anhaltspunkten für einen Rechnungslegungsverstoß des Emittenten auf Verlangen der BaFin oder auch ohne besonderen Anlass, z. B. stichprobenmäßig, ein Prüfungsverfahren einzuleiten. Auf zweiter Stufe wird die BaFin selbst tätig, insbesondere wenn die Zusammenarbeit mit der DPR verweigert wird oder deren Feststellungen nicht anerkannt werden. Bei Besorgnis einer Berufspflichtverletzung informiert die DPR nach § 342b Abs. 8 Satz 2 HGB zusätzlich die APAS. Das heutige hybrid aus berufsständischer und aufsichtsbehördlicher Überwachung zusammengesetzte System ist Ergebnis von Vorstößen des Berufsstands zur Selbstverwaltung, teilweise entgegengesetzten Vorstößen der Rechtsetzung und in beachtlichem Umfang Ergebnis der Europäisierung und Internationalisierung. So greift etwa die Rechnungslegungsprüfung durch die DPR auf erster Stufe des zweistufigen Enforcement-Verfahrens auf die Erfahrungen mit dem in Großbritannien 1990 gegründeten Financial Reporting Review Panel (FRRP) zurück, dessen Nachbildung maßgeblich von Peter Hommelhoff und dem IDW, sodann im Abschlussbericht der Regierungskommission Corporate Governance 2001 empfohlen und schließlich durch das BilKoG von 2004 umgesetzt wurde.162 Gleichzeitig eingeführt wurde die Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK), eine mit dem Berufsstand nicht angehörenden Mitgliedern besetzte Einrichtung der externen Qualitätssicherung. Das zugrunde liegende BilReG von 2004 griff der Modernisierung der EG-Abschlussprüferrichtlinie von 2006 Überblick zu den Änderungen bei Boecker / Zwirner DStR 2016, 90. Dazu Torr WPg 2016, 188, 191. 162 Hommelhoff WPg-Sonderh. 2001, S. S39, S40 ff.; Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drucks 14/7515 v. 14.8.2001, Rn. 277 f. Zur weiteren Entwicklung Gelhausen / Hönsch AG 2005, 511. 160 161

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

vor, die ihrerseits eine Reaktion auf die Einsetzung des US-amerikanischen Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) darstellt. Der Übergang auf die behördliche Aufsicht über die Qualitätssicherung bei Prüfungen der Unternehmen von öffentlichem Interesse durch die APAS bildet den letzten Schritt dieser Entwicklung. Die Qualitätssicherung ist damit ein Beispiel dafür, dass Erklärungen für das heutige Zusammenspiel berufsständischer und behördlicher Aufsicht in nicht unbeachtlichem Umfang durch Vorstöße im Ausland, im zuletzt genannten Fall in den USA, geprägt sein können. In den USA galten die 1940er-Jahre als „golden era“163 des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer. Der Berufsstand erfuhr vollständige Anerkennung, verfügte über weitreichende Selbstverwaltungsrechte und sah sich kaum staatlichen Eingriffen ausgesetzt.164 Die Aufsicht durch das American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) büßte aber erheblich an Vertrauen ein, zumal meist von eigenen Maßnahmen abgesehen wurde, wenn der Verstoß bereits aufsichtsbehördlich sanktioniert worden war.165 Das 1977 eingerichtete Public Oversight Board (POB) machte von seiner Kompetenz zur Nachprüfung der peer review durch die AICPA kaum Gebrauch.166 Die Zweifel an der Leistungsfähigkeit einer Qualitätssicherung, die auf eine wechselseitige Prüfung der Berufsstandsangehörigen baute, verfestigten sich.167 Zuletzt wurde allerdings auch die Finanzaufsicht durch die SEC, möglicherweise aus Budgetmangel,168 nur noch in wenigen Fällen zur Verfolgung von Misständen tätig, z. B. überhaupt nicht zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 1999.169 Auf die spektakulären Zusammenbrüche zu Anfang des neuen Jahrtausends reagierte der Gesetzgeber sodann mit dem Sarbanes-Oxley Act von 2002, der die Errichtung des PCAOB als spezialisierte Überwachungsinstitution mit bis dahin ungekannt weitreichenden behördlichen Untersuchungsrechten und Sanktionskompetenzen vorsah. Jedenfalls die großen in Deutschland und Europa ansässigen Wirtschaftsprüfergesellschaften mussten sich faktisch den US-amerikanischen Berufsausübungsregeln unterwerfen, weil sie nur durch Registrierung beim PCAOB an der Prüfung von in den USA börsennotierten Unternehmen und deren europäischen Zeff 17 Acct. Horiz. 189, 193 (2003). Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 23 f. (2006). 165 Benston 52 Emory L.J. 1325, 1345 (2003); Coffee Gatekeepers, 2006, S. 156 m. w. N. 166 The Senate Committee on Banking, Housing and Urban Affairs, Hearings on Accounting and Investor Protection Issues Raised by Enron and Other Public Companies, 107th Congress, 2nd Sess., Bd. 1, 2002, S. 23 ff., 24 (Aussage von Harold Williams, dem früheren Vorsitzenden der SEC). Zuvor bereits The Panel on Audit Effectiveness Report and Recommendations, 31.8.2000, Appendix C, S. 192. 167 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 158. 168 Benston 52 Emory L.J. 1325, 1345 (2003) zu den möglichen Erklärungen. 169 Beasley / Carcello / Hermanson Fraudulent Financial Reporting: 1987‒1997, An Analysis of U.S. Public Companies, Research Commissioned by the Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission, März 1999. 163 164

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Konzerngesellschaften mitwirken dürfen.170 In den Jahren nach Erlass des Sarbanes-Oxley Act kam es zu behördlichen Untersuchungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit Sitz im US-amerikanischen Ausland. Vor diesem Hintergrund entstand erheblicher Druck auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, im Interesse des Berufsstands durch Verbesserungen ihrer nationalen Aufsichtsstrukturen auf eine gegenseitige Anerkennung hinzuwirken. Hieraus erklärt sich zunächst die Aufwertung der Ermittlungs- und Sanktionskompetenzen der WPK durch das Berufsaufsichtsreformgesetz von 2007, darunter insbesondere die Möglichkeit zur Durchführung anlassunabhängiger Sonderuntersuchungen und schließlich der Übergang auf behördliche Überwachungsstrukturen.171 Der Berufsstand verknüpft hiermit die Hoffnung darauf, dass das PCAOB auf ein extraterritoriales Tätigwerden bei deutschen Prüfungsgesellschaften verzichten wird.172 Tendenziell lauter als aus Deutschland ertönt Kritik an den durch US-amerikanische Entwicklungen gesteuerten Regulierungsvorstößen aus dem Vereinigten Königreich: Zwar wird akzeptiert, dass die SEC die Regeln der in den USA tätigen Finanz- und Informationsdienstleister vorgibt, nicht aber, dass sie durch ihre Vorgaben die gewachsenen und vorsichtig ausbalancierten Strukturen in anderen Ländern in Frage stellt.173 3. Berufsstände in der Kritik Eine berufsständische Standardsetzung, Überwachung und Disziplinierung erscheint auf den ersten Blick als Funktionsvoraussetzung oder zumindest als Förderung einer auf Marktnähe ausgerichteten privaten Informationsintermediation. Dementsprechend könnte eine Übernahme von Verantwortung durch Berufsstände auch bei Rating und Finanzanalyse aussichtsreich sein. Die durchaus wechselvollen Erfahrungen mit der berufsständischen Aufgabenwahrnehmung bei der Abschlussprüfung helfen bei der Eingrenzung der Erwartungen: In der internationalen Literatur werden, wie sogleich näher beleuchtet, Enttäuschungen in Bezug auf eine proaktive Herausbildung vergleichbarer Rechnungslegungsstandards und der Vereinheitlichung der Prüfungsgrundsätze hervorgehoben. Erst im Zusammenspiel vergleichbarer Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze kann die externe Prüfung sowohl aus Sicht des Markts wie auch des Berufsstands ihren Nutzen entfalten. Diese Themen sind entwicklungsgeschichtlich und funktional miteinander verwoben. Vergleichbare Fragen stellten sich bei einer gestärkten berufsständischen Verantwortung innerhalb der Rating- und Finanzanalyseindustrie. Praktisch alle großen Prüfungsgesellschaften, insbesondere die top four, sind beim PCAOB registriert; www.pcaobus.org. 171 Näher RegE BARefG, BR-Drucks. 555/06 v. 11.8.2006, S. 65. 172 IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, 2007, S. 130. 173 Ferran in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 645, 650. 170

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Für Vereinheitlichungen der Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze bestand schon früh, spätestens seit dem Aufkommen von Auslandsinvestitionen und dem Entstehen multinationaler Großkonzerne ein Marktbedürfnis. In Deutschland waren gleichwohl durchgreifende Lösungen zur Bewältigung der großen Inflation oder der Maßnahmen zur 1924 folgenden Geldwertstabilisierung ausgeblieben.174 Erst mit dem 1926 beim Deutschen Industrie- und Handelstag angesiedelten Ausschuss für Rechnungswesen begann die Entwicklung zunächst (bloß) national einheitlicher Prüfungsgrundsätze.175 Schon in der Erstausgabe von Der Wirtschaftsprüfer (heute: WPg)176 aus dem Jahr 1932 fanden sich kritische Bemerkungen, denen zufolge der deutsche Berufsstand dem englischen Vorbild hinterherhinke.177 International erfuhr die deutsche Rechnungslegungstheorie durchaus Lob.178 Die aus heutiger Sicht ihrer Zeit vorauseilenden Vorstöße von Fritz Schmidt 179 (Marktwert statt Buchwert) und Eugen Schmalenbach (Maßgeblichkeitsprinzip und dynamische Rechnungslegungstheorie)180 konnten sich gleichwohl, allerdings aus eher rechtspolitischen oder technischen Gründen der Regelsetzungsprozesse, zunächst nicht durchsetzen. Bei der Ausformulierung des Aktiengesetzes von 1937 überwog der Einfluss von Beamten, Richtern und Rechtsanwälten.181 Die Einordnung der Rechnungslegungsgrundsätze als Rechtsnormen und nicht als in berufsständischer Verantwortung gesetzte Fachnormen findet nicht zuletzt in der verfassungsrechtlichen Diskussion bis heute Widerhall.182 Eine Verschiebung der verfassungsrechtlichen Legitimationsdebatte ergibt sich daraus, dass heute internationale private Rechnungslegungsgremien wie das IASB die Standardsetzung bestellen, dies mit durchaus fühlbaren Wirkungen für das einzelne Unternehmen etwa wegen der Verknüpfung von Rechnungslegung und Besteuerung (Maßgeblichkeitsprinzip, § 5 EStG).183

Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 26 (2006). Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 20 (2006). 176 Nach Zusammenschluss von „Der Wirtschaftsprüfer“ und „Der Wirtschaftstreuhänder“ im Jahr 1948. 177 Brockhage Der Wirtschaftsprüfer 1932, 1. 178 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 27 (2006). 179 Schmidt Die organische Bilanz im Rahmen der Wirtschaft, 1921. 180 Schmalenbach Dynamische Bilanz, 4. Aufl., 1926 (Erstauflage: Grundlagen dynamischer Bilanzlehre, 1919); vorausgegangen ders. ZfhF 1908/09, 81 zur Abschreibung. Zukunftsfragen zum Maßgeblichkeitsprinzip bei Velte / Freidank StuW 2010, 185. 181 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 29 f., 42 (2006); Eingehend Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 94 ff. 182 Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 49 ff. Zum Ganzen noch 8. Kapitel: A.III.3.b, c (S. 241 ff., 243). 183 Kurz HoptMerktBilanzR-Merkt Einl. v. 238 Rn. 176. Zu verfassungsrechtlichen Zweifeln Kirchhoff ZGR 2000, 681, 691. Ähnliche Diskussion um den DCGK; GroßKommAktG4Leyens § 161 Rn. 79 ff., 81. 174 175

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Nicht zu verbergen ist, dass der international lang anerkannte Grundsatz der „true and fair view“ erst vermittelt durch die Vierte Europäische Richtlinie von 1978 von der deutschen Prüfung aufgegriffen wurde.184 Die Errichtung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) auf Grundlage des durch das KonTraG von 1998 eingeführten § 342 HGB als erstem privaten Standardsetzer für Rechnungslegungsvorschriften kann als eine Untermauerung der berufsständischen Verantwortung für den Anschluss an internationale Standards gesehen werden.185 Die Zukunftsaufgaben stellen sich allerdings auch insoweit nicht mehr allein auf nationaler Ebene. Die in den Mitgliedstaaten ansässigen börsennotierten Unternehmen haben ihre Konzernabschlüsse seit 2005 nach den International Financial Reporting Standards (IFRS, bis 2003 IAS) aufzustellen.186 Die darauf bezogenen Prüfungsgrundsätze entwickelt das IDW auf Grundlage der von der International Federation of Accountants (IFAC) herausgegebenen International Standards on Auditing (ISA), zu deren Beachtung der deutsche Prüfer nach § 317 Abs. 5 HGB verpflichtet ist.187 Die besonders pointiert von John C. Coffee vertretene These vom Versagen der berufsständischen Selbstregulierung der US-amerikanischen Wirtschaftsprüfer baut auf anekdotische, aber im Gesamtkontext möglicherweise auch bei anderen Branchen der Informationsintermediation zu erwartende symptomatische Schwächen:188 Die „golden era“189 des Berufsstands nahm mit dem sogenannten „great treaty“ von 1938 ihren Anfang.190 Seitdem forderte die SEC eine Prüfung der Rechnungslegung auf Grundlage anerkannter Maßstäbe. Die Verantwortung für die Formulierung von Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätzen lag hiernach allein beim Berufsstand. Die Aufgabe fiel dem 1937 gegründeten American Institute of Chartered Public Accountants (AICPA) zu. Eingerichtet wurden unter seinem Dach das Committee on Accounting Procedures Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 43 (2006). Marx ZGR 2002, 292, 316. 186 Art. 1 VO (EG) 1606/2002 v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG L 243/1 v. 11.9.2002. Überblick bei HoptMerktBilanzR-Merkt Einl. v. 238 Rn. 111 zu Vor- und Nachteilen. 187 Nur solange und soweit solche Prüfungsstandards nicht angenommen sind, bleibt es bei den nationalen Standards, also den IDW PS und IDW PH. Überblick bei Baumbach /  HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 13; MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 5, 14, § 323 Rn. 21. Zum Stand der Diskussion Merkt ZGR 2015, 215, 217 ff.; Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 37 ff., 42. 188 Im Folgenden Auswahl der von Coffee Gatekeepers, 2006, S. 130 ff. beschriebenen Entwicklungsschritte. Zur in der Sache vergleichbaren Kritik am Berufsstand vor der Securities Regulation der 1930er-Jahre Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 161. 189 Zeff 17 Acct. Horiz. 189, 193 (2003). 190 Accounting Series Relaese No. 4, 1938. Näher unten 5. Kapitel: B.I.1.b (S. 83 ff.) zur Einordnung als „great treaty“ durch den Vorsitzenden der SEC Ray Garrett The Accounting Profession and Accounting, 3.10.1975, S. 5. 184 185

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

(CAP) von 1938, auf die Kritik an dessen mangelnder Durchsetzungskraft191 im Jahr 1959 das auf wenig Akzeptanz stoßende Accounting Principles Board (APB) und schließlich 1973 das Financial Accounting Standards Board (FASB), das sich offenbar verschiedentlich weder der Einflussnahme der Berufsvertreter noch der Politik erwehren konnte.192 Maßgeblich infolge der wachsenden öffentlichen Kritik an der in den 1990erJahren verfestigten und konfliktträchtigen Kombination von Prüfung und Beratung (full service) wurde sodann, ebenfalls unter dem Dach der AICPA, das Independence Standards Board (ISB) ins Leben gerufen. Aus deutscher Sicht ergaben sich zunächst Hoffnungen auf Impulse, möglicherweise gar zur institutionellen Nachbildung als „Unabhängigkeits-Standards-Committee“.193 In der Nachschau erweist sich das ISB als „tame self-regulatory panel“,194 dessen Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten sich nicht durchsetzen konnten oder schlichtweg ignoriert wurden. Mit der Errichtung des gleichsam allzuständigen PCAOB durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 erfuhr die zunächst weitgehende Selbstregulierung des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer in den USA ihr jähes Ende. Die beiden maßgeblichen Gründe hierfür fasst Coffee wie folgt zusammen: Erstens beharrte der Berufsstand auf der Prüfung am Maßstab der kontinuierlichen Anwendung durch den Emittenten und Üblichkeit der Rechnungslegung, dies ohne Beurteilung der Sinnhaftigkeit (bloße Konsistenzprüfung).195 Damit ließ sich für praktisch jede Position eine Rechtfertigung finden. Zweitens betonte die zur Bewältigung der in den 1970er-Jahren gehäuft zutage getretenen Fälle von Bilanzbetrug eingesetzte Cohen Commission im Jahr 1978 die wirtschaftliche Rolle des Abschlussprüfers als (kommerzieller) Informationsdienstleister. In der Konsequenz sollte sich der Prüfer grundsätzlich auf die Angaben des Managements verlassen dürfen, jedenfalls soweit kein konkreter Anlass zu Zweifeln bestand.196 Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit und damit verbunden der Prüfungsqualität infolge von Beratungsmandaten wurden explizit verneint. Die Treadway Commission stellte in ihrem 1987 vorgelegten Bericht unrealistische öffentliche Erwartungen an die Betrugsvermeidung durch die Abschlussprüfung in den Vordergrund.197 Das möglicherweise im Hintergrund stehende Ziel einer Coffee Gatekeepers, 2006, S. 131: „permissive and toothless“. Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 130 ff.; Mattli / Büthe 68 L. & Contemp. Prob. 225, 244 (Summer & Autumn 2005). 193 Marx ZGR 2002, 292, 315. 194 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 163. 195 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 128, 130. Ausführlich zu den Entwicklungen Loss /  Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 300. 196 Commission on Auditor’s Responsibilities (Cohen Commission), Report, Conclusions and Recommendations, 1978, S. 33, 47. 197 Report of the National Commission on Fraudulent Financial Reporting (Treadway Commission), Oktober 1987. 191 192

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Vermeidung gesetzgeberischer Eingriffe wurde zunächst erreicht. Es blieb bei der Feststellung einer Erwartungslücke. Ernstzunehmende Maßnahmen zur Unterbindung einer zu großen Nähe des Prüfers zum Management folgten nicht. Erst das 1998 auf Veranlassung der SEC von der seinerzeitigen Selbstverwaltungskörperschaft Public Oversight Board (POB) eingesetzte Panel on Audit Effectiveness (Blue Ribbon Panel) reagierte auf den Befund einer zurückgegangenen Tiefe der Prüfung mit dem Vorschlag einschneidender Änderungen, insbesondere einer stärker forensisch ausgerichteten Prüfung, verbunden mit unangekündigten Stichproben zur verbesserten Betrugsaufdeckung.198 Unausweichliche Folge für den Prüfer wäre die offene Konfrontation mit dem Management, also dem Auftraggeber gewesen. Hinzu gekommen wären Einkommenseinbußen, weil forensische Prüfungsarbeiten von Juniorpersonal ausgeführt und dementsprechend schlechter vergütet werden.199 Bevor es zur Rezeption des im Jahr 2000 vorgelegten Abschlussberichts kommen konnte, schlug sich in den Jahren 2001 und 2002 eine Welle an Bilanzberichtigungen (financial statement restatements) nieder, im Mittelpunkt die Berichtigungen des 2001 zusammengebrochenen Energieversorgers Enron.200 In der Nachschau stehen die US-amerikanischen Erfahrungen für einen kurzsichtigen Widerstand des Berufsstands gegen die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und für ein letztlich kurzlebiges Beharren auf dem Nutzen des Beratungsgeschäfts.201 Angesichts der zwischenzeitlich aufgekommenen Dominanz der angloamerikanisch geprägten internationalen Wirtschaftsprüfungsindustrie erfassten die dann folgenden Regulierungsschritte zumnidest mittelbar auch den den deutschen Prüfungsmarkt.202 Die wirklichen Gründe für die anfänglich zurückhaltende Regulierung sind nicht leicht zu erfassen. Erfolge lobbyistischer Anstrengungen sind denkbar, aber selten nachweisbar. Wichtiger erscheinen die seinerzeit als bahnbrechend empfundenen Fortentwicklungen der Finanzmarkttheorie. Nach der von Eugene F. Fama 1970 eingebrachten Kapitalmarkteffizienzhypothese 203 hätte die Schaffung einheitlicher Standards der Rechnungslegung und ihrer Prüfung bei hoher Markteffizienz von vornherein keine Auswirkung haben können.204 Die Annahme eines tendenziell hoch-effizient arbeitenden US-amerikanischen Kapitalmarkts lag ver198 Panel on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees (Blue Ribbon Committee), 31.8.2000, S. 82; abgedr. in: 54 Bus. Law. 1067 (1999). Dazu Cox / Hillman /  Langevoort Securities Regulation, 7. Aufl., 2013, S. 603 f. Zur Kritik Olson 54 Bus. Law. 1097 (1999). 199 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 142. 200 Zum Enron-Fall und den Folgen ab 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 201 Kritik am Lobbyismus des Berufsstands Coffee Gatekeepers, 2006, S. 137 f. Zum Ganzen auch Mattli / Büthe 18 Governance 399 (2005). 202 Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 45. 203 Fama 25 J. Fin. 383 (1970). Zur Kapitalmarkteffizienzhypothese im Einzelnen 6. Kapitel: A (S. 148 ff.).

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ständlicherweise im Interesse der Politik. Diese zunächst übersteigerten Erwartungen an die Informationsverarbeitung durch den Markt dürfte die US-amerikanische Deregulierungspolitik auch mit Blick auf die Wirtschaftsprüfung nicht unwesentlich beeinflusst haben.

B. Regulierung Die beschriebenen Entwicklungen der Berufsstände sind eng mit der Regulierung des Kapitalmarkts verknüpft. Erst unter Berücksichtigung der Verzahnung von einerseits allgemeinem Kapitalmarkt- und andererseits speziellem Intermediärverhaltensrecht werden die heutigen Rollenerwartungen und -ausformungen erfassbar. Im 20. Jahrhundert verdichtete sich das Verständnis einer durch interne, externe und dazwischenliegende Mechanismen wie die Abschlussprüfung bedingten Leistungsfähigkeit der Corporate Governance. In demselben Jahrhundert fanden die für Rating und Finanzanalyse maßgeblichen Weichenstellungen des Kapitalmarktverhaltensrechts statt, in den USA früh, in Deutschland spät.205 Für die Abschlussprüfung erwies sich die im 21. Jahrhundert erstarkte Auseinandersetzung mit den Leistungsgrenzen der internen Organisationsverfassung als prägend. Wie zuvor war die Krisenbewältigung bis in das 21. Jahrhundert als Treiber für den Übergang des Verständnisses der Informationsintermediäre als allein dem Anteilseignerinteresse verpflichtete externe Überwacher hin zum heutigen Verständnis als Wahrer der im öffentlichen Interesse stehenden kapitalmarktlichen Informationsintegrität.206 Die jüngeren Weichenstellungen im 21. Jahrhundert sind zu großen Teilen aus den enttäuschten Erwartungen an die Wahrnehmung dieser Verantwortung zu erklären.207

I. Aufkommen im 20. Jahrhundert Die Abfolge der wesentlichen Regulierungsschritte entspricht den bis heute diskussionsbestimmenden Problemstellungen, angefangen von der verpflichtenden Rechnungslegungsprüfung (Pflichtprüfung in Deutschland 1931),208 der Kapitalmarktregulierung (US-Kapitalmarkverhaltensrecht ab den 1930er-Jah-

204 Hintergründe zur Diskussion in den 1970er-Jahren bei Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998, S. 384 f. Zur modernen Sicht auf die Kapitalmarkteffizienzhypothese 6. Kapitel: A.II (S. 152). 205 Abschn. I. 206 Abschn. II (S. 78). 207 Abschn. III (S. 109). 208 Abschn. 1.

5. Kapitel: Entwicklungen

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ren)209 mit nachfolgend weiter verfestigter Ausformung bei einzelnen Intermediationsleistungen (Anerkennungserfordernisse für Ratingagenturen seit 1975).210 1. Pflichtprüfung Die Einführung der Pflichtprüfung durch die Notverordnung von 1931 markiert für Deutschland den Beginn der regulatorischen Inpflichtnahme eines privaten Informationsintermediärs. Noch zu besprechende Vorformen hatte es in den USA beim Rating gegeben. Zu einem flächendeckenden Intermediationsobligatorium kam es dort wie hier allerdings nur bei der Abschlussprüfung. a. Notverordnung zur Abschlussprüfung von 1931 Durch die zumeist verkürzend als Notverordnung bezeichnete Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie wurde die gesetzlich verpflichtende Abschlussprüfung für alle Aktiengesellschaften eingeführt.211 Nach längerem Ringen wurde die Prüfung als materielle, nicht bloß formale Prüfung ausgestaltet. Dem Prüfer wurden hierzu Einsichts- und Prüfungsrechte gewährt. Zur Durchführung waren nur öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer und die Wirtschaftsprüfertätigkeit ausübende Gesellschaften befugt.212 Die Bestellung sollte durch die Hauptversammlung erfolgen, um Gefahren der Selbstprüfung durch den Aufsichtsrat entgegenzutreten.213 Der Prüfungsauftrag war demgegenüber durch den Vorstand zu vergeben, was bereits aus damaliger Sicht nicht recht in das Bild passte, aber erst durch das KonTraG von 1998 korrigiert wurde.214 Vorgesehen war eine Aufgabeninkompatibilität für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Angestellte der Gesellschaft. Ausgenommen waren auch Prüfer einer Gesellschaft, auf deren Geschäftsführung die zu prüfende Gesellschaft maßgebenden Einfluss hatte. Die heute weite Teile der Diskussion bestimmende Unabhängigkeitsfrage kündigte sich hierdurch in Abschn. 2 (S. 86). Abschn. 3 (S. 93). 211 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie v. 19.9.1931, RGBl. I 1939, 493, Urtitel VI, §§ 262a–262g; abgedruckt und erläutert bei Lehmann / Hirsch Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931, 2. Aufl., Mannheim 1932, S. 160 ff., 233 ff.; Schlegelberger / Quassowski / Schmölder Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931 nebst den Durchführungsbestimmungen, 1932, S. 273 ff. Zur Einordnung in die weiteren Notverordnungen des Jahres 1931 Engelke /  Maltshew in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 570, Rn. 65, 67 ff.; Schülke, IDW-Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 31. 212 Im Einzelnen Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 30. 213 Schlegelberger / Quassowski / Schmölder Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931, nebst Durchführungsbestimmungen, 1932, § 262b Anm. 2. 214 Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 15. 209 210

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nuce an. Die schwerer fassbaren Gefahren indirekter Einflussmöglichkeiten infolge der Vergabe zusätzlicher lukrativer Beratungsmandate wurden erst deutlich später erkannt.215 Die Notverordnung entschied eine Kernfrage der seinerzeit im Werden begriffenen Gesellschaftsrechtsreform.216 Zum Erlass kam es in großer Eile. Materialien, die den Willen des Gesetzgebers erkennen lassen, fehlen. Umso größer war das Echo in der Literatur.217 Im Hintergrund der Notverordnung stand das erst wachsende Verständnis von der Rolle des durch die Aktienrechtsnovelle zum ADHGB von 1870 eingeführten Aufsichtsrats. Insoweit unterscheidet sich die in ihren Ursprüngen auf die unternehmensinterne Überwachung gerichtete Diskussion von der den Schutz des breiten Investorenpublikums betonenden USamerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre. Wird der Aufsichtsrat heute als mitunternehmerisch überwachendes Organ gesehen, wurde ihm in der Anfangszeit die Rolle des eigentlichen Geschäftsführers zugemessen.218 Der Vorstand galt als beamtenähnliches Ausführungsorgan. Angesichts der Selbstprüfungsgefahren eines de facto geschäftsführenden Aufsichtsrats schlug Wolffson in seinem Referat zum 11. Deutschen Juristentag von 1873 vor, „für jede Aktiengesellschaft das Vorhandensein eines bei der Geschäftsführung unbeteiligten Organs für die Revision der Bilanzen vorzuschreiben“.219 Die Prüfung war seinerzeit in Großbritannien vorübergehend nicht mehrverpflichtend vorgesehen.220 Wie in den USA stand die deutsche Forderung nach einer dem ursprünglichen britischen Vorbild folgenden externen Rechnungslegungsprüfung im Zeichen der gewachsenen Bedürfnisse nach verlässlicher Unternehmenspublizität. Auf Zustimmung stießen die Vorschläge nicht, zumal zu dieser Zeit in Deutschland nur wenige Revisoren existierten, denen eine sachkundige Erfüllung der Prüfungsaufgabe zuzutrauen gewesen wäre. Vorbereitet war damit immerhin die fakultative Revision auf Antrag der Hauptversammlung, die schließlich im Wege der Aktienrechtsnovelle von 1884 gesetzliche Verankerung fand.

Pinner Aktiennovelle und Bankenaufsicht, Verordnung vom 19. September 1931, 1931, S. 53. Näher Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 16. 216 Näher Schlegelberger / Quassowski / Schmölder Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931 nebst den Durchführungsbestimmungen, 1932, Vor § 262a (S. 270 ff.). 217 Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 12 m. w. N. 218 Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 6; Hommelhoff in: Schubert / Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 71, 91. 219 Wolffson Referat, 11. DJT 1873, S. 71, 89. 220 Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 5. 215

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Der erneute Ruf nach verpflichtender Abschlussprüfung in den Entwürfen zur Aktienrechtsnovelle von 1930 und 1932 hatte weniger die Überwindung von Gefahren der Selbstprüfung des Aufsichtsrats zum Ziel und mehr ein Bedürfnis nach Steigerung seiner Überwachungsleistung.221 An die Stelle des Verständnisses vom quasigeschäftsführenden Aufsichtsrat war die Forderung nach einer leistungsfähigen internen Unternehmensüberwachung getreten. Als wichtigstes Einsatzfeld der internen Unternehmensüberwachung galt die Rechnungslegungsprüfung, zumal dadurch Spekulationen des Vorstands wie beim Zusammenbruch der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-Aktiengesellschaft (FAVAG) kurz vor dem Börsenkrach von 1929 möglicherweise rechtzeitig hätten erkannt werden können. Durch die Notverordnung von 1931 wurde dem Aufsichtsrat deshalb der Abschlussprüfer als Gehilfe an die Seite gestellt. Frühere Bedenken gegen eine zu geringe Anzahl in Betracht kommender Prüfer – auch 1932 gab es lediglich 457222 – traten zurück. Angelegt durch die Vergabe des Prüfungsauftrags durch den Vorstand über Praktiken wie die exklusive Vorabberichterstattung an diesen verschob sich die Rolle des Prüfers als Gehilfe des Aufsichtsrats allerdings zunehmend in Richtung auf die eines der Geschäftsführung in wesentlichen Fragen willfahrenden Dienstleisters. Sowohl der erste Entwurf des Aktiengesetzes von 1930 als auch der zweite von 1932 hatten sich für die Einführung der Pflichtprüfung ausgesprochen.223 Bereits diese Entwürfe, vor allem aber die diese Vorarbeiten überholende Notverordnung gelten als kriseninduzierte Regelsetzung.224 Für den Entstehungszusammenhang ist das Gutachten des Reichsoberhandelsgerichts (ROHG) von 1877 von Bedeutung, das sich gegen den vom Verein für Socialpolitik eingebrachten Vorschlag einer Einführung von Bilanzrevisoren ausgesprochen hatte.225 Im Fortgang galt es zunächst, die noch vorherrschende Sicht von der Alternativität zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer zu überwinden, wie die Begründung zum Gesetz betreffend die KGaA und AG von 1884 zeigt: Die Gegner eines obligatorischen Aufsichtsrats hielten 221 Im Abgleich mit dem englischen Vorbild Bruck Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Wirtschaftsprüfers, Der Wirtschaftsprüfer 1932, 41 ff. 222 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 22 (2006). 223 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes nebst erläuternden Bemerkungen, 1930, §§ 118 ff. Vorausgegangen waren dahingehende Stellungnahmen im Rahmen eines Konsultationsverfahrens im Jahr 1927. Abdruck der Fragebögen und mehrerer Stellungnahmen bei Schubert in: ders. / Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 1, 29. Näher Lutter in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 389 ff. Rn. 16. 224 Einordnend Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 10. 225 Das Gutachten wurde im Auftrag des Reichskanzleramts von 1867 erstattet. Über Zustandekommen und Verfasser ist nichts bekannt. Im Einzelnen Schubert in: ders. / Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR-Sonderh. 4, 1985, S. 1, 18 (Fn. 58).

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„nicht ein ständiges Organ für nothwendig, sondern zeitweise zusammentretende Revisoren, welche wie die Kommissionäre des französischen Rechts […] lediglich zur Prüfung der vom Vorstande aufgestellten Bilanz und Verwaltungsrechnung zusammentreten, für ausreichend und empfehlenswerther, damit nicht die Aktionäre, der Täthigkeit eines Kontrollorgans vertrauend, sich der eigenen Prüfung und Kontrolle entschlagen.“226

Aus Sicht der heutigen Corporate Governance zutreffend setzte sich mit der Verankerung des Pflichtaufsichtsrats die Forderung nach einer fortlaufenden Überwachung durch: „Verstöße gegen das Gesetz und den Gesellschaftsvertrag seitens des Vorstandes können […] wirksam nur durch ein, die Verwaltung desselben stetig im Auge behaltendes Organ verhütet werden.“227 In Gegenüberstellung zur jährlichen Abschlussprüfung wird die erst Ende des 20. Jahrhunderts weiter ausgeformte Rolle des Aufsichtsrats als nicht nur ex post kontrollierendes, sondern auch ex ante begleitendes Überwachungsorgan bereits zu diesem Zeitpunkt vorgezeichnet: „Ein nur zeitweise fungirendes Organ (der jährliche Abschlussprüfer) wird meist dem schon eingetretenen Schaden gegenüberstehen und (anders als der Aufsichtsrat), unbekannt mit den einzelnen Vorgängen der Verwaltung, sich begnügen, seine Thätigkeit auf eine rein formelle Prüfung der Rechnungen und der Buchführung zu beschränken, daher zu der Stellung einfacher Rechnungsrevisoren herabfinden.“228 Einerseits wurden im Jahr 1889 Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften der Pflichtprüfung unterworfen.229 Andererseits verzichtete noch das HGB von 1897 auf eine Erstreckung der Abschlussprüfung auf alle Aktiengesellschaften. Auf seinem ersten Verbandstag von 1905 sprach sich der Verband Deutscher Bücherrevisoren für die Pflichtprüfung aus, weil insoweit kein Unterschied zwischen Aktiengesellschaft und Genossenschaft bestehe. Der ein Jahr später abgehaltene 28. Deutsche Juristentag befürwortete die Pflichtprüfung mit dem Argument, die Aufsichtsräte seien mit der Prüfungsaufgabe überfordert.230 Dieses Argument sollte sich durchsetzen. Es steht für den Beginn der Diskussion um die Einordnung der Informationsintermediation als zwischen interner und externer Unternehmensüberwachung stehende Kontrollinstanz und das seitdem fortdauernde Ringen um belastbare Kompetenz- und Verantwortungsgefüge (checks and balances).231 Im Weiteren erweist sich die der Notverordnung vorausgehende Diskussion als ein aus heutiger Sicht beeindruckendes Zeugnis der Durchsicht ausländischer Erfahrungen und zugleich als Beispiel für deren apodiktische, wenngleich nur 226 Allgemeine Begründung, Entwurf eines Gesetzes betreffend die KGaA und AG, 1884 § 12 (Abschn.: obligatorischer Aufsichtsrath); abgedr. bei Schubert / Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR-Sonderh. 4, 1985, S. 404 ff., 457 f. 227 Ebd. 228 Ebd. 229 Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften v. 1.5.1889, RGBl. 1889, S. 55. 230 Verhandlungen des 28. DJT 1906, Bd. 3, S. 233. 231 Aus der Entstehungszeit Schmölder JW 1930, 2623, 2625.

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kurzlebige Ablehnung.232 So fragte der 34. Deutsche Juristentag von 1926, ob „eine Annäherung an das englisch-amerikanische Recht in grundsätzlichen Fragen stattfinden“ solle,233 lehnte aber die Pflichtprüfung ebenso ab wie die von diesem Juristentag betraute Untersuchungskommission.234 Noch überwogen die vor 1884 geäußerten Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Abschlussprüfung, die eine Inventuraufnahme selbst nicht überwachen und als bloß formale Prüfung kaum Sicherheit verschaffen könne. Als Wendepunkt der Diskussion gilt der New Yorker Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 mit darauf folgender Weltwirtschaftskrise. Wie den Begründungen zu den Aktiengesetzentwürfen von 1930 und 1932 zu entnehmen ist, waren für das Reichsjustizministerium aber weniger die Gefahren panikartiger Verkäufe im Ausland und ihre Wirkungen auf die bereits seinerzeit verflochtenen Wirtschaftsund Finanzmärkte ausschlaggebend. Betont wurden vielmehr die Ereignisse der jüngsten Zeit, womit vor allem Bilanzfälschungen in Deutschland gemeint waren.235 Vorausgegangen waren die bereits erwähnten Bilanzmanipulationen zur Verdeckung spekulativer Geschäfte des Vorstands der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-Aktiengesellschaft (FAVAG) im August 1929, der seinerzeit zweitgrößten Versicherungsgesellschaft. Zum konkreten Auslöser der Notverordnung wurde der Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns mit der Folge des Untergangs der Darmstädter Nationalbank (Danat Bank) im Juli 1931 und dem darauf folgendem Ansturm auf die weiteren Banken (bank runs). Im Zeichen einer künftig verbesserten Absicherung gegen vergleichbar unvorhergesehene Zusammenbrüche sollte maßgeblich die Überwachung durch den Aufsichtsrat gestärkt werden. Dies gab der Notverordnung von 1931 Anlass zur Einführung der als Unterstützung des Aufsichtsrats gedachten externen Pflichtprüfung.236 b. Vergleichende Einordnung In das europäische Gemeinschaftsrecht aufgenommen wurde die Pflichtprüfung durch die Vierte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie von 1978.237 Die AbschlussAusgewählte Textpassagen abgedruckt bei Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 12. 233 Verhandlungen des 34. DJT 1926, Bd. 1, S. 259, 320 mit wenigen befürwortenden Stimmen, z. B. von Pinner ebd., Bd. 2, S. 615 ff., 650. 234 Bericht der durch den 34. Deutschen Juristentag zur Prüfung einer Reform des Aktienrechts eingesetzten Kommission, 1928, S. 23; Abbruck in Originalpaginierung in: Schubert (Hrsg.), Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926–1931), 1999, Bd. 1, S. 161, 23 ff. Dazu Schubert in: ders. / Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 27 f. 235 Zum FAVAG-Zusammenbruch Alsheimer WPg 1988, 471, 477. Vergleichend Fear /  Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 37 (2006). 236 Schmölder JW 1930, 2623, 2625. 237 Art. 51 Abs. 1 Vierte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie. 232

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prüfung wurde sodann durch die Achte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie von 1984 ausgestaltet, die in der 2006 modernisierten EG-Abschlussprüferrichtlinie aufgegangen ist.238 Bis zur erstmaligen Einführung der Pflichtprüfung hatte sich die Überzeugung vom Nutzen der geprüften Unternehmenspublizität nicht nur in Europa, sondern auch international verfestigt. Noch die Notverordnung von 1931 schloss bloß mit den zuvor eher kritisch begutachteten Entwicklungen in Großbritannien auf.239 Die Pflichtprüfung war dort durch die bereits angesprochene Gladstone Legislation240 der 1840er-Jahre für die Aktiengesellschaft eingeführt worden.241 Im Jahr 1856 war sie zunächst durch die Entscheidung der Anteilseigner, ob sie die Pflichtprüfung in der Satzung anordnen wollten, ersetzt worden.242 Später wurde die Pflichtprüfung allgemein für Banken eingeführt. Seit 1900 ist die Prüfung (wieder) für alle Aktiengesellschaften verpflichtend vorgesehen.243 Die heutigen Regeln dazu finden sich in sections 475 ff. Companies Act 2006.244 Zugleich eilte die deutsche Notverordnung von 1931 den US-amerikanischen Securities Acts von 1933 und 1934 mit knappem Vorsprung voraus.245 Die dortige Verankerung der Pflichtprüfung im föderalen Kapitalmarktrecht erklärt sich aus der fehlenden Regelsetzungskompetenz des Bundesgesetzgebers zum Gesellschaftsrecht. Mit einem Tätigwerden der Einzelstaaten war trotz der ausgreifenden Anlegerschutzgesetze mit ihren vor 1933 eingeführten Registrierungserfordernissen (blue sky laws) nicht zu rechnen.246 Zum seinerzeitigen Wettbewerb um Inkorporierungen durch Regelflexibilisierung (chase of laxity) hätte die Einführung der Pflichtprüfung nicht gepasst.247 Dementsprechend konnte sich die föderal verankerte Pflichtprüfung in den USA zunächst auch nur an börsennotierte Gesellschaften richten. Erst 1964 wurde sie auf alle Gesellschaften erstreckt, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen und über eine Million USDollar Aktiva und mindestens 500 Anteilseigner verfügen.

Überblick bei Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, Bd. 1, S. 85 f. 239 Zur vorausgegangenen Diskussion Lehmann / Hirsch Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931, 2. Aufl., Mannheim 1932, S. 157 ff. 240 Zur Gladstone Legislation 5. Kapitel: A.II.1 (S. 56). 241 Sections 34–43 Joint Stock Companies Act 1844. Dazu O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 756 ff. (2004). 242 Zum Joint Stock Companies Act 1856 und den weiteren Entwicklungsschritten Maltby 3 Acct. Hist. 9, 23 (1998). 243 Companies Act 1900. Dazu Barlow 11 Econ. J. 180, 189 (1901) 244 Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 22-1 ff. 245 Dazu noch näher 5. Kapitel: B.I.2.a (S. 87). 246 Zu Ursprung und Einordnung Oechsler in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 150 Rn. 6. 247 Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 91 ff., 102. 238

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Die Prüfungspflicht wurde in den USA sowohl für die Primär- als auch die Sekundärmarktpublizität eingeführt.248 Mit dem Antrag auf Börsennotierung (registration statement) musste nach dem Securities Act 1933 ein geprüfter Jahresabschluss beigebracht werden.249 Die jährliche Prüfungspflicht ergab sich demgegenüber nicht unmittelbar aus den Securities Acts, sondern aus den Erläuterungen zu den bei der Securities and Exchange Commission (SEC) einzureichenden Unterlagen (Form 10-K). Seine Rolle als wichtigstes Element der fortlaufenden Kommunikation mit den Aktionären erhält der geprüfte Jahresabschluss über die von der SEC ausgeformte Pflicht zu seiner Vorlage bei der Einwerbung von Stimmrechtsvertretungen (proxy solicitation) im Vorfeld der Hauptversammlung.250 Der Securities Act 1933 bestimmte, dass die Prüfung nur durch einen zugelassenen Prüfer (certified public accountant) durchgeführt werden durfte.251 Zur Gewährleistung der (äußerlichen) Unabhängigkeit waren insbesondere Angestellte und Geschäftspartner des Emittenten ausgeschlossen (independence in appearance).252 Verstanden wurde das Erfordernis bereits damals auch als tatsächliche Unabhängigkeit (independence in fact), allerdings noch ohne weitere Konkretisierung.253 Für die wichtigsten Marktteilnehmer ergaben sich kaum Änderungen. Schon vor dem Börsenkrach von 1929 waren rund 85 Prozent der Gesellschaften geprüft.254 Im Jahr 1931 verfügten 651 der 781 an der New York Stock Exchange (NYSE) notierten Unternehmen über einen von unabhängigen Wirtschaftsprüfern bestätigten Jahresabschluss.255 Angesichts dieser hohen Prüfungszahlen war es dem Berufsstand gelungen, Überlegungen zur Schaffung einer staatlichen Prüfstelle (corps of government auditors) mit dem Argument eigener Lösungsbereitschaft des Markts zu zerstreuen.256 Der so entstandene Eindruck wirkte offenbar fort. Die neu eingerichtete SEC machte in den 1930er-Jahren von ihren weitreichenden Regelungskompetenzen zunächst keinen Gebrauch. In der Folge 248 249

§ 223.

Überblick bei Loss ZHR 129 (1967) 197, 221. Tilton in: Thorpe / Ellis (Hrsg.), The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 181, 184,

250 Dazu Loss ZHR 129 (1967) 197, 236 Fn. 31. Ausführlich ders. Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 672. 251 Dazu Thorpe / Ellis The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 139, § 165 Art. 14. Zu den Unsicherheiten in Bezug auf die Regelungskompetenz der SEC bei der Bestimmung der für andere Expertenleistungen in Betracht kommenden Berufsgruppen Douglas / Bates 43 Yale L.J. 171, 197 (1933). 252 Im Einzelnen: „any interest, directly or indirectly, or […] officer, agent, employee, promoter, underwriter, trustee, partner, director, or person performing similar function“; näher Thorpe / Ellis The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 139 f., § 165 Art. 14. 253 Ohne Erläuterung etwa Thorpe / Ellis The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 139 f., § 165 Art. 14. 254 Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 144. 255 Tilton in: Thorpe / Ellis (Hrsg.),The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 181, 182, § 221 mit Verweis auf eine Studie der New York State Society of Certified Public Accountants. 256 Sutton 11 Acct. Horiz. 86 (1997).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

blieben die gesetzlichen Anforderungen an die Rechnungslegung, insbesondere die Ertragsrechnung (profit and loss), zunächst wenig bestimmt und entbehrten vor allem der Vergleichbarkeit.257 Gleichermaßen unerfüllt blieb die Hoffnung auf eine rasche Entwicklung einheitlicher Prüfungsgrundsätze.258 Erst durch ihren im Jahr 1938 veröffentlichten Accounting Series Release No. 4 stellte die SEC klar, dass eingereichte Jahresabschlüsse als irreführend (misleading) angesehen würden – mit haftungsrechtlichen Folgen –, wenn die verwendeten Rechnungslegungstechniken nicht von allgemein verfestigten Überzeugungen (authoritative support) getragen waren. Wie beschrieben kam es hierdurch zu einer Überantwortung der weiteren Standardbildung an den Berufsstand.259 Gesprochen wird vom „great treaty 1938“ im Sinne eines Schulterschlusses der SEC mit dem Berufsstand.260 Ursächlich für das bereits in den Anfängen aufkommende Muster delegierter Rechtsetzung durch die SEC war wohl die (in der Nachschau nicht unberechtigte) Besorgnis einer Überforderung der Behörde mit der Herausbildung und Fortentwicklung von Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards. Vergleichbare Delegationen erfolgten mit Blick auf self-regulatory organizations (SROs).261 Zu den SROs zählt die allgemein für Finanzdienstleister und spezieller für Finanzanalysten zuständige Financial Industry Regulatory Authority (FINRA).262 Zweifel an der Integrität der Wirtschaftsprüfung veranlassten die SEC im Jahr 1940 als Teil ihrer Strategie konsolidierter Offenlegungsregeln (integrated disclosure), die Regulation S-X zu erlassen, die bis heute zur Aufnahme von Konkretisierungen der Anforderungen an geprüfte Jahresabschlüsse dient.263 Die Regulation S-X wurde zum Regelungsbecken für die sodann maßgeblich durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 verschärften Anforderungen an die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. 2. Kapitalmarktverhaltensrecht In Deutschland setzte sich die Kapitalmarktregulierung erst mit dem als Jahrhundertgesetz bezeichneten WpHG von 1994 durch, zusammen mit der ErrichCoffee Gatekeepers, 2006, S. 128. Zu den Erwartungen Tilton in: Thorpe / Ellis (Hrsg.), The Federal Securities Act Manual, 1933, S. 181, 183, § 222. 259 Näher 5. Kapitel: A.III.3 (S. 73). 260 So der Vorsitzende der SEC Ray Garrett The Accounting Profession and Accounting, 3.10.1975, S. 5. 261 Aus den Anfängen Douglas / Bates 43 Yale L.J. 171, 197 (1933); Cary 49 Am. Bar Assoc. J. 244 (1963). 262 Hervorgegangen im Jahr 2007 aus der 1939 gegründeten National Association of Securities Dealers (NASD) sowie der Regulierungsstelle der New Yorker Börse (NYSE). 263 Überblick bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 223, 291. 257 258

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tung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel.264 Wesentliche Elemente des geltenden Wertpapierhandelsrechts gehen auf die sich ständig fortentwickelnden unionsrechtlichen Vorgaben zurück.265 Für das auch im europäischen Vergleich – vor allem zu Großbritannien – späte Einsetzen der deutschen Kapitalmarktgesetzgebung liefert die historische Entwicklung des Wertpapierhandels zumindest Teilerklärungen.266 Zwar hatte sich Anfang des 20. Jahrhunderts ein Kapitalmarkt herausgebildet, der im internationalen Vergleich mithalten konnte. Nach den beiden Weltkriegen entwickelte sich der deutsche Kapitalmarkt, außerhalb der von Großaktionären gehaltenen Aktienbestände, aber mehr als Fremdkapital- denn als Eigenkapitalmarkt. Erst in den 1990er-Jahren wurden wieder Handelsvolumina wie zu Anfang des Jahrhunderts erreicht. Für den in der Zwischenzeit von kleinen Gruppen dominierten Markt für Eigenkapital steht der häufig verwendete Begriff der Deutschland AG, der den deutschen Kapitalmarkt über lange Zeit als Insiderfinanzsystem kennzeichnete.267 Outsider- und Insidersysteme sind durch Unterschiede im Angebots- und Nachfrageverhalten bei Leistungen der Informationsintermediation gekennzeichnet. Noch zu beschreibende Änderungen deuten auf einen sich in Richtung der USA bewegenden Kapital- und Informationsmarkt hin. Die dortigen Erfahrungen bilden infolgedessen das Fundament für Einschätzungen der weiteren Entwicklung. a. US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre Die auf überwachte Unternehmenspublizität setzende US-amerikanische Kapitalmarktregulierung der 1930er-Jahre prägte die moderne Kapitalmarktgesetzgebung in Deutschland und Europa und darüber hinaus.268 Unter der Präsidentschaft von Theodore Roosevelt hatte sich das Konzept der full and fair disclosure durchgesetzt.269 Es sollte sich zu einem der weltweit erfolgreichsten Rechtsexporte nach Europa, Japan und später auch nach China entwickeln.270 Als Vorläufer Hopt ZHR 159 (1995) 135, 136. Zu den einzelnen Rechtsakten Lutter / Bayer / Schmidt (Hrsg.), Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2012, § 17 Rn. 1 ff. (S. 232). 266 Vergleichend Hopt ZHR 141 (1977) 389, 397. 267 Näher Hopt in: Feddersen u. a. (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, S. 243. Vermessung der Anteilseignerstrukturen bei Becht / Böhmer in: Barca / Becht (Hrsg.), The Control of Corporate Europe, 2001, S. 128 ff. Zum Rückgang der finanziellen und personellen Verflechtungen Monopolkommission, Einundzwanzigstes Hauptgutachten, BT-Drucks. 18/9807 v. 30.9.2016, S. 119 ff., 172, 178. Zum Ganzen noch 6. Kapitel: B I, III (S. 157 ff., 162). 268 Überblick bei Loss ZHR 129 (1967) 197, 221. Vergleichend Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 117. Zur Abschlussprüfung Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 91. 269 Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 103. 270 Übergreifend Hopt in: Reimann / Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2006, S. 1161, 1179. Zu Japan Baum / Hayakawa in: Drobnig / Baum (Hrsg.), 264 265

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

gelten die Regeln zu Prospektpflicht und -haftung nach dem britischen Directors Liability Act von 1890. Der US-amerikanische Securities Act 1933 griff diesen Ansatz auf und schuf als Herzstücke der Primärmarktpublizität das registration statement sowie den prospectus (Form S-1), in die jeweils geprüfte Jahresabschlüsse aufzunehmen sind.271 Zu den sekundärmarktlichen Publizitätspflichten zählen seit dem Securities Act 1934 der Jahresbericht (Form 10-K), der Vierteljahresbericht (Form 10-Q) sowie Zwischenberichte bei Entwicklungen von wesentlicher Bedeutung (Form 8-K). Flankiert werden die Publizitätspflichten durch das Verbot der Marktmanipulation und des Insiderhandels nach sections 9(a)(2), 16(b) und 10(b) Securities Act 1934. Als neue Behörde übernahm die Securities Exchange Commission (SEC) die Überwachung und Regulierung des Kapitalmarkts. Das von der Securities Legislation der 1930er-Jahre gewählte Regelungsmodell überwachter Offenlegung war zu weiten Teilen Reaktion auf die Finanzmarktkrise von 1929.272 Die durchaus kontrovers geführte rechtspolitische Diskussion war (wie die um das deutsche Aktienrecht von 1884) in beachtlichem Maß durch Rechtsvergleichung geprägt.273 Schon in den Anfängen erwies sie sich zudem offen für ökonomische Überlegungen, die den heute in den USA verfestigten interdisziplinären Dialog vorbereiteten.274 Moderne Argumente deuteten sich bereits in den 1934 von William O. Douglas geäußerten Bedenken gegen das Informationsmodell an: „those needing investment guidance will receive small comfort from the balance sheets, contracts, or compilation of other data revealed in the registration statement“.275 Umschrieben war damit das Kernproblem eines der Trennung von Eigentum und Kontrolle folgenden Finanzsystems (Outsidermodell), das zunehmend durch Anlageentscheidungen eines breiten Publikums, also nicht wie in Deutschland durch kleine Gruppen (Insidermodell), gekennzeichnet sein sollte.276 Mit der Securities Legislation der 1930er-Jahre hatten sich die Befürworter des Informationsmodells durchgesetzt, und zwar maßgeblich gestützt auf einen Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1994, S. 495, 501 sowie Kanda / Baum in: Baum /  Bälz (Hrsg.), Hdb. Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 279, 282 ff. Zu China Pißler Chinesisches Kapitalmarktrecht, 2004, S. 10, 73. 271 Näher Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 104 ff. Historische Einordnung bei Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 260. 272 Überblick bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 42 ff., 46; Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 117. 273 Maßgeblich zum englischen Recht; vgl. Thompson 9 ABA J. 157 (1923). 274 Siehe nur Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 46. 275 Douglas 23 Yale Rev. 522 (1934), später Vorsitzender der SEC und Nachfolger von Brandeis am US Supreme Court. 276 Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 48 bringen die Sicht von Douglas 23 Yale Rev. 521 (1934) auf den Punkt: „Ultimately there must be some form of control over access to the capital market, Douglas believed.“

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bis heute vielzitierten Gedanken von Louis D. Brandeis: „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman“.277 Die späteren Einwände von George J. Stigler,278 sodann auch von George J. Benston279 und Henry G. Manne,280 Offenlegungspflichten seien als Eingriff in den Angebot-Nachfrage-Mechanismus des Informationsmarkts von vornherein abzulehnen, wurden diskutiert. Langfristig konnten sie sich ebenso wenig durchsetzen wie die von Eugene F. Fama281 eingebrachte Überlegung (näherungsweise vollständig) informationseffizienter Märkte.282 Die SEC hielt ausweislich eines 1977 erstellten Berichts an ihrer Regelungsstrategie (geprüfter) Unternehmenspublizität fest.283 Unterstützend wirkte der zeitgleiche Fortschritt der ökonomischen Agenturtheorie, darunter maßgeblich der 1976 von Michael C. Jensen und William H. Meckling eingebrachte Gedanke von im Interesse beider Seiten liegenden Institutionen der Überwachung und damit zugleich vom Nutzen des extern verifizierten Informationsaustauschs.284 Ausgangspunkte für die moderne Forschung zur Finanz- und Informationsintermediation als Überwachungsinstitutionen sollten allerdings erst die Arbeiten von Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig ab den 1980er-Jahren schaffen.285 Noch zu besprechende Paradigmenwechsel ergaben sich vor allem durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 und, als möglicherweise nur vorläufig letzten Schritt, durch den Dodd-Frank Act von 2010. Im weiteren Ausbau kam es 1975 zu dem noch eigens zu besprechenden Erfordernis der Anerkennung von Ratingagenturen als Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO),286 später zum Verbot der selektiven Informationsweitergabe an Finanzanalysten durch die Regulation Fair Disclosure von 2000. Es folgten Offenlegungspflichten der Finanzanalysten mit dem Ziel der Integritätssicherung ihrer Analysen durch die Regulation Analyst Certification von 2003. Daneben stehen für die bei einem Broker Dealer beschäftigten Analysten die detaillierten und sich stetig fortentwickelnden Regeln der kraft Kompetenzdelegation durch die SEC und unter deren Aufsicht tätigen FINRA. Brandeis Other People’s Money, 1914, Nachdr. 2. Aufl., 1932, 1986, S. 92. Stigler 37 J. Bus. 117 (1964). 279 Benston 63 Am. Econ. Rev. 132 (1973). 280 Manne Insider Trading and the Stock Market, 1966, S. 77 ff., 90. 281 Fama 25 J. Fin. 383 (1970). 282 Zum Diskussionsverlauf Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 50. 283 Report of the Advisory Committee on Corporate Disclosure to the SEC, House Committee on Interstate & Foreign Commerce, 95th Cong., 1st Sess. 305, Committee Print 9529, Washington DC, 3.11.1977, S. 305 ff. 284 Jensen / Meckling 3 J. Fin. Econ. 305, 309 (1976). 285 Diamond 51 Rev. Econ. Stud. 393 (1984); Diamond / Dybvig 91 J. Pol. Econ. 401 (1983). 286 Dazu 5. Kapitel: B.I.3.a (S. 93). 277 278

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

b. Rezeption in der Europäischen Union In der übergreifend durch staatlichen Umbruch wie kritischen Theoriendiskurs gekennzeichneten Geschichte Europas lassen sich die Wegbereiter einer auf öffentliche Information gestützten Finanzmarktregulierung kaum an einzelnen Ereignissen festmachen. Als Vordenker eines Kapitalanlegerschutzes durch Publizität gilt Comte de Mirabeau, der 1787, also zwei Jahre vor der Französischen Revolution, seine „Anklage gegen die Agiotage“287 veröffentlichte. Unter dem Eindruck massiver Spekulationsgeschäfte trat er für eine gestärkte Presse, also in der Sache auch für den Finanzjournalismus ein.288 Jedenfalls im Ergebnis setzte sich das Informationsmodell der US-amerikanischen Securities Legislation in der Europäischen Union durch, und zwar über das Kapitalmarktrecht hinaus auch im Gesellschaftsrecht und für die Corporate Governance insgesamt.289 Das europäische Kapitalmarktrecht hat spätestens im Jahr 2011 durch die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) nach der Finanzmarktkrise ab 2008 eine neue Stufe erreicht.290 Die Entwicklungen bis dahin sind in vier Phasen einzuteilen:291 Erste Anläufe der zusammenwachsenden Europäischen Gemeinschaften betrafen, vorbereitet durch den Segré-Bericht von 1966,292 insbesondere die Vereinheitlichung der Börsenzulassung als Marktzugangsbedingung. Die zweite Phase von 1985 bis 1997 schaffte die Bausteine eines europäischen Kapitalmarktrechts, darunter 1989 die Übernahme des USamerikanischen Insiderhandelsverbots. Während die Rechtsetzung in diesen beiden Anfangsphasen als pragmatisch und reaktiv beschrieben wird, erfolgte in der dritten Phase durch den Finanzmarktaktionsplan von 2000 und seine Umsetzung bis 2005 eine umfassende Systembildung und Zusammenführung der mittlerweile auch in Europa erstarkten Überzeugung von der untrennbaren Verbindung des Individual- und Funktionsschutzes.293

Mirabeau Dénonciation de l’Agiotage au Roi et à l’Assemblée des Notables, 1787. Rothweiler / Geyer in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, S. 23, 37 Rn. 31. 289 Grundlegend von Hein Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 215 ff., 216. Zur Corporate Governance Merkt ZfbF-Sonderh. 54 (2006) 24; Großkomm-AktG4-Leyens § 161 Rn. 44. 290 Zurückgehend auf The High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), Report, 25.2.2009, Rn. 167 ff. Überblick bei Assmann / SchneiderWpHG6-Assmann Einl. Rn. 79; Bamberger Grundlagen des Banken- und Kapitalmarktrechts, in: Derleder u. a. (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 2017, § 1 Rn. 117. 291 Eingehend GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 97 ff.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl., 2014, S. 22 ff. 292 EWG-Kommission (Hrsg.), Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts, Bericht einer von der EWG-Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe (Segré), 1966. 293 Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl., 2014, S. 22 ff. 287 288

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Vergleichbare Systembildungen sind außerhalb des Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechts, Letzteres befeuert durch die Aktionspläne von 2003 und 2012, kaum zu finden.294 Teilstücke lieferten die EG-Prospektrichtlinie und die EGMarktmissbrauchsrichtlinie, beide von 2003, und schließlich die MiFID von 2004, deren Regeln sowohl zum Marktinteraktionsrecht der Finanzintermediäre als auch zur Marktinfrastruktur gleichsam zum neuen „Grundgesetz“295 der unionsrechtlichen Kapitalmarktregulierung werden sollten.296 Die vierte und nur vorläufig letzte Phase von 2005 bis 2010 wurde durch das Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik297 eingeleitet und stand im Zeichen der Internationalisierung der Kapitalmärkte, der Erkenntnis ihrer Verflechtung (interconnectedness), dem unionsrechtlichen Umgang mit den zahlreichen US-amerikanischen Initiativen sowie insgesamt dem gestärkten transatlantischen Dialog.298 Die Abschlussprüfung war seit der Richtlinie von 1978, also parallel zur ersten Phase der Kapitalmarktgesetzgebung in den Blick des europäischen (Gesellschaftsrechts-)Gesetzgebers gerückt. Für das Rating waren in der zweiten Phase durch die Kapitaladäquanzrichtlinie von 1993 die Anfänge der zunächst fakultativen Risikogewichtung nach Beurteilung durch externe Agenturen gelegt.299 Erst in der dritten Phase erhielt das Rating infolge des Basel II-Akkords von 2005 seine regulatorische Funktion.300 Forderungen gegenüber Wirtschaftsunternehmen mit höchster Bonitätsstufe (AAA bis AA-) haben die Banken danach nur zu 20 Prozent mit der 8-prozentigen Eigenkapitalquote zu unterlegen, bei niedrigerer Bewertung steigt der Ansatz auf 50 Prozent (A+ bis A-), 100 Prozent (BBB+ bis BB-) und 150 Prozent (unter BB-). Fehlt das Rating, sind stets 100 Prozent anzusetzen. Ein internes Rating der Bank, also die Eigenbeurteilung der Risiken (internal rating based approach, IRB-Ansatz) kommt nur bei Einhaltung strenger aufsichtsrechtlicher Regeln in Betracht und birgt infolgedessen rechtlich Compliance-Risiken für das Institut. In der vierten Phase blieb der im Stil eines Änderungsgesetzes formulierte Basel III-Akkord von 2011 weitgehend hierbei und fügte lediglich die Pflicht der Banken hinzu, bei Verwendung externer Ratings zusätzlich eigene RisikobeurteiÜberblick bei Hopt in: Basedow u. a. (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, Bd. 1, S. 141. 294 Hopt ZIP 2005, 461 f. 295 Fleischer BKR 2006, 389. International Avgouleas 18 Transnt’l Law. 179, 191 (2005): The new „constitution“. 296 Lutter / Bayer / Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2012, § 33 Rn. 1 (S. 1129). 297 Europäische Kommission, Weißbuch v. 1.12.2005 zur Finanzdienstleistungspolitik (2005–2010), KOM (2005) 629 endg. 298 Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl., 2014, S. 24 ff., 36. 299 Im Einzelnen Schroeter Ratings, 2014, S. 106. 300 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, November 2005. Zur Entstehung Wittig ZHR 169 (2005) 212 ff. Im Einzelnen Schroeter Ratings, 2014, S. 113.

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lungen vorzunehmen.301 Die Eigenkapitalbemessung nach Risikogewichten ist Ausdruck des Proportionalitätsgedankens, der Bank- wie Versicherungsaufsichtsrecht anleitet. Der für diese Phase kennzeichnende transatlantische Dialog wird sich allerdings noch verstärkt mit dem Rückbau regulatorischer Inbezugnahmen externer Ratings durch den US-amerikanischen Dodd-Frank Act von 2010 zu beschäftigen haben. Immerhin war mit der EG-RatingVO von 2009 ein Verhaltensrecht der Agenturen verabschiedet, das an noch zu besprechende USamerikanische Anerkennungserfordernisse anknüpft.302 Die Finanzanalyse war bereits in der durch die Umsetzung des Finanzmarktaktionsplans von 2000 bis 2005 gekennzeichneten Phase Gegenstand der gemeinschaftsrechtlichen Regelsetzung.303 Zunächst durch die im Jahr 2003 verabschiedete EG-Marktmissbrauchsrichtlinie und ihre Durchführungsmaßnahmen304 (heutige EU-MarktmissbrauchsVO und -Richtlinie von 2014), sodann durch die MiFID von 2004 und ihre Durchführungsrichtlinie von 2006 wurde die für die Informationsintermediation insgesamt charakteristische Konzeption ausgeformt. Kennzeichnend ist ein Dreischritt aus Organisations-, Offenlegungs- und Abstandnahmepflichten zur Bewältigung von Interessenkonflikten bei Wertpapiernebendienstleistungen, zu denen insbesondere die von Banken angebotene Finanzanalyse gehört.305 Diese Konzeption komplettiert das bereits in die EG-Marktmissbrauchsrichtlinie von 2003 aufgenommene und heute in Art. 8 Abs. 2 lit. b EU-MarktmissbrauchsVO zu findende Verbot der Empfehlung zum Tätigen von Geschäften auf Grundlage von Insiderinformationen, das für sämtliche Informationsintermediäre gilt. Damit einhergehend untersagt das Marktmanipulationsverbot nicht nur handels-, sondern nach Art. 12 Abs. 1 lit. c EU-MarktmissbrauchsVO auch informationsgestützte Marktmanipulationen, also eine Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben.306 301 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Juni 2011. Zu den Änderungen gegenüber Basel II Brocker Bankenaufsicht, in: Derleder u. a. (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2017, § 81 Rn. 40; Schroeter Ratings, 2014, S. 123. 302 Näher 5. Kapitel: B.I.3.b (S. 95). 303 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 9 ff. 304 Dazu Göres ZBB 2004, 210, 217. 305 Zum Regelungsansatz Art. 18, 21 f. MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG. Überblick bei Lutter / Bayer / Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2012, § 35 Rn. 10 (S. 1242). 306 Art. 5 (Verbot) i. V. m. Art. 1 Satz 1 Nr. 2 Unterabs. 1 lit. c (informationsgestützte Marktmanipulation) und Unterabs. 1 lit. a und lit. b (handelsgestützte Marktmanipulation) EG-Marktmissbrauchsrichtlinie. Zum Regelungsansatz Lutter / Bayer / Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2012, § 35 Rn. 12 (S. 1243).

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Das Verhaltensrecht der Finanzanalysten wird durch die EU-MarktmissbrauchsVO und § 34b WpHG nur rudimentär geregelt und vornehmlich durch die technischen Regulierungsstandards der Delegierten VO (EU) 2016/958, die FinAnV von 2004 sowie Rundschreiben der BaFin ausgestaltet.307 3. Anerkennungserfordernisse Die Notverordnung von 1931 nahm die Verpflichtung zur Prüfung des Jahresabschlusses durch einen dem Berufsstand angehörenden Wirtschaftsprüfer auf. Die dadurch verankerte Vorbehaltsaufgabe zugunsten des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer und das auf den einzelnen Prüfer bezogene Erfordernis der Zulassung zu diesem Berufsstand ist innerhalb der hier betrachteten Intermediationsformen als stärkstes Anerkennungserfordernis zu werten. Am anderen Ende der Skala stehen Finanzanalysten, die bis heute sowohl nach Unionsrecht und deutschem WpHG als auch nach der US-amerikanischen Regulation Analyst Certification von 2003 lediglich Anzeige- oder Kennzeichnungspflichten unterliegen. Dazwischen einzuordnen sind Ratingagenturen, die zu regulatorischen Zwecken einsetzbare Bonitätsbeurteilungen anbieten. In den USA müssen sie seit 1973 eine Registrierung als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) vorweisen. Von der Wirtschaftsprüferzulassung unterscheidet sich dieses Erfordernis in mehrfacher Hinsicht: Zum einen handelt es sich nicht um eine individualbezogene und an Ausbildungsnachweise geknüpfte Berufszulassung, sondern um eine organisationsbezogene Registrierungspflicht. Zum anderen ist die Registrierung nach US-amerikanischem Recht allein bei regulatorischer Verwendung der Bonitätsbeurteilungen erforderlich. Die EG-RatingVO von 2009 geht darüber (umstrittenermaßen) hinaus und verlangt die Registrierung auch für nicht zu regulatorischen Zwecken erbrachte Beurteilungen. a. US-amerikanische NRSRO-Registrierung 1973 Die Wurzeln des NRSRO-Konzepts gehen auf die in den USA bereits in den 1930er-Jahren erfolgten regulatorischen Indienstnahmen des Ratings zurück.308 Ab 1931 begann die dortige Zentralbank (Federal Reserve System), das Portfolio der Banken auf Grundlage von Bond Ratings zu bewerten.309 In Umsetzung des Banking Act 1933 (Glass-Steagall-Act), der das Trennbanksystem einführte, verpflichtete die Aufsichtsbehörde (Comptrollers of Currency) die Banken ab 307 BaFin, Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp), Rundschreiben 4/2010 (WA). 308 Näher Coffee Gatekeepers, 2006, S. 288 ff. Zeittafeln zu den einzelnen Regeln Cantor /  Packer 19 FRBNY Q. Rev 1, 6 (Summer/Fall 1994); Langohr / Langohr The Rating Agencies and their Credit Ratings, 2008, S. 432. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 138 ff. 309 Dazu und zu den folgenden Schritten Palyi 11 J. Bus. 70, 81 (1938).

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1936, lediglich Anleihen zu halten, die von mindestens zwei anerkannten Ratingbroschüren (recognized rating manual) mit investment grade versehen waren, was den Beginn der heute verfestigten Zwei-plus-Usance markiert.310 Zur entscheidenden Verfestigung kam es durch das im Jahr 1973 eingeführte NRSROErfordernis. Erfasst waren jetzt auch Wertpapierhändler (broker dealer), die in ihrer Eigenkapitalbilanz keine als spekulativ beurteilte Titel berücksichtigen durften (haircut).311 Für regulatorische Zwecke waren fortan allein die Bonitätsbeurteilungen registrierter Agenturen zugrunde zu legen. Erst seit dem DoddFrank Act von 2010 werden die so entstandenen regulatorischen Inbezugnahmen externer Bonitätsbeurteilungen zurückgefahren. Darauf ist zurückzukommen.312 Vergleichbar zur Entstehungsgeschichte der Abschlussprüfung ging es zunächst vor allem um die Behebung von Missständen bei den Primärverantwortlichen, in diesem Fall allerdings nicht den Geschäftsleitern der Emittenten, sondern den Akteuren der Finanzwirtschaft. Während Großbritannien die 1930er-Jahre ohne dramatische Zusammenbrüche überstand, brachen in den USA zwischen 1931 und 1933 insgesamt 3751 Banken zusammen.313 Der den Securities Acts vorausgegangene, um die vierhundert Seiten starke Abschlussbericht der nach seinem Vorsitzenden Ferdinand Pecora benannten Kommission von 1934314 liest sich wie die aktuellen Anklagen gegen die Banken nach der Finanzkrise von 2008. Angeprangert werden insbesondere Interessenkonflikte etwa aus der Emissionsbegleitung als Kreditgeber mit dem Ziel der Sicherstellung einer Rückzahlung ausstehender Kredite.315 Die Parallelen im Vorgehen der SEC zur Abschlussprüfung, insbesondere der Forderung nach der Befolgung anerkannter Grundsätze der Rechnungslegung und darauf ausgerichteter Prüfung sind unverkennbar. Anders als bei der Abschlussprüfung kam es aber nicht zu einer berufsständischen Zulassungsstelle für Ratinganalysten. Diese Lücke der Architektur wurde durch das im Jahr 1973 eingeführte NRSRO-Erfordernis, also die Möglichkeit der Indienstnahme externer Ratings zu regulatorischen Zwecken nur bei Anerkennung der Agentur durch die SEC, zumindest partiell geschlossen.316 Wertpapierhändler wurden darauf verpflichtet, die Ratings von NRSROs zugrunde zu legen und bei schlechter Bewertung Abschreibungen vorzunehmen. In den 1980er-Jahren wurde das NRSRO-Konzept im Wege einer Änderung des Investment Company Act von 1940 außerdem für Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, 15.2.1936, Anschn. II., abgedr. bei Palyi 11 J. Bus. 70 (1938). 311 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 289. 312 Siehe 5. Kapitel: B.III.2 (S. 110). 313 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 46. 314 Stock Exchange Practices Report (Pecora Report), 6.6.1934, 73d Congress, 2nd session, report 1455, S. 155 ff. mit Beispielen. Dazu Carey The Rise of the Accounting Profession, Bd. 1, 1969, S. 167. 315 Zur Aktualität dieses Interessenkonflikts Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 95. 316 Zum Folgenden Coffee Gatekeepers, 2006, S. 289. 310

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Geldmarktfonds aufgegriffen, denen – wie bereits zuvor den Banken – nur noch der Ankauf von Wertpapieren erlaubt war, die über zwei hohe Ratings von NRSROs oder ausnahmsweise nur über ein solches verfügten, sofern kein zweites vorlag (Zwei-plus-Usance). Hinzu kam das in demselben Jahrzehnt eingeführte Verfahren der beschleunigten Wertpapierzulassung (shelf registration), dessen sich wiederum nur Emittenten bedienen durften, die das von NRSROs vergebene investment grade nachweisen konnten. Auch das Securities Evaluation Office der zur Überwachung von Versicherungen gegründeten National Association of Insurance Commissioners stützte sich auf die Ratings der NRSROs. Bis heute ist es nicht zu einem allgemeinen Erfordernis der Zulassung gekommen, von dessen Erfüllung die Aufnahme des Ratinggeschäfts abhängt. Erwogen wurde ein Zulassungserfordernis in den Beratungen zum Credit Agency Reform Act 2006 und zuletzt zum Dodd-Frank Act 2010.317 Es bleibt bei der Registrierung nach section 15E(a) Securities Exchange Act 1934, die allein bei Einsatz der Bonitätsbeurteilungen für regulatorische Zwecke erforderlich ist. b. Europäisches Registrierungsmodell 2009 Von der Europäischen Union wurde das NRSRO-Modell durch die EG-RatingVO von 2009, allerdings mit Besonderheiten, aufgegriffen. Vorausgegangen war im Jahr 2006 eine Einigung der führenden Agenturen mit dem CESR, der zufolge sich die Agenturen zur Einhaltung der von der IOSCO im Jahr 2004 verabschiedeten Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies und zur jährlichen Berichterstattung ihres Umgangs mit den dort enthaltenen Vorgaben verpflichteten.318 Zur Sicherstellung von Wohlverhalten erwies sich dieser Ansatz in verschiedener Hinsicht als unzureichend.319 In Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2008 wurde deshalb die EG-RatingVO mit dem darin niedergelegten Registrierungserfordernis verabschiedet. Derzeit sind bei der ESMA 45 Agenturen registriert, darunter allerdings zahlreiche Ableger der großen Agenturen registriert.320 Die Formulierung der EG-RatingVO führt zu erheblichen Unsicherheiten: Einerseits schrieb schon die Ursprungsfassung die Registrierung nach Art. 2

Schroeter Ratings, 2014, S. 607 ff. Vorausgegangen CESR, CESR’s technical advice to the European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, CESR/05-139b, März 2005, Rn. 216, 255. Darauf folgte die Aufforderung der Europäischen Kommission an den CESR, die Einhaltung des von der IOSCO erarbeiteten Grundsätze zu überwachen; Europäische Kommisssion, Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, 2006/C 59/02, ABl. C 59 v. 11.3.2006, S. 2, 6. 319 Hintergründe und Details bei Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 155 ff. Übergreifende Einordnung bei Leyens ZEuP 2016, 388, 417. 320 ESMA, List of registered and certified CRA’s, Stand: 29.3.2017, www.esma.europa.eu. 317 318

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Abs. 3 EG-RatingVO zur Anerkennung als externe Ratingagentur (ECAI) vor 321 (siehe jetzt: Art. 4 Abs. 1 EG-RatingVO i. d. F. von 2013). Dies betrifft die Regulierungsfunktion des Ratings, folgt den bisherigen Anforderungen an die von Kreditinstituten verwendbaren Bonitätsbeurteilungen322 und entspricht dem USamerikanischen Recht. Andererseits ist nach Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO323 bereits für Bonitätsbeurteilungen zu den in Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO324 bezeichneten Zwecken, also für die (bloße) öffentliche Bekanntgabe oder die Weitergabe an Abonnenten eine Registrierung zu beantragen. Erfasst ist hiervon die von der regulatorischen Indienstnahme losgelöste, (bloße) Informationsfunktion des Ratings.325 In der Sache kommt es zu einem allgemeinen Zulassungserfordernis für das Angebot von Bonitätsratings und zur Geltung des Pflichtenkatalogs der EG-RatingVO selbst für Bonitätsratings, die nicht in der Absicht regulatorischer Einsetzbarkeit erstellt werden. Die Zweifel an einem allgemeinen Zulassungserfordernis reichen bis hin zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit oder gar zu einem Verstoß gegen die EMRK.326 Geprägt sind diese Zweifel durch den in den USA traditionell starken Schutz der Ratingagenturen unter dem Gesichtspunkt der Meinungs- und Pressefreiheit (1st Amendment).327 Aus Sicht der faktischen Bedeutung auch der nicht zu regulatorischen Zwecken, sondern zu privaten Zwecken verwendeten Bonitätsbeurteilungen geht diese Kritik zweifelsohne zu weit. Im Vergleich zu den für den Beruf des Wirtschaftsprüfers geltenden Regeln der Berufszulassung, berufsständischen und aufsichtsrechtlichen Überwachung mit jeweils eigenen Sanktionsmechanismen erscheint das europäische Registrierungsverfahren für Ratingagenturen geradezu mild, zumal es sich nicht an den einzelnen Ratinganalysten, sondern an die Agentur richtet. Bekanntlich erbringt der Wirtschaftsprüfer neben der mit gesetzlichen Wirkungen verbundenen Abschlussprüfung zahlreiche weitere Leistungen. Auch bei deren Erstellung gelten die Berufspflichten. Die Unterscheidung zwischen Informations- und Regulierungszweck eignet sich Art. 2 Abs. 3 EG-RatingVO i. d. F. von 2009: „Eine Ratingagentur muss eine Registrierung gemäß dieser Verordnung beantragen, um als externe Ratingagentur (ECAI) gemäß Anhang VI Teil 2 der Richtlinie 2006/48/EG anerkannt zu werden, es sei denn, sie gibt lediglich die in Absatz 2 genannten Ratings ab.“ 322 Anh. VI Teil 2 EG-Eigenkapitalrichtlinie. Seit 2014 ersetzt durch das Legislativpaket CRD IV, bestehend aus Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie; siehe die Verweise auf die EG-RatingVO in Art. 4 Abs. 1 Nr. 98 CRR und Art. 3 Abs. 1 Nr. 58 CRD IV. 323 Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO: „Eine Ratingagentur muss für die Zwecke von Artikel 2 Absatz 1 eine Registrierung beantragen, sofern es sich bei ihr um eine Rechtspersönlichkeit mit Sitz in der Union handelt.“ 324 Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO: „Diese Verordnung gilt für Ratings, die von in der Union registrierten Ratingagenturen abgegeben und der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weitergegeben werden.“ 325 Schroeter Ratings, 2014, S. 612. 326 Schroeter Ratings, 2014, S. 614 ff., 630. 327 Schroeter Ratings, 2014, S. 609. 321

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deshalb, wenn überhaupt, allenfalls eingeschränkt dazu, den um die Sicherstellung der Informationsintegrität des Kapitalmarkts ringenden Regelgeber in verfassungs- oder völkerrechtliche Grenzen zu verweisen. Die Registrierung führt zur Unterwerfung der Agentur unter die durchaus umfangreiche, aber aus Sicht des Ziels der kapitalmarktlichen Informationsintegrität im Ansatz nicht zu weit gehenden Pflichten der EG-RatingVO. Finanzanalysten unterliegen zwar keinen Berufszulassungspflichten, sondern haben zu ihrer Marktteilnahme lediglich Anzeige- und Kennzeichnungspflichten einzuhalten. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haben sie gleichwohl die in der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie und § 34b WpHG geregelten sowie von der Delegierten VO (EU) 2016/958 und der FinAnV ausgestalteten Pflichten zu befolgen, die sich trotz der – im Vergleich zum Rating – noch stärker auf Probabilistik ausgerichteten Empfehlungen nur in Detailschärfe, aber nicht strukturell von den für die Erstellung von Bonitätsbeurteilungen geltenden Pflichten nach der EGRatingVO unterscheiden. Entwicklungsgeschichtlich markiert die Registrierungspflicht nach der EGRatingVO einen in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzenden Schritt in Richtung der Herausbildung einer beruflichen Verantwortung bei der Abgabe von Bonitätsbeurteilungen. Die möglichen Folgen, insbesondere ein gesteigertes öffentliches Vertrauen, sollten sich für die zu Wohlverhalten fähigen und gewillten Agenturen nicht negativ auswirken. An der Teilnahme anderer als solcher Agenturen am kapitalmarktlichen Informationsmarkt kann kaum ein Interesse bestehen. Im Übrigen ist an der Rechtsprechung zur Wirtschaftsprüfung noch nachzuweisen, dass Zulassungs- und daran anknüpfende Verhaltensregeln eine Grundlage für die bislang (weitestgehend) fehlende haftungsrechtliche Verantwortung der Ratingagenturen bieten oder zu deren Ausformung beitragen können.328

II. Rollenausformungen bis ins 21. Jahrhundert Die Rolle der Informationsintermediäre als private Kontrolleure des Marktzugangs formte sich nicht unmittelbar auf die genannten Regulierungsschritte hin aus, sondern entstand erst durch weitere Regelverdichtung und damit einhergehende Rechtsprechung. Die Abschlussprüfung war zunächst auf den Schutz der Anteilseignerinteressen und die Bewältigung defizitärer unternehmensinterner Überwachungsstrukturen, in Deutschland als Schwächen des Aufsichtsrats ausgerichtet.329 Zu Bonitätsrating und Finanzanalyse ist die Diskussion um Verbindungslinien zur internen Corporate Governance vergleichsweise schlechter entwickelt. In den Vordergrund rückte stattdessen der Gedanke eines funktionstüchtigen Informationsmarkts und seiner Bedeutung für den kapitalmarktlichen 328 Näher zu Ansätzen in der Rechtsprechung des BGH zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 329 Abschn. 1.

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Systemschutz.330 Angetrieben wurden die Entwicklungsschritte durch gesetzliche und untergesetzliche Reaktionen auf Funktionsschwächen, also Unternehmenszusammenbrüche und Finanzmarktkrisen.331 1. Anteilseignerinteressen (shareholders’ watchdog) Die Abschlussprüfung war in den Anfängen praktisch vollständig auf den Schutz der Aktionärsinteressen ausgerichtet (shareholder’s watchdog). Nachzuweisen ist dies bis zu den frühen Vorstößen bei den Handelskompagnien des beginnenden 17. Jahrhunderts. Eingeführt wurde die Rechnungslegungsprüfung seinerzeit vor allem zum Schutz der Minderheitsgesellschafter (Doleanten) vor Übervorteilung durch die zugleich geschäftsführenden Gesellschafter (Hauptpartizipanten).332 Beispielsweise in Italien entschied man sich mit dem collegio sindacale zunächst für die Einführung eines unternehmensinternen Rechnungslegungsgremiums, das als Weiterentwicklung des früheren Aktionärsausschusses gesehen wird.333 Auch in Deutschland kreiste die Diskussion noch bis zur Notverordnung von 1931 maßgeblich um gesellschaftsinterne Problemstellungen wie die Gefahren der Selbstprüfung eines de facto geschäftsführenden Aufsichtsrats und dessen Unzulänglichkeiten bei der Rechnungslegungsprüfung. Mit dem Erlass der Notverordnung verband sich zwar die Hoffnung auf die Vermeidung plötzlicher Unternehmenszusammenbrüche und ihrer erheblichen Gefahren für Banken und Wirtschaft insgesamt. Gleichwohl war noch nicht vollständig anerkannt, dass die Abschlussprüfung (auch) im öffentlichen Interesse erfolgt und auch bei gesellschaftsintern allseitigem Einverständnis nicht unterbleiben darf.334 Erst durch das Aktiengesetz von 1937 wurde die Feststellung des Jahresabschlusses von dessen Prüfung abhängig.335 Nach der seinerzeit führenden Kommentierung von Franz Schlegelberger und Leo Quassowksi hatte sich im nationalsozialistischen Staat die Erkenntnis durchgesetzt, „daß eine regelmäßige Prüfung der Rechnungslegung nicht nur im Interesse ihrer Aktionäre, sondern vor allem im Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit liegt“.336 Der Nationalsozialismus ordnete private Wirtschaftsprozesse allerdings von vornherein dem Wohl der Volksgemeinschaft unter.337 Wahrscheinlich ist, dass die Abschlussprüfung auch als Mittel einer verbesserten staatlichen Wirtschaftskontrolle verstanden Abschn. 2 (S. 100). Abschn. 3 (S. 104). 332 Dazu bereits 5. Kapitel: A.I.1 (S. 51). 333 Zur weiteren Entwicklung Ferrarini / Giudici / Richter RabelsZ 69 (2005) 658; Giudici EBOR 2012, 501, 527. 334 Lehmann / Hirsch Verordnung über Aktienrecht, 1931, § 262a HGB Anm. 3; Schlegelberger / Quassowski AktG 1937, 3. Aufl., 1939, Vor § 135, jeweils m. w. N. zur Gegenansicht. 335 Siehe § 135 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937. Dazu Habersack in: Bayer / Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, S. 681, Rn. 21. 336 Schlegelberger / Quassowski AktG 1937, Vor § 135. 330 331

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wurde, insbesondere zur Abwehr einer Kontrolle ausländischer Investoren.338 Das moderne Verständnis von miteinander verbundenen Individual- und Marktinteressen war hierin noch nicht angelegt. Ausweislich des dem Institute of Chartered Accountants in England and Wales im Jahr 1880 gewährten Dekrets hatte der Berufsstand zwar öffentliche Interessen zu verfolgen.339 Das englische House of Lords sah den Abschlussprüfer in der landmark decision Caparo v. Dickman340 von 1992 gleichwohl in der Rolle eines Agenten der Anteilseigner, die infolge von Kollektivhandlungsproblemen nicht selbst in der Lage sind, die Geschäftsführung zu überwachen.341 In den USA war hingegen schon die bloße Einführung der Pflichtprüfung nach englischem Vorbild als künstliche Nachfrageerhöhung und systemwidrige Abkehr von der auf Marktmechanismen bauenden Informationsabsicherung (private bonding) kritisiert worden.342 Die vollständige Anerkennung des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer im Nachgang zur US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre wird mancherorts als eine mehr oder weniger allein auf die kommerziellen Interessen des Berufsstands abgestimmter Vorstoß erachtet (self-proclaimed authorized agents of publicity).343 Ein Verständnis von der über die Aktionärsinteressen hinausgehenden Rollenverantwortung entwickelte sich zunächst nicht. Noch die zur Ergründung von Schwächen der Prüfung eingesetzte Cohen Commission betonte im Jahr 1978 die private Rolle des Abschlussprüfers als Informationsdienstleister, nicht als Verfolger von Fehlverhalten der Geschäftsleiter (watchdog, not bloodhound).344 Wortgleiche Äußerungen finden sich in der englischen Rechtsprechung.345 337 Zu Parallelentwicklungen in Frankreich und Italien Frentrop A History of Corporate Governance, 2002, S. 261 ff. 338 Vergleichend Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 20, 43 (2006). 339 Kurzüberblick auf der Website des ICAEW: www.icaew.com/en/about-icaew/who-weare. 340 Caparo Industries v. Dickman [1990] 1 All E.R. 568. Zur Aufarbeitung im Rahmen der seinerzeit aufkommenden Corporate-Governance-Bewegung siehe The Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (Cadbury-Report), Dezember 1992, www.ecgi. org, Ziff. 5.31. und Anh. 6. Zur heutigen Einordnung Richter Die Dritthaftung der Abschlussprüfer, 2007, S. 102; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 77. 341 Vergleichend Giudici EBOR 2012, 501, 523 m. w. N. 342 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 112. 343 Offenes Bekenntnis zum Eigeninteresse in der Ansprache bei der jährlichen Konferenz der AAPA 1912 von Robert Montgomery, einem führenden Mitglied des Berufsstands. In seiner Abschiedsrede aus dem Jahr 1937 warnte Montgomery vor möglichen Politikänderungen, sollte der Berufsstand nicht an seiner Leistungsfähigkeit arbeiten; Auszüge abgedruckt und kommentiert bei Carey The Rise of the Accounting Profession, 1969, Bd. 2, S. 3. Zu den jüngeren Entwicklungen O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 790 (2004). 344 Commission on Auditor’s Responsibilities (Cohen Commission), Report, Conclusions and Recommendations, 1978, S. 33, 47. 345 Re London and General Bank (No. 2) [1895] 2. Ch. 673, 683 CA (watchdog, not bloodhound). Ähnlich Re Kingston Cotton Mill Co. (No. 2) [1896] 2. Ch. 279 CA.

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Aus der ihm ursprünglich zugedachten Rolle als Agent der Anteilseigner entwickelte sich der Abschlussprüfer in Deutschland und international im ausgehenden 20. Jahrhundert zu einem Berater der Geschäftsleitung.346 Die seit den 1990er-Jahren vor allem bei den großen Prüfungsgesellschaften übliche Kombination von Prüfung und Beratung (Full-Service-Koncept) führte allerorts zu gesetzgeberischen Eingriffen.347 In Deutschland nahm sich zuerst das KonTraG von 1998 der Aufgabe an, indem es die Kompetenz zum Abschluss des Prüfungsauftrags vom Vorstand auf den Aufsichtsrat verlagerte und damit eine gewisse Reorientierung des Abschlussprüfers auf seine ursprüngliche Rolle als Gehilfe des Aufsichtsrats leistete. Weitere Verdichtungen sollten in Deutschland und international in Reaktion auf den Zusammenbruch von Enron 2001 folgen.348 2. Öffentliche Interessen (public watchdog) Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfestigte sich das Verständnis von der Rolle der Abschlussprüfung und der Informationsintermediation insgesamt als sowohl privaten wie öffentlichen Interessen dienendem Kontrollmechanismus. Der untrennbare Zusammenhang von Individual- und Funktionenschutz war in Deutschland spätestens seit der Habilitationsschrift von Klaus J. Hopt zum Kapitalanlegerschutz von 1975 als „System kommunizierender Röhren“349 bekannt und ist heute sowohl für die nationale350 als auch europäische351 Regelsetzung anleitend.352 Die gesetzliche Formulierung des Abschlussprüferauftrags in den §§ 317 ff. HGB wird als Inbegriff eines nicht zuletzt im öffentlichen Funktionsschutzinteresse tätig werdenden Informationsintermediärs gesehen.353 Die Europäische Kommission geht ganz offen von einer in den Mitgliedstaaten verfestigten gesell-

346 Previts / Merino A History of Accountancy in the United States, 1998, S. 236 zum Beginn der Beratungstätigkeit bereits um 1920. 347 Im Einzelnen Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 54 ff. 348 Dazu im folgenden Abschnitt. 349 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 52, 336. Daran anschließend ders. ZHR 159 (1995) 135, 159 zur doppelten Zielrichtung des WpHG. 350 Siehe etwa die Regierungsbegründung zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz, BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.1994, S. 33: „Für die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte ist das Vertrauen der Anleger von entscheidender Bedeutung.“ 351 Exemplarisch die Verknüpfung von Anlegerschutz und Markteffizienz in Erwägungsgrund 10 zur EG-Prospektrichtlinie. 352 Näher Blaurock JZ 2012, 226 f.; Bumke in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 107, 118 ff.; Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 13 ff.; Seiler / Kniehase in: Schimansky / Bunte /  Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 90. 353 Statt vieler Marx ZGR 2002, 292, 293 m. w. N. Übergreifend Ekkenga Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998, S. 26 ff., 396 ff.

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schaftlich bedeutsamen Rolle der Abschlussprüfer aus.354 Die Verantwortung des Abschlussprüfers wird in einem Urteil des US Supreme Court von 1984 in Abgrenzung zu der von Transaktionsanwälten und Emissionsbanken so beschrieben: „The independent public accountant […] owes ultimate allegiance to the corporation’s creditors and stockholders, as well as to the investing public. This ‘public watchdog’ function demands that the accountant maintain total independence from the client at all times, and requires complete fidelity to the public trust.”355

An der Zurückhaltung sowohl deutscher wie auch englischer und US-amerikanischer Gerichte gegenüber der Annahme einer zur Haftung für fahrlässig verursachte Vermögensschäden Dritter reichenden Sonderbeziehung zwischen Abschlussprüfer und Anlegerpublikum ändert dies allerdings nichts.356 Der Rollenwandel wirkt sich zuvorderst auf berufsrechtlicher und regulatorischer Ebene aus. Zu nennen ist die Errichtung des US-amerikanischen PCAOB im Jahr 2004, dessen Standardsetzung in der Folgezeit Breitenwirkung bis nach Europa entfaltete.357 Mögliche Ausstrahlungswirkungen auf die Rechtsprechung sind aus anderen Bereichen des Aufsichtsrechts bekannt.358 Zu nennen ist die Rechtsprechung des österreichischen OGH von 2001 zur Anwendung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf das Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und Drittgeschädigten359 und neuerdings die Rechtsprechung des australischen Supreme Court von 2014 zur Dritthaftung von Ratingagenturen wegen fahrlässiger Fehlinformation (negligent misrepresentation).360

Aus der jüngeren Zeit etwa Europäische Kommission, Commissioner Michel Barnier welcomes provisional agreement in trilogue on the reform of the audit sector, Memo 13/1171 v. 17.12.2013: „it is now high time for auditors to meet the challenges of their role – a societal role“ (Kursivdruck hinzugefügt). 355 United States v. Arthur Young & Co. 465 US 805, 817 f. (1984), Kursivdruck hinzugefügt. Einordnend Markham A Financial History of Modern U.S. Corporate Scandals, 2006, S. 186 ff., 188. 356 Zur Dritthaftung nach der Rechtsprechung des BGH im Einzelnen 12. Kapitel: A.II.1, C.III.1.b (S. 445, 487). Hier vorerst nur aus der US-amerikanischen Leitentscheidung Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441, 444 (NY 1931): „public accountants are public only in the sense that their services are offered to any one who chooses to employ them. This is far from saying that those who do not employ them are in the same position as those who do.“ 357 Dazu bereits 5. Kapitel: A.III.2 (S. 69). 358 Zu Ausstrahlungswirkungen des Aufsichtsrechts auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit VG Frankfurt v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03 (Bruderhilfe), WM 2004, 2157, Juris-Tz. 24. Dazu die ZGR-Tagung von 2010 mit Referaten von Dreher und Weber-Rey ZGR 2010, 496 und 543. Aus der weiteren Diskussion Leyens / Schmidt AG 2013, 533, 563. 359 OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖBA 2002, 820. Dazu Doralt Haftung der Abschlussprüfer, 2005, S. 148; ders. ZGR 2015, 266, 288. 360 ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014, insbesondere Rn. 1608 ff., 1611. Aufgegriffen von Halfmeier VuR 2015, 327 ff. Übergreifend Halpern 354

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Beim Bonitätsrating war der Funktionsschutzgedanke zum Zeitpunkt der ersten Regulierungsschritte anders als bei der Abschlussprüfung bereits verfestigt. Ganz selbstverständlich formuliert Erwägungsgrund 1 der EG-RatingVO: „Ratingagenturen spielen auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärkten eine wichtige Rolle […]. Damit wirken sich Ratings erheblich auf das Funktionieren der Märkte […] aus.“361 Dem vergleichbar sind Formulierungen zu den Zielen des US-amerikanischen Credit Rating Agency Reform Act von 2006 wie: „To improve ratings quality for the protection of investors and in the public interest.“362 Die mittlerweile anerkannte Verantwortung für die kapitalmarktliche Informationsintegrität ist besonders in der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise von 2008 vielfach von Regierungsstellen angemahnt worden.363 Aus der Erkenntnis einer nicht nur regulatorisch angestoßenen, sondern bereits faktisch wichtigen Rolle des Ratings für das Wirtschaftssystem erklären sich auch die verschiedentlichen Überlegungen zur Errichtung einer europäischen Ratingagentur sowie der im Zeichen verbesserten Wettbewerbs stehende Vorstoß Frankreichs von 2010 zur Lizensierung europäischer Kreditversicherer als Ratingagenturen.364 Bei der Finanzanalyse stehen sich bis heute gegenläufige Rollenverständnisse des Analysten gegenüber. Die Analysten werden entweder als Teil eines kapitalmarktlichen Frühwarnsystems (watchdog) oder als kommerzieller Informationsanbieter (private salesman) eingeordnet.365 Während der BGH in seinem vielbeachteten Börsendienst-Urteil366 von 1978 zu einer funktional der bilateralen Beraterhaftung zuzuordnenden Positionsbestimmung gelangte, hatte sich der USamerikanische Supreme Court im Fall Dirks v. SEC  367 aus dem Jahr 1983 zur Rolle der Finanzanalysten für die Informationsintegrität des Markts zu äußern. Anlass gab die Aufdeckung des Betrugs im Fall des Versicherers Equity Funding. in: Powell / Stewart (Hrsg.), Jackson & Powell on Professional Liability, 7. Aufl., 2012, 3rd supplement, 2015, Rn. 17-053. 361 Erwägungsgrund 1 zur EG-RatingVO. 362 Preamble, Credit Rating Agency Reform Act 2006, Pub. L. 109-291, September 29, 2006, 120 Stat. 1327 (Kursivdruck hinzugefügt). Dazu v. Schweinitz, Rating Agencies, their Business, Regulation and Liability, 2007, S. 68. 363 Financial Crisis Inquiry Commission, Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States, Washington, Januar 2011, S. XXV (Schlussfolgerungen); US Senate, Permanent Subcommittee on Investigations, Wall Street and the Financial Crisis: Anatomy of a Financial Collapse, 13.4.2011, S. 5, 243 ff., 267. 364 Im Zusammenhang Leyens AnwBl 2010, 584, 587. 365 Zur Einordnung als watchdog Pfüller / Wagner WM 2004, 253, 262, als salesman Orcutt 81 Denv. U. L. Rev. 1, 77 (2003). Angesichts zahlreicher Regulierungsschritte in sämtlichen Bereichen erscheinen diese Gegenüberstellungen auch aus dem früher berechtigten Blickwinkel einerseits gesetzlicher Pflichten (Abschlussprüfer) und andererseits rein vertraglicher Pflichten (Finanzanalyst) überkommen. Siehe gleichwohl noch Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1092 f. (2007). 366 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, JurisTz. 13 ff. Im Einzelnen dazu 12. Kapitel: B.II.1 (S. 469). 367 Dirks v. SEC 463 US 646 (1983). Näher Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1059 (2003).

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Der Finanzanalyst Ray Dirks hatte auf Grundlage der von einem Unternehmensangehörigen vermittelten Informationen (whistleblower) zur Aufdeckung des Betrugs beigetragen. Seine Versuche zur Verbreitung der alarmierenden Informationen in der Wirtschaftspresse waren erfolglos geblieben. Vom Vorwurf der Verletzung des Insiderrechts durch die Veröffentlichung seiner Erkenntnisse wurde er freigesprochen. Das Gericht widersetzte sich damit ausdrücklich der von der Finanzaufsichtsbehörde SEC vertretenen Rechtsauffassung, wonach die von Dirks auf Grundlage der unternehmensinternen Informationen abgegebenen Verkaufsempfehlungen unter das Insiderhandelsverbot fallen sollte. Dem widersprach das Gericht mit der Begründung, Dirks habe keinen persönlichen Vorteil („personal benefit“) aus der Veröffentlichung der Informationen ziehen wollen. Ende 2016 bestätigte der US Supreme Court diese Rechtsprechung in der Entscheidung Salman v. United States.368 Für die entscheidende Abgrenzungsfrage, ob die Verwendung von Informationen aus unternehmensinternen Quellen für Analystenempfehlungen gegen das Insiderhandelsverbot verstößt, wurde als maßgeblich erachtet, ob der Informationsgeber eine spezifische Vergütung für die Information erhalten hatte, was allerdings praktisch nie vorkam. Soweit der Primärinsider also nicht selbst einen Rechtsbruch beging, war der Analyst von den Gefahren einer Verurteilung als Sekundärinsider ausgenommen. In der Nachschau wird die Entscheidung in die gerade in dieser Zeit gewachsene Wertschätzung der Presse eingeordnet, dies nicht zuletzt angesichts der Aufdeckung der Watergate-Affäre von 1972.369 Ansätze zu einer (auch) dem öffentlichen Interesse dienenden Finanzanalyse (public watchdog role) waren durch die Entscheidung zumindest angelegt.370 Den nächsten Entwicklungsschritt markierte in den USA die Regulation Fair Disclosure von 2000. Durch die Rechtsprechung im Fall Dirks hatte der Supreme Court die selektive Informationsweitergabe an Analysten insiderrechtlich legitimiert. Während Primärinsider aus der Information keinen Nutzen ziehen durften, stand es dem Analysten frei, die Information für seine Zwecke zu verwenden.371 In der Sache handelte es sich also um eine gerichtlich gestützte regulatorische Zuordnung der Verfügungsrechte an Informationen (property rights), die dem Analysten aus Sicht der Insiderhandelsgesetzgebung die bestmögliche Position einräumte.372 In der Folgezeit erwuchs daraus ein Geschäftsmodell der Finanzanalyse, das vornehmlich auf unternehmensinterne Informationskanäle baute, allerdings nicht zur Aufdeckung von Unternehmensschieflagen. Die Informationssuche wurde vielmehr zur Unterstützung des Absatzes von Investmentbanken eingesetzt, die zunehmend für die Finanzierung der Analyse aufka368 369 370 371 372

Salman v. United States 580 US (2016). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 259, 261. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 259. Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1060 (2003). Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1060 (2003).

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men. Die unausweichliche Folge war eine (noch weiter) gesteigerte Abhängigkeit des Analysten vom bewerteten Emittenten.373 Mit dem Verbot der selektiven Informationsweitergabe beendete die Regulation Fair Disclosure von 2000 die insiderrechtliche Vorrangstellung des Analysten. Das Verbot richtet sich nicht gegen den Analysten, sondern gegen die selektive Weitergabe von Insiderinformationen an diesen. Die SEC hält hieran trotz ausgreifender Kritik fest. Für einen gewissen Ausgleich zwischen den beiden diametral entgegengesetzten Sichtweisen auf den Finanzanalysten als privates Vertriebs- oder öffentliches Systemschutzorgan steht die infolge des SarbanesOxley Act 2002 erlassene Regulation Analyst Certification von 2003, die als Zielsetzung ausruft: „to promote the integrity of research reports and investor confidence in the reports“. Eine privaten Zwecken folgende Analysetätigkeit wird hierdurch nicht verstellt, sondern (periodischen) Offenlegungspflichten (certifications) unterworfen. Die Ausgestaltung entspricht der seit dem Securities Act 1933 für Expertenaussagen wie denen des Wirtschaftsprüfers geltenden. In den USA wurde die Regelungstechnik der certification durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 für die Geschäftsleitung aufgegriffen, in Deutschland durch den Bilanzeid.374 Im Kern zielt sie auf die persönliche Bestätigung der Informationsintegrität durch die Verantwortlichen ab, im Falle des Bilanzeids durch die Geschäftsleiter.375 Zusammen mit der Finanzanalyse ist seitdem klar und deutlich (clear and prominent) anzugeben, dass die darin enthaltenen Angaben der persönlichen Überzeugung des Analysten entsprechen. Bei jedweder Verknüpfung mit der Analystenvergütung sind Zweck, Herkunft und Höhe sowie der mögliche Einfluss der Vergütung auf die abgegebene Empfehlung offenzulegen bzw. zu bestätigen, dass kein solcher Zusammenhang besteht.376 3. Krisenbewältigung (insbesondere Enron 2001) Unternehmens- und Finanzmarktkrisen und die darauf folgenden Sofortmaßnahmen der Regelgeber sind ein wichtiger Treiber der Rollenausformung von Informationsintermediären.377 Die kriseninduzierte Regulierung bietet zugleich eine Erklärung dafür, dass die Debatten zu den Einzelbereichen der Informationsintermediation zumeist unverbunden geführt werden.

Coffee Gatekeepers, 2006, S. 261. Siehe § 264 Abs. 3 S. 3 HGB mit Strafbewährung nach § 331 Nr. 3a HGB. 375 Zum Regelungsansatz Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1069 (2003). 376 Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1069 (2003). 377 Übergreifend Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 438; Spindler in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 105. Fallstudien zur Abschlussprüfung bei Peemöller / Krehl / Hofmann Bilanzskandale, 2. Aufl., 2017, S. 33, 109 ff. Aus den USA Bratton EBOR 2004, 7. 373 374

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Aufsehen erregte in Deutschland bereits 1872 die hohe Anzahl von 73 Bankzusammenbrüchen (von insgesamt 139 Instituten).378 Die folgenden Insolvenzen wie die der Spielhagen- und Pommernbank im Jahr 1899 und der Leipziger Bank im Jahr 1901 stärkten die argumentative Basis für die Einführung der Pflichtprüfung. Grund für den Kursverfall bei der als verlässlich geltenden Leipziger Bank von 140 Mark noch am Tag vor dem Zusammenbruch auf bloß 4 Mark war die viel zu späte Aufdeckung betrügerischer Geschäfte des TreberKonzerns, zu dem 87 Millionen Mark Außenstände bestanden, dies bei bloß 83 Millionen Mark an Gesamteinlagen. Die Diskussion wurde zu jener Zeit noch ohne Vergewisserung der wechselseitigen Ergänzung von Wirtschaftsprüfung, Bonitätsbeurteilung und Finanzanalyse geführt: „Die Bankkrache um 1900 herum lehrten neben anderem, daß ohne gründliche Revisionen die Gefahren sehr groß sind, daß die Bankkunden ihr Geld verlieren und daß die Banken selbst dadurch direkt oder indirekt Verluste erleiden.“379 Auslöser für die Einführung der Pflichtprüfung und damit die Übertragung der öffentlichen Prüfungsaufgabe durch die Notverordnung von 1931 wurde sodann – wie beschrieben – der Niedergang der seinerzeit durchaus anerkannten FAVAG im August 1929, also zwei Monate vor dem New Yorker Börsenkrach.380 Mit im Zeitstrahl weitem Sprung waren Auslöser der Reformdiskussion um die durch das KonTraG von 1998 für die Abschlussprüfung gesetzten Meilensteine die Bilanzierungs- und Prüfungsskandale etwa bei den Unternehmen Balsam, Metallgesellschaft, Procedo und Schneider.381 In den USA rang der Berufsstand nach Skandalen der 1970er-Jahre wie dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Eisenbahngesellschaft Penn Central noch mit der Rollenbildung zwischen privatem Dienstleister und im öffentlichen Interesse tätigem Prüfer.382 Im Vereinigten Königreich bereitete der Cadbury Report von 1992 in Reaktion auf Unternehmensskandale wie Polly Peck, Exco und Coloroll heute unionsrechtlich verankerte Regeln wie die Rotationspflicht des Prüfers und die Überwachung der Rechtsbeziehungen durch Prüfungsausschüsse vor.383 Erst die Erschütterung durch den Enron-Zusammenbruch von 2001 führte zu einer die Informationsintermediation als Ganzes, also sowohl die AbschlussZum Folgenden Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 37 ff., 41. Sponheimer Das kaufmännische Revisionswesen in Deutschland, 1925, S. 63. Überblick bei Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, 1992, mit dem Untertitel „Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte vor dem Hintergrund einzel- und gesamtwirtschaftlicher Krisen“. 380 Näher oben 5. Kapitel: B.I.1.a (S. 79). 381 Statt vieler Forster AG 1995, 1. 382 Commission on Auditor’s Responsibilities (Cohen Commission), Report, Conclusions and Recommendations, 1978, S. 33, 47. Einordnend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 118 („natural watchdogs of large corporations“), S. 119 („guardian against corporate power“). 383 The Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (Cadbury Report), 1992, Preface und S. 36 ff. zur Abschlussprüfung. 378 379

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prüfung, die Ratingagenturen als auch die Finanzanalysten einbeziehenden Kritik an der Missachtung von Verantwortung für die Informationsintegrität.384 Praktisch ohne Vorwarnung war das siebtgrößte börsennotierte Unternehmen der USA zusammengebrochen. Neben den finanziellen Verlusten der Anteilseigner und Gläubiger kostete der Zusammenbruch rund 20.000 Arbeitnehmern den Arbeitsplatz, ihre auf Enron-Aktien aufgebaute Altersversorgung und in Belegschaftsaktien angelegten privaten Ersparnisse. Der Fall Enron ist der wohl am besten aufgearbeitete Skandal der kapitalmarktlichen Informationsintermediation, nicht zuletzt wegen seiner umfassenden Dokumentation durch Untersuchungen des US-amerikanischen Senats,385 der Finanzaufsichtsbehörde SEC386 und ausgreifender Literatur,387 Letztere allerdings vor allem als kritisches Echo auf den kriseninduziert erlassenen SarbanesOxley Act von 2002 (bubble law).388 In Europa taten sich 2004 ähnliche Probleme beim niederländischen Supermarktbetreiber Ahold auf. Der sodann aufgedeckte Bilanzskandal um den italienischen Milchproduzenten Parmalat von 2005 wird als „europäisches Enron“ bezeichnet.389 Der Enron-Zusammenbruch veranlasste die Europäische Kommission dazu, das bis dahin auf das Übernahmerecht beschränkte Mandat der High Level Group of Company Law Experts auf die Modernisierung von Gesellschaftsrecht und Corporate Governance zu erweitern.390 In England wurde die seit 1998 laufende 384 The Senate Committee on Banking, Housing and Urban Affairs, Hearings on Accounting and Investor Protection Issues Raised by Enron and Other Public Companies, 107th Congress, 2nd Sess., Bd. 1, 2002, S. 21, 52. 385 US Senate, Committee on Governmental Affairs, Permanent Subcommittee on Investigations, The Role of the Board of Directors in Enron’s Collapse, 107th Congress, 2d Session, Report 107-70, 8.7.2002. Vorbereitend Special Investigative Committee of the Board of Directors of Enron Corp. (Powers Report), 1.2.2002. Zusammenfassend Loss / Seligman /  Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 307 ff. 386 SEC, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, Report of the Staff to the Senate Committee on Governmental Affairs, 8.10.2002. 387 Zur europäischen Dimension Hopt 3 JCLS 221 (2003). Siehe weiter Schiessl AG 2002, 593; Schwarz / Holland ZIP 2002, 1661. International Armour / McCahery (Hrsg.), After Enron, 2006, mit zahlreichen Beiträgen; Branson 48 Vill. L. Rev. 989 (2003) und weitere Beiträge im Themenheft; Healy / Palepu 17 J. Econ. Persp. 3 (2003); Leclercq RDAI/IBLJ 6/2002, 621. Monographisch Coffee Gatekeepers, 2006, S. 15; Markham A Financial History of Modern U.S. Corporate Scandals, 2006, S. 95 ff., 205 ff.; Millon 60 Wash. & Lee L. Rev. 309, 311 (2003). Weitere Einzelfälle bei Peemöller / Krehl / Hofmann Bilanzskandale, 2. Aufl., 2017, S. 33, 109. 388 Der Begriff geht zurück auf Ribstein 40 Hous. L. Rev. 77 (2003). Zur Kritik statt vieler Romano 114 Yale L.J. 1521 (2005); Brown in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 143. Zur deutschen Sicht Fleischer in: FS Priester 2007, S. 75, 83. 389 Carozzi 17 EBLR 1535 (2006); Carrara RabelsZ 70 (2006) 538; Melis 13 Corp. Gov. Int’l Rev. 478 (2005). 390 Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, 4.11.2002. Überblick

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Gesellschaftsrechtsreform eilig um als Post-Enron Initiatives bezeichnete Themen ergänzt, und zwar unter der bemerkenswert offenen Frage nach möglichen Gefahren vergleichbarer Unternehmenszusammenbrüche.391 In Deutschland mündete der Bericht der im Jahr 2000 eingesetzten Regierungskommission Corporate Governance392 in die Vorgaben des TransPuG von 2002, das unter anderem eine verstärkt problemorientierte Berichterstattung im Prüfungsbericht einführte.393 Die Bedeutung des Enron-Zusammenbruchs erklärt sich aus dem Versagen sämtlicher Kontrollmechanismen, nicht nur der unternehmensinternen Überwachung, sondern auch der zwischen interner und marktlicher Steuerung vermittelnden Informationsintermediation.394 Für den Untergang der zur seinerzeitigen top five gehörenden Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen kam die Entkräftung des Vorwurfs der Justizbehinderung durch den US Supreme Court im Jahr 2005 zu spät.395 Ein Partner von Arthur Andersen hatte die Gründung von Zweckgesellschaften (special purpose vehicles) begleitet, deren Funktion in der gezielten Ausnutzung bilanzieller Freiräume und Verschiebung von Verlusten lag. Zweckgesellschaften wie die 1997 gegründete Chewco mussten wegen des geringen Fremdkapitalanteils und der geltenden Drei-Prozent-Grenze nicht konsolidiert ausgewiesen werden, so dass ihre Zahlungsversprechen zur praktisch vollständigen Neutralisierung der Verluste von Enron genutzt werden konnten.396 Proaktive Nachfragen der nichtgeschäftsführenden Direktoren unterblieben.397 Aufgedeckt wurden die Bilanztricks erst spät, und zwar durch Leerverkäufer (short seller), deren Geschäftsmodell (ironischerweise) gerade auf einen Kursverfall beim Emittenten angelegt ist. bei Hopt ZIP 2005, 461, 466; van Hulle / Maul ZGR 2004, 484. Eingehend Habersack Aktionsplan der Europäischen Kommission und Bericht der High Level Group zur Entwicklung des Gesellschaftsrechts in Europa, 2003. Zum Fortgang Geens / Hopt (Hrsg.), The European Company Law Action Plan Revisited, 2010. 391 Näher Arden 3 JCLS 269, 272 (2003); Davies in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 163. Einordnend Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 63. 392 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drucks. 14/7515 v. 14.8.2001. 393 Zu prüfen ist allerdings nur, ob die Erklärung abgegeben ist, nicht ob die darin enthaltenen Angaben zutreffen. Zur Reformdiskussion Leyens Referat zum 69. DJT 2012, Bd. II/1, S. N13, N22. 394 Ursachensuche bei Coffee 89 Cornell L. Rev. 269 (2004). 395 Arthur Andersen LLP v. United States 544 US 696 (2005). Dazu Kelly 48 S. Tex. L. Rev. 509 (2006). 396 Faktendarstellung bei Special Investigative Committee of the Board of Directors of Enron Corp. (Powers Report), 1.2.2002, S. 41 (Chewco), 68 (LJM), 97 (Raptors). Zusammenfassend Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 306 ff., 310. 397 Special Investigative Committee of the Board of Directors of Enron Corp. (Powers Report), 1.2.2002, S. 153.

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Sämtliche Intermediäre gerieten in den Blick. Das Versagen der Abschlussprüfung wurde auf die hohen Honorare für Beratungsmandate des einzelnen Prüfers und auf ein aus Sicht der Prüfungsqualität averseres Vergütungsmodell der ihn beschäftigenden Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen zurückgeführt.398 Die Einnahmen aus den für Enron erbrachten Beratungsleistungen i. H. v. 5,7 Millionen US-Dollar nur für Chewco und eine weitere Zweckgesellschaft waren damit wirtschaftlich zwar keineswegs für Arthur Andersen, wohl aber für die Vergütung des einzelnen Partners entscheidend. Die Umsatzvorgabe (target level) forderte von jedem einzelnen Partner Einnahmen aus Zusatzleistungen, die das Zweifache der Prüfungserträge hervorbringen sollten.399 Die Vermutung, nach der dem Druck des Enron-Managements auf die Ausnutzung erdenklicher Gestaltungsspielräume bis hin zur Vernichtung beweisrelevanter Akten nicht zu widerstehen war, gründet auf diese Rahmenbedingungen. Wenngleich der Enron-Zusammenbruch unerwartet kam, hatte es doch Vorzeichen gegeben, die nicht allein bei Arthur Andersen gesucht werden sollten.400 Die großen Prüfungsgesellschaften waren zunächst auf eine gezielte Vermarktung von Steuersparmodellen (tax shelters) neben der Prüfung und sodann auch Beratungsleistungen übergegangen.401 Die Entwicklung hatte maßgeblich zum Aufkommen von Vergütungsstrukturen wie denen bei Arthur Andersen beigetragen. Im Jahr 2001 stellte die SEC außerdem 8000 Verstöße bei Price Waterhouse Coopers gegen das Verbot des Anteilseigentums am geprüften Unternehmen fest, die 31 von 43 Partner betrafen. Gemeinsame Unternehmungen (joint ventures) mit Mandanten von Ernst & Young hatten zur Verhängung der drakonischen Strafe geführt, innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten keine neue Mandanten annehmen zu dürfen.402 Ratingagenturen bescheinigten Enron noch vier Tage vor der Insolvenzanmeldung hohe Bonität (investment grade).403 Die dann folgende Herabstufung kam aus Sicht der Marktteilnehmer völlig unerwartet und löste einen unaufhaltsam und rasant zur Insolvenz führenden Flächenbrand im Anleihemarkt und auch bei sonstigen Gläubigern aus.404 Bei ihren Bewertungen hatten sich die Agenturen auf die Aussagen des Managements von Enron verlassen und zunehmend erkennbare Anzeichen für einen Bilanzbetrug ignoriert.405 Die Finanzanalysten hatten noch wenige Tage vor dem Zusammenbruch Kaufempfehlungen ausgesprochen. Special Investigative Committee of the Board of Directors of Enron Corp. (Powers Report), 1.2.2002, S. 5. 399 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 161 m. w. N. 400 Übergreifend zum Versagen der Regulierung Mattli / Büthe 68 L. & Contemp. Prob. 225, 249 (2005). 401 Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 39; Coffee Gatekeepers, 2006, S. 162. 402 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 161 m. w. N. aus der Tagespresse. 403 Hill 82 Wash. U. L.Q. 43 (2004). 404 Überblick bei Schroeter Ratings, 2014, S. 47. 398

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Durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 wurden die Möglichkeiten der Abschlussprüfer zur Kombination von Prüfungs- und Beratungsleistungen erheblich eingeschränkt, Steuerberatungsleistungen neben der Prüfung vollständig untersagt. Die zu Ratingagenturen angeordnete Studie mündete in Änderungen des NRSRO-Anerkennungserfordernisses und neuen Anforderungen an Qualität und Unabhängigkeit nach dem Credit Rating Agency Reform Act von 2006. Weiter erhielt die SEC einen Regelungsauftrag zum Schutz vor Interessenkonflikten der Finanzanalysten. Stand bis dahin die Verhinderung von Insiderhandel im Vordergrund, richtete sich die sodann erlassene Regulation Analyst Certification 2003 auf die Sicherstellung der Glaubwürdigkeit und inhaltlichen Richtigkeit der Finanzanalyse.406 Gewählt wurde hierzu das im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Offenlegungsmodell.

III. Weichenstellungen im 21. Jahrhundert Für die weitere Entwicklung sind vor allem die im beginnenden 21. Jahrhundert vorgenommenen Weichenstellungen entscheidend. Die wichtigste betrifft Vervollständigung der aufsichtsrechtlichen Strukturen.407 Künftig könnten sich einschneidende Änderungen des kapitalmarktlichen Informationsgefüges aus dem im transatlantischen Dialog vereinbarten Rückbau regulatorischer Inbezugnahmen auf Bonitätsbeurteilungen ergeben.408 Noch nicht abschließend entschieden ist über mögliche Weichenstellungen zum Umgang mit den oligopolistischen Strukturen sowohl des Wirtschaftsprüfungs- als auch des Ratingmarkts.409 1. Verdichtung der Pflichtengerüste, Aufsicht und Sanktion Die (berufs-)aufsichtsrechtlichen Strukturen der Abschlussprüfung sind bereits lange angelegt und werden zunehmend auf europäischer Ebene weiterentwickelt. Zuletzt führte die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 eine (schwache) Form der jahrzehntelang diskutierten externen Rotation ein.410 Demgegenüber beriet US Senate, Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, 107th Cong., 2nd Sess., S. Prt. 107-75, 7.10.2002, S. 76 ff., 84 f.: „[…] the agencies did not perform a thorough analysis of Enron’s public filings; did not pay appropriate attention to allegations of financial fraud; and repeatedly took company officials at their word, without asking probing, specific questions – despite indications that the company had misled the rating agencies in the past.“ 406 Dazu Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1076 (2003). Überblick bei Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 68 ff., 72. 407 Abschn. 1. 408 Abschn. 2 (S. 110). 409 Abschn. 3 (S. 114). 410 Im Einzelnen 13. Kapitel: B.II.2.c (S. 638). 405

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noch der 64. Deutsche Juristentag von 2002 auf Grundlage des Gutachtens von Holger Fleischer zur Frage, ob und inwieweit eine Regulierung von Ratingagenturen und Finanzanalysten überhaupt erforderlich sei.411 Für die Finanzanalyse machte das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz aus demselben Jahr den Anfang und führte das später geänderte Pflichtengerüst des § 34b WpHG i. V. m. FinAnV ein, das heute weitgehend in Art. 20 EU-MarktmissbrauchsVO i. V. m. der Delegierten VO (EU) 2016/958 aufgeht. Vom genannten Juristentag wurde der Bedarf nach einer Regulierung von Ratingagenturen zwar erkannt. Es sollte aber bis zur Verabschiedung der EG-RatingVO von 2009 dauern, bis es erstmals zu einem Gerüst verpflichtender Verhaltensregeln kam. Zu verzeichnen sind heute, wenn auch im Einzelnen unterschiedliche, so doch strukturell ähnliche Pflichten. Berufsrechtliche und regulatorische Normen stellen an sämtliche Informationsintermediäre Anforderungen, die sich den Kategorien der Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, mit jeweils spezifischen weiteren Ausformungen bei der Unabhängigkeit zuordnen lassen.412 Auf die Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausgerichtete allgemeine Verhaltenspflichten finden sich explizit in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. 2. Rückbau regulatorischer Ratingindienstnahmen (Dodd-Frank Act 2010) Der US-amerikanische Dodd-Frank Act von 2010 stieß den vollständigen Rückbau regulatorischer Indienstnahmen der Bonitätsurteile an.413 Die Europäische Kommission nahm dies mit gewissen Vorbehalten als Ziel der weiteren Regulierungsstrategie auf. Die deutsche Politik verbindet damit Chancen auf die Reduzierung der Macht der drei großen Agenturen.414 Die Umsetzung erfolgte durch das Gesetz zur Verringerung der Abhängigkeit von Ratings von Dezember 2014.415 Im Hintergrund dieser sich verdichtenden Vorstöße stehen die dramatischen Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise, die sich ab 2007 ankündigte und wegen des Zusammenbruchs der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Bros. im Herbst 2008 zumeist auf dieses Jahr datiert wird. Der Geschäftsbetrieb zahlreicher großer Finanzinstitute, darunter in Deutschland nicht nur private Banken wie die Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F128, F132. Zu finden war diese Pflichtentrias für Finanzanalysten bis 2016 in § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG. 413 Überblick bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 7 ff. Weitgehend Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 294 („reliance removed“). 414 Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, 16.12.2013, S. 63: „Wir wollen die Rechtsnormen reduzieren, die eine Einschaltung der drei großen Rating-Agenturen vorschreiben. Wir wollen auch die Bedeutung externer Ratings reduzieren.“ 415 Gesetz v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2085. 411 412

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Commerzbank oder die IKB, sondern auch Landesbanken wie die West LB und die Bayern LB, zusätzlich Versicherungsunternehmen wie die US-amerikanische AIG, waren nur durch staatliche Rettungsmaßnahmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Ab 2009 folgte eine Staatsschuldenkrise, mit der die Europäische Union und die einzelnen Wirtschaftsnationen noch Jahre später ringen. Die Finanzmarktkrise von 2008 markiert erneut einen Wendepunkt der Diskussion. Noch die Unternehmenskrisen zu Anfang des neuen Millenniums – im Mittelpunkt der Zusammenbruch von Enron von 2001 – wurden maßgeblich auf Schwächen einzelner Institutionen, darunter solcher der internen Corporate Governance, der Rechnungslegungspublizität, Abschlussprüfung oder Finanzanalyse zurückgeführt. Die Finanzmarktkrise von 2008 zeigte demgegenüber Schwächen in der Abstimmung von Bank- und Finanzmarktregulierung auf, die vom Markt nicht kontrollierbare Risiken hervorbrachten und zu kaum aufhaltbaren Abwärtsspiralen führten.416 Die Informationsintermediation konnte sich zum Zeitpunkt der beginnenden Finanzmarktkrise nicht mehr stabilisierend auswirken. Herabstufungen durch Ratingagenturen wurden unausweichlich. Diese Herabstufungen zwangen die Abschlussprüfer bzw. vorgelagert die Geschäftsleiter der Banken nach dem Zeitwertprinzip der Rechnungslegung (mark to market) zur Wertberichtigung nach unten, dies mit Rückwirkungen auf die Bonitätsbeurteilung. Vorausschauende Marktbeobachter wie Finanzanalysten mussten angesichts der bekannten wechselseitigen Abhängigkeiten der Bankenrisiken (risk interconnectedness) schon zu Beginn der Wertberichtigungen von einer sich beschleunigenden prozyklischen Abwärtsbewegung ausgehen.417 Stärker als zuvor erkannt, traten durch die Finanzmarktkrise die wechselseitigen Abhängigkeiten der Intermediationsleistungen zutage, die prozyklischen Wirkungen des Zeitwertprinzips auf die Beurteilungsergebnisse und nicht zuletzt die Gefahren aus einer an das Bonitätsrating gebundenen Eigenkapitalregulierung. Die wichtigste Erkenntnis dürfte darin zu sehen sein, dass von der privaten Informationsintermediation keine Krisenbewältigung, sondern allenfalls eine Früherkennung zu leisten ist. Eine verbesserte Regelsetzung hat dementspre416 Vergleichend Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 453. 417 High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), Report, 25.2.2009, Rn. 21: „Once credit rating agencies started to revise their credit ratings for CDOs downwards, banks were required to adjust their risk-weighted capital requirements upwards. Once again, already highly leveraged, and faced with increasing difficulties in raising equity, a range of financial institutions hastened to dispose of assets, putting further pressure on asset prices. When, despite the fear of possible negative signalling effects, banks tried to raise fresh capital, more or less at the same time, they were faced by weakening equity markets. This obliged them to look for funding from sovereign wealth funds and, in due course, from heavy state intervention. What was initially a liquidity problem rapidly, for a number of institutions, turned into a solvency problem.“

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chend vornehmlich die kontinuierliche Kontrollleistung und die unbedingte Verpflichtung der Informationsintermediäre auf die kapitalmarktliche Informationsintegrität sicherzustellen. In den Fokus gerieten vor allem die Beurteilungen der Kreditrisiken von Forderungsverbriefungen durch private Ratingagenturen.418 Vorgeworfen wird den Agenturen eine vergütungsgetriebene Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Aufgedeckt wurden einzelne Fälle der Verantwortungslosigkeit, darunter EMail-Korrespondenzen, denen zufolge die zeitlichen Grenzen eines von realwirtschaftlichen Erlösen abgekoppelten Finanz- und Informationsintermediationsgeschäfts bekannt waren.419 Wichtiger als diese Einzelbeobachtungen sind systematische Fehler: Die Erstverbriefung der wegen einer lockeren Geldpolitik in hoher Anzahl vorhandenen Häuserkredite schafft im Grundsatz eine sinnvolle Risikoteilung. Den massenhaften Zweitverbriefungen (MBS CDO2, MBS CDO3 usw.) wird hingegen kein zusätzlicher Diversifikationseffekt beigemessen. Sie bieten sich vornehmlich zur Ausnutzung regulatorischer Lücken bei der Eigenkapitalunterlegung an.420 Die nach der Praxis der Ratingagenturen sonst den Staatsanleihen leistungsstarker Volkswirtschaften vorbehaltenen höchsten Bonitätsnoten für die Zweitverbriefungen wurden trotz naheliegender Zweifel nicht hinterfragt. Durch Verbriefungen können nur die individuellen Ausfallrisiken der Hypothekenschuldner diversifiziert werden, nicht aber die alle Forderungen gleichermaßen betreffenden Risiken aus der Abhängigkeit von den Immobilienpreisen und der Zinsentwicklung. Die Vergabe von Triple-A-Ratings für die der Verbriefung unterlegten TripleB-Papiere hätte deshalb schon in Bezug auf Erstverbriefungen und erst recht für die Zweit- und Drittverbriefungen unterbleiben müssen. Die durch das Rating immer weiterer Stufen der Verbriefung generierbaren Gewinne wurden wohl wegen eigener Gebühreninteressen auch von den konkurrierenden Agenturen nicht in Frage gestellt. Eine Zwei-plus-Usance wie für das Rating von Anleihen bestand nicht. Ohne Einblick in den Strukturierungsprozess könnte eine außenstehende zweite Agentur nur eine Plausibilitätskontrolle des Erstratings, nicht aber eine vollumfängliche Beurteilung des Produkts leisten. Für das Aufkommen von Marktdisziplin fehlten auch deshalb die tatsächlichen Voraussetzungen. Das tiefergehende Problem wird in der Synchronisierung des Investitionsverhaltens erkannt, also die durch Basel II angelegte Verknüpfung der Eigenkapitalanforderungen mit der Bonitätsbeurteilung und dem durch zahlreiche Vorgaben hergestellten Gleichlauf bei institutionellen Investoren, darunter Versicherungen 418 Caliari 19 Transnat’l L. & Contemp. Probl. 145, 147 (2010). Zu Fehlsteuerungen bei Finanzberichtserstattung und Abschlussprüfung Barnes 16 Acct. Hist. 423 (2011). 419 SEC, Summary Report of Issues Identified in the Commission Staff’s Examinations of Select Credit Rating Agencies, Juli 2008, S. 12. Die Vorwürfe sind gesammelt nachzulesen im Verfahren United States v. McGraw-Hill Companies 2013 WL 3762259 (CD Cal. 2013). Näher dazu 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450). 420 Zum Folgenden Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E21 ff.

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wie Pensionsfonds. Nur an dieser im Grunde nicht die Agenturen, sondern die Finanzakteure betreffenden Problematik setzt der Rückbau regulatorischer Ratingindienstnahmen an. Die Bewertungen der Erfolgsaussichten des Rückbaus sind geteilt, schon weil ohne ausgewogenen Umgang mit der stark auf Informationssicherheit ausgerichteten Haftungsverantwortung der Geschäftsleiter (business judgment rule) kaum durchgreifende Änderungen im Investitionsverhalten zu erhoffen sind. Die Chancen der durch den Dodd-Frank Act angestoßenen Überprüfung des Regelungsbestands sind (auch) vor diesem Hintergrund mit Zurückhaltung zu bewerten.421 Ein funktionierender Finanzmarkt ist auf Institutionen zur Einschätzung von Bonitätsrisiken angewiesen. Alternativen zum externen Bonitätsrating durch private Agenturen sind denkbar, bergen aber eigene Risiken. Eher technische Messungen wie die Renditeaufschläge für ausfallgefährdete Anleihen (credit spreads) versprechen keine mit einem ordnungsgemäß erstellten Rating vergleichbare Informationstiefe.422 Staatlich initiierte Bonitätsbewertungen wären nicht zwingend weniger anfällig für Interessenkonflikte. Maßgeblich aus diesen Gründen wird erwartet, dass private Bonitätsratings kaum jemals vollständig aus dem kapitalmarktlichen Informationsgefüge zu entfernen sein werden.423 Regulatorische Inbezugnahmen von Ratings können zu weit gehen und sind dann zu reduzieren.424 Das ist nur dort nicht zielführend, wo der Markt auf Informationsintermediäre angewiesen ist und keine Alternativen zur Verfügung stehen. Aus der Verantwortung für eine leistungsfähige rechtliche Rahmengebung sind die Regelgeber der unterschiedlichen Ebenen also durch die mit dem Dodd-Frank Act angestoßene Reduzierung der regulatorischen Indienstnahmen von Ratings keineswegs entlassen. Zahlreiche weitere Maßnahmen sind zu erwägen: Die möglichen zivil-, berufsrechtlichen und regulatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung ordnungsgemäßer Bonitätsratings sind Gegenstand späterer Kapitel. Zur Verhinderung von Klippen- und Kaskadeneffekten infolge synchronisierter Risiken kommen außerdem Offenlegungspflichten der Emittenten, gegebenenfalls auch der Banken zu ratinggebundenen Vertragsabsprachen in Betracht, die den Agenturen als Grundlage einer verbesserten Früherkennung von Risikokorrelationen dienen könnten.425

Zur weiteren Kritik Hill Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. 13, 18 (May 2012). Mit einer Übersicht zu den möglichen Alternativen des privaten Ratings Darbellay /  Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 290 f. 423 Coffee 1 Harv. Bus. L. Rev. 231, 234 (2010). 424 Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 274 et seq., 292. Zum Stand Bauerfeind WM 2015, 1743; Schulte-Mattler / Affeld Die Bank 2016, 8. 425 Schroeter Ratings, 2014, S. 983. 421 422

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

3. Wettbewerb und Systemschutz Ein funktionierender Wettbewerb bietet die wohl beste Gewähr für ein fortlaufend hohes Niveau der Informationsqualität. Aus noch näher zu beschreibenden Gründen426 verteilt sich das Geschäft der Prüfung von Großunternehmen jedoch auf lediglich vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Den Markt für Bonitätsbeurteilungen teilen sich im Wesentlichen zwei große und eine kleinere Agentur. Finanzanalysen werden demgegenüber von einer zwar überschaubaren, aber nicht in die Nähe oligopoler Enge reichenden Anbieterzahl erbracht. Gefahren bestehen bei der Finanzanalyse eher infolge gleichgerichteter Interessen von Banken, die die verkaufsseitige Analyse finanzieren. Die bisherigen Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs fallen ganz unterschiedlich aus:427 Für die Abschlussprüfung empfahl die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten 2005 eine Begrenzung der Haftung, um eine weitere Verkleinerung des Prüferoligopols zu vermeiden.428 Dass es sich um eine reale Gefahr handelt, zeigte der Zusammenbruch von Arthur Andersen infolge des Enron-Skandals.429 Zu erbringen sind von den verbleibenden Prüfungsgesellschaften mindestens vier Leistungstypen: die Prüfung selbst, zuvor Unterstützungsleistungen bei der Erstellung des Abschlusses, die Beratung insbesondere in Steuerfragen und bei Zweifeln an der Prüfungs- oder Beratungsleistung die Fremdbegutachtung (peer review) etwa vor Gericht.430 Soll eine konfliktfreie Bewältigung sichergestellt sein, müssen diese Aufgaben von unterschiedlichen Anbietern wahrgenommen werden. Infolgedessen wäre bei Unterschreitung der Anzahl von vier Teilnehmern am Markt für die Prüfung großer Emittenten mit empfindlichen Beeinträchtigungen des prüfungsbezogenen Informationsgefüges zu rechnen. Der im Zuge der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 durch das AReG von 2016 eingefügte § 318 Abs. 1b HGB verbietet Vereinbarungen, infolge derer die Abschlussprüferwahl auf bestimmte Kategorien oder Listen beschränkt ist.431 An der bei internationalen Unternehmen häufig schon fachlich unausweichlichen Auswahl einer der vier großen Prüfungsgesellschaften wird sich dadurch jedenfalls kurzfristig kaum etwas ändern.

Zu den Anbieterstrukturen 5. Kapitel: C.II (S. 126). Näher Hopt ZGR 2015, 186, 192 ff., 198 unter Berücksichtigung der EU-Abschlussprüfungsreform 2014. 428 Empfehlung der Europäischen Kommission zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, 2008/473/EG, 5.6.2008, ABl. EU L 162 v. 21.6.2008, S. 39. Zur Diskussion Max Planck Working Group (Doralt, Koord.), 67 CLS 62 (2008). 429 Dazu 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 430 Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, Bd. 1, S. 85, 87. 431 Zur Einordnung Petersen / Zwirner / Boecker DStR 2016, 984 f. 426 427

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In den USA setzte der Credit Rating Agency Reform Act von 2006 an den Voraussetzungen der Anerkennung von Ratingagenturen an. Zu erheblichen Veränderungen hat dies nicht geführt.432 Die nach wie vor geringe Anzahl von zwei bzw. drei Anbietern entspricht der Zwei-plus-Usance im Ratingmarkt. Im Vergleich zu der auf vier Leistungstypen angewiesenen und aktuell auf vier Marktteilnehmer zurückgreifenden Prüfung von Großunternehmen ergeben sich aus der begrenzten Anzahl der Agenturen allerdings geringere Gefahren für das Informationsgefüge. Die Präsenz kleiner Agenturen in spezialisierten Marktsegmenten zeigt, dass auch komplexe Bewertungsaufgaben von kleineren Organisationen übernommen werden können. „Systemrelevant“ ist infolgedessen nicht die einzelne Ratingagentur, sondern die Institution des Ratings, verstanden als Abdeckung des Markts durch Bonitätsbeurteilungen. Sowohl bei der Abschlussprüfung als auch beim Rating sind die Oligopole derart verfestigt, dass an hochinvasive Maßnahmen wie sondergesetzlich zu schaffende Abspaltungsanordnungen oder (wenigstens) verschärfte Fusionskontrollen zu denken wäre. Im Zuge der Finanzmarktkrise von 2008 sind solche Maßnahmen in Bezug auf Großbanken in den Blick geraten, wurden aber nicht umgesetzt.433 Die stattdessen in den USA und der Europäischen Union auf den Weg gebrachte Rückkehr zum Trennbanksystem, wie es unter dem System des US-amerikanischen Glass Steagall Act von 1933 bis 1999 üblich war, steht für einen gezielteren Zugriff auf Konflikte einer zu starken Ausrichtung der Geschäftsbanken auf das Investmentgeschäft. In Bezug auf die Informationsintermediäre wäre die Legitimation invasiver Abspaltungen wohl noch deutlich schwerer zu untermauern, zumal der Zusammenbruch eines Marktteilnehmers zwar zu Vertrauensverlusten, aber anders als bei den Banken nicht zu Vermögenseinbußen bei Dritten oder gar Dominoeffekten führen muss. Die mit oligopolen Strukturen verbundenen Gefahren für die kapitalmarktliche Informationsintegrität sind eher durch berufsrechtliche und regulatorische Steuerung als durch Zerschlagung privat errichteter Wirtschaftsunternehmen aufzufangen. Über eine spezifisch auf den kapitalmarktlichen Intermediationsmarkt zugeschnittene Fusionskontrolle könnte nachzudenken sein. Ansätze dazu fehlen bislang. Für die Finanzanalyse zeigte der als Global Settlement von 2003 bekannt gewordene Vergleich mit den privaten Anbietern die bis dahin so nicht diskutierte Alternative auf, vorhandene Marktteilnehmer zur Finanzierung ihrer Konkurrenten zu verpflichten. Zum Global Settlement kam es auf Betreiben des New Yorker Generalanwalts Eliot Spitzer (deshalb auch als Spitzer-Vergleich bezeich-

432 Zu den einzelnen Maßnahmen Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 247 f., Fn. 50 mit umfangreichen Nachw. 433 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G28 ff., G31.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

net).434 Anlass gegeben hatte der Analystenskandal im Zusammenhang mit der auch Deutschland erfassenden Technologieblase um den Jahrtausendwechsel (dot-com bubble). Schwerwiegende Interessenkonflikte hatten sich aus der Koppelung der Analystengehälter an den Transaktionsgewinn vom jeweils anstellenden Bankhaus aus von diesem betreuten Börsengängen (IPOs) ergeben. Besondere Prominenz erlangte der Fall des bei Merill Lynch beschäftigten Finanzanalysten Henry Blodget, der öffentlich zum Kauf empfohlene Titel intern als „piece of crap“ bezeichnet hatte.435 Im Global Settlement verpflichteten sich die führenden zehn Investmentbanken zu stattlichen Strafzahlungen (insgesamt 1,435 Milliarden US-Dollar)436 und zur künftig verbesserten Abschirmung der Finanzanalyse vom Einfluss des Investmentbankings (reinforced Chinese wall strategy). Aus der Gesamtsumme sollten 450 Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Finanzierung der von der Verkaufsseite unabhängigen Analyse eingesetzt werden. In der Nachschau wird diese Subventionierung (nicht die Strafzahlung als solche oder die weiteren organisatorischen Maßnahmen) überwiegend kritisch beurteilt.437 Kleinere Konstruktionsfehler betrafen die fehlende Verpflichtung, die unabhängig erstellte Analyse der eigenen Empfehlung ungefragt beizulegen.438 Einen nachhaltigen Anstoß zur Etablierung unabhängiger Finanzanalysen, also zum Aufbau einer aus der Finanzierung durch die Transaktionsbegleitung herausgelösten Finanzanalyse vermochte das Global Settlement nicht zu geben. Dafür war die Laufzeit von fünf Jahren von vornherein zu kurz bemessen. Stattdessen kam es zu einem dramatischen Rückgang der Analyseabdeckung auf 6000 Unternehmen (von insgesamt 14.000 öffentlich gehandelten).439 Studien zufolge sank außerdem die Informationsqualität deutlich ab.440 Das Global Settlement zeigte zwar das spezifische Wettbewerbsproblem im Markt für Finanzanalysen auf, vermochte es aber nicht nachhaltig zu lösen. 434 Überblick bei Choi 1 Berkeley Bus. L.J. 45, 66 (2004); Macey in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 85. 435 Blodget beschrieb die im Auftrag von Merrill Lynch als vielversprechend eingestuften Aktien intern als „a disaster […] there really is no floor to this stock“ oder auch „a piece of junk“, „dogs“, „powder keg“. Vgl. die Aussage von Eric R. Dinallo, Petitioner’s Affidavit in Support of Application for an Order Pursuant to General Business Law Section 354, S. 10, Spitzer v. Merrill Lynch & Co. Index No. 02/401522 (N.Y. Sup. Ct. Apr. 8, 2002). Zum Ganzen Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1085 (2007). 436 Davon stammten 100 Miollionen US-Dollar aus dem bereits zuvor allein mit Merill Lynch geschlossenen Vergleich (Merrill Lynch Settlement). Dazu Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1071 (2003). 437 Fisch in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 315, 330 f. 438 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 268. 439 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 270; Fisch 55 UCLA L. Rev. 76 (2007). 440 Überblick bei Fisch in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 315, 326.

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C. Markt Abschlussprüfung, Rating und Finanzanalyse sind privat erbrachte Leistungen. Daran ändert auch die regulatorische Verantwortungszuweisung für die im öffentlichen Interesse stehende Informationsintegrität des Kapitalmarkts nichts. Die Nachfrage erklärt sich zum Teil aus Informationsbedürfnissen der Marktteilnehmer und international verfestigten Praktiken, zum Teil aus regulatorischen Indienstnahmen der Intermediationsleistungen. Die vorhandenen Pflichtenprogramme wirken sich auf die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus, unter denen die Leistungen erbracht werden können. Den heutigen Rahmenbedingungen ist im Folgenden durch Unterscheidung zwischen den Informationsbedürfnissen der Nachfrageseite,441 den wettbewerblichen Strukturen der Anbieterseite442 und schließlich den unterschiedlichen Modellen der Kostenteilung443 nachzugehen.

I. Nachfrageseite Leistungen der Informationsintermediation werden zum einen von dem um Kapital und Marktakzeptanz werbenden Emittenten nachgefragt, zum anderen von den Kapitalanbietern. Das Nachfrageverhalten des auch private Kleinanleger erfassenden Anlegerpublikums unterscheidet sich von demjenigen der Banken und der institutionellen Investoren, schon weil diese Anlegergruppen jeweils eigenen regulatorischen Vorgaben unterliegen. 1. Emittenten Die Anreize der Emittenten zur Beauftragung von Leistungen der Informationsintermediation haben sich im Spiegel der Jahrhunderte stark verändert. Bemerkungen zu drei Gesichtspunkten sollen zur Gegenüberstellung der heutigen und der historischen Ausgangsbedingungen genügen:444 Erstens stehen moderne Emittenten in einem internationalen Wettbewerb um Kapital. Demgegenüber konnten sich die frühen Handelsgesellschaften des 17. Jahrhunderts und später die Konzessionsgesellschaften, darunter die ersten Eisenbahnunternehmen des 19. Jahrhunderts, auf ihre Einbindung in ein staatlich gesteuertes oder begleitetes Wirtschaftskonzept berufen. Mit dem Aufkommen der Auslandsinvestitionen im ausgehenden 19. Jahrhundert richtete sich der Emissionserfolg zunehmend nach Zielen und Erfolgen des einzelnen UnternehAbschn. I. Abschn. II (S. 126). 443 Abschn. III (S. 134). 444 Parallelen zum US-amerikanischen New Deal bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 2, 6. Aufl., 2011, S. 7 ff. 441 442

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

mens, die über die Landesgrenzen hinaus vermittelt werden mussten.445 Das Ausmaß der Internationalisierung wird an der Entwicklung des Anleihemarkts deutlich. Für die USA wird ein Anstieg des Volumens auf internationalen Märkten gehandelter Unternehmensanleihen von zunächst 5,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 1967 auf 709 Milliarden 1996 bis hin zu 13.995 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 verzeichnet. Für den Europäischen Binnenmarkt leisteten die Kapitalverkehrsfreiheit und schließlich die Währungsunion ihren Beitrag zum Anstieg des nationale Grenzen überschreitenden Geschäfts. Allein auf die Reputation im eigenen Land setzende Emittenten sind unter diesen Bedingungen vom internationalen Kapitalangebot ausgeschlossen.446 Die für die Kapitaleinwerbung beizubringenden Informationen sind außerdem heute weitestgehend standardisiert. Der durch britische Vorläufer vorbereitete Siegeszug der US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahren spiegelt sich in und über Europa hinaus in Prospektpflichten, fortlaufender Publizität und der Prüfung. Zweitens hat sich durch regulatorische Anforderungen aber auch durch private Transaktionspraxis bei der Einwerbung von Fremd- oder Hybridkapital ein unumgängliches Erfordernis der Beibringung nicht nur geprüfter Abschlüsse, sondern auch von Bonitätsbeurteilungen herausgebildet.447 Nach Abschaffung des staatlichen Genehmigungserfordernisses für die Begebung von Anleihen wurde das Rating ab den 1990er-Jahren auch in Deutschland zur wichtigsten Marktzutrittsvoraussetzung.448 Deutsche Pfandbriefbanken sollen sich seit 2003 auch unabhängig von der konkreten Ratingerstellung auf die Einhaltung von Verhaltensstandards verpflichtet haben, die zum Erhalt von Triple-A-Ratings erforderlich sind.449 Die Orientierung der Finanzierungsentscheidungen an den Folgen für die Bonitätsbeurteilung und insgesamt das Rating wurde unausweichlich. Drittens ist davon auszugehen, dass die Erfolgsaussichten eines Börsengangs durch begleitende Finanzanalysen zu steigern sind. Stieß etwa die Fragetechnik der Finanzanalysten noch um 1990 merklich auf Widerstände bei deutschen Geschäftsleitern,450 wichen diese Widerstände in der Folgezeit einer (eher zu) engen Zusammenarbeit und Versuchen der Beeinflussung von Analysten.451 Kapitaleinwerbung und investor relations sind heute durch Kapitalmarktkommunikation, nicht zuletzt durch Finanzanalysen begleitet und geprägt.

445 Zum Folgenden Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 450 m. w. N. 446 Zu den Anfängen Madison 48 Bus. Hist. Rev. 164 f. (1974). 447 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 7. 448 Gabbi / Sironi 11 Europ. J. Fin. 59, 72 (2005). 449 Mülbert in: FS Konzen 2006, S. 561, 571 f. 450 Instruktiv v. Werder ZGR 1998, 69, 80 f. m. w. N. 451 Drygala WM 2001, 1282, 1283.

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2. Anlegerpublikum Zur Informationsnachfrage des Anlegerpublikums sind kaum allgemeine Aussagen möglich. „Den“ Anleger gibt es nicht.452 In der Kommentarliteratur wird mit Blick auf die Abschlussprüfung geschrieben, es sei unklar, ob und in welchem Umfang die Adressaten auf die Abschlussinformationen zurückgreifen und in der Lage sind, die Informationen zu verarbeiten.453 Bonitätsratings sind demgegenüber angesichts der Verwendung von Kürzeln (z. B. triple A) und formelhaften Einordnungen (z. B. investment grade) nicht nur leicht in die Anlageentscheidung einzubeziehen, sondern bieten auch eine graduell abgestufte Einschätzung. Unmittelbare Handlungsaufforderungen ergeben sich aus den Kaufoder Verkaufsempfehlungen der Finanzanalysten. Angesichts der Vielzahl verfügbarer und häufig gegenläufiger Prognosen der unterschiedlichsten Herkunft ist die einzelne Finanzanalyse aber nicht als abschließende Information wahrzunehmen. Die Existenz kostenpflichtiger Abonnementratings und -finanzanalysen belegt die Informationsnachfrage einzelner Anleger.454 Die breite Masse wird die Beurteilungen und ihre Begründungen hingegen eher vermittelt durch die Anlageberatung zur Kenntnis nehmen. 3. Banken Vor dem 19. Jahrhundert wurden Anlageentscheidungen maßgeblich auf Grundlage des Vertrauens in Octroi, charter und Konzession, die individuelle oder regionale Reputation von Emittenten oder seiner Hauptpartizipanten getroffen. Daneben und bis in die Zeit des verstärkten Aufkommens der anonymen Eigenund Fremdkapitalmärkte vor dem Ersten Weltkrieg fungierten Banken sowohl in Deutschland als auch den USA als die wichtigsten Informations-, Reputationsgeber und damit als Kontrolleure des Marktzugangs.455 Anders als im Vereinigten Königreich, wo die geprüfte Markteintrittspublizität bereits in den 1840er-Jahren bekannt war, hatten Deutschland und die USA ihre Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze erst später zu entwickeln. In beiden Wirtschaftsräumen ergab sich eine zentrale Rolle des Finanzkapitals bzw. in den USA des money trust, was in eine kontrovers geführte (und heute wieder aktuelle) Debatte um die Macht der Banken und ihren Einfluss auf das Finanzsystem mündete. 456 Im Spiegel der Jahrhunderte war die Informationsüberlegenheit kleiner Gruppen, etwa die der Hauptpartizipanten bei den Handelskompagnien, also nicht überwunden, sondern hatte sich in wesentlichen Teilen auf die Banken Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F21. HoptMerktBilanzR-Merkt Einl. v. 238 Rn. 113. 454 Näher 5. Kapitel: C.III.2 (S. 135). 455 Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 707, 734 (2010). 456 So bereits Brandeis Other People’s Money, 1914, Nachdr. 2. Aufl., 1932, 1986, S. 12: „The banker, who holds the purse strings, becomes usually the dominant spirit.“ 452 453

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

verlagert. Deutlichstes Zeichen waren Bankenvertreter in den Aufsichtsräten bzw. den Verwaltungsräten (boards of directors), wie sie in den USA um 1914 bei 43 Prozent, in Deutschland sogar bei 60 Prozent der Großunternehmen zu beobachten waren.457 Als ursächlich gelten der privilegierte Informationszugang und außerdem die durch Teilhabe der Banken an der internen Unternehmenskontrolle verringerten Kosten bei der Kreditnehmerüberwachung.458 Flankiert wurde der Einfluss der Banken in Deutschland neben anfänglich hohen Eigenbeteiligungen unter anderem durch das Depotstimmrecht.459 Für eine nicht zuletzt im Interesse der Banken erfolgende Informationsintermediation steht die Gründung von Treuhandgesellschaften, unter ihnen die Deutsch-Amerikanische Treuhand, die im Jahr 1902 ihre allgemeine Revisionstätigkeit aufnahm. Diese Entwicklung steht im Kontrast zu den im Freiberuf tätigen britischen Wirtschaftsprüfern.460 Aus Sicht der Banken senkt ein funktionierendes externes Prüfungswesen den Bedarf insbesondere ausländischer Investoren nach kostenträchtigen Einstandsversprechen des Instituts.461 Gleichwohl erklärt sich maßgeblich aus den Vorteilen eines privilegierten Informationszugangs, dass sich deutsche und US-amerikanische Banken bei der Bonitätsbeurteilung zunächst auf eigene Analysten verließen. Externe Ratings wurden zu dieser Zeit vor allem von kleineren Instituten und Vermögensverwaltern (trust companies) nachgefragt. Die Pfade teilten sich, als in den USA mit der Kapitalmarktgesetzgebung der 1930er-Jahre die SEC als behördliche Überwachungsinstitution entstand. Die Banken verloren ihre zentrale Stellung wegen der jetzt verpflichtenden Unternehmenspublizität und der zunehmenden Präsenz spezialisierter Prüfungsgesellschaften und Ratingagenturen.462 Sie bauten allerdings auch weiterhin die Finanzanalyse aus.463 In Deutschland dominierten Banken nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Großaktionären weiterhin im Austausch und in der Bewertung von nicht bereits durch Publizitätsregeln öffentlich verfügbaren Informationen.464 Entwicklungsgeschichtlich steht ein (reguliertes) bankenzentriertes System für einen von wenigstens zwei gangbaren Wegen zu einer auf Marktvertrauen gestützten anonymen Kapitaleinwerbung.465 Der Rollenwandel trat bei den deutschen Banken zum ausgehenden 20. Jahrhundert maßgeblich infolge des Rückzugs aus den Aufsichtsräten, aus den DepotFear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 714 (2010). So Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 714 (2010). 459 Schmidt in: Bayer (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in den Beratungen des Deutschen Juristentages, 2010, S. 489 ff., 496. 460 Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 719 f. (2010). 461 Historische Beispiele bei Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 718 (2010). 462 Zur Rolle der Banken vor der Securities Regulation Hawkins 37 Bus. Hist. Rev. 135, 144 (1963). 463 Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 708 (2010). 464 Fear / Kobrak 80 Bus. Hist. Rev. 1, 17 (2006). 465 Fear / Kobrak 84 Bus. Hist. Rev. 703, 735 (2010). 457 458

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stimmrechten und der Liquidation von Eigenbeteiligungen ein.466 Begleitend setzte sich die Auflösung der vormals als Deutschland AG bezeichneten Vernetzung der Großunternehmen über den Rückbau von Überkreuzverflechtungen fort. Für die Banken spielten insbesondere steuerliche Gründe, aber wohl auch die Vermeidung von Haftungsgefahren aus Interessenkonflikten eine Rolle.467 Zwischenzeitlich hatten sich externe Bonitätsbeurteilungen über die USA hinaus im deutschen Anleihemarkt durchgesetzt. Ein erheblicher Nachfrageanstieg verband sich mit dem Aufkommen ratinggesteuerter Transaktionen seit den 1980er-Jahren und mit der zunehmenden Ertragskraft des Investmentgeschäfts. Vor allem die großen, international tätigen Institute begannen ihre Portfolios nach den Ratings für einzelne Schuldnergruppen oder Branchen zu steuern und setzten dazu neben den im eigenen Haus erstellten Analysen Länder- und Branchenratings der externen Agenturen ein. Auf Grundlage der Beurteilungen wurden bonitäts- bzw. ratingabhängige Globallimite für die jeweiligen Teilportfolios und Risikodeckungsmassen bestimmbar.468 Ihren Höhepunkt erreichte die bankenseitige Nachfrage nach externen Bonitätsbeurteilungen im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008. Diese globale Entwicklung war von den entwicklungsgeschichtlichen Pfadunterschieden losgelöst und stand ganz im Zeichen eines internationalisierten Finanzgeschäfts. Nur zwölf Banken teilten sich 80 Prozent der Emissionsbegleitungen in Bezug auf strukturierte Finanzprodukte.469 Auf die ersten sechs entfiel sogar ein Marktanteil von 50 Prozent. Die im Herbst 2008 kollabierte Lehman-Bank stand auf Platz 1, die Deutsche Bank auf Platz 6. Die krisenursächlichen strukturierten Finanzprodukte wurden seinerzeit nur durch eine einzelne Ratingagentur bewertet. Die bei Schuldverschreibungen übliche Einholung von mindestens einer zweiten Bewertung (Zwei-plus-Usance) konnte sich mangels äußerlicher Beurteilbarkeit von verbrieftem Portfolio und Verbriefungsstruktur nicht herausbilden. Hinzu kam, dass das Rating von strukturierten Finanzprodukten hochlukrativ war. In der Zusammenschau steht die kleine Anzahl der nachfragenden Banken und die Produktbewertung durch nur eine Ratingagentur für den großen und erheblich vom traditionellen Geschäft des Anleiheratings abweichenden Einfluss der von Banken bestellten Nachfrageseite. 466 Aus Bankensicht der ehemalige Vorstandsvorsitzende und seinerzeitige Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank Breuer in: Hopt u. a. (Hrsg.), Comparative Corporate Governance – The State of the Art and Emerging Research, 1998, S. 537. 467 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, S. 1433. Monopolkommission, Achtzehntes Hauptgutachten, 2008/2009, BT-Drucks. 17/2600 v. 22.7.2010, S. 152. Zum Stand Monopolkommission, Einundzwanzigstes Hauptgutachten, BT-Drucks. 18/9807 v. 30.9.2016, S. 119 ff., 172, 178. Zum Ganzen noch 6. Kapitel: B I, III (S. 157 ff., 162). 468 Zum Ganzen Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 5, 92. 469 Coffee 1 Harv. Bus. L. Rev. 231, 238 (2010).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

4. Institutionelle Investoren Dem nicht abschließend bestimmten Begriff des institutionellen Investors werden professionelle Anleger zugeordnet, die in einem Umfang investieren, der einen eingerichteten Gewerbetrieb erfordert.470 Demzufolge zählen neben Banken insbesondere Versicherungen und Pensionsfonds zur Gruppe der institutionellen Anleger, spezieller aber auch Hedge Fonds, deren Anlageverhalten und Informationsbedürfnisse sich schlechter typisieren lassen.471 Je nach Regulierungskontext kommt eine engere oder weitere Grenzziehung in Betracht.472 Gemeinsam ist institutionellen Investoren, dass sie über rationale Anreize zur Informationssuche verfügen und zudem in der Lage sind, auch komplexe Informationsbündel auszuwerten. Bei Verwaltung fremder Kapitalien sind sie aus dem Rechtsverhältnis gegenüber den Mittelgebern zur Auswertung der Intermediärinformationen verpflichtet. In einzelnen Marktsegmenten, insbesondere bei größeren börsennotierten Gesellschaften, vor allem aber im Schuldverschreibungsmarkt nehmen institutionellen Investoren eine bestimmende Rolle ein.473 Institutionellen Investoren deutscher Provenienz kommt eine im internationalen Vergleich geringere Bedeutung zu, was nicht zuletzt an den Unterschieden der Altersvorsorgesysteme liegt.474 Deutsche Versicherungen setzen zu 80 Prozent auf (festverzinsliche) Renten.475 Deutschland gehört laut Zählung der OECD von 2014 zu den Ländern, in denen Pensionsfonds am wenigsten in Aktien investieren.476

470 Siehe auch Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance Rahmen, 5.4.2011, KOM (2011) 164 endg., S. 13 Fn. 47: „Für die Zwecke dieses Grünbuchs ist der Begriff ,institutioneller Anleger‘ im weiten Sinne zu verstehen, d. h. als ein Institut, das professionelle Anlagen (auch) im Namen von Kunden und Begünstigten tätigt.“ Zum Begriffsverständnis Schmolke ZGR 2007, 701, 706. 471 Näher Kumpan ZHR 170 (2006) 39. International Bratton 95 Geo. L.J. 1375 (2007); Kahan / Rock 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1046, 1091 (2007). Zur neuerdings vertretenen These positiver Langzeiteffekte aus dem Aktivismus von Hedge Fonds Bebchuk / Brav / Jiang 115 Colum. L. Rev. 1085 (2015). 472 Schmolke ZGR 2007, 701, 706. 473 Übergreifend Armour / Hansmann / Kraakman / Pargendler in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 1, 26 m. w. N. 474 Systemvergleich bei Roth Private Altersvorsorge, 2009, S. 21 ff. Überblick bei Fleischer ZGR 2011, 155, 162; Schmolke ZGR 2007, 701, 713. Aus Sicht der Informationsintermediation Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 6. 475 Für das Jahr 2015 weist die Versicherungswirtschaft (ohne Pensionskassen und Pensionsfonds) folgende Struktur ihrer Kapitalanlagen aus: Renten 79,9 Prozent, Beteiligungen 9,8 Prozent, Aktien 4,4 Prozent; GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2016, S. 15. 476 Deutschland unter 5 Prozent, UK ca. 20 Prozent, z. B. Australien und USA ca. 50 Prozent, Polen ca. 80 Prozent; siehe die instruktive Graphik bei OECD, Pension Markets in Focus, 2015, S. 15.

5. Kapitel: Entwicklungen

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Im Vereinigten Königreich entfällt seit den 1970er-Jahren etwa die Hälfte des nationalen Aktienbestands auf institutionelle Investoren,477 in den USA wurde dieser Anteilsbesitz spätestens um die Jahrtausendwende erreicht.478 Die Deutsche Bank berichtet zum Geschäftsjahr 2015 über einen seit 2012 um rund 5 Prozent auf 81 Prozent gestiegenen Anteilsbesitz institutioneller Investoren.479 Für die DAX-30-Unternehmen wurde 2012 ein Durchschnitt von 62 Prozent gemessen.480 Im Einzelfall lagen die Anteile deutlich höher wie etwa bei Münchener Rück (87 Prozent), Bayer (86 Prozent), Allianz (83 Prozent) und BASF (56 Prozent).481 Allerdings ist das Finanzvermögen der Pensionsfonds in Großbritannien rund 10-mal, das in den USA rund 50-mal größer als in Deutschland.482 Die Bedeutung dieser Größenverhältnisse erschließt sich angesichts des mittlerweile auf 50 Prozent gestiegenen Anteilseigentums ausländischer Investoren an deutschen börsennotierten Gesellschaften, im DAX-30 über 50 Prozent.483 Deutsche Unternehmen gelten vor diesem Hintergrund in nicht unerheblichem Umfang als Institutionen zur Finanzierung der angloamerikanischen Altersvorsorge.484 In den USA wird davon ausgegangen, dass letztlich die institutionellen Investoren für die Kosten der Finanzanalyse aufkommen. In den 1930er-Jahren ergab sich ein Anstieg der Nachfrage nach Abonnentenratings infolge von Zahlungsausfällen während der Großen Depression.485 Die Nachfrage flachte angesichts des Aufschwungs in der Nachkriegszeit wieder ab und stieg trotz hoher Volatilität auch in den 1970er-Jahren nicht wieder an. In Teilen dürfte dies aus der seit

Armour / Skeel 95 Geo. L.J. 1727, 1768 ff. (2007). Überblick bei Blake Pension Schemes and Pension Funds in the United Kingdom, 2. Aufl., 2003, S. 575. 478 Erreichen des hälftigen Anteilseigentums bereits um 1980 nach Gordon 59 Stanford L. Rev. 1465, 1568 (2007), erst um die Jahrtausendwende nach Armour / Skeel 95 Geo. L.J. 1727, 1768 ff. (2007). Zur vorhergehenden Diskussion Romano 93 Colum.L.R. 795 (1993). 479 Deutsche Bank, Jahresbericht 2012, S. 36, und Geschäftsbericht 2015, S. 25. 480 Ernst & Young, Wem gehört der DAX? Analyse der Aktionärsstruktur der DaxUnternehmen, 26.4.2012, S. 8. 481 Ebd., S. 2 ff. Mit teilweise abweichenden Zahlenangaben Bayer / Hoffmann AG-Report 2015, R91. 482 Vergleich des Finanzvermögens der Pensionsfonds im Jahr 2014 (Angaben in Mrd. USDollar): 236,204 Deutschland (inkl. Pensionskassen), gegenüber 2684,613 Großbritannien und 14460,314 USA; GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2016, S. 133. Zu den Hintergründen Cheffins Corporate Ownership and Control, 2008, S. 344, 382. Vergleichend Armour / Enriques / Pargendler / Ringe in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 267, 270 f. 483 Ernst & Young, Wem gehört der DAX? Analyse der Aktionärsstruktur der Dax-Unternehmen, 26.4.2012, S. 2. 484 Treffend Schneider ZGR 2012, 518, 520. Siehe weiter Van der Elst in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 629, 633 ff. 485 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 294 f. 477

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

der Securities Legislation erheblich gestiegenen Verfügbarkeit öffentlicher Informationen zu erklären sein.486 Institutionelle Investoren bauten zudem eigene Abteilungen auf, die Bonitätsbeurteilungen mit weiteren Informationen zusammenführten und in Anlagestrategien einbrachten. Ratingagenturen reagierten mit der Umstellung des Geschäftsmodells auf das emittentenfinanzierte Rating. Trotz eigener Forschungsabteilungen wurden externe Ratings auch weiterhin von institutionellen Investoren eingesetzt, zwar nicht als alleinige Informationsgrundlage, wohl aber für die erste Marktdurchsicht oder auch als Absicherung der eigenen Beurteilung. Zum erneuten Nachfrageanstieg kam es wie bei den Banken mit dem Aufkommen ratinggesteuerter Transaktionen ab den 1980er-Jahren.487 Die Nachfrage institutioneller Investoren nach externen Bonitätsbeurteilungen ist in einem nicht unwesentlichen Umfang regulatorisch bedingt. Bereits die US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre ging allerdings davon aus, dass die externe Bonitätseinschätzung die eigene Risikobeurteilung nicht ersetzen, sondern nur komplementieren durfte. In der Praxis folgten die Verantwortlichen aber wohl letztlich stets der von externen Ratingagenturen gebildeten Bewertung. Dies soll sich auch durch die seit 1991 erfolgenden Klarstellungen der SEC zu ihrer rule 2a-7 zum Investment Company Act von 1940 nicht geändert haben.488 International setzte sich die Entwicklung durch, bestimmten institutionellen Investoren den Erwerb allein von Finanztiteln von „hoher Qualität“, also hohen Bonitätsratings zu gestatten. Jüngeres Zeugnis bietet die BaFin-Richtlinie zu Fondskategorien gemäß § 4 Abs. 2 Kapitalanlagegesetzbuch von Juli 2013. Geldmarktfonds durften hiernach nur in ein Instrument investieren, wenn dieses mindestens eines der zwei höchsten verfügbaren Ratings erhalten hatte oder, sofern kein externes Rating vorlag, eine gleichwertige Qualitätseinstufung im Rahmen des internen Ratingprozesses durch die Kapitalverwaltungsgesellschaft erfolgt war.489 Im Zuge des Rückbaus regulatorischer Bezugnahmen auf extern erstellte Ratings und der Betonung eigener Risikobeurteilungen ist heute immerhin noch eine Neubeurteilung angezeigt, sollte eine der registrierten Ratingagenturen ihre Bonitätsnote absenken.490 Zu einem ratingorientiertem Investitionsverhalten führten (und führen wohl auch weiterhin) die privat gestaltbaren Anlageleitlinien institutioneller Investo486 Übergreifend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 295. Zur Empirik 7. Kapitel: A.I (S. 178 ff., 180 ff). 487 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 295. 488 SEC, Money Market Fund Reform, 17 CFR Parts 270, 274, Release No. IC-29132, 23.2.2010, S. 22 m. w. N. zu früheren Klarstellungen. 489 Näher Schroeter Ratings, 2014, S. 351 f. 490 BaFin, Richtlinie zur Festlegung von Fondskategorien gemäß § 4 Absatz 2 Kapitalanlagegesetzbuch und weitere Transparenzanforderungen an bestimmte Fondskategorien, 22.7.2013, i. d. F. vom 17.4.2015, Art. 3 Nr. 3 lit. b (i) Satz 5, Nr. 4 lit. a Satz 2, Halbs. 2.

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ren.491 Zurückzuverfolgen sind solche Leitlinien in den USA bis in die 1920erJahre, als mutual funds sogenannte approved lists zu führen hatten, die eine Investition in dort nicht genannte Titel nur nach Mitteilung an die Anteilseigner erlaubten. In den 1930er-Jahren setzte sich die flexiblere Inbezugnahme auf eine bestimmte Ratingeinstufung durch.492 Später wurde das Erfordernis einer hohen Bonitätsnote (investment grade) internationaler Standard, und zwar trotz unterschiedlicher Anlageziele der Fonds und trotz zunächst uneinheitlicher gesetzlicher Vorgaben.493 Noch 2013 nahm der finanzstarke Pensionsfonds California Public Employees’ Retirement System (CalPERS) die Vorgabe in sein Global Fixed Income Program auf.494 Die Bedeutung des Investitionsverhaltens institutioneller Investoren und, dadurch vermittelt, der Einfluss von Ratingagenturen und weiteren Intermediären sollte nicht unterschätzt werden. Zunehmend wird versucht, Einflussnahmen der institutionellen Investoren auf die Corporate Governance über (unverbindliche) Kodexnormen anzuregen und anzuleiten.495 Zu nennen sind das vom Bundesverband Investment und Asset Management im Jahr 2011 überarbeitete Regelbuch für Kapitalanlagegesellschaften und der UK Stewardship Code von 2010.496 Die Erfolgschancen werden durchaus kritisch beurteilt.497 Soweit es, von wenigen Ausnahmen wie dem britischen Pensionsfonds Hermes498 abgesehen, nicht zu einer eigenständigen Urteilsbildung und aktiven Einflussnahme kommt, ist davon auszugehen, dass die Anlageentscheidungen der institutionellen Investoren weiterhin auf Grundlage der Beurteilungen Dritter getroffen werden, zu denen neben den hier behandelten Ratings etwa auch die Empfehlungen von Stimmrechtsberatern zählen.499

491 Cantor / ap Gwilym / Thomas 13 J. Fixed Income 13 (2007) zu den Praktiken der Fondsmanager. Siehe auch Dörscher in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1380, Rn. 8.21. 492 Harold Bond Ratings as an Investment Guide, 1938, S. 22. Aktueller Cantor / ap Gwilym /  Thomas 17 J. Fixed Income 13, 14 (Fall 2007), die bei 89 Prozent der in den USA und in Europa verwendeten Anlageleitlinien Inbezugnahmen von Ratingbeurteilungen feststellen. 493 Zu Deutschland Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von RatingAgenturen vom 14.8.2003, S. 3. Zur Schweiz Emmenegger in: Wiegand (Hrsg.), Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 54 f. Zu den USA Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 5 (Summer /  Fall 1994); Crawford 42 Conn. L. Rev. 13, 14 (2009); Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 55 (2004). 494 CalPERS, Statement of Investment Policy for Global Fixed Income Program, 16.11.2015. Siehe dort Appendix 3 zu Credit Rating Portfolio Limits: “The average credit quality of the Program’s portfolio shall be single-A long-term credit rating designation (A by S&P, A2 by Moody’s, and A by Fitch).” 495 Näher Leyens ZEuP 2016, 388, 419. 496 Überblick bei Schneider ZGR 2012, 518, 522. 497 Fleischer ZGR 2011, 155, 164; ders. / Strothotte AG 2011, 221, 223. 498 Näher aus Sicht von Hermes Hirt ZGR 2012, 280, 282 ff. 499 Schneider ZGR 2012, 518, 520.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

II. Angebotsseite Für die Seite der Anbieter von Leistungen der Informationsintermediation sind – mit unterschiedlichen Ausprägungen – Marktkonzentrationen kennzeichnend. Für den Abschlussprüfungs- und Ratingmarkt werfen Konsolidierungstendenzen die Frage nach der Systemrelevanz der verbleibenden Dienstleister auf.500 Bei der Finanzanalyse kann es zwar zur Konzentration des Markts auf wenige oder einen einzelnen Analysten kommen. Die Gründe dafür ergeben sich aber nicht aus den Strukturen des Informationsmarkts, sondern zumeist aus der Erwartung einer Vermittlung von nicht öffentlich verfügbaren Informationen durch den Analysten. 1. Konsolidierung des Wirtschaftsprüfermarkts Die deutsche Wirtschaftsprüferkammer ist nach eigenen Angaben für rund 21.500 berufsständische Mitglieder zuständig.501 Gleichwohl teilen sich aktuell nur vier internationale Prüfungsgesellschaften den Markt für große, insbesondere die von börsennotierten Unternehmen stammenden Prüfungsmandate. Nach Inlandsumsatz wurde die Top Ten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland im Jahr 2014 mit Abstand angeführt von PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte.502 Innerhalb dieser auch international als top four geltenden Riege der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist Deloitte zwar nur rund halb so umsatzstark wie der drittgrößte Anbieter Ernst & Young, aber mehr als dreieinhalbmal stärker als die im Ranking folgende Prüfungsgesellschaft BDO und knapp zehnmal stärker als die auf Platz 10 einzuordnende Warth & Klein Gran Thornton.503 Angesichts von Spezialisierungen wird bei der Prüfung in einzelnen Branchen oder spezifischen Leistungen international von einem unterschiedlich zusammengesetzten Duopol ausgegangen, verbunden mit jeweils erheblichen Marktzutrittsbarrieren für kleine Prüfungsgesellschaften.504

500 Zum Abschlussprüfermarkt Botzem The Politics of Accounting Regulation, 2012, S. 38: „Each of the Big Four is too big too fail“. Ähnlich zu Ratingagenturen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 369. 501 Nach Zählung der WPK vom 1.7.2016 für über 21.000 Mitglieder; jährlich aktualisierte Statistik, www.wpk.de/. 502 Ranking nach Inlandsumsatz 2015 in Millionen Euro: 1. PwC (1636), 2. Ernst & Young (1531), 3. KPMG (1506), 4. Deloitte (789), darauf folgend: 5. BDO (212), 6. Rödl & Partner (183), 7. Ebner Stolz Mönning (167), 8. Baker Tilly Roelfs (137), 9. Roever Broenner Susat Mazars (114), 10. Warth & Klein Gran Thornton (85); Lünendonk-Liste 2016, www.luenendonk.de. 503 Zu den schon früher größenmäßig vergleichbaren Entwicklungen in den USA Coffee Gatekeepers, 2006, S. 158. 504 GAO, Required Study on the Potential Effects of Mandatory Audit Firm Rotation, Report to the Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs and the House Committee on Financial Services, GAO-43-216, November 2003, S. 3, 33.

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Auf den pfadabhängigen Entwicklungslinien markiert der Export der britischen Wirtschaftsprüfung in die USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Ausgangspunkt.505 In den USA kam es wie beschrieben zu einer zunächst unter britischer Dominanz stehenden Gründung von Prüfungsgesellschaften und in der Folgezeit zur Teilung des Berufsstands in große und kleine Gesellschaften. In der Anfangszeit waren große Prüfungsaufträge selten, weil vor dem 20. Jahrhundert kaum Offenlegungspflichten und eine geringe private Nachfrage nach geprüfter Finanzberichterstattung bestanden.506 Umfangreichere Aufträge gingen an die großen Prüfungsgesellschaften britischen Ursprungs. Von den kleineren Gesellschaften mit originär US-amerikanischen Wurzeln wurde die Unterstützung bei der Errichtung von Buchhaltungsverfahren und internen Kontrollsystemen angeboten. Die Prüfer fungierten dabei aber letztlich als Angestellte, verfügten also, den seinerzeit fortschrittlichen britischen Vorstellungen entgegen, nicht über eine hinreichende Unabhängigkeit. Die Teilung des Berufsstands schlug sich im Jahr 1921 in der Neugründung der American Society of Certified Public Accountants (ASCPA) zur Vertretung der Interessen kleiner Prüfungsgesellschaften und Einzelprüfern nieder, die sich durch die seit 1887 existierende American Association of Public Accountants (AAPA) nicht hinreichend repräsentiert sahen. In der Gründerzeit von 1890 bis in die 1920er-Jahre (progressive era) verfestigte sich in den USA die Rolle der Wirtschaftsprüfer als „natural watchdogs of large corporations“.507 Von den durch die Securities Legislation der 1930er-Jahre (allein) für börsennotierte, also zumeist große Gesellschaften geschaffenen Publizitätspflichten profitierte der Berufsstand insgesamt, blieb aber zunächst weiterhin geteilt.508 Der Zusammenschluss der ASCPA und der AAPA zum American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) wird maßgeblich auf das dadurch verbesserte Kräfteverhältnis gegenüber der mit weitreichenden Regulierungsbefugnissen ausgestatteten SEC zurückgeführt. Bis 1980 blieb es bei den sogenannten big eight. Die sodann aus Konsolidierungen hervorgegangenen big five dominierten das US-amerikanische und das internationale Prüfungsgeschäft, bis Arthur Andersen infolge des Enron-Zusammenbruchs von 2001 aufgelöst wurde und die heutigen big four verblieben.509 Die Marktstrukturen sind verschiedentlich vermessen worden, stets mit dem Ergebnis einer kontinuierlichen Konzentrationsentwicklung bei der Prüfung börsennotierter Unternehmen.510 505 Dazu Carey The Rise of the Accounting Profession, 1969, Bd. 1, S. 21. Zu den im Folgenden beschriebenen Entwicklungen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 113 ff. 506 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 118. 507 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 118, Kursivdruck hinzugefügt. 508 Zur Teilung des Berufsstands Carey The Rise of the Accounting Profession, 1969, Bd. 1, S. 314 ff. („The Great Schism“). 509 Zum Zusammenbruch von Enron und zur Auflösung von Arthur Andersen 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 510 Im Überblick Velte KoR 2011, 594; ders. / Freidank ZCG 2012, 26.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Zur Dominanz der angloamerikanisch geprägten internationalen big four im deutschen Prüfungsmarkt kam es, verzögert durch Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg, erst im Wege von Konsolidierungen ab den 1990er-Jahren.511 Vorbereitet waren die dann folgenden Zusammenschlüsse durch zuvor errichtete internationale Netzwerke: Die PricewaterhouseCoopers AG vollzog 1998 ihren internationalen Zusammenschluss. Hinzu trat die Coopers & Lybrand Deutsche Revision, die im Jahr 1995 aus einer Verschmelzung der 1905 gegründeten Treuhand-Vereinigung Aktiengesellschaft sowie der Treuarbeit Aktiengesellschaft von 1922 hervorgegangen war.512 Unter dem Namen Ernst & Young firmieren seit 1999 die Schwäbische Treuhand-AG und die Deutsche Allgemeine Treuhand AG, beide jeweils 1919 gegründet. Bereits vor dem Zusammenschluss von Arthur Young und Ernst & Whinney im Jahr 1989 gehörten sie den jeweiligen internationalen Verbünden an.513 Das Akronym KPMG steht seit der Fusion von 1993 für die von Piet Klynveld 1917 in Amsterdam, die 1870 von William Barclay Peat in London, die 1897 von James Marwick in New York City gegründeten Prüfungsgesellschaften sowie für den Einzelnamen von Reinhard Goerdeler, den langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Treuhand-Gesellschaft und Wegbereiter des KPMG-Verschmelzungsvertrags.514 Die Deloitte & Touche GmbH nahm 2003 die 1988 aus mehreren deutschen Prüfungsgesellschaften hervorgegangene Wollert-Elmendorff Deutsche Industrie-Treuhand GmbH auf.515 2. Anfängliche Konzentration des Ratingmarkts Dem seit dem Aufkommen der Bonitätsbeurteilungen in den USA vorzufindenden Oligopol aus drei Marktteilnehmern steht international eine Vielzahl von Agenturen gegenüber.516 Gleichwohl richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit auch in der Europäischen Union überwiegend auf die Bonitätsbeurteilungen der

511 Zur Entwicklung während Nationalsozialismus und Kriegsjahren Markus Der Wirtschaftsprüfer, 1996, S. 51 ff., 87 ff. und S. 199 ff. mit Überblick zu historischen Konsolidierungen. 512 Zeitstrahl abrufbar unter: www.pwc.de. 513 Zeitstrahl abrufbar unter: www.ey.com. 514 Goerdeler übernahm nach dem Vorstandsvorsitz bei der Deutschen Treuhand-Gesellschaft das Amt des Chairman der Klynveld Main Goerdeler International Accountants (ab 1979), die Präsidentschaft bei der WPK (1973–1975) sowie die erste Präsidentschaft der International Federation of Accountants (1977–1979). Zur Unternehmensgeschichte www. kpmg.com. 515 Zeitstrahl abrufbar unter: www.deloitte.com. 516 Überblick bei Coffee Gatekeepers, 2006, S. 284 ff.

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mit Abstand größten drei US-amerikanischen Agenturen, also Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Die Marktmacht der big three erklärt sich nicht zuletzt aus der Flächenabdeckung ihrer Beurteilungen: Nach Angaben der US-amerikanischen SEC führte im Jahr 2012 Standard & Poor’s mit 1,2 Millionen, dicht gefolgt von Moody’s mit einer Million Ratings und klarem Abstand zu Fitch mit 350.000 Ratings sowie dem gleichsam abgeschlagenen kanadischen Wettbewerber Dominion Bond Rating Service mit seinen 50.000 Ratings.517 Andere, auch außerhalb Nordamerikas angesiedelte Agenturen sind zum Teil spezialisiert oder regional tätig und schaffen keine vergleichbar breite, vor allem keine internationale Marktabdeckung.518 Die Schätzungen zu den Marktanteilen der big three variieren. Für 1999 wird ein Anteil von Standard & Poor’s und Moody’s von jeweils 29 Prozent angenommen. Um 2005 sollen auf Standard & Poor’s 41 Prozent, auf Moody’s 38 Prozent, und auf Fitch 14 Prozent der Ratings entfallen sein. Die USamerikanische SEC meldete im Jahr 2012 einen Marktanteil der drei großen Agenturen von insgesamt 96 Prozent.519 Von der ESMA wird die Verteilung der Anteile innerhalb der EU auf Grundlage von Art. 8d EG-RatingVO jährlich festgestellt. Der Bericht von 2016 zeigt eine zu den USA vergleichbare Verteilung: Standard & Poor’s 45 Prozent, Moody’s 31 Prozent und Fitch 17 Prozent.520 Eine Auflockerung des Oligopols infolge regulatorischer Maßnahmen ist bislang nicht eingetreten und nach Einschätzung der Europäischen Kommmission von 2016 allenfalls längerfristig zu erhoffen.521 Die kleinere Agentur Fitch ist international aufgestellt und soll – allerdings zusammen mit den beiden großen Agenturen – im Markt außerhalb der USA bereits um den Jahrtausendwechsel rund 150 Agenturen gegenübergestanden SEC, Summary Report of Commission Staff’s Examinations of Each Nationally Recognized Statistical Rating Organization, November 2012, S. 7 ff. 518 Aus den USA stammen A.M. Best, Baycorp Advantage, Dun & Bradstreet, Egan-Jones, Morningstar, Rapid Ratings International (US), Public Sector Credit Solutions (US). Aus Japan: Japan Credit Rating Agency. Hinzu kommen aus Afrika: Global Credit Ratings, Levin and Goldstein, Agusto & Co.; aus Indien: ICRA; aus Bangladesh: Credit Rating Information and Services; aus Russland: Muros Ratings. 519 SEC, Summary Report of Commission Staff’s Examinations of Each Nationally Recognized Statistical Rating Organization, November 2012, S. 7. 520 ESMA, Competition and choice in the credit rating industry: Market share calculation required by Article 8d of Regulation 1060/2009 on Credit Rating Agencies as amended, ESMA/2016/1662, 16.12.2016, S. 6. 521 Zum Stand European Commission, Study on the State of the Credit Rating Market, Final Report, MARKT/2014/257/F4/ST/OP, Januar 2016, S. 131. Zur Wirkung der Regulierung Europäische Kommission, Alternativen zu externen Ratings, die Situation am Ratingmarkt, Wettbewerb und Unternehmensführung in der Ratingbranche, die Situation am Markt für Ratings strukturierter Finanzinstrumente und die Realisierbarkeit einer Europäischen Ratingagentur, Bericht, 19.10.2016, COM (2016) 664 fin., S. 19. 517

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haben.522 Wie bei der Wirtschaftsprüfung sind außerdem Spezialisierungen zu berücksichtigen, infolge derer beispielsweise Fitch in den 1990er-Jahren eine starke Rolle bei der Bewertung von hypothekenbesicherten Wertpapieren (mortgage backed securities) zugekommen sein soll. Besondere Beachtung verdient, dass der Konsolidierungsprozess bei den drei großen Agenturen wie beschrieben lang zurückliegt und rasch abgeschlossen war:523 1906 Standard Statistics Bureau, 1916 Poor’s Publishing Company, 1922 Standards Statistics Company, 1924 Fitch Publishing Company, sodann 1933 Zusammenschluss Dun & Bradstreet, die bis 2001 Eigner von Moody’s waren, 1941 Zusammenschluss von Standard Statistics Bureau mit Poor’s zur Standard & Poor’s Corporation, diese 1966 von McGraw-Hill Companies Inc. erworben.524 Die Erklärungen gehen auseinander: Regulatorisch begründete Markteintrittsbarrieren bestanden jedenfalls in den Anfängen nicht. Ausgegangen wird von hohen Kosten für den Aufbau des zunächst maßgeblichen Ratinggeschäfts zu öffentlich gehandelten Schuldverschreibungen.525 Marktorientierte Erklärungsansätze für Entstehung und Fortbestand des Oligopols betonen die Üblichkeit des zweifachen Ratings von Anleihen (Zwei-plus-Usance).526 Im Jahr 2002 beauftragten 77,2 Prozent der US-Emittenten üblicherweise zwei Agenturen, 20,2 Prozent sogar mehr als zwei Agenturen.527 Ein Verdrängungswettbewerb kann unter diesen Umständen nicht aufkommen. Andere betonen regulatorische Ursachen, darunter insbesondere das 1973 angenommene NRSROKonzept.528 Danach war keine Registrierung ohne Anerkennung durch den nationalen Markt, umgekehrt aber auch keine Anerkennung ohne Registrierung zu erreichen, dies mit offensichtlichen Markteintrittsbarrieren. Hinzu kam die lange Dauer des Registrierungsverfahrens. Beispielsweise soll die Registrierung von LACE Financial über 13 Jahre gedauert haben.529 Zwischen 1980 und 2000 kam es nur zu vier erfolgreichen Anerkennungsverfahren. 522 Basel Committee on Banking Supervision Working Group (Arturo Estrella), Credit ratings and complementary sources of credit quality information, August 2000, S. 14. Aufgegriffen durch SEC, Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Market, Januar 2003, S. 37 Fn. 98. Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 285. 523 Im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang der Berufsstände 5. Kapitel: A.II.3 (S. 63 ff.). 524 Überblick bei Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994). Im Einzelnen 5. Kapitel: A.II.3 (S. 63). 525 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 294. 526 Schroeter Ratings, 2014, S. 259, 540. 527 Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. Acct. 1367, 1377 (2002) 528 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 285, 291. Zum NRSRO-Konzept 5. Kapitel: B.I.3.a (S. 93). 529 Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 55 Fn. 61 (2004).

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Zumeist wurden die Bewerber von den etablierten drei Agenturen geschluckt.530 Das gilt nicht nur für die beiden marktführenden Agenturen. Die seit 1932 auf Versorgungsunternehmen spezialisierte Agentur Duff & Phelps etwa wurde nach der Erweiterung ihrer Analyseabdeckung auf sonstige Publikumsgesellschaften im Jahr 1982 durch Fitch übernommen. Die mit den deutlich größeren Wettbewerbern ringende Agentur Fitch wird auch als „buyer of last resort“531 bezeichnet. Den derzeitigen Marktanteil kann Fitch im Wettbewerb mit den beiden großen Agenturen nur halten, wenn neu in den Markt drängende Bewerber übernommen werden. Vorstöße zur Aufweichung des Oligopols durch Gründung privater oder staatlicher Agenturen scheiterten durchweg.532 Das gilt für die Pläne zur Gründung einer Swiss Rating Agency von 1980,533 die des 1988 von 16 namhaften deutschen Unternehmen gegründeten Arbeitskreises Rating534 und die der Unternehmensberatung Roland Berger zur Gründung einer europäischen Ratingagentur im zeitlichen Umfeld der Finanzmarktkrise von 2008. Das Scheitern dieser Vorhaben wird neben Finanzierungsfragen auf die Befürchtung mangelnder Unabhängigkeit zurückgeführt. Erfahrungen im Zusammenhang mit japanischen Ratingagenturen belegen die tendenziell positivere Beurteilung durch lokale Anbieter. International überwiegt die Befürchtung mangelnder Glaubwürdigkeit staatlicher Bonitätsbeurteilungen.535 Die Europäische Kommission verwarf den Gedanken an die Gründung einer europäischen Ratingagentur wegen Gefahren mitgliedstaatlicher Einflussnahmen und Problemen bei der Aufsicht.536 Insbesondere sei kein zusätzlicher Nutzen bei der Bewertung von Staatsanleihen zu erhoffen.537 Eine Rolle gespielt haben dürf-

530 Beispiele: Duff and Phelps (1982); McCarthy Crisanti & Maffei Inc. (1983), IBCA Limited (1990) und Thomson Bank Watch (1999). Näher SEC, Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Market, Januar 2003, S. 9. 531 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 294. 532 Schroeter 6 JARAF 14, 24 (2011). Für die Gründung einer europäischen Ratingagentur Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 223. Zum Vorschlag der Betrauung lediglich mit der Kontrolle der Qualität von Ratings Haar ZBB 2010, 185, 193. 533 Dazu Schroeter Ratings, 2014, S. 526. 534 Zum Scheitern Breuer WM 1991, 1109. Erneuter Vorschlag bei Claussen DB 2009, 999, 1003. 535 Deutliche Stellungnahme bei Manns 87 N.C. L. Rev. 1011, 1018 Fn. 17 (2009). Siehe auch Amtenbrink / de Haan 45 CMLR. 1915, 1947 (2009). 536 Erwägungsgrund 23 RatingVO. Näher FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 34. 537 Europäische Kommission, Alternativen zu externen Ratings, die Situation am Ratingmarkt, Wettbewerb und Unternehmensführung in der Ratingbranche, die Situation am Markt für Ratings strukturierter Finanzinstrumente und die Realisierbarkeit einer Europäischen Ratingagentur, Bericht, 19.10.2016, COM (2016) 664 fin., S. 23.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

ten auch die hohen Kosten (300 bis 500 Millionen Euro).538 Die gegen die in den USA mehrfach erwogene behördliche Übernahme der Aufgaben des Abschlussprüfers vorgebrachten Einwände von Informationsnachteilen staatlicher Stellen spielten hingegen in der durch öffentliche Empörung nach Krisen gesteuerten Diskussion keine Rolle.539 Mit ihrem Zusammenschluss zur Universal Credit Rating Group im Jahr 2013 bezwecken kleinere Marktteilnehmer aus China, Russland und den USA den Aufbau einer „Gegenmacht“ zu den großen Agenturen. Angesichts der kaum einholbaren Größenvorteile der big three wird dies den Markt aller Voraussicht nach nicht umwälzen. Wichtiger könnte die unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsmodells näher zu besprechende Ergänzung der emittentenfinanzierten durch investorenfinanzierte Bonitätsbeurteilungen sein, wie sie etwa von der durch die SEC 2007 als NRSRO zugelassenen Ratingagentur Egan Jones erbracht werden.540 Nach dem Enron-Zusammenbruch entwickelte sich die Opposition gegen die – auch aus Sicht der verantwortlichen SEC541 – den Markteintritt neuer Agenturen erschwerende, wenn nicht verstellende Anerkennungspraxis.542 Die Kritik entlud sich im Vorschlag eines Credit Rating Agency Duopoly Relief Act.543 Erlassen wurde das Gesetz 2006 unter der (weniger pikanten) Bezeichnung Credit Rating Agencies Reform Act.544 Festgehalten wurden erstmals Kriterien für die Anerkennung und den verfahrensmäßig geordneten Ablauf. Bis 2007 wurden zusätzlich zu den drei großen vier neue Agenturen als NRSRO anerkannt, die aber bislang nur in Nischen erfolgreich tätig sind.545 In der Europäischen Union wird das Problem der Marktkonzentration erkannt, wie schon die Erwägungsgründe zur EG-RatingVO von 2009 belegten.546 Europäische Kommission, MEMO/11/788, 15.11.2011. Zu den USA O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 784 (2004); Sutton 11 Acct. Horiz. 86 (1997). Zu den Schwächen staatlicher Regulierung am Beispiel der Anforderungen an die Prüferunabhängigkeit Marx ZGR 2002, 292, 315. 540 SEC, Order Granting Registration of Egan-Jones Rating Company as a Nationally Recognised Statistical Rating Organization, Release No. 57031, 21.12.2007. 541 SEC, Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Market, Januar 2003, S. 37. 542 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 292. 543 Dazu Schroeter Ratings, 2014, S. 607 m. w. N. 544 Eingefügt wurde section 15E Securities Exchange act 1934 mit der Überschrift „Registration of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“. 545 SEC, Seven Credit Rating Agencies Register with SEC as Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, Release 2007-199, 24.9.2007. Zugelassen wurden neben den big three die Agenturen A.M. Best Company, DBRS, Japan Credit Rating Agency, Rating and Investment Information. 546 Noch zurückhaltend Erwägungsgrund zur 55 EG-RatingVO a. E.: „Auch sollte das Auftreten neuer Akteure auf dem Markt für Ratingagenturen gefördert werden.“ Sodann Politikziel nach Erwägungsgründen 2 ff., 9 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 538 539

5. Kapitel: Entwicklungen

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Es wird auch im gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang behandelt, etwa im Aktionsplan der Europäischen Kommission 2012.547 Erfolgversprechende Lösungen zeichnen sich nicht ab. Immerhin registrierte die ESMA bis 2011, also zeitnah zum Inkrafttreten des Registrierungserfordernisses 37 Ratingagenturen, davon allerdings über 10 als Ableger der big three.548 3. Wendepunkte im Markt für Finanzanalyse Im Markt für Finanzanalyse ist zunächst keine aus wettbewerblicher Sicht problematische Konzentration zu vermuten. Das CFA Institute meldet über 100.000 Mitglieder.549 Kaum übersehbar wird den Empfehlungen der bei Großbanken beschäftigen Star-Analysten aber die höchste Beachtung geschenkt. Bei realistischer Betrachtung verengt sich der Informationsmarkt also weitgehend auf diese, die verkaufsseitig tätigen Analysten. Die Entwicklungsschritte des international durch die mächtigen US-amerikanischen Investmentbanken bestimmten Geschäfts der Finanzanalyse ergaben sich aus den zum Teil bereits besprochenen, zum Teil noch im Zusammenhang mit Finanzierungsstrukturen zu beleuchtenden Regulierungsschritten: Als in den USA am 1. Mai 1975 (bekannt als: May Day), später auch in Deutschland die Brokerage-Gebühren freigegeben wurden, entfiel die bis dahin vorherrschende Praxis, den Absatz mehr oder weniger allein durch das Angebot kostenloser Finanzanalysen zu steigern, mit der Folge des stärkeren Einsatzes interner Analysten auf Nachfrageseite.550 Gleichwohl bildete sich im Zuge der Erwartungen des Markts an die Informationsversorgung bankintern eine führende Rolle des verkaufsseitig tätigen Analysten heraus, der in engem Kontakt zum Emittenten stehend nicht öffentlich verfügbare Informationen bereitstellte und damit zum wichtigsten Mittler zwischen Investmentbanking, Vertrieb und Research aufstieg. Das von der Europäischen Union nicht nachvollzogene Verbot der privaten Weitergabe selbst von nicht kursrelevanten Informationen durch die US-amerikanischen Regulation Fair Disclosure von 2000 ebnete diese Rolle ein.551 Auf heutigem Stand sind sowohl in den USA als auch nach dem heute zur Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie dienenden § 5a Abs. 1 Satz 2 Europäische Kommission, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, Mitteilung v. 12.12.2012, COM (2012) 740 final, S. 12, Abschn. 3.3: „[…] mangelnde Wettbewerb in diesem Sektor […] nicht klar, inwiefern die Beratung die Bedürfnisse der Anleger erfüllt“. 548 Derzeit 45 Registrierungen; ESMA, List of registered and certified CRA’s, Stand: 29.3.2017, www.esma.europa.eu. 549 Zum CFA Institute 5. Kapitel: A.II.3 (S. 63). 550 Weiter zur Finanzierung der Finanzanalyse 5. Kapitel: C.III.2 (S. 135). 551 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 263 f. Vergleichend Drygala WM 2001, 1282 (Teil 1), 1313 (Teil 2). 547

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Nr. 1 FinAnV interne Unterbrechungen der Informationsflüsse zwischen Investmentbanking und Analyseabteilung einzurichten. Eine allein an die Absatzinteressen des Instituts gebundene Analystenempfehlung soll durch diese und weitere, vor allem vergütungsbezogene Maßnahmen unterbunden werden.552 Der Erhalt einer von der Verkaufsseite unabhängigen Analyse stellt sich als größte Herausforderung dar. Publikumswirksame Anstöße wie die Verpflichtung der großen Investmentbanken auf die Finanzierung unabhängiger Analysen durch das Global Settlement sind aus den besprochenen Gründen ohne nachhaltigen Einfluss geblieben.553 Private Vorstöße wie das 2005 von der internationalen Nachrichtenagentur Reuters zusammen mit der NASDAQ errichtete Independent Research Network (IRN) konnten sich mangels hinreichender Nachfrage nicht durchsetzen.554

III. Kostenteilung Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage schlägt sich in unterschiedlichen Finanzierungsmodellen der Informationsintermediation nieder. Vom Aufkommen der einzelnen Intermediationsleistungen bis zur Jetztzeit ist ein Wandel der Geschäftsmodelle zu beobachten, der in unterschiedlichem Umfang durch technische Innovation, durch Regulierung, aber auch das Hinzutreten neuer Informationskanäle bedingt ist. Auf heutigem Stand sind Modelle der Emittenten- bzw. Investorenfinanzierung sowie der Quersubventionierung durch andere vom Intermediär erbrachte Leistungen zu unterscheiden. 1. Emittentenfinanzierung von Abschlussprüfung und Rating Die Kosten der Abschlussprüfung sind vom Emittenten zu tragen (issuer pay), also letztlich durch die Anteilseigner. Dies galt schon für die Anfang des 20. Jahrhunderts im Auftrag des Aufsichtsrats erbrachten freiwilligen Prüfungen. Die Anordnung der Pflichtprüfung, in Deutschland durch die Notverordnung von 1931, verfestigte dieses Finanzierungsmodell. Ebenfalls (weitgehend) emittentenfinanziert ist das Bonitätsrating.555 Seit der erstmals Ratingkürzel verwendenden „Moody’s Analysis of Railroad Investments“ von 1909 wurden die Bonitätsbeurteilungen allerdings zunächst im Abonnementgeschäft erbracht, also durch Investoren finanziert (investor pay).556 In den 1970er-Jahren kam es sodann zum kollektiven Übergang auf das emittentenfinanzierte Rating (issuer pay). Zum Wandel beigetragen hatten das Informa552 Im Einzelnen zu den Unabhängigkeitsanforderungen 13. Kapitel: B.I.2.c (S. 623) und zu Vergütungsregeln 13. Kapitel: C.I.2.c (S. 698). 553 Näher 5. Kapitel: B.III.3 (S. 114). 554 Zum Ganzen Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 83 (2007). 555 Überblick bei Coffee Gatekeepers, 2006, S. 295. 556 Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994).

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tionsmodell der US-amerikanischen Securities Legislation aus den 1930er-Jahren und der fortlaufende Ausbau öffentlich verfügbarer Unternehmensdaten. Mit der Kopiertechnik der 1960er-Jahre standen kostengünstige Vervielfältigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Finanzierung über Abonnements erwies sich nicht mehr als tragfähig.557 Als konkreter Auslöser wird der Zusammenbruch der Eisenbahngesellschaft Penn Central von 1970 erachtet, die zwar über positive Beurteilungen durch eine Kreditauskunftei, nicht aber über eine öffentliches Rating verfügt hatte.558 Der daraufhin einsetzenden Nachfrage der Investoren beugten sich die Emittenten. Mit der Eigenfinanzierung ihrer Bonitätsbeurteilung verbanden Emittenten auch die Hoffnung auf einen höheren Ressourceneinsatz der Agenturen und genauere (positivere) Beurteilungen. Anzunehmen ist, dass sich kaum schwächere Finanzierungsanreize aus den Möglichkeiten zur direkteren Einflussnahme auf die Beurteilungsergebnisse ergaben. Mit der Anerkennung der US-amerikanischen Agentur Egan Jones als NRSRO im Jahr 2007 als neunte anerkannte Agentur deutet sich eine Anreicherung des marktlichen Informationsbestands um investorenfinanzierte Bonitätsbeurteilungen an. Eine kollektive Rückkehr zum investorenfinanzierten Rating ist angesichts der im Vergleich zu den großen Agenturen verschwindend kleinen Marktanteile aber nicht zu erwarten. Der Anteil investorenfinanzierter Beurteilungen soll insgesamt bei 5 bis 10 Prozent liegen.559 2. Investorenfinanzierung der Finanzanalyse Finanzanalysen werden demgegenüber nur zu kleineren Teilen durch Emittenten finanziert. Übergreifend ist wie folgt zu differenzieren: insbesondere die transaktionsbezogene Analyse (deal related research), die Banken, soweit zulässig, zur Förderung der von ihnen begleiteten Transaktionen erbringen, wird von den durch Emittenten entrichteten Gebühren getragen. Hiervon zu unterscheiden sind die nicht auf eine bestimmte Transaktion bezogenen Analysen (non-deal related research).560 Diese werden entweder durch auf Emittentenseite stehende Banken (sell side) oder durch einzelne Investoren (buy side) finanziert. Im Einzelnen werden als auf Investorenseite (buy side) stehend letztlich nur diejenigen Finanzanalysten eingeordnet, die bei institutionellen Investoren (z. B. Pensionsfonds) angestellt sind und ihre Empfehlungen zum institutseigenen Gebrauch erstellen. Als auf Emittentenseite (sell side) stehend gelten die vorwiegend bei Universal- oder Investmentbanken beschäftigten Analysten. Soweit die Darcy Colum. Bus. L. Rev. 605, 623 (2009). Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 4 (Summer / Fall 1994). 559 Schroeter 6 JARAF 14, 21 (2011). 560 Überblick zum Ganzen bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 2. 557 558

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Finanzanalyse ohne Vereinbarung mit einzelnen Anlegern erstellt wird, dient die öffentliche Zugänglichkeit der Analyse der Absatzförderung und ist durch andere Leistungen der Bank querfinanziert. Wird die Analyse auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung erstellt, kommen insbesondere institutionelle Investoren im Wege der Provisionszahlungen bei der Abwicklung ihrer Transaktionen über die den Analysten beschäftigende Bank für die Kosten auf. Die Einordnung als sell side darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass Investoren unabhängig von etwaigem Anteilseigentum, vermittelt über die Ausführungsgebühren, die Kosten tragen. Der Absatz bei institutionellen Investoren wird als wichtigste Finanzierungsquelle für die Erstellung öffentlich verfügbarer Finanzanalyse erachtet.561 Ihr Aufkommen in den USA wird auf die Freigabe der Brokerage-Gebühren am 1. Mai 1975562 (May Day),563 zurückgeführt.564 In Deutschland fiel die Gebührenfestlegung später weg.565 Solange die Gebühren festgelegt waren, konnten zusätzliche Gewinne nur durch höhere Auftragseingänge erzielt werden. Zur Absatzsteigerung wurden kostenlose Finanzanalysen angeboten. Nach der Freigabe konnte sich der Wettbewerb demgegenüber auch über die Höhe der Brokerage-Gebühren entfalten. Beobachtet wurde eine Absenkung der Kommissionen um 57 Prozent für institutionelle und um 20 Prozent für individuelle Investoren.566 Zugleich kam es zu einer gewissen Entflechtung von Analyse und Vertrieb. An die Stelle der zuvor starken verkaufsseitigen Analyse trat insbesondere bei institutionellen Investoren zunehmend die interne Finanzanalyse (inhouse financial analysis). Nur so war sicherzustellen, dass die Analysergebnisse zuerst vom eigenen Haus genutzt werden konnten. Die verkaufsseitige Finanzanalyse verschwand nicht. Zu erklären ist dies wohl am ehesten daraus, dass der Markt mittlerweile auf diese Form der Informationsintermediation eingestellt war. Mittelbar hatte die Gebührenfreigabe also zur Folge, dass die öffentlich verfügbaren Finanzanalysen letztlich durch institutionelle Investoren finanziert werden. Die Zahlungsbereitschaft des einzelnen Fondsmanagers wird daraus erklärt, dass die Kosten auf diese Weise vom Fonds und nicht vom einzelnen Berater getragen werden (soft dollars).567 Gegenüber der breiten Masse der Investoren können Banken diese Finanzierungsform nicht durchsetzen. Zum einen konvergiert der Wert der Analyse bei ihrem öffentlichen Bekanntwerden angeFisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1090 (2007). SEC, Fixing of Rates of Commission, Exchange Act Release No. 34-11203, 40 Fed. Reg. 7, 394, 20.2.1975. 563 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 255. 564 Zur Entwicklung Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 286 f. (2003); Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1088 (2007); Judge 82 U. Chi. L. Rev. 573, 594 (2015). 565 Näher Hax Informationsintermediation, 1998, S. 20. 566 Zum Folgenden Coffee Gatekeepers, 2006, S. 255. 567 Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 49 ff., 52 (2007); dies. 58 Ala. L. Rev. 1083, 1089 (2007). 561 562

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sichts moderner Kommunikationstechnologien schnell gegen null, zum anderen kann trotz Inanspruchnahme der Empfehlung mit einem anderen Anbieter (zu geringeren Gebühren) kontrahiert werden. Hinzu kommt, dass ab den 1990er-Jahren das Investmentgeschäft zum profitabelsten Geschäftszweig wurde und die Einnahmen aus Brokerage-Gebühren verdrängte.568 Zur Aufmerksamkeit für den einzelnen, bei einem führenden Institut beschäftigten Analysten trugen die Konsolidierungen der Investmentbanken bei.569 Die Beschäftigung eines Star-Analysten wurde aus mehreren Gründen zu einem zentralen Faktor für die Einwerbung lukrativer Mandate zur Begleitung von Börsengängen: Zum einen halfen Star-Analysten bei der Werbung um Zeichner vor dem Börsengang (book building), zum anderen kam es Kontrollaktionären weniger auf den Ausgabepreis und mehr auf den voraussichtlichen Börsenkurs nach Ablauf der sechsmonatigen Handelsbeschränkungen an (lock-up period). Star-Analysten hatten an den Verhandlungen teilzunehmen und ihre Bereitschaft dazu zu erklären, ob und wie sie den Kurs anfänglich und fortlaufend unterstützten, z. B. durch eine vorteilhafte Analyse kurz vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist (booster shot).570 Hieran bestand ein verständliches Interesse der Beteiligten, weil Leerverkäufer (short seller) mit Ablauf der Sechs-Monats-Frist von einer Diversifikation der Erstzeichner, also von Verkäufen, ausgehen und sich so deren Gewinne aneignen können.571 Für den einzelnen Analysten ergaben sich vor diesem Hintergrund neue Möglichkeiten zur Steigerung der eigenen Einkünfte, Schätzungen zufolge bis hin zu 20 Millionen US-Dollar für den auf den Telekommunikationsmarkt spezialisierten Analysten Jack Grubman von Salomon Smith Barney (heute: Citigroup).572 Aus der zunehmenden Spezialisierung auf einen bestimmten Industriezweig ergaben sich aber auch neue Abhängigkeiten. Bei Abbruch der Kommunikation durch einen in dem bestimmten Industriezweig führenden Emittenten kam es zu erheblichen Informationseinbußen, dies verbunden mit dem Verlust der Möglichkeit zur Weitergabe von Informationen an ausgewählte institutionelle Investoren (selective disclosure).573 Wie beschrieben verstellte die US-amerikanische Regulation Fair Disclosure von 2000 die selektive Weitergabe auch von nicht kursrelevanten Informationen vom Emittenten an den Analysten. Hierin liegt ein Schritt, der über die europäische Gesetzgebung zu Insider- und Marktmanipulationsrecht hinausgeht.574

Coffee Gatekeepers, 2006, S. 256; Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1046 (2003). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 256. 570 Mit Fallbeispielen Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1052 (2003). 571 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 257 f. 572 Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1053 (2003). Siehe auch Seibt ZGR 2006, 501 f. 573 Dazu Coffee Gatekeepers, 2006, S. 257 f. Fallbeispiele bei Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1054 (2003). 574 Näher 5. Kapitel: C.II.3 (S. 133). 568 569

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

3. Quersubventionierungen und Anteilseignerstrukturen Die Kostenteilung bei der Finanzanalyse ließe sich auch als Modell der Quersubventionierung einordnen. Der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden Analysen überwiegend von Banken, die ihre Forschungsabteilungen aus den Geschäftseinnahmen anderer Bereiche finanzieren. Elemente der Quersubventionierung sind aber auch bei andere Formen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation zu finden. Im Einzelnen sind solche Kostenverschiebungen von außen nur eingeschränkt beobachtbar. Ohne Finanzierungsquelle, gegebenenfalls aus anderen Leistungsangeboten, kann jedenfalls die auftragslose Informationsintermediation schlechterdings nicht auskommen.575 Bereits die bloße Möglichkeit zur Einwerbung nicht intermediationsbezogener Leistungen birgt allerdings die Gefahr von Interessenkonflikten und Beeinträchtigungen der Informationsintegrität. Besonders gut erforscht sind Kombinationen der Abschlussprüfung mit Leistungen der Steuer- und Unternehmensberatung (Full-Service-Konzept).576 Bis zu den Reaktionen auf den Enron-Zusammenbruch von 2001 und den international folgenden Einschränkungen war das Angebot von Zusatzleistungen allerdings bereits zum integralen Bestandteil der nicht zuletzt gesetzlich angestoßenen Aufgabenstellung geworden. Deutlich wird dies etwa an der seit dem KonTraG 1998 verpflichtenden, aber zuvor bereits privat vereinbarten Prüfung des Risikofrüherkennungssystems. In Bezug auf die Steuerberatung werden die Wurzeln des Full-ServiceKonzepts auf den US-amerikanischen Corporation Tax Act von 1909 und auf das im Jahr 1913 reformierte Einkommenssteuerrecht zurückverfolgt.577 Die Rolle des Prüfers veränderte sich dadurch in Richtung eines anwaltlichen Interessenvertreters gegenüber der Steuerbehörde. Weder Berufsstand noch Aufsicht waren auf die Unvereinbarkeiten mit der durch die Securities Legislation der 1930er-Jahre verfestigten Rolle als Garant der Rechnungslegung vorbereitet.578 Pressemeldungen aus dem Jahr 2013 zufolge sehen die deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihre größten Wachstumschancen in der Steuerberatung, die mit einem Umsatzanteil von 36 Prozent den zweitgrößten Geschäftsbereich nach der Prüfung mit ihrem Anteil von 44 Prozent ausmacht.579 Vorläufer eines integrierten Angebots von Leistungen der Unternehmensberatung finden sich ab den 1950er-Jahren. Prominentes Beispiel ist die von Arthur Treffend Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1079 (2003) zur Finanzanalyse: „Society cannot reasonably expect analysts to engage in costly research and then disseminate the results of that research to the market for free, absent some other source of financing.“ 576 Zum Aufkommen des Full-Service-Konzepts in Deutschland Marx ZGR 2002, 292 ff. sowie eingehend dies. Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 40. 577 O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 783 (2004). 578 O’Connor 45 B.C. L. Rev. 741, 784 (2004). 579 Z. B. FAZ v. 2.7.2013, Nr. 150, S. 16. 575

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Andersen betreute Automatisierung der Lohnbuchhaltung von General Electrics im Jahr 1953. Im Zuge des Fortschritts der elektronischen Datenverarbeitung machte die Beratung zu Informationstechnologien bis 1960 rund ein Viertel der Einnahmen von Arthur Andersen aus. In den 1970er-Jahren führten Bestechungsskandale zur systematischen Ausweitung der Prüfung auf die internen Kontrollsysteme. Darin wird zum Teil eine Rückorientierung der Abschlussprüfung auf die Legalitätskontrolle und Betrugsvermeidung gesehen. Zugleich ergab sich aus der Ausweitung der Prüfungsgegenstände aber auch ein lukratives Zusatzgeschäft. Der dann folgende rasante Ausbau des Beratungsgeschäfts begann bei der Wirtschaftsprüfung in den 1980er-Jahren. Die Prüfungsleistung wurde zu einer bloßen Komponente, nicht der ertragreichsten, innerhalb des kommerzialisierten Geschäfts (commodification of the audit).580 Die Einnahmen aus Nichtprüfungsleistungen bei den big eight machten zunächst zwischen 11 und 28 Prozent der Gesamteinnahmen aus, bis Ende der 1980er-Jahre stiegen sie bei Arthur Andersen auf 44 Prozent an. Angeführt von Arthur Andersen begann eine Transformation der Prüfungsgesellschaften zu Universaldienstleistern (full service advisory firms). Zur Abspaltung von Andersen Consulting im Jahr 1989 (heute: Accenture) soll es vornehmlich wegen nicht überbrückbarer interner Konflikte bei der Verteilung der Gewinne aus dem hochprofitablen Beratungsgeschäft gekommen sein. Der Aufwärtstrend bei den Einnahmen aus prüfungsnahen Zusatzleistungen setzte sich bei der den Markt dominierenden top five bis hin zur Verdopplung zwischen 1990 und 1999 fort. Die Einnahmen aus der Abschlussprüfung machten 34 Prozent, die aus der Steuerberatung 22 Prozent und aus sonstigen Beratungsleistungen 44 Prozent aus.581 Um 2000 erzielte Arthur Andersen 25 Millionen US-Dollar aus Prüfungsgebühren, ca. 27 Millionen US-Dollar aus Nichtprüfungsleistungen bzw. dem Beratungsgeschäft. Wegen der drohenden aufsichtsbehördlichen Intervention durch die SEC spalteten vier der seinerzeit noch fünf großen Prüfungsgesellschaften im Jahr 2000 ihre bisher schon teils rechtlich selbständigen Consulting-Sparten vollständig ab oder verkauften sie an Wirtschaftsunternehmen, um sich fortan auf ihr Kerngeschäft, Abschlussprüfung und Steuerberatung, zu konzentrieren.582 Den Wandel leitete der auf den Enron-Zusammenbruch folgende SarbanesOxley Act von 2002 ein: Parallel zur Abschlussprüfung erbrachte Steuerberatungsleistungen wurden weitgehend verboten. Die noch zulässigen Nichtprüfungsleistungen müssen seitdem vom unabhängigen Prüfungsausschuss (audit committee) genehmigt werden. In der Folgezeit sank die Anzahl der Unternehmen, die Beratungsleistungen von ihrem Abschlussprüfer in Anspruch nahmen, 580 581 582

O’Connor 81 Wash. L. Rev. 525, 537 (2006). Panel on Audit Effectiveness Report and Recommendations, 31.8.2000, S. 112. Marx ZGR 2002, 292, 296.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

von 60 Prozent im Jahr 2002 auf 2 Prozent im Jahr 2004.583 Überlegt wird, ob die wahre Ursache dieses Wandels in der verstärkt im Jahr 2002 zu beobachtenden Empfehlung der Stimmrechtsberater (proxy advisors) zu sehen ist, nicht zum Abschlussprüfer zu bestellen, wer gleichzeitig Beratungsleistungen anbietet.584 Vergleichbare Überlegungen zum Einfluss der Stimmrechtsberater finden sich angesichts des erheblich angestiegenen Anteilsbesitzes institutioneller Investoren auch in Deutschland.585 Beim Bonitätsrating ist das Angebot zusätzlicher Leistungen nach der EGRatingVO 2009 im Konsens mit dem US-amerikanischen Dodd-Frank Act weitestgehend untersagt. Der Annahme von mit der Abschlussprüfung vergleichbaren Konflikten aus der Kombination von Bonitätsbeurteilung und der Beratung wird vereinzelt entgegengetreten.586 Überwiegend werden hingegen vergleichbare Gefährdungslagen angenommen.587 In der Literatur wird von einem verstärkten Angebot von Beratungsleistungen mit nicht unwesentlichem Anteil an den Gesamteinnahmen ab den 1990er-Jahren ausgegangen.588 Laut einer Befragung der Agenturen durch die SEC aus dem Jahr 2003 handelte es sich nur um einen kleinen Anteil an den Gesamteinnahmen („a very small portion of their total revenues“).589 Außerdem sollen die Anteile der Einnahmen von einem einzelnen Emittenten lediglich bei 1 Prozent der Gesamteinnahmen gelegen haben. Strukturell ist das Ratinggeschäft bei den großen Agenturen jeweils in weitere Konzernaktivitäten eingebunden. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Abschlussprüfung, denn nach § 28 WPO sind Gesellschafterstellungen für nicht dem Berufsstand oder nahestehenden Berufen angehörende Personen nur in engen Grenzen zulässig. Aus den Anteilseignerstrukturen der Agenturen ergeben sich nach vereinzelter Meinung keine größeren Interessenkonflikte.590 Diese Einschätzung dürfte überkommen sein. Dem Bericht der französischen Autorité des Marchés Financiers von 2007 zufolge sind bei Moody’s konzerninterne Trennungen zu verzeichnen.591 Moody’s Standard & Poor’s 500 stock index. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 152. 585 Schneider ZGR 2012, 518, 520. 586 Schroeter Ratings, 2014, S. 730. 587 ESME’s report to the European Commission, Role of Credit Rating Agencies, Juni 2008, S. 20 (Empfehlungen 9 und 10): „CRAs should not undertake advisory or consultancy work for an issuer they are rating. A CRA should disclose whether any one issuer / originator or sponsoring bank makes up more than 10% of the CRA’s revenue derived from the issuance of ratings.“ 588 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 287. 589 SEC, Rating Agencies and the Use of Credit Ratings under the Federal Securities Laws, Concept Release, 4.6.2003, Abschn. II. D. 590 Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 2 (Summer / Fall 1994). 591 AMF, 2007 Report on rating agencies, Credit Rating of Corporate Issuers, 17.1.2008, S. 35. 583 584

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errichtete neben der für das Ratinggeschäft zuständigen Moody’s Investor Services die neue Einheit Moody’s Analytics für das Angebot sonstiger Informationsdienstleistungen des Konzerns. Standard & Poor’s ist seit 1966 als Markenname in den US-amerikanischen Medienkonzern McGraw-Hill eingebunden, unter dessen Dach Börsenindices (S&P Dow Jones Indices), etwa auch architekturbezogene Publikationen (McGraw-Hill Construction) und ausbildungsbezogene Software-Entwicklungen (McGraw-Hill Education) angeboten werden. Zu den Anteilseignern von McGraw-Hill gehören allerdings auch die amerikanischen Fondsgesellschaften Vanguard, Capital World, State Street, Black Rock, die gleichzeitig an Standard & Poor’s beteiligt sind. Fitch gehörte zunächst vornehmlich dem französischen Medienunternehmen FIMALAC, das sowohl im Finanz- als auch im Immobiliensektor tätig ist. Heute hält der US-amerikanische Medienkonzern Hearst den größten Anteil. Die Konzernverbünde unterliegen einem Wandel, der auf der Suche nach Aktualität fortlaufend nachzuverfolgen wäre. Von grundsätzlicherer Bedeutung ist die Vermutung, dass Ratingagenturen schon wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit ihrer Bonitätsbeurteilungen wichtige Markennamen darstellen. Der Schluss auf besondere Interessenkonflikte bei den großen Agenturen, also Konflikte, die anderswo nicht oder nicht so zu beobachten sind, ist nicht zwingend zu ziehen. Ähnlich wie die zuvor genannten drei großen, durch Emittentenaufträge finanzierten Agenturen ist auch die auf investorenfinanzierte Ratings setzende Agentur Morningstar in Konzernstrukturen eingebunden. Ihre Tochtergesellschaften bieten neben Finanzinformations- und Analyseleistungen Vermögensplanungs- und Anlageberatungsdienste an (z. B. Ibbotson Associates).592 Produktbezogen ist bei den beauftragten Bonitätsbeurteilungen (solicited ratings) zwischen dem Anleiherating, dem Rating strukturierter Finanzprodukte und der in manchen Ländern vorkommenden transaktionsbezogenen Bonitätsbeurteilung durch Banken zu unterscheiden. Quersubventionierungen sind beim Anleiherating nicht ersichtlich. Im Rahmen der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise 2008 ist demgegenüber die Einbindung von Ratingagenturen in die Strukturierung von Finanzprodukten in den Blick geraten. Strukturierte Finanzprodukte sind in den bekannt gewordenen Formen erst zusammen mit einer Bonitätsbeurteilung absetzbar, zählen also zu den ab den 1980er-Jahren verstärkt zu beobachtenden ratingbasierten Transaktionen.593 Bis 2008 stiegen die Einnahmen aus der Beurteilung strukturierter Finanzprodukte auf 40 bis 50 Prozent der Gesamteinnahmen an.594 Dabei kam es allerdings nicht zu einer Kombination von Rating und Beratung, die in ihrem Ablauf mit den Leistungskombinationen bei der Abschlussprüfung vergleichbar wäre. Zum Ganzen Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1097 (2007). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 295. 594 CESR, The role of credit rating agencies in structured finance, Consultation Paper, Februar 2008, Rn. 52. 592 593

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Aus Sicht der Informationsintegrität ist nicht die vorherige Kommunikation abstrakter Beurteilungsmaßstäbe problematisch, sondern die Vorabfestlegung auf eine bestimmte Bonitätsnote. Der CESR hatte bereits vor der Finanzmarktkrise im Jahr 2006 die Gefahren aus der gezielten Beauftragung derjenigen Agentur mit der voraussichtlich besten Bewertung erkannt (rating shopping).595 Funktional ist das Problem mit der Quersubventionierung durch Beratungsleistungen vergleichbar. Eine im eigentlichen Sinne als Querfinanzierung einzuordnende Praxis ergibt sich nur vereinzelt, etwa wenn – wie in der Schweiz – transaktionsbezogene Bonitätsbeurteilungen durch Banken abgegeben werden, die an derselben Transaktion mitgewirkt haben.596 Die damit zusammenhängenden Probleme entsprechen denen der bankenseitig angebotenen Finanzanalyse. Unbeauftragte Bonitätsbeurteilungen (unsolicited ratings) werden ohne entsprechende Zahlungsvereinbarung erstellt. Sie betreffen Emittenten, aber auch Staatsanleihen, wobei es sich bei Letzteren mehr oder weniger um ein Nebenprodukt der Bonitätsbeurteilung der im jeweiligen Land ansässigen Emittenten handelt, deren Sitzrisiken denen der Staatsanleihen (teilweise) entsprechen. Entgegen verbreiteter Vorstellung werden unbeauftragte Länderratings nur zu den führenden Wirtschaftsnationen erstellt, bei Standard & Poor’s für bloß 15 Staaten, unter diesen aus der Europäischen Union Deutschland, Frankreich und Italien.597 Die zu anderen Staaten verfügbaren Beurteilungen werden als Auftragsratings erbracht. Soweit Emittenten Gegenstand unbeauftragter Bonitätsbeurteilungen sind, lässt sich der Ressourceneinsatz der Agenturen theoretisch aus der größeren Flächenabdeckung, also letztlich als Reputationsinvestition erklären.598 Auch insoweit liegt eine Form der Quersubventionierung vor. Hinzuzurechnen sind diejenigen unbeauftragten Ratings, die erbracht werden, um die Agenturleistungen auf neuen Märkten, Studien zufolge z. B. dem japanischen, zu etablieren.599 Beobachtungen aus der Praxis deuten demgegenüber darauf hin, dass unbeauftragte Ratings gezielt dazu eingesetzt werden, die Beauftragung durch den einzelnen Emittenten zu erzwingen.600

595 CESR, CESR’s Report to the European Commission on the compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code, CESR/06-545, December 2006, Rn. 42. 596 Emmenegger in: Wiegand (Hrsg.), Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56, 90. 597 Näher Schroeter Ratings, 2014, S. 31 f. m. w. N. 598 Zur Entwicklung der Praxis Bottini 30 San Diego L. Rev. 579, 598 (1993); Hill 82 Wash U. L. Q. 43, 52 (2004). 599 Poon 27 J. Banking & Fin. 592, 594 (2003). 600 Bottini 30 San Diego L. Rev. 579, 598 (1993); Coffee Gatekeepers, 2006, S. 296; v. Randow ZBB 1995, 85, 88 („aggressive Geschäftspolitik“).

5. Kapitel: Entwicklungen

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D. Erfahrungen, Erklärungsschwächen und Klärungsbedarf (Zusammenfassung) 1. In der Zusammenschau zeigen sich Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Entwicklung der Berufsstände (Abschnitt A, S. 50 ff.): Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer formte sich als Nebenprodukt der Industrialisierung. Die verpflichtende Abschlussprüfung und mit ihr der Berufsstand wurde in Großbritannien durch die Gladstone Legislation der 1840er-Jahre qua Gesetz geschaffen. In Deutschland entwickelte sich der Berufsstand wie in den USA aus dem privaten Bedürfnis nach geprüfter Rechnungslegung insbesondere im Zusammenhang mit dem Anstieg der Auslandsinvestitionen zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dem vergleichbar war für das Aufkommen spezialisierter Ratingagenturen bis um 1900 die zunehmende Unübersichtlichkeit des Markts maßgeblich. Deutlich später als in den USA wurde das Rating in Deutschland erst im Zuge der Internationalisierung des Kapitalmarkts um 1990 zur unausweichlichen Marktzugangsvoraussetzung. Die weniger konkret datierbaren Anfänge der professionellen Finanzanalyse stehen im Zusammenhang mit der sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstärkenden Präsenz institutioneller Investoren. Anders als beim Rating formierten sich bereits früh private Vereinigungen. Zu einer berufsständischen Wahrnehmung von Aufgaben der Überwachung und Disziplinierung kam es aber dort ebenso wenig wie beim Rating. Erfahrungen mit der berufsständischen Aufgabenwahrnehmung bestehen allein bei der Abschlussprüfung, die in Deutschland seit der Notverordnung von 1931 wie im Ausland als Vorbehaltsaufgabe des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer ausgestaltet wurde. In den USA wurden die Erwartungen an die berufsständische Formulierung leistungsstarker Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze in den 1930er-Jahren und danach enttäuscht. Bis zur Jahrtausendwende setzte sich praktisch überall ein Geschäftsmodell durch, nach dem die maßgeblichen Einkünfte aus zusätzlich zur Prüfung erbrachten Beratungsleistungen erzielt wurden. Darauf wurde ab den beginnenden 2000er-Jahren ein komplexes Zusammenspiel berufsständischer und aufsichtsbehördlicher Strukturen der Standardsetzung, Überwachung und Disziplinierung errichtet. Als Entwicklungstreiber sowohl für die europäische als auch die deutsche Rechtsetzung erwies sich der krisenbedingte Übergang auf eine stärker aufsichtsbehördlich ausgerichtete Steuerung in den USA. Vergleichbare Entwicklungen zeichnen sich für das Rating durch den US-amerikanischen Dodd-Frank Act von 2010 und die (mehrfach geänderte) EG-RatingVO von 2009 ab. 2. Die Ursprünge der Regulierung kapitalmarktbezogener Leistungen der Informationsintermediäre reichen weiter zurück (Abschnitt B, S. 78 ff.): Den im Vergleich zu Großbritannien um fast einhundert Jahre zeitversetzten Anfang machten die Anordnung der Pflichtprüfung durch die deutsche Notverordnung

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

von 1931 und die US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre. Bonitätsbeurteilungen wurden in den USA schon früh, in der Europäischen Union erst durch die Eigenkapitalvorgaben für Banken ab den 2000er-Jahren zu regulatorischen Zwecken eingesetzt. Finanzanalysen wird eine nicht zu unterschätzende faktische Bedeutung etwa für den Erfolg von Emissionen zugemessen, jedoch keinerlei regulatorischer Zweck. In Deutschland waren gesetzliche Pflichten des Abschlussprüfers seit der Notverordnung angelegt. Die dem US-amerikanischen Recht seit 1973 bekannte Registrierung von Ratingagenturen, deren Bonitätsbeurteilungen zu regulatorischen Zwecken eingesetzt werden sollen, wurden erst durch die EG-RatingVO von 2009 mit Erstreckung auf nicht regulatorisch verwendete Ratings aufgegriffen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Pflichten der Finanzanalysten bereits durch WpHG und FinAnV ausgeformt. Die Rolle der privaten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts besteht nach modernem Verständnis nicht mehr allein in der Wahrung der Anteilseignerinteressen. Maßgeblich durch kriseninduzierte Reaktionen, darunter auch Vorstöße der Gerichte, veränderten sich die Erwartungen an die privaten Intermediäre. Nach heutigem Verständnis ist die private Informationsintermediation (shareholder’s watchdog) auf die Wahrung des öffentlichen Interesses an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität verpflichtet (public watchdog function). Der dramatische Zusammenbruch des US-amerikanischen Enron-Konzerns im Jahr 2001 rückte das Versagen von Abschlussprüfung und Finanzanalyse in den Vordergrund. Die im Untergang der Investmentbank Lehman Bros. im Jahr 2008 kulminierte Finanzmarktkrise zeigte die Verwobenheit der Intermediationsergebnisse mit den für die Unternehmensbewertung geltenden Rahmenvorgaben (Zeitwertprinzip, mark to market) und den darin angelegten Gleichlauf von Rating, Rechnungslegung und Prüfung auf. Wichtigste Weichenstellung für den künftigen Umgang mit der privaten Informationsintermediation sind die heute für alle Einzelbereiche angelegten berufsrechtlichen oder regulatorischen Pflichtengerüste und Überwachungsstrukturen, die es weiter auszuformen gilt. Einschneidende, aber in den Folgen schwer absehbare Änderungen des gewachsenen Informationsgefüges kündigt der mit dem US-amerikanische Dodd-Frank Act von 2010 angestoßene Rückbau regulatorischer Indienstnahmen des Bonitätsratings an. Bislang fehlt eine einheitliche Linie zur Stärkung des Wettbewerbs im Zeichen des Systemschutzes im Markt für Bonitätsbeurteilungen. Invasive Maßnahmen wie Abspaltungen sind nach dem Stand der Diskussion voraussichtlich weder ratsam noch wahrscheinlich. Fortzusetzen sind Versuche über die berufsrechtliche oder regulatorische Beseitigung von Interessenkonflikten im Wege der Trennung von Intermediationsund Beratungsleistungen. 3. Die marktlichen Bedingungen (Abschnitt C, S. 117 ff.), unter denen private Leistungen der Informationsintermediation erbracht werden können, sind durch ein neben der (partiellen) regulatorischen Indienstnahme stehendes priva-

5. Kapitel: Entwicklungen

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tes Nachfrageverhalten gekennzeichnet: Geprüfte Abschlüsse, externe Bonitätsbeurteilungen und transaktionsbegleitende Finanzanalysen werden von Emittenten wie Investoren zur Kapitaleinwerbung oder -bereitstellung nachgefragt. Auf diese für das Aufkommen der Einzelleistungen weithin maßgebliche private Nachfrage ist staatlich nur eingeschränkt einzuwirken. Das Anbieteroligopol aus vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wirft die Frage der Systemrelevanz auf, weniger das auf drei Marktteilnehmer konzentrierte Ratingoligopol. Bei der Finanzanalyse sind mögliche Konzentrationsprobleme anders gelagert, dort maßgeblich wegen der Dominanz der verkaufsseitigen Analyse. Aus der Natur der privaten Leistung ergibt sich, dass öffentliche Interessen an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität nur bei anreizkompatiblen Strukturen der Kostenteilung zur Geltung zu bringen sind. Die Finanzierung durch den Emittenten bzw. die Anteilseigner ist für die Abschlussprüfung gesetzlich vorgeschrieben und hat sich bei dem zahlenmäßig bedeutsamsten beauftragten Rating verfestigt. Die dominierende verkaufsseitige Finanzanalyse wird demgegenüber vermittelt über die Quersubventionierung der Banken von einer breiten Teilmenge der Investoren getragen. Quersubventionierungen ergeben sich aber letztlich auch bei Leistungskombinationen der Abschlussprüfer und beim Rating aus der Mitwirkung bei der Strukturierung von Finanzprodukten sowie aus Anteilseignerstrukturen, die zu enge Interessenkoalitionen mit den durch positive Bewertungen begünstigten Emittenten zeitigen können. 4. Für den Fortgang der Untersuchung sind folgende Erfahrungen festzuhalten und zugleich mit offenen Fragen zu verbinden: In ihren zeitversetzten Anfängen sind die Kanäle der Informationsintermediation in Deutschland und den USA aus privater Nachfrage entstanden. Das Bedürfnis nach geprüfter Rechnungslegung, externer Bonitätsbeurteilung und Finanzanalyse wuchs mit dem Rückzug staatlicher Steuerung und der Unübersichtlichkeit zunehmend internationalisierten Markts. Die Erwartung an eine die Informationsintegrität des Markts wahrende Informationsintermediation formte sich aber erst im Zuge gesetzgeberischer, zumeist kriseninduzierter Eingriffe aus. Die Erfahrungen mit der berufsständischen Aufgabenwahrnehmung bei der Wirtschaftsprüfung zeigen, dass Chancen einer sachnahen privaten Standardbildung, Überwachung und Disziplinierung nur bei aufsichtsrechtlicher Rahmengebung zu verwirklichen sind. Offen ist, wie der Ausgleich zwischen der privaten (ggf. berufsständischen) und der aufsichtsbehördlichen (also regulatorischen) Steuerung im Zeichen einer marktnahen privaten Marktzugangskontrolle zu schaffen ist. Damit verbunden besteht die maßgebliche Herausforderung für ein leistungsfähiges Verhaltensrecht der Informationsintermediäre in der Abwägung regulatorischer Indienstnahmen der Beurteilungen. Wie das Beispiel des Bonitätsratings nach heute verfestigter Auffassung zeigt, können regulatorische Indienstnahmen zu weit gehen. Bei ihrem Wegfall verschwinden die Wirkungen angesichts der gewachsenen marktlichen Informationsbedürfnisse aber möglicherweise nicht,

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

sondern verschieben sich auf die private Ebene und bestehen dort bei der Geschäftsleiterhaftung (business judgment rule) faktisch fort. Diese Zwischenergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass die künftigen Herausforderungen nicht allein auf Erfahrungen gestützt anzunehmen sind. Das über die Jahrhunderte zu beobachtende Ausbleiben einer proaktiven Problembewältigung ist auf der Grundlage ökonomischer und analytisch-empirischer Erkenntnisse nicht zuletzt mit Blick auf alternative Prozess- oder Systemgestaltungen weiter zu untersuchen.601 Angesichts der, wie beschrieben, nicht zu erwartenden Abkehr von den verfestigten Informationskanälen – Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse – hat sich die Regelsetzung der Grundsatzfrage nach den Mechanismen, also vor allem den Fragen nach Leistungsspektrum und -grenzen einer durch private Informationsintermediäre gesteuerten Marktzugangskontrolle zu stellen.602

601 602

Dazu die folgenden beiden Kapitel 6 (S. 147) und 7 (S. 177). Dazu im zweiten Teil (S. 203 ff.).

6. Kapitel

Ökonomik 6. Kapitel: Ökonomik

Die Ökonomik der Informationsintermediation ist Teil einer fortdauernden Suche nach der Bedeutung von Informationen für Austauschprozesse. Ohne eine Vorstellung hiervon können Regelsetzung und Rechtsprechung nicht auskommen. Im Einzelnen sind die in der ökonomischen Forschung getroffenen Aussagen allerdings so facettenreich wie umstritten. Dies gilt insbesondere für die Kapitalmarkteffizienzhypothese, die den Zusammenhang zwischen Informationsauswertung und Ressourcenallokation am Kapitalmarkt beschreibt.1 Der Anspruch der modelltheoretischen Ökonomik liegt nicht in einer unmittelbaren Abbildung der Wirklichkeit, sondern im Aufzeigen von Faktorenzusammenhängen. Das noch von der klassischen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts angenommene natürliche Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage ist bei Einbeziehung von Informationskosten nicht weiterführend. Bis zur Entdeckung der Eckpfeiler einer leistungsfähigen Wirtschaftstheorie, darunter vor allem das Transaktionsparadigma und die Erkenntnis von der Bedeutung rechtlicher Institutionen, brauchte es Zeit. Erwachsen sind daraus neue ökonomische Denkrichtungen, die auch für die juristische Debatte weiterführende Einsichten zu Funktionsweise und -grenzen der Informationsintermediation hervorgebracht haben. Zu nennen sind vor allem informationsbedingte Marktfriktionen, das Zusammenspiel zwischen Informations- und Austauschmarkt sowie die nicht zwingend gleichförmige Entwicklung der Preise für einerseits Produkte und andererseits für auf diese bezogene Informationen. Zu beginnen ist mit dem untrennbaren Zusammenhang zwischen Annahmen zur Informationseffizienz des Kapitalmarkts und Vorstellungen von der Bedeutung der Informationsintermediation.2 Im Einzelnen richtet sich die Bedeutung der Intermediäre nach den für das jeweilige Finanzsystem kennzeichnenden Informationsprozessen.3 Das weitere Funktionsspektrum der Intermediation ist auf Grundlage des entwickelten Forschungsstands zur Finanzintermediation ein1 Zum Stand Köndgen in: Fleischer / Zimmer (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, Beih. ZHR 74, 2008, S. 100, 108 m. w. N.; Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 443 m. w. N. zu Entstehung und Bedeutung für die Regelsetzung. Knapper Avgouleas Governance of Global Financial Markets, 2012, S. 54 ff. Einzelnachweise sogleich. 2 Abschn. A. 3 Abschn. B (S. 157).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

zugrenzen.4 Besonderheiten gegenüber anderen Wirtschaftsgütern ergeben sich aus den Gütereigenschaften der Information und der Funktionsweise des für ihren Absatz maßgeblichen Reputationsmechanismus.5

A. Informationseffizienz Die Informationsintermediation ist in den kapitalmarktlichen Informationsprozess eingebunden und damit Teilfunktion des Preismechanismus.6 Die Fähigkeit des Markts, Informationen in Preise zu übersetzen, ist eine grundlegende und die Finanzmarktheorie nach wie vor beschäftigende Frage.7 Von der Fähigkeit des Markts zur Informationsverarbeitung hängt es ab, ob und in welcher Form der Informationsintermediation eine eigene volkswirtschaftliche Funktion zukommt und auch, wie sie im Sinne einer Marktzugangskontrolle ausgebaut werden kann.8

I. Effizienz des Kapitalmarkts Der Preismechanismus ist nach dem 1945 von Friedrich A. v. Hayek formulierten Verständnis ein Kommunikationssystem und effizientes Mittel zur Nutzung knapper Ressourcen.9 Er ist Funktion aus arbeitsteiliger Produktion, Zusammenfügung und Weitergabe von Informationen, wie sie aus Gründen der Aufgabenkomplexität durch einen zentralen Planer nicht mit vergleichbaren Ergebnissen zu leisten wäre. Von Hayek nahm an, dass allein die Beobachtung von Preisveränderungen zu wirtschaftlich richtigen Entscheidungen führen müsse. Offen blieb zunächst, unter welchen Voraussetzungen der Kapitalmarkt seine Rolle als effizientes Preissystem erfüllen könne. Eugene F. Fama formulierte 1970 die Hypothese effizienter Kapitalmärkte (efficient capital market hypothesis, ECMH), der zufolge sich die Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarkts nach dem Grad seiner Informationseffizienz bestimmt.10 Die Kapitalmarkteffizienzhypothese wurde noch 1978 von Michael C. Jensen als geradezu unausweichliche Richtschnur der Theoriebildung beschrieben: „there is no other proposition in economics which has more solid empirical evidence supporting it“.11 Die Klarheit des Theoriengebildes erfasste auch die rechtspolitische Diskussion und reizte vielfältige Forderungen nach DereguAbschn. C (S. 163). Abschn. D (S. 169). 6 Abschn. I. 7 Abschn. II (S. 152). 8 Abschn. III (S. 153). 9 Hayek 35 Am. Econ. Rev. 519, 526 (1945); ders. in: ders. (Hrsg.), Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., 1976, S. 115. 10 Fama 25 J. Fin. 383 (1970). 11 Jensen 6 J. Fin. Econ. 95 (1978). 4 5

6. Kapitel: Ökonomik

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lierung an.12 Kaum übersehbar wäre von starker Informationseffizienz (strong ECMH) nur auszugehen, wenn die Preise zu jedem Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen reflektierten, also stets den inneren Wert (Fundamentalwert) eines jeden Finanzprodukts abbildeten. Leistungen der Informationsintermediation wären dann überflüssig. In dieser strengen Variante ist die Kapitalmarkteffizienzhypothese, wie heute bekannt, bloße Referenzvorstellung („benchmark“).13 Das folgt schon aus der ihr zugrunde liegenden Annahme friktionsfreier Marktprozesse, also der überkommenen Vorstellung von Austauschprozessen unter vollständiger Information und transaktionskostenfrei gebildeten Gleichgewichtspreisen. Wie bereits von Paul A. Samuelson 1965 erkannt, wären Kursentwicklungen überhaupt nicht vorauszuberechnen, wenn alle Informationen bereits in den aktuellen Preisen enthalten wären.14 Exponentielle Renditen professioneller Marktteilnehmer wie Hedge Fonds könnten dann nicht aus einem überlegenen Informationszugang oder einer überlegenen Informationsauswertung erklärt werden. Die strenge Variante der Kapitalmarkteffizienzhypothese steht in einer Reihe mit anderen die Finanztheorie bis heute anleitenden Modellvorstellungen, zu den wesentlichen Faktorenzusammenhängen. Zu nennen ist die in der praktischen Anlageberatung verwendete Erkenntnis von Harry M. Markowitz aus dem Jahr 1952, nach der aus einer optimalen Mischung von Investitionen Renditen zu erzielen sind (Portfoliotheorie).15 Hieran knüpfte die in den 1960er-Jahren von William F. Sharpe und anderen unabhängig voneinander entwickelten Erklärungen zu Wertpapierrenditen aus Diversifikation, systematischen und unsystematischen Risiken an (capital market pricing model).16 Zu nennen ist auch die von Franco Modigliani und Merton Miller 1958 eingebrachte Vorstellung von der Bedeutungslosigkeit der Struktur aus Eigenkapital- und Fremdkapital für den Marktwert des Unternehmens (Irrelevanz-Theorem).17 Jeder dieser Ansätze beruht – wie die strenge Form der Kapitalmarkteffizienzhypothese – auf Annahmeverengungen, und die jeweiligen Folgerungen sind, wenn nicht Tautologie, so doch in gewissem Maße trivial.18 Wenn Informationsunsicherheiten und Kosten der Informationsbeschaffung und -weitergabe ausgeklammert werden, sind allein die weiteren Modellannahmen dafür ausschlaggebend, dass sich Gleichgewichtspreise einstellen.

12 Gilson / Kraakman in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 456, 460 ff. 13 Fama 46 J. Fin. 1575 (1991). 14 Samuelson 6 Ind. Mgmt. Rev. 13 (1965). Aus den Vorläuferstudien Bachelier Théorie de la Spéculation, Annales scientifiques de l’É.N.S. 3e série, tome 17 (1900), S. 21, Nachdr. in engl. Sprache in: Cootner (Hrsg.), The Random Character of Stock Prices, 1964, S. 17. 15 Markowitz 7 J. Fin. 77 (1952). 16 Sharpe 19 J. Fin. 425 (1964). 17 Modligiani / Miller 48 Am. Econ. Rev. 261 (1958). 18 Gilson / Kraakman in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 456, 461.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Schon der Erfinder der Kapitalmarkteffizienzhypothese Fama räumte ein, dass realitätsnah allenfalls von der Einpreisung öffentlich verfügbarer Informationen ausgegangen werden kann (semi-strong ECMH).19 Diese Vorstellung halbstrenger Informationseffizienz liegt auch der sich seit den 1930er-Jahren ausbreitenden Kapitalmarktregulierung durch Publizitätspflichten zugrunde.20 Unter Geltung der halbstrengen Effizienzhypothese erledigt der Markt allerdings die Einpreisung öffentlich verfügbarer Informationen von allein. Die Existenz von Informationsintermediären ließe sich also nur unter der Annahme erklären, dass sie über dem Marktmechanismus nicht zugängliches privates Wissen verfügen. Erst die weitere Forschung vermochte die Informationsintermediation mit dem Transaktionskostenparadigma zusammenzuführen und als kostensparenden Mechanismus der Kapitalmarkteffizienz fassbar zu machen.21 Bevor im nächsten Abschnitt zu diesen, die moderne Diskussion anleitenden Überlegungen vorzustoßen ist, sind notwendige Erweiterungen und grundsätzliche Einwände gegen die Kapitalmarkteffizienzhypothese anzusprechen. Zu den notwendigen Erweiterungen gehören die der Ökonomik spätestens seit den Arbeiten von Hyman P. Minsky aus den 1970er-Jahren bekannten Mechanismusinstabilitäten, die in Fortentwicklung der durch John M. Keynes angestoßenen Denkrichtung in das Interesse rückten. Minsky brachte das Bild eines zwischen Stabilität und Instabilität hin und her schwingenden Finanzsystems auf (financial instability hypothesis).22 Angesichts wiederkehrender Finanzmarktkrisen liegt die Vorstellung von der Fragilität des Finanzmarkts nicht fern, wenngleich sich die Ursachen der Krisen durchaus unterscheiden.23 Bekannte Beispiele für hin und her schwingende Preise aus der Agrarwirtschaft (Schweinezyklus)24 legen nahe, dass fehlerhafte Einschätzungen der Produzenten zur künftigen Nachfrage für die mangelnde Herausbildung von Gleichgewichtspreisen ausschlaggebend sein können. Das Beispiel der Schweinebauern eignet sich allerdings kaum zur induktiven Überzeugung. In anderen Branchen ist die Fähigkeit des Markts zur Herausbildung von Gleichgewichtspreisen klar erkennbar. Die Aufdeckung von Mechanismusinstabilitäten öffnete 19 Fama 46 J. Fin. 1575 (1991): „Since there are surely positive information and trading costs, the extreme version of the market efficiency hypothesis is surely false!“ 20 Zu den US-amerikanischen Ursprüngen des sogenannten Informationsmodells 5. Kapitel: B.I.2 (S. 86). 21 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 565 (1984). Überblick bei Black 48 UCLA L. Rev. 781, 794 (2001). Instruktiv Franke / Hax Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Aufl., 2009, S. 500 f. 22 Minsky in: Altman / Sametz (Hrsg.), Financial Crises, 1977, S. 138; ders. Stabilizing an Unstable Economy, 1986, S. 14. 23 Reinhart / Rogoff This Time Is Different, 2009, S. 3 ff. mit Kategorisierung der Krisen. 24 Vor dem Ersten Weltkrieg ergaben sich fortlaufende Schwankungen beim Preis für Schweinefleisch, die zunächst zur Überproduktion (Preisverfall) und sodann zur Unterproduktion (Preisanstieg) führten. Kurz Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 81.

6. Kapitel: Ökonomik

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aber den Blick für die auch den Kapitalmarkt erfassenden Schwankungen des Grads an Informationseffizienz. Vor allem Marktblasen, also Nachfrage- und Preisüberhitzungen, führen zu abrupten Preisschwankungen. Die verhaltensökonomisch geprägte Kapitalmarktforschung etwa von Robert J. Shiller stellt Kursübersteigerungen der Effizienzhypothese als „Irrational Exuberance“,25 also irrationalen Überschwang, entgegen. Die auch von Andrei Shleifer im Jahr 2000 unter dem Begriff der „Inefficient Markets“26 geprägte Denkrichtung führt in der Summe durchaus beachtliche Einzelbeobachtungen an. Bereits der von Burton G. Malkiel 1973 unter dem Titel „A random walk down Wall Street“27 veröffentlichten Monographie ging eine vielbeachtete Studie zu geschlossenen Publikumsfonds voraus, deren Börsenkurs die Summe der im Fonds enthaltenen Einzelwerte regelmäßig unterschritt.28 Von Tonis Vaga wurden die Überlegungen im Jahr 1990 zur Hypothese kohärenter Marktentwicklungen (coherent market hypothesis) zusammengeführt.29 Preisentwicklungen sind danach eine Funktion aus Marktzusammenhängen, Gruppendenken und individueller Voreingenommenheit. Aus den hieraus denkbaren Kombinationen können vier Marktzustände erwachsen: Zufallsbewegung (random walk), instabile Übergangsphase (unstable transition), Konfusion (chaos) oder Stimmigkeit (coherence). So richtig diese Unterscheidung möglicher Marktzustände sein mag, so wenig befriedigend sind die Aussagen der zugrunde liegenden Irrationalitätsannahme für Gründe und Grad der Informationseffizienz.30 Wie die Aufteilung des Nobelpreises31 2013 zwischen Fama und Shiller nahelegt, bieten sich weder Rationalität noch Irrationalität überbetonende Erklärungsmodelle an. Insbesondere für regulatorische Inbezugnahmen einzelner Leistungen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation in aufsichtsrechtliche Zusammenhänge kommt es auf die nähere Erfassung der – nach Abschichtung rational erklärbarer Fehlanreize32 – verbleibenden systematischen Einschränkungen des Rationalverhaltens an. Darauf ist mit Blick auf Regelungsfolgepflichten bei Inanspruchnahme der Informationsintermediation zur Erfüllung 25 Shiller Irrational Exuberance, 2. Aufl., 2005, S. 129 zu Investoren; ders. Finance and the Good Society, 2012, S. 159 zur Finanzindustrie. 26 Shleifer Inefficient Markets, 2000. 27 Malkiel A random walk down Wall Street, 1973 (11. Aufl., 2011). 28 Malkiel 32 J. Fin. 847 (1977). Zum darauf gestützten Beleg von Anomalien Lee /  Shleifer / Thaler 4 J. Econ. Persp. 153 (1990). 29 Vaga 46 Fin. Analysts J. 36 (1990) 30 Das als irrational eingestufte uninformierte Handeln (noise trading) beispielsweise bringt möglicherweise nur die Liquidität in den Markt, die rationale Investoren (smart money) zur Informationssuche anreizt; Langevoort, in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442, 454. 31 Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, gestiftet von der Schwedischen Reichsbank. 32 Zur Typologie der Fehlanreize 9. Kapitel: B (S. 294).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

öffentlicher Aufgaben zurückzukommen.33 Für die übergreifende Frage nach der Rolle der Informationsintermediation als Mechanismus der Kapitalmarkteffizienz ändert sich an den verfügbaren Belegen zu Abweichungen vom Rationalverhalten jedenfalls aus Sicht der heute weitgehend anerkanntem halbstrengen Informationseffizienz wenig.

II. Relative Informationseffizienz Ronald J. Gilson und Reinier H. Kraakman unternahmen 1984 den Versuch, die Kapitalmarkteffizienztheorie mit informationskostenbedingten Friktionen des Markts zusammenzuführen.34 Informationsintermediäre sind hiernach ein Mechanismus zur kostengünstigen Überwindung von Informationsunsicherheiten. Die Überlegungen können als Theorie der (bloß) relativen Kapitalmarkteffizienz innerhalb des Konstrukts einer semistrengen Effizienzannahme bezeichnet werden. Ausgegangen wird von der Annahme, dass der Kapitalmarkt grundsätzlich in der Lage ist, die Preise an Fundamentalwerte zumindest anzunähern. Im Vergleich zu früheren Studien liegt eine entscheidende Fortentwicklung zunächst darin, dass kein steter Gleichlauf der Informationseffizienz (Einpreisung von Informationen) mit der Allokationseffizienz (ressourcenschonende Verteilung) angenommen wird. Die Fähigkeit zur Abbildung von Fundamentalwerten ist hiernach durch einzelne, noch näher zu untersuchende Marktmechanismen bedingt, die sämtlich Friktionen unterworfen sind oder sein können. Relative Markteffizienz bedeutet, dass die Fähigkeit des Markts zur effizienten Abbildung der Fundamentalwerte von Art und Ausmaß der die Informationsverarbeitung betreffenden Institutionen und ihrer Friktionen abhängt. Vier Denkschritte verdeutlichen die Theorie der relativen Informationseffizienz: Erstens ist der Kapitalmarkt zur Informationsverarbeitung in der Lage. Zweitens sind früheren Überlegungen entgegen selbst bei (bloß theoretisch möglicher) vollständiger Informationsverarbeitung Abweichungen der Marktpreise von den Fundamentalwerten denkbar, weil sich Informationsmärkte eigenständig und nicht zwingend parallel zu Austauschmärkten entwickeln. Drittens dürfen Fundamental- und Informationseffizienz nicht gleichgesetzt werden. Viertens führen Friktionen der Marktmechanismen dazu, dass Informationsprozesse im Ergebnis keine näherungsweise Abbildung von Fundamentalwerten erzielen. Auf Grundlage dieser vier Denkschritte öffnete sich der Blick für die Rolle der Informationsintermediäre als Institutionen zur Abmilderung von Friktionen des Markts. Wie die Kapitalmarkteffizienzhypothese ist auch die Vorstellung relativer Markteffizienz Kritik ausgesetzt. Ernstzunehmende Einwände werden durch Zur Begründung von Regelungsfolgepflichten 9. Kapitel: A.I (S. 284 ff.). Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549 (1984). Deutschsprachige Darstellungen bei Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 361; Sauer Haftung für Falschinformation des Sekundärmarkts, 2004, S. 135 ff. 33 34

6. Kapitel: Ökonomik

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offensichtliche Divergenzen zwischen Markt- und Fundamentalwerten in Finanzmarktkrisen wie der Technikblase der beginnenden 2000er-Jahre und zuletzt der Krise von 2008 genährt.35 Wie Gilson und Kraakman im Jahr 2012 erneut erklären, ist die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Informationsund Fundamentaleffizienz aber gerade Ausgangspunkt ihrer Theorie.36 Daran wird deutlich, dass sich die Vorstellung von der relativen Markteffizienz weniger als Aussage über den Informationsstand des Markts und mehr als Beschreibung seiner Prozesse eignet. Die Erforschung der Faktorenzusammenhänge war bereits das zentrale Anliegen des von Fama eingebrachten Referenzmodells vollständiger Informationseffizienz, auch wenn dies in der rechtspolitischen Debatte als Wirklichkeitsbeschreibung fehlgedeutet wurde. Anders als bei den verhaltensökonomischen Begründungen von Ausnahmen bleiben die Erkenntnisse der konventionellen Finanzmarktheorie im Gedankenkonstrukt der relativen Informationseffizienz verwertbar: Im Ausgangspunkt bietet der Handel zu von den Fundamentalwerten abweichenden Preisen (noise trading) Arbitragemöglichkeiten für besser informierte Marktteilnehmer. Bei funktionierender Arbitrage heben sich die unterschiedlichen Einschätzungen jedenfalls langfristig gegenseitig auf, gegebenenfalls erst nach Durchlaufen der von der Kohärenzhypothese37 (über-)betonten Phasen gestörter Marktpreisbildung. Für den Realitätsbezug entscheidend ist die Umkehrung: Zur Verdrängung irrationaler Informationsbestandteile kommt es nicht, wenn diese korreliert auftreten, eine Diversifikation verstellen oder wenn Feedbackeffekte und Lernprozesse gestört sind.38 Beispielsweise für die Finanzmarktkrise von 2008 lassen sich solche Störungen nachweisen, u. a. weil Häuserkredite regional gebunden waren und Gestaltungen der Kreditvergabe die Möglichkeiten der Arbitrage zwischen unterschiedlichen Angeboten verstellten.39

III. Austausch- und Informationsmarkt Zu den wichtigsten Erträgen der Diskussion um die Informationseffizienz zählen aus Sicht der Informationsintermediation die Unterscheidung zwischen Austausch- und Informationsmarkt sowie die Erkenntnis eines nicht zwingenden 35 Zur 1987er-Krise bereits Shleifer / Summers 4 J. Econ. Persp. 19 (1990): „The stock in the efficient markets hypothesis – at least as it has traditionally been formulated – crashed along with the rest of the market on October 19, 1987 and its recovery has been less dramatic than that of the rest of the market.“ 36 Gilson / Kraakman in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 456, 465 sowie dies. 100 Va. L. Rev. 313, 326 (2014). Vorausgegangen dies. Regulation, Winter 2004–2005, S. 64, 70. 37 Dazu 6. Kapitel: A.I (S. 148). 38 Zusammenfassend Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G15 f. 39 Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E37, E45 zur Bedeutung der korrelierten Risiken in der Finanzmarktkrise 2008.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Gleichlaufs von Produkt- und Informationspreisen.40 Als gesichert dürfte der Zusammenhang gelten: Ein Mindestmaß an Informationseffizienz ist Vorbedingung für der Fähigkeit des Austauschmarkts zur näherungsweisen Abbildung der Fundamentalwerte in Marktpreisen.41 Ebenfalls anerkannt ist, dass individuelle Anreize, also die Kosten für Informationen und aus Agenturbeziehungen (u. a. Fremdgeschäftsführung, Informationsintermediation), für das Aktivitätsniveau der Informationssuche maßgeblich sind.42 Die Suche nach der Funktion der Informationsintermediation verdichtete sich auf dieser Grundlage zunehmend in Richtung einer Begründung aus Transaktionskostenersparnissen.43 In zahlreichen modelltheoretischen Untersuchungen wurden die Informationskosten bestimmenden Informationsunsicherheiten näher herausgearbeitet.44 Nach dem 1961 von George J. Stigler vorgestellten Modell lohnt die Informationssuche so lange, wie die Kosten für den zusätzlichen Informationsaufwand nicht zu einer Überschreitung des Grenznutzens führen, die Transaktion also trotz Informationsaufwand weiterhin gegenüber einem Alternativverhalten lohnend bleibt.45 Sanford J. Grossman und Joseph E. Stiglitz arbeiteten 1980 die auf Kostenüberlegungen gründende Nachfrage für Kursprognosen als Erklärung für den Markt der Finanzanalysen heraus.46 Zugrunde lag die Einsicht, nach der die (tatsächlich) nachweisbaren Zahlungsbereitschaften für die Intermediationsleistungen der Analysten bei vollständiger Informationseffizienz unerklärlich wären. Die unmittelbar eintretende Preisänderung müsste jegliche Möglichkeit zur Vereinnahmung von Erträgen aus der Informationsbeschaffung verstellen (Grossman/Stiglitz-Paradoxon). Zu dem für die Funktionsweise der Informationsintermediation zentralen Zusammenhang zwischen Informations- und Austauschmarkt drang sodann die im bereits genannten Beitrag von Gilson und Kraakman aus dem Jahr 1984 vorgestellte vierstufige Taxonomie der Marktmechanismen vor:47 Auf erster Stufe steht der auf öffentlich verfügbare Informationen gestützte Handel (universally informed trading), der schnelle Preisanpassungen erwarten lässt und insgesamt eine hohe Informationseffizienz aufweist. Zweite Stufe ist die des berufsmäßig informierten Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 553 (1984). Treffend Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 398: Informationseffizienz „ist zentrale Bedingung der Allokationseffizienz“, ist aber nicht bedeutungsgleich zu dieser (Kursivdruck hinzugefügt). Zum Ganzen GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 15. 42 Gilson / Kraakman in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 456, 457. 43 Programmatisch der Untertitel, „It’s Still a Matter of Information Costs“, des Beitrags von Gilson / Kraakman 100 Va. L. Rev. 313, 326 (2014). Zum Stand GroßkommStaubHGB5BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 16. 44 Im Einzelnen dazu 6. Kapitel: D.I (S. 169) mit Nachw. Fn. 128. 45 Stigler 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 46 Grossman / Stiglitz 70 Am. Econ. Rev 393 (1980). 47 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 569 (1984). 40 41

6. Kapitel: Ökonomik

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Handels (professionally informed trading), der auf Informationen basiert, die entweder bloß anfänglich oder wegen ihrer Natur dauerhaft nur einem kleinen Kreis von Beteiligten bekannt oder verständlich sind und dementsprechend langsamer in Marktpreise übersetzt werden. Auf dritter Stufe sind abgeleitete Informationen (derivatively informed trading) einzuordnen, die an die Vermutung eines informierten Handels einzelner Marktteilnehmer, auffällige Änderungen von Werten oder Volumina anknüpfen und infolgedessen nur langsam in Preisen widergespiegelt werden. Auf vierter und letzter Stufe steht der nichtinformierte Handel (uninformed trading oder noise trading), also ein Handel ohne Informationsgrundlage, bei dem sich Informationseffekte erst über die Zeit und infolge gleichgerichteter Voraussagen einer großen Zahl von Investoren ergeben. Originäre Ebene für die Erzielung von Überrenditen aus der Informationssuche und -auswertung ist die zweite Stufe, also der berufsmäßig informierte Handel. Kennzeichnend ist die komplexe Natur der Informationen und die Fähigkeit bloß einzelner Anlegergruppen zum Umgang mit diesen Informationen. Als Beispiele werden aufsichtsrechtlich geforderte Informationen, (zunächst) nur mit Analysten geteilte und von diesen ausgewertete Informationen sowie Rechnungslegungsinformationen genannt.48 Je nach Verständnis der Rolle von Informationsintermediären ließen sich ihre Leistungen aber auch anderen Stufen zuordnen. Soweit Abschlussprüfung und Bonitätsbeurteilung – anders als die bewertende Finanzanalyse – (primär) als Verifikationsmechanismus verstanden werden, sind sie der dritten Stufe, also dem Handel auf Grundlage abgeleiteter Information zuzuordnen.49 Wird die öffentliche Verfügbarkeit für maßgeblich gehalten, könnten Leistungen der Informationsintermediation der ersten Stufe, also dem Handel auf Grundlage öffentlich verfügbarer Information zugeschlagen werden. Wie angesprochen steht der Versuch, die maßgeblichen Marktmechanismen herauszuarbeiten, weniger im Zeichen einer festen Zuordnung zu einzelnen Stufen und dient mehr einer Verdeutlichung der den kapitalmarktlichen Austausch begleitenden Informationsprozesse. Zu den Informationsprozessen bietet der die dritte Stufe ausmachende Handel auf Grundlage abgeleiteter Information weitere Einsichten. Auf dieser Stufe werden Wissensvorsprünge insbesondere von Insidern wie Unternehmensleitern oder anderen an bedeutenden Transaktionen Beteiligten eingebracht. An den Markt gelangt das Wissen infolge direkter Informationslecks und indirekt infolge von Insidertransaktionen.50 Allerdings sind Preiseffekte mit Veränderungen der Nachfragemenge nur dann zu erklären, wenn (hohe) Handelsvolumina erreicht werden, die auch unter Berücksichtigung einer gewissen Elastizität zu spürbaren Verschiebungen von Angebot und Nachfrage führen. Dies ist – abgeGilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 569 (1984). Schaubild bei Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 611 (1984). 50 Instruktive Darstellung bei Sauer Haftung für Falschinformation des Sekundärmarkts, 2004, S. 140 ff. 48 49

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

sehen von den am Rand des Produktangebots auftretenden Sonderkonstellationen – selten der Fall, zumal in die Angebotsmenge kapitalmarktliche Alternativangebote (Surrogate) mit vergleichbarer Kombination aus systematischem Risiko und erwarteter Rendite einzubeziehen sind. Soweit es den Insiderhandel anbelangt, lassen empirische Nachweise den (naheliegenden) Schluss zu, dass die Marktteilnehmer bei Kenntnis der Person des Handelnden auf dessen Wissensvorsprünge schließen können (trade decoding).51 Informationseffekte sind bei Geschäften von Unternehmensleitern und anderen Unternehmensinsidern nachweisbar.52 Diese Indikatorenwirkung53 ist gedanklicher Ausgangspunkt der erweiterten Insiderpublizität nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 EU-MarktmissbrauchsVO, die auch Primärinsidern nahestehende Personen den Pflichten zur Ad-hoc-Publizität unterwirft. Auf anonymen Kapitalmärkten ergeben sich Informationseffekte im Übrigen aus den Preisen, also aus veränderten Handelsvolumina (price decoding), und zwar entweder in schwacher Form (weak learning) im von Hayek’schen Sinne54 oder auch als Übersetzung der Information in ihre wahrscheinlichste Ursache (strong learning).55 Kursanstiege im Vorfeld von Unternehmensübernahmen etwa werden auf die Vermutung von Insiderinformationen des Erwerbers zurückgeführt.56 Verifizierende Intermediationsleistungen wie Bonitätsratings,57 die Leistungen anderer in der Dekodierung geschulten Informationsintermediäre wie Finanzanalysten oder auch das (in begrenztem Umfang) qualitative Prüfertestat können solche Lerneffekte verstärken. In der Zusammenschau ist festzuhalten: Erstens ist der wirtschaftliche Nutzen einzelner Intermediationsleistungen nur im Kontext des kapitalmarktlichen Informationsgefüges zu erforschen. Die von Gilson und Kraakman vorgeschlagene Taxonomie kann dazu eine heuristische Anleitung bieten. Zweitens sind Informationsdienstleistungen von Intermediären nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit ihrer Wirkung auf den Arbitrage-Mechanismus, also den Handel auf Grundlage von Informationsvorteilen erfassbar. Drittens funktioniert die Informationsarbitrage auf jeder der vorgeschlagenen Stufen und bewirkt eine Angleichung des Informationsstands über die Preise. Die Geschwindigkeit der Einpreisung – oder Informationseffizienz – ist aber auf jeder Stufe durch Kosten bedingt, die durch Informationsintermediäre gesenkt werden können. Viertens wirkt sich die Verfügbarkeit von Leistungen der Informationsintermediation auf das Maß öffentlich verfügbarer Informationen aus. Für die verbleibenden uninformierten Austauschprozesse (noise trading) bleibt sie hingegen wirkungslos. In Begriffsbildung bei Verrechia 70 Am. Econ. Rev. 874, 881 (1980). Scholes 45 J. Bus. 179, 184, 200, 202 (1972). 53 RegE, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 14/8017, S. 87. 54 Siehe v. Hayek 35 Am. Econ. Rev. 519, 526 (1945). 55 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 575 (1984). 56 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 576 (1984) m. w. N. 57 Siehe das Schaubild bei Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 611 (1984). 51 52

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ihrer Gesamtheit leiten diese Aussagen auch normative Folgerungen etwa zu einer zwischen der marktlichen Informationsintermediation einerseits und der individualisierten Übersetzung der Informationsleistungen durch die Anlageberatung andererseits differenzierenden Regelsetzung an.58 Für den Zusammenhang zwischen Informations- und Produktaustauschmarkt ist demzufolge eine mit der relativen Kapitalmarkteffizienz einhergehende relative Bedeutung der Informationsintermediation festzuhalten. In ihrer durch die Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise 2008 angereicherten Rückschau formulieren Gilson und Kraakman: „While every step in the institutional pathways that channel information into price bears on the relative efficiency of market price, none are as important as the institutions that determine the transaction costs of acquiring and verifying information.“59 Im Einklang mit der normativen Variante des die Transaktionskostentheorie begründenden Coase-Theorems von 196060 besteht die Regelungsaufgabe darin, die Informationskosten für wohlfahrtssteigernden Austausch zu senken. Als Mechanismus der Informationseffizienz bietet die Informationsintermediation hierzu eine Möglichkeit. Der rechtliche Zugriff auf die Informationsintermediation verursacht allerdings auch neue Friktionen. Das ist im zweiten Teil der Untersuchung aus regulierungstheoretischer Sicht näher zu ergründen.61

B. Intermediation und Finanzsystem Finanzsysteme werden als institutionelles Gefüge der Informationsinternalisierung und -externalisierung beschrieben.62 Angelegt war die Einteilung von Finanzsystemen nach ihrem Umgang mit Informationen bereits in der genannten Erforschung des Preismechanismus durch von Hayek.63 Moderne Unterscheidungen zwischen Insider- oder Outsidersystemen sind aus der Corporate-Governance-Forschung bekannt. Die Rolle der Informationsintermediation unterscheiNäher 8. Kapitel: B.III.4 (S. 266). Gilson / Kraakman in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 456, 464. Näher zur Zertifizierungs- bzw. Verifikationsfunktion der Informationsintermediation 2. Kapitel: C (S. 21 ff.). 60 Nach dem für die ökonomische Privatrechtsforschung grundlegenden Theorem von Ronald H. Coase führt der fortgesetzte private Austausch unter drei Voraussetzungen zu Wohlfahrtssteigerungen: unter definierten Verfügungsrechten, der Möglichkeit, bindende Verträge abzuschließen, und der Inexistenz von Transaktionskosten. In der normativen Variante führt dies zur Aufforderung, für einen institutionellen Rahmen zu sorgen, der für möglichst geringe Transaktionskosten bürgt (Coase-Theorem); Coase The Problem of Social Cost, 3 J.L. & Econ. 1 (1960). 61 Siehe die Kapitel 8 ff. (S. 205 ff.). 62 Abschn. I. 63 Siehe v. Hayek 35 Am. Econ. Rev. 519, 526 (1945). Näher 6. Kapitel: A.I (S. 148). 58 59

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

det sich je nach Dominanz entweder der unternehmensinternen oder der externen, also marktlichen Mechanismen der Geschäftsleiterüberwachung.64 Weder das Finanzsystem noch das jeweils in dieses eingebundene CorporateGovernance-System sind statisch, sondern vielmehr einem durch zahlreiche Einflussfaktoren bedingten Wandel unterworfen.65 Regulatorische Zugriffnahmen, die in späteren Kapiteln näher zu untersuchen sind,66 müssen also die Rolle der Informationsintermediäre am Kapitalmarkt im Kontext einer sich wandelnder Informationsprozesse betrachten. Dazu gehören auch Gegenbewegungen in Richtung einer Disintermediation sowie die Abstimmung zwischen beiden Formen der Informationsauswertung.

I. Informationsinternalisierung und -externalisierung Wirtschaftsprozesse sind zum einen Produktions- und Austauschprozesse, zum anderen – und damit untrennbar verwoben – Informationsprozesse. Für die Charakterisierung von Finanzsystemen ist die Organisation des Umgangs mit Informationen maßgeblich. Als Grundfunktionen zu unterscheiden sind Informationsexternalisierung und -internalisierung.67 Externalisierung bedeutet Weitergabe privater Informationen an den Markt. Primärer Mechanismus der Transmission von Informationen ist der Markt. Die besprochene Modellvorstellung eines vollständig informationseffizienten Markts68 ist die Extremform eines allein auf die Externalisierung von Informationen bauenden Austauschs. Die Anreize von einerseits Anbietern und andererseits Nachfragern stimmen in einem wesentlichen Punkt überein. Beide Seiten sind sich den Opportunismusgefahren bei unvollständiger oder fehlerhafter Information bewusst. Spieltheoretisch lässt sich begründen, dass Schweigen unter diesen Voraussetzungen nicht erfolgversprechend ist. Zu einer umfassenden freiwilligen Informationsoffenlegung (Revelationsprinzip) kommt es gleichwohl nicht.69 Dagegen sprechen schon Lücken im Wissen um die spezifischen Informationsdefizite der jeweils anderen Seite. Einem Käufer ist nicht zwingend bekannt, über welche Informationen der Verkäufer zur Qualität des Produkts verfügt.70

Abschn. II (S. 159). Abschn. III (S. 162). 66 Dazu 8. Kapitel: B.II (S. 253). 67 Zum Ganzen Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 487 ff. 68 Zu diesem von Fama 25 J. Fin. 383 (1970) als Referenzmodell herangezogenen Gedankenkonstrukt 6. Kapitel: A.I (S. 148). 69 Fundierung durch Grossman 24 J.L. & Econ. 461 (1981); Grossman / Hart 35 J. Fin. 323 (1981); Milgrom 12 Bell J. Econ. 380 (1981). 70 Zum Ganzen Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 129, 130 m. w. N. 64 65

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Gegenpol ist die Informationsinternalisierung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Produktion, Transmission und Nutzung privater Informationen innerhalb enger Wirtschaftsbeziehungen und gegebenenfalls in einem nach wenigen Teilnehmern eingrenzbaren Netzwerk abläuft. Die Informationsinternalisierung bei Langzeitbeziehungen (relationalen Verträgen) mildert Probleme der Vertraulichkeit. Sie unterbindet außerdem die aus dem Charakter der Information als hybrid privat-öffentliches Gut resultierenden Verluste, die durch Fremdvereinnahmungen nach Teilung der Information mit der Öffentlichkeit entstünden.71 Informationsinternalisierende Systeme greifen allerdings zwangsläufig auf eine beschränkte Anzahl von Informationsquellen zurück und überlassen die Informationsauswertung wenigen Beteiligten. Nur die Vertragspartner oder anderweitig im Netzwerk Mitwirkende bringen ihr Wissen ein und tragen zur Informationsauswertung bei. Bei Externalisierung nimmt demgegenüber eine im Ausgangspunkt unbegrenzte Anzahl von Akteuren am Informationseinholungsund Auswertungsprozess teil. Die Leistungen von Informationsintermediären sind einerseits der Externalisierung zuzuordnen, soweit private Informationen durch Intermediation in den Status der öffentlichen Information überführt werden und unmittelbar in das Preissystem einfließen können. Andererseits sind sie der Internalisierung zuzuordnen, wenn sie die privaten Informationen der Gruppe stärken. Rechtspraktisch sind Kombinationen zu beobachten, z. B. die in beide Richtungen ausgeformte Rolle des Abschlussprüfers.72 Der Abschlussprüfer ist über sein Testat einerseits nach außen Garant ordnungsgemäßer Rechnungslegung, andererseits ist er nach innen wichtigste von der Geschäftsführung durch den Vorstand unabhängige Informationsquelle des Aufsichtsrats.

II. Informationsintermediation als Systemdeterminante Informationsintermediäre sind Teil der das jeweilige Finanzsystem kennzeichnenden Infrastruktur. Es liegt nahe, von einer Ausrichtung ihrer Leistungen auf die Informationsbedürfnisse der Schlüsselakteure auszugehen.73 Die Schlüsselakteure unterscheiden sich je nachdem, ob es sich um ein stärker auf Informationsinternalisierung ausgerichtetes Insidersystem oder ein stärker auf Informationsexternalisierung bauendes Outsidersystem handelt.74

Näher 6. Kapitel: D.I (S. 169). Zur Doppelrolle des Abschlussprüfers für die Corporate Governance 3. Kapitel: B.I (S. 30). 73 So am Beispiel der Abschlussprüfung Leuz / Wüstemann in: Krahnen / Schmidt (Hrsg.), The German Financial System, 2004, S. 450, 454. 74 Outsidersysteme werden auch als at arm’s length systems bezeichnet, Insidersysteme auch als relationale Gefüge. Überblick bei Berglöf in: Hopt / Wymeersch (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, 1997, S. 151, 157. Zu Analyseansätzen Schmidt / Tyrell in: Krahnen /  Schmidt (Hrsg.), The German Financial System, 2004, S. 19, 23. 71 72

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Für Insidersysteme ist eine anfänglich ungleiche Informationsverteilung kennzeichnend. Anreize zur Einbringung privater Informationen bestehen vorrangig innerhalb vertraglich abgesicherter Wirtschaftsbeziehungen. Das System ist dann darauf ausgerichtet, die Interessen der Gruppenmitglieder zu wahren. In der Corporate Governance spricht man von einem Stakeholder-Ansatz, wie er für das deutsche System kennzeichnend ist. Merkmale waren und sind zum Teil noch heute eine hohe Anzahl von Blockaktionären und Familiengesellschaften, die Repräsentation von Kreditnehmern im Aufsichtsrat und die Arbeitnehmermitbestimmung. Umgesetzt wird die Internalisierung der Informationen maßgeblich durch den Aufsichtsrat, von dem private Informationen der Bezugsgruppen entgegengenommen und vertraulich in überwachende und strategisch beratende Entscheidungen eingebracht werden. In Outsidersystemen besteht bereits anfänglich eine ebenmäßigere Informationsverteilung der Marktteilnehmer. Der höhere Grad an Informationsexternalisierung vermittelt Anreize, Informationen durch privaten Erfolg versprechende Kapitalmarkttransaktionen in die Marktpreise einzubringen. Das System ist in der Folge darauf auszurichten, vorrangig die Interessen von Anteilseignern und außenstehenden Investoren zu befriedigen. Gesprochen wird von einem Shareholder-Ansatz, dem die Gesellschaftsrechte der USA und des Vereinigten Königreichs traditionell stärker als das deutsche Recht zugeneigt sind.75 Von den nicht als Eigentümer, sondern als Fremdgeschäftsführer tätigen Board-Mitgliedern wird vor allem die Kenntnis öffentlicher Informationen, weniger von Insiderinformationen erwartet.76 Innerhalb dieser Rahmenbedingungen kommt marktlichen, also externen Kontrollmechanismen wie dem des Übernahmemarkts eine vergleichsweise hohe Disziplinierungskraft zu.77 Die Bedeutung der Informationsintermediation unterscheidet sich je nachdem, welchem Grundtyp das betreffende Finanzsystem zuzuordnen ist. Zum Insidersystem passt eine starke Rolle der Finanzintermediäre, also der Banken, wie sie in Deutschland über lange Zeit vorherrschte. Lang andauernde relationale Beziehungen zu Fremdkapitalgebern mildern kurzfristige Liquiditätsengpässe ab. Ausschlaggebend ist die fortlaufende Informationsinternalisierung durch die Banken. Im Outsidersystem stehen insbesondere Investmentfonds für die Informationsexternalisierung. Dieser Annahme liegt die noch zu beschreibende modelltheoretische Forschung zur Finanzintermediation und die Vorstellung des Fonds als Informationsproduzent zugrunde.78 Durch seine Such- und Auswertungsleistung wird der Fonds zum monopolistischen Informationseigner, der sich 75 Zur ökonomischen Sicht Schmidt / Weiß in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl., 2009, S. 161, 169; zur rechtlichen Sicht Fleischer in: ebd., S. 185, 187. 76 Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 493. 77 Vergleichend Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 492 ff., 494. 78 Näher zur modelltheoretischen Forschung 6. Kapitel: C.II (S. 165).

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gegen Informationslecks zu schützen hat. Soweit dies gelingt, sind aus der Informationssammlung und -auswertung (information pooling) Renditen zu erzielen. Dieser Mechanismus steht zugleich für eine wirksame marktliche Überwachung der Geschäftsleitung von Emittenten. Zur Internalisierung der Informationen im Wege der gesellschaftsinternen Ausübung von Kontrollrechten bestehen aus Sicht des Fonds hingegen nicht zwingend Anreize, weil dadurch die Möglichkeit zur Aneignung der Rendite aus dem information pooling beeinträchtigt werden kann. Die vorgestellten Überlegungen eignen sich nach Stand der Diskussion zur Bestimmung der Rolle von Finanzintermediären im engeren Sinne, darunter sowohl Banken als auch Investmentfonds. Zur Finanzintermediation im weiteren Sinne, also den hier interessierenden Informationsintermediären, sind weitere Differenzierungen möglich, denen in späteren Abschnitten nachzugehen ist.79 Zum hier behandelten Zusammenhang zwischen Intermediation und Finanzsystem sind abschließend zwei Hinweise geboten: Erstens kommen Studien zu dem Ergebnis, dass der Vergleich zwischen dem deutschen Rechnungslegungsund Abschlussprüfungsrecht mit den in Outsiderfinanzsystemen geltenden Regeln die unterschiedlichen Rollen des Prüfers widerspiegeln.80 Deutlich werden diese Unterschiede vor allem am dem Aufsichtsrat vorzulegenden Prüfungsbericht (§ 317 HGB), der zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen in dieser Form nicht bekannt ist oder, soweit es die Europäische Union anbelangt, erst durch Abschlussprüfungsreform von 2014 bekannt wurde. Zweitens dürfen Konvergenzbewegungen nicht übersehen werden. Eine solche Konvergenzbewegung betrifft Einzelfragen wie den eben genannten Prüfungsbericht. Hinzu kommt die Internationalisierung der Rechnungslegungsstandards mit zunehmender Verdrängung der US-GAAP durch die IFRS. Übergreifender zeichnet sich seit Jahren ein Zusammenwachsne der Rollen von einerseits nicht geschäftsführender Direktoren (non-executive directors) im einstufigen Verwaltungsratsmodell und andererseits des Aufsichtsrats ab.81 In der Summe dieser und weiterer Einzelbetrachtungen verschwimmen die Unterschiede von Insider- und Outsidersystem. Treiber solcher Konvergenzbewegungen sind nicht zuletzt Bonitätsrating und Finanzanalyse, die in ihren Messmethoden von vornherein nur eingeschränkt auf das jeweilige System zugeschnitten sind und zusammen mit anderen Intermediären Druck in Richtung struktureller Vergleichbarkeit aufbauen.82

Dazu 6. Kapitel: C (S. 163 ff.). Leuz / Wüstemann in: Krahnen / Schmidt (Hrsg.), The German Financial System, 2004, S. 450, 452. 81 Hopt / Leyens ECFR 2004, 135, 164. 82 Zur Rolle weiterer Instanzen wie den Stimmrechtsberatern Fleischer ZGR 2012, 160, 163 ff., 191. 79 80

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

III. Disintermediation und Systemwechsel Der Gegenbegriff der Intermediation ist die Disintermediation, also die direkte Transaktion zwischen Anbieter und Nachfrager unter Ausschluss vormals einbezogener Mittler. Die Disintermediation tritt in unterschiedlichen Intensitätsstufen auf. Aus Sicht der Banken stellen sich Aktienemissionen, also die Eigen- statt Fremdkapitaleinwerbung als Disintermediation dar. Aus dem Leistungsangebot der die Finanzintermediation stellenden Banken kommt hierbei allerdings allein die durch Kreditvergabe bewirkte Transformationsleistung nicht zum Tragen, während Leistungen der Transaktionsdurchführung und auch der Informationsintermediation weiterhin in Anspruch genommen werden. Zu technischen Fortentwicklungen des Informationsmarkts, die einen vollständigen Verzicht auf die Finanzintermediation zeitigen könnten, ist es nicht gekommen.83 Der Siegeszug der Exchange Traded Funds (ETFs), deren Strukturprinzip die Indexabbildung unter Verzicht auf die Informationsauswertung und Portfoliozusammensetzung durch ein aktives Fondsmanagement ist, bietet aber ein Indiz für die breitflächige Wandelbarkeit der Investitionsformen. Anzeichen für Verschiebungen im kapitalmarktlichen Leistungsgefüge deuten sich aus der zunehmenden Konvergenz der Corporate Governance an. Heute wird davon ausgegangen, dass inländische Emittenten mehr oder weniger identische Standards wie ihre ausländischen Mitbewerber zu berücksichtigen haben. Zu beobachten ist eine Internationalisierung der best practice, die aus der angestiegenen Eigenkapitalorientierung deutscher Unternehmen und der Werbung um Investoren aus dem Ausland zu erklären ist. Verstärkt seit Beginn des neuen Jahrtausends zeichnet sich bei den börsennotierten Großunternehmen ein Abbau der sogenannten Deutschland AG (German Inc.) ab. Die vormals für das deutsche Finanzsystem als maßgeblich erachteten wechselseitigen Verflechtungen und die Repräsentation von Bankenvertretern im Aufsichtsrat gehen zurück.84 Damit verbinden sich Änderungen der Informationsprozesse, infolge derer die Klarheit einer Gegenüberstellung des deutschen Wirtschaftsraums zu dem der USA oder dem des Vereinigten Königreichs jedenfalls aus dem Blickwinkel der Informationsinternalisierung und -externalisierung zurückgeht. Für den deutschen Kapitalmarkt führen die Änderungen der Informationsprozesse zu einem Systemwechsel. Mögliche Folgerungen hieraus werden erst erschlossen.85 Die Überlegung, dass ein Insidersystem eine Outsidersystemen Dahingehende Erwartungen noch bei Langevoort 98 Harv. L. Rev. 747, 750 ff. (1985). Zum Rückgang der finanziellen und personellen Verflechtungen Monopolkommission, Einundzwanzigstes Hauptgutachten, BT-Drucks. 18/9807 v. 30.9.2016, S. 119 ff., 178. Zum Stand Ringe 63 Am. J. Comp. L. 493 (2015). Siehe bereits Zumbansen 3 German L.J. (Nr. 6, 1.6.2002). 85 Zum Systemwechsel in Deutschland etwa Hackethal / Schmidt / Tyrell 159 JITE 664, 671 (2003); zuvor dies. 8 J. Fin. Intermed. 36, 42 (1999) zu Deutschland, Frankreich und Großbritannien. 83 84

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ebenbürtige Informationsverarbeitung hervorbringt, könnte aus einer höheren Kapazität zur sachnahen Informationsverarbeitung zu begründen sein.86 Sie ist aber dem offensichtlichen Einwand einer kleineren Informationsmenge und zudem einer kleineren Anzahl informationsverarbeitender Instanzen ausgesetzt.87 Die Diskussion hierzu wird wie die um die Determinanten von Austausch- und Informationsprozessen weiterhin im Fluss bleiben.88 Rechtspraktisch bedeutsam ist die Erkenntnis, dass eine stärkere Kapitalmarktorientierung der Emittenten eine veränderte Infrastruktur der Informationsflüsse und damit verbunden einen geänderten Bedarf an Regulierung zur Folge hat und haben muss. Ohne funktionierende kapitalmarktliche Institutionen besteht die Gefahr eines den (möglicherweise) innovativen Änderungsprozess hemmenden Regelungsvakuums.89 Die Eckpfeiler wurden durch das Wertpapierhandelsrecht (WpHG von 1994), das Übernahmerecht (WpÜG von 2002) und zahlreiche weitere kapitalmarktbezogene Normengeflechte gesetzt, zumeist angestoßen oder fortentwickelt durch die Regelsetzung der Europäischen Union. Unverkennbar bedingt der tatsächliche und rechtliche Wandel Änderungen in der Rolle von Informationsintermediären. Zu erwarten ist, dass Informationsintermediäre sich an den steigenden Bedarf an Informationsexternalisierung entweder regulatorisch angestoßen oder in Reaktion auf Änderungen des Angebot-Nachfrage-Gefüges anpassen. Soweit dies gelingt, sind dynamisch auf Wandel reagierende private Informationsintermediäre gleichsam ein „Puffer“, der Systemänderungen befördern, erleichtern oder negative Folgen für Informationsmärkte abmildern kann. Wie auf Austauschmärkten können sich hierbei Friktionen ergeben, zu deren Abmilderung ein strukturell leistungsfähiges Recht der Informationsintermediation beiträgt.90

C. Finanz- und Informationsintermediation Die Informationsintermediation ist Teilfunktion der Finanzintermediation. Sie kann aber auch losgelöst von der auf die unmittelbare Begleitung von Austauschprozessen gerichteten Finanzintermediation erbracht werden.91 Unabhängig von der Gestaltung kommt es infolge der Zuschaltung des Intermediärs zu einer durch zahlreiche modelltheoretische Studien vermessenen delegierten

Franks / Mayer in: Siebert (Hrsg.), Trends in Business Organization, 1995, S. 171, 172 ff. 87 Allen in: Mayer / Vives (Hrsg.), Capital Markets and Financial Intermediation, 1993, S. 81, 89, 102. 88 Zum Stand GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 14. 89 Baum in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 3, 6 ff. 90 Zu den Grundstrukturen 10. Kapitel (S. 316 ff.). 91 Abschn. I. 86

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Überwachung der Geschäftsleitung.92 Die Einbeziehung externer Informationsintermediäre verursacht eigene Kosten, die aus einer über das einzelne Unternehmen hinausreichenden Perspektive als Kosten einer multilateralen Agenturbeziehung zu erschließen sind.93

I. Finanzintermediäre im weiteren Sinne Unterschieden werden Finanzintermediäre im engeren und im weiteren Sinne.94 Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften, sonstige Allfinanzdienstleister und Börsen. Sie erfüllen drei Teilfunktionen: Die erste und wichtigste Funktion besteht in der Umgestaltung des Faktors Kapital (Transformation) durch Zusammenfassung des Angebots und der Nachfrage einer Vielzahl von Privathaushalten und Unternehmen. Vor allem Kreditbanken bringen die Unterschiede in den Volumina (Losgrößen), den Zeiträumen (Fristen), der Kapitalverfügbarkeit (Liquidität) und den Sicherungsbedürfnissen (Risiken) in Ausgleich. Die zweite Teilfunktion betrifft die standardisierte und deshalb kostengünstige Transaktionsanbahnung, den Transaktionsabschluss sowie die Abwicklung durch Banken oder Börsen. Dritte Teilfunktion ist die Informationsintermediation, also die Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und -nachfragenden. Diese wird zum einen von den Finanzintermediären im engeren Sinne (mit-)geleistet, zum anderen wird sie von spezialisierten Finanzintermediären im weiteren Sinne, also den hier behandelten externen Informationsintermediären erbracht. Die wichtigsten externen Informationsintermediäre des Kapitalmarkts sind Abschlussprüfer, Finanzanalysten und Ratingagenturen. Dieser kurze Überblick steht für das verfestigte Verständnis der Finanzintermediäre als Agenten, die am Austausch finanzieller Mittel zwischen Kapitalgebern und -nehmern beteiligt sind.95 Zu diesem Verständnis trug Wolfgang Breuer 1993 bei, indem er die in der Literatur vorzufindenden neunzehn Definitionen verglich und herausfand, dass zwölf letztlich auf Finanzproduzenten, also vor allem auf Banken bezogen waren.96 Nach seiner Systematisierung sind vier Grundtypen, bestehend aus Finanzgutachter, Finanzauktionator, Finanz-

Abschn. II (S. 165). Abschn. III (S. 168). 94 Überblick bei GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 10/1-Grundmann Teil 1 Rn. 6; Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2009, Bd. 1, S. 592 m. w. N. 95 Greenbaum / Thakor Contemporary Financial Intermediation, 2. Aufl., 2007, S. 13 ff. Eingehende Auseinandersetzung bei Breuer Finanzintermediation im Kapitalmarktgleichgewicht, 1993, S. 15 ff., 19; Scholtens 140 De Economist 470, 477 (1992). 96 Breuer Finanzintermediation im Kapitalmarktgleichgewicht, 1993, S. 22 mit tabellarischer Übersicht. 92 93

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Market-Maker und Finanzproduzent zu unterscheiden.97 Seine Untersuchung steht für den Versuch, die Definition auf primäre Finanzintermediäre zu beschränken und damit von der sekundären Informationsintermedären abzugrenzen, die nicht in den Tausch des Finanztitels eingebunden sind, sondern bei denen die Information selbst Gegenstand des Tauschs ist. Informationsleistungen wären demnach nicht erfasst, weil – wie auch Breuer einräumt – eine sinnvolle Abgrenzung etwa zu den die Tauschprozesse unterstützenden Finanzgutachtern kaum zu leisten ist. 98 Dementsprechend wurde in Folgeuntersuchungen vorgeschlagen, die Definition der Informationsintermediation auf Intermediäre zu verengen, die zur Überwindung von Informationsasymmetrien beim Austausch von Finanzierungstiteln eingeschaltet werden.99 Der regulierungstheoretische Begriff der Informationsintermediation steht diesem zuletzt genannten weiten Verständnis näher. Wie noch im Einzelnen darzustellen ist, ist daraus ein an die Wirkungen der Informationsintermediation als private Marktzugangskontrolle (gatekeeping) anknüpfendes, also ein funktionales Rollenverständnis hervorgegangen.100 Geprägt durch das rechtstatsächliche Funktionsspektrum der Informationsintermediation und die Möglichkeiten zur regulatorischen Indienstnahme zählen zu den Finanzintermediären im weiteren Sinne neben Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanzanalysten etwa auch Transaktionsanwälte oder die neuerdings in den Blick geratenen Stimmrechtsund Vergütungsberater.101

II. Informationsintermediation als abgeleitete Überwachung Die Funktionen der Finanzintermediation wurden seit Anfang der 1980er-Jahre in einer Welle paralleler modelltheoretischer Studien näher erschlossen, die heute als Bausteine einer eigenständigen Theorie der Informationsintermediation gelten.102 Die Annahmekonstrukte sind weitestgehend der ökonomischen Transaktionskosten- und Agenturtheorie entlehnt, stehen also im Zeichen des 97 Ebd., S. 9: Finanz-Gutachter (Informationsproduktion, Anbahnung von Transaktionen), Finanz-Auktionator (Preisermittlung während Kontrahierungsphase), FinanzMarket-Maker (Einschaltung in physischen Austausch insbesondere durch An- und Verkauf von Positionen; z. B. Wertpapierhändler) und Finanzproduzent (Transformationsleistung; insbesondere Kreditbanken). 98 Ebd., S. 16. 99 Hax Informationsintermediation, 1998, S. 44: „Finanzintermediäre sind solche Intermediäre, die an Tauschvorgängen beteiligt sind, die Finanzierungstitel oder Informationen über Finanzierungstitel betreffen“; Kursivdruck im Original zur Hervorhebung der Abweichung von Breuer Finanzintermediation im Kapitalmarktgleichgewicht, 1993, S. 15. 100 Im Einzelnen 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff.). 101 Zu den Zusammenhängen 1. Kapitel: D (S. 9). 102 Überblick zu den nachfolgend besprochenen und weiteren Studien bei Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 165 ff., 170 ff. jeweils mit detaillierter Diskussion der Annahmen. Knapper Hax Informationsintermediation, 1998, S. 83 ff.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

auch für die Vorstellung relativer Markteffizienz maßgeblichen Informationskostenparadigmas.103 Zunächst kreisten die Studien vornehmlich um die Erklärung der Existenz der Kreditbanken und deren Transformationsleistungen. Erst im Fortgang entwickelten sich die bis dahin teilweise bloß impliziten Aussagen zur Informationsintermediation fort. Den Beginn markieren die Studien von Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig aus den Jahren 1983 und 1984.104 Zugrunde gelegt wurde die Vorstellung vom Finanzintermediär als Überwacher kraft vertraglich vereinbarter Informations- und Kontrollbefugnis (delegated monitoring). Für die weitere Forschung prägend erwies sich die Überlegung, nach der Informationsunsicherheiten und -asymmetrien aus Sicht der kapitalgebenden Einleger kostengünstiger durch die Leistung des Finanzintermediärs als im Wege der Herstellung von Anreizkompatibilität durch direkte vertragliche Absprachen zu überwinden sind. Voraussetzung ist, dass der Finanzintermediär glaubhaft die Fähigkeit zur kostengünstigen Reduzierung der Informations- und Anreizprobleme aus der Beziehung zwischen Kapitalgebern und -nehmern vermitteln kann. Damit war der Grundstein für die moderne Theorie der Finanzintermediation gelegt, wenn auch zunächst unter Modellierung einer bloß zweistufigen Agenturbeziehung, die geltende Vorstellungen von einem weitere Betroffene einbeziehenden Funktionsschutz nicht zu formalisieren vermag. Annahmen und Ergebnisse dieser und weiterer Studien sind vielerorts aufgearbeitet.105 Die ebenfalls im Jahr 1984 vorgelegte und vergleichbar diskussionsprägende Untersuchung von Ram T. S. Ramakrishnan und Anjan V. Thakor durchleuchtete die Agenturbeziehung zwischen Finanzintermediär und Kapitalnehmern.106 Auch nach ihrer Vorstellung kommt Finanzintermediären die Rolle eines unabhängigen Informationsproduzenten zu. Gleichsam als Pendant zur delegierten Überwachung im Interesse der Kapitalgeber übernimmt der Intermediär im Interesse der kreditnehmenden Unternehmen Aufgaben der Informationssuche und -auswertung zur Einwerbung von Kapital. Im Weiteren zeigen die Autoren die Anreize zur Koalitionsbildung von Informationsintermediären auf.107 Neben den (steten) Zweifeln an der zu starken Annahmeverengung ökonomischer Modellierungen sind genannte wie auch darauf folgende Studien zur Finanzintermediation dem Vorwurf ausgesetzt, entweder nur die Aktiv- oder nur die Pas-

103 Zu den Erklärungsmustern gehören Spezialisierungsvorteile, wiederverwertbare Information und Verringerungen der Kommunikationskosten zwischen Angebots- und Nachfrageseite. Im Überblick Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 47, 62. 104 Diamond 51 Rev. Econ. Stud. 393 (1984) mit aktivseitiger Erklärung. Zuvor bereits Diamond / Dybvig 91 J. Pol. Econ. 401 (1983). 105 Siehe die Nachw. Fn. 102. 106 Ramakrishnan / Thakor 51 Rev. Econ. Stud. 415 (1984). 107 Kritik bei Breuer Finanzintermediation im Kapitalmarktgleichgewicht, 1993, S. 127. Ihm folgend Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 58 f.

6. Kapitel: Ökonomik

167

sivseite zu berücksichtigen.108 Verbindungslinien deuteten sich in den von Bengt Holmström und Jean Tirole im Jahr 1997 vorgeschlagenen Erweiterungen zu dem von Diamond 1984 erarbeiteten Modellaufbau an.109 Die nach der Finanzmarktkrise 2008 für Banken erneut intensiv diskutierten Folgerungen einer Sicherstellung der Glaubwürdigkeit durch delegierte Überwachung im Wege erhöhter Eigenkapitalausstattung der Banken finden hier ihren modelltheoretischen Ursprung.110 Bis dahin hatte sich die modelltheoretische Forschung zur Informationsintermediation fortentwickelt.111 Anat R. Admati und Paul Pfleiderer erschlossen 1986 die Anreize von Informationsverkäufern, ihre Informationsanstrengungen im Zeichen eigener Vereinnahmungsmöglichkeiten abzusenken.112 Sudipto Bhattacharya und Paul Pfleiderer widmeten sich 1985 ebenso wie Neil M. Stoughton 1993 der Suche nach optimalen Entlohnungsabsprachen zwischen dem Informationsproduzenten und dem Erwerber.113 Überlegungen zu einer Selbstbindung im Wege der zusätzlichen Entlohnung über Eigenhandelsgewinne brachte Franklin Allen 1990 ein.114 In der Praxis sind die in diesen Studien entwickelten und zum Teil (hoch-) komplexen Entlohnungsmodelle nicht zu beobachten. Das deutet auf eine mehr als theoretische Referenzgröße geeignete Bedeutung der Forschungsergebnisse. Zweifel an der Umsetzbarkeit vollständig anreizkompatibler Entlohnungsmodelle ergeben sich nicht zuletzt aus den Informationskosten für entsprechende Absprachen: Eine Festlegung von Zahlungen für jedes nur denkbare Signal käme nur bei vollständiger Beobachtung der Eigenhandelsaktivitäten des Informationsverkäufers in Betracht. Dies ist entweder von vornherein unmöglich oder verstellt die Kostenvorteile aus der Einschaltung des Intermediärs.115 Im Einklang mit der fortschreitenden rechtsökonomischen Erfassung der Informationsintermediation rückte die Reputation als Mechanismus zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Intermediärverhaltens in den Blick.116 Die theoretischen Erträge der eingangs kurz umrissenen Theorie der Finanzintermediation erwies sich hierfür als wegebnend. Der wichtigste Ertrag könnte in der heute verfestigten Erkenntnis von den eigenen und über bilaterale Vertragsabsprachen nur eingeschränkt lösbaren Problemen des kapitalmarktbezogenen Informationsmarkts zu sehen sein.

108 109 110 111 112 113 114 115 116

Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 230 ff. Holmström / Tirole 52 Q. J. Econ. 663 (1997). Instruktiv Admati / Hellwig The bankers’ new clothes, 2013, S. 79. Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 96 ff. Admati / Pfleiderer 39 J. Econ. Th. 400 (1986). Bhattacharya / Pfleiderer 36 J. Econ Th. 1 (1985); Stoughton 48 J. Fin. 2009 (1993). Allen 1 J. Fin. Intermed. 3 (1990). Zur Kritik Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 126 f. Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 127 f.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

III. Multilaterales Agenturverhältnis Moderne rechtsökonomische Sichtweisen ordnen die Informationsintermediäre den Mechanismen der Kapitalmarkteffizienz zu, mit der normativen Folgerung einer Einbindung ihrer Leistungen in Ziele des kapitalmarktlichen Funktionsschutzes. Im bilateralen Verhältnis ist das Problem der Einwirkung des Agenten auf die Vermögensinteressen des Prinzipals (principal-agent problem) gut fassbar. Die Einbindung der Informationsintermediation in ein weitere Ziele erfassendes multilaterales Marktverhältnis, wie es etwa regulatorischen Indienstnahmen einzelner Intermediationsleistungen zugrunde liegt, ist mit Formalisierungen von Zahlungsbereitschaften im bilateralen Agenturverhältnis hingegen nicht vollständig abzubilden. Die agenturtheoretische Forschung hat gleichwohl Ansätze zur Erfassung mehrstufiger Agenturbeziehungen hervorgebracht, etwa zur Einschaltung eines Überwachungsorgans in die Beziehung zwischen Anteilseignern und Management (Aktionär, Aufsichtsrat und Vorstand).117 In bestimmten Agentursituationen führt erst das Zusammenwirken mehrerer Agenten, also die explizite Teamarbeit (Vorstand und Aufsichtsrat) zur auftragsgemäßen Leistungserbringung.118 Die mit einer impliziten Teamarbeit (Abschlussprüfer, Ratingagentur, Finanzanalyst) verbundenen Trittbrettfahrerprobleme können demgegenüber Teilerklärungen eines gleichgerichteten Verhaltens der Informationsintermediäre liefern. Bekannt sind die bei Errichtung mehrgliedriger Agenturbeziehungen neu entstehenden Gefahren aus Koalitionsbildungen zwischen dem Agenten und seinen Überwachern (Vorstand, Aufsichtsrat, Abschlussprüfer).119 Zurückzuführen sind die damit verbundenen Agenturprobleme im Wesentlichen auf Informationslücken und Beobachtungsschwächen.120 Besonders diese Erklärung ist zur Analyse von Leistungsschwächen der Informationsintermediation bei der Erfüllung von Funktionsschutzzielen einzusetzen. In ihrem Kern bleibt die agenturtheoretische Modellvorstellung auf das ZweiPersonen-Verhältnis (bilaterale oder dyadische Beziehung) zugeschnitten und bereitet nur Teilstücke eines die bestehende rechtliche Rahmengebung aufnehmenden und die Abwägung regulatorischer Eingriffe begründenden Prozess-

Zum Stand Kräkel Organisation und Management, 6. Aufl., 2015, S. 88 ff., 90. Jensen / Meckling 3 J. Fin. Econ. 305, 309 (1976). Für die Forschung erwies sich im Anschluss an Coase 4 Economica 386 (1937) die Frage nach der optimalen Größe der Organisation und Komplexität ihrer Entscheidungsstrukturen als prägend: Williamson 75 J. Pol. Econ. 123 (1967); sodann Calvo / Wellisz 86 J. Pol. Econ. 943 (1978); dies. 87 J. Pol. Econ. 991 (1979). 119 Tirole The Theory of Industrial Organization, 1988, S. 46 m. w. N. 120 Zur Teamarbeit Holmström 13 Bell J. Econ. 324 (1982). Zur Beeinträchtigungen von Leistungsturnieren infolge der Gruppenbildung Lazear / Rosen 89 J. Pol. Econ. 841 (1981). 117 118

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ansatzes vor.121 Mit der Agenturtheorie sind vornehmlich optimale Vertragsgefüge122 zu erforschen, die bei vollständigen Absprachen zur Überwindung von Informationsasymmetrien und Interessenkonflikten zwischen den Teilnehmern des Kapitalmarkts getroffen würden. Dem Versuch der Übertragung auf das Mehrpersonenverhältnis im Marktzusammenhang (multilaterale Beziehung) widmet sich die stark ökonomisch geprägte, aber auch weitere Denkrichtungen einbeziehende Erforschung hierarchischer Governance-Strukturen, deren Erträge für die kapitalmarktliche Informationsintermediation noch im Einzelnen zu ergründen sind.123 Gegenüber der modelltheoretischen Ökonomik stehen insbesondere die soziologisch und regulierungstheoretisch ausgerichteten Konzeptualisierungen in Präzision und Trennschärfe kaum verkennbar zurück. Umso wichtiger ist die folgende Vergewisserung der von sämtlichen Denkrichtungen verfolgten Ökonomik des Zusammenspiels von Information, Reputation und Markt.

D. Information, Reputation und Markt Leistungen der privaten Informationsintermediation werden nachfragebedingt erbracht. Angeboten werden sie also nur bei entsprechenden Zahlungsbereitschaften für die Suche und Auswertung von Informationen. Informationen weisen Gütereigenschaften auf, infolge derer nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Vereinnahmung von Renditen aus den aufgewendeten Anstrengungen bestehen.124 Im Vergleich zu der erfahrbaren Qualität anderer Produkte sind Leistungen der Informationsintermediation in besonderem Maße auf Glaubwürdigkeit angewiesen.125 Im hierin angelegten Zusammenspiel von Informationsgut, Reputationsinvestition und der beide Eigenschaften erfassenden Marktmechanismen zeigen sich die grundsätzlichen Herausforderungen einer leistungsfähigen Regelsetzung zur Informationsintermediation am Kapitalmarkt.126

I. Information als hybrid privat-öffentliches Wirtschaftsgut Leistungen der Informationsintermediäre werden mit dem Ziel der Überwindung von Informationsunsicherheiten nachgefragt. Unterschieden wird unter anderem zwischen erkannter und nicht erkannter Informationsunsicherheit in Schreyögg Organisation, 6. Aufl., 2016, S. 435 ff. zu Prinzipal-Agenten-Beziehungen in Organisationen. 122 Franke / Hax Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Aufl., 2009, S. 502, 505. Siehe auch die Nachw. Fn. 118. 123 Zu den Regelungskonzeptionen 8. Kapitel: A.II (S. 214). 124 Abschn. I. 125 Abschn. II (S. 171). 126 Abschn. III (S. 173). 121

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Bezug auf Produktpreise und -qualität.127 Nicht erkannte Unsicherheiten werden hierbei als Sammelbegriff für sämtliche endogenen und exogenen Einflüsse auf das Produkt und seinen Preis verstanden.128 Bei den (praktisch ausschließlich) nach Renditezielen ausgewählten Finanzprodukten kommt es vor allem auf die Vergleichbarkeit nach den für die jeweilige Investition maßgeblichen Kriterien an.129 Diese Kriterien und die dazu erforderlichen Intermediationsleistungen werden durch die geprüfte Rechnungslegung (ordnungsgemäße Erfüllung der Kernfunktion der Unternehmensleitung), das Bonitätsrating (Fortbestehensrisiken) und die Finanzanalyse (Entwicklungsprognose) abgebildet. Der Informationsverkauf setzt voraus, dass die Inhalte von den Empfängern verarbeitet werden können (Adressatenbezogenheit). Die Auswertung der bereits gebündelten Intermediärinformationen muss nicht durch den Einzelanleger erfolgen, sondern kann diesem durch Anlageberater auch als weiter zusammengesetztes und auf seine individuellen Präferenzen zugeschnittenes Verarbeitungsergebnis vermittelt werden. Auf allen in Betracht kommenden Verarbeitungsebenen besteht die Gefahr einer Informationsüberflutung (information overload).130 Das gilt auch für die Anreicherung des Informationsbestands durch Intermediäre. Die Suche nach Regeln zur Herstellung eines Optimums, nicht Maximums an Informationen hängt anders als im einzelfallbezogenen Vertragsrecht maßgeblich von der Bestimmung des anonymen Normadressaten der kapitalmarktlichen Publizität durch den Regelsetzer ab, der bei der weiteren Pflichtensetzung die Charakteristika des Wirtschaftsguts Information zu berücksichtigen hat.131 127 Diese auf Arrow in: Pratt / Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents, 1985, S. 37 zurückgehende Unterscheidung zwischen verborgener Information (hidden information) und verborgener Handlung (hidden action) ist bis heute für die Agenturtheorie prägend. 128 Nach Stiglitz in: Sharpe / Cootner (Hrsg.), Financial Economics, 1982, S. 118 ff. sind vier Kategorien fehlender Information zu unterscheiden: erstens solche, die sämtliche Marktteilnehmer gleichermaßen betreffen, also z. B. die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Rezession, zweitens Informationen, die nur für einen Teil der betrachteten Gruppe relevant sind, bei diesem Teil aber den gesamten Wertpapierbestand betreffen wie z. B. die bloß eine bestimmte Branche erfassende Rezession, drittens Informationen, die spezifisch eine Unternehmung betreffen und sämtliche Personen erfassen, die Anteile an dieser Unternehmung halten wie z. B. die Kompetenz des Managements oder andere (Insider-)Informationen, sowie schließlich solche Informationen, die nur eine spezifische Unternehmung und nur einen Teil des Anlegerkreises dieser Unternehmung betreffen wie z. B. Unternehmenserträge, die für risikoneutrale Anleger einzig entscheidend sind. 129 Nach Hirshleifer / Riley ergeben sich diese Kriterien aus einerseits Marktunsicherheit, also der Unsicherheit über Variablen des ökonomischen Systems, und andererseits Ereignisunsicherheit, also Unsicherheiten über nicht veränderbare Umstände bei bekannten Marktpreisen, die aber durch Informationssuche näher eingrenzbar werden; Hirshleifer / Riley 17 J. Econ. Lit. 1375, 1377 (1979). 130 Grundlagen bei Rogers / Agarwala-Rogers Communication in Organizations, 1976, S. 90. Zur Kapitalmarktregulierung Möllers / Kernchen ZGR 2011, 1, 9 ff., 11. 131 Fleischer Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 116.

6. Kapitel: Ökonomik

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Die von den Intermediären vermittelten Informationen sind als hybrid privatöffentliches Wirtschaftsgut einzuordnen. Sie werden in Erfüllung privater Absprachen erstellt, entbehren aber nach Kundgabe gegenüber dem Vertragspartner, noch mehr bei Veröffentlichung, einer Möglichkeit zum Ausschluss von Drittverwendungen. Diese für alle öffentliche Güter kennzeichnende Eigenschaft schränkt die Möglichkeiten zur Vereinnahmung der Erträge aus der Informationsproduktion ein.132 Vertraglich ist zwar ein Weitergabeverbot zu formulieren. Schon mangels hinreichender Beobachtbarkeit der Drittverwendungen ist ein solches Verbot nicht vollumfänglich durchsetzbar. Die Pflichtpublizität des Intermediationsergebnisses, z. B. die Pflicht zur Offenlegung von im Abonnement erbrachten Bonitätsbeurteilungen, schränkt die Vereinnahmungsmöglichkeiten des Informationsproduzenten also weiter ein. Offenlegungspflichten wie die beispielhaft genannte zeigen, dass es sich um ein Problem der Zuweisung von Verfügungsrechten über die Information handelt. Rechtspraktisch spielt dieses Problem vor allem im Rahmen der Haftung des Intermediärs gegenüber Dritten eine Rolle. Die Informationsproduktion verursacht anfänglich hohe Kosten, in die vor allem solche zum Aufbau der noch zu besprechenden Reputation einfließen (z. B. Ausbildung, Zulassung, track record). Wie von Joseph E. Stiglitz und Roy Radner 1984 herausgearbeitet, sind die Grenzkosten bei Informationsprodukten gegenüber den Fixkosten weitgehend unerheblich.133 Darauf aufbauend wird die fortlaufende Informationsproduktion realitätsnah vornehmlich aus Synergieeffekten (scale economies) erklärt. Diese Erklärung der Informationsproduktion ist zum einen Ausgangspunkt der Einordnung des Intermediärs als kostengünstiger Informationssammler, der für eine Vielzahl von Marktteilnehmern tätig wird.134 Zum anderen erklären sich aus dieser für die Informationsproduktion typischen Kostenstruktur Tendenzen zur Herausbildung oligopolistischer Informationsmärkte, mit deren tatsächlichem Auftreten sich die Regelsetzungsdebatte zu Abschlussprüfung und Rating auseinanderzusetzen hat.135

II. Glaubwürdigkeit und Reputation Der Informationsverkauf ist erst bei hinreichender Glaubwürdigkeit möglich. Durch die Herstellung von Glaubwürdigkeit im Wege der drittzertifizierten Information werden Probleme des Marktversagens überwunden.136 Vertragliche Möglichkeiten zur Herstellung von Glaubwürdigkeit sind Verpflichtungen zum Einordnend Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 485. 133 Stiglitz / Radner in: Boyer / Kihlstrom (Hrsg.), Baysian Models in Economic Theory, 1984, S. 33. Dazu Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 16 f. 134 Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1592 ff. (2010) m. w. N. 135 Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 16 f. 136 Das heute bekannte Problem adverser Selektion wurde herausgearbeitet von Akerlof 84 Q. J. Econ. 488 (1970) und ist als „lemon market“ bekannt. 132

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Eigenhandel, Selbstbehalte oder Eigenkapitalunterlegungen (credible comittments). Möglich sind sie bei Beteiligung des Intermediärs am betreffenden Produktaustausch. Soweit entsprechende Absprachen überhaupt herstellbar sind,137 führt die Eigenbeteiligung zu einer der Werbeaussage vergleichbaren Informationsbereitstellung. Das Ziel einer an der Informationsintegrität ausgerichteten Informationsleistung, wie sie für das gewachsene Rollenverständnis der Intermediäre kennzeichnend ist, wird dadurch nicht erreicht. Die Glaubwürdigkeit der Intermediärinformation ist vom Erwerber eines Finanzprodukts nur im Nachhinein zu verifizieren. Das wirtschaftliche Ziel der kostengünstigen Informationsbereitstellung wird dadurch verfehlt.138 Intermediäre treffen Aussagen zu harten Informationen, also beispielsweise zur ex ante zumindest theoretisch nachprüfbaren rechnerischen Richtigkeit der Emittentenangaben. Von größerer Bedeutung sind weiche Informationen, also Aussagen zur Wahrscheinlichkeit der künftigen Entwicklung der Geschäftsabschlüsse, des Forderungsbestands oder der Marktverläufe. Die anfängliche Richtigkeit solcher probabilistischer Aussagen ist allenfalls am ordnungsgemäßen Einsatz von Prüfungs- und Prognosemethoden zu messen. Entscheidend ist, dass die Richtigkeit sämtlicher Aussagen zwar im weiteren Verlauf erfahrbar wird, dann aber für den Informationserwerber nicht mehr von Nutzen ist. Ein eigenständiger und wirtschaftlich absatzfähiger Wert (produktive Information) ist durch Leistungen der Informationsintermediation also nicht ex post, sondern nur ex ante hervorzubringen. Leistungen der Informationsintermediation weisen deshalb Eigenschaften eines Vertrauensguts auf, richten sich also sowohl in Funktion als auch wirtschaftlicher Absetzbarkeit nach dem Grad anfänglichen Vertrauens in den Informationsgehalt.139 Im anonymen Kapitalmarkt ist Vertrauen selten durch mehrmalige Interaktion mit demselben Vertragspartner und regelmäßig nur durch die von vielen früheren Informationsempfängern anerkannte Reputation des Informationsgebers herzustellen.140 Dies gilt einerseits für den Emittenten, der die Informationsbasis zur Verfügung stellt, andererseits aber auch für Informationsintermediäre. Der Emittent macht sich das Vertrauen in die Leistung des Intermediärs 137 Dazu die modelltheoretischen Untersuchungen zu internen Anreizschemata für Fondsmanager zur Herstellung von glaubwürdiger Information von Bhattacharya / Pfleiderer 36 J. Econ Th. 1 (1985) sowie zur Herstellung von Glaubwürdigkeit unter Einsatz von Informationsintermediären bei direktem Informationsverkauf an das Anlegerpublikum von Allen 1 J. Fin. Intermed. 3 (1990). Näher 6. Kapitel: C.II (S. 165). 138 Zum Ganzen Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 486. 139 Darby / Karni, 16 J.L. & Econ 67 (1973). 140 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 554 (1984): „(W)e argue that […] many familiar market institutions, such as investment banks, serve the function of reducing information costs, and thereby facilitate efficiency in the capital market.“ Zu Wirtschaftsprüfern und anderen ebd. S. 604 ff.

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gleichsam im Wege des Reputationszukaufs zunutze.141 Diese Begründung der Absatzfähigkeit von Leistungen der Informationsintermediation aus dem Zukauf von Reputation durch Produktanbieter ist umstritten.142 Hierin liegt die eigentliche Erklärung für die Hinzuziehung unabhängiger Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten bildet. Dies folgt schon daraus, dass weitere Vorteile der Informationsverarbeitung auch durch den Produktanbieter selbst (inhouse) zu erzielen wären.143 Bei der Reputation handelt es sich um ein langfristiges Investitionsgut, dessen Einsatz zur Erzielung einmaliger Renditen kontraproduktiv wäre.144 Gleichwohl ist die Reputation ein schon im Ausgangspunkt unvollständiger Mechanismus langfristiger Anreizsteuerung und zudem anfällig für im Zeitverlauf auftretende Agenturprobleme.145 In der Regelsetzungsdebatte haben vor allem die Einsatzmöglichkeiten der Zertifizierungsreputation zu abgeleiteten Gewinnen aus zusätzlichen Beratungsleistungen Aufmerksamkeit erfahren (low balling).146 Darauf, auf Endspielsituationen, in denen die Aufrechterhaltung des Reputationswerts keine weiteren Erträge verspricht, sowie auf übergreifend zu berücksichtigende Unterschiede der Risiko- und Zeitwahl von einerseits Intermediärorganisation und andererseits des für sie handelnden Prüfers oder Analysten ist noch zurückzukommen.147

III. Informations- und Reputationsmarkt Die Eigenschaften der Information als Wirtschaftsgut und die Anreize des Erstellers zum Reputationsaufbau hängen zusammen. Informationen sind auf Entscheidungen gerichtet. Kenneth J. Arrow arbeitete im Jahr 1962 die Unteilbarkeit von Information und Entscheidung heraus.148 Wirtschaftlicher Wert kommt den Leistungen der Informationsintermediäre nur zu, wenn auf ihrer Grundlage Investitionsentscheidungen getroffen werden können. Daraus ergibt sich der 141 Zu Letzterem Ramakrishnan / Thakor 51 Rev. Econ. Stud. 415, 417 (1984), aufbauend u. a. auf Grossman / Stiglitz 70 Am. Econ. Rev 393 (1980). 142 Zur Diskussion 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff.). 143 Gilson / Kraakman 70 Va L Rev 549, 554 (1984). 144 Klein / Leffler 89 J. Pol. Econ. 615 (1981); Shapiro 98 Q. J. Econ. 659 (1983) jeweils mit formaler Begründung dazu, dass die Opportunismusprämie in einer fortlaufenden Austauschbeziehung die Gewinnerwartungen aus künftigem Leistungsaustausch unterschreitet. Instruktiv Richter / Furubotn Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl., 2010, S. 280. 145 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 554 (1984). Überblick bei Richter / Furubotn Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl., 2010, S. 279. 146 Grundlegend De Angelo 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). 147 Zu den damit angesprochenen Funktionsgrenzen 9. Kapitel: A.II (S. 290). Grundlagen bei Richter / Furubotn Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl., 2010, S. 279 mit Kennzeichnung der Reputation als ein ihrem Wesen nach „dynamisches Konzept“, das ein Mehrperiodenspiel erfordert. 148 Arrow in: NBER (Hrsg.), The Rate and Direction of lnventive Activity, 1962, S. 609, 615.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

bereits angesprochene Zusammenhang zwischen Informations- und Produktaustauschmarkt. Zu erweitern ist die Betrachtung auf den wirtschaftlichen Wert der Reputation, die ebenfalls in das Zusammenspiel von Informations- und Produktpreisen eingebunden ist. Bei formaler Betrachtung folgt die Reputation denjenigen Gesetzmäßigkeiten, die auch für andere Investitionen in den Aufbau von Vertrauen gelten. Der Grenznutzen der Investition in die Reputation entspricht also dem Gegenwartswert der zukünftigen Erträge aus der gestärkten Verlässlichkeit später zu vermittelnder Informationen. Ein Reputationsgleichgewicht, also ein Zustand, in dem das Versprechen ordnungsgemäßen Verhaltens im Eigeninteresse des Agenten dauerhaft gehalten wird, stellt sich hiernach im Wechselspiel kalkulierten Wohlverhaltens und kalkulierten Vertrauens ein.149 Im Idealfall kommt es zu einem ohne weiteres Zutun selbstdurchsetzenden Vertrag. Am Beispiel möglicherweise gar gegenläufiger Preisentwicklungen auf Informations- und Austauschmärkten sind die Grenzen einer Übersetzung dieser Formalbetrachtungen in das tatsächliche Geschehen zu erahnen: Der Grundregel zufolge richten sich die Reputationsanreize nach den künftigen Zahlungsbereitschaften für verlässliche Informationen. Diese Zahlungsbereitschaften sind durch den Grad bedingt, zu dem Investitionsentscheidungen durch die Intermediationsleistungen beeinflusst werden. Je nach Marktphase kommt Informationen allerdings ein unterschiedlich hoher Wert zu. Bei (beginnender) Marktüberhitzung sinken die Zahlungsbereitschaften. Wie in der (ultimativ platzenden) Marktblase tendieren sie etwa auch bei Inanspruchnahme der Leistung allein zur Befriedigung regulatorischer Zwecke gegen null. Deshalb liegt die Annahme nahe, dass das durch künftige Informationspreise bedingte Reputationsgleichgewicht stets nur einen Durchschnittswert abbildet und demgemäß hinter der aus Sicht der Betroffenen treffgenauen (optimalen) Verlässlichkeit zurückbleibt. Zahlreiche weitere Faktoren wären in eine vollständige Gleichung einzubeziehen. Zu berücksichtigen wären insbesondere Unterschiede in der marginalen Bedeutung zusätzlicher Informationen bei einerseits den im Zentrum des Produktmarkts stehenden und deshalb ohnehin beobachteten Finanztiteln und andererseits den am Rand des Markts stehenden Titeln, für die auch einzelne Positivbeurteilungen entscheidend sein können. Hinzu kommt der gegenüber Positivinformationen kleinere Absatzmarkt für negative Informationen, die nur die jeweils mit dem betreffenden Emittenten verbundenen Anleger, Gläubiger und gegebenenfalls Leerverkäufer erreichen. Soweit ersichtlich sind bislang weder theoretische noch empirische Untersuchungen zu einer belastbaren Gesamtschau dieser Faktoren vorgedrungen. Regulatorische Indienstnahmen von Leistungen der Informationsintermediation, wie sie von Abschlussprüfung und Rating bekannt sind, müssen auf ökonomisch nicht vollständig abgesicherte Grundannahmen zum Zusammenspiel 149

Telser 53 J. Bus. 27, 29 (1980).

6. Kapitel: Ökonomik

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der Faktoren zurückgreifen, wollen sie sich nicht dem Vorwurf der Beliebigkeit aussetzen. Bevor im zweiten Teil der Untersuchung zu Reichweite und Grenzen einer auf private Intermediationsleistungen bauenden Finanzmarktregulierung vorgedrungen werden kann, ist im folgenden Kapitel zunächst den empirischen Belegen für die wesentlichen Annahmen nachzugehen.

E. Erträge der theoretischen Ökonomik (Zusammenfassung) 1. Zusammenfassend sind Kapitalmärkte nach Stand der theoretischen Ökonomik in der Lage, Informationen in Preise zu übersetzen (Abschnitt A, S. 148 ff.). Die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Einpreisung – oder Informationseffizienz – ist durch Kosten bedingt. Die Informationsintermediation senkt diese Kosten, indem sie den öffentlich verfügbaren Informationsbestand anreichert, von einzelnen Marktteilnehmern verwendbare Entscheidungshilfen anbietet und Lerneffekte beschleunigt. Auf sämtlichen Ebenen treten eigenständige Friktionen auf, aus denen sich die bloß relative Informationseffizienz des Kapitalmarkts erklärt. Der neben dem Austauschmarkt stehende Informationsmarkt weist eigene Friktionen auf, infolge derer sich unterschiedliche Entwicklungen von Informations- und Austauschwerten einstellen können. 2. Die Informationsintermediation ist in das Finanzsystem, also das institutionelle Gefüge aus Informationsinternalisierung und -externalisierung eingebunden (Abschnitt B, S. 157 ff.). Informationsinternalisierende Systeme setzen auf Informationszugang durch kleine Gruppen (Insidermodell). Der deutsche Kapitalmarkt entwickelt sich in Richtung eines informationsexternalisierenden Finanzsystems, in dem Informationen einer Vielzahl von Marktteilnehmern zur Verfügung stehen (Outsidermodell). Ein verlässliches institutionelles Gefüge der Informationsintermediation ist dazu geeignet, den Systemwandel zu erleichtern oder negative Folgen abzumildern. Für das deutsche Finanzsystem ist von einer zunehmenden Bedeutung der Informationsintermediation auszugehen. 3. Die Informationsintermediation ist Teilfunktion der vornehmlich durch Banken erbrachten Finanzintermediation (Abschnitt C, S. 163 ff.). Wie Finanzintermediäre sind spezialisierte Informationsintermediäre Institutionen einer abgeleiteten Überwachung im Interesse von Kapitalanbietern und -suchenden (delegated monitoring). Ihre Fähigkeit, disziplinierend auf das Geschäftsleiterverhalten einzuwirken, unterliegt aber den auch in anderen mehrgliedrigen Überwachungsbeziehungen auftretenden Agenturproblemen. Dazu zählen insbesondere schädliche Koalitionsbildungen, infolge derer es zur Ausrichtung der Informationsleistung an den Interessen des Überwachten kommt. 4. Die möglichen Erträge des Zusammenspiels zwischen Information, Reputation und Markt für die Regelsetzung sind von besonderem Interesse (Abschnitt D, S. 169 ff.): Ein leistungsfähiges Recht der Informationsintermediation hat die Gütereigenschaften der Information, die Besonderheiten der Reputa-

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

tionsinvestition und die beides erfassenden Marktmechanismen zu berücksichtigen. Die Information ist ein hybrid privat-öffentliches Wirtschaftsgut, das zwar auf Grundlage privater Absprachen erstellt wird, nach seiner Zurverfügungstellung aber in den öffentlichen Informationsbestand einfließt. Die fortlaufende Informationsproduktion ist deshalb vornehmlich aus Skalenerträgen zu erklären. Damit verbindet sich eine natürliche Tendenz zur Herausbildung oligopolistischer Informationsmärkte. Informationen sind nur bei Glaubwürdigkeit absetzbar. Die dazu erforderliche Reputation kann nur langfristig aufgebaut werden. Ihr Einsatz zur Erzielung einmaliger Renditen wäre kontraproduktiv. Als Mechanismus der Selbstregulierung kommt der Reputation gleichwohl eine bloß unvollständig steuernde Wirkung zu. Insbesondere kann die Zertifizierungsreputation (Prüfung) zu abgeleiteten Gewinnen aus nichtzertifizierenden Leistungen (Beratung) eingesetzt werden. Sowohl das Angebot von Informationen als auch die Investition in Reputation richten sich nach privaten Zahlungsbereitschaften, die durch Bezugspunkte der Information, ihren jeweiligen Aussagegehalt und die Marktphase bedingt sind. Unterschiede ergeben sich etwa in Bezug auf bekannte und neue Emittenten sowie solche im Zentrum des Produktangebots und an dessen Rand. Negativinformationen, insbesondere Verkaufsempfehlungen, sind (vorrangig) bei bereits investierten Marktteilnehmern, also nur einem Teilausschnitt des Publikums absetzbar. In überhitzten Märkten können die Zahlungsbereitschaften für Positivinformationen gegen null konvergieren. Verbleibende Absatzmöglichkeiten erklären sich dann allein aus Intermediationsobligatorien oder regulatorischen Inbezugnahmen der Intermediationsleistung. 5. Übergreifend bietet die theoretische ökonomische Forschung eine wertvolle Anleitung für die weitere Suche nach Stärken und Schwächen einer auf die Leistungen privater Informationsintermediäre vertrauenden Marktzugangskontrolle. Die wichtigsten Erkenntnisse betreffen das Nebeneinander von Austausch- und Informationsmarkt, die darauf zu stützenden Betrachtungen der jeweiligen Kostenstrukturen und die Folgerung einer zweifach relativen Leistungsfähigkeit einer auf Angebot-Nachfrage-Mechanismen vertrauenden Rolle der Informationsintermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs.

7. Kapitel

Empirik 7. Kapitel: Empirik

Zu allen hier behandelten Informationsintermediären des Kapitalmarkts existiert ein großer Bestand an empirischen Studien, der fortlaufend national und international weiter ausgebaut wird.1 Bei weitem Begriffsverständnis sind der empirischen Forschung über die Ökonometrie hinaus auch Ereignisstudien und Experimente zuzurechnen.2 International finden vor allem ökonometrische Untersuchungen Beachtung, die darauf abzielen, Korrelationen (selten Kausalitäten) zwischen einer theoriegestützt entwickelten zu erklärenden Variable und einem Datensatz aus ausgewählten erklärenden Variablen aufzuzeigen. Eingesetzt werden sie etwa dazu, die möglichen Parameter für Steigerungen der Markteffizienz zu erschließen. Mit Ereignisstudien sind die Wirkungen sogenannter Schockereignisse, z. B. die einer bestimmten Kapitalmarktinformation innerhalb eines theoriegestützt zu ermittelnden Zeitfensters und methodisch fundierter Kriterien zum Ausschluss anderer Einflussfaktoren zu messen.3 Experimente werden dazu eingesetzt, menschliches Verhalten unter Isolierung bestimmter Einflussfaktoren zu erklären. Anders als die vorgenannten Methoden sind die in der Verhaltensökonomik verwendeten Experimente zumeist darauf ausgerichtet, Abweichungen vom Rationalverhalten zu belegen.4 Von der deskriptiven Rechtstatsachenforschung unterscheiden sich die genannten Methoden durch ihre empirisch-analytische Untersuchung von Umstands- oder Verhaltensbeobachtungen nach Maßgabe eines theoretischen Vorverständnisses. Die Empirik steht infolgedessen in einem engen Dialog mit der ökonomisch-theoretischen Grundlagenforschung und beansprucht wie diese keine naturwissenschaftliche Gewissheit. Ebenso wie die theoretische entwickelt 1 Überblick zur Empirik der Abschlussprüfung Leuz / Wysocki 54 J. Acct. Res. 525 (2016). Halbjährliche Berichterstattung zur internationalen Prüfungsforschung durch Annette G. Köhler und Koautoren; siehe Köhler / Nicolai WPg 2016, 1331; Ruhnke 59 J. Betriebswirtsch. /  Mgt. Rev. Q. 61, 64 (2009) zur deutschsprachigen Prüfungsforschung. Zu Bonitätsbeurteilungen Schroeter Ratings, 2014, S. 58 ff. Zur Finanzanalyse Fisch 10 Lewis & Clark L. Rev. 57, 64 f. (2006). 2 Einführend Petersen / Towfigh in: dies. (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2010, S. 20, siehe dort auch Englerth zur Verhaltensökonomik (S. 165, 169) und Petersen / Georg zur Ökonometrik (S. 201 ff.). 3 Grundlagen bei Romano / Bhagat 4 Am. L. & Econ. Rev. 141 (2002), 380 (2002), zweiteilig. 4 Zur Verwendung der Ergebnisse im kapitalmarktlichen Zusammenhang 9. Kapitel: A.I (S. 284 ff., 288).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

sich auch die empirische Forschung inhaltlich wie methodisch fortlaufend weiter. Abschließende Erkenntnisse sind vor diesem Hintergrund kaum zu erwarten. Gegenläufige Messungen kommen häufig vor und lassen (deutlich) erkennen, dass die Suche nach den erklärenden Variablen andauert. Von Interesse sind vorliegend die größeren Linien der Empirik zur Bedeutung der Informationsintermediation für Finanzsystem, Investoren und Emittenten,5 zum Versagen der Informationsintermediation wegen Beurteilungsschwächen, Interessenkonflikten und mangelnder Qualitätsanpassung6 sowie abschließend zur Disziplinierung durch Reputation, Haftung und Regulierung.7 Ergebnisse zu einzelnen Fragestellungen werden in späteren Kapiteln in ihrem jeweiligen Kontext aufgegriffen.

A. Bedeutung Die Forschung zur Bedeutung der kapitalmarktlichen Informationsintermediation für Finanzsystem,8 Investitionsentscheidung9 und Emittentenfinanzierung10 hat unterschiedlich stark belastbare Ergebnisse hervorgebracht.

I. Finanzsystem Die Leistungen der privaten Informationsintermediation gelten als integrale Bausteine eines auf öffentliche Informationsverteilung (Informationsexternalisierung) angelegten Finanzsystems. Die empirische Vermessung dieser Annahme erfolgt aus (mindestens) drei Blickwinken. Zu diesen zählen die im Folgenden zu behandelnden Wirkungen der Informationsintermediation auf Systemeffizienz, Markteffizienz und Unternehmensüberwachung. 1. Systemeffizienz Die Wirkungen einer funktionstüchtigen Informationsintermediation auf das Finanzsystem als Ganzes sind auf dem Stand der empirischen Forschung nicht mit hinreichender Gewissheit auszumachen.11 Versuche einer Rückführung gesamtgesellschaftlicher Erträge auf Existenz und Ausgestaltung einzelner rechtlicher oder rechtstatsächlich anerkannter Vertrauensinstitutionen sind bislang Abschn. A. Abschn. B (S. 189). 7 Abschn. C (S. 198). 8 Abschn. I. 9 Abschn. II (S. 183). 10 Abschn. III (S. 186). 11 Übergreifend zum Informationsmodell GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1Grundmann Teil 5 Rn. 33. 5 6

7. Kapitel: Empirik

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gescheitert. Sie werden auch künftig kaum zu einer konkreten zahlenmäßigen Bestimmung der Informationsintermediation als erklärender Variable des wirtschaftlichen Erfolgs führen. Paradebeispiel für übersteigerte Erwartungen sind die mittlerweile in sich zusammengefallenen Ergebnisse der Studien von Rafael La Porta und anderen,12 die in den ausgehenden 1990er-Jahren die Überlegenheit des Common Law gegenüber dem Civil Law bei Anleger- und Gläubigerschutz ermitteln wollten (legal origins hypothesis).13 Der komparative Nutzen der privaten Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (private gatekeeping) gegenüber alternativen Arrangements, insbesondere einer stärker hoheitlich gesteuerten Marktzugangskontrolle (public enforcement) ist aus empirischer Sicht offen. Historische Datenvergleiche sind aussichtslos. Zu vergleichen wären etwa das Konzessionssystem, die Mitte des 19. Jahrhunderts in England verpflichtenden inländischen Abschlussprüfungen und die wenig später nach diesen Standards freiwillig durchgeführten Prüfungen bei den um Auslandsinvestitionen werbenden US-amerikanischen Emittenten. Im weiteren Verlauf müssten die unterschiedlichen Determinanten der Kapitalströme in informationsinternalisierenden und -externalisierenden Finanzsystemen berücksichtigt werden.14 In die bislang vorgelegten länderübergreifenden Studien ist die Informationsintermediation nur unvollständig eingeflossen. Eine vielzitierte Studie der genannten Forschergruppe um La Porta15 aus dem Jahr 2006 nimmt die primärmarktliche Haftung des Wirtschaftsprüfers in den Blick, spart aber etwa die (offensichtlich) wesentlichen Fragen einer sekundärmarktlichen Dritthaftung vollständig aus.16 Die letztlich entscheidende Haftungsfrage wird auch nicht in die vielfach durch die Empirik verwendeten Corporate Governance Indices führender kommerzieller Informationsanbieter wie RiskMetrics eingebracht.17 Die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Kodierung sind gerade in Bezug auf die

La Porta / Lopez-de-Silanes / Shleifer / Vishny 106 J. Polit. Econ. 1113 (1998). Zur Hayek’schen These der Überlegenheit des Common Law sodann Mahoney 30 J. Legal Stud. 503 (2001). Kritik dazu u. a. bei Leyens EBOR 621, 623 (2007). 13 Zur Kritik Armour / Deakin / Sarkar / Siems / Singh 6 J. Empirical Legal Stud. 343 (2009); Spamman 23 Rev. Fin. Stud. 467 (2010); ders. 57 Am. J. Comp. L. 797 (2009). Zu Chancen und Schwächen der numerischen Rechtsvergleichung Michaels 57 Am. J. Comp. L. 765 (2009). 14 Zu den genannten Entwicklungsschritten 5. Kapitel: A.II.1 (S. 56) und zur Ökonomik der Finanzsysteme 6. Kapitel: B.I (S. 158). 15 La Porta / Lopez-de-Silanes / Shleifer 61 J. Fin. 1, 7 ff., 11 (2006). 16 Speziell zur Kritik daran Giudici EBOR 2012, 501, 515 m. w. N. Übergreifende Zweifel bei Bebchuk / Hamdani 157 U. Pa. L. Rev. 1263 (2009) mit dem treffenden Titel „The Elusive Quest for Global Corporate Governance Standards“. Aus deutscher und europäischer Sicht Hopt 158 U. Pa. L. Rev. PENNumbra 27, 37 (2009). 17 Risk Metrics, Corporate Governance Quotient (CGQ) System, 2010. Abdruck der Parameter und Vergleich zu anderen Anbietern bei Larcker / Tayan Corporate Governance Matters, 2011, S. 438 und zu aktuellen Coporate Governance Ratings, ebd., 2. Aufl., 2015, S. 375 ff. 12

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Dritthaftung unverkennbar.18 Ohne Kodierung der betreffenden Rechtsinstitute sind aber keine weiterführenden Ergebnisse in Aussicht zu stellen. Die von La Porta u. a. vorgenommenen Vermessungen des rechtsordnungsspezifischen Schutzumfangs teilen die Wirtschaftsordnungen in empirisch handhabbare Datengruppen auf. Bei zu leicht gegriffenen Kriterien für die Unterscheidung zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Investorenschutz bringt die Empirik zur Informationsintermediation aber keine belastbare Erklärung etwa für den Zusammenhang zwischen der Höhe von Abschlussprüfergebühren und Haftungsgefahren hervor.19 Mit vergleichbaren Vorbehalten ist der (im Übrigen durchaus intuitive) Beleg eines höheren Nutzens der Finanzanalyse in entwickelten Kapitalmärkten zu versehen.20 2. Markteffizienz Die Bedeutung der Intermediäre für die Informations- und Austauscheffizienz wird heute nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. In der stark durch die Kapitalmarkteffizienzhypothese gekennzeichneten Diskussion der 1970er-Jahre fielen die Einschätzungen erwartungsgemäß noch negativ aus.21 In der Folgezeit wurde herausgearbeitet, dass nicht nur primär-, sondern auch sekundärmarktbezogene Informationen zur Steigerung des Handelsvolumens und der Liquidität beitragen.22 Ermittelt wurde auch eine (erwartungsgemäß) geringere Fehleranfälligkeit der vom Abschlussprüfer testierten gegenüber nicht testierten Ergebniszahlen23 und zusätzlich die Signalwirkung der Abschlussprüfung im Allgemeinen.24 Der Zinssatz für Fremdkapital liegt laut einer Studie von 1998 bei geprüften Unternehmen um 25 Basispunkte (0,25 Prozent) unter dem vergleichbarer, aber ungeprüfter Unternehmen.25 Deutlichere Abschläge sollen sich mit positiven Ratings verbinden.26 18 Zu den schon nach nationalem Recht nicht leicht bestimmbaren Schutzstandards 12. Kapitel: C (S. 472). 19 Einerseits Francis / Wang 25 Contemp. Acct. Res. 157 (2008), die einen Anstieg der Gebühren nur bei bei den großen Prüfungsgesellschaften (big four premium) feststellen, und andererseits Choi / Kim / Liu / Simunic 25 Contemp. Acct. Res. 55 (2008), die bei Verschärfung der Haftung einen relativen Rückgang der von den großen Gesellschaften in Rechnung gestellten Gebühren ermitteln. 20 Boissin / Sentis Analyst Coverage of IPO Firms and Securities Laws, 1.1.2013, www.ssrn. com/abstract=2202765. 21 Zur Kapitalmarkteffizienzhypothese 6. Kapitel: A.I (S. 148 ff.). 22 Siehe etwa Hope / Thomas / Winterbotham 28 J. Acct & Publ. Pol’y 167 (2009). Zum Ganzen Giudici EBOR 2012, 501, 515 m. w. N. 23 Zum Forschungsstand Ruhnke 59 J. Betriebswirtsch. / Mgt. Rev. Q. 61, 64 (2009) m. w. N. 24 Kotowski / Weisbach / Zeckhauser 81 U. Chi. L. Rev. 179 (2014) zur Signalwirkung; Ojo 1 Am. Res. J. Hum. Soc. Sc. 9 (2015) zur Signalstärke. 25 Blackwell / Noland / Winters 36 J. Acct. Res. 57 (1998).

7. Kapitel: Empirik

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Die Forschung zur Finanzanalyse belegt Bestandsaufnahmen zufolge überwiegend, dass zum Kauf empfohlene Titel aus der allgemeinen Preisentwicklung positiv herausstechen.27 Zugleich zeigen Studien zu Marktblasen, insbesondere zur im Jahr 2000 geplatzten Technologieblase, dass marktphasenbedingte Verlässlichkeitsdefizite bestehen können.28 Daraus müsste der Schluss auf eine, unter bestimmten Umständen auch effizienzbeeinträchtigende Wirkung der Finanzanalyse abzuleiten sein. Die Grundsatzfrage nach der Bedeutung der Informationsintermediation für die Markteffizienz wird besonders intensiv in Bezug auf das Rating diskutiert. Festgestellt wurde, dass Bonitätsbeurteilungen zwischen 1950 und 1970 die Marktpreise lediglich bestätigten, ihnen aber nicht voraus waren.29 Heute wird dieser Befund auf Besonderheiten der Studien aus den 1970er-Jahren zurückgeführt.30 Zugrunde gelegt wurde nicht der tagesaktuelle Kurs, sondern der monatliche Durchschnittswert, dies verbunden mit der „heroischen“31 Annahme, dass allein das Rating erklärende Variable für den Kursausschlag sein könne. Neueren Erkenntnissen zufolge wirkt sich die im Rating verbürgte Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls von Anleiheschuldnern auf die Preise der als Kreditausfallversicherungen gestalteten Finanzprodukte aus (credit default swaps).32 Nachweisbar sind außerdem unterschiedliche Marktreaktionen bei Vorliegen nur einer Bonitätsbeurteilung im Vergleich zu mehrfach beurteilten Titeln.33 Während die Bedeutung der privaten Informationsintermediation für die Markteffizienz damit zumindest im Grundsatz empirisch anerkannt ist, bleibt Dazu 7. Kapitel: A.III.1 (S. 187). Barber / Lehavy / McNichols / Trueman 56 J. Fin. 531 (2001); Barber / Lyon 43 J. Fin. Econ. 341 (1997) zu Langzeitgewinnen einheitlich zum Kauf empfohlener Aktien unter Ausblendung von Transaktionskosten. Vergleichbare Ergebnisse bei Stickel 51 Fin. Analysts J. 25 (1995); Womack 51 J. Fin. 137, 164 (1996). Differenzierend Jegadeesh / Kim / Krische / Lee 59 J. Fin. 1083, 1085 (2004) zur Erfolgserwartung eines mit Analystenempfehlungen synchronisierten Anlagekonzepts nur bei Substanz- und Momentumwerten (value stocks and positive momentum stocks). Abweichend zu verkaufsseitigen Analystenempfehlungen bei Börsengängen (IPOs) Michaely / Womack 12 Rev. Fin. Stud. 653 (1999); Rajan / Servaes 52 J. Fin. 507 (1997). Überblick bei Fisch 10 Lewis & Clark L. Rev. 57, 64 (2006); Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 47. 28 Barber / Lehavy / McNichols / Trueman 59 Fin. Analysts J. 88, 89 (2003) zum Zurückbleiben der zwischen 2000 und 2001 empfohlenen Titel hinter dem Index. 29 Besonders deutlich Weinstein 5 J. Fin. Econ. 329 (1977). Siehe weiter Peavy / Scott, 38 J. Econ. & Bus. 255 (1986); Pinches / Singleton 22 J. Fin. 29 (1978); Reilly / Joehnk 31. J. Fin. 1387 (1976). 30 Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 61 f. m. w. N. 31 Hite / Warga 53 Fin. Analysts J. 35, 37 (1997). 32 Hull / Predescu / White 28 J. Bank. & Fin. 2789 (2004); Norden / Weber 28 J. Bank. & Fin. 2813 (2004). 33 Jewell / Livingston 21 J. Fin. Res. 185 ff., 204 (1998) mit unterschiedlich stark ausgeprägten Messergebnissen in den Bereichen investment grade und non investment grade. Zum Ganzen Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 67 (2004) m. w. N. 26 27

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

unklar, in welchem Maße sich die regulatorische Indienstnahme von Abschlussprüfung und Rating auswirkt. Studien aus den 1970er-Jahren führten die Absatzfähigkeit von Bonitätsbeurteilungen noch 1999 letztlich allein auf die Erfüllung regulatorischer Vorgaben zurück (regulatory license theory).34 Aktuellere Untersuchungen bestätigen dies nur noch für die Absatzfähigkeit zusätzlicher Ratings (multiple rating), also für den Fall, dass bereits eine erste Bonitätsbeurteilung vorliegt.35 Für den deutschen Markt lassen sich schon ab 1986, also zeitlich vor der regulatorischen Indienstnahme Kursbewegungen infolge von Änderungen der Bonitätseinstufung nachweisen.36 Dies bestätigt die heute praktisch nicht mehr grundsätzlich in Frage zu stellende Informationswertthese, vermag aber nicht zur Eingrenzung der relativen Bedeutung regulatorischer Indienstnahmen beizutragen.37 Für eine nicht unbeachtliche Bedeutung des Regulierungszwecks stehen die besonders deutlichen Marktreaktionen auf Bonitätsbeurteilungen an der Schwelle zum investment grade.38 Umgekehrt sprechen gegen die alleinige Bedeutung der regulatorischen Wirkung das private Entstehen der Leistungen und noch zu erörternde Vermessungen der Steuerung durch den Reputationsmechanismus.39 Eine genauere Einschätzung wird aus den bereits angesprochenen Gründen kaum über Zeitreihen, nationale oder länderübergreifende Datenerfassungen zu leisten sein.40 3. Unternehmensüberwachung Gleichermaßen unsicher sind die Wirkungen der Informationsintermediation auf die interne Corporate Governance, also vor allem die Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat. Zur Abschlussprüfung liegt eine breite Palette an Untersuchungen vor. Naturgemäß sind Daten allein zu Fehlverhalten verfügbar. In Bezug auf die Verhinderung von Fehlverhalten (prophylaktische Wirkungen), Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491 (2001). Im Einzelnen 8. Kapitel: B.II (S. 253 ff., 263). Bongarts / Cremers / Goetzmann 67 J. Fin. 113 (2012); Cantor / Packer 12 FRBNY Staff Reports 3-5 (1996). 36 Steiner / Heinke 6 Int. J. Fin. Econ. 139, 145 (2001); dies. ZfB 2000, 541, 551. 37 Schroeter Ratings, 2014, S. 62 m. w. N. 38 Brister / Kennedy / Liu 21 J. Bus. Fin. & Acct. 511, 522 (1994); Goh / Ederington 39 Q. Rev. Econ. & Fin. 101 (1999); Wansley / Glascock / Clauretie 19 J. Bus. Fin. & Acct. 733 (1992). Siehe weiter Holthausen / Leftwich 17 J. Fin. Econ. 57 (1986) zu Kursbewegungen bereits bei Aufnahme in die watch list; May 34 J. Banking & Fin. 2822 (2010) unter Verwendung von Daten des außerbörslichen Handels (over the counter market). Instruktiv zu Hintergründen Johnson 13 J. Fixed Income 25 (2004). Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 70 m. w. N. 39 Zur Entwicklung 5. Kapitel: A.I (S. 50 ff., 55), zum Reputationsmechanismus aus Sicht empirischer Untersuchungen 7. Kapitel: C.I (S. 198). 40 Dazu bereits 7. Kapitel: A.I.1 (S. 178). 34 35

7. Kapitel: Empirik

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also die eigentlich bedeutsame begleitende Marktzugangskontrolle (relational gatekeeping)41 ergeben sich kaum überwindbare Rückschlussprobleme.42 Unternehmenszusammenbrüche wie der von Enron im Jahr 2001 zeigen, dass die Informationsintermediäre im (rechtlich unverbundenen) Zusammenwirken ein betrügerisches Verhalten einzelner Geschäftsleiter nicht sicher verhindern können.43 Die Abschlussprüfung eignet sich aber jedenfalls zur Reduzierung sowohl von objektiven Falschangaben als auch von subjektiven Fehlbewertungen. In der ausgreifenden Prüfungsdifferenzenforschung wird die Fehleraufdeckungs- und Fehlerkorrekturkraft weiter erschlossen.44 Sie unterliegt dem allgemein mit der Bewertung von Überwachungsleistungen verbundenen Problem, dass bei ausbleibender Fehleraufdeckung nicht zwingend auf eine niedrige Prüfungsqualität, sondern vielmehr auf ein fehlerfrei arbeitendes Prüfungsobjekt zu schließen sein kann.45 Während also im Ergebnis an der Disziplinierung der Geschäftsleiter und ihrer Überwacher durch die Informationsintermediation kaum ein Zweifel bestehen kann, dürfen an die Empirik keine überhöhten Erwartungen gestellt werden. Übernommen wird die Aufgabe einer geschätzten Bewertung zunehmend durch weitere Informationsintermediäre wie insbesondere Stimmrechtsberater (proxy advisors).46

II. Investoren Für ein auf Informationsexternalisierung ausgerichtetes oder sich dahin entwickelndes Finanzsystem kommt der gebündelten Suche, Auswertung und Vermittlung von Informationen an das Anlegerpublikum kaum zu unterschätzende Bedeutung zu. Über Ereignisstudien sind die Reaktionen einer Vielzahl von Anlegern, also die Marktreaktionen gut vermessbar. Aus diesen Marktreaktionen resultieren die Marktkräfte, von denen die für eine private Marktzugangskontrolle essentielle Steuerungskraft und die auf die Corporate Governance des Emittenten rückwirkende Marktdisziplin ausgeht. Empirische Befunde legen 41 Zu Erscheinungsformen und Regulierungstheorie der privaten Marktzugangskontrolle 8. Kapitel: B (S. 250 ff., 259). 42 Das Rückschlussproblem bei auch nachträglich nicht bekannt werdenden Fehlern des Jahresabschlusses beschreibt Ruhnke 59 J. Betriebswirtsch. / Mgt. Rev. Q. 61, 64 (2009) m. w. N. 43 Zu den mit dem Enron-Zusammenbruch verbundenen Erfahrungen und Reaktionen 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104 ff.). 44 Einordnung und Überblick zum Forschungsstand bei Ruhnke 59 J. Betriebswirtsch. /  Mgt. Rev. Q. 61, 64 (2009). 45 Bekannt sind diese Probleme aus der Diskussion um die erfolgsabhängige Vergütung interner Überwacher; Bechuck / Fried Pay Without Performance, 2004, S. 137 zur Untauglichkeit optionsbasierter Vergütungsstrukturen. Zu Grundlagen Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 22 m. w. N. 46 Aus den ersten Erhebungen zur Bedeutung der Empfehlungen von Stimmrechtsberatern zur Wahl des Abschlussprüfers Cunningham 31 Acct. Horiz. 159 (2017).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

nahe, dass Intermediärinformationen grundsätzlich eingepreist, aber ignoriert werden, wenn der Markt nicht auf sie angewiesen ist. 1. Informationsauswertung Mit einer gewissen Zurückhaltung ist zunächst Studien zu begegnen, die auf den Nachweis einer systematischen Außerachtlassung von Finanzinformationen (und ihrer Prüfung) abzielen. Studien dieser Art finden sich vor allem zu den (geprüften) Jahresabschlüssen.47 Finanzinformationen haben mehrere Ebenen zu durchlaufen, bis sie beim Investor ankommen. Der Kleinanleger mag den Jahresabschluss nicht lesen, sein Berater oder dessen Informationsgeber schon. Professionelle Investoren, deren Entscheidungen aus den beschriebenen Gründen für Kursbewegungen ausschlaggebend sind, greifen auf die öffentlich verfügbaren Informationen zurück. Ohne Kenntnisnahme wären sie haftbar.48 Vertreter institutioneller Investoren berichten über die Inanspruchnahme von Informationsdienstleistern, die öffentlich verfügbare Informationen aus Geschäftsberichten, sonstiger Offenlegung und von Intermediären nach vorgegebener Schematisierung zusammenstellen. Vor diesem Hintergrund ist der Einfluss von Informationsintermediären auf die einzelne Investitionsentscheidungen nicht unter dem zweifelsohne zutreffenden Hinweis auf eine allgemeine Informationsüberladung (information overload) des Anlegerpublikums abzutun, sondern nur aus dem Blickwinkel eines Mehrebenensystems aus unterschiedlichen Informationszugriffen und -auswertungsstufen zu erfassen. Die Informationsauswertung durch den Kleinanleger kann also von vornherein nicht als erklärende Variable taugen. Informationsdurchlass und fortlaufende Informationsauswertung müssten vielmehr von der Emittenteninformation zur Intermediation über die (gegebenenfalls Alternativen aufzeigende) Anlageberatung bis hin zur Investitionsentscheidung vermessen werden. Das wird nur eingeschränkt möglich sein. Insoweit wird es voraussichtlich bei theoretischen Überlegungen zur Funktionsweise der Informationsvermittlung im Mehrebenensystem bleiben müssen.49 2. Standarderwartung Von der Abschlussprüfung wird die Verhinderung oder Aufdeckung von Bilanzmanipulationen erwartet.50 Darauf stellen sich die Wirtschaftsprüfer auch

Lev 17 J. Econ. Persp. 27 (2003). Zum Ganzen Enriques / Hertig / Kraakman / Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 243, 247 ff. 48 Zum deutschen Recht nur Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 Rn. 27. 49 Zum Mehrebenensystem aus regulierungstheoretischer Sicht 8. Kapitel: B.III.4 (S. 266) und zu den Folgerungen für das Haftungsrecht 12. Kapitel: A.I.1 (S. 408). 47

7. Kapitel: Empirik

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angesichts verschärfter Regeln zunehmend ein.51 Die Beurteilung der Bonität durch Ratingagenturen gilt seit den 1990er-Jahren als wichtigste Marktzutrittsvoraussetzung.52 Befragungen zeigen Erwartungslücken auf, insbesondere Hoffnungen auf ein tagesaktuelles Rating.53 Darauf sind die bewusst auf Trägheit angelegten Feststellungen nachhaltiger Bonitätsänderungen schlichtweg nicht ausgerichtet. Die Agenturen können aber durch Regulierung durchaus auf eine Erhöhung ihrer Nachverfolgungsfrequenz verpflichtet werden.54 Die überwiegende Anzahl der institutionellen Investoren stand der Verlässlichkeit externer Bonitätsbeurteilungen noch Anfang der 2000er-Jahre durchaus kritisch gegenüber. Belegt wurde dies durch die Messung der Häufigkeit interner Risikobewertungen (internal credit risk assessments).55 Gleichwohl wurde die positive Bonitätsbeurteilung durch externe Ratingagenturen (investment grade) fester Bestandteil der Anlageleitlinien institutioneller Investoren.56 Zu allen Intermediationsleistungen finden sich Beobachtungen übersteigerter Investorenerwartungen. Abschlussprüfung und Rating sollen als allgemeine Gütesiegel etwa auch für eine funktionierende Corporate Governance oder als Grundlage künftigen Markterfolgs wahrgenommen werden. Numerisch ist dies zumindest im Einzelfall nachzuweisen.57 Bei der Finanzanalyse dürften sich Erwartungslücken vor allem mit gleichlaufenden Empfehlungen einer Vielzahl von Analysten verbinden, also dem noch zu behandelnden Herdenverhalten.58 3. Differenzierungen (unbeauftragte und beauftragte Leistungen) Abschlussprüfungen haben die Emittenten börsennotierter Finanztitel kraft gesetzlicher Vorgabe in Anspruch zu nehmen. Ohne Auftrag erbrachte Prüfungen müssten am mangelnden Zugriff auf die unternehmensinternen InformatioSiehe etwa Mercer 18 Acct. Hor. 185 (2004). Zur Entwicklung des Rollenverständnisses 5. Kapitel: B.II (S. 97 ff., 100). 51 Bestandsaufnahmen vor und nach Verabschiedung des Sarbanes-Oxley Act von 2002 bei Vanasco 13 Managerial Audit. J. 4 (1996) und Glover / Prawitt / Schultz / Zimbelman 22 Auditing: A Journal of Practice & Theory 237 (2003). Zu den Schwächen verwendeter Methoden die Umfrage unter Berufsträgern von Bierstaker / Brody / Pacini 21 Managerial Audit. J. 520 (2006). Siehe weiter Knapp / Knapp 26 Acct. Org. & Soc. 25, 34 (2001) zur Verteilung der Fähigkeiten zwischen leitenden (managing) und erfahrenen (senior) Prüfern sowie zum vielerörterten Nutzen konkreter Prüfungsdirektiven. Dazu auch Krambia-Kapardis 10 J. Fin. Reg. & Compl. 266 (2002); Pincus 14 Acct. Org. & Soc. 153 (1989). Zum Ganzen Giudici EBOR 2012, 501, 515 m. w. N. 52 Gabbi / Sironi 11 Europ. J. Fin. 59, 72 (2005). 53 Ellis 7 J. Fixed Inc. 35, 41 (1998). 54 Zu (vermeintlichen) Verhaltensanomalien 9. Kapitel: A.I.2 (S. 287). 55 Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. & Acct. 1367, 1378 (2002). 56 Cantor / ap Gwilym / Thomas 17 J. Fixed Income 13, 18 (Fall 2007). 57 Zu wohl nur scheinbaren Nachweisen übersteigerter Erwartungen an das Rating noch 7. Kapitel: A.III.2 (S. 187). 58 Zum Herdenverhalten 7. Kapitel: B.I.3 (S. 193). 50

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

nen scheitern. Anders stellt sich die Lage bei Rating und Finanzanalyse dar, die sowohl beauftragt als auch unbeauftragt erbracht werden können. Untersucht wurden die möglichen Unterschiede zwischen Informationswert und Investorenerwartung in Bezug auf das Rating. Es wurde überlegt, ob unbeauftragte Ratings vor allem Emittenten mit tendenziell schlechter Bonität zuzuordnen sind.59 Studien und Fallbeispiele60 zeigen, dass trotz der äußerlich erkennbaren Auswertung allein öffentlich verfügbarer Informationen von einer Marktreaktion auszugehen ist.61 Der Zugang zu vertraulichen Informationen ist also aus Nachfragesicht keineswegs die allein für den wirtschaftlichen Wert der Intermediationsleistung ausschlaggebende Variable.62 Zu beobachten sind tendenziell nach unten abweichende Bewertungen durch nicht beauftragte Agenturen.63 Eine mögliche Erklärung hierfür bietet der Absatzdruck, also der Zwang zur Einwerbung von Aufträgen.64 Bei einer vom Markt erkannten Tendenz zur Niedriger- oder Höherbewertung wäre davon auszugehen, dass ein Abschlag oder Aufschlag in den Informationswert unbeauftragter Ratings eingepreist wird. Vor diesem Hintergrund müssten Felddaten entweder unter Annahme vom Markt erkannter oder der gegenteiligen Annahme vom Markt nicht erkannter Abweichung ausgewertet werden. Erkenntnisse zu Unterschieden in den Investorenerwartungen an beauftragte oder unbeauftragte Leistungen wären dann wohl zumindest in Teilen annahmeendogen.

III. Emittenten Zu der die Reputation des Emittenten geradezu vernichtenden Wirkung der (seltenen) Versagung des Abschlussprüfervermerks bedarf es kaum einer Erhebung. Empirisch durchdrungen sind die Auswirkungen auf die Kreditkosten bei Negativbeurteilungen. Weiterführende Untersuchungsergebnisse zur Bedeutung von graduellen Anpassungen der Intermediärbeurteilungen finden sich sowohl zum Rating als auch zur Finanzanalyse.

59 Deutlich Byoun / Shin 41 Asia-Pacific J. Fin. Stud. 41 (2012) zu Japan. Siehe auch Rousseau 51 McGill L.J. 617, 637 (2006). 60 Im Fall Jefferson County School District (Colorado) No. R-1 v. Moody’s Investors Services Inc. 175 F. 3d 848 (10th Cir. 1999) trat zu den Positivbewertungen der beauftragten Agenturen Standard & Poor’s und Fitch eine Negativbeurteilung durch Moody’s hinzu, auf die der Markt reagierte. 61 Behr / Güttler 32 J. Bank. & Fin. 587 (2008) zu Japan; Poon 27 J. Bank. & Fin. 593 (2003). 62 Schroeter Ratings, 2014, S. 71. 63 Firth / Poon 32 J. Bus. Fin. & Acct. 1741 (2005) ermitteln, dass die unbeauftragten Ratings von Fitch niedriger ausfallen als die beauftragten. 64 Näher zum Absatzdruck 7. Kapitel: B.II.1 (S. 193).

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1. Fremdkapital (Rating-Herabstufung von ThyssenKrupp 2003) Nicht belegten Schätzungen zufolge ist von einer Halbierung der Kreditkosten bei Erreichen des investment grade auszugehen.65 Diese Wirkungen werden auch von Staaten ernst genommen. Schätzungen von Anfang der 2000er-Jahre zufolge hätte eine Herabstufung der Zahlungsfähigkeit des deutschen Staats von der Bestnote Triple-A zu einer jährlichen Belastung des öffentlichen Haushalts mit einem zweistelligen Milliardenbetrag geführt.66 Kaum abzusehen sind die aus der Herabstufung von Ländern resultierenden Imageschäden und die damit verbundenen Kosten für inländische Emittenten, die bei Herabstufung der Bonität des Sitzstaats auch mit Einbußen beim eigenen Rating zu rechnen haben. Für die Bindung der Fremdkapitalkosten an Bonitätsnoten bietet der Kursverfall der von Thyssen Krupp emittierten Anleihe im Jahr 2003 ein besonders anschauliches Beispiel:67 Nach Änderung ihrer Methodik stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Anleihen von Thyssen Krupp um zwei Grade herab. Die Folge war ein Kursrückgang von 6 Prozent. Die Mehrkosten für die Einwerbung von Fremdkapital werden auf 20 bis 30 Millionen Euro geschätzt. Ausschlaggebend waren Pensionsverpflichtungen, die zuvor keinen Eingang in die Beurteilung gefunden hatten, sodann aber den Verpflichtungen aus Fremdkapital zugerechnet wurden, soweit keine Deckung durch einen Pensionsfonds bestand. Die Herabstufung versetzte die Anleihen eines DAX-30-Unternehmens in den Status einer Schrottanleihe (junk bond). Die zugrunde gelegten Finanzkennzahlen von Thyssen Krupp waren über den gesamten Zeitraum hinweg unverändert geblieben. 2. Eigenkapital Besonders ausgeprägt sind Informationsasymmetrien bei der Eigenkapitaleinwerbung im Vorfeld von Börsengängen. Daraus ist das allgemein bekannte Phänomen eines niedrigen Zuteilungspreises am Primärmarkt bei sodann höherem ersten Weiterverkaufspreis am Sekundärmarkt zu erklären (underpricing). Studien zur Kurz- und Langfristperformance zeigen, dass Unternehmen, die bereits anfänglich über ein Rating verfügen, höhere Zuteilungspreise erzielen, langfristig aber keine bessere Performance aufweisen.68 Diese sowohl für Kontinentaleuropa als auch für die USA zu verzeichnenden Preisunterschiede legen nahe, dass die LeisBlaurock ZGR 2007, 603, 609 m. w. N. aus der Presse. Zur nachweisbaren Bedeutung des investment grade Nachw. Fn. 38. 66 Blaurock ZGR 2007, 603, 609. 67 Kurz Blaurock ZGR 2007, 603, 609 f.; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 187. Ausführlich Schroeter Ratings, 2014, S. 85 m. w. N. 68 Zu Börsengängen in Kontinentaleuropa im Zeitraum 2001 bis 2012 Sagalin / Kiesel /  Schiereck CF 2016, 352, 356, konsistent mit den Ergebnissen zum den US-amerikanischen Kapitalmarkt von Chan / Lo 35 J. Econ. Fin. 473 (2011). 65

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

tungen der Informationsintermediäre bei ausgeprägten Informationsasymmetrien in die Zahlungsbereitschaften der Eigenkapitalgeber am Primärmarkt einfließen. Nur auf den ersten Blick erstaunlich sind die sekundärmarktlichen Reaktionen der Aktienkurse auf die Ratings von Anleihen.69 Anleiheratings richten sich an die Gläubiger und treffen an sich keine Aussage über die Entwicklung des Aktienkurses. Deshalb wird überlegt, ob die Kursreaktionen einer Erwartungslücke geschuldet sind, also mit der auf Anleihen bezogenen Bonitätsbeurteilung fälschlich ein „allgemeines Gütesiegel“70 für die künftige Entwicklung des Emittenten verbunden wird. Dafür spricht, dass die Erhöhung des Fremdkapitals (leverage) aus Sicht der Anteilseigner für eine dem Grundsatz nach zu begrüßende Erhöhung des Risikos stehen müsste. Als ultimativ risikotragende Eigentümer (residual risk bearers) kommen aus Sicht der Anteilseigner aber auch bei Diversifikation in Bezug auf den Einzeltitel nur marginale, nicht unbegrenzte Risikoerhöhungen zur gemittelten Gewinnsteigerung in Betracht. Die gegenüber eigenen Ansprüchen vorrangig zu bedienenden Schulden fließen also in das Kalkül der Anteilseigner ein, die gegebenenfalls ihre Portfoliozusammensetzung anzupassen haben.71 Hieraus erklärt sich die deutliche Anpassung des Aktienkurses nach unten bei Herabstufung von Anleihen des Emittenten auf einen spekulativen Grad.72 Ein Widerspruch zwischen der bestimmungsgemäß zum Fremdkapital getroffenen Aussage der Agenturen und der Bedeutung für das Eigenkapital besteht deshalb nicht. Wäre es anders, müsste eine strukturell signifikante Erwartungslücke unterstellt werden. In Bezug auf Einzelanleger ist dies zwar denkbar. In Bezug auf die letztlich für Kursbewegungen maßgeblichen Investitionsentscheidungen professioneller Anleger fehlen aber entsprechende Belege. Zur Finanzanalyse finden sich Studien, denen zufolge Kaufempfehlungen der Konsortialbanken und eine hohe Analyseabdeckung insgesamt keine signifikanten Langzeiterfolge (abnormal returns) hervorzubringen vermögen.73 Die Erfolgsausaussichten eines Börsengangs ohne Analyseabdeckung (orphan IPO) stehen aber offenbar – ebenso wie die bei fehlendem Rating – hinter denen eines durch Analysen begleiteten zurück.74 Mit dieser den Emittenten bekannten Beobachtung verbindet sich ein faktischer Druck zur Zusammenarbeit mit Instituten, die über eine starke Analyseabteilung verfügen. Als wichtiger Grund für den WechVermessungen dazu bei Goh / Ederington 48 J. Fin. 2001 (1993); dies. 39 Q. Rev. Econ. & Fin. 101 (1999); Hand / Holthausen / Leftwich 47 J. Fin. 733 (1992). 70 Schroeter Ratings, 2014, S. 66. 71 Instruktiv Nayar / Rozeff 49 J. Fin. 1431, 1447 (1994) zur Erklärung früherer Messungen der fehlenden Signifikanz aus einer fehlerhaften Bestimmung der Zeitpunkte, zu denen das Rating dem Markt bekannt ist. 72 Goh / Ederington 39 Q. Rev. Econ. & Fin. 101, 111 (1999). 73 Bradley / Chan / Kim / Singh 32 J. Bank. & Fin. 1120 (2008). 74 Aus jüngerer Zeit Boissin Orphan Versus Non-Orphan IPOs, 20.9.2012, www.ssrn. com/abstract=2152864. 69

7. Kapitel: Empirik

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sel der finanzierenden Bank zwischen Börsengang und Kapitalerhöhung ließ sich die Gewinnung zusätzlicher und einflussreicherer Finanzanalysen ausmachen.75 Für den sekundärmarktlichen Eigenkapitalhandel wurde bereits Mitte der 1990er-Jahren eine über dem Markt liegende Entwicklung von mehrheitlich zum Kauf empfohlenen Aktien und eine hinter dem Markt zurückbleibende Entwicklung der zum Verkauf empfohlenen Aktien festgestellt.76 Auf positive Bewertungen der verkaufsseitig tätigen Finanzanalysten wurden nicht unerhebliche Kursbewegungen gemessen. Die noch stärkeren und länger anhaltenden Reaktionen auf negative Empfehlungen könnten aus einer höheren Glaubwürdigkeit heraus zu erklären sein. Mit der Befolgung einer Verkaufsempfehlung durch den Markt verbindet sich für das den Analysten beschäftigende Finanzinstitut kein über die Ausführungsgebühren hinausgehender Vorteil, jedenfalls nicht ohne Leerverkauf im Eigenhandel (scalping). Zu dieser Erklärung aus unterschiedlichen Niveaus der Glaubwürdigkeit bei Eigeninteressen passt, dass die in den Hochjahren 2000 bis 2002 zum Kauf empfohlenen Aktien nicht nur hinter dem Markt, sondern auch hinter den zum Verkauf empfohlenen Aktien zurückblieben.77 3. Kapitalstruktur (rating driven finance) Mittlerweile ist bekannt, dass in die Entscheidung über die Kapitalstrukturen die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Bonitätsbeurteilung einfließen (rating driven finance).78 Mit dem Einsatz etwa von Hybridkapital verbindet sich die Chance einer Erhöhung der Eigenkapitalquote, also auch einer günstigeren Bonitätseinstufung.79 Da die Bonitätseinstufung für die Fremdkapitalkosten maßgeblich ist, bestimmt sich die optimale Kapitalstruktur zunehmend nach dem zu erzielenden Ratingergebnis.80 Praktisch allein durch das zu erzielende Rating gesteuert sind Forderungsverbriefungen (rating driven securitization). Die Strukturierung der Einzeltitel in Tranchen führt bei Beachtung der Vorgaben von Ratingagenturen zu einem auf das Bonitätsziel „maßgeschneiderten“81 Finanzprodukt.

B. Versagen Um Erklärungen für die häufig enttäuschten Erwartungen an die kapitalmarktbezogene Informationsintermediation wird schon in der Theorie gerungen. Der 75 76 77 78 79 80 81

Krigman / Shaw / Womack 60 J. Fin. Econ. 245 (2001). Womack 51 J. Fin. 137 (1996). Barber / Lehavy / McNichols / Trueman 59 Fin. Analysts J. 88 (March / April 2003). Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 296 f. Im Einzelnen 3. Kapitel: B.II (S. 31). Kisgen 61 J. Fin. 1035 (2006). Instruktiv Kisgen 19 J. Appl. Corp. Fin. 65, 68 (2007) mit Fallbeispielen. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 288.

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Bestand empirischer Erkenntnisse baut demzufolge auf ein unsicheres Fundament. Aufgeboten werden bereichernde Rechtstatsachen und im Zusammenspiel mit der fortschreitenden theoretischen Durchdringung auch Einengungen der Versagensgründe, die entweder in grundsätzlichen Beurteilungsschwächen,82 Interessenkonflikten83 oder mangelnden Qualitätsanreizen mit der Folge zu flacher Lernkurven84 liegen sollen.

I. Beurteilungsschwächen Die Leistungen der Informationsintermediäre sind Ergebnis unterschiedlich ablaufender Prozesse der Informationssammlung und -auswertung, die jeweils eigenen Fehlerquellen ausgesetzt sind. Als gemeinsame Probleme sind verspätete Fehlerkorrekturen, überoptimistische Bewertungen und gleichlaufende Fehlbewertungen mehrerer Intermediäre desselben Segments auszumachen. 1. Anpassungsschwächen Das Ausbleiben von Fehlerkorrekturen bzw. die verspätete Anpassung der abgegebenen Beurteilung ist ein zentraler Kritikpunkt sowohl beim Rating als auch bei der Finanzanalyse. Beim Rating dürfte wie angesprochen zumindest in Teilen eine Erwartungslücke zugrunde liegen.85 Berichtet wird über Befragungen professioneller Marktteilnehmer, bei denen beinahe die Hälfte der Antworten eine zu späte Ratinganpassung bemängelte.86 Andere Studien zeigen, dass (zugleich) ein hohes Interesse an der Stabilität der Bonitätsbeurteilungen besteht.87 Die von den Agenturen bezweckte Nachverfolgung dauerhafter und über einen gewissen Zyklus feststellbarer Bonitätsänderungen (through the business cycle) zielt von vornherein nicht auf eine tagesaktuelle Synchronisierung von kurzfristig eintretenden Umständen und Beurteilungsergebnis ab.88 Gemessen an den sich rasch ändernden Marktpreisen sind Verzögerungen der Anpassung von Bonitätsnoten also methodisch angelegt, außerdem kommuniziert und von den Agenturen (zu Recht oder Unrecht) gewollt. Der gleichwohl zu erhebende Vorwurf ist also nicht auf das Bemühen der Agenturen um Stabilität des Ratings, sondern auf ihren geräuschlosen Rückzug aus der Beobachtung des Emittenten ohne entsprechende Entwertung der in den Informationsbestand des Markts eingebrachten Beurteilung zu richten.89 Von 82 83 84 85 86 87 88 89

Abschn. I. Abschn. II (S. 193). Abschn. III (S. 197). Siehe bereits 7. Kapitel: A.II.2 (S. 184). Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 66 (2004). Cantor / Mann 16 J. Fixed Income 60 (2007). Statt vieler Schroeter Ratings, 2014, S. 67 m. w. N. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 297.

7. Kapitel: Empirik

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Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO wird dieses Problem erkannt und durch die Pflichten zur periodischen Überprüfung sowie zur Offenlegung des Ratingabbruchs für registrierte Agenturen gelöst.90 Bereits vor der Registrierung von Egan Jones als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) durch die US-amerikanische SEC im Jahr 2007 wurde eine im Vergleich zu den drei großen NRSRO-Agenturen doppelt so hohe Anpassungshäufigkeit der Ratings beobachtet. Anders als die auf emittentenfinanzierte Ratings spezialisierten großen Agenturen besteht das Geschäftsmodell von Egan Jones im Angebot investorenfinanzierter Ratings. Auch nach der Registrierung als NRSRO und der damit verbundenen Möglichkeit der Informationsempfänger, die Ratings von Egan Jones zu regulatorischen Zwecken einzusetzen, bleibt es bei der höheren Anpassungshäufigkeit. Dies spricht für die Befriedigung vorrangig der Investorenbedürfnisse.91 Umgekehrt sind die heftigen Marktpreisbewegungen an der Schwelle zum investment ein triftiger Grund für die emittentenseitig tätigen Agenturen, mit der Herabstufung unter die Schwelle des investment grade länger zu zögern als die nichtanerkannten Agenturen.92 Im Ergebnis zeigt sich, dass nicht die Anerkennung als NRSRO, sondern eher die Interessen des zahlenden Auftraggebers für die Anpassungshäufigkeit ausschlaggebend sein dürften.93 Stärker als beim Rating deuten Untersuchungen zur Finanzanalyse auf eine besondere Anfälligkeit für einzelne in der Verhaltensforschung festgestellte Schwächen der Informationsverarbeitung hin, darunter die Verankerungsheuristik (anchoring) sowie der Rückschaufehler (hindsight bias).94 Noch zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags von Enron gaben zwei Drittel der Analysten Kaufempfehlungen ab.95 Das Problem verspäteter Anpassungen des Empfehlungsbestands besteht also auch dort. In weiten Teilen dürfte es sich jedoch aus den im folgenden Abschnitt zu behandelnden Gründen für überoptimistische Beurteilungen erklären. Zuvor ist auf ein selten erörtertes Spezialproblem der Finanzanalyse hinzuweisen: sogenannte extreme Ergebnisprognosefehler, also Überschätzungen mit einigen hundert Prozent Abweichung. Es handelt sich um Adjustierungsfehler, die in vorhandenen empirischen Untersuchungen offenbar zumeist als „Ausreißer“ unberücksichtigt bleiben. Festgestellt werden extreme Prognosefehler in Bezug auf Unternehmen, die sich in einem volatilen Marktumfeld bewegen und großen Profitabilitätsschwankungen unterliegen. Bislang ist ungeklärt, warum Analysten Im Einzelnen 13. Kapitel: A.III.3.c (S. 593). Beaver / Shakespeare / Soliman 42 J. Acct. Econ. 303 (2006). 92 Dazu 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180). 93 Johnson 13 J. Fixed Income 25, 34 f. (2004). 94 Zu dahingehenden Einschätzungen nur Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F128 ff. Im Einzelnen zu Verhaltensanomalien 9. Kapitel: A.I.2 (S. 287) m. w. N. 95 Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 59. 90 91

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

ihre Prognosen im Folgejahr nur unzureichend anpassen.96 Mögliche Erklärungen könnten sich sowohl für Unter- wie auch die im Folgenden zu diskutierenden Überbewertungen aus einer Risikoaversion ergeben, damit zusammenhängend möglicherweise auch aus einem rational gleichgerichteten Verhalten.97 2. Überoptimismus Der vielfach festgestellte Überoptimismus (overoptimism) der Informationsintermediäre ist der schillernden Begriffswelt der Verhaltensökonomik zuzuordnen und leitet dort möglicherweise ganz richtig Forderungen nach normativer Ingriffnahme fehlgeleiteten Verbraucher- oder Kleinanlegerverhaltens an.98 Finanzanalysten zählen wie die übrigen Intermediäre zu den professionellen Beobachtern des Markts. Feststellungen zu einer systematischen Überbewertung künftiger Chancen sind deshalb nicht zwingend unter denselben Parametern wie bei den nichtberuflich investierenden Verbrauchern zu beurteilen. Zu Finanzanalysen finden sich sowohl Studien, die ein überoptimistisches Verhalten vermuten lassen, als auch solche, denen zufolge die Analysen näherungsweise zutreffen.99 Schon früh wurde allerdings festgestellt, dass mehr Kaufals Verkaufsempfehlungen abgegeben werden.100 Besonders deutlich verschob sich das Verhältnis in den 1990er-Jahren von anfänglich sechs bis hin zu hundert Kaufempfehlungen zu bloß einer Verkaufsempfehlung.101 Trotz hoher Marktpreise bis in die beginnenden 2000er-Jahre (bubble years) kam es nicht zu Aufforderungen an das Anlegerpublikum, die Gewinne zu realisieren. Zunehmend verfestigt sich die Erklärung, dass nicht Irrationalität, sondern fehlende Unabhängigkeit, also Interessenkonflikte, und vor allem die höhere Wertschätzung von Kaufempfehlungen für das Analystenverhalten ausschlaggebend sind.102 Die höhere Anzahl von Kaufempfehlungen, also eine insgesamt zu positive Einschätzung der Analysten wären vor diesem Hintergrund als rationale Gewinnmitnahme durch den Analysten selbst zu erklären. Noch mehr gilt dies für die fortgesetzte Abgabe von Kaufempfehlungen in Hochphasen und jedenfalls bei Marktblasen.

Ansätze bei Demmer CF 2014, 253. Zu Letzterem 7. Kapitel: B.I.3 (S. 193 f.). 98 Im Einzelnen 9. Kapitel: A.I (S. 284 ff.). 99 Fisch 10 Lewis & Clark L. Rev. 57, 64 f. (2006) mit Zusammenstellung empirischer Studien zur Finanzanalyse. 100 Hax Informationsintermediation, 1998, S. 23 m. w. N. 101 Barber / Lehavy / McNichols / Trueman 59 Fin. Analysts J. 88 (2003). 102 Langevoort in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442, 444 f. 96 97

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3. Herdenverhalten Ein weiterer der Verhaltensökonomik zuzuordnender Erklärungsansatz ist der des Herdenverhaltens (herd behaviour).103 Allein aus zeitnah erfolgenden Ratinganpassungen verschiedener Agenturen lässt sich allerdings nicht auf Herdenverhalten schließen. Die beinahe synchronen Anpassungen könnten eher die Folgerung nahelegen, dass die Agenturen ihre Beurteilungen in einer etwa gleich hohen Frequenz überprüfen und mit vergleichbar belastbarer Methodik zu sich entsprechenden Schlussfolgerungen gelangen. Die Ausrichtung an marktüblichen Überprüfungsintervallen ist auch nicht als Fehlverhalten zu werten. Unbenommen bleibt, die Überprüfungsintervalle durch Regulierung zu verkürzen. Eine besonders hohe Anfälligkeit für gleichgerichtetes Verhalten wird Finanzanalysten zugeschrieben. Die Erklärung liegt aller Voraussicht nach in der gegenüber den anderen Intermediären besonders hohen Vergleichbarkeit der Treffgenauigkeit. Individuelle Fehleinschätzungen führen außerdem nicht zu Reputationseinbußen, wenn auch die Mitbewerber keine genauere Prognose abgegeben haben.104 Gleichgerichtetes Verhalten ist unter diesen Umständen selbst bei erkannter Ungenauigkeit aus Sicht des Einzelnen rational.105 Diesbezügliche Tatsachen wurden mit Blick auf Enron zusammengetragen.106 Empirisch gestützt ist der Befund, dass die richtige Einschätzung sich für die Karrierechancen des Analysten schlechter auszahlen kann als die systematische Fehleinschätzung im Gleichlauf mit dem Markt.107

II. Interessenkonflikte Interessenkonflikte können die Zuverlässigkeit der Informationsintermediäre in verschiedenster Hinsicht beeinträchtigen. Die meistdiskutierten Problemstellungen betreffen den Absatzdruck privater Informationsintermediäre, die Vergütung durch Angebots- oder Nachfrageseite und schließlich das komplexe Problem der Leistungskombinationen, also insbesondere die Erbringung von Beratungsleistungen neben der eigentlichen Intermediationsleistung. 1. Absatzdruck (opinion shopping) Private Leistungsanbieter unterliegen Absatzdruck. Das gilt auch für Abschlussprüfer und weitere Intermediäre.108 Besonders betroffen sind Ratingagenturen, deren Geschäftsmodell ganz überwiegend auf emittentenfinanzierte Leistungen Im Einzelnen 9. Kapitel: A.I.2 (S. 287 ff., 288). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 246, 252. 105 Spiwoks / Bizer / Hein Rationales Herdenverhalten bei US-amerikanischen RentenmarktAnalysten, 2006, S. 8. 106 Näher 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 107 Hong / Kubik 58 J. Fin. 313, 345 (2003) m. w. N. 103 104

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

ausgerichtet ist. An negativen Bewertungen besteht aus Emittentensicht kein Interesse. Deshalb liegt die Suche nach dem Anbieter der positivsten Beurteilung nahe (opinion shopping). Die bislang gesammelten Erkenntnisse sind jedoch nicht eindeutig. Die Beobachtung tendenziell schlechterer Bewertungen unbeauftragter Agenturen lässt einen Zusammenhang zwischen Auftragserteilung und Ratingergebnis vermuten.109 In den Anleihemärkten wird bei einem Auseinanderfallen der Bewertungen von Moody’s und Standard & Poor’s eine dritte Meinung (tie breaker) eingeholt, zumeist von Fitch. Übermäßig positive Drittbewertungen sind in diesen Fällen auch daraus zu erklären, dass sich Emittenten, die sich falsch bewertet fühlen, von einer weiteren Beurteilung Vorteile versprechen und den Auftrag erkennbar unter dieser Maßgabe erteilen.110 In einzelnen zur Spezialisierung geeigneten Segmenten des Finanzmarkts wurde darüber hinaus ein Trend zu freundlicheren Bewertungen ausgemacht, sobald neue Wettbewerber im Ratingmarkt erscheinen.111 2. Vergütung Die Abhängigkeit der privaten Intermediäre von der Vergütung ihrer Leistungen durch entweder den Emittenten oder einzelne Anleger(-gruppen) ist anerkanntermaßen eine Gefahr für die Unabhängigkeit. Sowohl Abschlussprüfung als auch der weit überwiegende Teil der Ratings werden im Auftrag des Emittenten erbracht. Besondere Gefahrenlagen verbinden sich insoweit mit den im folgenden Abschnitt zu diskutierenden Leistungskombinationen. Abweichend von den für Abschlussprüfung und Rating geltenden bzw. üblichen Vergütungsstrukturen wird der größte Anteil an öffentlich verfügbaren Finanzanalysen durch die verkaufsseitig tätigen Banken querfinanziert.112 Daneben finden sich von Emittenten und auch von Investoren finanzierte Analysen. Die Finanzanalyse weist damit die größte Vielfalt an vergütungsbedingten Gefahrenlagen für die Unabhängigkeit auf.113 Bei der Auswertung der in hoher Anzahl zur Finanzanalyse in den USA vorliegenden Studien gilt es, maßgeblich zwei regulatorische Eingriffe zu beachten: Zum einen wurde der private Informationsaustausch 108 Überblick zur empirischen Erforschung der Auswirkungen eines Wechsels des Abschlussprüfers Velte DBW 2010, 463, 464 ff. Zum Wechsel der finanzierenden Bank mit dem Ziel einer Erhöhung der Signalkraft der Finanzanalyse Krigman / Shaw / Womack 60 J. Fin. Econ. 245 (2001). 109 Beobachtungen dazu aus Deutschland v. Randow ZBB 1995, 140, 141. Zu Asien Byoun /  Shin 41 Asia-Pacific J. Fin. Stud. 41, 42 (2012). 110 Ob diese Vorteile allein aus regulatorischen Gründen zu erklären sind, ist umstritten. Dazu Nachw. Fn. 35 und umgebender Text. 111 Becker / Milbourn 101 J. Fin. Econ. 493 (2011). 112 Im Einzelnen 5. Kapitel: C.III.2 (S. 135). 113 Überblick zur empirischen Forschung bei Fisch 10 Lewis & Clark L. Rev. 57, 64 ff. (2006).

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zwischen Analysten und Emittenten durch die Fair Disclosure Regulation von 2000 untersagt. Zum anderen wurde durch das Global Settlement von 2003 ein Anstieg der unabhängig erstellten Analysen erzwungen.114 Noch Ende der 1990er-Jahre wurde von einer größeren Treffsicherheit der investorenseitigen Analyse ausgegangen.115 Die Ergebnisse wurden für ein bis zum Global Settlement von 2003 reichendes Zeitfenster auch später bestätigt.116 Für diesen Zeitraum ließ sich allerdings im Vergleich zur verkaufsseitigen Analyse keine geringere Anfälligkeit für überoptimistische Bewertungen belegen.117 In der auf das Global Settlement folgenden Zeit wurde ein Anstieg der nicht verkaufsseitig erstellten Analysen um mehr als 300 Prozent beobachtet (von 4 Prozent in 2002 auf 14 Prozent in 2004). Zugleich ging allerdings die Analyseabdeckung zurück auf 6000 Unternehmen (von insgesamt 14.000 öffentlich gehandelten).118 Neueren Studien zufolge verschlechterte sich der Informationswert der nicht an Banken gebundenen Analysen bei zugleich zu beobachtender höherer Häufigkeit starker Kaufempfehlungen (strong buy).119 Um Erklärungen für diese Beobachtungen wird weiter gerungen.120 Wegen des Verbots der privaten Informationsvermittlung vom Emittenten an den Analysten durch die Regulation Financial Disclosure von 2000 können unabhängige Analysten den Informationsvorteilen der Banken keine aktive Informationssuche entgegensetzen. Für Flächenabdeckung und Qualität spielen zweifelsohne die hohen Kosten der Finanzanalyse eine Rolle. Schätzungen aus dem Jahr 2006 zufolge liegen die Kosten für die Unterhaltung einer Analyseabteilung bei 500 Millionen US-Dollar pro Jahr, also einem Betrag, den nur sehr große Finanzinstitute schultern können.121 Qualitätssteigernde Synergieeffekte aus der Analyse einer größeren Anzahl von Finanztiteln oder Emittenten, die auch unabhängigen Analysten zugutekommen können, sind hingegen kaum zu beziffern. 3. Leistungskombinationen (low-balling) Bereits in den 1970er-Jahren ergab eine Befragung von Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsjournalisten in Deutschland, dass bei gleichzeitiger Beratung des Zum Global Settlement 5. Kapitel: B.III.3 (S. 114). Michaely / Womack 12 Rev. Fin. Stud. 653 (1999) zu Finanzanalysen im Umfeld von Börsengängen. Siehe auch Lin / McNichols 25 J. Acct. & Econ. 101 (1998). 116 Barber / Lehavy / Trueman 85 J. Fin. Econ. 490 (2007) für den Zeitraum von 1996 bis 2003. 117 Groysberg / Healy / Chapman 64 Fin. Analyst J. 25 (2008) für den Zeitraum von 1997 bis 2004. 118 Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 270 m. w. N. 119 Clarke / Khorana / Patel / Rau 7 Ann. Fin. 529 (2011). 120 Zu den in Betracht kommenden Ansätzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 269. Insbesondere zu vergütungsbezogenen Erklärungen unten 13. Kapitel: C.I.1 (S. 685 ff.). 121 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 267. 114 115

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

geprüften Emittenten von einer lediglich eingeschränkt unabhängigen Abschlussprüfung ausgegangen wird.122 International war das Problem systematischer Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit von Intermediären bei (bloßer) Möglichkeit zum Angebot lukrativer Zusatzleistungen seit den 1980er-Jahren erschlossen (low-balling).123 Auf Grundlage von Felddaten war der Zusammenhang mangels Offenlegung der Kosten für Erst- und Zweitprüfung zunächst nicht ermittelbar.124 Zwar sind Prüfungs- und Beratungshonorare ausdifferenzierten Offenlegungspflichten unterworfen.125 Es lässt sich aber nicht mit Sicherheit feststellen, ob Beurteilungen wegen der (bloßen) Erwartung zusätzlicher Einkünfte (quasi-rents) systematisch an den Rand der unteren Vertretbarkeit verschoben werden. In den ausgehenden 1990er-Jahren gelang immerhin eine experimentelle Bestätigung.126 In den beginnenden 2000er-Jahren kam es in den USA zu einer besonders hohen Anzahl an Berichtigungen von Finanzinformationen durch die Emittenten (financial statement restatements). In Reaktion auf die Erfahrungen mit Enron und Worldcom wurden die Möglichkeiten des Abschlussprüfers zur Erbringung von Zusatzleistungen im Wege des Sarbanes-Oxley Act von 2002 erheblich eingeschränkt. Parallel zur Vorbereitung des Gesetzes waren positive Korrelationen zwischen Beratungseinnahmen und der Wahrscheinlichkeit einer Berichtigung herausgearbeitet worden.127 Folgestudien zerstreuten jedoch die Hoffnungen auf die Untermauerung eines ansatzweise kausalen Zusammenhangs zwischen Beratungseinnahmen und Fehlberichterstattung des Emittenten.128 Erst in jüngerer Zeit wurde die mangelnde Belastbarkeit der Grundannahmen erkannt:129 Anbieter von Wirtschaftsprüfungsleistungen konnten schlichtweg nicht mehr in zwei Gruppen geteilt werden, bei der nur eine für Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit durch Einnahmen aus Zusatzleistungen anfällig ist. Vielmehr hatte sich der Berufsstand insgesamt gewandelt. Sämtliche Abschluss122 Den Umfrageergebnissen von Richter JfB 1977, 31, 41 zufolge hielt auch eine „nicht unbeachtliche Minderheit“ der Wirtschaftsprüfer den gleichzeitig beratenden Abschlussprüfer für nicht unabhängig. 123 De Angelo 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). Einordnung und Überblick zur betriebswirtschaftlichen Forschung Böcking / Gros ZGR 2015, 305, 308 ff., 310 ff. 124 Zu ersten Vorstößen in Australien Wines 34 Acct. & Fin. 75 (1994). Zum Ganzen Stefani in: Richter (Hrsg.), Entwicklungen der Wirtschaftsprüfung, 2003, S. 243, 252. 125 Im Einzelnen 13. Kapitel: C.II.2.b (S. 705 ff.). 126 Schatzberg A Theoretical and Empirical Examination of Independence and „Low Balling“, 1987. 127 Frankel / Johnson / Nelson 77 Acct. Rev. 71, 81 (Suppl. 2002). Zum UK Ferguson / Seow /  Young 21 Contemp. Acct. Res. 813 (2004). 128 Palmrose / Kinney / Scholz 42 J. Acct. Res. 561 (2004) stellen lediglich einen schwachen Zusammenhang mit unspezifizierten Zusatzleistungen fest, hingegen sogar einen negativen Zusammenhang etwa mit Steuerberatungsleistungen; Raghunandan / Read / Whisenant 17 Acct. Horiz. 223 (2003) ohne Aufdeckung eines Zusammenhangs. 129 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 148 m. w. N.

7. Kapitel: Empirik

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prüfer mussten Beratungsleistungen anbieten, um am Markt zu bestehen. Die Prüfungsleistung wurde praktisch nur noch als Grundfinanzierung angesehen, während die eigentlichen Erträge aus den Zusatzleistungen erwirtschaftet wurden. Leistungskombinationen waren für sämtliche Teilnehmer des Intermediationssegments schlicht unausweichlich. Die Folgenbewertung bleibt nach wie vor der Theorie überlassen. Auf Grundlage der Erkenntnisse zum low-balling wird schon bei der Möglichkeit zum Angebot von Zusatzleistungen von Anreizen zu einer strategischen Unterproduktion zutreffender Intermediationsleistungen ausgegangen.130 Dieselben Fragen wie bei der Abschlussprüfung stellen sich auch in Bezug auf Zusatzangebote anderer Intermediäre. Beim Rating gerieten insoweit Kontaktaufnahmen oder Bereitstellungen der maßgeblichen Ratingkriterien und -methoden im Vorfeld der Strukturierung von Finanzprodukten in den Blick.131 Für die von Banken angestellten Finanzanalysten wurde mit Unterbrechungen des Informationsflusses (Chinese walls bzw. screens) etwa zwischen Analyse- und Investmentabteilung reagiert. Bei anderen Intermediären, wie z. B. Stimmrechtsberatern, werden vergleichbare Probleme erst neuerdings erforscht.132

III. Qualitätsstagnation Die Qualität der jeweiligen Informationsleistung ist maßgeblich durch die Anreize des Intermediärs – genauer: des Einzelnen für die Intermediärunternehmen Handelnden – zum Aufbau spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten bedingt. Zur Abschlussprüfung, die vom einzelnen Prüfer und nur mittelbar von der Prüfungsgesellschaft verantwortet wird, findet sich eine Vielzahl von Studien, die erhöhte Fehlerhäufigkeiten nach einem Prüferwechsel nahelegen.133 Dahingehende berufsständisch gesteuerte Erhebungen wurden allerdings zumeist im Kontext anstehender Vorstöße des Gesetzgebers zu einer externen Pflichtrotation vorgenommen, die den Geschäftsinteressen von einzelnem Prüfer wie Prüfungsgesellschaft entgegenstehen.134 Dazu 13. Kapitel: B.IV.2 (S. 657 ff., 665 ff.). Bolton / Freixas / Shapiro 67 J. Fin. 85 (2012). 132 Larcker / McCall / Tayan The Conference Board Directors Note, No. DN-V4N5, März 2012, S. 1 ff. 133 Johnson / Khurana / Reynolds 19 Contemp. Acct. Res. 637 (2002) zur geringeren Prüfungsqualität in den Anfangsjahren. Ähnlich Geiger / Raghunandan 21 Auditing: A Journal of Practice & Theory 67 (2002). Siehe weiter Gosh / Moon 80 Acct. Rev. 585 (2005), die einen positiven Zusammenhang zwischen der Dauer des Prüfermandats und der Marktwahrnehmung des Emittenten ermitteln. 134 Wohl meist zitiert: AICPA, Statement of Position Regarding Mandatory Audit Rotation of Audit Firms of Publicly Held Companies, 1992, erhältlich als HTML-Dokument bei der AICPA, s. dort Abschn. „Audits Improve with Continuity“. Siehe auch GAO, Public Accounting Firms, Required Study on the Potential Effects of Mandatory Audit Firm Rota130 131

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Jüngere Studien zur Wölbung der Lernkurve (learning curve) relativieren die Schlussfolgerungen, verzeichnen aber ebenfalls eine höhere Fehlerquote des neu mit einem komplexen Jahresabschluss befassten Abschlussprüfers.135 Die Grundannahmen dürften sich für Rating und Finanzanalyse kaum unterscheiden. Für das Rating wurde ein Wandel hin zu strikteren Beurteilungen festgestellt, dies allerdings noch ohne Abwägung von damit möglicherweise verbundenen Verlusten bei der Innovationskraft der Beurteilung (defensive rating).136 Gleichzeitig deutet eine weitere Studie darauf hin, dass Finanzanalysten, die zu fortlaufender Unterbewertung tendieren, eine größere Fähigkeit zur Kursbeeinflussung für sich in Anspruch nehmen können.137 Die Anreize zur Unterbewertung sollen sich aus der verminderten Gefahr einer Rückstufung ihrer Position und einer zugleich erhöhten Wahrscheinlichkeit der Nominierung zum prestigeträchtigen „All Star“-Analysten ergeben. In Fragestellung und Ergebnissen weisen solche Studien aus Sicht des methodologischen Individualismus in die richtige Richtung. Viel spricht dafür, neben der Datengruppierung in verkaufsseitige oder investorenfinanzierte Analyse auch nach Korrelationen zu suchen, die für die Anreize des einzelnen Handelnden bestimmend sind. Erträgen der anstellenden Bank oder Prüfungsgesellschaft kommt dann eine andere, je nach Vergütungsstruktur nicht zwingend geringere Bedeutung für Interessenkonflikte zu.

C. Disziplinierung Zur Disziplinierung der Informationsintermediäre finden sich Studien zu den drei miteinander verwobenen Mechanismen der Reputation,138 der Haftung139 und der Regulierung.140

I. Reputation Der wirtschaftliche Wert einer Intermediationsleistung ist durch ihre Verlässlichkeit bedingt. Hierfür spielt die Reputation des Intermediärs eine wichtige, aber in Bezug auf die Disziplinierungsfunktion nach heute verfestigter Ansicht nicht zu überschätzende Rolle.141 Noch bis in die 1990er-Jahre herrschte die tion, Report to the Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs and the House Committee on Financial Services, GAO-43-216, November 2003, S. 5. 135 Cassell / Hansen / Myers / Seidel How Steep is the Audit Learning Curve? 2.1.2014, www. ssrn.com/abstract=2374162. 136 Alp 68 J. Fin. 2435 (2013). 137 Hilary / Hsu 68 J. Fin. 271 (2013). 138 Abschn. I. 139 Abschn. II (S. 200). 140 Abschn. III (S. 200). 141 Zu den regulierungstheoretischen Grundlagen 8. Kapitel: B.III.3 (S. 263 ff.).

7. Kapitel: Empirik

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Vorstellung einer hinreichenden Steuerung des Abschlussprüfers durch den Reputationsmechanismus vor.142 Erst nach der Häufung von nachträglichen Berichtigungen der Finanzdaten zu Anfang der 2000er-Jahre und schließlich nach dem Zusammenbruch von Enron änderte sich die Windrichtung.143 Zunehmend wurden die Leistungsgrenzen der Reputation etwa im Vergleich zu scharfen Haftungsandrohungen vermessen.144 Zu einer dieser Entwicklung entsprechenden Wende der Diskussion kam es beim Rating trotz der bereits im Zusammenhang mit Enron stark enttäuschten Erwartungen erst nach der Finanzmarktkrise von 2008.145 Seit den ausgehenden 1990er-Jahren war die Vorstellung einer hinreichenden Disziplinierung durch den Reputationsmechanismus zunehmend in die Diskussion geraten. Gegen die vollständige Verneinung der Steuerungskraft spricht etwa der Marktstandard des mindestens doppelten Anleiheratings (Zwei-plus-Usance), für dessen private Herausbildung bei Inanspruchnahme des Ratings zur Erfüllung bloß regulatorischer Zwecke kein Grund bestanden hätte.146 Mit diesem Marktstandard war der Reputationsgedanke entgegen früherer Einschätzungen147 auch für Drittratings zu untermauern, deren Einholung bei systematisch auftretenden Qualitätsmängeln ohne Marktreaktion hätte bleiben müssen.148 Auf heutigem Stand ist von einer (immerhin) eingeschränkten und (nach Maßgabe weiterer Umstände) relativen Leistungsfähigkeit des Reputationsmechanismus auszugehen.149 Nur ist weder hinreichend bestimmbar, wie weit die Steuerungskraft reicht, noch wie stark sie in konfliktgeeigneten Situationen zurückgedrängt wird. Jedenfalls die von den Agenturen in Bezug auf Anleiheratings bekannt gegebenen Ausfallstatistiken (default statistics) eignen sich nicht zur erklärenden Variable für eine reputationsgestützte Qualität des Ratings. Zusammenbrüche flossen nicht in die Statistik ein, weil die Agenturen sich regelmäßig vor dem Zusammenbruch aus der Betreuung des Emittenten zurückgezogen hatten.150 Spätestens seit den Erfahrungen mit den reihenweisen Ausfäl142 Datar / Alles 14 J. Acct. Audit. & Fin. 401 (1999). Spieltheoretisch Hillegeist 74 Acct. Rev. 347 (1999). 143 Zum Ganzen Giudici EBOR 2012, 501, 514 m. w. N. 144 Lee / Mande / Son 48 Q. J. Fin. & Acct. 85 (2009). Instruktiv zur Rolle von KPMG im deutschen Fall ComROAD Weber / Willenborg / Zhang 46 J. Acct. Res. 941 (2008). 145 Zur bis dahin vorherrschenden Ansicht die Studie von Covitz / Harrison Testing Conflicts of Interest at Bond Ratings Agencies with Market Anticipation, Federal Reserve Board Finance and Economics Discussion Series 2003-68, Dezember 2003, www.federalreserve.gov/ pubs/feds/2003/200368/200368pap.pdf. Zuvor bereits Cantor / Packer 19 FRBNY Q. 1, 4 (1994). 146 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 292. 147 Cantor / Packer 5 J. Fixed Income 10 (1995); dies. 21 J. Bank. & Fin. 1395 (1997). 148 Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. & Acct. 1367, 1376 (2002); Jewell / Livingston 10 J. Fixed Income 69 (2000); dies. 21 J. Fin. Res. 185 (1998). 149 Zu den ökonomischen Grundlagen 6. Kapitel: D (S. 169 ff., 173).

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

len bei strukturierten Finanzprodukten vor und um 2008 lässt sich auch die Vergabe der höchsten Bonitätsnote nicht mehr als sicherer Indikator einsetzen. Das Messbarkeitsproblem resultiert beim Rating vor allem daraus, dass zwar bei krassen Fehlbeurteilungen wie etwa bei Vergabe einer höchsten Bonitätsnote und zeitnahem Zahlungsausfall (ohne Hinzutreten unvorhersehbarer Umstände) berechtigte Zweifel an der Treffsicherheit aufkommen, aber eben kaum Aussagen über die Genauigkeit gradueller Ratingänderungen getroffen werden können. Weder existieren Regeln zur Eingrenzung von Beurteilungsspielräumen wie die Prüfungsgrundsätze des Abschlussprüfers noch lässt sich die Treffsicherheit wie bei der Finanzanalyse am Kursverlauf messen. Eine Gemeinsamkeit mit den weiteren Intermediationsleistungen besteht aber insoweit, als dass sich die Fehlleistungen in Jahren der übersteigerten Marktaktivität häufen. Nach den behandelten empirischen Studien bleibt offen, inwieweit dies auf heuristische Fehleinschätzungen zur Fortsetzung beobachteter Marktentwicklungen (persistence bias) oder doch auf ein rechnerisches Kalkül zurückzuführen ist.151

II. Haftung Die Notwendigkeit einer Disziplinierung der Informationsintermediäre durch Haftung gewann spätestens seit den Erfahrungen mit dem Zusammenbruch von Enron an Gewicht.152 Studien zur Abschlussprüferhaftung belegen die Bedeutung der haftungsrechtlichen Steuerung.153 Auf heutigem Stand werden Haftungsregeln nicht mehr aus Gründen des Reputationsmechanismus in Frage gestellt. Diskutiert wird noch, inwieweit Reputationseffekte bei der Ausgestaltung der Haftungsregel eine Rolle spielen könnten.154 Zu einer für statistische Zwecke geeigneten Anzahl von Haftungsfällen ist es bislang weder beim Rating noch der Finanzanalyse gekommen. Insoweit bleibt es bei theoretischen Erwägungen zur Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur Abschlussprüfung.

III. Regulierung Erfahrungen oder Einschätzungen liegen nur zu einzelnen regulatorischen Eingriffen in den Informationsmarkt vor. Belastbare Korrelationen sind kaum zu erarbeiten, weil einem regulierten Markt keine geeignete Vergleichsgröße gegen150 Plastisch Coffee Gatekeepers, 2006, S. 297: „Default statistics are thus as cooked as Enron’s books.“ 151 Für Ersteres Coffee Gatekeepers, 2006, S. 67 f. Zu den doch beachtlichen Erklärungsmöglichkeiten als Rationalverhalten 9. Kapitel: A.I (S. 284 ff., 288). 152 Coffee 57 Bus. Law. 1403, 1409 ff. (2002). 153 Khurana / Raman 79 Acct. Rev. 473 (2004); Lee / Mande / Son 48 Q. J. Fin. & Acct. 85 (2009); Venkataraman / Weber / Willenborg 83 Acct. Rev. 1315 (2008). Zum Ganzen Giudici EBOR 2012, 501, 510 m. w. N. 154 Bigus 33 OR Spectrum 287 (2011) zur Abschlussprüfung.

7. Kapitel: Empirik

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überzustellen ist. Es ist also etwa nicht mit Sicherheit zu ermitteln, ob auf dem Stand geltender Regeln der Rechnungslegung und ihrer Prüfung eine optimale Menge und Qualität der Finanzberichterstattung erzielt werden.155 Hinreichend verlässliche Erkenntnisse zur Wirkung der Regulierung auf die Konzentration des Abschlussprüfermarkts stehen trotz zahlreicher empirischer Studien aus.156 Zu Sanktionen durch Institutionen der (regulierten) Selbstregulierung wie dem auch für Abschlussprüfer zuständigen Financial Reporting Council im Vereinigten Königreich liegen Studien vor, die einen gemessen an der Sanktionshöhe zehnfach höheren Reputationsverlust des Emittenten am Börsenkurs festmachen.157 Zu möglichen Reputationsverlusten des Intermediärs selbst sagen diese Ergebnisse allerdings nichts aus. Bonitätsbeurteilungen sollen angesichts größeren Drucks des Gesetzgebers ab 2002 insgesamt strenger ausgefallen sein.158 Qualitätsveränderungen im Schatten des Gesetzgebers sind allerdings anders als bei einem echten regulatorischen Einschnitt (Schockereignis) nur unter Annahmekonstrukten zu ergründen, die das Ergebnis mehr als mögliches Szenario denn als Gewissheit erscheinen lassen. Besser vermessen sind die Wirkungen der US-amerikanischen Financial Disclosure Regulations von 2000 auf die Finanzanalyse. Auf das Verbot des privaten Informationsaustauschs zwischen dem Emittenten und dem Analysten folgte ein zahlenmäßig bestimmbarer (deutlicher) Rückgang der Analyseabdeckung.159 Überlegt wird, ob das Verbot außerdem zum ungewollten Ergebnis einer Informationszurückhaltung des Emittenten führt, weil eine allen Analysten zur Verfügung stehende Information die ohnehin zu beobachtende Tendenz zur Abgabe gleichlautender Empfehlungen noch beschleunigen könnte.160

D. Belege, Folgerungen und fortdauernde Suche (Zusammenfassung) 1. Zusammenfassend wirken sich die Leistungen von Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanzanalysten auf Investitionsentscheidungen aus und sind dazu geeignet, zur Informationsintegrität und damit zur Markteffizienz beizutragen (Abschnitt A, S. 178 ff.). Feststellbare Wirkungen erstrecken sich etwa beim Rating über die explizit an Fremdkapitalgeber gerichteten Beurteilungen hinaus implizit auch auf Entwicklungschancen des Eigenkapitals. Aussagen zur ÜberleWolk / Dodd / Rozycki Accounting Theory, 2013, S. 120. Überblick bei Velte KoR 2010 594, 595 ff. 157 Armour / Mayer / Polo Regulatory Sanctions and Reputational Damage in Financial Markets, Oktober 2010, www.ssrn.com/abstract=1711071. 158 Alp 68 J. Fin. 2435 (2013). 159 Irani / Karamanou 17 Acct. Horiz. 15, 18 (2003) zu Umfrageergebnissen, die neben dem Rückgang der Analyseabdeckung u. a. zeigen, dass die neue Regulierung zur Abschirmung vor unerwünschter Informationssuche eingesetzt wurde. 160 Arya / Glover / Mittendorf / Narayanamoorthy 24 J. Acct. & Publ. Pol’y 243 (2005). 155 156

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Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

genheit einer die private Informationsintermediaton einbeziehenden Regulierungsstrategie für das Finanzsystem lassen sich auf Grundlage verfügbarer Untersuchungen nicht treffen ebenso wenig wie zur relativen Bedeutung regulatorischer Inbezugnahmen für den Informationswert der einzelnen Leistung oder zur Eingrenzung der anerkannten Rückwirkungen auf die Corporate Governance. 2. Als Gründe des Versagens privater Informationsintermediation gelten Absatzdruck, Beeinflussungen durch die Interessen des Auftraggebers im Wege der Vergütung sowie Leistungskombinationen, jeweils mit unterschiedlich starker empirischer Untermauerung (Abschnitt B, S. 189 ff.). Numerische Nachweise zu Überoptimismus und Herdenverhalten lassen sich aller Voraussicht nach bei professionellen Anbietern am Markt für Intermediationsleistungen zu weiten Teilen aus einem Rationalverhalten heraus erklären. Offen sind Begründungen zu Einzelfragen wie der fehlenden Adjustierung von Prognosen nach extremer Fehleinschätzung. 3. Disziplinierende Wirkung kommt auch dem Reputationsmechanismus zu, wenngleich hierzu zunehmend zurückhaltende Einschätzungen zu verzeichnen sind (Abschnitt C, S. 198 ff.). Haftung und Regulierung, also private und hoheitliche Sanktionen, werden als notwenige Ergänzung aufgefasst. Weder zur einen noch zur anderen Disziplinierungsform oder den Interdependenzen sind auf Grundlage vorhandener Empirik abschließende Wirkungsaussagen zu treffen. 4. Insgesamt liegt auf dem Stand der Empirik nahe, zur Sicherstellung der Rolle privater Informationsintermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs nicht allein auf private Mechanismen wie die Reputation zu vertrauen, sondern durch Pflichtensetzung und Sanktionen einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die Ordnungsmäßigkeit von Intermediationsleistungen gewährleistet.

Zweiter Teil

Marktzugangskontrolle durch private Dritte Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Informationsintermediäre vermitteln zwischen Kapitalangebot und -nachfrage. Ihre Leistungen wirken sich auf die Preise für Kapital aus. Deshalb wird der kapitalmarktlichen Informationsintermediation die Funktion einer privaten Marktzugangskontrolle zugeschrieben. Einzelne Intermediationsleistungen sind in die Finanzmarktregulierung eingebunden. Die regulierungstheoretische Untermauerung einer Wahrnehmung von Funktionen der Marktzugangskontrolle durch private Dritte steht bislang aus. Die wesentlichen Bausteine hierfür werden in den folgenden drei Kapiteln erarbeitet. Aufzuzeigen sind zunächst die Grundsatzfragen und Formen regulatorischer Indienstnahmen von privaten Informationsintermediären. Sodann sind die sich aus den Funktionsgrenzen privater Intermediationsleistungen ergebenden Regelungsfolgepflichten zu erfassen. Abschließend werden die Erkenntnisse zu Grundstrukturen eines belastungsfähigen Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation verdichtet.

8. Kapitel

Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre 8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

Die Intermediationsleistungen von Abschlussprüfern und Ratingagenturen finden im Wege regulatorischer Indienstnahmen Einsatz zur Erfüllung hoheitlicher Ziele. Wie Finanzanalysen werden sie außerdem bei rein privat gesteuerten Austauschprozessen verwendet. Erst aus diesem Zusammenspiel von hoheitlichen und privaten Einsatzformen werden die Grundsatzprobleme erkennbar. Die daran anknüpfenden Gestaltungsaufforderungen an die Regelgeber werden durch unterschiedlich ausgerichtete Regelsetzungs- und Regelbewertungstheorien eingrenzbar.1 Im Weiteren lassen sich die Möglichkeiten der regulatorischen Indienstnahme mittels einer dreigliedrigen funktionsorientierten Typologie eingrenzen.2 In der abschließenden Zusammenschau von Grundsatzproblemen und Typologie sind die Faktoren für die Abwägung zwischen den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten einer Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre aufzuzeigen.3

A. Grundsatzfragen Die Diskussion um die Chancen einer regulatorischen Indienstnahme privater Dritter entwickelte sich parallel zum raschen Wandel des Verständnisses hoheitlicher Steuerungsnotwendigkeiten und -prozesse. Zunehmend verfestigte sich die Überzeugung von der Unausweichlichkeit einer kooperativen Regelsetzung auch und gerade im Zeichen der Internationalisierung des Kapitalmarkts.4 Dieser Verständniswechsel leitet sowohl die internationale Regulierungstheorie5 als auch die nationale verfassungsrechtliche Diskussion an.6 Er ist gleichermaßen Ausgangspunkt wie Kern der heute verfestigten Überzeugung vom Nutzen einer regulatorischen Indienstnahme Privater zur Gewährleistung eines funktionierenden Finanzaustauschs am Kapitalmarkt. 1 2 3 4 5 6

Abschn. A. Abschn. B (S. 250). Abschn. C (S. 269). Abschn. I. Abschn. II (S. 214). Abschn. III (S. 228).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

I. Steuerungsprozesse In der Regulierungstheorie finden sich unterschiedliche Ansatzpunkte zur Ausleuchtung der Chancen einer regulatorischen Indienstnahme privater Dritter.7 Den Formen kooperativer Staatsverwaltung widmen sich die zunehmend miteinander verwobenen Diskurse von Steuerungstheorie und Governance-Forschung. Zugrunde gelegt wird jeweils ein funktionaler und tendenziell weitgefasster Regulierungsbegriff.8 Marktzutritt und -verhalten zählen zu den klassischen Gegenständen des Regulierungsrechts. Als marktbeschränkende Regulierung kommt danach jedweder bewusste Gebrauch hoheitlicher Entscheidungsmacht mit dem Ziel der Verhaltensbeeinflussung und Änderung der Kontrollrechtsverteilung in Betracht. Geprägt durch die Regulierungsdiskussion um Netzwerkindustrien werden aber auch marktermöglichende Eingriffe, also Maßnahmen zur Herstellung von Wettbewerb in unvollkommenen Märkten unter gleichzeitiger Sicherung von Versorgungsfunktionen hinzugezählt.9 Die Indienstnahme privater Dritter in die Finanzmarktregulierung10 steht im Schnittfeld einer die Marktteilnahme beschränkenden und der sie ermöglichenden Zugangskontrolle. 1. Transformation der Steuerungsaufgaben In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zur verstärkten Befassung mit der Rolle privater Dritter bei der Erfüllung von Staatsaufgaben. Zeitgleich ergaben sich infolge der neuen Kategorie staatlicher Gewährleistungsverantwortung für private Interaktionsprozesse Paradigmenwechsel in der verfassungsrechtlichen Diskussion.11 Zunehmend löste sich die durch Max Weber12 geprägte Unterscheidung Einführend zu Bedeutung und Anwendungsfeldern der Regulierungstheorie Baldwin /  Cave / Lodge in: dies. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 3, 6 ff. Siehe auch Veljanowksi in: ebd., S. 17, 19 ff. 8 Ruffert in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 7 Rn. 58; Ruthig / Storr Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., 2008, Rn. 515. Kritik an der fehlenden Trennschärfe und „inflationären“ Begriffsverwendung Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F11. Eingehende Diskussion bei Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 479 ff. 9 Zu diesem Zusammenhang Masing Gutachten D, 66. DJT 2006, S. D9; Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 479 ff., 482. 10 Nach dem engeren Verständnis von Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 39 ff., 42 (S. 1018) sind Maßnahmen der Finanzmarktaufsicht nicht der Regulierung zuzuordnen, weil sie nicht auf die Herstellung von Wettbewerb gerichtet sind. International ist der Begriff weiter gefasst. Das räumt auch Röhl (ebd., Fn. 42) ein. Unter dem Titel „Finanzmarktregulierung“ tagte etwa auch die gemeinsame Abteilung Öffentliches und Privates Wirtschaftsrecht des 68. DJT 2010. 11 Näher 8. Kapitel: A.III (S. 228 ff.). 12 Weber Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1972, S. 187 ff. unterschied zwischen einerseits „Rechtsordnung“ und andererseits „Konvention und Sitte“. 7

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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allein zwischen Rechtsbefehl und sozialer Ordnung auf. Das dichotomische Verständnis der Steuerungsmodi wich einer differenzierteren Vorstellung, die auch Zwischenformen hybrid hoheitlich-privater Regulierung zu erfassen versuchte. Konkreten Anlass für die systematische Auseinandersetzung mit der Einbeziehung privater Dritter boten spätestens die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt einsetzenden Privatisierungen, insbesondere in den Netzwerkindustrien.13 Von Globalisierung und europäischer Integration begleitet wandte sich die Regulierungsdebatte wettbewerbsorientierten Strukturen zu, die eine prozessartige Steuerung privater Interaktionsprozesse an die Stelle staatlicher Ergebnisverantwortung setzten (Transformationshypothese).14 Nach dem überkommenen konventionellen Verständnis der Regulierung erfolgt die staatliche Steuerung durch direkte Verhaltensbefehle und Ergebniskontrollen (command and control).15 Im Vergleich hierzu weisen moderne Steuerungstheorie und Governance-Forschung eine größere Nähe zu den tatsächlich beobachtbaren Steuerungsprozessen innerhalb hoheitlich-privat zusammengesetzter Systeme auf und erlauben auch komparative Nutzenaussagen zu alternativen Gestalten.16 Von der durch Niklas Luhmann geprägten autopoietischen Systemtheorie,17 die nach Kompatibilitätsproblemen und Koordinationsdefiziten sucht, unterscheiden sich diese Ansätze im Wesentlichen durch die Annahmen der Möglichkeit und der Notwendigkeit staatlicher Steuerung.18 Nach dem Stand der politologisch-soziologisch geprägten Steuerungstheorie, wie sie insbesondere von Renate Mayntz vertreten wird, sind vier Faktoren zu unterscheiden:19 erstens das Steuerungssubjekt, also der Regelsetzer, zweitens das von ihm bestimmte Steuerungsziel, drittens das dazu gewählte Steuerungsinstrument und viertens der betroffene Steuerungsadressat. Defizite können auf jeder dieser Ebenen auftreten, und zwar als Fehleinschätzung zu steuerungsrelevanten Wirkungszusammenhängen, als Wirkungsproblem der eingesetzten Steuerungsinstrumente, als Durchsetzungsschwäche auf der Ebene der Vollzugsinstanzen sowie in Form mangelnder Befolgungsanreize der Adressaten. Wirkungs13 Übergreifend Metzger 103 Colum.L. Rev. 1367, 1376 (2003). Zu den Privatisierungsphasen in Deutschland bis 1966 und ab 1982 Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 74, 282 ff. mit Einzeldurchsicht maßgeblicher Industrien. 14 Zur Transformationshypothese Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 5, 9 m. w. N. Im hier nahestehenden Zusammenhang Binder Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, S. 46 ff., 55. 15 Näher Coglianese / Mendelson in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 146, 148. 16 Zu Implementierungs-, Steuerungs- und Governance-Theorie Gawron Steuerungstheorie, Policy-Forschung und Governance-Ansatz, 2010, S. 6. 17 Luhmann Soziale Systeme, 1984, S. 15 zu Paradigmenwechseln. 18 Zum Stand der autopoietischen Systemtheorie Baxter 9 Ann. Rev. L. & Soc. Sci. 167 (2013); Brandhoff EBOR 2009, 307. 19 Mayntz in: Ellwein / Hesse / Mayntz / Scharpf (Hrsg.), Jb. zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. 1, 1987, S. 89, 93.

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

aussagen zu einzelnen Maßnahmen sind nur unter Berücksichtigung der Interaktion dieser Faktoren zu treffen. Je nach Zielsetzung und Adressat können sich neben, anstelle oder komplementierend zu konventionellen Regulierungsformen staatlich-private Verhandlungssysteme (Hybride), Formen einer Selbstregulierung der Wirtschaft (Markt) oder auch eine nichtregulierte Selbstorganisation anbieten (soziale oder sozietale Koordination).20 Während sich die Steuerungstheorie vornehmlich auf das zielorientierte Handeln politischer Akteure konzentriert, verfolgt die ökonomisch geprägte Governance-Theorie einen strukturzentrierten Ansatz.21 Maßgeblich sind die Hierarchien zwischen privaten und staatlichen Akteuren, also die Verteilung von Entscheidungsrechten, sowie die individuellen Entscheidungsanreize auf Seiten der Regelsetzer und Betroffenen. Der Staat ist hiernach nur eine (mögliche) Institution innerhalb der trilateralen Governance-Struktur. Die Aufgaben eines unabhängigen Dritten können auch Private übernehmen (third-party government).22 Für die Wahl der einen oder der anderen Governance-Struktur sind Annahmen zu den individuellen Anreizen der entweder hoheitlich oder privat handelnden Einzelakteure ausschlaggebend (methodologischer Individualismus).23 Das auf diese Vorstellungen bauende Analyseinstrumentarium ist gleichermaßen zur Beurteilung staatlicher wie auch privater Governance-Strukturen einsetzbar. Die hierin angelegte Möglichkeit zu direkten Wirkungsvergleichen darf als Stärke der Governance-Theorie erachtet werden. Ergebnisunterschiede zur Steuerungstheorie müssen sich im hier behandelten Zusammenhang nicht ergeben. Die Governance-Theorie weist große Nähe zur Transaktionskostenökonomik, also der vertragstheoretischen Erklärung sozialer Interaktionsprozesse auf und ist teilweise durch diese vorbereitet. Vorteile aus der regulatorischen Einbeziehung privater Dritter sind hiernach an den zusätzlichen Entscheidungskosten aus der Errichtung neuer Hierarchiestufen zu messen. Überlegungen zu den Effizienzgrenzen hierarchischer Strukturen greifen zurück auf das von Ronald H. Coase 1937 eingebrachte Bild vom Unternehmen als Vertragsbündel (nexus of contracts).24 Die Bündelung von Einzelverträgen ermöglicht Synergieeffekte und 20 Instruktiver Überblick bei Gawron Steuerungstheorie, Policy-Forschung und Governance-Ansatz, 2010, S. 6. Eingehend unter Berücksichtigung der Abschlussprüfung Reiling Der Hybride, 2016, S. 162. 21 Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 97 ff., 101. Zur Abgrenzung gegenüber der Steuerungstheorie Mayntz in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, 2005, S. 11 ff. 22 Mit dem Begriff „third party government“ wird die faktische Ausübung von Hoheitsgewalt durch Dritte verbunden. Aus der Privatisierungsdebatte Kennedy 11 Geo. Mason U. C.R. L.J. 203, 208 (2001); Metzger 103 Colum.L. Rev. 1367, 1376 (2003). 23 Zum methodologischen Individualismus aus Sicht des Privatrechts Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 46. Aus Sicht des öffentlichen Rechts Voigt Institutionenökonomik, 2. Aufl., 2009, S. 28. 24 Coase 4 Economica 386 (1937). Zu Bedeutung und Stand die Hommage an Ronald Coase in: Ménard (Hrsg.), Institutions, Contracts and Organizations, 2000, mit Beiträgen u. a. von North (S. 37) und Williamson (S. 48).

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Größenvorteile (scale economies), ist aber gleichzeitig mit originären Administrationskosten, im Bild des Vertragsbündels also mit Kosten aus der hierarchischen Koordination miteinander verwobener Einzelverträge verbunden. Gestützt auf die Arbeiten des Coase-Schülers Oliver E. Williamson erweiterte sich der Analyserahmen auf komplexe private Transaktionen mit teils vertraglichen, teils hierarchischen Elementen und damit auf die Suche nach GovernanceStrukturen für die zwischen Markt (discrete contract) und Unternehmung (organization) einzuordnenden Transaktionen (hybrids).25 Die Wahl zwischen diskretem Vertrag, Hybrid und Unternehmung wird nach Williamson durch drei Entscheidungsfaktoren (critical dimensions) angeleitet: erstens durch die Transaktionshäufigkeit (frequency), zweitens durch das Ausmaß vertragsspezifischer Investitionen (specificity) und die dadurch bedingten späteren Ausweichmöglichkeiten sowie drittens die ex ante getroffenen Annahmen über die Opportunismusbereitschaft der Gegenseite (uncertainty).26 Mit wenigen Anpassungen27 lassen sich diese Entscheidungsparameter auf die Wahl einer hybrid aus staatlicher und privater Einwirkung zusammengesetzten Regulierungsform wie der Marktzugangskontrolle durch die Informationsintermediäre des Kapitalmarkts übertragen.28 Der Erforschung staatlicher Gestaltungsentscheidungen widmet sich die verstärkt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekommene Neue Ökonomie des Staats (public choice).29 Auf die daraus hervorgehenden Erkenntnisse zur staatlichen Wahl bestimmter Governance-Strukturen (regulatory choice oder mechanism choice) greift die spätestens seit 2006 zur Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft30 erstarkte Denkrichtung der öffentlich-rechtlichen Diskussion zurück und baut sie im Sinne einer fortentwickelten Lehre von den Handlungsformen des Staats aus.31 Frühere Lagerbildungen zwischen EffizienzbehaupWilliamson 22 J.L. & Econ. 233, 235 ff. (1979). Williamson The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 52 ff. 27 Williamson 22 J.L. & Econ. 233, 248 ff. (1979) unterscheidet zwischen Markt (Qualitätssicherung durch Wettbewerb und gerichtliche Kontrolle), Hybrid (zusätzliche bilateralvertragliche oder trilateral-schiedsrichterliche Kontrolle) und Organisation (hierarchische Entscheidungsstruktur innerhalb der Unternehmung statt Marktmechanismen). In der Übertragung wird hieraus etwa: Selbstregulierung (privatwirtschaftliche Governance), regulierte Selbstregulierung (gemischt staatlich / privatwirtschaftliche Governance) und hoheitliche Regulierung (staatliche Governance). 28 Zu dieser Verbindungslinie bereits Schenk Institutional Choice und Ordnungstheorie, 1982, S. 5 ff. Aus verwaltungsrechtlicher Sicht Bamberger 56 Duke L.J. 377, 408 (2006). 29 Mueller Public Choice III, 2003, S. 2 unter Hinweis auf Vorläufer. 30 Im Jahr 2006 begann die mehrbändige Reihe von Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann /  Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2006 (2. Aufl. 2012). Einordnend Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 99. In Abgrenzung zur Steuerungs- und Governance-Theorie Ruffert in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 7 Rn. 34 ff. Näher noch im verfassungsrechtlichen Zusammenhang 8. Kapitel: A.III.1.a (S. 230 ff.). 31 Näher zur sogenannten Mechanismuswahl (mechanism choice) Wiener / Richman in: Farber / O’Connell (Hrsg.), Research Handbook on Public Choice and Public Law, 2010, 25 26

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tungen32 und Sozialzielvorstellungen33 gelten angesichts der zunehmend interdisziplinär geführten Regulierungsdiskussion als weitgehend aufgelöst.34 Die kapitalmarktliche Informationsintermediation ist nur eines der zahlreichen Felder für die Erforschung des Zusammenspiels zwischen privaten und staatlichen Regulierungskräften, angesichts der Bedeutung der Informationsintegrität für Funktion und Stabilität des Kapitalmarkts allerdings ein durchaus sensibles. Zuletzt stellte die Finanzmarktkrise von 2008 den rechtstheoretisch und rechtstatsächlich erreichten Stand in Frage.35 In der Folgezeit gerieten hybrid hoheitlich-private Regelungssysteme verstärkt in die Kritik einer Überkomplexität des Steuerungssystems. 2. Komplexität und kooperative Regulierung Erwogen wird die Indienstnahme Privater zur kooperativen Regulierung mit dem Ziel der Steuerung oder auch erst zur Herstellung von Steuerbarkeit der zunehmend komplexen privatwirtschaftlichen Interaktionsformen. Mit der Einbeziehung privater Dritter im Wege kooperativer Regelsetzung und Durchsetzung verbindet sich zwangsläufig eine Vermengung der steuerungstheoretischen Faktorenpaare: Regelsetzer und Regelungsadressat sowie Vollzugsinstanz und Vollzugssubjekt.36 Das Ausmaß dieser Vermengung bestimmt sich danach, inwieweit die Regelungsadressaten am Entwurf der sie betreffenden Regeln und gegebenenfalls an ihrer Durchsetzung mitwirken. Facettenreiche Diskussionen unterschiedlicher Denkrichtungen – maßgeblich der noch zu beleuchtende Dialog zwischen Verfassungs- und Privatrecht über die Legitimation von Expertenrecht37 – beschäftigen sich mit der Wirkungsweise, den regulatorischen Folgefragen kooperativer Regelsetzung sowie übergreifend mit der Suche nach belastbaren Aussagen zu den Grenzen der Aufgabenwahrnehmung durch Private.38 Gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Überzeugung von der Notwendigkeit einer Rückbindung der gewählten Steuerungsform an Aufgabenstellung und Kompetenzordnung des Staats. Die rechtliche Forderung nach GrundgesetzkonS. 363 ff. Siehe weiter Schenk Institutional Choice und Ordnungstheorie, 1982, S. 6. Zu Forschungslücken Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 31. 32 Ogus in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, 2007, S. 107. 33 Okun Equality and Efficiency, 1975, S. 1 ff., 6. 34 Internationaler Stand bei Baldwin in: ders. / Cave / Lodge (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 259, 260. 35 Im Vordergrund stehen die enttäuschten Erwartungen an Ratingagenturen. Überblick dazu bei Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 445 ff., 454. 36 Zur Steuerungstheorie siehe den vorangegangen Abschnitt 1. 37 Im Einzelnen 8. Kapitel: A.III.3.b (S. 241 ff., 243). 38 Einordnend mit Beispielen auch zu finanzmarktfernen Einsatzfeldern kooperativer Regelbildung McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004) m. w. N.

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formität ist aus Sicht der Neuen Ökonomie des Staats in die Forderung nach Rückbindung an den staatskonstitutiven privaten Interaktionsakt der Gruppenmitglieder oder Bürger zu verstehen. Nach der seit den 1960er-Jahren durch Arbeiten von James M. Buchanan und Gordon Tullock geprägten Vorstellung erfährt die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in Bezug auf die Wahl seiner Handlungsform ihre Rechtfertigung aus der privaten Initiierungsabsprache.39 Hiernach weisen die Gruppenmitglieder dem Staat seine konstitutive Ordnungsmacht in bewusster Unsicherheit über die staatlichen Reaktionen auf künftige Ereignisse zu (veil of uncertainty). Aus diesem Blickwinkel heraus erfährt die Einbeziehung Privater in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ihre Legitimation aus der vom Staat übernommenen Anpassung seiner Ordnungsstrukturen an die Interessen der initiierenden Gruppenmitglieder.40 Nachstärker privatrechtsökonomisch ausgerichteten Sichtweisen ergibt sich hieraus die Forderung einer regulatorischen Nachbildung privater Absprachen, soweit diese nicht oder nicht in hinreichender Anzahl zustande kommen (market mimicking regulation).41 Allein auf wirtschaftliche Effizienz setzende Überlegungen sind, wie die ökonomische Regulierungsdiskussion insgesamt, in einem Verständnis aufgegangen, das auch Sozialziele einzubeziehen vermag.42 Fortwährende Diskussionspunkte betreffen die Bestimmung der richtigen Stufe für den staatlichen Eingriff. Aus ökonomischer Sicht kommen auf erster Stufe transaktionsermöglichende Eingriffe in Betracht, während sozialzielverwirklichende Umverteilungen erst auf zweiter Stufe Platz greifen dürfen.43 Für die Suche nach Anlass, Ausmaß und Grenzen der Einbindung Privater in die Regelgebung und -durchsetzung bietet die Vorstellung von einer private Absprachen nachbildenden, also transaktionsermöglichenden Regulierung jedenfalls auf erster Stufe anschlussfähige Überlegungen. Anlass für die Einbeziehung privater Dritter besteht hiernach insbesondere bei Koordinationsproblemen, die private Absprachen verstellen (Marktversagen).44 Die Art und Ausgestaltung der Einbeziehung privater Dritter ist an der vom 39 Es handelt sich um Fortentwicklungen des von Rawls A Theory of Justice, 1971, eingebrachten Gedankens der Fairness durch Entscheidungen unter dem Schleier der Unwissenheit (veil of ignorance) durch die Konstitutionenökonomik mit Betonung der Absprache unter dem Schleier der Unsicherheit (veil of uncertainty). Grundlegend Buchanan / Tullock The Calculus of Consent, 1962; dies. The Limits of Liberty, 1975. Zur Einordnung Voigt in: Pies /  Leschke (Hrsg.), James Buchanans konstitutionelle Ökonomik, 1996, S. 157, 164. Übergreifend Kirchgässner Homo Oeconomicus, 4. Aufl., 2013, S. 113. 40 Priddat Irritierte Ordnung, 2006, S. 112. 41 Grundsteine bei North Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 1990, S. 67. Überblick ders. 5 JEP 97 (1991). Einführend Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 433. 42 Zur Entwicklung Baldwin in: ders. / Cave / Lodge (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 259, 260. 43 Zu dieser Unterscheidung Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. XLI.

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Staat übernommenen Einschätzung zur voraussichtlichen Interessenlage der privaten Akteure auszurichten. Einer universellen Entscheidungsformel ist die Abwägung zwischen staatlicher Eigenwahrnehmung und kooperativer Regulierung unter Einbeziehung Privater allerdings nicht zugänglich. Die maßgeblichen Faktoren werden durch privaten oder politischen Wandel der Regelungspräferenzen, wirtschaftliche Innovation und Komplexitätssteigerungen sowie den damit verbundenen, nicht vollständig antizipierbaren Änderungen des Umfelds beeinflusst, stehen also nicht fest. Vor dem Hintergrund der vorliegend stark verkürzend beschriebenen Ideengeschichte ist die Wahl kooperativer Regulierungsformen zumindest heuristischen Vergleichsparametern zugänglich, die so oder ähnlich auch den im Folgenden näher zu beschreibenden Diskussionsständen zugrunde liegen: Eine vollständige Integration der Informationsintermediation in die staatliche Eigenwahrnehmung stünde für die Vermeidung von Marktschwächen, die infolge von Interessenkonflikten oder einer durch zu geringe Nachfrage bedingten Unterversorgung des Kapitalmarkts mit verlässlichen Informationen auftreten können. Demgegenüber bietet sich die private Selbstregulierung an, wenn komparative Vorteile aus der Inanspruchnahme des Marktmechanismus zur Erzielung einer kostenmäßig überlegenen Informationsstruktur zu vermuten sind. Mischlösungen wie die regulierte Selbstregulierung kommen in Betracht, wenn dem Marktmechanismus durch regulatorische Rahmengebung eine teilsubstituierende oder komplementierende Wirkung zuzumessen ist, in deren Folge Kosten der Hierarchie vermieden werden oder höhere Befolgungsanreize zu vermuten sind.45 3. Transnationale Konstitutionalisierung Der Einsatz kooperativer Regulierungsformen im Rahmen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation unterliegt dem Einfluss transnationaler Konstitutionalisierungen der kapitalmarktlichen Marktteilnahmebedingungen.46 Soziologisch geprägte Beiträge zur Privatrechtsforschung unternehmen den Versuch, die Rechtsquellenlehre unter Verwendung des Begriffs der Transnationalisierung um die neue Kategorie eines von der globalen Zivilgesellschaft erzeugten Rechts

Grundlegend zur „Anatomie“ des Marktversagens Bator 72 Q. J. Econ. 351, 358 (1958) mit formaler Herleitung. Zu Kollektivhandlungsproblemen Olsen The Logic of Collective Action, 1965, S. 43 ff., 46. Zu den heute weiter aufgefächerten Gründen ungleich verteilter Marktmacht, Externalitäten, Schwächen der Verfügungsrechteverteilung bei öffentlichen Gütern und allgemein Informationsasymmetrien bzw. -unsicherheiten zusammenfassend Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 19 m. w. N. 45 Im Einzelnen zu den auf Wettbewerbskräfte zurückgreifenden Regelungskonzeptionen 8. Kapitel: B.II.3 (S. 256 ff.). 46 Einführend zu Konstitutionalisierungsprozessen Callies / Maurer in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 1, 19 ff. 44

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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zu erweitern.47 Im Zusammenhang mit der kapitalmarktlichen Informationsintermediation durch private Dritte ist die Erklärungskraft dieser Ansätze am teilweise hohen Grad der staatlichen Steuerung oder der Begleitung von Transnationalisierungstendenzen durch Errichtung von Überwachungsinstitutionen zu messen.48 Einer eigenständigen Ebene transnationalen Privatrechts mit autonomem Geltungsanspruch muss die private Informationsintermediation nicht zwingend zugeordnet werden, um die Wirkungen der sie umgebenden transnationalen Konstitutionalisierung zu erfassen. Den Ausgangspunkt für die Annahme konstitutionalisierender Wirkungen bildet die standardisierte Einbeziehung von einzelnen Leistungen der Informationsintermediation in der internationalen Transaktionspraxis.49 Private Ursache und regulatorische Wirkung sind hierbei nicht trennscharf abzugrenzen und weisen jedenfalls Schnittmengen auf.50 Erfahrungen mit dem Aufkommen von Intermediationsleistungen bestehen spätestens seit dem Einsatz der Wirtschaftsprüfung zur Überwachung von Auslandsinvestitionen im 19. Jahrhundert.51 Bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts erstarkten Bonitätsbewertungen auch in Deutschland zum Mechanismus einer standardisierten Überwindung der Informationsschwächen aus der zunehmenden Unübersichtlichkeit des globalen Angebots von Finanzprodukten. In die privaten Transaktionsabläufe wurden zunehmend Wirtschaftsprüfertestate (comfort letters) bei Unternehmensakquisitionen, Bonitätsratings, Letztere vermittelt durch die Anlageleitlinien institutioneller Investoren, und schließlich auch Preisbewertungen (fairness opinions) der in der Finanzanalyse ausgewiesenen Banken eingebunden. Auf alle Bereiche der Informationsintermediation wirkte sich die häufig kriseninduzierte Regulierung aus. Zu nennen sind die Einführung der Pflichtprüfung in den 1930er-Jahren, die Einbeziehung von Bonitätsratings in regulatorische Zwecke der Risikosteuerung mit Frühformen bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts, aber auch die fortschreitende Regulierung von Finanzinstituten und ihrer Leistungen im Bereich der Finanzanalyse. Aus einem geübten Zusammenspiel von Produktangebot und Informationsintermediation können sich vor allem im internationalen Austausch Prozessabläufe entwickeln, die zu Sachgesetzlichkeiten werden. Sachgesetzlichkeiten dieser Art bestimmen das vom Markt erwartete Mindestmaß an Informationsintermediation, das zur erfolgreichen Transaktionsausführung in Anspruch zu nehmen ist. Aus der noch im Einzelnen zu beleuchtenden verfassungsrechtlichen 47 Callies Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 212 ff., 216 zum Geltungsanspruch transnationalen Rechts. 48 Zur transnationalen Kapitalmarktregulierung Köndgen in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 277, 279 ff.; Klöhn EBOR 2010, 319 ff. 49 Übergreifend Merkt ZHR 171 (2007) 490, 507, 518 ff. 50 Anders die Extremposition von Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 ff., 508 (2001), der regulatorische Rechtsfolgenanknüpfungen für die Ertragskraft der Ratingagenturen als maßgeblich erachtet. Dazu noch sogleich und im Einzelnen 8. Kapitel: B.II (S. 253). 51 Zur hier angesprochenen Entwicklungsgeschichte 5. Kapitel: A.II (S. 55 ff.).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Sicht darf staatliches Handeln nicht zum bloßen Abbild solcher Sachgesetzlichkeiten werden, also Regulierungskooperationen mit privaten Dritten nicht ungeprüft eingehen oder fortsetzen.52 Den Bestand transnationaler Konstitutionalisierung der Marktteilnahmebedingungen kann sich die Regulierung im Wege kooperativer Regelbildung und Durchsetzung zunutze machen. In der Folge kommt es allerdings zu weiteren Verfestigungen der privaten Interaktionsprozesse. Die (nationalen) Möglichkeiten zur späteren Auflösung kooperativer Regelungsstrukturen werden hierdurch eingeschränkt.53 Die Lösung von Folgeproblemen transnationaler Konstitutionalisierung durch Errichtung staatlicher, gegebenenfalls supranationaler Standardsetzer oder durch regulatorische Begleitung bereits vorhandener Institutionen führt, kaum ausweichlich, zu neuen Problemen der Legitimation hybrid staatlichprivaten Handelns.54 Darauf ist nach Durchsicht der für die Inanspruchnahme privater Informationsintermediäre in Betracht kommenden Regelungskonzeptionen im verfassungsrechtlichen Kontext näher einzugehen.55

II. Regelungskonzeptionen Die Einbeziehung privater Dritter in die staatliche Aufgabenerfüllung wurde um den Jahrtausendwechsel zum Hauptaugenmerk der rechtspolitischen Diskussion um verbesserte Regulierungsstrukturen (better regulation movement).56 Im Hintergrund stand die zunehmend verfestigte Erkenntnis von Gefahren systematischer Fehlsteuerungen infolge nicht beabsichtigter Unter- oder Überregulierung (type one/type two errors).57 In ihrem Weißbuch von 2001 erklärte die Europäische Kommission die verstärkte Einbindung der betroffenen Akteure zum neuen Ansatz nachhaltiger Regelsetzung.58 Möglich wurde dieser Vorstoß durch die in der internationalen Forschung mittlerweile zu einzelnen Regulierungskonzeptionen ausformulierten Steuerungschancen aus der Einbindung privater Dritter.59

52 Näher zu dieser von Höfling 68. DJT 2010, S. F11, eingebrachten Kritik noch 8. Kapitel: A.III.2.c (S. 237). 53 Am Beispiel des Bonitätsratings Black 75 MLR 1037, 1052 (2012). Ebenso Köndgen AcP 206 (2006) 477, 523. 54 Überblick bei Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 451. 55 Zum institutionellen Geflecht der Standardsetzer und zur verfassungsrechtlichen Legitimation ihrer Standards 8. Kapitel: A.III.3 (S. 238 ff., 241). 56 Aus dem Vereinigten Königreich etwa Better Regulation Commission, Risk, Regulation and Responsibility, 2006, S. 38. Einordnend Baldwin in: ders. / Cave / Lodge (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 259. 57 Black in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 302, 317. 58 Europäische Kommission, Europäisches Regieren, Weißbuch, KOM (2001) 428, 25.7.2001, endg.

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Anleitung boten die im Folgenden näher zu behandelnden drei Überlegungen: erstens die Vorstellung, dass Befolgungsdefiziten durch eine anreizkompatible Regulierung zu begegnen sei, die anstelle der Errichtung hoheitlicher Hierarchien an private Interaktionsprozesse anknüpft.60 Zweitens wurde klar, dass der Einbau selbstregulativer Elemente in Steuerungszusammenhänge staatliche Koordination durch Metaregulierung erfordern kann.61 Drittens ergaben sich Gestaltungsimpulse aus modernen markt- und risikoorientierten Regulierungskonzeptionen, nach denen die Verhaltenssteuerung an ihren Zahlungsbereitschaften und den durch privates Handeln potenziell verursachten Kosten auszurichten ist.62 Der Darstellung im Einzelnen sei vorausgeschickt, dass es sich nur um einen – aus Sicht der Informationsintermediation wesentlichen – Ausschnitt aus dem Repositorium moderner Regelungskonzeptionen handelt. Die konzeptionelle Betrachtung sagt außerdem nichts über die Anschlussfähigkeit an das nationale Verfassungsrecht aus. Die Erfassung der Funktionsvoraussetzungen einzelner Regelungskonstrukte ist aber schon wegen des keinesfalls abgeschlossenen Wandels des staatlichen Aufgabenverständnisses angezeigt (Gewährleistungsstaat, Transformationshypothese).63 Das mögliche Einsatzfeld und die Schlüssigkeit der Regelungskonzeptionen sind unerlässliche Vorfrage zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Nutzen und Einpassung einer Beteiligung privater Dritter an der Wahrnehmung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben. 1. Anreizsteuerung Als anreizbasierte Regulierung wird der Einsatz von Belohnung oder Strafe zur Herbeiführung eines übergreifenden Zielen entsprechenden Verhaltens bezeichnet (incentive-based regulation). Der Begriff der Anreizregulierung wird im Zusammenhang mit Netzwerkindustrien auch vom deutschen Gesetzgeber verwendet.64 Von der ebenfalls auf Anreizänderungen zielenden Anordnung bestimmter Verhaltensweisen oder -ergebnisse (konventionelle Regulierung) unterscheidet sich der Ansatz darin, dass lediglich äußere Verhaltensgrenzen vorgegeben werden, dem Regelungsadressaten aber im Übrigen die Ausgestaltung seines Verhaltens überlassen bleibt.

Überblick bei Baldwin / Cave / Lodge Understanding Regulation, 2. Aufl., 2012, S. 105. Zu interdisziplinären Einflüssen Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 19. 60 Abschn. 1. 61 Abschn. 2 (S. 219). 62 Abschn. 3 (S. 224). 63 Zum Gewährleistungsstaat 8. Kapitel: A.III.1.a (S. 230); zur Transformationshypothese bereits 8. Kapitel: A.I.1 (S. 206). 64 Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) v. 29.10.2007, BGBl. I S. 2529. 59

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Mit anreizbasierten Regelungsinstrumenten verbinden sich zwei auf den Einsatz privater Informationsintermediäre übertragbare Vorteile: die Überwindung von Problemen hoheitlicher Zielbestimmung und – eng damit zusammenhängend – die Senkung von Überwachungskosten.65 Im Idealfall kommt es zu einem selbstdurchsetzenden Governance-System, also zu einer fortdauernden Verhaltensstruktur, die durch vollständige Befolgungsanreize gekennzeichnet ist und ohne weitere staatliche Durchsetzungsmaßnahmen auskommt.66 Anreizbasierte Regulierungsformen stehen damit für den Versuch einer Nachbildung der Marktlösung (market mimicking), die als Postulat einer private Transaktionen ermöglichenden Regelsetzung aufzufassen ist.67 Frühere Lagerteilungen zwischen der vornehmlich auf nachträglich wirkende Abschreckung und der auf anfängliche Verhaltenssteuerung setzenden Theorien (deterrence or compliance) sind heute weitgehend zugunsten einer einheitlichen Anreizbetrachtung aufgelöst.68 Praktisch alle, insbesondere die noch später vorzustellenden weiteren Regulierungskonzeptionen greifen auf die Grundüberlegung der Anreizsteuerung zurück.69 Die Möglichkeit zur Aktivierung von Wohlverhaltensanreizen ist damit übergreifendes Kriterium für die Wahl der Regulierungsform. a. Wohlverhaltensanreize statt Abschreckung Auf Anreizkompatibilität ausgerichtete Regulierungsstrukturen liegen im Wesentlichen zwei Annahmen zugrunde, deren Treffgenauigkeit für die Leistungsfähigkeit der jeweils gewählten Ausgestaltung entscheidend ist: Erstens hat der Regelsetzer Einschätzungen zum voraussichtlichen Nichtzustandekommen privater Absprachen zu treffen.70 Die Einschätzungen bleiben prinzipiell unvollkommen, schon weil bereits in der Theorie nicht von vollständigen Präferenzen der Marktteilnehmer ausgegangen werden kann und außerdem Verhaltensanomalien auftreten können.71 Übergreifend McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004). Dies ist der Grundgedanke der auf den Reputationsmechanismus gestützten relationalen Marktzugangskontrolle durch die private Informationsintermediation, deren Regelungsbedürftigkeit allerdings heute anerkannt ist. Näher 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff.) zur Marktzugangskontrolle und (S. 283 ff.) zu Regelungsfolgepflichten. 67 Zu den regulierungstheoretischen Grundlagen 8. Kapitel: A.II.1.b (S. 217) und zur Einordnung der Marktzugangskontrolle 8. Kapitel: B.III.3 (S. 263). 68 Näher Baldwin / Cave / Lodge Understanding Regulation, 2. Aufl., 2012, S. 239 ff. Mit Betonung der Steuerungsfolgepflichten Scherzberg VVDStRL 63 (2004) 214, 227 f. 69 Ayres / Braithwaite Responsive Regulation, 1992, S. 4 ff., 53. 70 Näher Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 19. Aus der Diskussion um die Geschäftsleiterhaftung Oded Corporate Compliance, 2013, S. 71 ff. 71 Zur Diskussion 9. Kapitel: A.I (S. 284 ff.). 65 66

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Zweitens sind Einschätzungen zu den Interessen der Betroffenen zu treffen. Die Interessen sind jedoch weder offen erkennbar noch sind sie zwingend identisch. Daraus ergibt sich ein Grundsatzproblem, das sich allerdings sowohl bei anreizbasierter als auch bei konventioneller Regulierung stellt: Stets sind Vermutungen zu den voraussichtlichen Reaktionen der Regelungsadressaten anzustellen. Ein Rückzug auf die (vermeintliche) Unvorhersehbarkeit von Individualverhalten kann (auch verfassungspraktisch) nicht in Betracht kommen. Die Chancen einer Einbeziehung privater Informationsintermediäre in die kapitalmarktliche Marktzugangskontrolle hängen infolgedessen davon ab, ob belastbare Annahmen zum Verhalten einerseits des Informationsintermediärs zu treffen sind und andererseits, wie sein Einsatz die Anreize des primärverantwortlichen Emittenten in Richtung bestimmter Regelungsziele zu beeinflussen vermag.72 b. Anreizhomogenität und -heterogenität Nach dem Stand der Forschung zu anreizkompatiblen Regelungsstrukturen sind zwei mögliche Szenarien auszumachen: Im ersten Szenario ist von weitgehend gleichlaufenden Anreizen der Gruppenmitglieder auszugehen (Anreizhomogenität). Praktisch nachweisbar sind die (seltenen) Konstellationen der Anreizhomogenität in Mikrogesellschaften, die durch annähernd vollständige Standardbildung der Gruppenmitglieder und annähernd vollständige wechselseitige Überwachung gekennzeichnet sind. Persönliche Vertrauensbeziehungen können dann wirksamer sein als abstrakte Regulierung.73 Als Beispiel für eine solche Mikrogesellschaft wird häufig der Zusammenschluss jüdischer Diamantenhändler im New Yorker Diamond Dealers Club genannt.74 Im finanzmarktlichen Kontext stand die Londoner City einer solchen Mikrogesellschaft zumindest nahe, zumal im geographisch engen Raum des dortigen Finanzdistrikts eine hohe Dichte der beteiligten Akteure, also von Börse, Banken und Beratern zu beobachten war.75 Selbstregulative Verhaltenskodices, darunter der Londoner City Code on Takeovers and Mergers von 1968, konnten unter diesen Bedingungen hohe Befolgungsraten verzeichnen.76

72 Zu diesem von Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 61 (1986) eingebrachten Kriterium noch näher 8. Kapitel: C.III (S. 274 ff.). 73 Übergreifend zu den normativen Erträgen Schäfer AcP 202 (2002) 808, 826. 74 Dazu die vielbeachteten Studien von Bernstein 21 J. Legal Stud. 115 (1992) zur Diamantenindustrie und dies. 99 Mich. L. Rev. 1724 (2001) zur Baumwollindustrie. Einordnend Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 405. 75 Cheffins Company Law, 1997, S. 364 ff. Vergleichend Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 152 ff. 76 Näher Baum RIW 2003, 421. Eingehend Hoeren Selbstregulierung im Banken- und Versicherungsrecht, 1995, S. 199; Roßkopf Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Großbritannien, 2000, S. 86.

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Im zweiten Szenario stehen sich die Anreize der Beteiligten zwar nicht zwingend diametral gegenüber, weisen aber Unterschiede auf, die keine einer Mikrogesellschaft vergleichbar autonome Verhaltenssteuerung zulassen (Anreizheterogenität). Beispielsweise konnte sich der nach dem Vorbild des selbstregulatorischen Londoner Vorbilds entwickelte Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission 77 von 1978 im deutlich dezentraler organisierten und durch Regionalbörsen gekennzeichneten deutschen Wirtschaftsraum nicht mit vergleichbarem Erfolg durchsetzen.78 Die kapitalmarktliche Informationsintermediation weist angesichts ihrer Einbindung in die transnationale Konstitutionalisierung der Marktteilnahmebedingungen, darunter Verfestigungen auf regulatorischer wie transaktionspraktischer Seite, einerseits eine gewisse Nähe zum ersten Szenario der Anreizhomogenität auf.79 Auf Nachfrageseite ist sie andererseits gegenläufigen Anreizen der Betroffenen unterworfen, also den unterschiedlichen Anreizen von Emittenten, innen- und außenstehenden Investoren.80 Auf Anbieterseite teilen sich nur wenige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Ratingagenturen und Banken den Markt für Intermediärleistungen.81 Gerade solche Marktkonzentrationen ermöglichen aber offenbar Geschäftsgestaltungen, die zulasten des übergreifenden Ziels der Informationsintegrität gehen. Insgesamt entsteht weder aus transnationalen Überzeugungen von der Unerlässlichkeit der Intermediationsleistungen für die Transaktionsdurchführung noch aus der begrenzten Anzahl ihrer Anbieter eine für regulatorische Zwecke greifbare Anreizhomogenität. c. Regulierungsparadoxon Die vor diesem Hintergrund in den Blick rückenden Maßnahmen zur Herstellung von Anreizkompatibilität sind der Kritik ungewollter Nebenfolgen aus regulatorisch bedingten Störungen des Anreizgefüges ausgesetzt, infolge derer sich beabsichtigte Wirkungen in ihr Gegenteil verkehren (Regulierungsparadoxon).82 Diese schon 1929 durch Ludwig von Mises beschriebene Gefahr gehört heute zum verfestigten Kenntnisstand der Regulierungstheorie (sogenanntes Ölfleck-Theorem).83 77 Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen, Stand: 14.7.1995; abgedruckt und kurz kommentiert bei Baumbach / HoptHGB30Hopt (18) Übernahmekodex. 78 Hopt ZGR 2000, 779, 787. Zur Diskussion um das jetzt in der Europäischen Union zwingende Übernahmerecht ders. Europäisches Übernahmerecht, 2013, S. 26. 79 Zur transnationalen Konstitutionalisierung der Marktteilnahmebedingungen 8. Kapitel: A.I.3 (S. 212). 80 Leyens ZEuP 2016, 388, 397. 81 Im Einzelnen 5. Kapitel: C.II (S. 126). 82 Überblick bei Black 75 MLR 1037, 1039 (2012). 83 Siehe v. Mises Kritik des Interventionismus, 1929, allerdings noch ohne Verwendung des erst später in der Presse zu findenden Begriffs vom Ölfleck-Theorem.

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Systematisch erforscht werden regulatorisch bedingte Anreizverzerrungen seit den Anfängen der ökonomischen Regulierungstheorie in den 1960er-Jahren. Im Fokus stand zunächst die Anknüpfung der Netzbetreiberpflichten an ihre Ertragsraten, mit der den Erwartungen der Politik entgegen keine Kompatibilität zwischen den privaten Anreizen und dem öffentlichen Versorgungsziel zu erreichen war.84 Auf dieser Linie liegen die Bedenken gegen regulatorisch angelegte Finanzierungsmodelle der kapitalmarktlichen Informationsintermediation. Infolge der für den Emittenten verpflichtenden Abschlussprüfung oder die regulatorisch untermauerte Notwendigkeit der Einholung von Bonitätsbeurteilungen eröffnen sich den Anbietern dieser Leistungen neue Möglichkeiten zum gezielten Reputationsverkauf. Auf Leistungskombinationen (Prüfung und Beratung) als Paradebeispiel dieser regulatorisch ungewollten Folgen regulatorischer Indienstnahmen ist noch vertieft einzugehen.85 Die Erkenntnis der privaten Nutzbarmachung regulatorisch begründeter Ertragsmöglichkeiten zeigt allerdings gerade nicht, dass die auf Anreizkompatibilität zielenden Ansätze zu unauflösbaren Widersprüchen führen müssten, also im eigentlichen Sinne paradoxe Ergebnisse zeitigen (regulatory paradoxes).86 Dass private Dritte im Wege regulatorischer Einwirkungen neu entstehende Geschäftsmöglichkeiten ergreifen, belegt vielmehr die Richtigkeit einer nach Anreizstrukturen suchenden Regulierungstheorie. Die entgegengesetzte Erwartung, dass die Anreize privater Dritter stets mit den Regulierungszielen übereinstimmen, erweist sich nicht erst seit den Erfahrungen in der Finanzmarktkrise 2008 als unverantwortlich. Wie im folgenden Abschnitt zu besprechen, können Maßnahmen zur Herstellung von Anreizkompatibilität in Formen der metaregulativen Prozesssteuerung eingebettet werden, um ungewollte Ergebnisse zu vermeiden. 2. Metaregulierung Die Möglichkeiten zur Einbettung anreizkompatibler Regulierung in prozesssteuernde Vorgaben werden unter dem Begriff der Metaregulierung erschlossen.87 Dabei werden die im vorausgegangenen Abschnitt behandelten Gedanken aufgegriffen, erstens von der Errichtung einer Anreizstruktur, die mit dem Regelungsziel kompatibel ist, und zweitens einer in das Ermessen des Regelungsadressaten gestellten Wahl der spezifischen Verhaltensweise. Im Wege der Metaregulierung

Grundlegend zum Verhalten unter regulatorischen Zwangsbedingungen (regulatory constraint) Averch / Johnson 52 Am. Econ. Rev. 1052 (1962). Dazu Thiemeyer in: ders. / Böhret /  Himmelmann (Hrsg.), Öffentliche Bindung von Unternehmen, 1983, S. 25, 50. 85 Näher zu Problem und Lösung 13. Kapitel: B.IV.2 (S. 657 ff., S. 665). 86 Einordnend Black 75 MLR 1037, 1039 (2012). Typologie bei Sunstein 57 U. Chi. L. Rev. 407, 413 (1990). 87 Zum Ganzen Coglianese / Mendelson in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 146, 147. 84

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kommen Vorgaben zum Ob und Wie der privaten Ermessensausübung in Bezug auf das Verhalten im Einzelfall und der Herausbildung von Standards hinzu.88 Die Metaregulierung wird insbesondere als Instrument staatlicher Koordination in Form einer hybrid hoheitlich-privaten Aufgabenwahrnehmung eingesetzt, wie sie für die regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre kennzeichnend ist. Das Konzept wird angesichts der weitgehend autonomen Standardsetzung durch den Privaten als Nukleus der kooperativen Regulierung bezeichnet. Kennzeichnend für die Metaregulierung ist eine Mehrstufigkeit: „regulating the regulators, whether they be public agencies, private corporate self-regulators or third party gatekeepers“.89 Von der Vorgabe konkreter Verhaltensweisen oder -ergebnisse im Wege konventioneller Regulierung ist die Metaregulierung demnach durch die Einräumung eines nur eingeschränkt staatlich kontrollierbaren Bereichs der Eigenverantwortung privater Regelungsadressaten abzugrenzen. Umgekehrt handelt es sich nicht um eine rein privat organisierte Selbstregulierung, weil dem Regelungsadressaten die explizite oder implizite Verpflichtung zum Erlass eigener Verhaltensstandards sowie zum Nachweis ordnungsgemäßen Verhaltens gegenüber einer hoheitlichen Stelle auferlegt ist.90 a. Eingebettete Selbstregulierung Grundtypus der Metaregulierung ist die Einbettung selbstregulativer Strukturen in hoheitliche Rechtsetzung oder Überwachung (embedded self-regulation).91 Dadurch sollen die Vorteile der Selbstregulierung aus Marktnähe, Geschwindigkeit, Flexibilität und insgesamt geringeren Regelungskosten für staatliche Ziele nutzbar gemacht werden.92 Die Gefahren eines Zirkelschlusses werden rasch deutlich, denn nach eigenem Ermessen geformte Verhaltensweisen sind stets mit besseren Anreizen zu Befolgung und Anpassung verbunden, stehen deshalb aber noch nicht im Zeichen der 88 Andere sprechen von Formen der Interaktion zwischen staatlicher und privater (Selbst-) Regulierung, einer Regulierung des Regelsetzungsprozesses oder auch erzwungener Selbstregulierung. Überblick bei Baldwin / Cave / Lodge Understanding Regulation, 2. Aufl., 2012, S. 137. Im Einzelnen Ayres / Braithwaite Responsive Regulation, 1992, S. 101; Morgan 12 Soc. Leg. Stud. 489 f. (2003); Parker The Open Corporation, 2002, S. 245. 89 Parker The Open Corporation, 2002, S. 15. 90 Black 75 MLR 1037, 1045 (2012); Coglianese / Mendelson in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 146, 151. Zur Begrifflichkeit Buck-Heeb /  Diekmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 17 ff., 19. Eingehend zur Zuweisung privater Entscheidungsverantwortung als Merkmal des verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsbegriffs Kluth Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 14. 91 Näher Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 121: „hoheitliche Regulierung unter Einbau selbstregulativer Elemente“. 92 Zu den Vorteilen der Metaregulierung Baldwin / Cave / Lodge Understanding Regulation, 2. Aufl., 2012, S. 137 ff.; Gunningham / Rees 19 Law & Pol’y 363, 365 f. (1997).

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Erreichung übergeordneter staatlicher Ziele. In hochdynamischen, insbesondere innovativen Industriezweigen wie der oft als Beispiel bemühten Nanotechnologie93 – aber eben auch der Finanzindustrie – bleibt dem Staat allerdings kaum etwas anderes übrig, als auf ein Management der Gefahren durch die Akteure zu setzen, diesen die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit ergriffener Maßnahmen zu überlassen und die disziplinierenden Kräfte zu koordinieren.94 Mit dem Rückgriff auf selbstregulative Wirkkräfte verbindet sich demnach die Hoffnung auf eine Überwindung von Überwachungsschwächen bei äußerlich kaum beobachtbaren oder bewertbaren Entscheidungsabläufen.95 Die Selbstregulierung dient der fortlaufenden Neufestlegung von konkreten Verhaltensweisen oder -ergebnissen. Sicherzustellen ist allerdings die Wahrung übergreifender Regulierungsziele. Das insoweit bestehende Beobachtungsproblem kann gleichsam durch Aufgliederung des Interaktionsprozesses in erfassbare Teilstücke gelöst werden. Ein Beispiel für die hierzu einsetzbaren mehrstufigen Ausgestaltungen ist das aktienrechtliche Risikomanagement (§ 91 Satz 2 AktG):96 Zum einen folgt aus dem Regelungsziel der Vermeidung plötzlicher Unternehmenszusammenbrüche die Notwendigkeit zur kontinuierlichen Überwachung der Geschäftsführung, die jedoch durch behördliche Aufsicht kaum breitflächig zu leisten wäre. Zum anderen müssten Ziele zu den konkret in diesem Unternehmen erforderlichen Maßnahmen vorgegeben werden, was ebenso wenig von außen möglich ist. Es bleibt die Überantwortung der Überwachungsaufgabe an einen nach allgemein anerkannten Standards urteilenden privaten Prüfer. Zur Umsetzung wird ein mehrstufiges System errichtet: Auf erster Stufe steht die eigenverantwortliche Beurteilung des Vorstands, welche Maßnahmen in diesem Unternehmen zum ordnungsgemäßen Risikomanagement erforderlich sind.97 Auf zweiter Stufe folgt die ebenfalls eigenverantwortliche Beurteilung dieser Maßnahmen durch den Abschlussprüfer (§ 317 Abs. 4 HGB). Dieser hat gestützt auf seiner Erfahrung und unter Anwendung anerkannter Prüfungsgrundsätze festzustellen, ob die Grenzen unternehmerischer Entscheidungsspielräume gewahrt sind. Durch diese Zweistufigkeit werden Schwächen der Ergebnisbeschreibung umgangen. Hierbei verschiebt sich die staatliche Verantwortung für Ergebnisse auf die Errichtung stufig zusammengesetzter Entscheidungsmuster und deren prozedurale Steuerung. Zum Teil wird die Notwendigkeit metaregulativer Vorgaben, etwa in Form der Verbindung von Intermediationsobligatorien mit der Vorgabe von Prüfungs93 Näher Scherzberg VVDStRL 63 (2004) 214, 216 im größeren Zusammenhang der staatlichen Risikosteuerung. 94 McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004). 95 Zu Beobachtungsproblemen bei komplexer privater Interaktion 8. Kapitel: B.I.2 (S. 251). 96 Zu mehrschichtigen Systemen der Metaregulierung mit instruktiver Graphik Coglianese /  Mendelson in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 146, 152. 97 Näher Braithwaite 40 Law & Pol’y 1, 2 (2003)

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grundsätzen, abstrakt begründet: Private Akteure seien zur eigenständigen Setzung von Normen zum Ob und Wie ihrer Aufgabenwahrnehmung prinzipiell nicht in der Lage.98 Gerade in Bezug auf das Wie kann eine sich über die Zeit verdichtende oder gegebenenfalls bereits vorausschauende berufsständische Standardsetzung allerdings durchaus prinzipielle Leistungsfähigkeit beanspruchen.99 Die Metaregulierung kann diese Leistungsfähigkeit anstoßen, bei entsprechenden Strukturen etwa auch durch Delegation von Regelsetzungs- und Sanktionskompetenzen. Eine auf diese Weise eingebettete Selbstregulierung findet sich im Recht der Wirtschaftsprüfung mit seiner insbesondere durch die WPO von 1961 gesetzlich angelegten Struktur aus berufsständischer und hoheitlicher Überwachung. In den USA steht die heutige FINRA als Self-regulatory Organization (SRO) für eine seit den 1930er-Jahren auf gesetzlicher Grundlage tätige Stelle zur Überwachung unter anderem der Finanzanalysten.100 Im Vereinigten Königreich wurde die vormals aus einem Geflecht privater Organisationen bestehende Selbstregulierung in mehreren Schritten in die gesetzliche Finanzmarktregulierung eingebettet. Den Wendepunkt markierte dort der Financial Services and Markets Act von 2000, der neben Weiterem die Verantwortung für die Börsenzulassungsregeln auf die neu geschaffene Financial Services Authority, also die heutige Financial Conduct Authority übertrug.101 In Reaktion auf die Erfahrungen in der Finanzmarktkrise von 2008 teilt der Financial Services Act von 2012 die Kompetenzen zwischen mehreren Behörden auf, der Prudential Regulation Authority und der Financial Conduct Authority und zusätzlich der Bank of England. Auch die erfolgreiche Selbstregulierung durch das Londoner Panel on Takeovers and Mergers erfolgt heute auf gesetzlicher Grundlage; dies allerdings weniger aus Überzeugung und mehr infolge des Umsetzungsdrucks der Europäischen Übernahmerichtlinie von 2004.102 b. Vereinnahmungen durch das Regelungssubjekt Grundsatzproblem einer Übertragung von Regelsetzungs- oder Durchsetzungsverantwortung auf private Dritte ist die darin angelegte Vergrößerung der Infor98 Kritisch Conzelmann / Wolf in: Hasenclever u. a. (Hrsg.), Macht und Ohnmacht internationaler Organisationen, 2007, S. 145, 174. 99 Allgemein Hoffmann-Riem in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 261, 271 ff. Zur privaten Normsetzung im Finanzmarktaufsichtsrecht Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 132 (S. 1049). 100 Zu den Anfängen Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 156 ff. 101 Zu vorausgegangenen Entwicklungen Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 438. Überblick zum FSMA 2000 bei Fleischer RIW 2001, 817. 102 Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 28-4.

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mationsasymmetrien zwischen Staat und Wirtschaft. Aus der Zuweisung von Regelsetzungsmacht an private Dritte ergeben sich nach den von Gordon Tullock im Jahr 1967 eingebrachten Überlegungen neue Möglichkeiten einer gesamtwirtschaftlich schädlichen Maximierung der privaten Erträge kleiner Gruppen (rent seeking).103 Die auch auf Seiten des Staats zu suchenden Gefahren einer an den Präferenzen kleiner Gruppen ausgerichteten Regelsetzung (regulatory capture) führte George J. Stigler 104 im Jahr 1971 auf die Individualinteressen von Politikern zurück, die mit der Bevorzugung insbesondere wirtschaftsstarker Gruppen bessere Chancen auf eine Wiederwahl verbinden. Später wurden hieraus Gefahren eines systematischen Staatsversagens (government failure) abgeleitet.105 In der Entwicklungsgeschichte der privaten Informationsintermediation finden sich zahlreiche Beispiele für ein aus solchen Vereinnahmungen privater Akteure zu erklärendes Zurückbleiben der Regelsetzung hinter den öffentlichen Erwartungen.106 Vielbesprochen ist die Inaktivität des US-amerikanischen Wirtschaftsprüferstands bei der Entwicklung rigoroser Prüfungsstandards nach der Überantwortung dieser Aufgabe durch die Finanzaufsichtsbehörde SEC im Jahr 1938 („great treaty“).107 In Deutschland wird der besonders nach dem Zweiten Weltkrieg starken Rolle der kreditgebenden Banken allgemein ein erfolgreicher Druck auf die Ausgestaltung der Rechnungslegungsstandards nach dem Vorsichtsprinzip zugeschrieben. c. Komparativer Institutionenansatz Die Abwägung zwischen staatlicher Eigenwahrnehmung und im Wege der Metaregulierung koordinierter Indienstnahme privater Dritter kann auch angesichts dieser Erfahrungen nur aus dem Blickwinkel eines komparativen Institutionenansatzes erfolgen, wie ihn Harold Demsetz 1969 einbrachte:108 Einerseits ist der bei privater Regelbildung wachsende Einfluss privater Akteure zu berücksichtigen, der außerhalb von Mikrogesellschaften109 maßgeblich infolge unvollständiger Reputationsanreize zu Wirkungsschwächen führen muss.110 Andererseits verursachen staatliche Lösungen eigene Friktionen, eigene Regulierungskosten und

103 Tullock 5 W. Econ. J. 224 (1967). Einordnend Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 26. 104 Stigler 2 Bell J. Econ. Mgt. Sc. 3, 11 (1971). 105 Zum Ganzen Kirchgässner S. 102 ff., 116. 106 Judge 82 U. Chi. L. Rev. 573, 594 (2015) mit Beispielen und Reaktionsmöglichkeiten. Dazu die kritische Antwort von Cunningham 82 U. Chi. L. Rev. Dialogue 177 (2015). 107 Siehe 5. Kapitel: A.III.3 (S. 73), B.I.1.b (S. 83). 108 Demsetz Zur Einordnung Veljanovski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 22. 109 Dazu 8. Kapitel: A.II.1.b (S. 217). 110 Näher zu systematischen Fehlanreizen 9. Kapitel: A.II (S. 290 ff.).

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können, ebenso wie die Beurteilungen privater Dritter, systematischen Fehleinschätzungen unterliegen. Beide Formen sind also für Regulierungsversagen anfällig. Schwächen staatlicher Regulierung können sich aus dem fortgesetzten Kontakt der Vollzugsstelle mit dem Regelungsadressaten, also aus kooperationsbedingten Vereinnahmungen ergeben (capture).111 Abzuwägen ist dies nur unter möglichst vollständiger Erfassung bestehender und möglicher Anreizstrukturen. Die Formen der Anreizsteuerung werden insbesondere aus dem Blickwinkel der im Folgenden zu besprechenden markt- und risikoorientierten Steuerungskonzepte erschlossen. 3. Markt- und Risikoorientierung Die Indienstnahme privater Dritter für Aufgaben der kapitalmarktlichen Informationsintermediation weist Elemente einer marktbasierten und risikoorientierten Regulierung auf.112 Übergreifend zielen marktbasierte Regelungsmodelle auf einen Rückbau staatlicher Eingriffe bis hin zur Gewährleistung bloß noch einer anfänglichen Verfügungsrechtezuordnung. Gleichzeitig werden private Austauschprozesse für die Erreichung von Regelungszielen nutzbar gemacht (more market-based approach).113 Dem damit kombinierbaren Ansatz der risikoorientierten Regulierung zufolge richtet sich das Ausmaß staatlicher Steuerungsverantwortung nach den durch privates Handeln verursachten Gefahren (risk-based regulation).114 Der Begriff des Risikos wird uneinheitlich verwendet und ist als wenig trennscharf zu bezeichnen.115 Nach der von Frank H. Knight 1921 eingebrachten Formel von der Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit den Auswirkungen (quantifizierbare Risiken) sind „Risiken“ von den nicht als solche zu wertenden unbekannten künftigen Ereignissen zu unterscheiden (nicht quantifizierbare Unsicherheiten).116 Die kapitalmarktliche Publizitätsordnung bringt verschiedentlich hoheitliche Wertungen zu möglichen Risiken zum Ausdruck. Nach Informationszielen sind die periodische Publizität (known unknowns) und die nicht periodische Ad-hoc111 Siehe etwa die Studie von Grabosky / Braithwaite Of Manners Gentle, 1986, mit dem Ergebnis (zu) geringer Verfolgungsraten von Unternehmensstraftaten in Australien. Einordnung bei Ayres / Braithwaite Responsive Regulation, 1992, S. 55. 112 Instruktive Graphik bei Black / Baldwin 6 Regulation & Governance 131, 137 (2012). 113 Hinzu tritt auf anderer Ebene die Steuergesetzgebung. Näher Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 31. 114 Baldwin in: ders. / Cave / Lodge (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 259, 260. Zur Einordnung Veljanowski in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 17, 30 ff. Zu den Verwendungsgrenzen bei Niedrigrisiken (low risks) mit instruktiver Graphik Black / Baldwin 6 Regulation & Governance 131, 137 (2012). 115 Instruktiv Better Regulation Commission, Oktober 2006. Zu Unschärfen Black in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 302, 308, 328. Umfassend Andersen / Garvey / Roggi (Hrsg.), Managing Risk and Opportunity, 2014. 116 Knight Risk, Uncertainty, and Profit, 1921, Nachdr. 2009, S. 101 ff.

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Publizität zu kursrelevanten Tatsachen (unknown unknowns) zu unterscheiden.117 Der risikoorientierten Regulierung sind stets Wertentscheidungen vorzulagern, etwa zum Grad der Informationsversorgung oder auch zur Finanzmarktstabilität, zu den Toleranzgrenzen in Bezug auf Komplexität und, damit verbunden, zu den annehmbaren Fehlerquoten. Erst durch solche Festlegungen werden Risiken überhaupt beschreib- und messbar.118 a. Anknüpfung an Zahlungsbereitschaften Eine Markt- und Risikoorientierung folgende Regulierung hat die Regelungsnotwendigkeiten zu priorisieren (Ob der Regulierung) und über die mögliche Ausgestaltung zu entscheiden (Wie der Regulierung).119 Der Nutzen dieser Denkrichtung ist in Gegenüberstellung von Pflichtprüfung und anderen Intermediationsleistungen zu verdeutlichen: Die Publizität des Abschlussprüfervermerks schafft Transparenz in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung, zeigt also auf, ob die Geschäftsleiter in der Lage sind, ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Zugrunde liegt eine Wertentscheidung, nach der das Risiko von Vertrauensverlusten der Anleger und Gläubiger etwa infolge plötzlicher Unternehmenszusammenbrüche durch vertrauenschaffende Institutionen zu vermindern ist (Ob der Regulierung). Mit der Pflichtpublizität des Abschlussprüfervermerks wird hierzu ein marktbezogener Mechanismus gewählt, der die Anreize zu ordnungsgemäßer Rechnungslegung mit der Zahlungsbereitschaft des Emittenten für etwaige Risikoaufschläge bei seiner Kapitaleinwerbung im Falle von Einschränkungen des Prüfervermerks verknüpft (Wie der Regulierung). In Abgrenzung zu dem durch die Pflichtprüfung angegangenen Risiko einer in ihren Kernfunktionen beeinträchtigten Geschäftsführung bestehen in Bezug auf das Bonitätsrisiko und das Kursrisiko keine allgemeinen Intermediationsobligatorien. Für Finanzinstitute ist allerdings eine dem Risiko der jeweiligen Bestände angemessene Eigenkapitalausstattung vorgeschrieben. Deren Bemessung darf seit Basel II auf Grundlage externer Bonitätsratings erfolgen. Erst vermittelt hierdurch ergibt sich ein (faktischer) Zwang der fremdkapitalsuchenden Emittenten zur Einholung von Bonitätsratings. Zum einen ist also die Eigenkapitalregulierung risikosensitiv ausgestaltet. Zum anderen werden die Anreize der Emittenten, wie infolge des Prüfervermerks, mit dem Angebot-NachfrageMechanismus, also den Zahlungsbereitschaften der Emittenten für Risikoaufschläge verknüpft. Insgesamt entsteht ein mehrschichtiges Regulierungssystem, wie es vorliegend bereits im Zusammenhang mit dem unternehmensinternen 117 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 39. 118 Aus Sicht der verfassungsrechtlichen Gewährleistungsverantwortung 8. Kapitel: A.III (S. 228 ff., 238). 119 Zu Prioritäten Black in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 302, 330.

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Risikomanagement und seiner externen Prüfung diskutiert ist, dort aber noch nicht unter Einbeziehung von Zahlungsbereitschaften.120 b. Risikoexternalisierung als Funktionsgrenze Zweifel an der Leistungsfähigkeit einer auf Marktmechanismen und Risikosensitivität setzenden Regulierung werden seit der Finanzmarktkrise von 2008 vermehrt diskutiert.121 Die konzeptionelle Kritik richtet sich im Wesentlichen auf die Verlagerung der Entscheidung über den Grad der erforderlichen Sicherheit auf private Institutionen.122 Eine solche Verlagerung ergibt sich sowohl bei der Anerkennung interner Risikomanagementmodelle und -prozesse als auch bei der Verwendung externer Bonitätsbeurteilungen für regulatorische Zwecke.123 Übersteigerte Erwartungen werden in Teilen auf die mangelnde Kenntnis und Verfolgbarkeit der zugrunde gelegten Methoden durch die Finanzaufsicht zurückgeführt.124 Ausgehend von der an Zahlungsbereitschaften anknüpfenden Funktionsweise des Regelungskonzepts ergeben sich weitere Zweifel. Von der Kompatibilität der privaten Anreize mit dem Risikominimierungsziel kann nur ausgegangen werden, wenn sich Risikoerhöhungen in einer Belastung des Handelnden niederschlagen.125 Dazu kommt es nicht, wenn die Folgen risikoreichen Handelns Dritte treffen, also externalisiert werden können. Externe Effekte dieser Art gehören zu den anerkannten Gründen für das Versagen marktorientierter Regulierung.126 Auf die Internalisierung schädlicher Folgen zielen Maßnahmen wie risikobemessene Selbstbehalte bei der Emission strukturierter Finanzprodukte.127 Komplexer gestalten sich Versuche einer Nachbildung der aus Mikrogesellschaften bekannten Institutionen wechselseitiger Überwachung. Zu nennen ist etwa die wechselseitige Einstandspflicht der an der freiwilligen Einlagensicherung des Bundesverbands deutscher Banken beteiligten privaten Institute.128 Die Beitragsbemessung nach institutsspezifischen Risiken richtet sich dort nach der Dazu 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220). Black 75 MLR 1037, 1038 (2012). 122 Die (Wert-)Entscheidung über das Ausmaß tolerierbarer Gefahren ist Voraussetzung jeder risikobasierten Regulierung. Näher dazu 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224 f.). 123 Zum Ganzen Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 454. 124 Gerding 84 Wash. L. Rev. 127, 154, 169 (2009). Übergreifend Black 75 MLR 1037, 1061 (2012). 125 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G42 zur Internalisierung im Wege staatlich fixierter Risikopreise. 126 Zum Marktversagen als Regulierungsgrund 8. Kapitel: A.I.2 (S. 210 f.) m. w. N. 127 Siepmann Selbstbehalt bei Verbriefungen, 2011, S. 195 ff. Zur Diskussion auf dem 68. DJT 2010 neben anderen Leyens mit Erwiderung von Zimmer; abgedr. in Verhandlungen, 68. DJT 2010, Bd. II/2, S. P107 f. 128 Dazu Bigus / Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008, S. 11; Hissnauer Die Reform der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland, 2013, S. 96 ff. 120 121

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Beurteilung durch einen privaten Prüfungsverband.129 Zu den (eingeschränkten) Möglichkeiten einer regulatorischen Nachbildung der Markmechanismen zählt eine am Risiko orientierte Frequenz behördlicher Sonderprüfungen auf Kosten des nicht am privaten Prüfungsverband beteiligten Finanzinstituts.130 Als Institution der Risikointernalisierung kommt die Informationsintermediation demgegenüber nur in Betracht, wenn sie nicht durch die Ertragsmöglichkeiten aus günstigen Bewertungen des Emittenten vereinnahmt werden kann.131 Gegenüber Bonitätsbeurteilungen bestehen Bedenken, wenn die Risikobewertung wie bei strukturierten Finanzprodukten der äußeren Nachvollziehbarkeit entzogen und demgemäß auch eine zu positive Bewertung wirtschaftlich absetzbar ist (Blackbox). Auf traditionelle Geschäftsbereiche wie etwa das Anleiherating trifft dies jedenfalls nicht in der Fläche zu. Insoweit kommt es zuvorderst auf die nachfolgend zu umreißenden allgemeinen Leistungsgrenzen des Regelungskonzepts an. c. Leistungsgrenzen der Marktkräfte Allgemein ist die Leistungsfähigkeit risiko- und marktbasierter Regulierung im Wege der Einbeziehung von Informationsintermediären durch ihre Fähigkeit bedingt, ordnungsgemäßes Verhalten auch bei temporären Veränderungen der Anreizstrukturen sicherzustellen. Die aktuarische Logik einer an Zahlungsbereitschaften ausgerichteten Regulierung steht infolgedessen unter dem Vorbehalt der in der ökonomischen Theorie zunehmend erschlossenen marktlichen Friktionen (relative Markteffizienz). Es können sich auch gegenläufige Preisentwicklungen auf Produktaustausch- und Informations- bzw. Reputationsmärkten ergeben. Ein markt- und risikobasiertes Konzept der Inbezugnahme privater Informationsintermediäre kommt deshalb schon in der Theorie nicht ohne Einbettung in metaregulativer Strukturen aus.132 Maßgeblich hieraus erwächst die im Einzelnen zu beleuchtende Diskussion um konkrete Regelungsfolgepflichten bei regulatorischer Inanspruchnahme privater Dritter als Kontrolleure des Marktzugangs oder bei Toleranz der faktischen Wirkungen ihrer Leistungen auf die Marktteilnahme.133

Bundesverband deutscher Banken, Statut des Einlagensicherungsfonds, Berlin, Juli 2013, § 5 Ziff. 1a Satz 1: „Banken, die aufgrund der Klassifizierung gemäß § 4a der Klasse A oder einer schlechteren Klasse zugewiesen sind, werden zu einer erhöhten Umlage herangezogen.“ Nach § 4 Satz 1 der Anlage zu § 4a wird die Klassifizierung vom Prüfungsverband durchgeführt. 130 Überblick bei Bigus / Leyens ZBB 2008, 277, 289. Im Einzelnen Bigus / Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008, S. 143. 131 Black 75 MLR 1037, 1049 (2012) allerdings ohne die folgenden Differenzierungen. 132 Dazu 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220 ff.). 133 Dazu 9. Kapitel: A (S. 283 ff.). 129

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

III. Verfassungsrecht In der verfassungsrechtlichen Diskussion zur Finanzmarktregulierung finden sich zahlreiche Grundüberlegungen der bis hierher beschriebenen internationalen Regulierungstheorie wieder. Spätestens seit der von Ernst Forsthoff im Jahr 1959 unter dem Eindruck einer sich „allmählich formierenden neuen industrielltechnisch-bürokratischen Gesellschaft“134 eingebrachten Kategorie der Leistungsverwaltung erweiterte sich das Staatsaufgabenverständnis.135 Es folgte der Übergang von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung136 mit darin angelegter und nach wie vor zu verspürender Unsicherheit über die aus der Abkehr vom konventionellen Aufgabenverständnis (command and control) erwachsenden Folgefragen moderner Regulierungsstrukturen.137 Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch private Dritte rückte zeitlich leicht versetzt zu den Privatisierungen der Nachkriegsphase in den 1970erJahren verstärkt in den Fokus.138 Die heute anerkannten Wahlmöglichkeiten zwischen konventioneller Regulierung, regulierter Selbstregulierung und privater Selbstregulierung finden normativen Niederschlag in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien.139 Europarechtlich sind sie spätestens seit 134 Forsthoff Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 15. Vorausgegangen war die 12. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1953 u. a. zu „Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats“ mit Berichterstattung durch Forsthoff und Bachof. Begriff der Daseinsvorsorge bereits bei Forsthoff Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 1 ff., 6. 135 Näher Rupp in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 3. Aufl., 2004, § 31 Rn. 17 zum Wegfall des im 19. Jahrhundert geltenden Dualismus im Zuge der Ablösung des monarchischen Herrschaftsmodells durch das demokratische Prinzip. Siehe aber Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 529 f. zur Unvollständigkeit eines auf Eingriffs- und Leistungsaufgaben gestützten Staatsbegriffs. 136 Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 304 sowie zum heute anerkannten Dreischritt von Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung Schuppert / Bumke in: Kleindiek /  Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, 2000, S. 71, 84 ff. Zur Finanzmarktregulierung Bumke in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 107, 140. 137 Beispiel ist die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit untergesetzlicher Verhaltenskataloge, aktuell die Diskussion um den DCGK. Näher hierzu und zu Paralleldebatten GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 54 ff. m. w. N. Zur Steuerungsverantwortung bei privater Rechtsetzung noch 8. Kapitel: A.III.2 (S. 234 ff., 238). 138 Mit der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private beschäftigte sich etwa die Vereinigung der Staatsrechtslehrer 1970: Ossenbühl VVDStRL 29 (1971) 137, 145; Gallwas VVDStRL 29 (1971) 211, 216. Privatisierungen hatten bis zur Regierungsübernahme durch die Große Koalition 1966 stattgefunden und kamen danach erst wieder unter der christlichliberalen Koalition ab 1982 auf; Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 76. 139 § 43 Abs. 1 Nr. 3 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Stand: 1.9.2011, www.bmi.bund.de mit Prüfkatalog zur Feststellung von Selbstregulierungsmöglichkeiten (Anlage 5).

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dem Weißbuch der Europäischen Kommission über Europäisches Regieren von 2001 fester Bestandteil der Regulierungsdebatte.140 Der Vermessung von Einpassungsmöglichkeiten und -grenzen der beschriebenen Regulierungskonzeptionen widmet sich die 2006 ausgerufene Neue Verwaltungsrechtswissenschaft.141 Mit Blick auf die private Informationsintermediation am Kapitalmarkt stellen sich maßgeblich die nachfolgend zu behandelnden vier Fragen: erstens nach dem Umfang der staatlichen Gewährleistungsverantwortung für die kapitalmarktliche Informationsintegrität im Spannungsfeld zwischen Marktkonstituierung, Kontrollverantwortung und Eigenwahrnehmung,142 zweitens nach den Toleranzgrenzen einer durch hybride Regelungskonstrukte bewirkten Komplexitätssteigerung,143 drittens nach der Wahrung verfassungsrechtlich verbürgter Legitimationsanforderungen einer durch Private bestellten, aber hoheitlich einbezogenen Standardbildung144 und zuletzt nach den grundrechtlichen Schutzverbürgungen zugunsten der einzelnen Beteiligten und Betroffenen.145 1. Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität Ihrer Struktur nach sind „hochentwickelte, hochgradig geldbasierte und global vernetzte Gesellschaften“146 nicht nur auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalaustauschmarkts, sondern auch auf den diesen umgebenden Informationsmarkt angewiesen. Die Schaffung der Voraussetzungen kapitalmarktlicher Informationsintegrität gilt deshalb zu Recht als Teil staatlicher Gewährleistungsverantwortung.147 Parallel zum international proklamierten Steuerungsstaat (regulatory state)148 entwickelte sich auch national ein Staatsaufgabenverständnis, das nicht die staatliche Eigenwahrnehmung, sondern die Überwachung privater Entscheidungsprozesse in den Vordergrund stellt.149 Europäische Kommission, Europäisches Regieren, Weißbuch, KOM (2001) 428, 25.7.2001, endg. 141 Programmatisch Voßkuhle in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1 2006, S. 1 ff. Einordnend Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 99, 122 mit instruktiver Gegenüberstellung der Regulierungsformen. Zu den neuen Ansätzen bereits Trute / Denkhaus / Kühlers Verw 2004, 451. 142 Abschn. 1. 143 Abschn. 2 (S. 234). 144 Abschn. 3 (S. 238). 145 Abschn. 4 (S. 247). 146 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F9. 147 Ruffert in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 7 Rn. 31, S. 348. Zur Finanzmarktregulierung als „Zwillingskategorie“ zum Gewährleistungsstaat Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F10. 148 Zum Stand Baldwin / Cave / Lodge in: dies. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 3, 6 ff.; eingehend Yeung in: ebd., S. 64. 149 Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 311. Übergreifend Schuppert Governance und Rechtsetzung, 2011, S. 405. Siehe auch die Beiträge in ders. (Hrsg.), Gewährleistungsstaat, 140

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a. Gewährleistungsverantwortung Die staatliche Verantwortung setzt ein, wenn private Steuerungsprozesse versagen oder der Stabilisierung bedürfen.150 Verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für das die Kapitalmarktgesetzgebung anleitende Prinzip vom Anleger- und Funktionenschutz sowie die dazu gehörende Komponente der Informationsintegrität wurde durch die wegbereitende Leistung von Klaus J. Hopt aus dem Jahr 1975 zunächst das Sozialstaatsprinzip.151 Heute ist der Zusammenhang der Zielbestimmungen und die daraus folgende staatliche Gewährleistungsverantwortung als fundamentale Infrastrukturleistung152 national- wie europarechtlich anerkannt und verselbständigt.153 An die Stelle intensiver Diskussion um die verfassungsrechtliche Rückbindung treten Überlegungen zur Ausformung der Gewährleistungsverantwortung, konkret etwa als Folgepflicht aus der staatlichen Aufforderung zur Gestaltung der Altersvorsorge unter Rückgriff auf Finanzprodukte.154 Im Merkantilismus des 18. Jahrhunderts hatten diese Vorstellungen zur Gewährleistungsverantwortung des Staats noch keinen Platz. Private Austauschprozesse waren der Ergebniserwartung des absolutistischen Souveräns untergeordnet. Die ideengeschichtlichen Wurzeln der Wohlfahrtssteigerung im Wege freier, privater Prozessgestaltung finden sich in Naturrecht und Liberalismus.155 Im 20. Jahrhundert war der im liberalen Grundverständnis angelegte Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft überwunden.156 Die Entscheidung zur grundsätzlichen Autonomie der Wirtschaft erfuhr Anerkennung als arbeitsteilige private und staatliche Verantwortungsübernahme. Aus den Erfahrungen mit der totalitären Ordnung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erwuchs die Forderung nach einer umfassenden rechtsstaatlichen Absicherung.157 Die staatliche 2005. Zum Übergang auf eine Steuerungs(rechts)wissenschaft Scherzberg VVDStRL 63 (2004) 214, 225. Eingehend Hermes Staatliche Infrastrukturleistung, 1998, S. 334 ff. 150 Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 8 ff. zur Labilität des Finanzgeschäfts als Regelungsgrund der Finanzmarktregulierung. 151 Grundlegend Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 261 ff., 288 f. 152 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F9. 153 Überblick bei Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2011, Rn. 622 ff. Zum Marktzugangskriterium in der Dogmatik der europarechtlichen Grundfreiheiten Dietz / Streinz EuR 2015, 50. Aus deutscher Sicht Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 14 f. mit Unterscheidung zwischen Systemschutz durch Solvabilitätssicherung bzw. Solvenzaufsicht und Marktfunktionsschutz durch den Schutz der Bereitschaft, Geschäfte einzugehen, darunter der Vertrauensschutz. 154 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F11: „Korrelat der Gewährleistungsverantwortung“. Übergreifend Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 475 ff. und aus zivilrechtlicher Sicht Roth Private Altersvorsorge, 2009, S. 225. 155 Schmidt in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl., 2006, § 92 Rn. 1. 156 Zum verbleibenden Bedeutungsgehalt Hermes Staatliche Infrastrukturleistung, 1998, S. 151.

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Aufsicht ist vor diesem Hintergrund als Folgepflicht, insbesondere im Nachgang zu Privatisierungen als „unverzichtbares Scharnier des Übergangs von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung“ anerkannt.158 Reichweite und Grenzen der Entscheidungsfreiheit von privaten Dritten mit expliziter oder impliziter Einbindung in staatliche Gewährleistungsaufgaben sind darüber hinaus Teil der Suche nach einer festen Staatsaufgabenlehre. Die Erforschung der Staatsaufgabenlehre kam verstärkt in den 1990er-Jahren auf 159 und beschäftigt bis heute.160 Die staatliche Gewährleistungsverantwortung, verstanden als Ermöglichungs- und Steuerungsaufgabe, ist in Bezug auf den Kapitalmarkt allerdings so anerkannt wie unbestimmt. Das BVerfG prüft die Rechtfertigung von Eingriffen stets am Schutzbereich des einzelnen Grundrechts und geht nicht von übergreifenden Systemgarantien einer bestimmten Form der Marktwirtschaft aus.161 Infolgedessen besteht auch in Bezug auf die den Austausch am Kapitalmarkt ermöglichende Informationsintegrität kein übergreifender Institutionenschutz. Die staatliche Gewährleistungsverantwortung bezieht sich vielmehr auf die Funktionsfähigkeit von Rechtsinstituten, die auf das einzelne Grundrecht bezogen sind.162 Erst in der Gesamtschau verfassungsgerichtlicher Judikatur setzt sich das Bild von der aus einzelnen Grundrechten herzuleitenden Systemgarantie der Marktwirtschaft und des Austauschs am Kapitalmarkt zusammen.163 In den Einzelheiten nicht unumstritten folgt daraus die staatliche Verantwortung für marktkonstituierende Regeln. Dazu zählt die Verpflichtung, ein durchsetzbares Privatrecht für Kapitalmarkttransaktionen zur Verfügung zu stellen.164 Schmidt in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl., 2006, § 92 Rn. 12 ff. 158 Schuppert / Bumke in: Kleindiek / Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, 2000, S. 71, 84; Witte / Bultmann in: Achleitner / Everling (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 89, 110. 159 Aus den 1990er-Jahren statt vieler die Beiträge in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, darin Günther, S. 50, zum Aufgabenwandel; Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, darin Kaufmann, S. 15, 28 f. zur Lehre von den Staatsaufgaben. Eingehend Hermes Staatliche Infrastrukturleistung, 1998, S. 135 ff. Zu vergleichbaren Erfahrungen in der Schweiz Achleitner Die Normierung der Rechnungslegung, 1995, S. 55. 160 Zur Rolle von Rechtsprechung und Wissenschaft Engel in: FS Kirchhof, 2013, § 6 Rn. 14, 26. Zum Theoriedefizit bei den Regelungsformen (regulatory choice) Schuppert /  Bumke in: Kleindiek / Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, 2000, S. 71, 76. 161 Bumke Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, S. 76. 162 Engel in: FS Kirchhof, 2013, § 6 Rn. 17 mit statistischer Auswertung. 163 Lepsius in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 Rn. 27; Schmidt in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl., 2006, § 92 Rn. 27. 157

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In Bezug auf die in der theoretischen Forschung belegbaren volkswirtschaftlichen Chancen einer Indienstnahme privater Informationsintermediäre treffen gegensätzliche Grundvorstellungen aufeinander. Sie reichen von einer die Ordnung durch Marktkräfte praktisch verneinenden Sichtweise („überholte Marktmetaphorik“)165 bis hin zu Forderungen nach Ausrichtung der Wahl von Regulierungsebenen und -intensitäten (national, europäisch, international) an den Bedürfnissen der internationalen Praxis.166 Anstoß zu einer mit der finanzmarktlichen Innovation mithaltenden Aufstellung des Finanzplatzes gibt die von Peter F. Drucker pragmatisch formulierte Erkenntnis: „money knows no fatherland“.167 Über die tieferliegenden verfassungsrechtlichen Fragen ist mit dieser Beobachtung allerdings noch nicht entscheiden. b. Staatliche Gestaltungsentscheidung Vom Staat abzuwägen sind die möglichen Innovationschancen einer Beurteilung von Unsicherheiten durch private Dritte gegenüber den damit verbundenen Gefahren für die Erfüllung seiner Gewährleistungsverantwortung. Die Austarierung von Eigenwahrnehmung und Aufgabendelegation ist dabei nicht statisch vorgegeben, sondern fortlaufende normative Gestaltungsentscheidung.168 Seiner Gewährleistungsverantwortung soll der Staat allein durch Nachbildung der Sachgesetzlichkeiten des internationalen Kapitalmarkts, also insbesondere dessen Informationsbedürfnissen, nicht gerecht werden können.169 Die deutlichste Gegenposition einer Schädlichkeit jeglicher kapitalmarktlicher Pflichtpublizität baute sich in Reaktion auf die US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre auf.170 Die zugrunde liegende ökonomische Theorie setzte sich aber angesichts der Überbetonung der Fähigkeiten des Markts nicht durch. Sie wich einem seitdem fortgeführten Regulierungsdiskurs um die Ausgestaltung verpflichtender Emittentenpublizität und ihrer Prüfung. Verfestigt hat sich die Erkenntnis, dass ein Rückzug des Staats auf (vermeintlich) gesamtwirtschaftlich richtige Maßnahmen schon angesichts der Belastungsgrenzen wirtschaftswissenschaftlicher Belege nicht zur Ausfüllung der Gewähr164 Übergreifend Schmidt in: Isenssee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts, Bd. 3, 2. Aufl., 1996, Rn. 8. Zur Diskussion Bumke Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, S. 69 ff. 165 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F11 Fn. 23 m. w. N. 166 Deutlich Hopt NZG 2009, 1401, 1402 im Zusammenhang mit den Erfahrungen aus Finanzmarktkrisen und der Notwendigkeit grenzüberschreitender Lösungen: „Aufsicht und Regulierung müssen den Märkten folgen, nicht umgekehrt, und diese sind heute europäisch und international.“ Aus der Schweiz Achleitner Die Normierung der Rechnungslegung, 1995, S. 59. 167 Drucker Post-Capitalist Society, 1993, S. 142. 168 Grimm in: ders. (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 613, 616. 169 Bumke in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 107, 140; Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F11. 170 Zur Entwicklung 5. Kapitel: B.I.2.a (S. 87).

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leistungsverantwortung ausreicht und dass gegebenenfalls auch dirigistische Eingriffe zur Verwirklichung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit erforderlich sind.171 Mit der fortschreitenden Entwicklung der interdisziplinären Erforschung der Wirkungen von Rechtsregeln verfestigte sich zugleich die Überzeugung von der Notwendigkeit einer Erfolgsmessung (regulatory impact assessment) und gegebenenfalls der Korrektur getroffener Entscheidungen.172 c. Staatliches und privates Ordnungswissen Aus der Zuordnung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zum Gewährleistungsauftrag ergeben sich zwar Gestaltungspflichten des Gesetzgebers, nicht aber konkrete inhaltliche Vorgaben, etwa auch nicht als verfassungsrechtliches Gebot einer zwingenden Beibehaltung privat gewachsener oder hoheitlich gesteuerter institutioneller Informationsgefüge.173 Die Maßnahmen zur Ausfüllung der aus grundrechtlichen Optimierungsgeboten zusammengesetzten Systemgarantie unterliegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.174 Dies gilt – unionsrechtliche Pflichten ausgeblendet – für die Entscheidung über die Errichtung von Intermediationsobligatorien wie dem der Abschlussprüfung. Im Raum freier politischer Gestaltung steht auch die Indienstnahme von Bonitätsratings für regulatorische Zwecke. Umgekehrt steht es dem Gesetzgeber frei, von Vorgaben einer verpflichtenden Inanspruchnahme von Finanzanalysten abzusehen. Letzterem liegt die wertende Annahme einer hinreichenden marktlichen Steuerung von privaten Entscheidungen über das Eingehen von Kursrisiken zugrunde. Aus Sicht der staatlichen Gewährleistungsverantwortung sind die Indienstnahme Privater und das Absehen hiervon zwei Seiten derselben Medaille. In beiden Fällen greift der Staat auf das im Wege privater Interaktionsprozesse gebildete „Reservoir an Regulierungs- und Ordnungswissen“175 zurück. Mit oder ohne Indienstnahme lässt der Staat allerdings Investitionen der Intermediäre in Schmidt in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl., 2006, § 92 Rn. 11. Für staatliches Handeln an einem (im Einzelnen allerdings unbestimmten) Maßstab gesamtwirtschaftlicher Richtigkeit Schmidt-Rimpler Wirtschaftsrecht, in: HDSW, 1965, Bd. 12, S. 686, 699 ff. 172 Zu Kosten-Nutzen-Vergleichen noch näher 8. Kapitel: C.IV (S. 277). 173 Deutlich Engel in: FS Kirchhof, 2013, § 6 Rn. 23. Ausführlicher Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 297 f. 174 BVerfG, Urt. v. 31.7.1973 – 2 BvF 1/73 (Grundlagenvertrag), BVerfGE 36, 1, JurisTz. 51 („Raum freier politischer Gestaltung“). Zum Ganzen Schmidt in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl., 2006, § 92 Rn. 41 ff. Eingehend am Beispiel des Kontenresearch gem. § 25 a Abs. 1 Nr. 6 KWG Uibeleisen Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 87. 175 Bumke Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, S. 72. Ähnlich Ossenbühl VVDStRL 29 (1971) 137, 148: „Aktivierung und Ausnutzung privaten Sachverstandes, privaten Verwaltungspotentials, dem kein vergleichbares des Staates gegenübersteht und um die Inanspruchnahme privater Situationsbeherrschung im Einzelfall“. 171

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

den privaten Wissensaufbau und die für die Glaubwürdigkeit der Informationsleistung entscheidende Reputation zu. Unter Unsicherheit über den möglichen Ertrag stünden invasive Maßnahmen in die gewachsenen Strukturen deshalb nicht zuletzt im Spannungsverhältnis zu den grundrechtlich verbürgten Rechten der Intermediäre.176 2. Staatliche Verantwortung bei hybrider Regulierung Die freien Berufe waren bis ins 19. Jahrhundert üblicherweise staatlichen Herrschaftsstrukturen unterworfen, also hoheitlichen Zulassungsentscheidungen, Gebietszwängen, einer Dienstaufsicht und teils auch staatlicher Besoldung.177 Die Entlassung aus der staatlichen Steuerung in die Marktwirtschaft „erkauften“ die Berufsträger durch die Unterwerfung unter eine im Kern eigenverantwortliche Aufsicht.178 In der Geschichte der Abschlussprüfung ist die Delegation staatlicher Aufsichtsverantwortung auf private Selbstverwaltungskörperschaften bis zum Aufkommen der englischen Accounting Societies zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückzuverfolgen und fand im 20. Jahrhundert in den USA und in Deutschland Nachahmung.179 Zu entsprechenden Entwicklungen kam es bei Ratingagenturen und Finanzanalysten nicht. a. Inanspruchnahme privater Dritter Die regulatorischen oder faktischen Wirkungen der privaten Intermediation auf das Ziel der Informationsintegrität werfen kaum ausweichlich die Frage nach Grad und Umfang der staatlichen Gewährleistungsverantwortung auf, also etwa nach einer die Überwachung durch Selbstverwaltungskörperschaften komplementierenden oder auch einer originär-hoheitlichen Aufsichtsstruktur.180 Wie die Abschlussprüfung werden auch die regulatorisch verwendeten Bonitätsratings der funktionalen Finanzaufsicht zugerechnet.181 Die Anforderungen an eine Beteiligung Privater an Gewährleistungsaufgaben werden nach Art der Eingliederung in hoheitliche Wirkungszusammenhänge ermittelt.182 Bei Anlegen 176 Zur verfassungsrechtlichen Kontrolle von unter Unsicherheit getroffenen Abwägungen Klatt / Schmidt AöR 137 (2012) 545, 551 ff. Zu den unterschiedlich gelagerten Grundrechtspositionen der Intermediäre näher 8. Kapitel: A.III.4 (S. 247). 177 Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 110 ff., 114. Siehe auch Sodan Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 19 ff. 178 Zur Befreiung „aus dem staatlichen mancipium“ Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H28. Eingehend Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 121 ff. 179 Zur Abschlussprüfung als das öffentliche Amt ergänzende private Institution des Unternehmensrechts Jacoby Das private Amt, 2006, S. 141. 180 Zu ausgewählten Beispielen 8. Kapitel: A.III.3.b (S. 241). 181 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F40. Ähnlich zum Abschlussprüfer Koch Konzern 2005, 723, 727 ff.

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einer folgenorientierten Betrachtung richtet sich der Blick auf eine vor- oder nachwirkende Legitimationsverantwortung des Staats.183 Im Einzelnen ist der Umfang dieser Verantwortung nicht leicht zu bestimmen. Die erste Befassung mit einer außerhalb klassischer Formen stehenden Einbeziehung Dritter leistete Hans P. Ipsen 1950 durch die Entwicklung der Rechtsfigur einer „gesetzlichen Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben“.184 Als Paradebeispiel hierfür gilt die Inpflichtnahme des Arbeitgebers im Rahmen des Lohnabzugverfahrens bei der Einkommensteuer.185 Ihrer Rechtsnatur nach ist die dahingehende gesetzliche Pflicht eine „öffentliche Last“ und zwar in Form des Zwangs zur privaten Vornahme einer gesetzlich bestimmten Handlung im öffentlichen Interesse.186 Mangels dahinreichenden staatlichen Akts liegt keine Beleihung mit Inhalt der privaten Ausübung von Hoheitsgewalt vor.187 Das entspricht der Lage bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating, deren regulatorische Einbindungen nicht auf Grundlage eines für die Beleihung kennzeichnenden Vertrags- oder Konzessionsverhältnisses erfolgen. Auch ohne einen formellen Akt können hoheitlicher Zweck und faktische Wirkung der Tätigkeit Privater der „Indienstnahme“ im beschriebenen Sinne vergleichbar sein. Die staatliche Kontrollverantwortung kann aber angesichts der privatrechtlichen Handlungsweise nicht so weit reichen wie bei einer funktionalen Privatisierung, die durch privaten Aufgabenvollzug eines Verwaltungshelfers188 bei behördlicher Letztentscheidungs- bzw. staatlicher Ergebnisverantwortung gekennzeichnet ist.189 Der Abschlussprüfer handelt trotz Vorbehaltsaufgabe und öffentlich-rechtlicher Aufgabenbeschreibung in eigener Verantwortung (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 WPO). Ebenso wenig unterliegen die private Bonitätsprüfung oder die ohne regulatorische Inbezugnahme auskommende Finanzanalyse einer staatlichen Ergebniskontrolle. b. Funktionale Kooperationsverhältnisse Die Einbeziehung von Abschlussprüfung und Bonitätsrating in hoheitliche Zwecke ist am ehesten als funktionales Kooperationsverhältnis fassbar.190 Kooperati182 Heintzen VVDStRL 62 (2003) 220, 239 ff. zur Unterscheidung von Befugnis-, Organisations-, Verfahrens- und Aufgabenbeteiligung. Eingehend zum funktionalen Begriffsverständnis Kluth Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 25 ff. 183 Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 296. 184 So der Titel des Beitrags von Ipsen in: FS Kaufmann 1950, S. 141. 185 Ipsen in: FS Kaufmann 1950, S. 141, 145. Eingehend Drüen Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012. 186 Ipsen in: FS Kaufmann 1950, S. 141, 151. 187 Zur Beleihung Beck OK VwVfG32-Ronellenfitsch § 1 Rn. 70. 188 Zum Verwaltungshelfer Beck OK VwVfG32-Ronellenfitsch § 1 Rn. 74. 189 Einordnung bei Stelkens / Bonk / SachsVwVfG7-Schmitz § 1 Rn. 134, 261. Eingehend Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 426 ff.

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onsverhältnisse dieser Art sind vereinzelt explizit vorgesehen. Etwa § 4 Abs. 3 FinDAG räumt ausdrücklich die Möglichkeit eines Einsatzes privater Institutionen zur Erfüllung kapitalmarktbezogener Aufsichtsfunktionen ein. Zum Einsatzfeld gehören Wirtschaftsprüfungen im Auftrag der BaFin zur Erfüllung ihrer Aufsichtsaufgaben aus §§ 44 ff. KWG und § 83 Abs. 1 Nr. 4 VAG. Ermöglicht oder unterstützt wird hierdurch eine zentralisierte, also nicht in der Fläche vertretene Aufsichtsstruktur.191 Auch auf expliziter Rechtsgrundlage stehende Indienstnahmen Privater in die behördliche Rechtsdurchsetzung192 befreien den Staat nicht von seiner Verantwortung.193 An die Stelle der Eigenwahrnehmung tritt bei Kooperationsaufgaben eine prozedurale Steuerungsverantwortung (Vorwirkung).194 Der Staat ist also bei der Ausfüllung seiner Gewährleistungsverantwortung durch Einbeziehung privater Leistungen verpflichtet, Sicherungsmechanismen vorzusehen. Zu den im hier behandelten Kontext relevanten „Grundbausteinen“195 gehören insbesondere Regeln zur Qualifikation und Unabhängigkeit sowie zum Schutz der Rechte Dritter, die mit den Leistungen in Berührung kommen.196 Je nach Bedeutung der Gewährleistungsaufgabe und nach Ausmaß der Einbindung Privater ist nicht ohne kontinuierliche Aufsicht auszukommen. Kennzeichnend für die auf solche oder andere Weise in Dienst genommenen wie auch für die nicht eingebundenen Leistungen privater Informationsintermediäre ist die Freiheit von staatlichen Eingriffen in das Zustandekommen der Absprache (kein Kontrahierungszwang), die Auswahl des Informationsintermediärs (keine staatliche Bestellung) oder der Prüfungs- bzw. Bewertungsvorgang selbst (kein Weisungsrecht). Ein Rückzug auf die Schaffung marktkonstituierender Regeln und die (bloße) Überwachung ihrer Einhaltung ist etwa aus staatlich initiierten Versteigerungen bekannt.197 Die Kontrollverantwortung bei Rückgriffen auf Marktmechanismen und Anknüpfung von Rechtsfolgen an die Ergebnisse kann bei einer über die Versteigerungssituation hinausgehenden Komplexität nicht ohne Berücksichtigung der Gefahren eines Marktversagens auskommen.198 Auf belastbare Erkennt190 International wird der Begriff public private partnership verwendet; näher McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 13 (2004) m. w. N. 191 NomosKommFinDAG3-Laars § 4 Rn. 5. 192 Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 73 ff., 75. 193 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F41. 194 Zum Ganzen Trute DVBl 1996, 950, 955 f. Diskussion bei Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 296. 195 Voßkuhle VVDStRL 62 (2003) 266, 310 ff. 196 Konkreter zu den „Bauelementen“ der Finanzmarktregulierung, darunter insbesondere zu den noch zu besprechenden Legitimationsproblemen privater Norm- und Standardsetzung Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F32 ff., 33. 197 Martini Der Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, 2008, S. 347. 198 GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 30 zu den Regelungsaufgaben.

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nisse ist staatlicherseits nicht nur bei der Wahl der Handlungsform, sondern auch bei der Intensität der prozeduralen Steuerung und Aufsicht zu reagieren. c. Staatliche Eigenwahrnehmung und Komplexitätsminderungen Vor diesem Hintergrund rücken die Vorstöße in Richtung einer staatlichen Eigenwahrnehmung von Aufgaben der kapitalmarktlichen Informationsintermediation in den Blick. Der Erfolg einer staatlichen Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Informationsintermediation ist unsicher und erforderte eine hohe Ressourcenbindung. Dazu kam es weder in den für die Abschlussprüfung entscheidenden 1930er-Jahren noch infolge der aktuell angeheizten Debatte um Ratingagenturen. Vielmehr verfestigten sich zunächst Überlegungen einer fehlenden Regierbarkeit komplexer privatwirtschaftlicher Prozesse und damit verbunden Forderungen nach einem Ausbau regulatorischer Inbezugnahmen von privaten Steuerungsmechanismen.199 Im Nachgang zur Finanzmarktkrise von 2008 kommt erneut Bewegung in die Diskussion um eine fortschreitende Verantwortungsmarginalisierung infolge zu großen Vertrauens in die Leistungen Privater. Grundsätzlicher richten sich die Bedenken gegen die Entstehung eines Finanzsystems, das sich im Zuge wachsender Komplexität den zu seiner Steuerung vorgesehenen Instrumenten entzieht.200 In der Finanzmarktkrise waren vor allem Mehrfachverbriefungen Ausdruck dieser Komplexität. Mehrfachverbriefungen wird auch aus volkswirtschaftlicher Sicht kein Mehrwert zugemessen.201 Forderungen nach einer flächendeckenden Reduzierung der finanzmarktlichen Komplexität ist gleichwohl mit Zurückhaltung zu begegnen, weil dadurch zwangsläufig auch Innovationschancen verstellt werden. Die private Freiheit umfasst auch die Errichtung von komplexen Austauschgestaltungen und -gefügen. Eine auf integre Information ausgerichtete Informationsintermediation vermag jedenfalls im Grundsatz zur Beherrschbarkeit von Komplexität beizutragen. Private Freiheit ist durch eine Sicherstellung integrer Intermediationsleistungen in größerem Maße zu gewährleisten als durch Transaktionsverbote. Bei funktionaler Betrachtung ergeben sich durchaus sinnvolle Komplexitätsreduktionen aus Verboten oder Einschränkungen bestimmter konfliktanfälliger Leistungskombinationen der Informationsintermediäre. Zu nennen sind die für die Abschlussprüfung fortlaufend und neuerdings auch für Ratingagenturen ausgebauten Verbote zum Angebot von Nebenleistungen. Zu rechtfertigen sind diese Verbote aber nicht aus einer verbesserten Steuerbarkeit als Selbstzweck, Beispiel ist die mehrstufige Regulierung des unternehmensinternen Risikomanagements durch erstens Einrichtungspflichten des Managements und zweitens der externen Pflichtprüfung. Näher 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220). 200 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F52 ff. 201 Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E22. 199

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sondern aus der durch Erfahrung wie Theorie gestützten Erkenntnis vom Versagen des Markts bei der Übersetzung von Interessenkonflikten der Intermediationsanbieter in Preise. 3. Legitimation von Expertenrecht Ein aus verfassungsrechtlicher Sicht zentrales Problemfeld betrifft die Legitimation der Standardsetzung durch private Informationsintermediäre, zumal diese Standardsetzung für den Marktzugang der Emittenten entscheidend ist oder sein kann. a. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft Das verstärkte rechtstheoretische Interesse am „selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft“202 seit Anfang des 20. Jahrhunderts geht auf den Anstieg des rechtsgeschäftlichen Massenverkehrs im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts zurück.203 Um die Einordnung privat gesetzten Rechts wird nach wie vor gerungen.204 Mit Max Webers Unterscheidung zwischen Rechtsnormen, also durch organisierten staatlichen Zwang garantierten Normen, und gesellschaftlichen Normen wie Konvention und Sitte, lässt sich das privat gesetzte Recht nicht fassen.205 Weder die Überlegung gesetzesgleicher Wirkung (Normentheorie) noch eine die privatautonome Gestaltung in den Vordergrund stellende Erklärung (Vertragstheorie) vermochten ein vollständiges Bild zu zeichnen.206 Nach heutigem Verständnis sind öffentliches Recht und Privatrecht „wechselseitige Auffangordnungen“207 mit dazwischen anzusiedelnder privater Normsetzung

Grossmann-Doerth Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und Staatliches Recht, 1933. Aus den Anfängen Raiser Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 302; Kessler 43 Colum.L. Rev. 662 (1943). 204 Bumke / Röthel (Hrsg.), Privates Recht, 2012, darin Veil S. 269, zum Kapitalmarktrecht; Möllers (Hrsg.), Geltung und Faktizität von Standards, 2009, darin Spindler / Hupka S. 117, zum Kapitalmarktrecht; Möllers (Hrsg.), Internationalisierung von Standards, 2011, darin Beyer S. 145 u. a. zur Rechnungslegung. Grundlegend aus privatrechtlicher Sicht Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 27 sowie aus öffentlich-rechtlicher Sicht Kirchhof Private Rechtsetzung, 1987, S. 138 ff. 205 Weber Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1972, S. 187 ff. 206 Begründung der Normentheorie durch v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 120, 142 ff., der Vertragstheorie durch v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 503. Kurze Gegenüberstellung bei Köndgen AcP 206 (2006) 477, 480. Eingehend Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 109 ff., 112; Fastrich Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 29, 33. 207 Aus öffentlich-rechtlicher Sicht Hoffmann-Riem in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 261, 271 ff. Zur privatrechtlichen Sicht Basedow 56 Am. J. Comp. L. 703, 718 (2008). 202 203

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insbesondere in der Form regulierter Selbstregulierung.208 Das Recht der Informationsintermediation ist paradigmatisches Beispiel für dieses „Ineinandergreifen von hoheitlicher Regulierung, hoheitlich regulierter gesellschaftlicher Selbstregulierung und gesellschaftlicher Regulierung“.209 Aus der sich auch weiterhin im Fluss befindlichen Debatte um die Legitimation privat gesetzten Rechts sind drei Aspekte herauszugreifen: Erstens ist der Befund einer Abkehr von dem „idyllische(n) Bild des 19. Jahrhunderts vom Gesetz als langlebigem und bleibendem Fundament der Rechtsordnung“210 aufzunehmen. Der moderne Industrie- und Sozialstaat brachte zunehmend situative Steuerungsnöte hervor. Dem fortlaufenden Bedarf nach anpassungsstarker Regulierung kann der Gesetzgeber heute nicht mehr allein aus eigener Kraft genügen.211 Die Forderung nach einem gezielten und deshalb zwingend schonenden Einsatz der knappen Ressource Gesetzgebung öffnete den Blick für die delegierte Verordnungsgesetzgebung (gubernative Rechtsetzung).212 Zugleich bereitete sie die Aufnahmefähigkeit der Rechtsquellenlehre für das privat gesetzte Recht vor. Auf dieser Entwicklungslinie steht die Forderung nach Einbeziehung vorhandener selbstregulativer Kräfte oder gegebenenfalls ihrer Aktivierung.213 Kostenvorteile allein reichen allerdings zur Legitimation privater Rechtsetzung nicht aus, schon weil die Stellung des Gesetzgebers im verfassungsrechtlichen Gefüge zu wahren ist.214 Durch gar blindes Vertrauens in das für Partikularinteressen anfällige Modell hybrid öffentlich-privatrechtlicher Gestaltung wird der Gesetzgeber seiner Aufgabe nicht gerecht.215 Die möglichen Vorteile sind vielmehr gegenüber den Gefahren aus privaten Einflussnahmen auf den Regelungsbestand (rent seeking) oder auch einseitigen Bevorteilungen von Interessengruppen (regulatory capture) abzuwägen.216 Umgekehrt verbindet sich mit 208 Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 132. Aus aus privatrechtlicher Sicht Poelzig Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 565 ff. 209 Bumke in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 107, 128 mit weiteren Beispielen; Masing Gutachten D, 66. DJT, 2006, S. D9 f. Eingehend Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 17 ff. 210 Martini AöR 133 (2008) 155, 157. 211 Martini AöR 133 (2008) 155, 157 f. mit zahlr. Nachw. Übergreifend Hermes Staatliche Infrastrukturleistung, 1998, S. 152 ff., 155. Zur privatrechtlichen Sicht Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 53. 212 Zum Spannungsfeld zwischen Ermächtigung und Ausführungsnorm v. Bogdandy Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 8, 105, 377 und 490. Rechtsvergleichend Pünder Exekutive Normsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 68. Zur Regelungstechnik Schädle Exekutive Normsetzung in der Finanzmarktaufsicht, 2007, S. 177. 213 Schmidt-Preuß DÖV 2001, 45, 49; ders. VVDStRL 56 (1997), 160, 170 f.; Ogus 15 OJLS 97 f. (1995). Zurückhaltender Enders Der Staat 35 (1996) 351, 387. Überblick zum Streitstand bei Stelkens / Bonk / SachsVwVfG7-Schmitz § 1 Rn. 121. 214 Martini AöR 133 (2008) 155, 158. 215 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F54.

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der privaten Regelsetzung die Hoffnung auf Reduzierung von regulatorischen Über- oder Untersteuerungen (type one/type two errors).217 Zu vermeiden ist insbesondere eine Überkonstitutionalisierung durch Überfrachtung privater Interaktionsprozesse mit staatlichen Entscheidungsprinzipien.218 Zweitens werden die Möglichkeiten einer Öffnung des Rechtssystems für die private Rechtsetzung unterschiedlich eingeschätzt.219 Aus öffentlich-rechtlicher Sicht stehen Delegationsnormen, insbesondere dynamische Verweisungen, im Diskussionsfokus.220 Stärker privatrechtlich orientierte Ansätze beziehen auch bloße Inklusionen, also etwa die Vermittlung von Expertenrecht über allgemeine Sorgfaltsstandards wie § 276 BGB und § 93 AktG ein.221 Der aus öffentlichrechtlicher Sicht tendenziell starken Forderung nach Rückbindung an den demokratisch legitimierten Gesetzgeber wird das privatrechtliche Prinzip der Legitimation durch Partizipation der Betroffenen gegenübergestellt.222 Drittens ist nach Adressaten zu unterscheiden. Überlegungen zur Legitimation durch privatautonome Partizipation lassen sich für das eine eingrenzbare Gruppe betreffende Vereinsinnenrecht aufrechterhalten. Für die amorphe Masse der Kapitalmarktteilnehmer gerät eine an die Partizipation geknüpfte Legitimation hingegen leicht zur Fiktion. Die Marktteilnahme eignet sich zur Rechtfertigung gesetzlicher Eingriffe, schafft aber allenfalls ein Teilelement der Legitimation privat gesetzten Rechts.223 Jedenfalls regulatorische Wirkungen privat gesetzter Intermediationsstandards bedürfen einer gesetzgeberischen Einpassung, die aber nicht zwingend durch inhaltliche Vorgaben, sondern auch durch prozedurale Regeln und Überwachung zu leisten ist. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich eine Legitimation von Standards der Berufsausübung und -ethik von anerkannten Selbstverwaltungskörperschaften wie denen der Wirtschaftsprüfer.224 Näher zu Vereinnahmungen durch das Regelungssubjekt 8. Kapitel: A.II.2.b (S. 222). Zur Einordnung in den Anspruch moderner Regelungskonzeptionen 8. Kapitel: A.II (S. 214). 218 Köndgen AcP 206 (2006) 477, 522: „Konstitutionalisierung im Sinne eines durchgängigen Verfassungsvorbehalts kann nicht die Lösung sein“. 219 Mit Gegenüberstellung von öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Sicht BuckHeeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 26 ff., 28. 220 Kirchhof in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, Tübingen 2008, S. 167. Näher dazu unten 8. Kapitel: A.III.3 (S. 238 ff., 243). 221 Zu Letzterem Köndgen AcP 206 (2006) 477, 518 ff., 520. Zurückhaltend Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 76 (nur einzelfallbezogene Inklusion). 222 Zur staatsrechtlichen Sicht Kluth Funktionale Selbstverwaltung, S. 369 ff.; Musil Wettbewerb in der staatlichen Verwaltung, 2005, S. 145 ff. Zum Privatrecht Köndgen AcP 206 (2006) 477, 479. Eingehend Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 206. Zur internationalen Bandbreite von Erklärungsansätzen Roberts 68 MLR 1, 5 (2005). 223 Zur Unabhängigkeit als Korrelat der Teilnahme am Markt für Informationsintermediation Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 431 angelehnt an Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 332. 224 Zu allgemeinen Leistungsgrenzen 9. Kapitel: C.II (S. 310 ff.). 216 217

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Die Standardsetzung durch nicht in die Staatsverwaltung eingegliederte Gremien – darunter Berufsregeln, Standesordnungen und Prüfungsgrundsätze – gelten als besonders komplexe Gefüge privater Rechtsschöpfung mit den im Folgenden näher aufzufächernden eigenen Legitimationsproblemen.225 b. Steuerung privater Standardsetzung Im Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation findet sich ein weites Spektrum nicht unmittelbar in die Staatsverwaltung eingegliederter Regelsetzer und ein ebenso weites Spektrum rechtlicher Institutionen zu ihrer prozeduralen Steuerung. Die teils Legitimationszweifel beschwichtigenden, teils diese aber auch erst hervorrufenden Strukturmerkmale sind schon an wenigen Beispielen zu verdeutlichen: Das 2004 eingeführte zweistufige Enforcement-Verfahren ergänzt die Abschlussprüfung um weitere Sicherungsstufen. Im Sinne moderner Verschränkungen von Hierarchie und Verhandlung226 entstand mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) im Jahr 2005 ein privates Expertengremium zur diskursiven Behebung von Meinungsunterschieden über die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung.227 Die vertragliche Akkreditierung erfolgte in Nachbildung des sogleich zu behandelnden Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und wurde mit Steuerungsvorbehalten versehen.228 Legitimationszweifel werden spätestens durch die auf zweiter Stufe zum Einsatz kommende und mit Sanktionskompetenz ausgestattete BaFin aufgefangen.229 Die Aufgaben des bereits 1998 eingerichteten DRSC reichen deutlich weiter.230 Nach § 342 Abs. 1 HGB gehören zu diesen Aufgaben die Entwicklung von „Empfehlungen“ zur Konzernrechnungslegung, die Beratung des Bundesministeriums der Justiz, die Vertretung der Bundesregierung in internationalen Standardisierungsgremien sowie die Interpretation von internationalen Rechnungslegungsstandards. Aus diesem Aufgabenprogramm leitet sich die FordeKöndgen AcP 206 (2006) 477, 499. Eingehend Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 549 ff. 226 Becker Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 34 ff., 37 mit Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile gegenüber der streng hierarchischen Lösung. 227 Zur DPR 8. Kapitel: A.III.3.b (S. 241). 228 RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3421 v. 24.6.2004, S. 13: „Die Satzung, die personelle Zusammensetzung und die […] Verfahrensordnung müssen gewährleisten, dass eine Prüfung unabhängig, sachverständig, vertraulich und unter Einhaltung eines festgelegten Verfahrensablaufs erfolgen. Änderungen der Satzung und der Verfahrensordnung […] bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen. Die näheren Einzelheiten […] können dem Anerkennungsvertrag vorbehalten bleiben.“ 229 Näher GroßkommStaubHGB5-Hommelhoff Vor § 342b Rn. 2 f. Verbleibende Diskussionspunkte betreffen die mit der Umlagefinanzierung verbundene Sonderabgabenproblematik Ohler WM 2007, 45, 47, 49 ff. 230 Zum DRSC Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 125 ff.; Paal Rechnungslegung und DRSC, 2001, S. 33. 225

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rung nach einer kontinuierlichen Kommunikation mit Behörden ab. Eine stimmrechtslose Teilnahme von Vertretern des Bundesministeriums der Justiz soll dazu nicht ausreichen.231 Eine Legitimation des Expertenrechts über (letztlich) politische Mitsprache ist allerdings in dem 1975 zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Institut für Normierung (DIN) geschlossenen Normenvertrag nicht zu finden. Die vertragliche Akkreditierung, die Besetzung mit unabhängigen Experten und auch die Arbeitsweise des DIN standen Modell für das Kooperationsverhältnisses mit dem DRSC. Der maßgebliche Unterschied soll darin bestehen, dass über Bilanzierungsfragen mit rein technischer Expertise nicht abschließend zu entscheiden ist.232 Erforderlich seien vielmehr auch rechtspolitische Entscheidungen unter anderem zur internationalen Anschlussfähigkeit, zu wirtschaftlichen Fernwirkungen sowie zur Ausbalancierung von Gläubiger- und Anlegerschutz.233 Dem ließe sich entgegenhalten, dass auch die Festlegung technischer Standards – wie jede Risikobeurteilung 234 – nicht ohne Wertentscheidungen zu dem erwünschten Grad an Sicherheit, also zu der auch im Standortwettbewerb entscheidenden Fehlertoleranz auskommen kann. Wenn die Delegationsfähigkeit solcher, für eine Risikosteuerung allgemein erforderlicher Wertentscheidungen bei technischen Standards besteht, können strukturell vergleichbare Delegationen nicht grundsätzlich verstellt sein. In ihren Rechtswirkungen unterscheiden sich die Empfehlungen des DRSC von solchen der seit 2001 bestehenden Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (Regierungskommission DCGK) wegen der gesetzlichen Anordnung einer Haftungsentlastung.235 Anders als bei Befolgung des DCGK wird bei Befolgung der Empfehlungen des DRSC zur Konzernrechnungslegung nach § 342 Abs. 2 HGB die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vermutet.236 Ob hieraus ein unausweichlicher Zwang zur Anwendung der Empfehlungen resultiert, wird unterschiedlich beurteilt.237 Die Diskussion kreist um die verfassungsrechtlichen Grenzen der Regelungstechnik, also um die Einbeziehung 231 Schuppert / Bumke in: Kleindiek / Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, 2000, S. 71, 123. 232 Schuppert / Bumke in: Kleindiek / Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 72, 77. 233 Köndgen AcP 206 (2006) 477, 489. 234 Übergreifend zum Erfordernis von Wertentscheidungen bei risikoorientierten Regelungskonzepten 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224). 235 Näher GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 64, 536. 236 Instruktive Gegenüberstellung bei Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 131. 237 Nach h. M. handelt es sich um eine dem Expertenrecht vergleichbare Rechtserkenntnisquelle, die allenfalls ein „Herdensyndrom“ hervorbringen kann; statt vieler GroßkommStaubHGB5-Schwab § 342 Rn. 83. Tendenziell weitergehend Köndgen AcP 206 (2006) 477, 490.

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solcher Standards im Wege der gesetzlichen Verweisung.238 Verschärft stellen sich die Legitimationsprobleme „teilprivatisierte(r) Regulierung“239 erst auf transnationaler Ebene, die Gegenstand des folgenden Abschnitts ist.240 c. Legitimation transnationaler Standardsetzung An dem seit 2001 tätigen International Accounting Standards Board (IASB) wirkt das DRSC im Rahmen der ihm nach § 342 HGB zustehenden Kompetenzen mit.241 Die Europäische Union hat dem IASB die Aufgabe zur Entwicklung Internationaler Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, IFRS) überantwortet. Die Erträge werden im Wege eines Anerkennungsverfahrens übernommen (endorsement).242 Börsennotierte Gesellschaften sind auf die Erstellung ihrer Konzernabschlüsse nach den IFRS verpflichtet. Zahlreiche Einwände gegen die für eine private Selbstverwaltung wenigstens zu fordernde Legitimation durch Partizipation der Beteiligten243 sind durch die detaillierte Satzung der IFRS Foundation zumindest abgemildert: Neben durchgängiger Betonung der Verpflichtung auf das öffentliche Interesse werden unter anderem die Anforderungen an Qualifikation und Unabhängigkeit der Hauptverantwortlichen (trustees) und der von diesen zu ernennenden Mitglieder (members) des IASB definiert. Vorgesehen ist ein Mitgliederproporz nach Ländern bzw. Kontinenten. Die Sitzungen beider Gremien sollen öffentlich sein und den Entscheidungen sollen Konsultationsverfahren vorausgehen.244 Diese Verfahrensgestaltung ist auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit angelegt, wie sie für die delegierte Rechtsetzung allgemein gefordert wird.245 Wie bei jeder Form der Selbstregulierung bleiben Anfälligkeiten für eine zu starke Orientierung an den Interessen der Betroffenen, die sich auch in verzöger-

238 Kirchhof in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 167, 170 ff. 239 Binder Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, S. 261 f. zum DRSC. 240 Dazu Kirchhof in: Hopt u. a. (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 167, 172. 241 Zum IASB Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 135 ff.; Hohl Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanrecht, 2007, S. 139 ff. 242 Die IFRS werden von der von der Europäischen Kommission im Komitologieverfahren angenommen. Dazu Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 85 ff., 132. 243 Näher 8. Kapitel: A.III.3.a (S. 238 ff.). 244 IFRS Foundation, Constitution, Januar 2013, Ziff. 6, 7, 13 (f) zu trustees, Ziff. 25, 26, 37 (b), (d) zum IASB, www.ifrs.org. 245 Bamberger 56 Duke L.J. 377, 407 (2006); Schuppert / Bumke in: Kleindiek / Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts im Zeichen internationaler Rechnungslegung und privater Standardsetzung, 2000, S. 71, 121. Eingehend Hohl Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanrecht, 2007, S. 283 ff.

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ter Standardbildung niederschlagen kann.246 Speziellere, aus der Spendenfinanzierung der IFRS Foundation herrührende Einwände sind den Alternativen gegenüberzustellen.247 Bei zwangsweiser Beitragserhebung oder steuerfinanzierter Tätigkeit durch die öffentliche Hand wäre mit Annäherungen an politische Ziele zu rechnen, aus denen sich Einbußen bei den Sachentscheidungen ergeben könnten.248 Die IFRS Foundation weist in ihren Jahresberichten eine gemischte Finanzierung aus, zu rund einem Viertel bestehend aus Spenden internationaler Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und beachtlichen Beiträgen der betroffenen Unternehmen, aber auch solchen der öffentlichen Hand, z. B. der Europäischen Kommission von über zehn Prozent.249 Die verbleibenden Legitimationszweifel betreffen die schrankenlose Unterwerfung unter die normsetzende Gewalt privater Dritter, die durch den mehr „staatsnotariellen“250 Rezeptionsakt des deutschen Gesetzgebers nicht vollständig zu beschwichtigen sind.251 Ob durch die geforderte „völker(verwaltungs)rechtliche Strukturierung der Kooperation“252 eine rechtstatsächlich gesteigerte Legitimation zu erzielen wäre, ist aber mit Zweifeln zu versehen.253 Eine in den Eckpunkten vergleichbare Diskussion betrifft den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS). Seit dem Zusammenbruch der deutschen Herstatt Bank von 1974 ist der BCBS der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angegliedert.254 Zu seinen Aufgaben zählt die Schaffung einheitlicher Standards der Eigenkapitalausstattung von Banken. Einziges Politikziel ist die Stabilität des Finanzsystems. Rechtspolitisch durchaus wichtige Wettbewerbs- oder verteilungspolitische KonBlack 75 MLR 1037, 1051 (2012) mit Kritik am IASB. Zur (geänderten) Finanzierung des FASB Mattli / Büthe 68 L. & Contemp. Prob. 225, 241 (Summer & Autumn 2005). Zur Finanzierung der DPR über Sonderabgaben Ohler WM 2007, 45, 48 ff. 248 Zum Vergleich von IASB und FASB Fleckner 3 Va. L. & Bus. Rev. 275, 292 (2008). 249 Eine instruktive Graphik zu den bis 2015 ungefähr gleich gebliebenen Finanzierungsanteilen sich im Bericht zu 2012. Von den insgesamt erhaltenen 20.747.165 GBP stammten 5.969.970 GBP von internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, 3.335.291 GBP von der Europäischen Kommission und Beiträge von jeweils über 25.000 GBP z. B. von 24 deutschen Unternehmen; IFRS Foundation, Annual Report 2012, S. 37 ff., www.ifrs.org. 250 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F37. 251 Überblick zur Diskussion bei Merkt ZGR 2015, 215, 222 ff., aus öffentlich-rechtlicher Sicht Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 136. 252 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F39. Ebenso Kirchhof ZGR 2000, 681, 691 zur früheren Möglichkeit der Konzernrechnungslegung auf Grundlage international anerkannter Grundsätze (§ 292 HGB a. F.). 253 Befürwortung des gewählten Regelungsmodells bei Hopt ZGR 2015, 186, 189 ff. Perspektivisch zur Rolle internationaler Standardssetzer bei der Abschlussprüfung Köhler ZGR 2015, 204, 206 ff. 254 Anfänge bis 1997 bei Goodhart The Basel Committee on Banking Supervision, 2011, S. 96 ff. und passim. 246 247

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sequenzen sollen ausgeblendet werden. Anders als der zuvor behandelte IASB ist der BCBS nicht privatrechtlich organisiert, sondern Veranstaltung nationaler Aufsichtsbehörden. Mitglieder sind die Notenbankgouverneure und Vertreter der Finanzaufsichtsbehörden aus den G10-Staaten. Schon hierhin werden massive Legitimationsprobleme erkannt, zumal sich die Finanzmarktkontrolleure auf diese Weise ihre eigenen Kontrollmaßstäbe schaffen könnten und so die Teilung zwischen rechtsetzender und -durchsetzender Gewalt auf transnationaler Ebene verwischt wird.255 Für die hier im Blickfeld stehenden Legitimationsprobleme privater Standardsetzung ist nicht der BCBS selbst, sondern die infolge des Basel II-Akkords von 2004 festgeschriebene Möglichkeit einer Bemessung des Eigenkapitals auf Grundlage der Bonitätsbeurteilung durch private Ratingagenturen entscheidend. Aus Sicht mancher Autoren nehmen die Agenturen (spätestens) seitdem „augenscheinlich eine staatliche Aufgabe wahr“,256 ohne dass ihre Entscheidungsfindung hinreichend an öffentlich-rechtliche Grundprinzipien rückgebunden wäre. Der Vergleich zu den privaten Abschlussprüfern zeigt allerdings, dass eine Rückbindung an öffentlich-rechtliche Grundprinzipien bei der privaten Informationsintermediation keineswegs die Regel ist.257 Mit Zweifeln zu versehen ist die Hoffnung darauf, dass politische Akteure sich dem Einfluss der beteiligten Finanzmarktakteure besser erwehren könnten als die auf der Seite der Notenbanken oder der Finanzmarktaufsicht stehenden Mitglieder des BCBS.258 Fachliche Mindestvoraussetzung wäre ein von politischen Akteuren möglicherweise nur schlecht vorzuhaltendes Verständnis komplexer Finanztransaktionen und -produkte. Wie der BCBS verfolgt die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) seit 1983 das Ziel internationaler Koordination der Finanzaufsicht.259 Zu Abschlussprüfung und Finanzanalyse sprach die IOSCO in den Jahren 2002 und 2003 Empfehlungen aus, deren Adressaten die nationalen Aufsichtsinstitutionen waren.260 Demgegenüber richtete sich ihr Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies 2004 (überarbeitet 2008 und 2015) unmittelbar an die privaten Agenturen und gilt als Expertenrecht.261 Angesichts des zum Zeitpunkt der Veröffentlichung weitgehend fehlenden gesetzlichen Rechtsrahmens wäre der Vorwurf eines exekutiven Übergriffs in die legislative Köndgen AcP 206 (2006) 477, 494. Köndgen AcP 206 (2006) 477, 505. 257 Zu den ohnehin bestehenden Leistungsgrenzen einer an öffentlich-rechtliche Prinzipien gebundenen privaten Tätigkeit noch 8. Kapitel: A.III.4 (S. 247 ff., 249). 258 Tendenziell anders Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F36. 259 Zur IOSCO Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 145. 260 IOSCO, Principles for Auditor Oversight, Oktober 2002, sowie IOSCO, Regulatory principles regarding conflicts of interest for financial analysts, 25.9.2003. 261 IOSCO, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, Mai 2008 bzw. März 2015. Zu den Hintergründen und Inhalten der Fassung von 2008 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 148 ff., 151. 255 256

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Verantwortung sicher verfehlt.262 Entscheidend gegen ein Legitimationsproblem dürfte nicht zuletzt sprechen, dass die IOSCO auf Vorgaben zur Umsetzung verzichtete. Die Erwartung, dass sich die Agenturen unter einem gewissen Gruppendruck eigene Verhaltenskataloge geben würden, erfüllte sich zwar.263 In der Nachschau wird die Zurückhaltung der IOSCO bei der Vorgabe wirksamer Durchsetzungsmodi aber kaum als Stärke gewertet werden können. Mit der EG-RatingVO von 2009 wurden die seit dem 64. Deutschen Juristentag 2002 verstärkt aufgekommenen Forderungen nach verbindlicher Rahmengebung aufgegriffen.264 Der spät erkannten staatlichen Steuerungsverantwortung kam die Europäische Union im Wege einer (zweifelsohne zulässigen)265 Rezeption des IOSCO Code nach.266 In der Zusammenschau erweist sich das Ringen um die Legitimation der nicht unmittelbar in die Staatsverwaltung eingegliederten Regelsetzer – DPR, DRSC, IASB, BIZ/BCBS und IOSCO – als fortlaufender Entwicklungsprozess, zweifelsohne mit Anfälligkeiten für die bekannten Schwächen (rent seeking und regulatory capture).267 Nicht zu übersehen ist, dass die private Informationsintermediation für die Finanzmarktregulierung „wesentlich“268 ist. Die private Standardsetzung bei der Rechnungslegung wird angesichts ihrer auch transnational verfestigten Strukturen eingeordnet als „höchste Stufe in der Rechtsquellenhierarchie, die privat gesetztes Expertenrecht bisher erklommen hat“.269 Forderungen nach größerer staatlicher Einflussnahme sind letztlich nur aufrechtzuerhalten, wenn und wo das zur Aufgabenbewältigung erforderliche Niveau der Information und ihrer Verarbeitung durch staatliche Stellen hinreichend rasch erreicht werden kann.270 Bei der Forderung nach einer verstärkten Rückbindung der privaten Standardsetzung an die Politik ist zwischen der Einrichtung von Informationsrechten, etwa auch Konsultationsverfahren, und der Einräumung von Mitbestimmungsrechten im eigentlichen Sinne zu unterscheiden. In der Staatsschuldenkrise von 2009 hatten Regierungen die (ordnungsgemäßen) Herabstufungen von Staatsanleihen durch Ratingagenturen verurteilt. Das wirft Zweifel an der Einräumung echter Mitbestimmungsrechte auf.271 Übrig bleibt (erneut) die FordeVergleichende Aufnahme des Regelungsbestands bei Blaurock ZGR 2007, 603, 639 ff. Im Einzelnen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 154 ff. 264 Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F128, F132. 265 Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H29 zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Regulierungsausfalls. 266 Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 211. 267 Zu diesen Grundsatzproblemen 8. Kapitel: A.II.2.b (S. 222). 268 Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F37. 269 Köndgen AcP 206 (2006) 477, 493. 270 Mit dem Vorwurf mangelnder Methodenkenntnis der Finanzaufsicht ist kaum etwas gewonnen; vgl. aber Black 75 MLR 1037, 1061 (2012). 271 Näher zum Problemkreis 9. Kapitel: B.III.2 (S. 304). 262 263

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rung nach Komplexitätsreduzierungen. Sie wäre bestenfalls punktuell durchzusetzen.272 Entzerrende Maßnahmen wie das besprochene Verbot von Leistungskombinationen der Intermediäre können aber bei erkennbarer Unfähigkeit des Markts zur Informationsauswertung erforderlich sein.273 4. Abwehr-, Schutz- und Gewährleistungsansprüche Eingriffe in die private Informationsintermediation sind in das verfassungsrechtliche System der Grundrechtsgewährleistungen einzupassen. Auf Seiten der teilweise berufsständisch organisierten Intermediäre werden Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen aus der Meinungs-, Vereinigungs- und Berufsfreiheit aus Art. 5, 9, 12 GG erwogen. Im Einzelnen ist darauf bei der Haftung für bewertende Aussagen zurückzukommen, denen zumindest ein Anteil an freier Meinung nicht abzusprechen ist.274 Die Vereinigungsfreiheit ist bei der Regulierung der Marktteilnahmebedingungen zu beachten, z. B. der Verpflichtung auf die Kammerzugehörigkeit der Wirtschaftsprüfer, grundsätzlicher bei Überlegungen einer „berufswahrenden“ Anteilseignerkontrolle oder Vorgaben zur internen Organisation. Eingriffe in die freie Berufsausübung unterliegen den in drei aufsteigenden Stufen entwickelten Rechtfertigungszwängen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.275 Konkrete Aussagen zum Schutzbereich der einzelnen Grundrechte und zur Rechtfertigung von Eingriffen sind angesichts der vielgestaltigen Erscheinungsformen von privaten Intermediationsleistungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Einzelfrage zu behandeln. a. Informationsintermediation und Daseinsvorsorge Zuvor stellt sich aus dem Blickwinkel der staatlichen Gewährleistungsverantwortung die Frage, inwieweit sich aus der Bedeutung der Informationsintermediation eine Pflicht des Staats ergibt, für eine Bindung an öffentlich-rechtliche Entscheidungsprinzipien zu sorgen. Die Bedeutung der Informationsintermediation ist dem Gesetzgeber durchaus bewusst: Abschlussprüfer werden auf Grundlage eines privaten Mandats aber nach Maßgabe eines gesetzlich festgelegten Prüfungsauftrags tätig, Ratingagenturen sind in die aufsichtsbehördlichen Zwecke der Eigenkapitalbemessung eingebunden und unterliegen wie Finanzanalysten detaillierten Wohlverhaltensregeln. Zur Forderung nach einem Verbot wirtschaftlich fehlgeleiteter Mehrfachverbriefung Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F53 ff., F55, aus ökonomischer Sicht Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E22. 273 Zu sinnvollen Komplexitätsreduktionen 8. Kapitel: A.III.2.c (S. 237). 274 Beim Bonitätsrating wird dieser Aspekt häufig überbetont, so dass die Verantwortung der Agenturen für die kapitalmarktliche Informationsintegrität hinter ihrer Meinungsfreiheit zurücktritt. Statt vieler Schroeter Ratings, 2014, S. 556, 786. 275 Zum Schutz speziell der freien Berufe MaunzDürigKommGG47-Scholz Art. 12 Rn. 285. 272

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Die stärkste Form der Rückbindung an öffentlich-rechtliche Prinzipien ergäbe sich aus einer Eingliederung der Einzelleistungen in hoheitliche Strukturen der Daseinsvorsorge. Entwicklungsgeschichtlich sind Überlegungen zu einer staatlichen Eigenwahrnehmung der mit der Abschlussprüfung und dem Bonitätsrating verbundenen Aufgaben nachzuweisen.276 Dass es hierzu unter Betonung von Kostengründen nicht kam, steht alternativen Maßnahmen einer Rückbindung der privaten Informationsintermediation an öffentlich-rechtliche Entscheidungsprinzipien nicht entgegen. Nicht ohne Überzeugungskraft ist die Einordnung der Bonitätsbeurteilung als Gewährleistungsaufgabe etwa in Bezug auf gesamtwirtschaftlich bedeutsame Institutionen wie systemrelevante Banken.277 Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis besteht nicht, weil Ratingagenturen als Zuordnungsobjekt der Regulierung nicht Hoheitsträger sind.278 Die Zuordnung der sie umgebenden Verhaltensregeln legt aber nahe, in den folgenden beiden Abschnitten darüber nachzudenken, ob die für „privatisierte“ Staatsaufgaben geltenden Grundsätze auch für private Leistungen der Informationsintermediäre Geltung beanspruchen sollten. b. Staatliche Schutzpflichten Aus der Privatisierung von Staatsaufgaben folgt typischerweise eine massive Überlegenheit einzelner Marktteilnehmer. Diese Überlegenheit ist in eine dreipolige Grundrechtsbeziehung eingebunden (Staat, privater Leistungserbringer und Leistungsempfänger). Die Folge sind sogenannte Schutzpflichten des Staats gegenüber dem Leistungsempfänger: „Die grundrechtliche Schutzpflicht schließt die offene Flanke des Grundrechtsschutzes und trägt dazu bei, dass die grundrechtlichen Güter erga omnes Sicherheit genießen.“279 Schutzpflichten richten sich an den Staat. Individuelle Leistungs- oder Abwehrrechte werden also gerade nicht begründet.280 Zu denken wäre aber an eine gestufte Struktur der Bindung privater Entscheidungen. Von Hans P. Ipsen wurde 1956 dazu eine Zwei-Stufen-Theorie entwickelt.281 Nach dieser ist das Ob der privaten Leistung öffentlich-rechtlich zu beurteilen, das Wie verbleibt hingegen auf der privatrechtlichen Ebene. Über die Nutzung öffentlicher Einrichtun276 Zu Überlegungen einer staatlichen Abschlussprüfung 5. Kapitel: B.I.1.b (S. 83) und zur Errichtung einer Europäischen Ratingagentur unter staatlicher Beteiligung 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 277 Zur Bestimmbarkeit von „Systemrelevanz“ Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G28. 278 Kurz zur herrschenden modifizierten Subjekttheorie HandkommVerwR4-Unruh § 40 VwGO Rn. 95, 107. Parallel zur Abschlussprüfung Koch Konzern 2005, 723, 727 ff. 279 Isensee in: ders. / Kirchhof, Paul (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 9, 3. Aufl., 2011, § 191 Rn. 178. 280 Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 449, 454. 281 Ipsen Öffentliche Subventionierung Privater, 1956, S. 92.

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gen und die Subventionsvergabe hinaus hat sich die Theorie allerdings kaum ausgebreitet.282 Zur Ausdehnung auf eine öffentlich-rechtlichen Prinzipien folgende Entscheidung der privaten Informationsintermediäre erscheint sie ebenso wenig geeignet wie die anerkannte grundrechtliche Drittwirkung über die zivilrechtlichen Generalklauseln, die im folgenden Abschnitt c zu besprechen sind. Der Intermediär wäre zugleich Grundrechtsberechtigter und -verpflichteter. Beispielsweise unterlägen Ratingagenturen bei der Auswahl ihrer Vertragspartner dem Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG, dürften sich aber zugleich auf die Abschlussfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen.283 Einschränkungen müssten dazu führen, dass die Intermediationsleistungen nicht mehr nach dem Angebotund-Nachfrage-Prinzip erbracht würden. Die aus der privaten Informationsintermediation zu erhoffenden Vorteile wären dann nicht zu erreichen. c. Grundrechtliche Drittwirkungen In Betracht kämen noch die aus der Diskussion um Drittwirkungen von Grundrechten auf die Privatautonomie bekannten Verpflichtungen des Leistungserbringers, dem Grundrechtsschutz des Leistungsempfängers nicht entgegenzuarbeiten.284 Konflikte zwischen einzelnen Rechtsverbürgungen wären im Wege der praktischen Konkordanz aufzulösen. Von gewinnorientiert arbeitenden privaten Informationsdienstleistern ist ein den ohnehin vagen Grundsätzen der praktischen Konkordanz folgendes Verhalten realitätsnah kaum zu erwarten.285 Nicht verstellt sind weitere Überlegungen zur Errichtung öffentlicher Institutionen, die das private Angebot von Leistungen der Informationsintermediation komplementieren. Die voraussichtlich (sehr) hohen Kosten sind gegenüber den im Folgenden zu besprechenden Chancen zielgenauer Indienstnahme privater Informationsintermediäre und typenspezifischer Regulierung abzuwägen.

B. Typologie regulatorischer Indienstnahmen Die Indienstnahme privater Dritter ist darauf gerichtet, einen Regelungserfolg durch Einwirkung auf einen Sekundärverantwortlichen zu erzielen. Die vorhandenen Ansätze wurden weder in der zuerst beschriebenen interdisziplinär geprägten Regulierungstheorie noch in der zuletzt behandelten verfassungsrechtlichen Diskussion zu einer einheitlichen Theorie der Durchsetzung regulatorischer 282 Rüfner in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 9, 3. Aufl., Heidelberg 2011, § 197 Rn. 66 f. 283 Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 463. 284 Rüfner in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Hdb. des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 9, 3. Aufl., Heidelberg 2011, § 197 Rn. 67. 285 Kämmerer Privatisierung, 2001, S. 463.

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Ziele durch Informationsintermediäre des Kapitalmarkts zusammengeführt. Versuche hierzu können nicht allein auf die Addition vorhandener Formen der Indienstnahme setzen.286 Erst die Untersuchung möglicher Typen zeigt die in Betracht zu ziehenden Gestaltungs- und Kombinationsmöglichkeiten auf: Zu beginnen ist mit der in Kriminologie und Ordnungsrecht bekannten Zuweisung spezifischer Verantwortung an den privaten Dritten.287 Weiter gehen Rechtsfolgenanknüpfungen, die dem Primärverantwortlichen erst auf Grundlage der Inanspruchnahme von Leistungen des privaten Dritten den Zugang zu bestimmten Märkten oder auch Möglichkeiten zur Befreiung von Haftungsgefahren eröffnen.288 In der kapitalmarktbezogenen Debatte hat sich für die über eine punktuelle Begleitung der Marktteilnahme hinausgehenden Leistungen die Bezeichnung als Marktzugangskontrolle (gatekeeping) durchgesetzt, die aus Elementen der zuvor genannten Typen zusammengesetzt sein kann.289

I. Verantwortungszuweisung (third-party policing) Als third-party policing werden Verantwortungszuweisungen an private Dritte bezeichnet.290 Wie bei der konventionellen Regulierung wird ein bestimmtes Verhalten oder ein Verhaltensergebnis angeordnet. Die Verpflichtung hierzu richtet sich aber nicht an den Primärverantwortlichen, sondern an den sekundärverantwortlichen privaten Dritten. Zugrunde liegt die explizite oder implizite Zielsetzung, durch eine drittbezogene Zuweisung von Verantwortung einen Regelungserfolg bei dem Primärverantwortlichen zu erzielen. 1. Einordnung Einzuordnen ist das third-party policing als ein hybrid aus hoheitlicher Pflichtenzuweisung und privater Leistungserbringung zusammengesetztes Regelungskonzept.291 Die hierfür verwendeten Bezeichnungen sind ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen.292 Im kriminologischen und ordnungsrechtlichen ZuÄhnlich in der Theorienumschau zur privaten Rechtsetzung Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 106. 287 Abschn. I. 288 Abschn. II (S. 253). 289 Abschn. III (S. 259). 290 Zum Ganzen Buerger / Mazerolle 15 Just. Q. 301, 308 (1998). Eingehend Mazerolle /  Ransley, Third Party Policing, 2005, S. 45 ff. 291 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 65. 292 Verwendet werden auch Begriffe wie multilateralization (Bayley / Shearing The New Structure of Policing, 2001, S. 9), pluralization (Jones / Newburn in: dies., Hrsg., Plural Policing, 2006, S. 1), preventative partnerships (Garland The Culture of Control, 2001, S. 141), nodal governance (Johnston / Shearing Governing Security, 2003, S. 138). Überblick bei Schuilenburg 38 Soc. Just. 71 (2012). 286

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sammenhang wird die Einwirkung auf Dritte zur Verhinderung und Kontrolle von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eingesetzt.293 Parallelen zeigen sich zu der dem öffentlichen Recht seit den 1950er-Jahren bekannten Rechtsfigur der Inanspruchnahme privater Dritter, deren Kennzeichen die Auferlegung einer öffentlichen Last ist.294 Die gedanklichen Ursprünge sind in der Transformation der Steuerungsverantwortung295 zu finden, stehen also im Zeichen zunehmender Komplexität privatwirtschaftlicher Interaktionsprozesse, damit verbundener Schwächen konventioneller Regulierung und insgesamt gewandelter Ausgangsbedingungen der staatlichen Aufgabenerfüllung.296 2. Steuerung komplexer Interaktion zwischen Privaten Regulierungstechnisch liegt die Vorstellung einer Hebeltechnik zugrunde, bei der ein ordnungsrechtlich konform handelnder Dritter (als legal lever) herangezogen wird, um aus seiner Interaktion mit einer Vielzahl möglicher Delinquenten eine exponentiell erhöhte Kontrollrate zu erzielen.297 Voraussetzung ist die besondere Befähigung des Dritten, das ordnungsrechtlich wünschenswerte Ergebnis herbeizuführen sowie – in Abgrenzung zur privaten Inanspruchnahme Dritter – die Verantwortungszuweisung durch eine hoheitliche Stelle. Formelhaft kommt die Einbeziehung privater Akteure in eine Strategie des third-party policing dort in Betracht, wo wirtschaftliche Interaktion durch ein komplexes Zusammenwirken mehrerer Privatrechtssubjekte geprägt und die damit verbundenen Entscheidungsprozesse äußerlich nicht mehr unterscheidbar sind. Die so umschriebenen Beobachtungsschwächen sind gleichermaßen Ausgangspunkt der noch vorzustellenden weiteren Typen der Indienstnahme Privater.298 Der Inhalt der Verantwortungszuweisung hängt vom Regelungskontext ab. In Betracht kommt eine Verpflichtung zur behördlichen Anzeige von Fehlverhalten des Primärverantwortlichen (whistleblowing). Besonders innerhalb laufender Geschäftsbeziehungen ist diese Strategie kaum anreizkompatibel auszugestalten.299 Infolge der Anzeige kommt es zwangsläufig zur erheblichen Erschütterung Näher Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 47. Z.B. Lohnabzugsverfahren bei der Einkommenssteuer; Ipsen in: FS Kaufmann 1950, S. 141, 145. Im Zusammenhang 8. Kapitel: A.III.2.a (S. 234) m. w. N. 295 Dazu 8. Kapitel: A.I.1 (S. 206). 296 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 5. Zu den ideengeschichtlichen Hintergründen Roberts Sociology, 2012, S. 7 ff.; Kjaer in: Madsen / Thornhill (Hrsg.), Law and the Formation of Modern Europe, 2014, S. 117. 297 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 26. 298 Zu Rechtsfolgenanknüpfung und Marktzugangskontrolle 8. Kapitel: B.II, III (S. 253, 259). 299 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 58 (1986). Zu Erfahrungen Vaughn The Successes and Failures of Whistleblower Laws, 2012, S. 50, 168. Vergleichend mit Ausgestaltungsvorschlägen Beyer Whistleblowing in Deutschland und Großbritannien, 2013, S. 241. 293 294

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der Geschäftsbeziehung. Dem whistleblower drohen Nachteile, sollte sich seine Anzeige als unrichtig erweisen. Schlecht zu vermessen sind außerdem die Gefahren einer Störung rechtlich institutionalisierter Vertrauensverhältnisse. Vor allem deshalb stießen die im US-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act 2002 angelegten Pflichten von Transaktionsanwälten auf ein whistleblowing gegenüber der Finanzaufsicht auf erhebliche Widerstände.300 Als Typus der Indienstnahme privater Dritter steht das third-party policing also nicht für ein auf Marktmechanismen gestütztes, selbstdurchsetzendes System. Die Funktionsfähigkeit der Verantwortungszuweisung hängt vielmehr von der Abschreckung des Dritten durch einen auf dessen Verhaltenssteuerung ausgerichteten Sanktionsmechanismus ab.301 Komparative Vorteile verspricht das third-party policing demzufolge vor allem, wenn der Dritte leichter abzuschrecken ist als der Primärverantwortliche.302 Dies ist in der Regel zu vermuten, wenn der Dritte geringere Vorteile aus dem Fehlverhalten zu erwarten hat als der Primärverantwortliche. 3. Geldwäschebekämpfung als Pars pro Toto Als Standardbeispiel für das third-party policing gilt die Geldwäschebekämpfung.303 Die Geldwäschebekämpfung steht im Kontext einer „Gesetzgebung für die Globalisierung“, also für Problemlösungen innerhalb einer durch grenzüberschreitende Kapitalflüsse gekennzeichneten Wirtschaft.304 Herangezogen werden insbesondere Finanzinstitute, Wirtschaftsprüfer und auch Rechtsanwälte (§ 2 Nr. 1 ff., 7, 8 GwG), weil der Geldwäschetatbestand typischerweise nur unter ihrer Mitwirkung zu verwirklichen ist (Gatekeeper-Berufsgruppen).305 Bei Vorliegen von Tatsachen, die auf Geldwäsche hindeuten, besteht die Verpflichtung zur Verdachtsanzeige (§ 11 GwG). Anreize zu diesem whistleblowing werden durch die Androhung von Bußgeldern (§ 17 GwG) vermittelt. Eine darüber hinausreichende Sanktionsstärke ergibt sich insbesondere bei berufsrechtlichen Sanktionsandrohungen, also ultimativ dem Verbot fortgesetzter Berufsausübung (z. B. § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO, § 68 Abs. 1 Nr. 6 WPO). Aus öffentlich-rechtlicher Sicht unterscheiden sich solche Indienstnahmen Privater zur Verbesserung der Strafverfolgung vom Einsatz der vollziehenden Gewalt Aus deutscher Sicht Fleischer / Schmolke WM 2012, 1013. Zu den Eignungsvoraussetzungen, insbesondere zur Bedeutung des marginalen Abschreckungseffekts noch 8. Kapitel: C.I (S. 270). 302 Zum komparativen Institutionenansatz 8. Kapitel: A.II.2.c (S. 223). 303 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 51. 304 KommGwG2-Herzog Einl. Rn. 12 ff. 305 KommGwG2-Herzog Einl. Rn. 19 f.; Vogt in: Herzog / Mülhausen, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, 2006, § 2 Rn. 13. Im Einzelnen am Beispiel des KontenResearch nach § 25 a Abs. 1 Nr. 6 KWG Uibeleisen Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006. 300 301

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i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG vor allem dadurch, dass keine unmittelbare Bindung an grundrechtliche Schutzverbürgungen besteht.306 Ebenso wenig liegt eine Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben vor, weil die Übertragung einer Kompetenz zur selbständigen hoheitlichen Wahrnehmung einzelner Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen fehlt. Die Indienstnahme des privaten Intermediärs verbleibt also im Bereich einer Regelung der Berufsausübung i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG. Die nicht verstummende Kritik an der Art und Weise der Geldwäschebekämpfung richtet sich gegen den Rückgriff auf private Dritte zu Strafverfolgungszwecken.307 Damit verbinden sich nicht zwingend Zweifel an der grundsätzlichen Tauglichkeit der Regelungsstrategie, sondern vor allem an ihrem konkreten Einsatz. Für bedenklich gehalten wird, dass die den Strafverfolgungsbehörden gelieferten Informationen offenbar nicht allein zur Geldwäscheprävention oder -repression, sondern auch zur Aufdeckung anderer Verfehlungen dienen oder für fiskalische Ziele, also die Besteuerung, verwendet werden.308

II. Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory license) Unter der Bezeichnung regulatory licensing wurde die von Frank Partnoy im Jahr 2001 geäußerte Kritik an der regulatorischen Indienstnahme von Ratingagenturen in die Debatte um die private Informationsintermediation am Kapitalmarkt eingebracht.309 Die von Partnoy aufgezeigten Schwächen einer Anknüpfung von Rechtsfolgen an Beurteilungen privater Dritter sind nicht auf Ratingagenturen begrenzt. Die Folgen regulatorischer Einbindungen Privater (enrollment) werden als regulatorische Indienstnahmen auch in anderen Kontexten diskutiert.310 Gemeinsames Kennzeichen ist die privatwirtschaftliche Leistungserbringung durch einen Dritten und eine Rechtsfolgenanknüpfung, die dem Primärverantwortlichen den Zugang zu einem bestimmten Markt ermöglicht oder ihn von Haftungsgefahren befreit. 1. Einordnung Dem regulatory licensing wird beispielsweise der Einsatz privater Stellen zur Zertifizierung der Produktsicherheit zugeordnet.311 Ein regulatory licensing liegt bei Zertifizierungen vor, wenn das jeweilige Produkt erst nach seiner Begutachtung 306 Zum Folgenden Rüpke in: Herzog / Mülhausen (Hrsg.), Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, 2006, § 55 Rn. 1. 307 Kirchhof in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2003, S. 79, 81 ff. 308 KommGwG2-Herzog Einl. Rn. 164 ff. 309 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491 (2001). Zur Diskussion nachfolgend und 8. Kapitel: B.III.3 (S. 263 ff.) m. w. N. 310 Black 75 MLR 1037, 1051 (2012). Siehe auch Köndgen AcP 206 (2006) 477, 523. 311 Zu Underwriters Laboratories, einer im Jahr 1901 von der US-amerikanischen Versicherungswirtschaft errichteten Zertifizierungsstelle Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 507 (2001).

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und ggf. nach dem Erwerb eines Gütesiegels einer aufsichtsrechtlich anerkannten Stelle in den Verkehr gebracht werden darf. Der zu erzielende Komplexitätsgrad reicht über das zuvor beschriebene third-party policing hinaus, weil im Wege des regulatory licensing Marktmechanismen eingebunden werden können. Entscheidend sind zwei Beobachtungen: Erstens bleibt die Inanspruchnahme des privaten Dritten der privatwirtschaftlichen Entscheidung überlassen, ist ihm also nicht als öffentliche Last auferlegt. Zweitens untersteht der Dritte keinem öffentlichen Befehl, z. B. keiner mechanischen Anzeigepflicht (whistleblowing), sondern erbringt eine eigenständige Beurteilung. Diese Beurteilung kann gleichsam stichtagsbezogen sein und bloß einmalig erbracht werden. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zu der in späteren Abschnitten zu beschreibenden begleitenden Marktzugangskontrolle (relational gatekeeping).312 Von reiner Selbstregulierung kann bei hoheitlicher Rechtsfolgenanknüpfung nicht gesprochen werden. Als regulierte Selbstregulierung oder Metaregulierung lässt sich die Strategie einordnen, wenn die Anerkennung der Zertifizierung für regulatorische Zwecke eine Einhaltung bestimmter Verhaltens- oder Organisationspflichten durch den Dritten voraussetzt.313 Begrifflich steht das regulatory licensing der verwaltungsrechtlichen Konzessionierung nahe.314 In Ermangelung der eigenständigen Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelt es sich aber nicht um eine Beleihung und wegen der fehlenden hoheitlichen Weisungsbefugnis auch nicht um die Inanspruchnahme eines Privaten als Verwaltungshelfer. 2. Explizite und implizite Rechtsfolgenanknüpfung Rechtsfolgenanknüpfungen wie die regulatorischen Inbezugnahmen von Bonitätsbeurteilungen sind Gegenstand der aktuellen Diskussion um die Marginalisierung staatlicher Verantwortung und Systemgefahren infolge der Einbeziehung privater Zertifizierungen in die Finanzmarktregulierung.315 Bei den insoweit ins Auge gefassten Konstellationen handelt es sich um explizite Rechtsfolgeanknüpfungen, im Falle des Ratings mit dem Ziel einer genaueren Bemessung des Eigenkapitals von Finanzinstituten (Basel II) und damit verbunden dem Zugang der Emittenten zu Finanzierungsquellen. Explizite Anknüpfungen an private Leistungen unterliegen den allgemeinen Grenzen marktbasierter Regelungskonzepte316 und können angesichts der Friktionen des kapitalmarktlichen Informationsmarkts zu weit gehen.317 Dazu 8. Kapitel: B.III (S. 259). Zu Metaregulierung und eingebetteter Selbstregulierung 8. Kapitel: A.II.2 (S. 219 ff.). 314 Zur verwaltungsrechtlichen Parallele der regulatory delegation Bamberger 56 Duke L.J. 377, 386 (2006). 315 Zum Stand der verfassungsrechtlichen Debatte 8. Kapitel: A.III.2 (S. 234). 316 Dazu 8. Kapitel: A.II.3.c (S. 227). 317 Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273 f., 292. 312 313

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Soweit Informationsbedürfnisse des Markts bestehen, ist der Erfolg einer Reduzierung der Rechtsfolgeanknüpfungen durch die Verfügbarkeit von Alternativlösungen bedingt, die etwa beim Rating als kritisch beurteilt werden.318 Gerade der grenzüberschreitende Kapitalaustausch ist auf universell verständliche Standardisierungen von Informationen angewiesen, wie sie die leicht zu erfassenden Symbolkennzeichnungen der Bonitätsratings bieten.319 Die Reduzierung regulatorischer Inbezugnahmen könnte bei nach wie vor bestehendem Informationsbedürfnis demnach ohne Auswirkung auf die tatsächlichen Informationsprozesse bleiben, wenn sich die Verwendung der Leistungen von Informationsintermediären auf privater Ebene fortsetzt.320 Ein vollständiges Bild von der Funktionsweise der Regulierungsstrategie des regulatory licensing ergibt sich vor diesem Hintergrund erst unter Berücksichtigung der schwerer zu erkennenden impliziten Rechtsfolgeanknüpfungen. In der Diskussion um die verfassungsrechtliche Legitimation des Expertenrechts werden haftungsrechtliche Sorgfaltsstandards wie § 276 BGB als privatrechtliche Inklusionsnormen321 bezeichnet, weil sie geeignet sind, Expertenmeinungen in die richterliche Beurteilung einzubringen.322 Diese Inklusionswirkung erfährt in Bezug auf Experteninformationen durch die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG aufgenommene business judgment rule gesetzliche Verankerung. Vorgesehen ist dort ein Haftungsfreiraum (safe harbor) für unternehmerische Entscheidungen, sofern der Vorstand „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Den Anforderungen kann – wie nach dem zugrunde liegenden US-amerikanischen richterrechtlich entwickelten Ansatz323 – je nach Transaktionskontext etwa durch die Einholung eines Wirtschaftsprüfertestats genügt werden.324 Abhängig vom Grad der Standardisierung der betreffenden Transaktionen kommt ein Ausweichen auf andere Informationsquellen nicht in Betracht. Beispiele für Verfestigungen dieser Art finden sich insbesondere im Zusammenhang mit Großtransaktionen, wie Unternehmensakquisitionen oder Börsengängen.325 Teilstücke der transnationalen Praxis sind die besprochenen unter318 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 347. Zu den Alternativen der Rechtsfolgeanknüpfung an Bonitätsratings Darbellay / Partnoy in: Hill / McDonnell (Hsrg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 273, 290 f. 319 Schroeter Ratings, 2014, S. 87. 320 Näher 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254), 10. Kapitel: B.II.2 (S. 328). 321 Schanze in: Nobel (Hrsg.), International Standards and the Law, 2005, S. 83, 84, 90 ff. 322 Dazu Köndgen AcP 206 (2006) 477, 520. 323 Zur maßgeblichen Escott-Rechtsprechung Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 514, 531 et seq. (2001). 324 Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden der deutschen Regelung GroßkommAktG5Hopt / Roth § 93 Rn. 18, 21. Eingehend v. Hein Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 913. 325 Zu verfestigten Formen des Zusammenwirkens mehrerer Informationsintermediäre Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1647 (2010) m. w. N.

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jährigen Zertifizierungen des Wirtschaftsprüfers (comfort letters) oder Angebotsbewertungen durch die Analyseabteilungen von Banken (fairness opinions).326 Auch ohne explizite Nennung im gesetzlichen Haftungstatbestand ergibt sich ein rechtssicherer Haftungsfreiraum nur bei Einholung der für die jeweilige Transaktion üblichen Drittbeurteilung.327 Wie bei der expliziten Rechtsfolgenanknüpfung kommt regelmäßig nur eine bestimmte Gruppe für die Erbringung der betreffenden Leistung in Betracht, mit der Folge, dass sich für die Gruppenmitglieder aus der impliziten Rechtsfolgenanknüpfung eine faktische Rechtsgewährung (entitlement) ergibt.328 3. Bewertung durch Wettbewerbskräfte bei Umfeldkomplexität Die Zertifizierung durch private Dritte ist zur Überwindung von Bewertungsschwächen einsetzbar.329 Die Funktionsweise wird im finanzmarktlichen Kontext, aber auch darüber hinaus als marktbasierte und risikoorientierte Herstellung regelkonformen Verhaltens beschrieben.330 Durch den Rückgriff auf Marktmechanismen sollen die Anreize zu regelkonformem Verhalten an die Zahlungsbereitschaften der Handelnden geknüpft werden. Einer solchen aktuarischen Logik folgt die Ausgestaltung einzelner Pflichtversicherungen wie Vertrauensschadensversicherungen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 KWG).331 Die Prämienhöhe wird in der Regel nach den institutsintern vorhandenen Vorkehrungen zur Vermeidung von Schadensfällen bestimmt.332 Marktmechanismen kommen hierbei auf mehrfache Weise zum Einsatz: Zum einen verfügen die im Wettbewerb um die niedrigste Versicherungsprämie stehenden Versicherungsanbieter über Anreize zu einer möglichst genauen Einschätzung von Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit.333 Zum anderen ergeben sich für den primärverantwortlichen Versicherungsnehmer Anreize, glaubhafte Vorkehrungen zur Vermeidung von Versicherungsfällen zu treffen, um die Prämienhöhe zu senken. Die Versicherungspflicht aktiviert also, vermittelt über die private Prüfungsleistung des Versicherers, eine an Marktpreisen möglicher Verstöße orientierte Zahlungsbereitschaft des Verantwortlichen.

Fleischer in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2753, 2754 ff. zu fairness opinions. Smith v. van Gorkom, 488 A.2d 858, 874-77 (Del. 1985). Rechtspolitische Bewertung bei Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 523 ff. (2001). 328 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 523 (2001). 329 Übergreifend McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004). 330 Mazerolle / Ransley Third Party Policing, 2005, S. 93. Im Einzelnen Anleu / Mazerolle /  Green / Presser 22 L. & Pol’y 67 (2000). 331 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1634 (2010). 332 Dazu Bigus / Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008, S. 103 ff., 121 ff. 333 Einzelheiten bei Anleu / Mazerolle / Green / Presser 22 L. & Pol’y 67 (2000). 326 327

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4. Prospektverantwortlichkeit der Banken als Pars pro Toto Neben der Bonitätsbeurteilung durch Ratingagenturen334 gilt die Prospektverantwortung von Banken als Standardbeispiel für die regulatorische Einbeziehung von Leistungen privater Dritter im Sinne einer regulatory license (ideal transactional gate).335 Vergleichbare Rollenzuweisungen ergeben sich aus der prospektrechtlichen Unterzeichnungspflicht von Unternehmensleitern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten.336 Speziell für Banken wird durch die Zuweisung von Mitverantwortung für den Prospekt eine Einwirkungsmöglichkeit begründet. Aus dieser ergibt sich ein Vetorecht, bei dessen Ausübung der Prospekt nicht oder nicht so veröffentlicht werden kann. Dies kann bis hin zum Absehen von der Transaktion führen. Entscheidend ist die so bewirkte Rollenänderung: Die emissionsbegleitende Bank stellt nicht mehr nur Kapital und die für ihre Finanzintermediation kennzeichnenden technischen Abwicklungsleistungen zur Verfügung, sondern wird zur disziplinierenden Instanz.337 Zugrunde liegt ein Zusammenspiel privater Interessen an der Transaktionsdurchführung im Zusammenwirken mit dem Finanzintermediär, der regulatorischen Zuordnung von Prospektverantwortung und der Haftung der Bank für Prospektfehler.338 Bei Ausfall einer dieser Komponenten, z. B. des privaten Interesses am Einsatz von Finanzintermediären (Disintermediation),339 entfiele die private Disziplinierungsmöglichkeit.340 Die Prospektverantwortlichkeit der Banken richtet sich nach §§ 5 Abs. 3 Satz 2 WpPG, 32 Abs. 2 BörsG, wonach die Zulassung zum regulierten Markt gemeinsam mit der Emissionsbank (underwriter) zu beantragen ist.341 Diese Verpflichtung auf die Übernahme von Prospektverantwortung knüpft an verfestigte Praktiken der Emissionsbegleitung an.342 Bereits vor der US-amerikanischen Securities Legislation der 1930er-Jahre war die Emissionsbegleitung durch ein Finanzinstitut Voraussetzung für die erfolgreiche Platzierung von Finanztiteln am Kapitalmarkt. Möglicherweise ist aus dieser gewachsenen Praxis heraus zu erklären, dass die US-amerikanische Securities Legislation zwar eine Haftungsandrohung gegenüber Emissionsbegleitern ausspricht, im Übrigen aber Aus Sicht der relationalen Marktzugangskontrolle 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff., 268). Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 (2001). 336 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 82 (1986). 337 Coffee 52 Wash. & Lee L. Rev. 1143, 1169 (1995). 338 Kraakman 2 Yale L J. 53, 82 (1986). 339 Zu Begriff und Bedeutung der Disintermediation 6. Kapitel: B.III (S. 162). 340 Noch Langevoort 98 Harv. L. Rev. 747, 778 (1985) erwartete eine Eliminierung der Gatekeeper-Funktion von Emissionsbanken im Zuge des technologischen Fortschritts und der damit verbundenen Möglichkeiten zum Verzicht auf die (kostenträchtige) Finanzintermediation. 341 Habersack in: ders. u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 29 Rn. 27. 342 Zur Entwicklung in den USA Langevoort 98 Harv. L. Rev. 747, 769 (1985). 334 335

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– anders als das deutsche Recht – von einer Pflicht zur Inanspruchnahme des Finanzinstituts absieht.343 Die mit der Prospektverantwortung verbundene Wirkung einer Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory licence) kann demnach Folge expliziter Anordnung oder auch impliziten Ursprungs sein.344 Die unmittelbare oder mittelbare Rechtsfolgeanknüpfung an die Transaktionsbegleitung durch Emissionsbanken folgt dem Gedanken der regulatorischen Einbeziehung eines zur Umsetzung der Transaktionsziele wirtschaftlich notwendigen Intermediärs. Unterschiede zu der zuvor behandelten Verantwortungszuweisung (thirdparty policing), insbesondere im Wege von Anzeigepflichten (whistleblowing),345 ergeben sich auf zweifache Weise: Erstens ist das Eigeninteresse der Emissionsbank am Zustandekommen der Emission mit öffentlich wahrnehmbaren Reputationsgewinnen oder -verlusten verknüpft. Maßgeblich hierauf gründet sich die seit den 1980er-Jahren in der rechtsökonomischen Forschung erschlossene Rolle der Banken als kostengünstige Überwachungsinstanz der Kapitalgeber.346 In der Regel, wenngleich nicht zwingend, verfügt die Prospektverantwortung übernehmende Bank über gewachsene Erfahrungen mit diesem Emittenten. Von den in folgenden Abschnitten zu erörternden Chancen einer relationalen Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre muss sich dies gerade bei einer fortlaufenden Geschäftsbeziehung nicht zwingend unterscheiden. Bei der Emissionsbegleitung handelt es sich aber um die Begleitung einer spezifischen Transaktion, so dass regulatorische Anknüpfungen ihrer Struktur nach auf eine punktuelle Leistung gerichtet sind. Zweitens sind die Ertragsinteressen der Bank mit dem Erfolg der Einzeltransaktion verknüpft. Die Emissionsbank ist demzufolge gerade kein außenstehender Dritter, sondern hat – nach dem Kern ihres Geschäftsmodells – auf die Erträge aus dieser Transaktion zu setzen. Daraus erklärt sich das von der IOSCO rechtsordnungsübergreifend erwogene Abstandnahmegebot etwa bei überwiegendem Kreditrückzahlungsinteresse des Finanzinstituts gegenüber dem Emittenten oder mit ihm im Konzernverbund stehenden Unternehmen.347

III. Marktzugangskontrolle (gatekeeping) Die für die vorliegende Untersuchung titelgebende Marktzugangskontrolle (gatekeeping) kann durch Elemente der bis hierher beschriebenen Typen einer Indienstnahme privater Dritter (third-party policing, regulatory licensing) angereiTuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1592 (2010). Zu dieser Unterscheidung soeben 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254). 345 Näher 8. Kapitel: B.I.2 (S. 251). 346 Hopt Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, Rn. 65 ff.; Tuch 96 Va. L. Rev. 1583 (2010) m. w. N. Zu den ökonomischen Grundlagen 6. Kapitel: C.II (S. 165). 347 IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Final Report, November 2007. Näher dazu Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 95. 343 344

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chert sein. Eigene Konturen gewinnt das gatekeeping durch seinen relationalen Charakter, also die kontinuierliche Begleitung der Marktteilnahme im Wege der fortgesetzten Bereitstellung von Intermediationsleistungen. 1. Einordnung In die rechtsökonomisch geprägte Regulierungstheorie wurde die Schleusen- oder Torwächter-Metapher der Marktzugangskontrolle (gatekeeping) von Reinier H. Kraakman im Jahr 1986 eingebracht.348 Weiter zurückzuverfolgen sind die Ursprünge auf das im Kontext soziologischer Bildungsforschung noch 1947 von Kurt Lewin verwendete Begriffspaar gates and channels und seinen Studien zur Lebensmittelauswahl in privaten Haushalten.349 Hinzuweisen ist außerdem auf die der Kommunikationswissenschaft zuzuordnende Untersuchung zur Rolle von Fernschreibredakteuren durch Manning White von 1950.350 Als maßgeblich für den Zugang zum Informationsangebot beurteilte er erstens personenbezogene Faktoren wie das Publikumsinteresse und die individuelle Neigung zur Ablehnung von Propaganda, zweitens technische Zwänge, wie die Druckseitenbegrenzung, sowie drittens die für Nachforschungen zur Verfügung stehende Zeit. In Ermangelung eines kohärenten Konzepts der Marktzugangskontrolle blieben diese und manche weitere Untersuchungen351 zunächst ohne konkreten normativen Ertrag. Erst die von Kraakman352 vorgeschlagene Fokussierung auf Reputationsintermediäre lieferte einen Analyserahmen zur Erfassung der Rolle insbesondere von Wirtschaftsprüfern und Emissionsbegleitern als Kontrolleure des Marktzugangs.353 Kraakmans Forschung stand im Kontext der sich in den 1970erKraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). Lewin 1 Human Rel. 5 (1947), 143, 145 (1947), zweiteilig, beschäftigte sich mit Möglichkeiten zur Veränderung von Essgewohnheiten. Er unterschied letztlich nach Weichenstellungen für die Annahme oder Ablehnung bestimmter Lebensmittel, z. B. Gemüsegeschäft, Hausgarten, Küchenzubereitung, Esstisch. 350 White 27 Journalism Q. 383 (1950) erweiterte die von Lewin eingebrachten Überlegungen um individuelle Faktoren des Torwächters (gatekeeper), z. B. eigene Wahrnehmungen oder Beeinflussungen durch die Presse. Aufarbeitung bei McGinty Gatekeepers of Knowledge, 1999, S. 2. 351 Z.B. sind Ausschüsse des US-amerikanischen Kongresses als Gatekeeper im Rechtsetzungsprozess beschrieben worden; Denzau / McKay 27 Am. J. Pol. Sci. 740 (1983). Bei führenden Zeitschriften, unter anderem in der Psychologie, wird die übliche peer review mit diesem Begriff belegt; Harcum / Rosen The Gatekeepers of Psychology, 1993. Ebenso in der Kriminologie Jupp Methods of Criminological Research, 1989, S. 134. 352 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986) aufbauend auf Gilson 94 Yale L.J. 239, 288 (1984) zu Wirtschaftsanwälten; Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 613 (1984) zu Emissionsbanken. 353 Einordnung bei v. Hein Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 517. Zum Stand GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 47 ff., 50. 348 349

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Jahren erneut häufenden unternehmerischen Missstände, darunter insbesondere Fälle des Bilanzbetrugs. Seine Untersuchung richtete er vor diesem Hintergrund aus auf „private parties who are able to disrupt misconduct by withholding their cooperation“.354 Eine Beschränkung allein auf diejenigen Intermediäre, die ein Fehlverhalten des Primärverantwortlichen tatsächlich oder rechtlich unterbinden können, war in der von Kraakman gewählten Ausrichtung nicht angelegt.355 Spätestens seit der von John C. Coffee unter dem Haupttitel „Gatekeepers“ veröffentlichten Monographie von 2006 hat sich eine auf die Wirkungsweise bezogene und weitergefasste Beschreibung durchgesetzt: „an agent who acts as a reputational intermediary to assure investors as to the quality of the ‘signal’ sent by the corporate issuer“.356 Durch diese Begriffsbestimmung sind neben Emissionsbegleitern vor allem Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten zu erfassen, ohne dass damit eine abschließende Aufzählung angedacht wäre.357 Das in der eben genannten Begriffsbestimmung zum Ausdruck kommende funktionale Verständnis ist spätestens seit der von international führenden Gesellschaftsrechtswissenschaftlern in erster Auflage 2004 vorgelegten „Anatomy of Corporate Law“ bekannt: „[…] ‘gatekeepers’ in the sense that their participation is generally necessary, whether as a matter of practice or of law, to accomplish the corporate transactions that are the ultimate focus of the enforcement efforts. […] ‘gatekeeper control’ […] works by harnessing the control that gatekeepers have over corporate transactions, and giving them a strong incentive to use that control to prevent unwanted conduct.“358

Noch vereinzelt zu findende Zweifel an der Einordnung der Finanzanalysten als gatekeeper erklären sich vorwiegend aus dem jeweiligen Forschungskontext. Insbesondere die intensiv geführte Diskussion um die Gatekeeper-Haftung ist auf die Beurteilung von Rechtsinstituten ausgerichtet, die in unterschiedlichem Maße eine (rechts-)tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Informationsintermediärs voraussetzen.359 Der Begriff der „gatekeeper liability“ wird von USamerikanischen Gerichten allgemein zur Beschreibung bzw. zur Eingrenzung von Verantwortungskreisen verwendet und unterliegt dementsprechend fortlauKraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1664 ff., 1670 (2010) räumt dies zwar ein, misst aber die Einordnung einzelner Intermediärleistungen als gatekeeping an der rechtstatsächlichen Verhinderungsmöglichkeit von Fehlverhalten („ability to monitor and control corporate conduct“). 356 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 2. 357 Statt vieler Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, mit Beiträgen von Painter zu Transaktionsanwälten (S. 255), Darbelly / Partnoy zu Rating-Agenturen (S. 273), Cunningham zu Rechnungslegung und Prüfung (S. 298), Fisch zu Finanzanalysten (S. 315) und Frankel zu Emissionsbanken (S. 352). 358 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 42 f. 359 Statt vieler Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1664 ff., 1670 (2010) m. w. N. 354 355

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fendem Wandel. Beispielsweise erwog der Delaware Chancery Court im Jahr 2015 die Erstreckung auf eine beratend tätige Investmentbank.360 Auf Grundlage des gewachsenen funktionalen Verständnisses vom gatekeeper als berufsmäßigem Leistungserbringer, der durch Einsatz oder Versagung seiner Reputation auf den Marktzugang des Emittenten einwirken kann, sind die hier behandelten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts zweifelsohne zu erfassen: „In screening financial information, auditors, credit rating agencies, and financial analysts enhance the trustworthiness of the information by implicitly plediging their reputational capital, which they may have accumulated over many years and many clients.“361 Normativen Niederschlag findet dieses Verständnis in dem auf die Finanzmarktkrise 2008 erlassenen US-amerikanische Dodd-Frank Act von 2010, der Ratingagenturen ausdrücklich als „gatekeeper“ mit Funktionen bezeichnet, die denen eines Wirtschaftsprüfers oder Finanzanalysten vergleichbar sind.362 In Abgrenzung zu den als third-party policing und regulatory licence diskutierten Indienstnahmen privater Dritter greift das gatekeeping weiter aus, weil es auch Formen privater Zertifizierung oder Bewertung einbezieht, die wie die Finanzanalyse ohne expliziten regulatorischen Befehl an den Dritten und auf Seiten des Emittenten ohne direkte Rechtsfolgenanknüpfung an das Intermediationsergebnis auskommen.363 Einerseits ist mit der in diesem Sinne funktionsorientierten Theorie der Marktzugangskontrolle der Einwand der Zufälligkeit aufzufangen, der gegen eine auf positivistische Beschreibungen aktuell vorhandener Formen des third-party policing oder regulatory licencing zu erheben wäre. Andererseits stellt sich das Problem verschwimmender Grenzziehungen in Bezug auf weitere private Dienstleistungen, denen faktische Auswirkungen auf den Marktzugang beizumessen sind. Vollständig aufzulösen ist dieser Zielkonflikt nicht.364 Mit Blick auf die hier behandelte Informationsintermediation am Kapitalmarkt wirkt er sich aber nicht aus. 360 In re Del Monte Foods Co. Shareholder Litig. 25 A.3d 813 (Del. Ch. 2011). Dazu Daeniker GesKR 2016, 366 f. 361 Hertig / Kraakman / Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl., 2009, S. 275, 298 (in der 3. Aufl., 2017, S. 243, 263, richten die Autoren Enriques /  Hertig / Kraakman / Rock ihren Blick auf die Marktzugangskontrolle durch „auditors, investment bankers, securities law firms, and sponsors“ und zeigen damit die funktionale Reichweite des Gedankens auf). Zur Einordnung in das kapitalmarktliche Institutionengefüge Black 48 UCLA L. Rev. 794, 786 (2001). Zur Vergleichbarkeit von Rating und Finanzanalyse GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 50. 362 Section 931(2) Dodd-Frank Act. 363 GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 47 ff., 50. Zu enges Begriffsverständnis demgegenüber bei Hunt 1 Colum. Bus. L. Rev. 109, 198 (2009) der das „gatekeeper-framework“ auf Intermediäre beschränken möchte, die diese Rolle notwendigerweise übernehmen müssen. 364 Ansätze bei GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 53.

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Zur eigenständigen Kategorie wird die Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre des Kapitalmarkts vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer fortlaufenden Einbindung in den Preismechanismus eines mit dem Austauschmarkt verbundenen Informationsmarkts.365 Die Leistungen von Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanzanalysten sind (in unterschiedlichem Maße) durch den Angebot-und-Nachfrage-Mechanismus im Austausch- und Informationsmarkt bedingt. Die sich daraus ergebende Anreizstruktur findet sich nicht oder jedenfalls nicht so bei anderen Formen der Marktzugangskontrolle privater Dritter, wie etwa den Zertifizierungsstellen zur Produktsicherheit.366 2. Relationale Überwachung der Marktteilnahme Die Regulierung der Informationsintermediation und ihre Einbindung in regulatorische Zusammenhänge sind Teilelemente einer durch private Leistungen angereicherten Finanzmarktsteuerung.367 Das vertragstheoretische Erklärungskonstrukt der durch wechselseitige Abhängigkeiten gekennzeichneten relationalen Bindung wird auch in anderen Regelungskontexten, z. B. dem der Netzwerkindustrien verwendet.368 Angesichts der Unvorhersehbarkeit oder Nichtbeschreibbarkeit künftiger Ereignisse weisen Langzeitbindungen ein hohes Maß an Unvollständigkeit auf. Zu den Reaktionsmöglichkeiten zählt die Errichtung einer trilateralen Governance-Struktur, also die fortlaufende Lückenfüllung im Wege der Zuweisung von Entscheidungsrechten an einen Dritten.369 An der Entwicklungsgeschichte der kapitalmarktlichen Informationsintermediation sind die Bedürfnisse zur Errichtung von Vermittlungsinstanzen im Gefüge von Maßnahmen der Offenlegung (Emittenten) und der Informationssuche (Investor) nachzuweisen. Die Abstimmung über die Intermediärleistung bleibt aber angesichts der mit der Interessenkoordination verbundenen Transaktionskosten unvollständig. Die Zielgenauigkeit einer regulatorischen Nachbildung vollständiger Absprachen (market mimicking) ist demgemäß an privaten Bedürfnissen zur Überwindung von Informationsasymmetrien im relationalen Gefüge zwischen Anbieter und Nachfrager zu messen. Für die kontinuierliche Überwachung verspricht die private Informationsintermediation Vorteile, soweit der Intermediär im Rahmen seiner fortlaufenden Geschäftstätigkeit zur Aufdeckung oder Unterbindung von Fehlverhalten bei-

Im Einzelnen 6. Kapitel: D.III (S. 173). Deshalb bieten sich Vergleiche zu Zertifizierungsstellen bestenfalls zur Annäherung an; zu diesen Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 506 ff., 510 (2001). 367 Übergreifend McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004). 368 Beispielsweise Levy / Spiller 10 J.L. Econ. & Org. 201 (1994) zu privaten Netzwerkbetreibern. 369 Grundlagen bei Williamson 22 J.L. & Econ. 233, 248 ff. (1979). Zur Ideengeschichte im Zusammenhang mit dem Wandel der Steuerungsaufgaben 8. Kapitel: A.I.1 (S. 206). 365 366

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tragen kann.370 Eine solche begleitende Überwachung (chaperone) verspricht Vorteile bei der Steuerung komplexer privater Interaktion, die durch eine nur punktuelle Kontrollleistung (bouncer), etwa durch gegebenenfalls nur einmalig tätig werdende Emissionsbegleiter, nicht nutzbar sind.371 Innerhalb einer fortlaufenden Geschäftsbeziehung kann der private Intermediär seine Leistung bei anfänglichen Zweifeln am regelkonformen Verhalten des Primärverantwortlichen vollständig versagen (Veto), vor allem aber seine Beurteilung anpassen. Beides, auch die Versagung der privaten Dienstleistung (red flag), erfolgt auf privater Ebene (implizites whistleblowing). Für den Primärverantwortlichen ist dies weniger einschneidend als die für ein third-party policing typischen Anzeigepflichten gegenüber einer Behörde (explizites whistleblowing).372 Aus Sicht des Intermediärs weist die Möglichkeit einer nicht nach außen tretenden Verweigerung seiner Leistung schon angesichts der Wahrung bestehender Vertrauensverhältnisse ein höheres Maß an Anreizkompatibilität auf. 3. Selbstdurchsetzende Überwachung in Reputationsmärkten Die relationale Marktzugangskontrolle zielt auf eine selbstdurchsetzende Überwachung des Kapitalmarktzugangs unter Einsatz der Marktkräfte. In einem unregulierten Markt sind Angebot und Nachfrage durch die Signalstärke der Intermediationsleistung, also im Wesentlichen durch die Reputation des Intermediärs bedingt. Die Eigenschaft der Reputation als langfristiges Investitionsgut, das nicht zur kurzfristigen Gewinnerzielung aufs Spiel gesetzt wird, steht für die Kompatibilität der privaten Anreize mit dem Auftrag fortlaufender Überwachung.373 Idealerweise kommt es – einem selbstdurchsetzenden relationalen Vertrag vergleichbar – zu einem Überwachungssystem, das sich ohne weiteres Zutun der privaten Parteien oder der Regelsetzer nach den Zahlungsbereitschaften der Marktteilnehmer ausrichtet.374 Bei Existenz expliziter und impliziter Rechtsfolgenanknüpfungen ändern sich diese Ausgangsbedingungen.375 Hierin liegt die Kernaussage der bereits unter dem Begriff der regulatory licence beleuchteten Kritik von Frank Partnoy an der heute überholten Vorstellung einer allein reputationsgestützten Informations-

Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 63 (1986). Die Beispiele sind mannigfaltig. Als punktuelle Kontrollleistungen nennt Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 64 (1986) u. a. die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Waffen im Einzelhandel oder der Verschreibung von Medikamenten durch Apotheker. 372 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 58 (1986). Näher zum expliziten whistleblowing 8. Kapitel: B.I.2 (S. 251). 373 Milgrom / Roberts Economics, Organization and Management, 1992, S. 139 f., 257 ff. 374 Zum selbstdurchsetzenden Vertrag Richter / Furubotn, Institutionenökonomik, 4. Aufl., 2010, S. 186 ff. 375 Zu den Formen der Rechtsfolgeanknüpfung 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254). 370 371

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intermediation:376 Die wichtigsten Erscheinungsformen der Informationsintermediation seien nicht durch den Reputationsmechanismus, sondern durch regulatorische direkte oder indirekte Rechtsgewährungen (regulatory entitlements) bestimmt.377 Wenn sich der Reputationsmechanismus auf Seiten des primärverantwortlichen Emittenten zur Herstellung einer informationsintegren Unternehmenspublizität als ungeeignet erweise, könne für die Leistungen der Informationsintermediäre nichts anderes gelten.378 Zahlreiche Beispiele belegten, dass Leistungen der Informationsintermediation trotz häufiger Fehleinschätzungen und zudem offensichtlicher Schwächen infolge von Interessenkonflikten nachgefragt würden.379 Näher liege die Erklärung der geschäftsmäßigen Informationsintermediation aus Oligopol- oder auch Monopolrenten der kleinen Gruppen, die für die Erbringung der regulatorisch geforderten und komplexen Informationsleistungen am Kapitalmarkt in Betracht kämen.380 Der Kernaussage ist kaum zu widersprechen. Durch regulatorische Inbezugnahmen wird dem jeweiligen Informationsintermediär eine Rechtsgewährung zuteil, die nicht ohne Einfluss auf die Funktionsweise des Reputationsmechanismus bleiben kann.381 Wenn Leistungen der Informationsintermediation wegen Rechtsfolgenanknüpfungen vom Primärverantwortlichen zumindest faktisch nachgefragt werden müssen, kann der Reputationsmechanismus nur noch für Teilerklärungen des Anreizgefüges zwischen Intermediationsangebot und -nachfrage bürgen.382 Im Weiteren ist zwischen Ausgangsbefund und Regulierungsfolgefrage zu unterscheiden.383 Für den Ausgangsbefund ist zunächst an das Aufkommen der privaten Informationsintermediation als reputationsbasierte Leistung in den USA des 19. Jahrhunderts zu erinnern.384 Ohne eine Mindestakzeptanz der Abschlussprüfung oder der Bonitätsbeurteilung im Markt sind weder privatwirtschaftliche Entstehungszusammenhänge noch die späteren regulatorischen Indienstnahmen zu erklären. Überlegungen zum prinzipiellen Versagen der Anreizsteuerung durch Reputation mangels Beobachtbarkeit von Fehlverhalten fü376 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 (2001). Zur Gegenposition Coffee Gatekeepers, 2006, S. 85; Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 65 (2004). Siehe auch den Literaturüberblick bei Scholtens KuK 1993, 112. 377 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 520 (2001). 378 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 496 (2001). 379 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 526 (2001) zu fehlenden Reputationsverlusten der Investmentbanken trotz absurder Analysen, überoptimistischen Bewertungen oder offensichtlichen Bevorteilungen der eigenen Kunden. 380 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 507 (2001) mit Blick auf die Zertifizierung der Produktsicherheit durch Underwriters Laboratories, eine von der Versiherungswirtschaft eingerichtete Prüfstelle, auf deren Bewertungen in US-amerikanischen Gesetzen Bezug genommen wird. 381 Dazu bereits 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254). 382 Insoweit zutreffend Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1614 (2010). 383 Diskussion bei Schroeter Ratings, 2014, S. 74 ff. 384 Im Einzelnen 5. Kapitel: A.II (S. 55 ff.).

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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gen sich zudem nach wie vor nicht in empirische Ergebnisse zu unterschiedlichen Marktreaktionen auf Emissionen ein, die von nur einem oder von mehreren Bonitätsratings begleitet werden (Zwei-plus-Usance).385 Die Treffgenauigkeit von Bonitätsratings ist in der Rückschau außerdem nicht zwingend schwerer von außen beurteilbar als etwa die Produktsicherheit von Verbrauchsgütern.386 Begründete Zweifel an der Beurteilung als sicheres Produkt ergeben sich erst bei beobachtbarem Versagen. Ein plötzlich eintretender Zahlungsausfall wirft vergleichbare Bedenken gegen die Integrität einer hohen Bonitätseinstufung auf. Die Treffgenauigkeit von Finanzanalysen kann fortlaufend mit der Kursentwicklung abgeglichen werden. Nicht vorhersehbare Änderungen der kapitalmarktlichen Rahmenbedingungen finden ihre Entsprechung in erst später entdeckten schädlichen Langzeitwirkungen von zunächst als sicher beurteilten Baustoffen oder von Inhaltsstoffen anfänglich ordnungsgemäß getesteter Produkte der Arzneimittelindustrie. Im Vergleich der Intermediationsleistungen wird vereinzelt von weiterreichenden Möglichkeiten zur nachträglichen Qualitätsbeurteilung von Rating und Finanzanalyse gegenüber der nicht (primär) börsenkursbezogenen Informationen der Abschlussprüfung auszugehen sein.387 Als tatsächlicher Beleg für die Wirkungskraft des Reputationsmechanismus ist der Zusammenbruch von Arthur Andersen anzuführen, seinerzeit eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der big five, die nach der Kritik von Partnoy wenig anfällig für Reputationsverluste hätte sein dürfen.388 Ohne Rückgriff auf Reputationsüberlegungen kommen Erklärungen zur Einstellung des Geschäftsbetriebs von Arthur Andersen bereits vor Abschluss des (letztlich erfolglosen) Klageverfahrens im Jahr 2005 nicht aus.389 Die vorgestellten Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Reputationsintermediation sind vor diesem Hintergrund maßgeblich auf der Ebene der Regulierungsfolgefragen aufzugreifen.390 4. Mehrebenensystem der Marktzugangskontrolle Ein vollständigeres Bild von der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre vermittelt erst eine Mehrebenenbetrachtung, aus der heraus auch 385 Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 67 (2004). Zum Stand der empirischen Forschung 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180). 386 So aber Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1615 (2010) wohl unter Ausblendung der Finanzanalyse (zu dieser sogleich im Text). Allgemein zur Qualitätsbeurteilung von Produkten und Dienstleistungen Milgrom / Roberts Economics, Organization and Management, 1992, S. 264 f. Zu den zahlreichen Möglichkeiten der Qualitätsbeurteilung von Verbrauchsgütern Polinsky /  Shavell 123 Harv. L. Rev. 1437, 1445 ff. (2010). 387 Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 76 (2004). 388 Zur Rolle von Arthur Andersen beim Enron-Zusammenbruch 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 389 Arthur Andersen LLP v. United States 544 US 696 (2005). Einzelheiten bei Kelly S. Tex. L. Rev. 509 (2006). 390 Dazu 9. Kapitel: B (S. 294 ff., 302).

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die rechtliche Ausgestaltungsverantwortung schärfer zu konturieren ist.391 In diese Betrachtung einzubeziehen sind im Mindestmaß erstens die übergreifenden Funktionszusammenhänge (Mikro- und Makroebene), zweitens transaktionsbezogene Interaktionsprozesse (primärmarktliche Intermediation) und drittens fortlaufende Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Informationsleistungen (sekundärmarktliche Intermediation): Erstens ist aus Sicht der übergreifenden Funktionszusammenhänge die private Informationsintermediation nicht frei, sondern in ein System des finanzmarktlichen Individual- und Funktionsschutzes eingebunden. Auf Mikroebene steht die Individualisierung von Investitionsentscheidungen, dies häufig unter Einbeziehung weiterer Intermediäre wie Anlageberater. Auf dieser Ebene kommt den hier behandelten Leistungen der Informationsintermediäre des Kapitalmarkts bloß eine mittelbare Funktion der Marktzugangskontrolle zu, schon weil ihre Aussagen nicht auf individuelle Präferenzen zugeschnitten sind und erst im Wege der Beratung dahingehend konkretisiert werden (können). Auf Makroebene steht die öffentlich zugängliche Leistung privater Intermediäre für eine die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ermöglichende und schützende Informationsabdeckung. Erst auf dieser Ebene kommt der kapitalmarktlichen Informationsintermediation eine originär eigenständige Funktion zu.392 Zweitens ergibt sich ein transaktionsbezogenes Zusammenspiel unterschiedlicher Intermediärleistungen insbesondere am Primärmarkt, also bei Börsengängen oder Emissionen (multiple gatekeeping).393 Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten – jeweils soweit zulässig – wirken mit der emissionsbegleitenden Bank und zusätzlich mit Rechtsberatern zusammen. Dieses Zusammenwirken ist gekennzeichnet durch wechselseitige Abhängigkeiten von der Verlässlichkeit der jeweils erbrachten Teilleistung und wird vor allem aus haftungsrechtlichen Gründen durch Stellungnahmen zu den Einzelrisiken (negative assurance letters) geordnet. Auf Transaktionsebene ist also in der Regel nicht der einzelne Informationsintermediär, sondern ein Zusammenspiel mehrerer Intermediationsleistungen für die private Marktzugangskontrolle verantwortlich. Drittens sind die fortlaufenden Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Leistungen der privaten Informationsintermediation am Sekundärmarkt kaum zu erfassen. Ausgegangen wird von der Möglichkeit netzwerkgestützter Effekte wechselseitiger Überwachung.394 Belastbare empirische Belege stehen aus.395 Sie 391 GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 29 zur Abbildung der Ebenen in der Regulierung. 392 Zu den von Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 611 (1984) vorgestellten Ebenen der Informationsauswertung des Kapitalmarkts 6. Kapitel: A.I (S. 148 ff.). 393 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1591 (2010). 394 Kraakman 93 Yale L.J. 857, 890 (1984): „an interacting network of gatekeepers“. Ansätze zu Änderungen des Abschreckungsniveaus bei „presence of multiple gatekeepers“ auch bei Hamdani 77 S. Cal. L. Rev. 53, 98 ff., 111 (2003). Zum bislang unbefriedigenden Diskussionsstand Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1591 (2010) m. w. N.

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sind kaum zu erwarten. Das liegt schon an den im Zeichen privater Investitionen in den fortlaufenden Wissensaufbau zwangsläufig intransparenten Beurteilungsprozessen bei Bonitätsbewertung oder Finanzanalyse. Wie im transaktionsbezogenen Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Leistungen der Intermediäre, in gewissen Grenzen, wechselseitige Beachtung finden. Rechtlich ist dies zum Teil sogar erforderlich: Eine positive Fortbestehensprognose kann der Abschlussprüfer nicht abgeben, ohne sich zumindest mit fortlaufend herabgestuften Bonitätsbeurteilungen durch Ratingagenturen auseinanderzusetzen. Ein ordnungsgemäß handelnder Ratinganalyst wird sich vor der Abgabe einer positiven Bonitätsbeurteilung mit gegenläufigen Finanzanalysen auseinanderzusetzen haben, insbesondere wenn der betreffende Titel geschlossen zum Verkauf empfohlen wird. Dasselbe gilt bei vorausgegangener Ratingherabstufung. Soweit ersichtlich fehlen bislang noch Judikate, die diese offensichtlichen Zusammenhänge im Sinne einer Pflicht zur wechselseitigen Beobachtung von Intermediärleistungen ausformen. Im Ergebnis zeigt sich auf der für die fortlaufende Marktzugangskontrolle entscheidenden Ebene des Sekundärmarkts ein eher unscharfes Bild miteinander verschränkter Intermediationsleistungen. Auf eine über letztlich denklogische Wechselwirkungen hinausgehende Verzahnung der Einzelleistungen kann regulatorisch hingewirkt werden.396 Aus Haftungsgründen finden im Vereinigten Königreich im Vorfeld von Emissionen gemeinsame Sitzungen von Emittent, emissionsbegleitender Bank und Intermediären statt, um die Prospektinhalte abschließend zu verifizieren (formal verification meetings).397 Weiter ginge eine Strukturkonsolidierung, infolge derer die Einzelleistungen aus einer Hand angeboten würden. Wie in den USA stehen auch nach deutschem Recht vor allem die berufsrechtlichen Regeln der Wirtschaftsprüfer entgegen. Der Bestand dieser Regeln wird aus dem Druck der Berufsträger auf den Erhalt der Exklusivität ihrer Leistung erklärt.398 Vorschläge zur gleichwohl denkbaren Auflösung berufsrechtlicher Schranken betonen Effizienzgewinne infolge des Wegfalls paralleler Prüfungen durch die anderen Beteiligten.399 Hinzu kommen Chancen einer haftungsrechtlichen Verantwortungskonsolidierung, die zur eigenständigen Prüfung zwingt, also den Verweis auf die Leistungen anderer Intermediäre verstellt. Zu messen sind mögliche Vorteile an den Gefahren innerorganisatorisch nicht zu bewältigender (neuer) Akkumulationen von Interessenkonflikten, an (zusätzlichen) Möglichkeiten der Ausnutzung regulatorischer Rechtezuweisungen und an damit verbundenen (weiteren) Einbußen bei

395 396 397 398 399

Im Einzelnen 7. Kapitel: A.I (S. 201). Zum Ganzen Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1658 ff. (2010). Näher Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1658 (2010). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 104. Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1651 ff., 1663 (2010).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

der Signalstärke von reputationsgestützten Intermediärleistungen.400 Näher als die Strukturkonsolidierung dürfte die dem Recht bekannte Differenzierung bei den Verantwortungstiefen liegen, nach der Expertenleistungen zwar nicht unbesehen verwendet werden dürfen, aber bei sachgerechter Auswahl des Erstellers eben auch nicht vollständig nachzuprüfen sind. 5. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als Partes pro Toto Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse stehen für drei Leistungen der Informationsintermediation, die zum Teil regulatorisch in eine auf die Ordnung von Informationskanälen setzende Marktzugangskontrolle eingebunden sind. Das verpflichtende Abschlussprüfertestat gibt (partiellen) Aufschluss über die Funktionsfähigkeit der Unternehmensverwaltung, von der nur bei uneingeschränkt ordnungsgemäßer Rechnungslegung ausgegangen werden kann. Durch die häufig faktisch unausweichliche Bonitätsbeurteilung wird das Bestandsrisiko der Investition einschätzbar. Von Bedeutung für die Marktposition des Emittenten sind Finanzanalysen, die Aufschluss über die Entwicklungschancen geben. In der Zusammenschau stehen Funktionsfähigkeit (Prüfertestat), Bestandsrisiko (Bonitätsbeurteilung) und Entwicklungschancen (Finanzanalyse) als Partes pro Toto für die Befriedigung der bei Investitionsentscheidungen auftretenden wesentlichen Informationsbedürfnisse. Alle drei Formen der Informationsintermediation sind der begleitenden (relationalen) Marktzugangskontrolle zuzuordnen. Ihre Leistungen erbringen sie im Rahmen einer fortlaufenden geschäftsmäßigen Tätigkeit und gegebenenfalls einer längerfristigen Geschäftsbeziehung zum Emittenten. Die relationale Überwachung wird durch spezifische Verantwortungszuweisungen (third-party policing) ausgebaut: Zu nennen sind die fortlaufenden Berichtspflichten des Abschlussprüfers gegenüber dem Aufsichtsrat in Bezug auf bestandsgefährdende Risiken (§§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB, 171 Abs. 1 Satz 2 AktG).401 Ratingagenturen sind verpflichtet, die Entscheidung zum Abbruch der Verfolgung von Bonitätsmerkmalen öffentlich bekannt zu geben und zu begründen (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO). Außerdem sind regelmäßige Angaben zu den bisherigen Ergebnissen und der Änderungshäufigkeit von Ratings erforderlich (Art. 11 Abs. 2 EG-RatingVO). Von Finanzinstituten erstellte Finanzanalysen sind vierteljährlich durch die Veröffentlichung einer Gegenüberstellung der Empfehlungen zu Emittenten zu veröffentlichen, für die sie in den vorangegangenen zwölf 400 Übergreifend Mishkin The Economics of Money, Banking and Financial Markets, 9. Aufl., 2010, S. 191. Zur Diskussion Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1599 (2010). 401 Hinzu kommt die Pflicht aus § 321 Abs. 2 Satz 2 HGB, Beanstandungen in den Prüfungsbericht aufzunehmen, die für die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats von Bedeutung sind. Bei Befolgung der Empfehlung nach Ziff. 7.2.3 Satz 1 DCGK besteht die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung.

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Monaten wesentliche Investmentbanking-Dienstleistungen erbracht bzw. nicht erbracht haben (§ 5 Abs. 4 Nr. 3 FinAnV). Kombinationen der reputationsgesteuerten Marktzugangskontrolle mit gesetzlichen Rechtsfolgenanknüpfungen (regulatory licences) finden sich bei der Abschlussprüfung. Nach § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB ist die Abschlussprüfung für andere als kleine Aktiengesellschaften verpflichtend. Ohne sie kann der Jahresabschluss nicht von den Organen festgestellt werden.402 Die Bonitätsbeurteilungen externer Ratingagenturen können seit Basel II der Risiko- und Eigenkapitalbemessung zugrunde gelegt werden. Vergleichbare Rechtsfolgenanknüpfungen bestehen bei der Finanzanalyse nicht. In der Zusammenschau zeigt sich, dass es sich bei der Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre nicht um ein feststehendes, sondern um ein sowohl privat als auch hoheitlich ausgestaltbares und auszugestaltendes Konstrukt einer auf relationale Begleitung ausgerichteten trilateralen GovernanceStruktur handelt. Die hier zuletzt vorgestellte gatekeeping theory bietet ein Fundament für unterschiedliche Gestaltungen der Informationsintermediation. Zur Anreicherung kommen Komponenten hoheitlicher Verantwortungszuweisung, Rechtsfolgenanknüpfungen und nicht zuletzt die Einbeziehung privater Marktkräfte in Betracht.403

C. Gestaltungsfaktoren In seinem die moderne Gatekeeping-Diskussion eröffnenden Beitrag von 1986 arbeitete Reinier H. Kraakman vier Faktoren heraus, die zur Ausgestaltung der Marktzugangskontrolle durch private Dritte maßgeblich sind. Unter dem Eindruck zunehmender gerichtlicher Ausdehnung der Drittverantwortung ging es ihm vornehmlich um eine in sich konsistente Theorie der Intermediärhaftung.404 Die Regulierungstheorie fächerte die Überlegungen unter den vorgestellten Gesichtspunkten der Anreizkompatibilität, Metaregulierung sowie markt- und risikoorientierter Steuerung in teilweise unverbundenen Diskussionen weiter auf. Die von Kraakman verwendeten Abwägungskriterien sind geeignet, diese Diskussionsstände, die gesammelten Erfahrungen und den aktuellen Regulierungsstand zusammenzuführen. Die maßgeblichen Faktoren betreffen die Grenzen der AbAnderenfalls ist er nichtig; MünchKommHGB3-Ebke § 316 Rn. 10. In diesem Sinne bereits Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 100 (1986): „The purpose […] has not been to boost any particular gatekeeper regime but to suggest a comparative framework for evaluating these regimes.“ 404 Deutlich Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 87 (1986): „Judges who have a tacit theory of gatekeeper enforcement can, of course, use almost any doctrinal vehicle to make plausible guesses about the monitoring abilities and enforcement opportunities of third parties. But language as abstract […] simply fails to communicate these guesses, still less the complex assumptions about the mechanics of gatekeeping they reflect.“ 402 403

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schreckung Primärverantwortlicher,405 das Fehlen von Anreizen zum privaten Selbst- oder Fremdschutz,406 das Bestehen von Verhinderungsmöglichkeiten und -anreizen des privaten Dritten407 sowie die Verhältnismäßigkeit der Kosten.408

I. Grenzen der Abschreckung Primärverantwortlicher Das erste Kriterium für den Zugriff auf private Dritte betrifft die Grenzen der unmittelbaren Abschreckung des Primärverantwortlichen (limits of primary enforcement).409 Sowohl im regulierungstheoretischen als auch im verfassungsrechtlichen Diskurs werden als Schwächen der konventionellen Regulierung Probleme der Zieldefinition, Verhaltens- oder Ergebnisbeschreibung sowie der Durchsetzung erkannt.410 Gemeinsame Ursache dieser Probleme ist gerade im kapitalmarktlichen Kontext die hohe Komplexität privatwirtschaftlicher Interaktion. Die durch mehrere Akteure und Informationsgeber beeinflussten privaten Entscheidungsprozesse sind äußerlich kaum nachzuverfolgen. Die Möglichkeiten der behördlichen Aufdeckung von Fehlverhalten sind infolgedessen von vornherein begrenzt. Die Aufdeckung vorausgesetzt, kommt es auf eine sachgerechte Sanktionsbemessung an (optimal sanction), um die seit den Anfängen der rechtsökonomischen Durchdringung des Deliktsrechts in den 1960er-Jahren gerungen wird.411 Die optimale Sanktionsbemessung setzt Kenntnisse zum möglichen privaten Ertrag aus einem Fehlverhalten voraus.412 Im Zusammenhang mit den tendenziell sehr hohen Erträgen aus einem Fehlverhalten am Kapitalmarkt rücken die begrenzten Vermögenswerte des Schädigers als natürliche Sanktionsgrenze in den Blick. Mit einem den sehr hohen Ertragsmöglichkeiten entsprechenden Zugriff auf sämtliche Vermögenswerte wären jedoch schädliche Folgen für am Fehlverhalten unbeteiligte Dritte verbunden, darunter Arbeitnehmer oder außenstehende Gläubiger. Eine praktisch stets sämtliche Vermögenswerte entziehende Sanktion überginge außerdem den von George J. Stigler im Jahr 1970 herausgearbeiteten marAbschn. I. Abschn. II (S. 272). 407 Abschn. III (S. 274). 408 Abschn. IV (S. 277). 409 McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004) zum Einsatzfeld bei Versagen der Steuerung von Primärverantwortlichkeit. 410 Zu diesem gemeinsamen Ausgangspunkt moderner Regulierungstheorien 8. Kapitel: A.I.1 (S. 206 ff., 210). 411 Grundlegend Becker 76 J. Pol. Econ. 169 (1968); Calabresi The Costs of Accidents, 1970; Shavell Economic Analysis of Accident Law, 1987. Zum Stand Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 145 ff., 154. 412 Hierzu und zum Folgenden Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 56 ff. (1986); Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 499 (2001). 405 406

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ginalen Abschreckungseffekt, erschöpfte sich also in der einmaligen Abschreckung und entzöge der Sanktionsandrohung in Bezug auf fortgesetztes oder späteres Fehlverhalten (bis zur Verjährung) die Steuerungskraft.413 Kaum ausweichlich ergäbe sich eine Überabschreckung der zu regelkonformem Verhalten bereiten Marktteilnehmer, die ungewollte eigene Fehler oder solche des Sanktionsgebers einzukalkulieren hätten.414 Vor diesem Hintergrund ist im kapitalmarktlichen Kontext von prinzipiellen Lücken der auf nachträgliche Sanktionen (ex post) setzenden Verhaltenssteuerung des Primärverantwortlichen auszugehen. Diese Lücken können im Wege der Errichtung einer präventiv wirkenden Marktzugangskontrolle durch private Dritte (ex ante) geschlossen oder verkleinert werden.415 Probleme der Übermaßhaftung, wie sie bei der Haftung des Primärverantwortlichen auftreten, sind beim Intermediär etwa durch Haftungsbegrenzungen (z. B. § 323 Abs. 2 HGB) oder Pflichtversicherungen (z. B. § 54 Abs. 1 WPO) auffangbar.416 Umgekehrt zeigt sich, dass die private Marktzugangskontrolle jedenfalls nicht aus Gründen mangelnder Abschreckung des Primärverantwortlichen erforderlich ist, wenn und soweit von zielkonformen Präferenzen und hinreichender Leistungsfähigkeit des Primärverantwortlichen ausgegangen werden darf.417 Dieser Ausgangsüberlegung folgt beispielsweise das international verbreitete Börsenzulassungsverfahren im Wege der Rahmenregistrierung (shelf registration). Implizit liegt der Befreiung von kostenträchtigen Compliance-Pflichten infolge einer erneuten Prospektpflicht für Folgeemissionen die Annahme zugrunde, dass die in Betracht kommenden Emittenten über hinreichende Anreize zur Rufwahrung verfügen und sich einer möglichen Haftungsverantwortung typischerweise auch nicht wegen einer zu geringen Vermögensmasse entziehen können. Auf die Anordnung einer Indienstnahme von Reputationsintermediären kann unter diesen Bedingungen verzichtet werden.418

II. Fehlende Anreize zum privaten Selbst- oder Fremdschutz Als verfestigt gilt das zweite Kriterium, nach dem der Einsatz privater Dritter im Falle des systematischen Versagens des privaten Verhandlungsmechanismus in Betracht kommt, wenn also private Absprachen zum Selbst- oder Fremdschutz nicht zustande kommen. Im Ausgangspunkt haben Emittenten und Investoren Stigler 78 J. Pol. Econ. 526 ff. (1970). Polinsky / Shavell 69 Am. Econ. Rev. 880, 884 (1979). 415 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 500 (2001). Siehe auch McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 22 (2004). 416 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1634 (2010). Näher zur Funktionsweise markt- und risikobasierter Regulierung 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224). 417 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 92 f. (1986). 418 Coffee 52 Wash. & Lee L. Rev. 1143, 1170 (1995); Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 522 (2001). 413 414

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

die Kosten der zwischen ihnen bestehenden Informationsasymmetrien gemeinsam zu tragen.419 Die Informationen über die Qualität des Finanzprodukts sind bei erstmaligem Angebot allein dem Emittenten zugänglich. Im darauf folgenden Handel entstehen hohe Such- und Bewertungskosten, die der einzelne Investor nur selten aufzubringen bereit sein wird.420 Die Informationsvermittlung und Marktzugangskontrolle durch private Dritte liegt schon angesichts der Skalenerträge koordinierter Informationssuche und -vermittlung im beiderseitigen Interesse. Zur Herstellung hinreichender Verlässlichkeit von Informationsdienstleistungen kommt zuvorderst die Vereinbarung einer Haftung des Intermediärs in Betracht. Die Gründe dafür, dass es zu dahingehenden privaten Gestaltungen bisher nicht gekommen ist, sind vor allem in den folgenden Koordinationsproblemen zu suchen: Koordinationsprobleme auf Investorenseite bieten erste Teilerklärungen. Zwar war mit der Aufnahme der allgemeinen Revisionstätigkeit durch die Deutsch-Amerikanische Treuhand um die Wende zum 20. Jahrhundert eine private Prüfungsstelle errichtet.421 Ziele waren aber die Überwachung von Auslandsinvestitionen und der Schutz der zu treuen Händen anvertrauten Kapitalien, also die Pflicht zur Wahrung von Interessen innenstehender Kapitalgeber. Die Interessen der amorphen Gruppe der außenstehenden Investoren (und Gläubiger) wurden erst durch das AktG 1937 zum Schutzziel der Pflichtprüfung, nachdem ihre Einführung durch die Notverordnung von 1931 zunächst noch zur Disposition der Mehrheitsaktionäre gestanden haben soll. Demgegenüber hatten sich die in den USA zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommenen Bonitätsbeurteilungen der stark umworbenen Eisenbahngesellschaften zunächst frei vom regulatorischen Zugriff und zudem als vollständig investorenfinanzierte Intermediationsleistungen entwickelt.422 Zum einen wurden aber, wie bei der später aufgekommenen Finanzanalyse, nur die bekannten Finanztitel, also das Zentrum des Produktangebots, von Bonitätsbeurteilungen erfasst, nicht hingegen seine Ränder. Zum anderen fehlten bis zur erst in jüngerer Zeit erfolgten richterlichen und regulatorischen Ingriffnahme verhaltenssteuernde Sanktionsandrohungen. Koordinationsprobleme auf Emittentenseite tragen zur Vervollständigung des Bilds bei. Das Signal der Verlässlichkeit kann vom Emittenten im Wege freiwilliger Ordnungsmäßigkeitsprüfungen durch Dritte (due diligences) und der Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse gestärkt werden.423 Dass es hierzu nicht flä419 Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 540 ff. 420 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 94 (1986). 421 Zur Deutsch-Amerikanischen Treuhand und zu den im Folgenden beschriebenen Erfahrungen 5. Kapitel: A.II.2 (S. 61). 422 Ansätze bei Kraakman 2 Yale L J. 53, 77 (1986). In diese Richtung auch Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 62 (2004). 423 Alternativvorschlag zu selbstgesetzten Haftungsverantwortlichkeiten Choi 92 Nw. U. L. Rev. 916, 919, 951 (1998).

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chendeckend gekommen ist, führte Kraakman auf die zumindest anfänglich zu erwartende Skepsis des Markts im Umgang mit solchen Versprechen zurück. Erkannt wurden außerdem Rechtsunsicherheiten der Anbieter und der von diesen zu koordinierenden Dritten in Bezug auf Haftungsgefahren.424 Die Erträge aus freiwilligen Prüfungen wären also erst über die Zeit zu realisieren. Durch individuelle Anstrengungen würden Vertrauensgefüge mit kollektiver Wirkung errichtet, die sich andere Emittenten zunutze machen könnten, ohne die dem ersten Anbieter entstandenen Kosten zu kompensieren (free riding).425 Unter diesen Bedingungen unterbleibt bereits das erste Angebot. Im Wege privater Koordination der Emittenten ist das Problem nicht aufzufangen.426 Die Notwendigkeit verlässlicher Signale ist auf der Seite der Emittenten durch jeweils unterschiedliche Reputationswerte bedingt. Selbst bei fortlaufenden Drittbewertungen ist die Reputation der Emittenten für Ausbeutungen anfällig. Die Anreize hierzu sind angesichts der beschriebenen Schwankungen von Reputationswerten und der hohen Ertragsmöglichkeiten aus Kostensenkungen bei der Einwerbung von Finanzmitteln am Kapitalmarkt besonders ausgeprägt. Gerade für kleine Emittenten ergeben sich aus der im Verhältnis zur Haftungsmasse überproportional hohen Gewinnmöglichkeit starke Anreize zu opportunistischem Verhalten. In gesetzlichen Regeln zur Dritthaftung der emissionsbegleitenden Bank wie der nach section 11 Securities Act 1933 erkannte Kraakman vor diesem Hintergrund eine regulatorische Nachbildung der ohne die genannten Koordinationsprobleme zu erwartenden privaten Absprache (standard contract).427 Die Haftungsandrohung soll die Lücken des Reputationsmechanismus bei der Qualitätssicherung schließen. Nach heute verfestigtem Verständnis ist die Haftung allerdings nur ein Steuerungsinstrument.428

III. Verhinderungsmöglichkeit und -anreize des privaten Dritten Überdies kommt es für den Erfolg der Marktzugangskontrolle durch private Dritte darauf an, dass diese in der Lage sind und über – gegebenenfalls regulatorisch zu stärkende – Anreize verfügen, auf das Verhalten des Primärverantwortlichen einzuwirken. Die vorgestellten Überlegungen zur Nachbildung privater Absprachen im Wege einer gesetzlichen Haftung der Emissionsbegleiter sind auf die Dritthaftung von Informationsintermediären ausdehnbar. Wie bei der Bankenregulierung kommen weitere Steuerungsinstrumente, darunter Zulassungsregeln und regulatorische oder berufsrechtliche Ausformungen der Pflichtenstellungen in Betracht. 424 425 426 427 428

Siehe bereits Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 95 (1986). Aufgegriffen von Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 504, 511 (2001). Dazu auch Partnoy 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 503 f. (2001). Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 96 (1986). Dazu mit Blick auf Informationsintermediäre im folgenden Abschnitt.

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Wohl vor dem Hintergrund der Diskussion um einschneidende Haftungsregeln forderte Kraakman, dass der in die Pflicht genommene private Dritte über die Möglichkeit verfügen müsse, durch Vorenthalten seiner Leistung Fehlverhalten zu unterbinden.429 Dies wäre letztlich nur bei einer rechtlich angeordneten Mitwirkung des Intermediärs denkbar (Informationsobligatorium). Nach heutigem Verständnis ist eine Verengung auf Konstellationen abzulehnen, in denen die Leistung des Dritten für das Fehlverhalten im Sinne einer Conditio sine qua non unerlässlich zu sein hat.430 Im Einklang mit dem regulierungstheoretischen Risikobegriff431 ist entscheidend, dass der Dritte kraft Vorenthaltung oder Gestaltung seiner geschäftsmäßigen Leistung in der Lage ist, auf den Primärverantwortlichen auf eine Weise maßgeblich einzuwirken, die eine verminderte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts oder eine geringere Schadenshöhe erwarten lässt. Diese Möglichkeit kann rein faktisch bestehen oder auch durch Zuweisung von Verhaltenspflichten an den Intermediär (third-party policing) ausgebaut sein.432 Weitergehend kommt eine Rollenausformung im Wege der Einräumung einer rechtlichen Verhinderungsmöglichkeit kraft Rechtsfolgeanknüpfung (regulatory licence) wie bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating in Betracht.433 Von der Wahl des Regulierungstypus und seiner konkreten Ausgestaltung hängt ab, inwieweit die mit dem Einsatz privater Dritter verbundenen drei Stärken zur Geltung kommen können: Erstens bestehen nur eng begrenzte Möglichkeiten zur Spezialisierung auf verbotswidrige Unterstützungsleistungen (illicit markets), weil eine die Kapitalmarktteilnahme des Emittenten fördernde Intermediation auf hohe Reputationswerte angewiesen ist.434 Wie angesprochen, tritt die Bedeutung der Reputation allerdings zumindest teilweise hinter den Wirkungen einer gegebenenfalls bestehenden regulatorischen Zuweisung von Entscheidungsmacht zurück (regulatory license).435 Schwächen des Reputationsmechanismus sind außerdem an den Rändern des Produktangebots zu vermuten, also etwa im grauen Kapitalmarkt. Zumindest letztere Schwächen sind durch eine Angleichung an den für das Zentrum des Produktangebots geltenden Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986): „private parties who are able to disrupt misconduct by withholding their cooperation from wrongdoers“. 430 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 2; Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 42 f. Enger aber Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1664 ff., 1670 (2010). Im Zusammenhang mit der Genese des GatekeepingBegriffs 8. Kapitel: B.III.1 (S. 259 ff.). 431 Näher zum Risikobegriff 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224). 432 Zur Verantwortungszuweisung (third-party policing) 8. Kapitel: B.I (S. 250). 433 Zur Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory licence) 8. Kapitel: B.II (S. 253). 434 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 67 f. (1986); Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 523 (2001). 435 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 520 (2001). Zur Diskussion unten 8. Kapitel: B.III.3 (S. 263). 429

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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Rechtsrahmen (geregelter Markt) abzumildern. Zu denken ist an das AnSVG von 2004, das die für den grauen Kapitalmarkt geltenden Haftungsregeln an die der regulierten Segmente anglich. Zweitens ist eine vergleichsweise geringe Korrumpierbarkeit des Dritten anzunehmen.436 Die an der kapitalmarktlichen Informationsintermediation beteiligten Einzelpersonen sind je nach Grad ihrer spezifischen, also anderweitig nicht mit gleichem Nutzen verwendbaren Investitionen in Ausbildung, Zulassung und Reputation auf den Erhalt ihrer künftigen Möglichkeiten zur Erbringung dieser Leistungen angewiesen. Innerhalb der zur Erbringung kapitalmarktorientierter Informationsleistungen qualifizierten und typischerweise großen Intermediärunternehmen verspricht der Gewinn aus Fehlverhalten für den Einzelnen nur einen um den Anteil der weiteren Berechtigten verminderten Ertrag.437 Das Fehlen einer Pro-rata-Beteiligung des einzelnen Handelnden ist unbestrittene Stärke. Relativierungen der Grundannahmen ergeben sich aber zum einen bei anreizinkompatibler Vergütungsgestaltung und zum anderen, wichtiger, in Phasen zurückgehender Informationsnachfrage. In der jüngeren Debatte wurden verstärkt Unvollkommenheiten der positiven Anreizsteuerung erschlossen. Anlass boten nicht zuletzt die in den 1990er-Jahren bei internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aufgekommenen Vergütungsstrukturen.438 Der persönliche Erfolg des einzelnen Prüfers wurde von der Höhe der Einkünfte, dem Erhalt der Geschäftsbeziehung und zukünftigen Ertragsmöglichkeiten aus Zusatzleistungen im Rahmen bereits bestehender Geschäftsbeziehung zu einzelnen Auftraggebern abhängig gemacht.439 Unter diesen Bedingungen ließen sich die diversifizierte Mandantenstruktur der Intermediärorganisation und die fehlende Pro-rata-Beteiligung an den Erträgen des Primärverantwortlichen nicht mehr als Garanten eines professionellen Verhaltens des Einzelnen einordnen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach Regeln der internen Governance von Intermediärorganisationen, darunter solchen der Vergütungsgestaltung aufgekommen, auf die noch vertiefter einzugehen ist.440 In Phasen zurückgehender Informationsnachfrage kann gerade die Spezifität der Investition in Humankapital – entgegen der Annahme von Kraakman – für eine hohe, nicht niedrige Kollusionsbereitschaft sprechen.441 Die Annahme einer geringen Risikobereitschaft greift schließlich von vornherein ins Leere, wenn Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 69 (1986). Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 72 (1986). 438 Zur Abschlussprüfung Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 54 ff. Mit Vergleich zu den beim Bonitätsrating üblichen Vergütungsstrukturen Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 77 (2004). Übergreifend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 62. 439 Zu den wesentlichen Gefahrenlagen bereits Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 71 (1986). 440 Im Einzelnen zur Vergütungsabsprache 13. Kapitel: C.II.2 (S. 705). 441 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 67 zu marktphasenbedingten Anreizänderungen; Black 75 MLR 1037, 1049 (2012) zu Ratingagenturen. Zu Mechanismusinstabilitäten noch 9. Kapitel: A.III (S. 292). 436 437

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Verluste externalisiert werden können, ohne dass sich an den Möglichkeiten zur Internalisierung der Gewinne etwas ändert.442 Zu diesem Ergebnis kommt es – und dies führt unweigerlich zu der von Kraakman aufgeworfenen Haftungsfrage zurück – bei einer unvollkommenen Ausgestaltung der negativen Verhaltenssteuerung durch Sanktionen und ihre Durchsetzung, die deshalb ebenfalls gesondert zu erörtern ist.443 Drittens eröffnet die privatautonome Begründung der Geschäftsbeziehung die Möglichkeit zum gleichzeitigen Kontrahieren mit mehreren Anbietern einer bestimmten Intermediationsleistung (multiple contracting). Daraus ergeben sich bereits aus Sicht von Kraakman Relativierungen der Stärke eines Einsatzes privater Dritter.444 In einem Wettbewerbsmarkt der Informationsintermediation kommt es zu einer auktionsgleichen Situation, die es dem Emittenten erlaubt, die Bereitschaften unterschiedlicher Anbieter zur Unterstützung von Fehlverhalten mit der eigenen Zahlungsbereitschaft abzugleichen. Im Ratingoligopol konnte sich in Bezug auf strukturierte Finanzprodukte ein Markt für Anbieter geringer Prüfungstiefe herausbilden (opinion shopping). Die Befürchtung, dass innerhalb eines engen Anbietermarkts allseitige Anreize zur Korrumpierbarkeit bestehen könnten, die nicht durch Reputationsmechanismen aufzufangen sind, geht also nicht prinzipiell zu weit. Erst jüngst werden die zur Verfügung stehenden regulatorischen Maßnahmen erschlossen, angefangen von der Offenlegung vorab eingeholter Bewertungen bis hin zu erschwerten oder wenigstens publizitätspflichtigen Loslösungsmöglichkeiten des Emittenten von nicht unterstützungswilligen Intermediären.445 In der Zusammenschau darf im Vergleich zu weiteren Beteiligten, die per se im wirtschaftlichen Eigeninteresse am Erfolg einer bestimmten Transaktion handeln, von tendenziell höheren Anreizen der Informationsintermediäre zur Herstellung kapitalmarktlicher Informationsintegrität ausgegangen werden. Voll auszuschöpfen sind die Chancen einer Indienstnahme privater Informationsintermediäre allerdings nur bei berufsrechtlicher oder regulatorischer Ausformung ihrer Rolle im Zeichen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität.446

IV. Verhältnismäßigkeit der Kosten Der vierte und letzte Gestaltungsaspekt betrifft die möglichen Kostenvorteile einer Einbeziehung privater Dritter in Funktionen der Marktzugangskontrolle. Kosten- und Rechtsfolgenabschätzungen (regulatory impact assessments) sind heute auch in der Europäischen Union integraler Bestandteil nachhaltiger Re442 Näher zu der an Zahlungsbereitschaften ausgerichteten Regulierung 8. Kapitel: A.II.3.a (S. 225). 443 Zur Haftung 12. Kapitel: A.I.2 (S. 413). 444 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 72 ff., 74 (1986). 445 Im Einzelnen zum Verbot des stillen Leistungsabbruchs 13. Kapitel: A.III.3.c (S. 593). 446 Zu Regelungsfolgepflichten 9. Kapitel: A, C (S. 283 ff., 307).

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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gelbildung und werden in formalisierten Verfahren durchgeführt.447 Die Ursprünge des Kosten-Nutzen-Vergleichs sind im komparativen Institutionenansatz448 angelegt, der zunehmend in Form empirischer Vermessungen einzelner Rechtsregeln bis hin zu (teilweise zweifelhaften) Bewertungen ganzer Rechtssysteme in Erscheinung tritt. Einzelne Studien wurden bereits dargestellt.449 Gemeinsam ist ihnen das noch nicht abgeschlossene Ringen um eine belastbare Messung von Folgen der Eingriffe in sich schnell wandelnde und durch Faktorenvielfalt bestimmte Kapitalmarktzusammenhänge. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich in Bezug auf die private Marktzugangskontrolle aus der erforderlichen Mehrebenenbetrachtung, den unterschiedlichen Entwicklungszeitpunkten der Wirtschaftsräume und nicht zuletzt Pfadabhängigkeiten im Prozess des Wandels vom informationsinternalisierenden auf ein -externalisierendes Finanzsystem.450 Vor diesem Hintergrund bleiben die nachfolgend beschriebenen Versuche einer abstrahierenden Strukturierung von Kostenkategorien aktuell, können aber nach wie vor nur heuristische Anleitung bieten. Zur Annäherung eignet sich die seit den Ursprüngen der ökonomischen Deliktsrechtsforschung451 bekannte Unterscheidung zwischen administrativen, privaten und tertiären Kosten.452 Mit jedem der vorgestellten Typen einer Indienstnahme privater Dritter sind eigene administrative Kosten verbunden, also Aufwendungen für die Sicherstellung ordnungsgemäßen Verhaltens, die Überwachung und die Sanktionierung von Fehlverhalten. Unter Berücksichtigung der zuvor behandelten Schwächen des Zugriffs auf den Primärverantwortlichen, den fehlenden Anreizen zum privaten Selbst- oder Fremdschutz und der Fähigkeit des privaten Dritten zur Verhinderung von Fehlverhalten stehen die administrativen Kosten einer privaten Marktzugangskontrolle gleichsam per definitionem hinter denen einer hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung zurück.453 Selbst eine ausgreifende Inpflichtnahme privater Dritter wird dann stets attraktiv sein. Zum internationalen Stand Radaelli / de Francesco in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 279. Aus europäischer Sicht Renda Impact Assessment in the EU, 2006. Zu rechtsökonomischen Grundlagen ders. Law and Economics in the RIA World, 2011, S. 93 ff., 171 ff. 448 Näher 8. Kapitel: A.II.2.c (S. 223). 449 Zum Stand der empirischen Forschung S. 177 ff. 450 Zum komparativen Institutionenansatz 6. Kapitel: B.I (S. 223). 451 Grundlegend Calabresi The Costs of Accidents, 1970, S. 24 ff., 26. Einführend Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 153, 164. Näher noch im Zusammenhang mit der Haftung 12. Kapitel: A.I.2 (S. 413 ff.). 452 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 75 (1986). 453 Auf diese zuvor behandelten Faktoren gründet bereits die Entscheidung zur Einbindung des Dritten: Komparative Vorteile ergeben sich, weil der Dritte infolge spezifischer Investitionen in seine Reputation leichter abzuschrecken ist als ein gegebenenfalls nur punktuell verbotswidrig handelnder Primärverantwortlicher. Ein darüber hinausgehendes und eigenständiges Kostenargument ist so nicht zu bilden. 447

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Der Gefahr eines Zirkelschlusses ist nur zu entgehen, wenn auch die privaten und tertiären Kosten einbezogen werden. Private Kosten betreffen die Aufwendungen, die von dem in die Pflicht genommenen Dritten zu tragen sind. Soweit an eine privatautonome Einbindung Dritter angeknüpft werden kann, entstehen aus zusätzlichen Pflichtenzuweisungen, Rechtsfolgenanknüpfungen oder einer fortlaufenden Verantwortung des Intermediärs für die Marktzugangskontrolle tendenziell geringere private Kosten als bei individueller Absicherung der Informationsintegrität. Mit jedweder regulatorischen Pflichtenzuweisung sind aber Rechtsrisiken verbunden, die sich sowohl für den Primärverantwortlichen als auch für weitere Betroffene als Kosten übervorsichtiger Prüfung oder Bewertung durch den Dritten niederschlagen können (Überabschreckung).454 Regelungstechnisch werden Beurteilungsspielräume oder Ermessensfreiräume eingesetzt, deren Ausfüllung durch (quasi-)berufsständische Rechtsetzung weiteren, bereits beschriebenen Gefahren unterliegt (rent seeking und regulatory capture). Vor allem schaffen ausfüllungsbedürftige Pflichtenbeschreibungen Grauzonen. Die Rechtsprechung kann darauf nur über die Zeit reagieren. Ohne ein im Wege der Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory licence) errichtetes Intermediationsobligatorium könnten sich bei fortbestehender Unsicherheit und Überabschreckung allerdings auf Emittentenseite Anreize ergeben, gerade risikoreiche Prüfungen durch eigene Abteilungen (inhouse) erledigen zu lassen, weil deren Ergebnisse qua Weisungsbefugnis intern zu steuern sind.455 Kaum übersehbar werden durch die jüngeren Bemühungen zur Reduzierung regulatorischer Inbezugnahmen externer Bonitätsratings Anreize gesetzt, die Möglichkeiten zu vorteilhaften internen Risikobewertungen auszureizen. Zugleich ergeben sich neue Gefahren einer gezielten Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf den Dritten zur Absenkung seiner Kontrolldichte innerhalb der durch marktweite Rechtsunsicherheit eröffneten Freiräume (Unterabschreckung).456 Die Überlegungen zu der möglicherweise nur auf den ersten Blick günstigen Kostenstruktur setzen sich fort bei bei den von vornherein nur eingeschränkt bestimmbaren tertiären Wirkungen. Gemeint ist die Summe der gesellschaftlichen Kosten, die für andere als den Primärverantwortlichen oder den privaten Dritten entstehen. Nach verbreiteter Einschätzung führen Intermediationsobligatorien zu einer effizienzsteigernden Kosteninternalisierung beim kapitalnachfragenden Emittenten als dem Verursacher von Preisunsicherheit.457 Schon das zugrunde gelegte Verständnis der „Internalisierung“ ist angreifbar, denn die

Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 74 ff. (1986). Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 77 (1986). Gilson 49 Md. L. Rev. 869, 905 (1990). 456 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 60. In diese Richtung auch Black 44 UCLA L. Rev. 781, 794 (2001). Zuvor Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 76 f. (1986). 457 Statt vieler McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 26 (2004) m. w. N. 454 455

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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Überwindung von Informationsschwächen liegt gleichermaßen im Interesse der Kapital nachfragenden Investoren. Überzeugender ist die bereits vorgestellte Sichtweise, nach der die mit Informationsobligatorien verbundenen Kostenzuweisungen daran zu messen sind, ob und inwieweit sie eine ressourcenschonende Koordination und damit eine regulatorische Nachbildung fehlender privater Absprachen bieten. Verlässliche Messungen hierzu sind allerdings kaum zu erwarten. Einzubeziehen wären marktweite Änderungen der Informationsprozesse, Transaktionsgestaltungen und Verantwortungsgefüge.458 Antikompetitive Strukturen in einzelnen Segmenten des Markts für kapitalmarktbezogene Intermediationsleistungen sind ein mögliches Ergebnis aus der Anknüpfung von Rechtsfolgen etwa an private Zertifizierungsleistungen (regulatory licences),459 aber auch schon aus einer (zu) genauen Beschreibung der zur Erfüllung regulatorischer Zwecke in Betracht kommenden Leistungen.460 Die Zusammenschau der drei Kostenkategorien legt nahe, nicht nur von Vorteilen der regulatorischen Indienstnahme privater Dritter, sondern auch von (im Einzelnen schwer messbaren) Nachteilen auszugehen. Unsicherheiten über den Nutzen der Indienstnahme betreffen allerdings weniger das Zentrum des Produktangebots und mehr dessen Rand, weil sich die Schwächen der Drittbeurteilung dort aller Voraussicht nach stärker auswirken: Zu bekannten Emittenten verfügt der Markt über eine große Informationsmenge. Bekannte Produkte unterliegen gewachsenen Prüfungs- und Bewertungsmethoden. Etwas anderes gilt für Finanzinnovationen und Märkte, in denen es noch nicht zu entsprechenden Verfestigungen gekommen ist. Deutlich wird dies nicht zuletzt an den für die Finanzmarktkrise von 2008 ausschlaggebenden Verbriefungstransaktionen. Weder bestand eine dem Anleiherating vergleichbare Praxis mehrfacher Bonitätsbeurteilungen (Zwei-plus-Usance) noch hatten sich einheitliche Bewertungskriterien entwickelt. Unter diesem Blickwinkel erscheint das Versagen der Ratingagenturen bei der Bewertung von Verbriefungen vor 2008 als ein vorhersehbares Risiko der privaten Marktzugangskontrolle. Erst eine Verfestigung der Anforderungen verschafft Aufsichtsbehörden und Gerichten einen Maßstab zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Intermediationsleistungen.461 Bis dahin können sich regulatorische Indienstnahmen als nachteilig erweisen.

Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 75 (1986). Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 ff., 520 (2001). 460 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 78 (1986). 461 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 80 (1986). Zuversichtlicher Black 44 UCLA L. Rev. 781, 794 (2001): „Perhaps a few lawsuits per decade, a couple of which result in a significant payout (in settlement or after a verdict), are enough.“ Wie zu zeigen ist, kommt es in jüngerer Zeit auch beim Bonitätsrating zu solchen Klärungen der Verantwortungslagen im Wege von Haftungsprozessen. 458 459

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

D. Folgeprobleme regulatorischer Indienstnahmen (Zusammenfassung) 1. Zusammenfassend steht die regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre im Zeichen der Transformation von Steuerungsprozessen, mit der sich eigene und neue Grundsatzfragen und damit verbundene Folgeprobleme ergeben (Abschnitt A, S. 205). Ausgangspunkt ist der Übergang von der staatlichen Ergebnisverantwortung auf die prozessartige Steuerung privater Interaktionsprozesse. Die Inanspruchnahme Privater zur Erreichung hoheitlicher Ziele (kooperative Regulierung) dient insoweit der Überwindung von Komplexitätsproblemen. Dem Rückgriff auf Informationsintermediäre des Kapitalmarkts kommt angesichts der transnationalen Konstitutionalisierung der Marktteilnahmebedingungen, also der länderübergreifenden Inanspruchnahme strukturell vergleichbarer Intermediationsleistungen hohes Wirkpotential zu. Die in Betracht kommenden Regelungskonzeptionen sind an ihrer Fähigkeit zu messen, die Kompatibilität von Verhaltensanreizen der Steuerungssubjekte mit den Steuerungszielen herzustellen (anreizkompatible Regulierung), die größere Sachnähe Privater bei der Konkretisierung übergreifend formulierter Regelungsziele nutzbar zu machen (Metaregulierung) und eine an private Zahlungsbereitschaften geknüpfte Pflichtenausfüllung hervorzubringen (Markt- und Risikoorientierung). Folgeprobleme ergeben sich wegen der nicht vollständig auszuschließenden Möglichkeiten einer Internalisierung von Erträgen bei gleichzeitiger Externalisierung von Verlusten aus Fehlleistungen, auf Erhalt dieser Möglichkeiten zielender Selbstregulierung (rent seeking), der Einflussnahme einzelner Berufsgruppen auf die staatlichen Regelsetzer (regulatory capture) und übergreifender aus den Leistungsgrenzen des Markts bei der Bewertung der Integrität von Intermediationsleistungen (relative Informationseffizienz). Verfassungsrechtlich unterliegt die Wahl hybrid hoheitlich-privat organisierter Regulierung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, dessen Gewährleistungsaufgabe in Bezug auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation in der Sicherstellung der Informationsintegrität zu sehen ist. Folgeprobleme betreffen das zu verlangende Maß an prozeduraler Steuerung (Vorwirkung), die Legitimation einer (faktischen) Zuweisung von Regulierungs- oder auch Regelsetzungskompetenzen an Private und die Abwägung gegenüber der im kapitalmarktlichen Kontext eingeschränkt erfolgversprechenden Eigenwahrnehmung. 2. An der dreigliedrigen Typologie regulatorischer Indienstnahmen von Informationsintermediären sind die möglichen Komponenten einer regulatorisch ausgeformten privaten Marktzugangskontrolle aufzuzeigen (Abschnitt B, S. 249). Die Zuweisung von Verhaltenspflichten an den Intermediär ist Grundtypus einer Indienstnahme, die auf eine Verhinderung von Fehlverhalten des für die Unternehmenspublizität primär verantwortlichen Emittenten abzielt (thirdparty policing). Weiter gehen Rechtsfolgenanknüpfungen an das Intermediationsergebnis (regulatory licenses), durch die der Intermediär die Möglichkeit erhält, über Marktzugang oder -verbleib zu bestimmen. Kombinationen dieser

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre

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Typen können zum Aufbau eines selbstdurchsetzenden Systems der fortlaufenden Marktzugangskontrolle (gatekeeping) eingesetzt werden. Folgeprobleme stellen sich beim Umgang mit den jeweils regulatorisch bewirkten Steigerungen der Bedeutung privater Intermediationsleistungen und wegen der dadurch bewirkten Verfestigungen der Praxis privater Transaktionsverläufe. 3. Faktoren der Ausgestaltung regulatorischer Indienstnahmen (Abschnitt C, S. 269) sind erstens die Grenzen der Abschreckung des primärverantwortlichen Emittenten, zweitens die Anreize zum privaten Selbst- oder Fremdschutz, drittens die Möglichkeiten des Intermediärs zur Unterbindung von Fehlverhalten sowie viertens die Verhältnismäßigkeit der Kosten. Insoweit ergeben sich Folgeprobleme in Bezug auf Einschränkungen des für mögliche regulatorische Ausgestaltungen zur Verfügung stehenden Korridors. 4. In der Zusammenschau sind zwei grundsätzliche Folgeprobleme regulatorischer Indienstnahmen festzuhalten: Zum einen ergeben sich zusätzliche Verfestigungen von Transaktionspraktiken, die durch einem späteren Rückbau regulatorischer Indienstnahmen nicht leicht aufzulösen sind. Zum anderen führen Änderungen des regulatorischen Zugriffs auf die Informationsintermediation nicht zu kurzfristigen Änderungen einer gewachsenen, insbesondere international üblichen Praxis der Einbeziehung von Intermediärinformationen in unternehmerische Entscheidungen. Jedenfalls mittelfristig bleibt es bei der faktischen Bedeutung der betreffenden Intermediationsleistungen. Die Sicherstellung der Informationsintegrität ist dann auf Maßnahmen auszurichten, die den Grenzen der privaten Informationsintermediation Rechnung trägt. Um diese Grenzen geht es im folgenden Kapitel.

9. Kapitel

Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungsfolgepflichten 9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungspflichten

Die Grenzen einer privaten Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre des Kapitalmarkts ergeben sich maßgeblich aus dem Zustandekommen der Informationsleistung im Wege der privaten Absprache. Das verfassungsrechtliche Ziel der Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität ist ohne eine auf die Funktionsgrenzen abgestimmte Regelsetzung nicht sicher zu erreichen. Bei Nachweis unüberwindlicher Schwächen kann eine intermediationsakzessorische Regulierung, also die Anknüpfung von Rechtsfolgen an ein bestimmtes Intermediationsergebnis nicht in Betracht kommen.1 Bei regulatorischer Indienstnahme begründen erkennbare aber überwindliche Schwächen Regelungsfolgepflichten. Infolge der verbreiteten Einbindung von Intermediationsleistungen in vertragliche Zusammenhänge, die disziplinierende Kraft im Rahmen der Corporate Governance und die mit beidem zusammenhängende marktordnende Wirkung kann sich auch ohne regulatorische Indienstnahme Regelsetzungsbedarf ergeben. Die nachfolgende Erfassung allgemeiner Funktionsgrenzen schafft die Voraussetzungen für eine zielgenaue rechtliche Einpassung der privaten Informationsintermediation.2 Im Wege einer Typologie des Intermediärversagens sind die Ursachen weiter aufzufächern und zugleich die Reaktionsmöglichkeiten näher einzugrenzen.3 Abschließend sind die möglichen Regelungsebenen zu beleuchten.4

A. Funktionsgrenzen Die private Informationsintermediation ist Element innerhalb des kapitalmarktlichen Gefüges von Informations- und Produktaustausch. Sie ist in die Mechanismen der Kapitalmarkteffizienz5 eingebunden und wie diese möglichen Brü1 Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F138 zu den seinerzeitigen Regelungslücken der ratingakzessorischen Kapitalmarktregulierung. Sodann Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F40 mit der Forderung nach Haftung der Finanzaufsicht zum Schutz vor Übergriffen der Ratingagenturen. 2 Abschn. A. 3 Abschn. B (S. 294). 4 Abschn. C (S. 307).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

chen im Rationalverhalten der Beteiligten ausgesetzt. Einzukalkulieren sind deshalb belegbare Verhaltensanomalien, aus denen eine am Rationalverhalten ausgerichtete Regelungsstrategie erste Funktionsgrenzen erfährt.6 Außerhalb belegbarer Verhaltensanomalien bleiben die nach verfestigter Theorie ermittelbaren systematischen Fehlanreize für eine verantwortungsvolle Regelsetzung maßgeblich. Zu solchen Fehlanreizen kommt es insbesondere bei vom einzelnen Handelnden nicht auflösbaren Konflikten zwischen privatem Interesse und dem regulatorischen Ziel der Informationsintegrität.7 Die insoweit entscheidenden Handlungsanreize sind aus Gründen der Mechanismusinstabilität nicht starr, sondern passen sich möglichen Änderungen der Zahlungsbereitschaften sowohl auf Angebots- als auch Nachfrageseite an.8

I. Verhaltensanomalien in der Diskussion Einschätzungen zur Leistungsfähigkeit der vorgestellten Regelungskonzeptionen zum Einsatz privater Informationsintermediäre gründen auf Annahmen zur rechtlichen Steuerbarkeit des Handelns von Einzelpersonen und der sie beschäftigenden Organisationen. Neoklassische Vorstellungen vom rationalen Entscheidungsverhalten auf Grundlage vollständiger Information und homogener Verhaltensanreize sind heute einer individuelle Präferenzunterschiede in den Vordergrund stellenden Betrachtung gewichen (methodologischer Individualismus).9 Übersteigerte Erwartungen an modelltheoretische, also per definitionem von der Wirklichkeit abstrahierende Untersuchungen wirken fort.10 Für die Wahl zwischen den vorgestellten Regelungskonzeptionen und Typen der Indienstnahme privater Dritter sind realistische Vorstellungen vom menschlichen Verhalten erforderlich.11 Mit bloßen Hoffnungen auf ethisch richtiges Verhalten sind diese Erwartungen nicht zu erfüllen.12 Im interdisziplinären Dialog findet das so umrissene Ringen um die Justierung des Annahmegerüsts den deutlichsten Ausdruck in der Diskussion um die Berücksichtigung nachweisbarer Verhaltensanomalien bei der Regelsetzung. 5 Zu dieser von Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 597 (1984) eingebrachten Einordnung bereits 6. Kapitel: A.II (S. 152). 6 Abschn. I. 7 Abschn. II (S. 290). 8 Abschn. III (S. 292). 9 Umfassend Kirchgässner Homo Oeconomicus, 4. Aufl., 2013, S. 12 ff., 24. Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 3; Towfigh in: ders. / Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2010, S. 23 f. 10 Zum Stand Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 100. 11 Annahmen, die auf einem unrealistischen Grad an Rationalverhalten gründen, sind (wie allgemein bekannt) zur Regelbildung ungeeignet; Armour / Hansmann / Kraakman / Pargendler in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 1, 3 f. Kritik an einer unrealistischen Rationalitätsannahme aber etwa bei Scherzberg VVDStRL 63 (2004) 214, 227. 12 Zum Stand der Ethikdiskussion Hines 78 Mo. L. Rev 77, 118 (2013).

9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungspflichten

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1. Informationsunsicherheit Den beschriebenen Regelungskonzeptionen13 liegt ganz überwiegend die Annahme rationalen Verhaltens unter Informationsunsicherheit zugrunde, also eine Auswahl der Handlungsoption nach bestmöglichem privaten Ertrag unter Berücksichtigung der dabei entstehenden Informationskosten (rational choice). Die Gedankengeschichte liefert insoweit ein mindestens zweigeteiltes Bild. Einerseits hob bereits Frank H. Knight 1921 die Bedeutung der Informationskosten hervor: „It is evident that the rational thing to do is to be irrational where deliberation and estimation cost more than they are worth“.14 George J. Stigler entwickelte diesen Gedanken im Jahr 1961 zu einer transaktionskostengestützten Entscheidungstheorie fort. Entscheidungen unter erkannter Unsicherheit werden hiernach auf Grundlage eines Kalküls aus der möglichen Steigerung des Ergebnisses und den dazu erforderlichen zusätzlichen Informationskosten getroffen.15 Andererseits beschrieb Herbert A. Simon 1957 die Einordnung von Entscheidungen auf Grundlage erkannter Unvollständigkeit der Information als begrenzt rational (bounded rationality).16 Die Annahme systematisch auftretender Verhaltensanomalien erwuchs unter dem Sammelbegriff der Verhaltensökonomik (behavioral economics) spätestens seit der Verleihung des Nobelpreises17 2002 an Daniel Kahneman und Vernon L. Smith zum ständigen Begleiter der rechtsökonomischen Forschung.18 Die Teilung des Nobelpreises 2013 zugunsten von Eugene H. Fama, dem Begründer der Kapitalmarkteffizienzhypothese, und Robert J. Shiller, dem Verfechter der These von den irrationalen Übertreibungen im Markt, untermauerte sodann die Einsicht, dass sowohl die auf Rationalität als auch die auf Irrationalität gestützten Erklärungen kapitalmarktlicher Zusammenhänge die weitere Forschung anleiten können.19 Schon aus diesem kurzen Aufriss ist zu erkennen, dass Überlegungen zur rechtlichen Steuerung des Verhaltens von Intermediären dem Einwand eines unrealistischen Annahmegerüsts erst im Abgleich mit den Erkenntnissen der Verhaltensökonomik entgehen können. Einzugrenzen ist dieser Abgleich wie folgt: Die Grundannahme der privaten Marktzugangskontrolle, nach der IntermediationsZu Anreizsteuerung, Metaregulierung sowie Markt- und Risikoorientierung 8. Kapitel: A.II.1 (S. 215, 219, 224). 14 Knight Risk, Uncertainty, and Profit, 1921, Nachdr. 2009, S. 32 Fn. 14. 15 Stigler 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 16 Simon Models of Man, 1957, S. 198. Zur Fortentwicklung Gigerenzer / Selten in: dies. (Hrsg.), Bounded Rationality, 2002, S. 1, 3 ff. 17 Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, gestiftet von der Schwedischen Reichsbank. 18 Begründung der sogenannten Prospect Theory durch Kahnemann / Tversky 47 Econometrica 263 (1979). Zu den wichtigsten Erträgen Kahneman Thinking, Fast and Slow, 2011. Wegbereiter auf deutscher Seite ist Selten 146 JITE 649, 653, 657 (1990). 19 Zu den entgegengesetzten Bewertungen von Fama (Markteffizienz) und Shiller (Ineffizienz) 6. Kapitel: A.I (S. 148 ff.). 13

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

ergebnisse geeignet sind, Investitionsentscheidungen zu beeinflussen, ist durch empirische Belege gestützt und wird – unabhängig von möglichen Verhaltensanomalien der Intermediäre – nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.20 Die verhaltensökonomischen Erkenntnisse sind aber mit Blick auf Einschränkungen des Rationalverhaltens der Intermediäre und darauf gründender Funktionsschwächen einer auf die Rationalitätsannahme bauenden Regulierung von Bedeutung. Übergreifender Ertrag der Verhaltensökonomik ist der Beleg von Störungen des Rationalverhaltens. Abgleitet wird daraus von manchen die Notwendigkeit von Rechtsregeln, die verbesserte Entscheidungen insbesondere von Verbrauchern anstoßen können (nudges).21 Dahin führten Erkenntnisse und Methoden der Psychologie, zunehmend mit Anreicherung durch neuroökonomische Forschung.22 Zu den anerkannten Abweichungen vom Rationalverhalten zählen einzelne Formen der Voreingenommenheit (biases), die sich als unvollständiges kognitives Einordnen (framing) niederschlagen und allesamt in einer, gemessen am Rationalverhalten, suboptimalen Verhaltensweise münden (sollen).23 Kritischen Stimmen zufolge ist aus solchen Ausnahmen zur Regel von vornherein kein die Normgebung anleitendes Verhaltensverständnis abzuleiten.24 Nicht nur im kapitalmarktlichen Kontext wird der Annahme flächendeckender Anomalien entgegengehalten, dass sich irrational handelnde Marktteilnehmer kaum dauerhaft behaupten können, weil Rationalverhalten jedenfalls über die Zeit vom Markt belohnt wird.25 Von vornherein zielt die Verhaltensforschung allerdings nicht darauf ab, die traditionelle Ökonomik zu verdrängen. Vielmehr geht es darum, die Rationalitätsannahme in denjenigen Konstellationen zu verfeinern oder zu ergänzen, die den Methoden der Verhaltensforschung zugänglich sind.26 Vereinzelt wird den dazu eingesetzten Laborexperimenten die Erklärungskraft abgesprochen, etwa Zum Stand der Empirik 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180). Begriffsprägung durch Thaler / Sunstein Nudge, 2008, S. 4, 7. Vorbereitend u. a. Thaler Quasi-rational Economics, 1994. 22 Zur Neuroökonomik Camerer / Loewenstein in: dies. / Rabin (Hrsg.), Advances in Behavioral Economics, 2004, S. 3, 38; dies. / Prelec 43 J. Econ. Lit. 9 (2005). 23 Überblick zu anerkannten Anomalien bei Englerth in: Towfigh / Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2010, S. 165, 173. 24 Kritik bei Bainbridge 68 U. Cin. L. Rev. 1023, 1035 (2000): „To date, behavioral economics has not (and may not ever) develop a single theory that explains or predicts the full range of human behavior, as rational choice theory claims to do.“ Ähnlich Choi / Pritchard 56 Stan. L. Rev. 1, 10 (2003): „Despite efforts at categorization, no underlying theory behind why we operate under biases has emerged.“ 25 Statt vieler Posner 50 Stan. L. Rev. 1551 (1998). Siehe aber Jolls / Sunstein / Thaler 50 Stanford L. Rev. 1471, 1476 (1998); Tor 101 Mich. L. Rev. 482, 534 (2002). Gegenüberstellend Klöhn Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 140 ff. Zum Stand Langevoort in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442. Mit neuen Ansätzen Van Aaken 55 Harv. Int’l L.J. 421, 438 (2014). 26 Korobkin / Ulen 88 Cal. L. Rev. 1051, 1074. 20 21

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weil schon in der Psychologie umstrittene Belohnungssysteme Einsatz finden oder der Laboraufbau nicht geeignet ist, Lerneffekte zu berücksichtigen.27 Grundsätzlichere Zweifel richten sich auf die Reichweite möglicher normativer Schlussfolgerungen. Allein der Beleg einer Verhaltensanomalie kann die Belohnung von Irrationalität nicht rechtfertigen. Eine solche Regelsetzung gerät leicht in den Verdacht staatlich paternalistischer und wirtschaftliche Innovation beeinträchtigender Störungen des privaten Leistungsaustausch.28 Vor diesem Hintergrund stellen sich im Zusammenhang mit der kapitalmarktlichen Informationsintermediation im Wesentlichen drei Fragen, erstens die nach der Einordnung beobachteter Verhaltensweisen als Anomalie, zweitens die nach der Übertragbarkeit allgemein belegbarer Anomalien auf den kapitalmarktlichen Kontext und drittens die nach den gebotenen rechtspolitischen Folgerungen.29 2. Anomalien Auf dem Stand der fortentwickelten Rationalitätsannahme können nur wenige der vorliegend zu berücksichtigenden Verhaltensweisen als Anomalie gedeutet werden.30 Charles Mackay beschrieb 1841 farbenreich „Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds“. Zu diesen zählte er neben den Hexenjagden des Mittelalters auch Marktblasen wie die übersteigerten Preise für Tulpenzwiebeln in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts (Tulpenmanie).31 John M. Keynes stellte 1936 eine auf Reputationsintermediäre passende Begründung aus Rationalverhalten entgegen: „Wordly wisdom teaches that it is better for reputation to fail conventionally than to suceed unconventionally.“32 Es folgten psychologische Untersuchungen, auf deren Grundlage die Ursachen für ein vom individuellen Nutzenkalkül abweichendes Massenverhalten (herd behaviour) erschlossen wurden.33 Gleichzeitig breiteten sich vor allem im finanzmarktlichen Kontext Erklärungsansätze aus, die gleichgerichtetes Verhalten der Intermediäre innerhalb der 27 Zu Lerneffekten Arlen 51 Vand. L. Rev. 1765, 1768, 1777 (1998). Auseinandersetzung mit der Standardkritik bei Jolls / Sunstein / Thaler 50 Stanford L. Rev. 1471, 1489 (1998). Siehe aber Posner 50 Stan. L. Rev. 1551 (1998). 28 Zum Ganzen Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2005, S. 103. 29 Dazu im Folgenden (S. 288 f.). 30 Pointiert Posner 50 Stan. L. Rev. 1551, 1561 (1998). Zur Fortentwicklung der rechtsökonomischen Verhaltensforschung aber Van Aaken 55 Harv. Int’l L.J. 421, 438 (2014). 31 Mackay Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds, 1841, Nachdr. 1980, S. 92, 479. Zur Tulpenmanie Posthumus 1 J. Econ. & Bus. Hist. 434, 450 (1929) mit Wiedergabe authentischer Dialoge zwischen Beteiligten; Garber 97 J. Pol. Econ. 535 (1989) mit Graphiken zur Preisentwicklung. 32 Keynes The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936, S. 158. 33 Shiller Irrational Exuberance 2. Aufl., 2005, S. 157, 177. Näher zu Informationskaskaden Bikhchandani / Hirshleifer / Welch 100 J. Pol. Econ. 992 (1992).

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Rationalitätsannahme verständlich machen konnten: Auch in Kenntnis eines überhitzten Preisgefüges (Marktblase) kann die fortgesetzte Investition (trendfollowing speculation),34 also die Ausnutzung von Ineffizienzen des Markts, rational sein. Nichts anderes gilt für die an den Austauschprozess gebundene Wirtschaftlichkeit von Leistungen der Informationsintermediation. Die vielerorts nachgewiesenen überoptimistischen Aussagen von Finanzanalysten sind in überhitzten Märkten so lange rational, wie ein Platzen der Marktblase nicht unmittelbar zu erwarten ist.35 Für den einzelnen Analysten kann es sich gar als vorteilhaft erweisen, Aussagen „ins Blaue“ zu treffen, wenn ihn die Folgen des drohenden Reputationsverlusts nicht (oder nicht mehr) treffen. Auf heutigem Stand wird von hohen und rational erklärbaren Anreizen zu Herdenverhalten der Analysten ausgegangen.36 Die Treffgenauigkeit der Empfehlungen ist leicht vergleichbar. Individuelle Fehlleistungen werden also erkennbar. Die kollektive Fehleinschätzung hat demgegenüber allenfalls mittelbar Folgen für die Reputation des Einzelnen.37 Verhaltensanomalien bleiben trotzdem denkbar. Nur ist vorgelagert nach den für das Nutzenkalkül des Einzelnen maßgeblichen Faktoren zu suchen.38 In den Blick geraten dann vor allem die über Vergütungssysteme vermittelten Belohnungen für gleichgerichtetes Verhalten und fehlende Strukturen eines Wettbewerbs um eine von der Masse abweichende aber treffendere Bewertung.39 3. Professionalisierung Ernstzunehmende Einwände richten sich gegen eine undifferenzierte Übertragung der Verhaltensanomalien etwa von Verbrauchern auf die im finanzmarktlichen Kontext von wenigen professionell Handelnden erbrachten Leistungen.40 Die Existenz von Besitztumseffekten (endowment bias),41 also die Tendenz zur irrationalen Höherbewertung bereits erworbener Güter im Verhältnis zur objektiv ertragreicheren Veräußerung, muss nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Entscheidend ist, dass es zum Bestehen am Kapitalmarkt auf die Überwin34 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G15 ff., G 17. Eingehend Klöhn Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 123 ff. 35 Fleischer in: FS Immenga 2004, S. 575, 585 f. Zu verhaltensökonomischen Erklärungsansätzen Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 123, 140. Mit Analyse von § 34b WpHGb unter verhaltensökonomischen Gesichtspunkten Fazley Regulierung von Finanzanalysten und Behavioral Finance, 2008, S. 112, 148. 36 Siehe die Studie von Welch 58 J. Fin. Econ. 369, 372 (2000) zum Zeitraum 1989–1994. 37 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 246, 252. 38 Langevoort in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442, 454. 39 Im Einzelnen 13. Kapitel: C.I.1.a (S. 685 ff.). 40 Statt vieler Skeel 21 Sup. Ct. Econ. Rev. 77 (2014). Zum Stand GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 17. 41 Begriffsbildung durch Thaler 1 J. Econ. Behav. Organ. 39, 43 (1980).

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dung unter anderem dieser Verhaltensanomalie ankommt, also gerade das schnelle Abstoßen unrentabler Finanztitel oder auch die dahin führende Bewertung Kern des Geschäftserfolges sind.42 Einwände gegen einzelne Experimentaufbauten zum Beleg systematischer Fehler mögen im Zuge methodischer Fortschritte überwindbar sein.43 Schwer herzustellen ist ein überzeugender Grad an Kongruenz von zufällig ausgewählten Probandengruppe und der Gruppe derjenigen, die ihr Humankapital über Jahre in den Aufbau von Expertise zu kapitalmarktbezogenen Leistungen der Informationsintermediation investieren. In die Kritik geraten sind vor allem Versuche, auf Grundlage von Experimenten mit Studentengruppen die möglichen Schwächen des Rationalverhaltens von Unternehmensleitern vorherzusagen.44 Vorstandsvorsitzende (CEOs) oder auch Finanzvorstände (CFOs) werden gerade wegen ihrer nachweisbar überlegenen Fähigkeit zur rationalen Informationsverarbeitung bestellt und ihrer Verantwortung bei beobachtbaren Fehlern auch rasch wieder enthoben. Entscheidungen zur Auswahl und gegebenenfalls zur Abbestellung der bei führenden Informationsintermediären tätigen Prüfer oder Analysten dürften kaum anderen Maßstäben folgen. Für die Akteure auf der Seite der Emittenten und die diese beurteilenden Intermediäre spricht infolgedessen auch angesichts im Bevölkerungsquerschnitt nachweisbarer Anomalien wenig für die Übertragbarkeit der Annahme tendenziell irrationalen Verhaltens. Wenn doch, ist dies eher Aufforderung zur Professionalisierung denn zur Hinnahme schwacher Informationsleistungen. Drittens wäre eine Inschutznahme der Intermediäre vor Irrationalität rechtspolitisch kaum zu stützen. In der Regel spräche mehr dafür, mögliche Fehlanreize zu beseitigen und Abweichungen vom Ziel der Informationsintegrität rigoros zu ahnden. Anders als im Bevölkerungsquerschnitt ist bei professionellen Informationsanbietern durchaus davon auszugehen, dass sich unter geeigneten Bedingungen über die Zeit Strukturen verbesserter rationaler Entscheidungsfindung herausbilden. Mit der Ausrichtung der Regulierung auf aktuell feststellbare Rationalitätsschwächen wären solche Entwicklungsmöglichkeiten gehemmt oder schlimmstenfalls verstellt. In der Zusammenschau liegt nahe, dass die von der modernen Verhaltensökonomik ausgeloteten Grenzen des Rationalverhaltens auf unterschiedlichen Ebenen der Informationsintermediation Niederschlag finden können und gegebenenfalls auch sollten.45 Vor allem auf der Ebene der Anlageberatung kommen Regeln zum Schutz vor gezielter Ausnutzung erkannter Schwächen des Choi / Pritchard 56 Stan. L. Rev. 1, 17 (2003). Zur Reichweite der Kritik Englerth in: Towfigh / Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2010, S. 165, 169. 44 Überblick bei Langevoort in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442, 443 f. 45 Zum Mehrebenensystem der Informationsintermediation 8. Kapitel: B.III.4 (S. 266). 42 43

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Kundenverhaltens durch die besser informierten Vermittler in Betracht.46 Auf der Ebene der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation erfolgt demgegenüber gerade keine Individualisierung der Information zugunsten der Interessen einzelner Anleger. Für die Ebene der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation spricht deshalb viel für eine Regulierung, die Abweichungen vom Rationalverhalten nicht in Kauf nimmt, sondern ihnen entgegentritt und Irrationalität trotz menschlicher Neigungen zur unvollständigen Informationsverarbeitung sanktioniert. Im Weiteren ist der Blick vorrangig auf die aus systematischen Fehlanreizen und Instabilitäten der Anreizmechanismen resultierenden Funktionsschwächen zu richten, die nach Ursache und Steuerbarkeit weiter einzugrenzen sind.

II. Systematische Fehlanreize Systematische Fehlanreize der Informationsintermediäre stehen im Fokus der Suche nach regulatorisch einzukalkulierenden Funktionsschwächen der Marktmechanismen.47 Von Fehlanreizen ist auszugehen, wenn die Abweichung vom Ziel der Informationsintegrität aus Sicht des Intermediärs vorteilhaft ist. Systematisch treten Fehlanreize auf, wenn die Einhaltung des Integritätsziels nicht nur im individuell gekennzeichneten Einzelfall, sondern durchweg den besseren Ertrag verspricht. Die Überlegungen zu Ursachen, Folgen und Möglichkeiten einer Abmilderung solcher Fehlanreize sind in späteren Abschnitten noch mit Blick auf drei Grundtypen, die ausbleibende, die fehlerhafte Intermediation und die schädliche Folgewirkungen auslösende Intermediation zu konkretisieren.48 Voranzustellen sind gemeinsame Problemursachen infolge der anfänglichen Präferenzenheterogenität und sich daraus ergebender Sanktionslücken sowie der Beeinflussungen von Anreizstrukturen durch das Marktumfeld. 1. Heterogenität der Präferenzen Die Heterogenität der Präferenzen wirkt sich auf zwei Ebenen aus: erstens im Verhältnis von Informationsintermediär und Markt und zweitens im innerorganisatorischen Verhältnis von Intermediärorganisation und einzelnem Handelnden. Für die erste Ebene, also das Verhältnis von Intermediär und Markt, ist 46 Ansätze bei Fleischer in: FS Immenga 2004, S. 575, 583. Übergreifend zum Kapitalmarktrecht GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 32 ff., 35 (Schutz vor existenziellen Risiken); zum Schuldrecht Eidenmüller JZ 2005, 216, 218 ff.; zum Deliktsrecht Faure The Impact of Behavioural Law and Economics on Accident Law, 2009, S. 21, 59. 47 So auch aus Sicht der Verhaltensökonomik Langevoort in: Hill / McDonnell (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 442, 454. Zu Ursachen systematischer Fehlanreize Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 494 ff., 499 ff. (2001). 48 Siehe 9. Kapitel: B (S. 294 ff.).

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kennzeichnend, dass die Intermediationsleistung nicht infolge der Zuweisung einer öffentlichen Last,49 sondern in Erfüllung einer privaten Absprache erbracht wird. Auch im Falle des Intermediationsobligatoriums ist zwar der Emittent zur Einholung der Leistung, nicht aber der einzelne Intermediär zu ihrer Erbringung verpflichtet. Anreize zum Ob und Wie der Leistungserbringung richten sich dementsprechend nach den heterogenen Interessen der Beteiligten. Emittenten im Zentrum des Produktangebots sind typischerweise weniger auf zusätzliche Informationsleistungen angewiesen als solche am Produktrand.50 Auf Investorenseite besteht vor der Investition ein Interesse an pessimistischen und danach an optimistischen Einschätzungen.51 Diese Interessenheterogenität wird dem Intermediär infolge der privaten Finanzierung seiner Leistung nicht in ihrer sich ausgleichenden Gesamtheit, sondern als Einzelinteresse des zahlenden Emittenten (issuer pay) oder des jeweiligen Investors (investor pay) vermittelt.52 Wie bei jeder privaten Leistungserbringung bestehen Anreize zur Ausrichtung von Leistungsangebot und -qualität auf die Präferenzen des Vertragspartners. Von einer tendenziell hohen Anfälligkeit für eine einseitige Ausrichtung ist auszugehen, wenn die betreffende Leistung vorwiegend oder – etwa infolge eines Intermediationsobligatoriums – ausschließlich durch eine der beiden Seiten des kapitalmarktlichen Austauschs finanziert wird. 2. Individuelle Präferenzen Die zweite Ebene betrifft die auf der Seite des Intermediärs auftretenden Unterschiede in den Präferenzen des einzelnen Handelnden und der ihn beschäftigenden Intermediärorganisation. Mit diesen Unterschieden verbinden sich die aus bilateralen Beziehungen bekannten Agenturprobleme. Ursächlich für individuelle Fehlanreize sind Präferenzunterschiede in Bezug auf Sorgfaltsniveau, Risiko- und Zeitwahl sowie den Ausgleich von Eigeninteressen, denen noch im Einzelnen nachzugehen ist.53 Diese Heterogenität fächert sich weiter auf, wenn Abweichungen der individuellen Präferenzen des einzelnen Prüfers oder Rating- bzw. Finanzanalysten denen der sie beschäftigenden Organisation gegenübergestellt werden. 3. Anreizsteuerung Auf beiden Ebenen stehen positive und negativ steuernde Mechanismen zur Abmilderung systematischer Fehlanreize zur Verfügung. Positive Anreize zum Re49 Im Einzelnen zu den verfassungsrechtlichen bzw. regulierungstheoretischen Grundlagen 8. Kapitel: A.III.2.a, B.I (S. 234, 250). 50 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 503 et seq. (2001) zu Ratingagenturen. 51 O’Connor 81 Wash. L. Rev. 525, 581 (2006) zum Abschlussprüfer. 52 Zur Kostenteilung zwischen Emittenten und Investoren 5. Kapitel: C.III (S. 134) und zur Vergütung der Informationsintermediäre 13. Kapitel: C.I.1 (S. 685). 53 Siehe 9. Kapitel: B.II (S. 297).

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putationsaufbau und -erhalt ergeben sich aus dem Nachfrage- und Wettbewerbsmechanismus, also dem Druck, überdurchschnittliche Leistungen anzubieten. Negativanreize vermitteln sich aus dem drohenden Abbruch der Nachfrage beim betreffenden Intermediär. Der Abbruch unterbleibt jedoch, wenn die Leistung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nachgefragt werden muss und keine Möglichkeit zum Ausweichen auf einen anderen Intermediär besteht.54 Wettbewerbsanreize wirken sich unabhängig von diesen, die jeweilige Intermediärorganisation erfassenden Anreizstrukturen für den einzelnen Handelnden von vornherein nicht aus, wenn er von gleichgerichtetem Verhalten ausgehen kann, also vermuten darf, dass sich auch die für andere Intermediärorganisationen Handelnden nicht um eine überlegene Leistung bemühen.55 Ein systematisches Versagen positiver Wettbewerbsanreize bei Organisation und einzelnem Handelnden ist besonders im Zusammenspiel von Anbieterkonsolidierung (Oligopol) und Rechtsfolgenzuweisung (regulatory licence) denkbar.56 Eine hohe Steuerungswirkung kann insbesondere der privaten Haftung zukommen. Zur Parteihaftung kommt es gerade in den sensiblen Fällen einer zu großen Annäherung an die Präferenzen des Vertragspartners nicht. Die Steuerungswirkung der Dritthaftung richtet sich nach national unterschiedlichen Graden der Schutzwirkung vertraglicher Absprachen oder des deliktsrechtlichen Vermögensschutzes sowie der Möglichkeit zur Bündelung von Interessen im Prozess und den Rechtsdurchsetzungskosten insgesamt. Die materiellrechtlichen Grundsatzfragen betreffen den Umgang mit Abweichungen vom Ziel der Informationsintegrität, die zwar den Funktionenschutz beeinträchtigt (fraud on the market), aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zugleich als Beeinträchtigung des Individualschutzes gewertet werden kann (fraud on the investor).57

III. Mechanismusinstabilität Die Informationsintermediation ist ein privates Leistungsangebot und infolgedessen in die Preisbildung durch Marktmechanismen eingebunden. Nach Stand der Kapitalmarktforschung ist die Preisbildung auf Austausch- und Informationsmarkt jeweils eigenen Friktionen unterworfen. Von einer darüber hinausgehenden Instabilität wird gesprochen, wenn zyklische Marktbewegungen das Erreichen eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage verstellen.58 Es handelt sich dann um ein Marktversagen, das aber nicht zwingend dauerhaft auftreten So wegen der kleinen Anzahl der für die Emissionsbegleitung in Betracht kommenden Investmentbanken Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 525 (2001). 55 Zu rationalem Herdenverhalten der Finanzanalysten Fleischer in: FS Immenga 2004, S. 575, 585. 56 Näher zu wettbewerblichen Wirkungen von Rechtsfolgenzuweisungen 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254, 256). 57 Noch aufzugreifen ist dies bei den haftungsrechtlichen Kausalitätsfragen, 12. Kapitel: D.II (S. 517). 54

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muss. Wegen der Verknüpfung des Informationsmarkts mit dem Austauschmarkt wirken sich die Funktionsschwächen mittelbar auf die Anreize der Informationsintermediäre aus. Fehlanreize können hierdurch verstärkt werden. Auch können Maßnahmen zur Herstellung von Anreizkompatibilität ins Leere gehen. Konkret sind die Ertragsmöglichkeiten des Intermediärs durch die Zahlungsbereitschaften der kapitalsuchenden Emittenten oder der kapitalanbietenden Investoren bedingt. Diese Zahlungsbereitschaften richten sich nach dem erwarteten Einfluss der Information auf Investitionsentscheidungen. Wie angesprochen wird ein Rückgang der Zahlungsbereitschaft zur Erklärung des weitläufigen Versagens der Informationsintermediäre bei Marktblasen herangezogen, insbesondere der Technologieblase zu Anfang der 2000er-Jahre („bubble story“).59 Die Investition in eine verlässliche Informationsproduktion lohnt unter diesen Bedingungen kurzfristig nicht, weil in der überhitzten Marktphase kaum Zahlungsbereitschaften für vorausschauende Bewertungen bestehen. Zum vollständigen Versagen des Reputationsmechanismus kommt es allerdings nur, wenn auch langfristig keine Erträge aus vorausschauenden Beurteilungen zu erzielen sind. In der Regelsetzungsdebatte sind marktphasenbedingte Mechanismusinstabilitäten für das Versagen der Reputationsintermediation bislang kaum erschlossen. Zwar sind individuelle Kurzfristorientierungen mittlerweile als Agenturproblem bekannt. Für die tendenziell auf unbestimmte Zeit angelegte Intermediärorganisation bietet erst die Kurzfristorientierung der Märkte (Myopia) eine Teilerklärung dafür, dass Investitionen in langfristig wirkende Reputationswerte unterbleiben.60 Die Erklärungskraft ist nicht zu überspannen, weil Reaktionen auf Intermediärbeurteilungen jedenfalls auch außerhalb überhitzter Märkte nachweisbar sind.61 Dem Markt jedes Gedächtnis für die Verlässlichkeit der Intermediärleistungen abzusprechen ginge also wohl zu weit. Wahrscheinlicher ist, dass temporär übersteigerte Kurzfristorientierungen die Stabilität des Reputationsmechanismus in Frage stellen. Übergreifend stellt sich die Aufgabe, den vorhandenen Regelungsbestand darauf zu überprüfen, inwieweit Änderungen des Preisgefüges Rechnung getragen wird, und neue Regeln, soweit möglich, marktphasenunabhängig auszugestalten.62 58 Einführend Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 81 mit Beispielen wie dem Weltmarkt für Rohstoffe. Im Zusammenhang mit der Kapitalmarkteffizienz 6. Kapitel: A.I (S. 148) und mit Mechanismusinstabilitäten 9. Kapitel: A.III (S. 292). 59 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 67 m. w. N. Siehe auch Partnoy, 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 503 (2001) zu Änderungen der Informationswerte je nach Marktphase. 60 Zur Kurzfristorientierung von Kapitalmärkten Shleifer Inefficient Markets, 2000, S. 1. Zusammenfassend Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 352. 61 Zur Empirik 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180). 62 Siehe etwa Röhl in: Fehling / Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 18 Rn. 8 ff. zur Labilität des Finanzgeschäfts als Grund der Finanzmarktregulierung.

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Eingesetzt werden können insbesondere Vorgaben zur nachhaltigen Strukturierung organisationsinterner Entscheidungsprozesse, wie sie etwa aus der Debatte um die Vergütungsgestaltung bekannt sind.

B. Typologie des Intermediationsversagens Die regulatorischen Folgepflichten einer privaten Marktzugangskontrolle sind auf die möglichen Versagensgründe der Informationsintermediation abzustimmen. Drei Fehlertypen sind auszumachen: das Ausbleiben der Informationsintermediation,63 die fehlerhafte Information64 und schließlich schädliche Folgewirkungen einer im Grundsatz ordnungsgemäß erbrachten Intermediationsleistung.65 Mit dem Auftreten des einzelnen Fehlertyps sind jeweils spezifische Störungen der privaten Marktzugangskontrolle verbunden, die nicht immer durch vorhandene Begleitmaßnahmen aufgefangen werden.

I. Ausbleibende Intermediation Erster Grundtypus der versagenden Intermediation ist das Ausbleiben der Informationsleistung. Es kommt also nicht zur Bewertung des Emittenten, weil Anreize zur Erbringung der privaten Leistung fehlen. Bei systematischem Fehlen von Anreizen zur Inanspruchnahme der Informationsintermediation greift ein auf private Marktmechanismen bauendes Regelungskonzept ins Leere. Es fehlt bereits an der Möglichkeit oder der marktgesteuerten Motivation des privaten Dritten, auf den primärverantwortlichen Emittenten einzuwirken.66 1. Angebotsfaktoren Die Informationsintermediation hat sich seit dem 19. Jahrhundert im Zuge der wachsenden Qualitätsunsicherheit der Kapitalanbieter und dem erstarkenden Bedürfnis nach Vergleichbarkeit der Investitionsangebote entwickelt. Alternative Governance-Strukturen wie die auf Informationsinternalisierung gerichtete Präsenz von Bankenvertretern in US-amerikanischen Boards zu Anfang des 20. Jahrhunderts und bis lange danach in deutschen Aufsichtsräten gaben der Informationsintermediation zum Teil aus regulatorisch bedingten Gründen Raum. Die Leistungen von Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanzanalysten zählen heute zum gefestigten Bestand des kapitalmarktlichen Informa-

63 64 65 66

Abschn. I. Abschn. II (S. 297). Abschn. III (S. 302). Zu dieser Voraussetzung 8. Kapitel: C.III (S. 274).

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tionsgefüges. Ein Ausbleiben ihrer Leistungen wird erst vor diesem Hintergrund zum Regelungsproblem. 2. Nachfragestörungen Voraussetzung eines stabilen Markts für Intermediationsleistungen ist aus Sicht der Nachfragenden die Verlässlichkeit der vermittelten Informationen und aus Sicht der Anbieter die Wirtschaftlichkeit eines reputationsgestützten Informationsangebots. Diese Angebots- und Nachfragefaktoren hängen untrennbar zusammen. Erforderlich ist neben dem Nachweis der Qualifikation ein Mindestmaß an Unabhängigkeit, weil erst bei Unterscheidbarkeit etwa von Werbeaussagen des Emittenten eine zusätzliche Entscheidungsstütze zu vermitteln ist.67 In allen Einzelbereichen der Informationsintermediation werden die Mindestanforderungen an die Qualifikation im Wege fortschreitender Regelsetzung verdichtet. Diese Verdichtungen müssen an das im jeweiligen Intermediationssegment vorhandene Wissen anknüpfen. Wie die Erfahrungen bei der Einführung der Abschlussprüfung zeigen, sind nur die bereits befassten Einzelpersonen in der Lage, ihre Leistungserbringung an erhöhte Standards anzupassen. Die Anforderungen an die Qualifikation sind also nur schrittweise fortzuentwickeln. Demgegenüber können Verschärfungen der Unabhängigkeitsregeln ohne Verzögerung zum Einsatz gebracht werden, wirken sich dann aber als Beschneidung des jeweils zulässigen Angebotsspektrums und damit auf die Wirtschaftlichkeit der betreffenden Leistung aus. Die Wirtschaftlichkeit von Informationsleistungen ist durch den hybrid privat-öffentlichen Charakter der Information und damit durch andere Faktoren als die eines Angebots physischer Produkte bestimmt.68 Die ökonomische Theorie der 1960er-Jahre nahm eine systematische Unterproduktion von Informationen an, weil die Erträge der Informationssuche nach Bekanntgabe des Ergebnisses nicht mehr voll zu vereinnahmen sind (Informationsparadoxon).69 In den 1970er-Jahren wurde dieser Annahme die Gefahr einer systematischen Überproduktion gegenübergestellt, die maßgeblich aus der Vereinnahmung von Umverteilungseffekten bei Nutzung allein privater Informationen erklärt wurde (unproduktive Information).70 In den 1980er-Jahren wurde die strategische Unterproduktion qualitativ hochwertiger Intermediationsleistungen bei gleichzeitiger Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1080 (2003). Grundlegend zur Einordnung der Information als öffentliches Gut Samuelsen 36 Rev. Econ. Stat. 387 (1954). Im vorliegend behandelten Kontext Schmidt / Tyrell in: Hopt u. a. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, 2005, S. 481, 485 (Informationsproduktion am Kapitalmarkt). 69 Zur These systematischer Informationsunterproduktion Arrow in: NBER (Hrsg.), The Rate and Direction of Inventive Activity, 1962, S. 609, 616 ff., 619. Zur Übertragung auf Unterinvestitionen in Reputation Radner / Stiglitz in: Boyer / Kihlstrom (Hrsg.), Bayesian Models in Economic Theory, 1984, S. 33 ff. 67 68

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Vereinnahmung von Erträgen aus zusätzlichen Informationsleistungen herausgearbeitet (low balling).71 Fehlende Anreize zur Produktion gehaltvoller Informationen wurden zuletzt auf regulatorische Indienstnahmen und die daraus folgende Möglichkeit des Intermediärs zur Verschaffung des Marktzutritts zurückgeführt (regulatory licence).72 Auf dem so umrissenen Stand sind einzelne Erfahrungen mit dem Ausbleiben von integren Intermediationsleistungen als regulatorisch (mit-)bedingte Unterproduktionen zu erfassen: Zur vollständigen Weigerung der Ratingagenturen, Emissionen durch Bonitätsbeurteilungen zu begleiten, kam es infolge der Haftungsverschärfung nach dem Dodd-Frank Act im Jahr 2010.73 Die Haftungsverschärfung musste kurz nach ihrer Einführung wieder zurückgezogen werden. Ob es sich um eine Übermaßhaftung handelte, ist nicht sicher zu beurteilen, zumal im Ratingoligopol eine koordinierte private Beeinflussung der Regelsetzung denkbar ist (rent seeking). In der Europäischen Union steht die durch die EG-RatingVO von 2009 eingeführte Pflicht der Agenturen in der Diskussion, die Ergebnisse der im Abonnement erbrachten Bonitätsbeurteilungen zu veröffentlichen.74 Inwieweit dies zu einem Rückgang von Abonnements führt, ist mangels verfügbarer Daten nicht nachprüfbar. Ein gradueller Verlust der Attraktivität von Abonnementratings, der sich mit einem Nachfragerückgang verbinden könnte, liegt nahe. Bei der Finanzanalyse kam es zu einem Rückgang der Analyseabdeckung zu kleineren Emittenten, nachdem infolge der US-amerikanischen Regulation Fair Disclosure von 2000 die private Informationsweitergabe an Analysten untersagt wurde.75 Mit den anerkannten Umverteilungseffekten aus der Generierung unproduktiver Insiderinformationen lässt sich ein umfassendes Verbot nur in Bezug auf kursrelevante Informationen begründen. 3. Markteintrittsbarrieren Die Leistungsfähigkeit eines auf Informationsexternalisierung bauenden Finanzsystems ist maßgeblich durch die Informationsversorgung des Markts bedingt. Die breitflächige Abdeckung durch Informationsintermediäre mindert die Ge70 Hirshleifer 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971). Einführend zum Produktivitätskriterium Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 538. Kritisch wegen Unterscheidbarkeitsproblemen Fleischer Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 166 und einschränkend mit Kritik an der Annahmefülle Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 217 f. 71 De Angelo 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). 72 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 ff., 510 (2001). 73 Näher Manns 81 Geo. Wash. L. Rev. 749, 774 (2013). Zur Kritik an der Haftungsverschärfung Brownlow 15 N.C. Banking Inst. 111 f. (2011). 74 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G77. 75 Näher Seibt ZGR 2006, 501, 512.

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fahr von Betrug und Manipulation.76 Theorie und gesammelte Erfahrungen legen den Schluss nahe, dass weniger ein vollständiges Ausbleiben von Intermediationsleistungen zu befürchten ist, wohl aber eine mangelnde Flächenabdeckung, also insbesondere ein Ausbleiben der Intermediationsleistungen an den Rändern des Produktangebots. Mit der Errichtung von Intermediationsobligatorien kann die Flächenabdeckung gesteigert werden. Am weitesten geht die Anordnung einer von der Art der Kapitalsuche unabhängigen Pflichtprüfung. Weniger weit reicht ein an die Fremdkapitalsuche geknüpftes faktisches Teilobligatorium wie beim Rating. In beiden Fällen wird in die für Angebot und Nachfrage nach Intermediationsleistungen maßgeblichen Faktoren eingegriffen. Daraus resultieren Verzerrungen, die vermittelt über weitere Eingriffe zu Markteintrittsbarrieren führen können. Zu denken ist insoweit etwa an die Teilnahme am regulierten Markt, die eine Rechnungslegung nach den internationalen Standards der IFRS voraussetzt. Der Kreis der zur Abschlussprüfung in Betracht kommenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wird dadurch deutlich verkleinert, weil nur große Anbieter zur IFRS-Prüfung in der Lage sind. Die ohnehin nach ökonomischer Theorie anzunehmenden natürlichen Tendenzen des Informationsanbietermarkts zur Oligopolbildung werden also verstärkt.77 Inwieweit die damit verbundenen Markteintrittsbarrieren im Zeichen der Flächenabdeckung hinzunehmen sind, ist nicht mit letzter Gewissheit und kaum für alle Intermediäroligopole gleichlautend zu beantworten. So könnte eine Segmentierung des Anbietermarkts in (eine wettbewerbsfähige Anzahl) großer und (eine ebenfalls wettbewerbsfähige Anzahl) kleiner Anbieter dazu beitragen, die auf Informationsexternalisierung und auf -internalisierung bauenden Mechanismen der Marktzugangskontrolle in einen sinnvollen Ausgleich zu bringen. Zu weit gehen jedenfalls regulatorische Zulassungsbeschränkungen, durch die eine praktisch nicht überwindbare Marktzutrittshürde für neue Teilnehmer des Informationsmarkts geschaffen wird. Als solche Hürde galt die zurückhaltende Anerkennungspraxis der US-amerikanischen Finanzaufsicht gegenüber Ratingagenturen. Angelegt war darin eine Zuweisung von Rechtspositionen an bestimmte Marktteilnehmer (regulatory entitlements).78

II. Fehlerhafte Information Zweiter Grundtypus einer versagenden Intermediation ist die fehlerhafte Information. Eine auf private Dritte gestützte Marktzugangskontrolle kommt nur bei geringer Fehlerwahrscheinlichkeit in Betracht, weil anderenfalls nicht mit der Coffee Gatekeepers, 2006, S. 247 zur Finanzanalyse. Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 517 ff. (2001). Zu natürlichen Tendenzen einer Oligopolbildung noch im Folgenden 9. Kapitel: B.II.3 (S. 301). 78 Kritik bei Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 517 ff., 528 (2001). 76 77

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Verhinderung von Fehlverhalten des Primärverantwortlichen durch den Intermediär gerechnet werden kann.79 Fehlleistungen sind im privaten Leistungsaustausch nicht vollständig zu unterbinden, ebenso wenig wie bei staatlicher Informationsbereitstellung. Zur Regelsetzung fordern aber systematische Fehler der privaten Informationsintermediation auf, also Fehler zu deren Vermeidung keine hinreichenden Anreize bestehen. Einzuengen sind die regulatorischen Folgepflichten einer Indienstnahme privater Leistungen in Bezug auf fehlerhafte Intermediärleistungen infolgedessen auf die vorhersehbar inhaltlich falsche oder nach Kenntnis der Unrichtigkeit nicht korrigierte Information. 1. Kollusionen Fehlerhafte Leistungen der Informationsintermediation und das Ausbleiben von Korrekturen sind Begleitbeobachtungen zu jeder Wirtschaftskrise. Die Breitenwirkung des Untergangs von Enron 2001 für die Diskussion um die Informationsintermediation erklärt sich aus dem Versagen sämtlicher Informationsintermediäre.80 Im Vorfeld war es zur kollusiven Begleitung des Bilanzbetrugs durch den Abschlussprüfer gekommen. Mit dem Emittenten abgestimmtes Fehlverhalten ist schon angesichts der eingeschränkten äußerlichen Beobachtbarkeit nicht vollständig zu verhindern. Sanktionen wie die persönliche Haftung nach § 826 BGB können aber zu einer durchaus ernstzunehmenden Abschreckung führen. Die verzögerten Reaktionen von Rating- und Finanzanalysten auf die vorhersehbar problematischen Finanzierungsstrukturen des Enron-Konzerns legen nahe, dass nicht allein die Fälle kollusiven Zusammenwirkens ein Problem darstellen, sondern vielmehr eine mit dem Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität unvereinbare private Anreizgestaltung innerhalb der Intermediärorganisation.81 2. Agenturprobleme Annäherungen an die möglichen Ursachen systematischer Abweichungen vom Ziel der Informationsintegrität schafft die Agenturtheorie, deren Ansatz auf die bilaterale (dyadische) Beziehung zugeschnitten ist und demzufolge für das multilaterale Marktverhältnis nur einsetzbar ist, um die wesentlichen Gründe für Zielabweichungen einzuengen.82 Zu unterscheiden sind danach drei Agenturprobleme: erstens die Wahl eines suboptimalen Anstrengungsniveaus, zweitens auseinanderfallende Risiko- und Zeitwahlpräferenzen und drittens Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen.83 Zu dieser Voraussetzung 8. Kapitel: C.III (S. 274). Ausführlich 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104) m. w. N. 81 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 60 ff.; Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 517 ff., 523 (2001). 82 Näher 6. Kapitel: C.III (S. 168). 83 Grundlagen der ökonomischen Agenturtheorie bei Jensen / Meckling 3 J. Fin. Econ. 305, 313 (1976); Ross 63 Am. Econ. Rev. 134 (1973) jeweils mit formaler Herleitung. Überblick 79 80

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Das erste Agenturproblem der Wahl eines suboptimalen Anstrengungsniveaus kann sich etwa in einer mangelnden Prüfungsdichte oder im Nichtaufgreifen verbesserter Prüfungs- und Analysemethoden niederschlagen. Jedenfalls werden über die Zeit die Folgen zu geringer Anstrengungen beobachtbar. Für den qualifizierten Agenten lohnt sich mangelnde Sorgfalt auf Dauer also nur bei fehlender Sanktionsandrohung.84 Als Grundsatzprobleme bereits angesprochen wurden die Grenzen marktlicher Sanktionen, darunter die fortdauernde Nachfrage trotz Unterschreitungen des Sorgfaltsniveaus. Hinzu kommen Schwächen der Dritthaftung, also die bloß eingeschränkte Verantwortlichkeit gegenüber nicht unmittelbar am Zustandekommen der Informationsabsprache Betroffenen. Damit sind übergreifende Ursachen für eine Unterabschreckung eingekreist, die über das suboptimale Anstrengungsniveau hinaus auch das Auftreten der noch zu behandelnden weiteren Agenturprobleme begünstigt (under-deterred gatekeeper).85 Voraussetzungen für wirksame Sanktionen sind zum einen Ausweichmöglichkeiten, also ein Abbruch der Nachfrage bei diesem Intermediär, zum anderen die Überwindung von Unterscheidungsschwächen, also die Erkennbarkeit von gegebenenfalls auch haftungsrelevanten Unterschreitungen des Anstrengungsniveaus. Gemeinsames Erfordernis ist der Wettbewerb am Intermediationsmarkt. Eine diesen Wettbewerb gewährleistende hinreichende Anzahl von Marktteilnehmern auf Anbieterseite bürgt für Ausweichmöglichkeiten der Nachfrageseite. Unterscheidungsschwächen sind im Wege der Ausformung vor allem prozeduraler Sorgfaltsstandards bei der Ausführung der Intermediationsleistung überwindbar. Noch Anfang der 2000er-Jahre wurden erhebliche Regelungslücken beim Bonitätsrating und bei der Finanzanalyse bemängelt.86 Die seitdem erlassenen Regeln füllen erkannte Lücken, sind aber angesichts der raschen Fortentwicklung und finanzmarktlicher Produktinnovation voraussichtlich bloß ein Zwischenstand. Als zweites Agenturproblem sind auseinanderfallende Risiko- und Zeitwahlpräferenzen zu nennen.87 Unterschiede ergeben sich zwischen den Präferenzen des einzelnen Handelnden, der ihn beschäftigenden Intermediärorganisation und dem zwischen Intermediationsangebot und -nachfrage vermittelnden Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität. Die Präferenzunterschiede wirken sich insbesondere in Form einer kurzfristig übersteigerten Risikobereitschaft des bei Pratt / Zeckhauser in: dies. (Hrsg.), Principals and Agents, 1985, S. 1, 8 ff. Siehe auch die weiteren Beiträge im Sammelband. Zur Einordnung Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 216 ff. 84 Cooter / Freedman 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1056 f. (1991); Eisenberg 89 Colum. L. Rev. 1461, 1471 ff. (1989). 85 Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 60 ff. 86 Zum anfänglichen Fehlen eines Pflichtenkatalogs für Ratingagenturen Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F135. 87 Cooter / Freedman 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1056 f. (1991) mit spieltheoretischer Herleitung. Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 218.

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Einzelnen aus, die aus der mangelnden Ertragskraft individueller Aufwendungen in langfristig wirkende Reputationszuwächse der Organisation zu erklären ist. Je nach dem Grad der Kurzfristorientierung des Markts kann sich auch für die Organisation eine vom Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität abweichende Risikoexposition anbieten. Der rechtlichen Steuerung zugänglich sind Vergütungsabreden. Konkret zu unterbinden sind Abreden, die Ertragsmöglichkeiten aus dem Eingehen kurzfristiger Risiken verstärken, also beispielsweise ungeeignet sind, ein Gegengewicht zum Antreiben von Marktblasen zu schaffen.88 Vorgaben zur Vergütungsgestaltung finden sich bei allen hier behandelten Intermedationsleistungen. In der Sache handelt es sich um Regeln zur internen Organisation, also um Vorgaben an die für Leitungsentscheidungen Verantwortlichen und ihre Überwacher. Impulse geben die Debatten um die allgemeine Corporate Governance sowie um aufsichtsrechtliche Sonderregeln für Banken und Versicherungen. Zu vermuten ist, dass Fehlverhalten im Einzelfall nicht durch positive Verhaltenssteuerung zu verhindern ist.89 Hinzu kommt der Wegfall der Anreizsteuerung bei zeitlichem Ablauf des Partizipationsversprechens (Endspielsituation). Das dritte Agenturproblem betrifft die vorrangige Verwirklichung von Eigeninteressen (Interessenkonflikt) sowie das Verhalten bei konfligierenden Fremdinteressen (Pflichtenkollision).90 Pflichtenkollisionen können bei Informationsintermediären auftreten, wenn weitere Ämter (z. B. Aufsichtsratsmandate beim geprüften oder beurteilten Unternehmen) übernommen werden. Die Interessenwahrungspflichten aus dem Nebenamt als Aufsichtsrat und eine Pflicht zur Wahrung der Informationsintegrität aus dem Hauptamt als Intermediär können zu gegenteiligen Handlungsaufforderungen führen.91 Im Recht der Interessenwahrung sind die Verhaltenspflichten und Sanktionen für diese und weitere Konstellationen aufgearbeitet92 und können – ggf. im Wege berufsrechtlicher oder regulatorischer Pflichtenzuweisung – auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation übertragen werden.93 Näher Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1613 (2010). Zu Erfahrungen mit nicht auf die individuellen Zeithorizonte abgestimmten Vergütungssystemen Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 77 (2004). 89 Zur allgemeinen Corporate Governance Evers in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl., 2009 S. 349, 353. Zu Sonderregeln im Bankaufsichts- und Versicherungsaufsichtsrecht Leyens / Schmidt AG 2013, 533, 541 m. w. N. 90 Statt vieler Eisenberg 89 Colum. L. Rev. 1461, 1472 (1989). Eingehend zur ökonomischen Agenturtheorie Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 59 ff. 91 Dazu Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 33. 92 Statt vieler Hopt ECFR 2013, 167; ders. ZGR 2004, 1, 51; ders. in: FS Doralt 2004, 213, 214 ff. Zur Übertragbarkeit auf die Informationsintermediäre des Kapitalmarkts Leyens JCLS 2011, 33, 43 ff. 93 Zum marktlichen Regelungsmodell der Unabhängigkeit als Korrelat der Teilnahme am Markt für Informationsintermediation Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 431 (angelehnt an Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 332). 88

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Nicht oder nur eingeschränkt zu bewältigen bleiben diejenigen Situationen, in denen eine nachteilige Bewertung zu schwerwiegenden Verlusten auf Seiten beider Pflichtengeber führen müsste (doppeltes Endspiel). In Betracht kommen nur Abstandnahmegebote. Erschlossen sind solche Abstandnahmegebote für die Emissionsbegleitung durch ein Finanzinstitut, das gegebenenfalls auch Finanzanalysen anbietet, wenn es gleichzeitig Kreditgeber des Emittenten ist.94 Die fortdauernde Diskussion richtet sich auf Interessenkonflikte aus der privaten Vergütung durch die nach vorteilhaften Kapitalangeboten suchenden Emittenten oder die nach vorteilhafter Kapitalnachfrage suchende Investorenseite. Dabei ist zu unterscheiden: Der in Wettbewerbspreisen verkörperte Interessengegensatz von Informationsanbieter und -nachfrager ist kein die Agenturbeziehung grundsätzlich beeinträchtigender Interessenkonflikt, sondern ein für jedwede Form des Leistungsaustauschs anerkannter Mechanismus zum Ausgleich von Zahlungsbereitschaften, darunter auch die Bereitschaft zur entgeltlichen Zurverfügungstellung von Reputation. Erst die Vereinbarung einer Beeinträchtigung des Integritätsziels, also der Reputationsverkauf zulasten Dritter, verlangt nach gegensteuernder Rechtsetzung. Verbote einer Vergütungsabsprache, infolge derer die Leistung einseitig an den Vorteilen der zahlenden Partei ausgerichtet wird, finden sich in allen hier behandelten Bereichen der Intermediation. Angesichts der Komplexität möglicher Gestaltungen der Entlohnung liegen die fortwährenden Probleme vor allem auf der Ebene der Organisationspflichten. Die Organisationsmöglichkeiten entsprechen im Wesentlichen denen der internen Corporate Governance und sind zu ihrer Wirksamkeit auf taugliche Durchsetzungsmechanismen angewiesen. Anders als bei der Unternehmung ist eine private Absprache mit dem Ziel kurzfristiger Gewinnerzielung zulasten langfristiger Beeinträchtigungen des Unternehmenswerts bei der Informationsintermediation nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit zu tolerieren. Vergütungsbasierte Interessenkonflikte sind deshalb nicht vollständig auf Grundlage prozeduraler Anforderungen an die private Entscheidungsfindung zu lösen. Infolgedessen kommen berufsständische bzw. behördliche Gestaltungsvorgaben und Sanktionen in Betracht. 3. Oligopole Zu weiten Teilen sind die genannten Agenturprobleme durch Wettbewerbsschwächen bedingt. Für Sorgfaltspflichtverstöße (suboptimales Anstrengungsniveau) ist das Problem bereits angesprochen.95 Die weiteren Agenturprobleme, Risiko- und Zeitwahl sowie Eigeninteressen und Pflichtenkollisionen, werden 94 Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 95 zu den Vorstößen der IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Final Report, November 2007. 95 Dazu 9. Kapitel: B.II.2 (S. 298 f.).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

durch ein Fehlen marktlicher Sanktionen verschärft. Freiwillige Signale zum Wohlverhalten – etwa Erklärungen zur Einhaltung von Kodexvorgaben – können den Markt bei mangelnder Ausweichmöglichkeit nicht zum Abbruch der Nachfrage anreizen. So wie mangels Wettbewerbs die Wahl des Emittenten zwischen den Intermediären verstellt ist, ist die Entscheidung der Investoren für Emittenten verstellt, die allein Wohlverhalten signalisierende Intermediäre einsetzen. Hoheitliche Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems sind kurzfristig nur hoch invasiv, etwa als Abspaltungsanordnungen denkbar.96 Hoffnungen auf dadurch langfristig zu erzielende Erträge sind an der Vermutung natürlicher Tendenzen der Informationsmärkte zur Monopolbildung zu messen.97 Die rechtspolitische Diskussion richtet ihren Blick aktuell auf den Erhalt vorhandener Marktteilnehmer im Prüfungsoligopol (Haftungsgrenzen)98 und die Reduzierung von Markteintrittsbarrieren im Ratingoligopol (erleichterte Registrierung).99 Die mit der Politik einer zurückhaltenden Anerkennung von Ratingagenturen verbundene Hoffnung auf fortwährende Treffsicherheit der bekannten Marktteilnehmer ist im Ansatz nicht unberechtigt. Abzuwägen ist aber die auf belegbare Negativerfahrung gestützte Enttäuschung integrer Marktinformationen durch die anerkannten Agenturen gegenüber einem längerfristig durch stärkeren Wettbewerb verbesserten Intermediationsmarkt.100

III. Schädliche Folgewirkungen Der dritte Grundtypus eines Versagens der Informationsintermediation betrifft schädliche Folgewirkungen. Schädliche Folgewirkungen treten auf, wenn die Informationsleistung an sich zutreffend ist, aber entgegen der Erwartung marktliche Friktionen nicht abmildert, sondern verschärft. Ein Funktionsversagen ergibt sich aus dem Blickwinkel der vorgestellten Gestaltungsfaktoren, wenn die durch die Informationsintermediation zu leistende Marktzugangskontrolle zu den durch sie verursachten Kosten außer Verhältnis steht. Innerhalb eines auf Intermediärleistungen setzenden Systems drücken sich mögliche volkswirtschaftliche Verluste Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G28 ff., G31. Die Tendenz zur natürlichen Oligopolbildung wird zurückgeführt auf die hohen anfänglichen Aufwendungen, auf geringe Folgekosten, steigende Skalenerträge sowie tatsächliche Beobachtungen einer fortschreitenden Konsolidierung des Intermediationsmarkts bei Prüfung und Bonitätsbeurteilung. Grundlegend Radner / Stiglitz in: Boyer / Kihlstrom (Hrsg.), Bayesian Models in Economic Theory, 1984, S. 33. Überblick bei Tyrell Kapitalmärkte und Banken, 2003, S. 16 f. 98 Empfehlung der Europäischen Kommission zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, 2008/473/EG, 5.6.2008, ABl. EU L 162 v. 21.6.2008, S. 39. Zur Diskussion Max Planck Working Group (Doralt, Koord.), 67 CLJ 62 (2008). 99 Diskussion der Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen Credit Rating Agency Reform Act und der EG-RatingVO 5. Kapitel: B.I.3 (S. 93 ff.). 100 Abwägend auch Coffee Gatekeepers, 2006, S. 347. 96 97

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als tertiäre Kosten aus, also als Kosten, die nicht bei den in das Zustandekommen der Intermediationsleistung eingebundenen Parteien entstehen.101 1. Folgewirkung Kontrovers diskutiert werden die prozyklischen Wirkungen einer an Zeitwerten ausgerichteten Rechnungslegung (fair value accounting und mark-to-market).102 Die Abschlussprüfung legt dieses Zeitwertprinzip zugrunde, verstärkt also im Wege des Intermediationssignals seine möglichen Schwächen. Genannt werden auch die durch Bonitätsherabstufungen beschleunigten Zusammenbrüche der Märkte für einzelne Finanzprodukte infolge ad hoc zu korrigierender Eigenkapitalausstattungen von Banken (deleveraging)103 sowie, nicht zuletzt, die Verschärfungen von Staatsschuldenkrisen nach Herabstufung der Bonität eines Landes.104 In Gegenüberstellung hierzu richtete sich der Vorwurf bei der nicht regulatorisch eingebundenen Finanzanalyse vor allem gegen die fehlende Korrektur positiver Bewertungen bei Umstandsveränderungen, also die Aufrechterhaltung von Anlagestimmungen trotz erkennbarer Überhitzung der Märkte. Die unterschiedlichen Ursachen dieser Folgewirkungen legen einen differenzierenden Umgang nahe. Die als prozyklische Wirkungen beschriebenen Folgen der Informationsintermediation sind zu weiten Teilen in einem auf Informationsexternalisierung bauenden Finanzsystem angelegt. Informationen werden im Markt, wenn auch unter Friktionen, ausgewertet und fließen in die Preise ein. Die ordnungsgemäß auf Grundlage des für die Rechnungslegung geltenden Zeitwertprinzips erbrachte Prüfungsleistung kann ebenso wenig wie die auf dem Stand verfügbarer Methoden und auswertbarer Kenntnisse ordnungsgemäß erbrachte Bonitätsbeurteilung oder Analystenempfehlung an sich schädliche (paradoxe) Wirkungen zeitigen.105 Zur Abmilderung prozyklischer Marktbewegungen kommen kostenträchtige direkte Kapitalbereitstellungen in Betracht (Rettungsmaßnahmen in der Krise). Durch Basel III werden antizyklische Verpflichtungen von Finanzinstituten zum Eigenkapitalaufbau eingeführt (countercyclical capital buffer), um die vom Markt nicht aufnehmbaren Verkäufe bei drohender Unterschreitung des regulatorisch erforderlichen Eigenkapitals zu vermeiden (deleveraging).106

Zur Voraussetzung verhältnismäßiger Kosten 8. Kapitel: C.IV (S. 277). Grundsatzprobleme bei Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E48; Strampelli ECFR 2011, 1, 3. Zuletzt Amel-Zadeh / Barth / Landsman The Contribution of Bank Regulation and Fair Value Accounting to Procyclical Leverage, 26.4.2016, www.ssrn.com/abstract=2300497. 103 Dazu Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E31. 104 Witte WM 2011, 2253, 2256 zu völker- und verfassungsrechtlichen Fragen. 105 Zum Regulierungsparadoxon Black 75 MLR 1037, 1039 (2012). Im Zusammenhang mit der Anreizsteuerung 8. Kapitel: A.II.1.c (S. 218). 106 Überblick bei Avgouleas Governance of Global Financial Markets, 2012, S. 324. 101 102

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Von diesen Maßnahmen zu unterscheiden sind Eingriffe in die Bewertungsgrundlagen, wie die bei der Rechnungslegung eingesetzten Unterbrechungen des Zeitwertprinzips (circuit breakers).107 Inwieweit damit marktverzerrende Bewertungen unterbunden werden können, ist umstritten.108 Der ordnungsgemäße Einsatz durch den Emittenten unterliegt aber weiterhin der Abschlussprüfung. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Maßnahmen, die gestützt auf ein Verdikt der „Schädlichkeit“ darauf abzielen, Einfluss auf die Intermediation selbst zu nehmen. Dem so umrissenen Erfordernis der Differenzierung ist im folgenden Abschnitt weiter nachzugehen. 2. Schädlichkeit Bei ordnungsmäßig erbrachter Informationsleistung liegt das eigentliche Problem in der „unerwünschten“ Marktreaktion auf die Information, nicht bei der Informationsintermediation. Dies ist am dreigliedrigen Funktionsspektrum der Informationsintermediation zu belegen:109 Erstens werden auf der Grundlage zutreffender Intermediärinformationen Preisunsicherheiten überwunden, also sonst verstellte Austauschprozesse ermöglicht (contract governance). Insoweit kommt es darauf an, dass die zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung verfügbare Information ordnungsgemäß erbracht ist. Daraus ergibt sich, dass eine zwar zum Zeitpunkt ihrer Erstellung zutreffende, aber auf das Eintreten neuer Ereignisse nicht korrigierte Information zu schädlichen Wirkungen führen kann, wenn sie trotz Verlust ihrer Richtigkeit im Zeitablauf auf die Investitionsentscheidungen fortwirkt. Bei der Abschlussprüfung kann sich eine solche Fortwirkung (allenfalls) aus der Prognose zum Unternehmensfortbestand ergeben (going concern). Die Fortbestehensprognose hat allerdings überhaupt nur im Fall erwarteter Gefährdungen in den nach außen gerichteten Bestätigungsvermerk einzufließen (§ 322 Abs. 2 Satz 3 HGB). Mögliche Erwartungslücken werden durch die Stichtagsbezogenheit und die datierte Unterzeichnung des Vermerks verringert. Verschärft stellt sich das Problem der Fortwirkung demgegenüber bei Rating und Finanzanalyse, weil eine gewisse Erwartung besteht, dass bewertungsrelevante Ereignisse auch unterjährig aufgegriffen werden, es entgegen dieser Erwartung aber nicht zu einer Änderung der Bonitätsbeurteilung oder der Empfehlung kommen muss. Dem wirken die heute geltenden Pflichten der Intermediäre entweder zur Offenlegung des Ratingabbruchs oder zur Korrektur von Analystenempfehlungen (follow up) entgegen. Zweitens kann sich die mit Intermediationsleistungen verbundene Geschäftsleiterdisziplinierung (Corporate Governance) nicht entfalten, wenn eine rigorose 107 108 109

Näher Strampelli ECFR 2011, 1, 11 ff. Kritisch dazu Strampelli ECFR 2011, 1, 13. Zu den im Folgenden behandelten Funktionen 3. Kapitel: A, B und C (S. 25, 29, 33).

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Durchleuchtung der wirtschaftlichen Aufstellung des einzelnen Emittenten durch die Intermediäre unterbunden wird. Unterschiede zwischen privaten und staatlichen Anbietern sind insoweit nicht erkennbar. Die in der Schuldenkrise 2009 erhitzt geführte Debatte um das Verbot „unvorteilhafter“ Bewertungen der Bonität einzelner offensichtlich gefährdeter Schuldnerstaaten – aber etwa auch der traditionell als zahlungsfähig geltenden USA – legt nahe, dass in der rechtspolitischen Diskussion noch Unsicherheiten bestehen. Drittens betreffen die zuletzt genannten Unsicherheiten auch die Funktionen der Informationsintermediation bei der Herausbildung von Marktdisziplin (market governance). Anfang 2013 verabschiedete das Europäische Parlament neue Regeln dazu, wann und wie Ratingagenturen Staatsschulden bewerten dürfen.110 Unaufgeforderte Beurteilungen von Staatsschulden dürfen seither nur zu bestimmten Zeitpunkten erbracht werden. Diese Zeitpunkte haben die Agenturen jeweils Ende Dezember für das folgende Jahr zu veröffentlichen. Veröffentlicht werden dürfen sie erst nach Handelsschluss und mindestens eine Stunde vor Öffnung der Handelsplätze. Angesichts der intensiven Beobachtung schon bei Ankündigung einer Änderung der Bonitätsbeurteilung liegt nicht fern, von hohen Anreizen zur ordnungsgemäßen Bewertung von Staatsschulden auszugehen. Wenn die den Austausch ermöglichende und die disziplinierende Wirkung von Bonitätsbeurteilungen maßgeblich davon abhängt, dass die Bewertung zutreffend und aktuell ist, sind die genannten Einschränkungen mit Zweifeln zu versehen. Als besonders problematisch erscheint die Verpflichtung zur Vorabfestlegung auf Veröffentlichungszeitpunkte. Gerade der unvorhergesehene Eintritt neuer Ereignisse (unknown unknowns)111 erfordert die Korrektur der im Zeitablauf unrichtigen, aber gleichwohl im Markt fortwirkenden Informationen.112 Die marktordnende Wirkung büßt infolge von Vorabfestlegungen auf den Ratingzeitpunkt im Zusammenhang mit Staatsschulden außerdem an Funktionskraft ein, weil die Bewertung von Staatsobligationen im Bestand anderer Emittenten, darunter der Finanzinstitute, fortwirkt. 3. Pfadabhängigkeit Zur Unterbindung der als „schädlich“ eingeordneten Folgewirkungen können nach hier vertretener Auffassung kaum Einschränkungen des Zustandekommens von Intermediationsleistungen (solicited information) und nur bei Nachweis marktverzerrender Wirkungen Einschränkungen der freiwilligen Weitergabe ihrer Art. 8a EG-RatingVO eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Im Zusammenhang mit dem durch Knight Risk, Uncertainty, and Profit, 1921, Nachdr. 2009, S. 101 ff. geprägten regulatorischen Risikobegriff oben 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224). 112 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 39. 110 111

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Ergebnisse in Betracht kommen (unsolicited information). Dem entspricht das wertpapierhandelsrechtliche Verständnis der Schädlichkeit („Missstand“ i. S. v. § 4 Abs. 1 WpHG), das sich auf die primärursächlichen Austauschprozesse, also nicht die diese anleitenden Leistungen der Informationsintermediation bezieht. Schon rechtstatsächlich ist nicht zu unterbinden, dass private (De-)Investitionsentscheidungen auf der bestverfügbaren Informationsgrundlage getroffen werden. Hiervon zu unterscheiden ist das mit dem Rückbau der regulatorischen Ratingindienstnahmen angegangene Problem eines zu großen Gewichts der externen Bonitätsbewertungen für Austauschprozesse. Die Loslösung von einmal errichteten Formen der kooperativen Regulierung (disenrollment) ist mit eigenen Problemen verbunden, die maßgeblich Folge von Pfadabhängigkeiten sind, also von privat und regulatorisch verfestigten Wirtschaftsprozessen (structure and rule driven path dependence).113 Pfadabhängigkeiten schränken die Möglichkeiten zu kurzfristigen Änderungen des kapitalmarktlichen Informationsgefüges ein.114 Durch den Rückbau regulatorischer Indienstnahmen von Bonitätsratings soll der Markt gleichsam auf seine Ursprungssituation zurückversetzt werden. Erwartet wird eine Entzerrung der oligopolen Anbieterstrukturen, damit verbunden eine freiere Anbieterauswahl und insgesamt mehr Wettbewerb der Agenturen um überlegene Bonitätsbeurteilungen. Wie beschrieben tragen jedoch nicht nur regulatorische Rechtsfolgeanknüpfungen, sondern auch internationale Transaktionspraxis und nicht zuletzt die Rechtsprechung zu Verfestigungen des Informationsgefüges bei.115 Rechtlich gelten externe Bonitätsbeurteilungen als wesentliches Element einer informierten Investitionsentscheidung. Mit einer Änderung der Entscheidungsfaktoren auf Investorenseite ist kaum kurzfristig zu rechnen, auch weil der Markt bislang keine Alternativen hervorgebracht hat.116 Das räumt auch die Europäische Kommission in einer Bestandsaufnahme von Ende 2016 ein.117 Ergebnisgenaue Prognosen zu den Wirkungen einer Abkehr von regulatorischen Indienstnahmen sind kaum zu treffen. Zu rechnen ist mit Folgewirkungen auf unterschiedlichen Ebenen:118 Wenn bei der Eigenkapitalbemessung der FiZur Pfadabhängigkeit statt vieler Roe in: Hopt / Wymeersch (Hrsg.), Comparative Corporate Governance – Essays and Materials, 1997, S. 165. Sie auch Merkt ZHR 171 (2007) 490, 507 m. w. N. 114 Moloney in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 437, 441. 115 Im Einzelnen 8. Kapitel: A.I.1 (S. 212). 116 Kritisch gegenüber einem vollständigen regulatorischen Verzicht auf Ratings Coffee Gatekeepers, 2006, S. 347. 117 Europäische Kommission, Alternativen zu externen Ratings, die Situation am Ratingmarkt, Wettbewerb und Unternehmensführung in der Ratingbranche, die Situation am Markt für Ratings strukturierter Finanzinstrumente und die Realisierbarkeit einer Europäischen Ratingagentur, Bericht, 19.10.2016, COM (2016) 664 fin., S. 14. 118 Zum Mehrebenensystem der Informationsintermediation 8. Kapitel: B.III.4 (S. 266). 113

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nanzinstitute stärker auf interne Bonitätsbeurteilungen gesetzt wird, stellen sich die bekannten Probleme einer Ergebnissteuerung qua interner Weisungsbefugnis.119 Als Regelungsfolgepflicht blieben dann nur Durchbrechungen der Weisungsketten innerhalb der Finanzinstitute, dies allerdings mit eigenen Friktionen bei der Corporate Governance dieser Institute.120 Für die sektorenunabhängige Disziplinierung der mit Investitionsentscheidungen betrauten Geschäftsleiter ist das Problem diffuser Handlungsaufforderungen aufzufangen. Wenn auch Investitionen in schlecht bewertete Finanzprodukte dem Sorgfaltsstandard genügen, bedarf es substituierender Mechanismen fortlaufender Verhaltenssteuerung, die durch den nebenamtlichen Aufsichtsrat kaum allein zu leisten sind. Bei der Anlageberatung können sich vergleichbare Probleme in Bezug auf die Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber Einzelkunden ergeben. Pfadabhängigkeiten halten insoweit möglicherweise nicht immer nur Positiv-, sondern auch Negativentwicklungen auf.

C. Regelungsebenen Im grenzüberschreitenden Markt für Leistungen der Informationsintermediation sind die aufgezeigten Herausforderungen überwiegend nur bei internationaler Abstimmung der Rechtsetzung zu bewältigen. Die Frage nach der Regelungsebene stellt sich bereits für die internationale Rechtsetzung, sodann bei der Transformation in das Recht der Europäischen Union und das der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund bietet sich nachfolgend eine Einteilung nicht nach Regelgeber, sondern nach Wirkungsweise und Durchsetzungsmodus an. Unterschieden wird zwischen privaten,121 berufsständischen122 und regulatorischen Pflichtenstellungen,123 deren jeweiliger Einsatzradius auch unter Berücksichtigung gesammelter Erfahrungen näher zu bestimmen ist.

I. Private Steuerung Der Steuerung des privaten Interaktionsverhaltens sind zunächst diejenigen Regeln zuzuordnen, nach denen sich die Pflichten der Informationsintermediäre gegenüber ihren Auftraggebern bestimmen. Berufsrechtliche und regulatorische Pflichtenstellungen ausgeblendet, sind dies vor allem Regeln des Vertrags- und Haftungsrechts, deren gerichtliche Durchsetzung privat veranlasst ist. Der priva119 Zu diesem von Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 77 (1986) aufgezeigten Problem im Vergleich zwischen den Anreizen von Primärverantwortlichem und Intermediär 8. Kapitel: C.I (S. 270 ff., 274). 120 Leyens / Schmidt AG 2013, 533, 543 m. w. N. 121 Abschn. I. 122 Abschn. II (S. 310). 123 Abschn. III (S. 313).

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ten Regelungsebene können darüber hinaus Pflichtenkataloge hinzugerechnet werden, deren Durchsetzung Marktmechanismen unterliegen, also insbesondere Kodexvorgaben, die auf Anreize zur freiwilligen Befolgung setzen. 1. Vertragspraxis Die vertragliche Absprache über die Erbringung von Intermediationsleistungen ist in den allgemeinen Grenzen inhaltlich frei ausgestaltbar.124 Zur Vermittlung übergeordneter Interessen wie dem der Informationsintegrität ist sie nur eingeschränkt geeignet. Eine nicht an die Interessen der Parteien rückgebundene vertragliche Haftungsverantwortung für die Interessen Dritter ist Fiktion. Deliktsrechtliche Verantwortungslagen für bloße Vermögensschäden Dritter haben hohe Hürden. Gleichwohl kann es bei gemischten Absprachen, also bei einer Vielzahl von Verträgen mit einerseits der Anbieter- und andererseits der Nachfrageseite zu insgesamt vorteilhaften Netzwerkeffekten kommen.125 Konstitutionalisierungen der Vertragspraxis können sich bei gleichgerichtetem Interesse an Qualitätssicherheit und Vergleichbarkeit auch transnational herausbilden. In der Theorie werden die durch Marktphasen verstärkten Anreize zur einseitigen Ausrichtung des Leistungsangebots auf die Interessen entweder der Kapitalanbieter oder -nachfrager abgemildert. Rechtstatsächlich wird eine gesteigerte Berücksichtigung des Integritätsziels durch die Vertragspraxis allerdings zumeist durch Regulierung angestoßen.126 Der vertragliche Interessenausgleich im bilateralen Verhältnis ist also ein erster Ansatzpunkt für die Einfassung in Metaziele. Zur Umsetzung kommt es allerdings nur bei entsprechenden berufsrechtlichen oder regulatorischen Vorgaben. Paradebeispiel ist der gesetzlich festgelegte Inhalt des Auftrags an den Abschlussprüfer nach § 316 ff. HGB. 2. Kodexregeln Kodexregeln kann vermittelt durch die Pflicht zur Erklärung von Befolgung oder begründeter Abweichung (comply or explain) eine komplementierende verhaltenssteuernde Wirkung zukommen.127 Die Kodexbewegung zur Corporate Governance zeigt allerdings, dass unternehmensübergreifende private Regelwer124 Allgemeine Grenzen ergeben sich beispielsweise aus §§ 138 und 181 BGB. Zu den Leistungsgrenzen Leyens in: Beiträge Hopt 2008, S. 423, 425 f. sowie nachfolgend zu §§ 181 und 138 BGB 11. Kapitel: B.III.3, D.I (S. 379, 393). 125 Engert RW 2014, 301, 309 ff. 126 Das ist an den einzelnen Regulierungsschritten nachzuzeichnen. Näher 5. Kapitel: B.II (S. 97 ff., 100). 127 Mit Differenzierung nach Bindungsmustern Leyens AcP 215 (2015) 611, 621 ff.

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ke meist im Schatten der Gesetzgebung zustande kommen.128 Häufig sind sie Vorstufe zu konventionellen Eingriffen.129 Ratingagenturen hatten sich zwar freiwillig zur Befolgung des 2004 von der IOSCO veröffentlichten Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies bereit erklärt und sich dazu verpflichtet, dem Committee of European Securities Regulators (CESR) jährlich Bericht zu erstatten.130 Als transnationales Regelwerk vermochte der Kodex die Probleme jedoch nicht entschlossen genug in den Griff zu nehmen.131 Abweichungen von den Vorgaben waren gerade in den sensiblen Punkten der operationellen Trennung von Rating und Nebenleistungsgeschäft und der personellen Trennung von Rating und Vergütungsverhandlung zu beobachten.132 3. Schwächen Hieran zeigen sich exemplarisch die Grenzen kodexgesteuerter Wohlverhaltenspflichten bei handfesten Ertragsmöglichkeiten aus nichtkonformem Verhalten. Für das Ratingoligopol kommt hinzu, dass mit einem Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt zu rechnen ist, insbesondere wenn wegen der Zwei-plus-Usance beim Anleiherating ein faktischer Zwang zur Mandatierung der marktbeherrschenden Agenturen besteht. Bei fehlender Möglichkeit zum Ausweichen auf Alternativanbieter ist, anders als bei den Kodexwerken der Emittentenseite, von vornherein nur eine eingeschränkte Steuerungskraft des Markts zu erhoffen. Dementgegen beziehen Kodexwerke wie die der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) ihre Disziplinierungswirkung aus einer privaten Unterwerfung und der Androhung des Entzugs von bei der DVFA erworbenen Titeln im Falle des Verstoßes, unterliegen also einer zwar

128 Das Bild geht zurück auf Mnookin / Kornhauser, 88 Yale L.J. 950, 968 (1979); aufgegriffen von Köndgen AcP 206 (2006) 477, 496; titelgebend für Möllers / Fekonja, ZGR 2012, 777 (779), zur Rechnungslegung. Zur Entwicklung in der EU allgemein und insbesondere zu neuen Formen der Informationsintermediation Leyens ZEuP 2016, 388, 399 ff., 417 ff. 129 Beispielsweise die durch das VorstOG 2005 gesetzlich geregelte Vergütungstransparenz. Näher Leyens JZ 2007, 1061, 1064. Kritisch Vetter ZIP 2004, 1527 (Kodex als „Testballon für den Gesetzgeber“). Zur europäischen Kodexbewegung GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 8; ausführlicher ders. ZEuP 2016, 388, 398 ff. m. w. N. 130 Zum Auftrag an den CESR siehe Europäische Kommisssion, Mitteilung der Kommission über Rating-Agenturen, 2006/C 59/02, ABl. C 59 v. 11.3.2006, S. 2, 6. Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 157 m. w. N. 131 Veil in: Bumke / Röthel (Hrsg.), Privates Recht, 2013, S. 269, 282. 132 IOSCO, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, Mai 2008, Ziff. 2.12, 3.9. Zu den Abweichungen CESR, CESR’s Second Report to the European Commission on the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code and The role of credit rating agencies in structured finance, Mai 2008, Rn. 207 ff. Im Überblick Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 159 m. w. N.

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privaten, aber nicht marktbasierten Steuerung, die insgesamt eine berufsrechtliche Einordnung nahe legt.133

II. Berufsrechtliche Konkretisierung Dem Berufsrecht werden Regeln des Zugangs und der Ausübung von Berufen zugeordnet. Ein Berufsrecht im eigentlichen Sinne hat sich für die hier behandelten Intermediationsleistungen allein bei der Wirtschaftsprüfung entwickelt.134 1. Selbstverwaltung Die Wirtschaftsprüfung zählt zu den freien Berufen, die trotz aller Unterschiede der Tätigkeitsfelder entwicklungsgeschichtliche Gemeinsamkeiten aufweisen und im Wege von Verkammerungen und Standesordnungen eigenen Ausformungen der Regelsetzung unterliegen.135 Wie die Arbeitnehmer- und Handwerkerkammern zeigen, handelt es sich aber nicht um ein Reservat der freien Berufe.136 Für die funktionale Zuordnung zu dieser Regelungsebene ist vielmehr entscheidend, dass die inhaltliche Ausgestaltung der Intermediation durch koordinierte Standardsetzung der Anbieter gleichartiger Leistungen mit übergeordneten Pflichten umgeben wird, sie also nicht allein der vertraglichen Absprache mit dem Auftraggeber unterliegt. Hinzu kommen die Überwachung der Pflichterfüllung und die Sanktionierung von Verstößen durch eine Selbstverwaltungskörperschaft. Angestoßen wurde die berufsständische Entwicklung bei der Wirtschaftsprüfung durch die Einbeziehung der Prüfungsleistungen in regulatorische Zwecke (Pflichtprüfung). Die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vereinigten Königreich formenden Vereinigungen wurden per Dekret anerkannt und waren fortan für die Berufszulassung verantwortlich. Beim Rating erfolgte demgegenüber zuerst die regulatorische Einbeziehung der Leistungen, während die formelle (behördliche) Anerkennung der Agenturen erst in jüngerer Zeit aufkam. Bei der Finanzanalyse zeigen sich Ansätze zur Herausbildung quasiberufsrechtlicher Strukturen. Die DVFA bietet Eignungsprüfungen an und kann die verliehenen Titel bei Verstößen gegen die Wohlverhaltenspflichten entziehen.137 Damit übernimmt sie eine Zertifizierungsfunktion, die allerdings ohne gesetzliche Zuweisung einer Vorbehaltsaufgabe an die geprüften Analysten nur unvollkommenes Teilstück einer berufsrechtlichen Struktur ist.138 Dazu 5. Kapitel: A.III.2 (S. 69). Zur Begrifflichkeit Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 103. 135 Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 151 ff. Vergleichend Nuckelt Die Regelungssysteme der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Freien Berufe in Deutschland, England und Wales, 2006, S. 113 ff. 136 Näher Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H23 m. w. N. 137 Überblick bei Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 67 ff. 138 Näher Augsberg Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 252. 133 134

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Berufsrechtliche, aber auch (quasi-)berufsrechtliche Regeln sind geeignet, die Pflichtenstellung im einzelnen Mandatsverhältnis um Elemente übergeordneter Interessen wie der Informationsintegrität anzureichern. Dies bezieht sich nicht nur auf die sogenannte Berufsethik mit ihren teils selbstverständlichen, teils unbestimmten Unverbindlichkeiten.139 Der Normsetzung durch Verbände wird vielmehr eine besondere Fähigkeit zur rechtsverbindlichen und zeitnahen Umsetzung internationaler Standards zugeschrieben.140 Im Wege der Verdichtung der gesetzlich offen formulierten Verhaltensvorgaben bietet die berufsständische Regelsetzung einen Mechanismus zur fortlaufenden Lückenfüllung. Das Berufsrecht insbesondere der Wirtschaftsprüfer tritt damit komplementierend neben die gesetzlichen Mindestvorgaben und kann einen Grad an Verhaltensausformung erzielen, der etwa durch die statischen Vorgaben der EG-RatingVO nicht zu leisten ist.141 Der berufsrechtlichen Regelsetzung und Überwachung ist eine substituierende Wirkung zuzumessen, wenn eine (internationale) Aufsichtsarchitektur fehlt und deshalb eine vermittelnde Instanz erforderlich ist. 2. Gefahren Wichtigster Einwand ist die Möglichkeit der im Berufsstand vereinigten Gruppe, auf die Verwirklichung ihrer Ertragsinteressen hinzuwirken (rent seeking).142 Die besonders in den USA intensiv diskutierten Negativerfahrungen mit der zu zurückhaltenden Ausformung von Prüfungsgrundsätzen durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfung spiegeln sich in jüngeren Debatten um die Unabhängigkeit der für die Formulierung von Rechnungslegungsstandards verantwortlichen Gremien wider.143 Den Gefahren einer zu großen Beeinflussung durch den Prüferstand tritt allerdings ein ausziseliertes System gesetzlich angelegter Überwachungsebenen entgegen, ohne dass dadurch eine graduelle Bevorteilung der privaten Gruppeninteressen vollständig auszuschließen wäre.144 Für die Ratingbranche käme eine Delegation der Pflichtenbestimmung und -durchsetzung auf Selbstverwaltungskörperschaften wohl kaum vor, sondern erst 139 Zum Verhältnis von verbindlichem Standesrecht und darüber hinausreichender Berufsethik Taupitz Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 181 f. 140 Augsberg Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 260. 141 Im Einzelnen zum Zusammenspiel von offenen Verhaltensvorgaben (standards) und direkten Verhaltensbefehlen (rules) im Sinne von Kaplow 42 Duke L.J. 557 (1992) noch 10. Kapitel: B.I (S. 323 ff.). 142 Näher dazu 8. Kapitel: A.II.2.b (S. 222). 143 Vergleichend Fleckner 3 Va. L. & Bus. Rev. 275, 292 (2008). Im Einzelnen 8. Kapitel: A.III.3.b (S. 241, 243). 144 Insbesondere die Überwachung durch die WPK unter Fachaufsicht der APAK und das zweistufige Enforcement-Verfahren im Zusammenspiel von DPR und BaFin nach § 342b HGB. Dazu 8. Kapitel: A.III.3.b (S. 241).

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nach der privaten Errichtung berufsständischer Vereinigungen in Betracht. Erklärungen für die bislang schwache Interessenkoordination sind rar. Die Erfahrungen mit der Ratingbranche lassen erkennen, dass regulatorische Indienstnahmen (jedenfalls allein) keinen hinreichenden Anlass zur Koordination bieten. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die Anbieter von Bonitätsbeurteilungen und auch die von Finanzanalysen nicht mit den Vertretern freier Berufe vergleichbar seien, so dass sich Überlegungen zur Angleichung der Regelungsebenen erledigen könnten. Vorgebracht wird, es handele sich bei Rating und Finanzanalyse um einen geschäftsmäßigen Informationsverkauf (business, not profession). Die Unterscheidung zwischen geschäftsmäßigem Informationsverkauf und privatem Amt trägt bei wirkungsorientierter Sicht auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation nicht weit.145 Offen bleibt etwa der Umgang mit den auf Rentabilität angelegten Spezialisierungen innerhalb der freien Berufe, also etwa die Ausrichtung internationaler Rechtsanwaltskanzleien auf das kapitalmarktbezogene Transaktionsgeschäft.146 Gerade bei der rechtsanwaltlichen Transaktionsbegleitung werden Fortentwicklungen des traditionellen Rollenverständnisses eines freien Organs der Rechtspflege (Vertraulichkeit zum Mandantenschutz) hin zu drittbezogenen Verantwortungslagen (whistleblowing zum Funktionsschutz) überlegt.147 Der für Rating und Finanzanalyse geltende Regulierungsrahmen lässt keinen Zweifel daran, dass – ebenso wie von den Leistungen der freien Berufe – auch die Wahrung übergeordneter Marktfunktionsziele erwartet wird (public watchdogs).148 Ohne (kontrolliertes) Vertrauen auf integre Beurteilungen wären jedenfalls die regulatorischen Indienstnahmen von Bonitätsratings verfassungsrechtlich unhaltbar.149 3. Fortentwicklung Über einen hoheitlich gesteuerten Anstoß, insbesondere der Ratingindustrie zur Bildung von Vereinigungen mit Potential zur Herausbildung von Vorformen berufsrechtlicher Grundstrukturen wird, soweit ersichtlich, nicht nachgedacht. Bisherige Überlegungen zu einer verstärkten Selbstregulierung zielen auf die Übertragung von Regelungskompetenzen auf eng an die behördliche Finanzaufsicht gebundene Institutionen wie die der US-amerikanischen Financial Industry Regulatory Authority (FINRA).150 Von einem Interesse der Ratinganbieter an gestärkter Koordination könnte angesichts der in jüngerer Zeit hoheitlich Zu den rechtlich bedeutsamen Abgrenzungen Jacoby Das private Amt, 2007, S. 6, 226 ff. Zur Annäherung von freien Berufen und Gewerbe Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H39. 147 Weitgehend Knöfel / Mock AnwBl 2010, 230, 233 ff. 148 Einordnend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 118, 259. 149 Zur staatlichen Verantwortung bei der Wahl hybrider Regulierungsformen 8. Kapitel: A.III.2 (S. 234). 145 146

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verdichteten Pflichtenbestimmungen und der durch die Rechtsprechung auch in Ländern des Common Law gestiegenen Haftungsgefahren auszugehen sein.151 Die Delegation von Regelsetzungsbefugnissen auf einen Berufsstand der Ratinganalysten, also insbesondere der Ausgestaltungsverantwortung für Zugang, Standardsetzung und Sanktion wird wohl nur bei einem Aufbrechen der bislang vorherrschenden oligopolen Marktstrukturen zu erwägen sein. Bis dahin dürften die durch jüngere Demonstrationen der Marktmacht der Agenturen bei der Abwehr von Haftungsverschärfungen belegten Bedenken überwiegen.152

III. Regulatorischer Eingriff Die Ebene der Regulierung wird durch hoheitlich gesetzte Pflichtenstellungen, die behördliche Überwachung ihrer Einhaltung und die öffentlich-rechtliche Sanktion bestimmt. Unter Verwendung des funktionalen und tendenziell weiten Regulierungsbegriffs der modernen Debatte153 können dazu alle hoheitlich veranlassten Vorgaben gezählt werden, die nicht bereits Privat- oder Berufsrecht zuzuordnen sind. Damit ist Regulierung einerseits Oberbegriff, der die hoheitliche Durchsetzung von Vorgaben an eine für berufsständische Pflichtenausformungen zuständige Selbstverwaltung erfasst. Andererseits handelt es sich um einen Auffangbegriff, der sämtliche hoheitliche Einwirkungen auf das Intermediationsgeschäft einschließt, die der behördlichen Durchsetzung unterliegen. Zum Berufsrecht steht die Regulierung in einer Wechselwirkung, weil sie gewachsene Berufsbilder überformt, prägt und teilweise neu ordnet.154 1. Konventionelle Regulierung In diesem Schnittfeld liegen Anforderungen an Prüfungstestate bei Einbeziehung in den Prospekt nach § 7 WpPG i. V. m. EG-Prospektrichtlinie wie auch die Regulierung von Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen nach der EG-RatingVO bzw. der EU-MarktmissbrauchsVO. Einzuordnen sind diese und weitere Regeln überwiegend als konventionelle Regulierung, also hoheitliche Befehle. Die Individualinteressen der am Zustandekommen der Intermediationsleistung beteiligten Parteien werden hierdurch im Zeichen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität mit Pflichtenstellungen und Überwachungsmechanismen umgeben. Die Rolle der Regulierung besteht nach diesem Verständnis in der Schlie150 Zurückhaltend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 306 noch zur NASD, der Vorgängerorganisation der FINRA. 151 Bestandsaufnahme zur Haftung der Ratingagenturen 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450). 152 Ebd. zur Weigerung der Agenturen, Emissionen unter der durch den Dodd-Frank Act 2010 verschärften Haftung zu begleiten. 153 Zum Begriffsverständnis 8. Kapitel: A.I (S. 206). 154 Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H24, H 27.

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ßung von Wirkungslücken von Privat- und Berufsrecht bei der dauerhaften Sicherstellung von Wohlverhalten. Auf dem Stand der Regulierungstheorie bedarf es konventioneller hoheitlicher Eingriffe in Ergänzung zu anreizkompatiblen Pflichtenstellungen sowie zur Rahmengebung (Einbettung) selbstregulatorischer und marktbasierter Prozesse.155 Dementsprechend ist nicht das Ob, sondern das Wie, also das richtige Maß hoheitlicher Einwirkung entscheidend.156 Kernproblem sind die Beschreibungsund Beobachtungsschwächen infolge der Komplexität wirtschaftlicher Interaktion mehrerer Privatrechtssubjekte. Offene Verhaltenspflichten kommen infolgedessen nur bei Kombination mit Maßnahmen zur Herstellung von Beobachtbarkeit in Betracht. Konkret bieten sich dazu Pflichten zur Offenlegung etwa der Maßnahmen zum Management von Interessenkonflikten an, die direkt oder indirekt eine Dokumentation erfordern. Beschreibbarkeit vorausgesetzt, kommen spezifische Organisationsvorgaben in Betracht, etwa die operationelle Unterbrechung von Informationsflüssen (Chinese walls bzw. screens) zwischen Tätigkeitsbereichen des Intermediärs mit konfligierenden Interessen. Eingriffsintensiv wirken Verbote wie beispielsweise Pflichten zur Abstandnahme vom Geschäft bei vermuteter Unüberwindlichkeit von Interessenkonflikten. 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe Besonders bei den letzten beiden Kategorien, also Organisations- und Verbotsregeln, schlagen sich die Beschreibungs- und Beobachtungsschwächen häufig in unbestimmten Rechtsbegriffen nieder. Fehlt eine berufsständische Ausformung wie bei der Abschlussprüfung sind beispielsweise das Verbot von Beratungsleistungen in Abgrenzung zu erlaubten Nebendienstleistungen beim Rating157 oder – noch unbestimmter – die Verpflichtung auf Unvoreingenommenheit der Finanzanalysten158 zunächst mit Rechtsunsicherheiten verbunden. Bis zur behördlichen Sanktionsentscheidung und gegebenenfalls ihrer nachgelagerten gerichtlichen Kontrolle bestehen also die bekannten Gefahren einer Über- oder Unterabschreckung.159 Bei Rating und Finanzanalyse wird diese Problematik auch nicht durch gesetzliche Vermutungen abgemildert. Für die Annahme pflichtgemäßen Handelns etwa nach Vorbild der auf die Prüfung ausstrahlenden Vermutung ordnungsgemäßer Rechnungslegung fehlt eine dem privaten Rechnungslegungsgremium aus § 342 Abs. 2 HGB vergleichbare Einrichtung. Inwieweit etwa bei Befolgung der Näher hierzu und zum Folgenden 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220). Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H29. 157 Anh. I, Abschn. B, Nr. 4 Abs. 2 EG-RatingVO. Kritisch Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G80. 158 Siehe nur § 5 Abs. 1 Satz 1 FinAnV. 159 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 76 f. (1986). Dazu auch 10. Kapitel: B.I.2 (S. 325). 155 156

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(weit gehaltenen) Empfehlungen der DVFA zu Rating und Finanzanalyse in Entsprechung zur Einhaltung der (detaillierten) IDW-Prüfungsstandards ein zurückgenommener richterlicher Kontrollmaßstab angelegt werden könnte, ist nicht abzusehen. Die gesetzliche Vorgaben konkretisierenden Rundschreiben und Merkblätter der BaFin werden trotz faktisch unausweichlichem Befolgungsdruck160 von der Rechtsprechung als (bloße) Kundgabe der behördlichen Rechtsauffassung eingeordnet.161 Überlegungen zu einer weitergehenden Bindung der Gerichte haben sich bislang nicht durchgesetzt.162 3. Deregulierung In der Zusammenschau ist eine zielgenaue Entscheidung zwischen den besprochenen Regelungsebenen schon angesichts der sich erst über die Zeit abschwächenden Rechtsunsicherheiten nicht nur anfängliche, sondern fortlaufende Aufgabe. Daraus folgt zumindest in der Theorie, dass sich im Zuge fortschreitender Verfestigung der Pflichtenstellungen von Informationsintermediären auch ein Rückbau etwa von invasiven Verboten hin zu weniger einschneidenden Organisations- oder Offenlegungsregeln anbieten kann (Deregulierung).163 In die Richtung wiesen noch Berichte der Deregulierungskommission aus den 1990erJahren.164 Gerade im Zusammenhang mit Interessenkonflikten drängt sich allerdings derzeit der Eindruck auf, dass eine hinreichende Einbettung in Verbotsnormen erst im Entstehen ist. Das derzeit für die Gewährleistung kapitalmarktlicher Informationsintegrität zur Verfügung stehende Repositorium ist im nächsten Kapitel 10 zu Grundstrukturen eines Rechts der Informationsintermediation zu verdichten.

160 Dreher ZGR 2010, 496, 506: „selbstgeschaffenes Recht der Aufsichtsbehörden“ in Anlehnung an Grossmann-Doerth Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933. Siehe auch Weber-Rey ZGR 2010, 496, 510. 161 VGH Kassel, Urt. v. 31.5.2006 – 6 UE 3256/05, WM 2007, 392, 393, Juris-Tz. 71. Näher Bürkle VersR 2009, 866, 867 ff.; Mülbert BKR 2006, 349, 353. Abweichend Michael VersR 2010, 141, 147. 162 Im Ergebnis Dreher / Häußler ZGR 2011, 471, 498 (safe harbor). Weitergehend Bürkle VersR 2010, 1005, 1010. Auf die Auslegung gesetzlicher Vorgaben beschränkend Leyens /  Schmidt AG 2013, 533, 535. 163 Übergreifend zur Deregulierung der freien Berufe Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H27. Aus unionsrechtlicher Sicht Basedow Mehr Freiheit wagen – Über Deregulierung und Wettbewerb, 2002, S. 26, 399 ff. 164 Basedow / Donges / Markmann Marktöffnung und Wettbewerb, Berichte der Deregulierungskommission 1990/1991, S. 25 zum Einfluss untergesetzlicher Regeln, S. 115 zur Wirtschaftsprüfung.

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D. Regelungspflichten infolge von Funktionsgrenzen der Informationsintermediation (Zusammenfassung) 1. In der Zusammenschau von Funktionsgrenzen der Informationsintermediation sind die Regelungsfolgepflichten einzugrenzen (Abschnitt A, S. 283): Als entscheidend erweist sich die treffsichere Bestimmung der Problemursachen. Insbesondere die auch empirisch belegbaren Phänomene von Überoptimismus und Herdenverhalten dürften weitgehend auf die Ausnutzung von Ineffizienzen des Markts, den phasenabhängigen Rückgang von Zahlungsbereitschaften für integre Intermediationsleistungen und die fehlende Auswirkung von Fehlleistungen auf die Reputation des Einzelnen zurückzuführen sein. Regelungsfolgepflichten ergeben sich insoweit nicht in Richtung einer irrationales Verhalten unterbindenden Regulierung, sondern einer am Ziel der Informationsintegrität orientierten Professionalisierung und Ausgestaltung von Vergütungssystemen. 2. Typologisch ist das Intermediärversagen in Ausbleiben, Fehlerhaftigkeit und schädliche Folgewirkungen der Informationsleistung einzuteilen (Abschnitt B, S. 294). Die Regelungsfolgepflichten sind anhand dieser Typologie weiter zu konkretisieren: Das Ausbleiben qualitativ hochwertiger Intermediationsleistungen erweist sich bei strategischer Unterproduktion (low balling) mit dem Ziel der Vereinnahmung von Erträgen aus zusätzlichen Leistungen als Regelungsproblem. Dementsprechend kommen Maßnahmen zur Beschränkung von Zusatzleistungen in Betracht. Problemverstärkend auswirken kann sich die Anknüpfung von Rechtsfolgen an die Intermediärleistung (regulatory licence). Zu hinterfragen sind neue Rechtsfolgenanknüpfungen, wenn dadurch der Kreis der in Betracht kommenden Informationsintermediatiäre auf die anfänglich vorhandenen Anbieter verengt wird, und diese infolge von Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter dem Wettbewerbsdruck entzogen sind (legal entitlement). Fehlerhafte Intermediationsleistungen infolge suboptimaler Anstrengungen können durch ausgewogene, also nicht einseitig den Auftraggeber schützende haftungsrechtliche Steuerungen des Sorgfaltsniveaus aufgefangen werden. Das Auseinanderfallen der Risiko- und Zeitwahlpräferenzen von einerseits einzelnem Handelnden und andererseits Intermediärunternehmen und die dadurch bedingte mangelnde Ertragskraft individueller Aufwendungen in langfristig wirkende Reputationszuwächse ist durch Vergütungsregeln zumindest teilweise aufzufangen. Bei unüberwindlichen Interessenkonflikten ist das Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität nicht erreichbar. In konzentrierten Intermediationsmärkten wird das Problem nicht durch Marktkräfte gelöst. Gleichwohl ist der Erfolg invasiver Abspaltungsanordnungen wegen der natürlichen Tendenzen des Informationsmarkts zur Herausbildung oligopoler Strukturen zweifelhaft. Vorrangig zu ergreifen sind Maßnahmen zur Herstellung von Wohlverhaltensanreizen. Dies setzt ein zutreffendes Verständnis der (möglichen) Schädlichkeit von Intermediationsleistungen voraus. Prozyklische Effekte der Rechnungslegung und

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ihrer Prüfung, Verschärfungen von Schuldenkrisen durch Herabstufungen der Bonität von Staaten oder auch das Aufrechterhalten von Anlagestimmungen durch Finanzanalysen sind, die Ordnungsmäßigkeit der Leistung vorausgesetzt, gerade keine originär der Informationsintermediation zuzuschreibenden Probleme. Änderungen der Rechnungslegung können geboten sein. Die 2013 in die EG-RatingVO aufgenommenen zeitlichen Vorgaben zur Bonitätsbewertung von Staaten werfen hingegen Zweifel auf. 3. Der ausbalancierte Einsatz der Regelungsebenen – private Steuerung, berufsrechtliche Pflichtenkonkretisierung und regulatorische Verhaltensvorgabe – bleibt Herausforderung (Abschnitt C, S. 307): Keine der Regelungsebenen ist für sich allein geeignet, die kapitalmarktliche Informationsintegrität sicherzustellen. Zu einem durch Netzwerkeffekte gesteuerten Interessenausgleich aus Verträgen mit einerseits Kapitalsuchenden und andererseits -anbietenden kommt es wegen der zumeist durch den Emittenten initiierten Intermediation nicht. Kodexregeln entfalten ihre Wirkung nur bei Ausweichmöglichkeiten der Nachfrageseite, also nicht im oligopolen Markt für Abschlussprüfung und Rating. Die berufsständisch organisierte Standardbildung unterliegt den bekannten Gefahren der Zuweisung von Regelungsmacht an kleine private Gruppen (rent seeking, regulatory capture). 4. Der übergreifende Ertrag der vorausgegangenen Suche nach Schwächen der privaten Informationsintermediation besteht in der Eingrenzung der rechtlich in den Griff zu nehmenden Probleme und möglicher Lösungen. Auszumachen waren zwahlreiche gemeinsame Problemursachen. Eine Lösung über identische Maßnahmenkataloge für alle Intermediationsbereiche erweist sich gleichwohl als dysfunktional, wenn dadurch Unterschiede übergangen werden. Diese Überlegung ist Ausgangspunkt der weiteren Suche nach den Grundstrukturen eines belastungsfähigen Rechts der privaten Informationsintermediation im folgenden Kapitel 10.

10. Kapitel

Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation 10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

In den vorausgegangenen beiden Kapiteln wurden die Erträge der Forschung unterschiedlicher Denkrichtungen zur Bestimmung von Reichweite, Grenzen und Ausgestaltungsmöglichkeiten der Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre gesammelt. Im jetzt folgenden Schritt sind diese Erkenntnisse zu Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation zu verdichten. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse bilden das für Investitionsentscheidungen unerlässliche Informationsgefüge ab und zeigen zusätzlich das Spektrum bislang bekannter Formen der regulatorischen Einbindung auf. Sie dienen deshalb auch bei diesem Schritt als Beispiele. Der mit dem Aufzeigen von Grundstrukturen verfolgte Ansatz reicht in zweierlei Hinsicht über die gewählten Beispiele hinaus: Zum einen ist schon an der Entwicklung innerhalb der gewählten Referenzfelder die enge Verwobenheit des Rechts und der Rolle der einzelnen Intermediationsleistung deutlich geworden. Durch entsprechende Änderungen der rechtlichen Bedingungen sind demnach Fortentwicklungen anzustoßen, die z. B. eine weitere Annäherung der Rolle von Bonitätsratings an die der Abschlussprüfung oder auch, weg von dieser, in Richtung derer von Finanzanalysen bewirken können. Zum anderen handelt es sich bei den genannten Leistungen nur um einen Ausschnitt aus dem Angebot kapitalmarktlicher Intermediationsleistungen. Dieses Angebot unterliegt ständigem Wandel. Neuerdings rücken die Informationsleistungen von Stimmrechts- und Vergütungsberatern in den Regulierungsfokus.1 Die Rolle dieser und weiterer künftig ihren Platz im kapitalmarktlichen Informationsgefüge beanspruchender Dienstleistungen kann ebenfalls zu Zwecken der privaten Marktzugangskontrolle ausgebaut werden. Die zu den vorliegend behandelten Intermediationsfeldern aufgeworfenen Fragen werden sich dabei zwangsläufig erneut stellen. Vor diesem Hintergrund steht die Suche nach Grundstrukturen im Zeichen eines funktionalen Zugriffs auf das zur Gewährleistung der privaten MarktzuMit dem Vorschlag gestärkter Offenlegungspflichten Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, 9.4.2014, COM (2014) 213 fin., Art. 3i Abs. 2 lit. a, b. Näher Leyens ZEuP 2016, 388, 419. 1

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

gangskontrolle in Betracht kommende Regelungsinstrumentarium.2 Ziel ist eine systematische Anordnung der in Betracht kommenden Einzelmaßnahmen3 und Vorgaben zu privaten Gestaltungen4 mit Aussagekraft für die Informationsintermediation insgesamt. In Zusammenschau mit den gesammelten Erfahrungen sind abschließend Vermutungen zu den möglichen Gründen eines Wandels der Grundstrukturen vorzustellen.5

A. Grundstrukturen (anatomy) Die Suche nach Grundstrukturen eines Rechts der Informationsintermediation liegt angesichts der gemeinsamen Problemstellungen innerhalb der einzelnen Intermediationsbereiche nahe. Gleichwohl haben sich die Rechtsregeln zu Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse bislang weitgehend unabhängig voneinander entwickelt. Eine vollständige Angleichung (holistischer Ansatz) kommt schon angesichts der Unterschiede zwischen den Leistungen, der gewachsenen Regelungsgefüge und Verwendungen in der Praxis nicht in Betracht.6 Konvergenzbewegungen wie bei den Regeln zur Gewährleistung hinreichender Unabhängigkeit stellten sich überwiegend kriseninduziert und teilweise stark zeitverzögert ein. Dafür können neben neu hinzutretenden tatsächlichen Umständen auch Lücken im Verständnis der Informationsintermediation ursächlich sein. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine Suche nach heuristischen Anleitungen zum Abgleich von Regelungsbestand und Möglichkeiten seiner Ergänzung ein. Grundstrukturen sind Ergebnis einer abstrahierenden Betrachtung. Sie helfen bei der Beurteilung eines Rechts der Informationsintermediation, schreiben also nicht eine bestimmte Gestaltung vor. Es handelt sich also nicht um gemeinsame Rechtsgrundsätze. Eine Lückenfüllung im Wege des Zusammenziehens normativer Einzelaussagen des vorhandenen Regelungsbestands stieße schon angesichts des raschen Wandels der kapitalmarktlichen Informationsgefüge und des ebenso raschen Wandels der rechtlichen Rahmenbedingungen an Leistungsgrenzen. Faktoren dieses Wandels sind das durch Eignerstrukturen (mit-)bedingte Ausmaß, zu dem ein Finanzsystem auf Informationsexternalisierung setzt, der Grad an regulatorischer Indienstnahme von Informationsintermediären und die hierdurch auch abrupt möglichen Paradigmenwechsel in der Rolle des einzelnen Intermediärs (z. B. bei Einführung eines Intermediationsobligatoriums wie durch die Notverordnung zur Abschlussprüfung von 1931). An Grundstrukturen lässt Abschn. A. Abschn. B (S. 322). 4 Abschn. C (S. 330). 5 Abschn. D (S. 339). 6 Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H35 mit Gegenüberstellung holistischer und berufsspezifischer Ansätze im Recht der freien Berufe. 2 3

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

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sich die Regelsetzungsdiskussion im jeweils geltenden Faktorenkontext ordnen. Die Übersetzung in konkrete Rechtsregeln ist nur unter Berücksichtigung staatlicher Gewährleistungsziele zu vorzunehmen und zur Vermeidung von Systembrüchen dogmatisch einzupassen. Dieser Aufgabe ist der dritte Teil der Untersuchung gewidmet.7 Die dort behandelten Problemfelder des Vertrags-, Haftungs-, Berufs- und Regulierungsrechts werden erneut belegen, dass die ausschlaggebenden Überzeugungen sich über die Zeit ändern können. Gerade dieser Wandel der Überzeugungen belegt den Nutzen eines Abgleichs von Bestehendem und Möglichem nach Maßgabe von Grundstrukturen. Die zur Ermittlung von Grundstrukturen einzusetzende Methodik kann einerseits als ökonomisch-analytisch beschrieben werden, andererseits als funktional-vergleichend. Vorhandene Überlegungen nehmen in jeweils unterschiedlichem Umfang entwicklungsgeschichtliche, privatrechtliche und öffentlich-rechtliche, ökonomische, regulierungstheoretische und rechtsvergleichende Aufarbeitungen auf. Kaum verwunderlich hat dies teilweise bloß terminologisch, teilweise aber auch sachlich unterschiedliche Konzeptionen hervorgebracht.8 Chancen auf Anschlussfähigkeit verspricht am ehesten die Einpassung in die das Recht der Informationsintermediation umgebende funktionale gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Forschung. Ein in diesem Sinne rechtsordnungsübergreifendes Gedankengerüst bietet die von einer international zusammengesetzten Forschergruppe erarbeitete „Anatomy of Corporate Law“.9 Die darin vorgestellten Regelungsstrategien sind auf die Lösung von mit der Fremdgeschäftsführung großer, typischerweise börsennotierter Unternehmen (large business enterprises) verbundener Agenturprobleme gerichtet.10 Die kapitalmarktliche Informationsintermediation wird hierbei als zwischen der unternehmensinternen Überwachung und der Disziplinierung durch den Markt stehende Kontrollinstanz eingeordnet. Sie führt zu eigenen Agenturproblemen, die im Wege einer Übertragung der in erster Linie zur verbesserten Kontrolle der Fremdgeschäftsführer entwickelten Regelungsstrategien zu lösen

Kapitel 11 ff. (S. 343 ff.). Z. B. unterscheidet McAllister 53 B.C. L. Rev. 1, 47 ff. (2004) zwischen accreditation rules, verifier selection rules, verification performance rules, reporting and disclosure rules, governmental oversight and enforcement, cost-effectiveness. Vgl. nur die facettenreichen Bezeichnungen für die Ko- und Metaregulierung. Dazu oben 8. Kapitel: A.II.2 (S. 219) mit Nachw. Fn. 88. 9 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 31 zur Einteilung in jeweils ex ante oder ex post wirkende regulatory strategies und governance strategies. Diese Einteilung liegt den folgenden Abschnitten zugrunde und wird dort im Einzelnen erläutert. 10 Armour / Hansmann / Kraakman / Pargendler in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 1, 5 ff. zu rechtsordnungsübergreifenden Gemeinsamkeiten der large business enterprise. 7 8

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

sein sollen.11 Die genannte Monographie schafft also einen Analyserahmen, überlässt seine Übertragung auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation aber der weiteren Forschung. Eine zielgenaue Übertragung der Regulierungsstrategien setzt die Berücksichtigung der Stellung von Informationsintermediären im multilateralen Marktverhältnis voraus. Das multilaterale Marktverhältnis ist durch Präferenzenheterogenität gekennzeichnet.12 Die an der Intermediationsabsprache Beteiligten verfügen nur über unvollständige Anreize dazu, ihre Vereinbarung nach Maßgabe der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zu gestalten.13 Der Einsatz der einzelnen Regelungsstrategie ist deshalb übergreifend daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie ggf. im Zusammenspiel mit weiteren Strategien eine an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität ausgerichtete Informationsintermediation sicherzustellen vermag.

B. Regulatorische Rahmenbedingungen (regulatory strategies) Die verfügbaren Regelungsstrategien lassen sich in regulatorische Rahmenbedingungen (regulatory strategies) und Strukturvorgaben (governance strategies) einteilen. Mit den zuletzt genannten Strukturvorgaben ist vorwiegend auf die Ausgestaltung der privaten Leistungsbeziehung einzuwirken.14 Demgegenüber entscheiden die hier zunächst zu behandelnden regulatorischen Rahmenbedingungen darüber, unter welchen Bedingungen die Leistungen der Informationsintermediation erbracht werden dürfen. Sie wirken sich damit unmittelbar auf die Pflichtenstellung entweder des Intermediärs oder des Emittenten aus. Von den später zu besprechenden Strukturvorgaben sind sie in mehrerlei Hinsicht abzugrenzen: Zum einen gelten sie unabhängig von der Organisationsform des Vertragspartners als Unternehmung oder Einzelperson, schaffen also unmittelbar an den einzelnen Handelnden gerichtete Pflichtenstellungen (agent constraints).15 Zum anderen betreffen sie den Funktionszusammenhang der Informationsintermediation, also die Einbeziehung der Intermediärleistung in das Zustandekommen einer Investitionsbeziehung zwischen dem Emittenten und dem

11 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 42. In diese Richtung für Finanzanalysten auch Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1080 (2003) die von einem „quasi-agency model“ spricht. 12 Zur Erklärungskraft der auf dyadische Beziehungen zugeschnittenen Agenturtheorie 9. Kapitel: B.II.2 (S. 298). Zu den ökonomischen Grundlagen 6. Kapitel: C.III (S. 168). 13 Übergreifend Black 75 MLR 1037, 1049 (2012). 14 Im Überblick Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 31. 15 Abschn. I.

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

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Anleger (affiliation terms).16 Ihre Einzelausprägungen können maßgeblich bei den Durchsetzungsmodi (enforcement) Unterschiede aufweisen.17

I. Verhaltenspflichten (agent constraints) Unmittelbar an den die Informationsleistung erbringenden Intermediär gerichtete Verhaltenspflichten (agent constraints) betreffen das Ob und das Wie der Informationsintermediation. Sie sind geeignet, über die privaten Interessen der jeweiligen Parteien hinausgehende Zielbestimmungen in die Agenturbeziehung einzuführen.18 Weiter aufzugliedern ist in ex ante gesetzte direkte Verhaltensvorgaben (rules) und ex post wirkende Verhaltensstandards (standards). In Gegenüberstellung dieser beiden Regelungsformen sind die Grundfunktionen zu verdeutlichen, die eine weitere Konkretisierung zu Offenlegungs-, Organisationspflichten oder Verboten anleiten. 1. Verhaltensvorgaben (rules) Direkte Verhaltensvorgaben (rules) können als Erfordernis oder als Untersagung formuliert sein. In der Sache handelt es sich jeweils um ein Verbot bestimmter Handlungsweisen. Beschränkt wird also das Wie der Informationsintermediation. Einzuordnen sind direkte Verhaltensvorgaben als konventionelle Regulierung, deren Vorteil in der „mechanischen“ Befolgungsmöglichkeit und -durchsetzung besteht.19 Aus Sicht der Regelungsadressaten spart die bereits ex ante bestehende Rechtssicherheit Entscheidungskosten. Die Rigidität direkter Verhaltensvorgaben schränkt allerdings auch die Anpassungsfähigkeit des Rechtssystems ein und verstellt damit nicht zuletzt Fortentwicklungen im Wohlverhalten, wie sie unter offen gefassten Verhaltensstandards möglich wären. Diese von Louis Kaplow im Jahr 1992 eingebrachte Abwägung zwischen direkten Verhaltensvorgaben und offenen Verhaltensstandards (rules v. standards) steht im größeren Zusammenhang der Suche nach einer optimalen Komplexität des Rechtssystems.20 Für die Abwägung sind nicht allein die ex ante bei der Regelfindung oder ex post bei ihrer Auslegung entstehenden Steuerungskosten maßgeblich, sondern auch die infolge eines Regelungsvakuums und mangelnder Anpassungsgeschwindigkeit entstehenden Einbußen bei den privaten AustauschAbschn. II (S. 326). Abschn. III (S. 330). 18 Einordnend Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 31. 19 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 32, 37. 20 Kaplow 42 Duke L.J. 557 (1992); ders. 11 J.L. Econ. & Org. 150 (1995). Vorbereitend Ehrlich / Posner 3 J. L. Stud. 257, 261 (1974); Diver 93 Yale L.J. 65, 71 (1983). Zur aktuellen Diskussion Schwarcz EBOR 2009, 175, 180. 16 17

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

prozessen.21 Kaplows Abwägungsheuristik ist in zahlreichen Kontexten aufgegriffen worden.22 Auf die internationale Diskussion um Rechnungslegungsgrundsätze wirkt sie bis heute fort.23 Die Rechtswirklichkeit ist überwiegend durch Mischformen bestimmt.24 Die dichotomische Abwägung zwischen ex ante und ex post entstehenden Regelsetzungskosten bietet also nur eine Annäherung. Direkte Verhaltensvorgaben bieten sich an für antizipierbar häufig auftretende oder erfahrungsgestärkt annähernd vollständig beschreibbare Sachverhalte. Im Recht der Informationsintermediation kommen sie in Betracht, soweit eine (tendenziell) statische Rahmengebung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung verhelfen kann. Gegenüber einem flächendeckenden Einsatz direkter Verhaltensvorgaben zur Verwirklichung des (anzweifelbaren) Ziels einer Komplexitätsminderung der Prozesse privater Interaktion am Kapitalmarkt bestehen demgegenüber die genannten Bedenken aus der Einengung privater Innovationskraft.25 Als funktionsermöglichende direkte Verhaltensvorgaben können Regeln eingestuft werden, die für das Ziel integrer Marktinformation unerlässlich sind. Auf Intermediärseite kommen dazu insbesondere formelle Anforderungen an die Qualifikation in Betracht. Zu nennen sind der Zwang zur formellen Berufsqualifikation mit öffentlicher Prüferbestellung (§ 1 Abs. 1 WPO) oder auch eine Registrierungspflicht für Ratingagenturen (Art. 14 EG-RatingVO). Ausschlussgründe wegen funktionsverstellender Gefahren fehlender Unabhängigkeit können katalogmäßig festgelegt und an mechanisch prüfbare Schwellenwerte finanzieller Abhängigkeiten geknüpft werden, beispielsweise bei Überschreitung der bei einem Mandanten erzielten Einnahmen i. H. v. mehr als 15 Prozent der Gesamteinnahmen des Prüfers (Art. 4 Abs. 3 EU EU-AbschlussprüferVO). Dementgegen kommen Vorgaben zum Inhalt der Aussagen angesichts zwingender Ergebnisoffenheit einer informationsintegren Intermediation nicht in Betracht. Stattdessen ist eine Kennzeichnungspflicht denkbar, infolge derer die Informationsleistung nicht als solche des betreffenden Intermediationssegments abgesetzt werden darf, wenn zu bestimmende Mindestanforderungen an den Intermediationsprozess nicht eingehalten wurden.

Kaplow 42 Duke L.J. 557, 571 ff. (1992). Z.B. entwicklungsökonomische Anwendungen Schäfer 14 Sup. Ct. Econ. Rev. 113, 116 (2006). Übergreifend Polei Regel- versus prinzipienbasierte Normsetzungsstrategien, 2009, S. 29 ff. 23 Zum Stand Bratton EBOR 2004, 7. 24 Selbst das für direkte Verhaltensvorgaben herangezogene Standardbeispiel der auf eine bestimmte km/h-Angabe gerichteten Geschwindigkeitsbegrenzung ist in offene Verhaltensregeln, insbesondere zur ständigen Beherrschbarkeit des Fahrzeugs eingebunden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVO). 25 Zu den von Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F52 ff. eingebrachten Überlegungen einer Komplexitätsminderung oben 8. Kapitel: A.III.2.c (S. 237). 21 22

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

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Auch auf Seiten des Emittenten ist an direkte Verhaltensvorgaben zu denken. Die Formen funktionsschützender Verbote selektiver Informationsweitergabe werden allerdings zumeist durch unbestimmte Rechtsbegriffe in einer Weise aufgeweicht, die eher eine Einordnung als Standards denn als direkte Verhaltensvorgabe nahe legt (z. B. berechtigte Emittenteninteressen nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a EU-MarktmissbrauchsVO). 2. Verhaltensstandards (standards) Auch Verhaltensstandards betreffen das Wie der Leistungserbringung. Im Unterschied zu direkten Verhaltensvorgaben geben sie konkretisierungsbedürftige Handlungsaufforderungen oder Prozessanforderungen vor. Anfängliche Regelfindungskosten werden hierdurch eingespart und Beschreibungsprobleme umgangen, dies aber zu dem Preis einer erst nachträglichen Ausformung von Verhaltensvorgaben durch dazu berufene Dritte. Nachteil nur mittelbar wirkender Vorgaben ist dementsprechend, dass sich Rechtssicherheit in Bezug auf Wohlverhaltenspflichten erst ex post ergeben kann. Die Informationsintermediation ist einerseits Institution einer solchen trilateralen Governance-Struktur, andererseits ist sie wegen der ultimativ durch behördliche Aufsicht oder Gerichte getroffenen Beurteilung ihrer Ordnungsmäßigkeit selbst in eine solche eingebunden.26 Die Nachteile einer auf offene Verhaltensstandards bauenden Regulierung müssen nicht zwingend auftreten. Gerichtliche Beurteilungsschwächen sind jedenfalls in entwickelten Feldern der Informationsintermediation im Wege sachverständiger Begutachtung durch die im selben Segment des Informationsmarkts tätigen Intermediäre zu überwinden (peer review).27 Die gegenüber direkten Verhaltensvorgaben maßgebliche Schwäche der unvorhersehbaren Letztentscheidung tritt nur eingeschränkt auf, wenn berufsständische oder vergleichbare Institutionen für eine fortlaufende Konkretisierung der Verhaltensvorgaben Sorge tragen. Unterschiede ergeben sich bei der Verbindlichkeit, je nachdem, ob es sich um eine staatlich anerkannte Stelle mit gesetzlichem Auftrag (z. B. ein privates Rechnungslegungsgremium nach § 342 HGB) oder um eine private und den Zielen des Berufsstands verpflichtete Vereinigung handelt (z. B. die DVFA). Rechtsordnungsspezifische Probleme stellen sich unter dem Blickwinkel der staatlichen Verantwortung für die Gewährleistung einer hinreichenden Steuerung der Standardsetzung.28 Den berufsständischen Regelsetzungs- und Überwachungsstrukturen der Wirtschaftsprüfer vergleichbare Institutionen haben sich 26 Zu dem auf Williamson 22 J.L. & Econ. 233, 248 ff. (1979) zurückgehenden Begriff der trilateralen Governance 8. Kapitel: A.I.1, B.III.2 (S. 206 ff., 262). Zu der von Armour /  Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 42 vorgeschlagenen Einordnung der privaten Marktzugangskontrolle als Durchsetzungsmechanismus 10. Kapitel: B.III (S. 330). 27 Dazu bereits Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 80 (1986). 28 Zum Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion 8. Kapitel: A.III.1.a (S. 230 ff., 238 ff.).

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

bei Bonitätsrating und Finanzanalyse bislang nicht herausgebildet, können aber je nach Ausmaß verfassungsrechtlicher Anforderungen geboten sein. Dementsprechend können für diese Informationsintermediäre detailliertere gesetzliche Pflichten als die Anordnung bloß einer „unabhängigen, gewissenhaften, verschwiegenen und eigenverantwortlichen“ Aufgabenerfüllung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO) und ein höheres Maß an direkten Verhaltensvorgaben erforderlich sein. Übergreifende Funktionsvoraussetzung einer auf offene Verhaltensstandards setzenden Regelungsstrategie ist vor diesem Hintergrund die Fähigkeit des aus hoheitlicher und privater Regelgebung zusammengesetzten Rechtssystems, die Vorgaben kontinuierlich anzupassen. Anders als direkte Verhaltensvorgaben vermögen offene Verhaltensstandards private Wirkmechanismen einzubeziehen. Zur Umsetzung kommen vor allem Offenlegungs- und Organisationspflichten in Betracht. Verhaltensstandards können auch in den bereits für direkte Vorgaben erörterten Themenfeldern eingesetzt werden, unterscheiden sich aber in ihrer Wirkungsweise: Alternativ zur Festschreibung bestimmter Qualifikationsanforderungen (Eignungsprüfung, WiPrPrüfV) kommen Organisationspflichten in Betracht. Zu denken ist an die Pflicht einer Ratingagentur sicherzustellen, dass die einzelnen Handelnden über „angemessene Kenntnisse und Erfahrungen“ (Art. 7 Abs. 1 EG-RatingVO) verfügen. Anreize zur Ausfüllung dieser Pflicht werden über die formelle Akkreditierung der Agentur, nicht die Berufszulassung des Einzelnen gesetzt. Auf Beeinträchtigungen der inneren Unbefangenheit ist, anders als auf solche der äußerlich beobachtbaren Unabhängigkeit, nur eingeschränkt mit katalogmäßigen Leistungsverboten zu reagieren. Bei Prüfung und Rating werden dazu interne Rotationspflichten nach Zeitablauf, also direkte Verhaltensvorgaben, eingesetzt. Eine stets von unsachgemäßen Erwägungen unbeeinflusste und gewissenhafte Urteilsbildung, wie von Wirtschaftsprüfern verlangt (insbesondere §§ 2, 8, 29 BS WP/vBP), ist aber nur auf Grundlage eines verfestigten Rollenverständnisses zu erhoffen, das sich wiederum nur im Zuge fortlaufender Konkretisierung der Verhaltensstandards herausbilden wird. Das wichtigstes Einsatzfeld der Standardbildung betrifft Sorgfaltspflichten. Ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe hierzu finden sich angesichts der anfänglichen Beschreibbarkeitsprobleme in allen Einzelbereichen, z. B. auch bei der Finanzanalyse, die nach Art. 20 Abs. 1 EU-MarktmissbrauchsVO auf eine objektive Darstellung auszurichten ist.29

II. Einbindungsregeln (affiliation terms) Regeln zum Ob der Informationsintermediation können eingesetzt werden, um Informationsunsicherheiten oder Unterscheidbarkeitsschwächen im Zusammen29

Zur „erforderlichen Sorgfalt“ bereits § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F.

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

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hang mit Investitionsentscheidungen zu überwinden. Vorgaben zur Einbindung von Intermediären betreffen in der Sache die privatrechtliche Verbindung zwischen Kapitalnachfrager und -anbieter, also die Bedingungen der Kapitaleinwerbung durch den Emittenten und die Entscheidung des Investors zur Kapitalbereitbestellung (affiliation terms).30 Die Informationsintermediation kann ex ante bereits in das Zustandekommen (entry) oder in die ex post und fortlaufend zu treffende Entscheidung des Investors über den Fortbestand der aus der Investition erwachsenen Agenturbeziehung eingebunden werden (exit). 1. Eintritt (entry) Für primärmarktliche Austauschprozesse ist kennzeichnend, dass dem Ersterwerber eines Finanztitels über die unmittelbar von Emittenten oder anderen Transaktionsbeteiligten ausgehende Publizität keine weiteren Informationen in Bezug auf diesen Finanztitel vorliegen.31 Die Verifikation der Emittentenpublizität und die Substitution dort nicht enthaltener Informationen durch Intermediäre können zur Überwindung von Unsicherheit und verbesserter Unterscheidbarkeit von opportunistischen Angeboten eingesetzt werden.32 Privatwirtschaftliche Absprachen zur Einbindung von Informationsintermediären in das Zustandekommen der Agenturbeziehung zwischen dem Emittenten und dem Investor (entry) greifen auf die noch eigens zu besprechende Strategie der Interessenwahrung durch unabhängige Dritte zurück (trusteeship), konkret auf den Reputationsmechanismus.33 Das Ausbleiben von Intermediationsabsprachen mit untereinander unverundenen Investoren ist, wie beschrieben, aus Koordinationsproblemen zu erklären.34 Die hoheitliche Anordnung eines expliziten Intermediationsobligatoriums kann dieses Koordinationsproblem überwinden, indem sie die unterbliebene private Kollektivabsprache nachbildet (market mimicking).35 Ein Intermediationsobligatorium besteht bei der Abschlussprüfung, die dem sogleich zu besprechenden sekundärmarktlichen Zusammenhang zuzuordnen ist. Im primärmarktlichen Kontext kommt ein Obligatorium in Bezug auf Prospektangaben in Betracht, für deren Ordnungsmäßigkeit der Wirtschaftsprüfer (eingeschränkt) Verantwortung zu übernehmen hat.36 Ein Ratingobligatorium beEinordnend Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 33. 31 Statt vieler Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 369. 32 Übergreifend zum Einsatz privater Marktzugangskontrolle Enriques / Hertig / Kraakman /  Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 243, 263. 33 Davies / Hopt / Ringe in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 205, 226. 34 Zum Ganzen Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 95 (1986). 35 Zur Aufgabe der Regulierung, nicht zustandekommende private Absprachen nachzubilden (market mimicking) 8. Kapitel: A.I.2 (S. 210). 30

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Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

steht bislang zwar nicht auf Ebene der unionsrechtlich geprägten Pflichtangaben im Prospekt, ergibt sich aber aus den Zulassungsvoraussetzungen einzelner Börsen.37 Bei Anleiheemissionen besteht die Übung der mindestens zweifachen Bonitätsbeurteilung (Zwei-plus-Usance). Regulatorische Pflichten zur Einholung emissionsbegleitender Finanzanalysen bestehen demgegenüber nicht. Der Stand empirischer und verhaltensökonomischer Untersuchungen lässt Zweifel daran, dass mit der Einbindung von Informationsintermediären stets eine Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen des einzelnen Investors verbunden ist.38 Die auch als „Mikrokosmos“ bezeichnete Diskussion um die Kapitalmarktpublizität bleibt im Fluss.39 Auszugehen ist aber von einem Mehrebenensystem, das sich aus den hier beschriebenen Intermediationsleistungen und weiteren Instanzen der Informationssuche und -verarbeitung bis hin zur Individualisierung des Informationsbestands zusammensetzt (Letzteres insbesondere durch die Anlageberatung). Dementsprechend kommt es für den Nutzen der Regelungsstrategie nicht zwingend auf (messbare) Verbesserungen der Informationsgrundlage einzelner Anleger an. Allgemeine Funktionsvoraussetzung der Einbindung von Informationsintermediären in die Agenturbeziehung zwischen Emittenten und Investoren (entry und exit) ist neben den angesprochenen Verhaltensvorgaben an den Intermediär der komplementierende Einsatz von Regelungsstrategien zur Vermeidung einer Verschiebung des Problems opportunistischer Investitionsangebote auf die Intermediationsebene. Dazu kommen die noch zu besprechenden Strukturvorgaben zu den Inhalten der privaten Absprache von Emittenten oder Investoren mit dem Intermediär in Betracht (governance strategies).40 Ziel dieser Vorgaben ist die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität. 2. Austritt (exit) Der Fortbestand der Agenturbeziehung ist Ergebnis einer kontinuierlich zu treffenden Entscheidung des Investors über Verbleib oder Austritt (exit). Die Informationsgrundlage ist wie beim Ersterwerb vom Grad der Unsicherheit über die aktuelle Investition und ihre Alternativen gekennzeichnet. Im sekundär36 Nur bei Übernahme der Verantwortung für den gesamten Prospekt GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 63. 37 Zu gesetzlichen Ratingobligatorien in einzelnen noch nicht entwickelten Märkten und zu dahingehenden Anforderungen einzelner Börsen Schroeter Ratings, 2014, S. 178 ff. 38 Zu diesem Befund Enriques / Hertig / Kraakman / Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 243, 263 m. w. N. Zu den mittelbaren Auswirkungen auf die Pflichtendurchsetzung im Wege der Haftung Fox 109 Colum. L. Rev. 237, 253 (2009). 39 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 38. 40 Dazu 10. Kapitel: C (S. 330 ff.).

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

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marktlichen Handel stehen aber über die vom Emittenten bereitgestellten Angaben hinausgehende Informationen zur Verfügung.41 Internationaler Prototyp des sekundärmarktbezogenen Intermediationsobligatoriums ist die Pflichtprüfung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer (§ 316 Abs. 1, 2 HGB). Vergleichbare Wirkung kommt der regulatorischen Eigenkapitalbemessung auf Grundlage externer Bonitätsbeurteilungen zu (Basel II). Mögliche faktische Erfordernisse einer kontinuierlichen Analyseabdeckung von Finanztiteln hängen demgegenüber von den spezifischen Umständen der Kapitaleinwerbung ab, sind also durch Marktumstände und nicht regulatorisch bedingt. Neben den expliziten können auch implizite Intermediationsobligatorien entstehen.42 Vermittelt werden sie insbesondere über die allgemeinen Geschäftsleiterpflichten (§ 93 AktG). Auf die konkrete Anleitung von Austrittsentscheidungen gerichtete Pflichten des Geschäftsleiters zur Einbeziehung von Leistungen der Informationsintermediation bilden sich im Zusammenhang mit gesteigerten Informationsbedürfnissen bei Fundamentaltransaktionen heraus.43 So konnten sich die Einholung und Veröffentlichung einer unabhängigen Bewertung des Angebotspreises durch das Management der Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots (fairness opinion), wie nach dem Londoner City Code on Takeovers and Mergers vorgesehen, (noch) nicht als aktiengesetzliche Mindestanforderung an das Vorstandsverhalten verfestigen.44 Demgegenüber ergibt sich für die Geschäftsleiter institutioneller Investoren aus internen Anlageleitlinien ein faktisches Ratingobligatorium, weil regelmäßig nur bei Vorliegen einer Bonitätsbeurteilung investiert werden darf. Hierin liegt eine implizite Rechtsfolgeanknüpfung, wenn die Leitlinien bei Herabstufungen der Bonität eines bestimmten Titels zur mechanischen Deinvestition anhalten.45 Die Regelungsstrategie unterliegt den allgemeinen Funktionsvoraussetzungen, die bereits für Eintrittsrechte besprochen sind. Besonders im Zusammenhang mit Austrittsrechten zeigt sich, dass eine insgesamt verbesserte Ressourcenallokation nur bei Vermeidung schädlicher Folgewirkungen zu erhoffen ist.46 MechaMerkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 372. Im Einzelnen 8. Kapitel: B.II.2 (S. 254). 43 Davies / Hopt / Ringe in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 205, 226 zur Einholung von unabhängigem und qualifiziertem Rat (i.d.R. bei einer Investmentbank) zum Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft im Vorfeld von Kontrolltransaktionen, allerdings mit (ebenso möglicher) Einordnung als gemischte ex ante entry affiliation und trusteeship strategy. 44 Panel on Takeovers and Mergers, The City Code on Takeovers and Mergers, Stand: 12.9.2016, rule 3.1. Daran angelehnt die Forderung von Hopt ZGR 2002, 333, 355. Ausführlich Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 410 ff., 413. 45 Zu Aufkommen und Stand 5. Kapitel: C.I.4 (S. 122). 46 Zum Problemkreis, insbesondere zum Begriff der Schädlichkeit 9. Kapitel: B.III (S. 302 ff., 304). 41 42

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nische Deinvestitionsentscheidungen sind mit Gefahren prozyklischer Marktverläufe verbunden. Soweit sie regulatorisch bedingt sind, kommt ein Rückbau der Rechtsfolgeanknüpfungen in Betracht. Daraus kann allerdings ein Regelungsvakuum bei den Geschäftsleiterpflichten resultieren, das anderweitig aufgefangen werden muss. Einschränkungen bei der Offenlegung ordnungsgemäß erstellter Intermediationsleistungen kämen demgegenüber einem faktischen Verbot informierter Austrittsentscheidungen gleich. Insgesamt bildet der regulatorische Einsatz der Regelungsstrategie die Grundsatzentscheidung über das staatliche Vertrauen in die private Informationsintermediation ab.

III. Durchsetzungsmodi (enforcement) Die Wirkung der Regelungsstrategien ist durch die Modi der Durchsetzung bedingt.47 Dies gilt für die bis hierher behandelten Rahmenbedingungen (regulatory strategies) ebenso wie für die nachfolgend zu besprechenden Eingriffe in die private Ausgestaltung (governance strategies). Die private Informationsintermediation (gatekeeping) ist selbst ein Durchsetzungsmodus. Sie wird neben der gerichtlichen oder privaten Kontrolle als marktliche Steuerung des Managementverhaltens eingesetzt. Die zuletzt erörterten Einbeziehungsregeln bauen diese Steuerungswirkung aus. Infolge des Einsatzes der Informationsintermediation ergeben sich jedoch neue Agenturprobleme, die eigene Fragen der Durchsetzung von Intermediärpflichten aufwerfen. Die Durchsetzungsmodi unterscheiden sich je nach Regelungsebene (Privatrecht, Berufsrecht, Regulierung).48 Sie können von der unspezifischen gerichtlichen Kontrolle über die für eine einfache Metaregulierung kennzeichnenden Dokumentations- und Vorlagepflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde (Finanzanalyse und Rating) bis hin zu einem mehrgliedrigen System aus berufsständischer und behördlicher Aufsicht (Abschlussprüfung) reichen. Mit steigender Spezifikation der Durchsetzungsmechanismen sinkt die Drohung einer gerichtlichen Nachprüfung selbstregulativ erarbeiteter Verhaltensstandards und damit verbunden auch die Gefahr einer Einschränkung privater Standardsetzung im Wege direkter hoheitlicher Verhaltensvorgaben.

C. Strukturen privater Ausgestaltung (governance strategies) Die Inhalte der Agenturbeziehung sind im privatrechtlichen Ausgangspunkt frei. Ansatzpunkte für die Lösung von Agenturkonflikten bieten im Wesentlichen Be-

47 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 39. 48 Zu den genannten Ebenen 9. Kapitel: C (S. 307 ff., 310, 313).

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stellungsrechte (appointment rights),49 Einwirkungsmöglichkeiten (decision rights)50 und Anreizgestaltungen (agent incentives).51 Auf diese Ansatzpunkte ausgerichtete Regelungsstrategien sind im Zusammenhang mit den aus der Fremdgeschäftsführung verbundenen Agenturproblemen einsetzbar.52 Im hier behandelten Kontext geht es um Strukturregeln, mit denen die Berücksichtigung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität bei der privaten Ausgestaltung sicherzustellen ist. Dazu kommen die den offenen Verhaltensstandards (standards) zugeordneten Organisations- und Offenlegungsregeln oder auch die als direkte Verhaltensvorgaben (rules) einzuordnenden invasiven Verbote in Betracht.

I. Bestellungsrechte (appointment rights) Die Inanspruchnahme von Leistungen der privaten Informationsintermediation kann rechtlich angeordnet sein (Obligatorium).53 Der privat finanzierten Agenturbeziehung zu dem betreffenden Intermediär liegt aber auch dann ein durch die freie Parteientscheidung gekennzeichneter Bestellungsvorgang zugrunde. Die Auswahl des Agenten (selection) kann im Wege der Zuweisung von Rechten zu seiner Bestellung (appointment rights) und Abbestellung (removal) ausgestaltet werden.54 1. Auswahl (selection) An der Geschichte der Pflichtprüfung sind die möglichen Entwicklungsschritte einer auf die Zuweisung von Bestellungsrechten gerichteten Regelungsstrategie nachzuzeichnen.55 Im 17. Jahrhundert verstellten die Hauptpartizipanten von Handelsgesellschaften den im Interesse weiterer Aktionäre tätigen externen Rechnungslegungsprüfern schlichtweg den Informationszugriff. Auch nach Einführung der Pflichtprüfung 1931 herrschte zunächst die Einschätzung vor, über die Inanspruchnahme des Abschlussprüfers dürfe die Hauptversammlungsmehrheit auch gegen die Minderheit entscheiden. Erst 1937 setzte sich der von den Interessen der Aktionärsmehrheit losgelöste Funktionsschutzgedanke durch, indem das neue Aktiengesetz die Feststellung des Jahresabschlusses von seiner Prüfung abhängig machte. Der den Funktionsschutz beeinträchtigende zu große Einfluss des Vorstands (Selbstprüfung) wurde gleichAbschn. I. Abschn. II (S. 333). 51 Abschn. III (S. 336). 52 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 31. 53 Einzuordnen ist dies als Form der Rechtsfolgenanknüpfung. Dazu 8. Kapitel: B.II (S. 253). 54 Einordnend Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 33. 55 Zu den nachfolgend beschrieben Entwicklungsschritten 5. Kapitel: A.I, II (S. 50, 56). 49 50

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wohl erst durch das KonTraG von 1998 angegangen, das dem Aufsichtsrat die Verantwortung für den Abschluss des Prüfungsvertrags zuwies. Zu vergleichbaren Entwicklungen ist es bei Rating oder Finanzanalyse bislang nicht gekommen. Wie das Beispiel der Abschlussprüfung zeigt, sind im Wege der Zuweisung von Bestellungsrechten unternehmensinterne Verantwortungsgefüge (checks and balances) zu errichten, die zum Schutz der kapitalmarktlichen Informationsintegrität beitragen können. Als Teilelemente des Funktionsschutzes weisen Offenlegungspflichten für Minderheits- und Gläubigerschutz aller Voraussicht nach keine vergleichbare Durchsetzungsstärke auf. Offenlegungspflichten können aber in Ergänzung zu Bestellungsrechten eingesetzt werden, beispielsweise in Form einer Erklärung des Intermediärs zur Untermauerung seiner Unabhängigkeit (Ziff. 7.2.1 Abs. 1 Satz 1 DCGK zum Abschlussprüfer). Zur Lösung des Selbstprüfungsproblems finden sich unterschiedliche Ausdifferenzierungsgrade gesetzlicher Organisationsregeln. Nach US-amerikanischem Recht unterliegen Absprachen mit dem Prüfer der Zustimmung eines unabhängig besetzten audit committee. Nach unionsrechtlicher Lesart der Unabhängigkeitserfordernisse handelt es sich um ein Verbot von Einflussnahmen des Kontrollaktionärs, dessen Repräsentanten in Verwaltungs- oder Aufsichtsrat nicht als unabhängig gelten.56 Demgegenüber bleibt es für die deutsche Aktiengesellschaft, abgesehen von der Pflicht zur Bestellung eines Finanzexperten (§ 100 Abs. 5 AktG), bei bloßen Kodexregeln zur Bildung und Besetzung des Prüfungsausschusses (Ziff. 5.3.2 DCGK).57 2. Abbestellung (removal) Einschränkungen der Rechte zur Abbestellung des Intermediärs (removal) dienen der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Informationsintegrität infolge einer Unterbindung nachteiliger Ergebnisse durch den Emittenten.58 Einschränkungen der Abbestellungsrechte bieten sich an, weil die Unterbindung nachteiliger Ergebnisse im Wege (bereits einer Androhung) der Abberufung, äußerlich nicht beobachtbar ist. Dass Anreize zur Unterproduktion bzw. zum Vorenthalten nachteiliger Informationen bestehen, wurde vielfach nachgewiesen.59 56 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- / Aufsichtsrats, Empfehlung v. 15.2.2005, ABl. EU L 52 v. 25.2.2005, S. 51, Anh. II Nr. 1 lit. d. 57 Gegen den Verzicht auf die Eigentümerkontrolle Hüffer ZIP 2006, 637, 642 und Lutter EuZW 2009, 799, 804. 58 Zum Ganzen Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1603 (2010). 59 Zum Stand Enriques / Hertig / Kraakman / Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 243, 246. Zu der auf Hirshleifer 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971) zurückgehenden ökonomischen Theorie und ihren Erweiterungen 9. Kapitel: B.I.2 (S. 295).

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Im Einzelnen komt es für den treffsicheren Einsatz der Regelungsstrategie auf die spezifischen Problemursachen an. Als Beispiel genannt sei die gezielte Vergabe von Mandaten zur Prüfung der Bonität von strukturierten Finanzprodukten allein an wohlwollende Agenturen (opinion shopping). Der Einsatz von Bestellungsrechten käme zwar grundsätzlich in Betracht. Das zugrunde liegende Problem (zu) vorteilhafter Vorabbewertungen wird jedoch gezielter mit Vergütungsregeln (reward strategy)60 anzugehen sein. Demgegenüber kann den Problemen aus einer opportunistischen Androhung des Abbruchs der Agenturbeziehung durch Zuordnung und Gestaltung der Abbestellungsrechte (removal strategy) entgegengetreten werden. Auf schwächster Stufe stehen Pflichten zur begründeten Offenlegung der einseitigen Beendigung des Intermediationsprozesses, wie für den Abbruch der Bonitätsbeobachtung vorgesehen (Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO).61 Die Bewertung der Lauterkeit des Abruchs bleibt dann dem Markt überlassen. Darüber hinaus geht die Steuerung der emittenteninternen Abbestellungsentscheidung durch Organisationsregeln, zu denen die Zuweisung von Entscheidungsverantwortung auf einen entsprechend besetzten Aufsichtsratsausschuss gehören kann. Am weitesten reicht das Verbot der Abbestellung durch den Auftraggeber, also der Zwang zur gerichtlichen Ersetzung des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 3 HGB).

II. Einwirkungsrechte (decision rights) In privatautonom begründeten Agenturbeziehungen sind die Parteien grundsätzlich frei, dem Prinzipal Entscheidungsrechte in Bezug auf das Agentenhandeln (decision rights) einzuräumen. Zu den möglichen Entscheidungen zählen die Veranlassung der Intermediation (initiation) oder die Unterbindung der Veröffentlichung einer nachteiligen Beurteilung (veto).62 Gesetzliche Beschränkungen auf Vetorechte finden sich etwa in der Organisationsverfassung der deutschen Aktiengesellschaft in Form von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats oder Genehmigungsrechten der Hauptversammlung (§§ 111 Abs. 4 Satz 2, 119 Abs. 1 AktG); dies bei im Übrigen eigenverantwortlicher Geschäftsführung durch den Vorstand (§ 76 AktG). Bei der kapitalmarktlichen Informationsintermediation ergeben sich vergleichbare Beschränkungen erst aus regulatorischen oder berufsrechtlichen Vorgaben. Als Beschränkung der Initiierungsmöglichkeiten sind zum einen diejenigen Regeln zu werten, aus denen sich ein positiver Zwang zur Einbeziehung des Intermediärs ergibt (Intermediationsobligatorien), sowie Regeln, die einen negaDazu noch 10. Kapitel: C.III.2 (S. 337). Siehe auch Gilson 49 Md. L. Rev. 869, 909 ff., 912 (1990) zu Offenlegungspflichten beim Abschlussprüferwechsel. 62 Einordnend Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 37. 60 61

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tiven Zwang zur Folge haben, also ein Zustandekommen mit diesem Anbieter von Intermediationsleistungen etwa wegen fehlender Unabhängigkeit nicht zulassen (Leistungsverbote). Neben dieser bereits besprochenen Regelungsstrategie (affiliation strategy) stehen die nachfolgend zu beleuchtenden Einschränkungen von Entscheidungsrechten zur Verfügung. Sie dienen dazu, opportunistische Einflussnahmen des Emittenten auf den Intermediär zu unterbinden. 1. Ergebnisvorgabe (initiation) Aus der Initiierung von Intermediationsleistungen mit Ergebnisvorgabe ergibt sich ganz offensichtlich eine Beeinträchtigung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität. Sowohl die von Emittentenseite bevorzugten Höherbewertungen als auch die für außenstehende Investoren vorteilhaften Niedrigerbewertungen stören das Integritätsziel. In beiden Fällen kommt es zu Einbußen bei der Vergleichbarkeit und angesichts der im anonymen Markt teilweise mechanischen Entscheidungsabläufe (insbesondere wegen der Anlageleitlinien institutioneller Investoren) zur Fehlleitung knapper Ressourcen. Die Unterbindung von Ergebnisbeeinflussungen ist deshalb Herzstück eines funktionsfähigen Rechts der Informationsintermediation. Einsetzbar ist eine an vertragliche Absprachen geknüpfte Strategie nur für die zwischen Intermediär und Emittenten oder Investor abgestimmte Leistungserbringung (solicited intermediation). Kraft eigener wirtschaftlicher Entscheidung des Intermediärs erbrachte Leistungen (unsolicited intermediation) weisen andere und noch zu erörternde Probleme auf, darunter die Gefahr eines gezielten Einsatzes zur Erzwingung entgeltlicher Intermediationsleistungen.63 Durch Kennzeichnungspflichten ist zum einen Unterscheidbarkeit zwischen den Veranlassungslagen (solicited/unsolicited), zum anderen aber auch zwischen der (integren) Informationsintermediation und den (daneben zulässigen) Werbemaßnahmen herzustellen. Wie bei anderen Offenlegungspflichten bleibt die Beurteilung dem Markt überlassen. Organisationspflichten kommen vor allem auf Seiten des Intermediärs zur Verhinderung von Ergebnisbeeinflussungen infolge von Interessenkonflikten in Betracht. Sie sind auf schwerwiegende Konflikte auszurichten, die etwa infolge von Absatzinteressen der Finanzanalysen finanzierenden emissionsbegleitenden Banken auftreten. Schranken der Informationsflüsse (Chinese walls bzw. screens) und damit zusammenhängende organisationsinterne Unterbrechungen der Direktionsrechte sind nicht frei von praktischen Funktionszweifeln.64 Angesichts der wirtschaftlichen Anreize zur Entgegennahme von Ergebnisvorgaben kommt Organisationsstrukturen gleichwohl eine hohe Bedeutung zu, wenn und soweit ihre Näher 13. Kapitel: C.III (S. 711 ff., 715). Überblick bei Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32. 63 64

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Wirksamkeit (behördlich) geprüft wird. Abgemildert werden dann vor allem die Beobachtungsprobleme bei der Sanktionierung von Verstößen gegen die regelmäßig daneben bestehenden Einflussnahmeverbote.65 2. Ergebnisbeeinflussung (veto) Gegenstück zur anfänglichen Ergebnisvorgabe ist die nachträgliche Beeinflussung des Intermediationsergebnisses, insbesondere die Untersagung der Veröffentlichung einer Negativbeurteilung (veto). Dabei ist zu unterscheiden: Vertragliche Absprachen, durch die der Erstellungsprozess und die Publizität der Intermediationsleistung in einer Weise organisiert werden, die zur Unterbindung ungewollter Ergebnisse geeignet ist, führen zu dem als Wettbewerb um Positivbewertungen bekannten Problem. Dieses Problem tritt maßgeblich bei Einholung nichtpublizitätspflichtiger Vorabbewertungen auf (opinion shopping).66 Demgegenüber ist die Möglichkeit zur Unterbindung falscher Tatsachenbehauptungen vom Unternehmenspersönlichkeitsrecht des Emittenten umfasst (§ 824 BGB). Auch das Recht zur Gegenäußerung gegenüber den Meinungen Dritter kann ihm nicht versagt werden (Art. 5 Abs. 1 GG). Mit Gegenäußerungen verbinden sich nicht nur negative, sondern auch positive Wirkungen für die Sicherstellung zutreffender Intermediationsergebnisse, weil der Emittent über hohe Anreize verfügt, die Richtigkeit der Intermediationsleistung zu prüfen. Besonders bei nichtbeauftragten Leistungen (unsolicited intermediation), wie sie bei Rating und Finanzanalyse vorkommen, fehlt dem Intermediär ein Zugriff auf unternehmensinterne Daten, der dem Abschlussprüfer kraft seines gesetzlichen Inspektionsrechts zusteht. Entscheidend ist eine Ausgestaltung die den natürlichen Grenzen der Informationsverarbeitung durch den Kapitalmarkt Rechnung trägt (information overload). Bei entsprechender Kennzeichnung von Äußerung und Gegenäußerung dürften diese Grenzen kaum überschritten sein. Verbote der Veröffentlichung ordnungsgemäß erstellter Leistungen, etwa bei Veto eines bewerteten Staats, reihen sich hingegen nicht in diese Überlegungen ein.67 Die Zuweisung von Vetorechten ist nicht eine Frage privatwirtschaftlicher oder staatlicher Stabilisierungspolitik. Einschränkungen wie etwa die seit 2013 in Bezug auf die Veröffentlichung von Länderratings geltenden beachten diese Unterscheidung nicht.68

65 Parallelbeispiel ist das Risikomanagement, bei dem Beobachtungsprobleme durch ein mehrstufiges Pflichtengerüst (Geschäftsleiterebene und Prüfungsebene) überwunden werden. Im Einzelnen 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220). 66 Im Einzelnen 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711). 67 Übergreifend zum Problemkreis „schädlicher“ Folgewirkungen insbesondere auf Stabilisierungsmaßnahmen 9. Kapitel: B.III (S. 302, 304). 68 Art. 8a EG-RatingVO eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO.

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III. Anreizkonformität (agent incentives) Der Nutzen aus der Einbeziehung von Leistungen der Informationsintermediation in den kapitalmarktlichen Austauschprozess hängt übergreifend von den möglichen Beiträgen zur Überwindung von Informationsunsicherheiten und Beurteilungsschwächen ab. Für die Ausfüllung dieser Rolle sind – im Ausgangspunkt privat zu gestaltende – Anreizstrukturen maßgeblich (agent incentives).69 Ansatzpunkte für die Sicherstellung des Ziels kapitalmarktlicher Informationsintegrität bieten die Interessenwahrungspflichten (trusteeship). Untrennbar hiermit verbunden sind Strukturregeln für die Gestaltung der Anreize zum Aufbau von Reputationswerten im Wege privater Vergütungsabreden (reward). 1. Interessenwahrung und Reputation (trusteeship) Die Reputation ist zentrales Steuerungselement der auf Marktmechanismen gestützten relationalen Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre. Sie steht für die Wahrung des übergeordneten Interesses an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität (trusteeship). Im theoretischen Konstrukt eines vollkommenen Reputationsmechanismus treten Divergenzen zwischen Einzelund Kollektivinteressen nicht auf. Wie der Austauschmarkt ist aber auch der Informations- und Reputationsmarkt Friktionen und Instabilitäten unterworfen.70 Grundsätzliche Zweifel ergeben sich aus der relativen Ertragskraft der Reputation. Enttäuschungen im Zusammenhang mit Verantwortungszuweisungen an unabhängige Direktoren, also unabhängige Mitglieder von Board oder Aufsichtsrat, sind zumindest in Teilen aus überzogenen Erwartungen an den Reputationsmechanismus erklärbar.71 Im Gegensatz zu den durch direkte Partizipation an den Einzelerfolgen des Prinzipals vermittelten starken Vergütungsanreizen (high-powered incentive) ist von einer eher schwachen und nur unter bestimmten Voraussetzungen maßgeblichen Steuerungskraft der Reputation auszugehen (low-powered incentive).72 Reichweite und Grenzen der Reputation sind also im Gesamtkontext zu beurteilen, der durch Wechselwirkungen zu weiteren Regelungsstrategien beeinflusst sein kann. Anders als unabhängige Aufsichtsratsmitglieder sind InformationsinEinordnend Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 31. 70 Näher zu Mechanismusinstabilitäten, die durch die Preisentwicklung auf dem Austauschmarkt bedingt sind, sowie durch regulatorische Inbezugnahmen versursachte oder verstärkte Friktionen bei der marktgesteuerten Ermittlung von Reputationswerten 9. Kapitel: A.III (S. 292). 71 Aus US-amerikanischer Sicht Gordon 59 Stan. L. Rev. 1465, 1500 ff. (2007); aus deutscher Sicht Roth ZHR 175 (2011) 605, 625 ff.; vergleichend Hopt ZHR 175 (2011) 444, 472. 72 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 28, 35 f. 69

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termediäre (zumeist) allerdings nicht bloß nebenamtlich tätig. Ohne Reputationsaufbau sind Erträge letztlich nur infolge einer zu weit gehenden (und korrigierbaren) regulatorischen Einbeziehung der Intermediationsergebnisse (regulatory licence) zu erwirtschaften.73 Private Ausgestaltungen der Agenturbeziehung zum Intermediär können die Schwächen des Reputationsmechanismus noch verstärken oder auch neue Schwächen verursachen. Offenlegungsregeln sind sowohl auf Seiten des Intermediärs als auch des Emittenten in Form von Pflichten zur begründeten Erklärung bei Abweichungen von integritätswahrenden Wohlverhaltenspflichten denkbar (comply or explain). Als Bezugspunkt der Erklärung kommen kodexbasierte, also untergesetzliche Organisationspflichten in Betracht, wie etwa ein bestimmter Anteil unabhängiger Mitglieder im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat des Intermediärs. Es ergeben sich jedoch Zweifel an einer hinreichenden Verhaltenssteuerung, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass Abweichungen durch den Markt sanktioniert werden.74 Darauf kann wie bei der Abschlussprüfung mit Pflichten zur internen und (neuerdings) externen Rotation reagiert werden.75 Rotationsregeln stärken die Unabhängigkeit, mindern allerdings zugleich die durch kontinuierliche Befassung mit dem betreffenden Emittenten erarbeitete Sachnähe der Intermediation. Maximale Unabhängigkeitsgewährleistungen bieten sich ebenso wenig wie in anderen Einsatzgebieten reputationsgestützter Regelungsstrategien an. Regelungen zu organisationsinternen Informationsschranken (Chinese walls bzw. screens) innerhalb des Intermediärunternehmens haben in der Sache dieselben Einbußen bei der Sachnähe zufolge, können aber wegen Eigeninteressen der den Intermediär beschäftigenden Organisation geboten sein. Regulierungstechnisch stehen die stetig zunehmenden Verbote von Leistungskombinationen im Vordergrund, insbesondere Verbote zur Verknüpfung von Intermediations- und Beratungsleistungen.76 2. Interessenzuordnung durch Vergütung (reward) Vergütungsabreden, also das Versprechen der Belohnung für die erbrachte Leistung (reward), werden dazu eingesetzt, die Präferenzen des Agenten in Bezug auf Leistungsniveau, Risiko- und Zeitwahl des Prinzipals anzugleichen.77 Bereits im zweigliedrigen Agenturverhältnis erweisen sich Vergütungsabsprachen zur ÜberZur Diskussion der von Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 505 (2001) eingebrachten Vorstellung eines allein auf Grundlage der regulatorischen Einbeziehung rentablen Bonitätsratings. 74 Zum bisherigen Einsatz beim Rating und zu aktuellen Vorhaben in Bezug auf Stimmrechts- und Vergütungsberater Leyens ZEuP 2016, 388, 417 ff., 419. 75 Im Einzelnen 13. Kapitel: B.II.2.a, c (S. 633 ff., 638). 76 Dazu 13. Kapitel: B.IV.2 (S. 657 ff., 665). 77 Näher zu diesen Agenturproblemen 9. Kapitel: A.II, B.II.2 (S. 290, 298). 73

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windung von Interessenkonflikten als nur eingeschränkt geeignet.78 Im mehrgliedrigen Agenturverhältnis zwischen Emittenten, Informationsintermediär und Markt ist von vornherein nur mit einer unvollständigen Anreizsteuerung durch Vergütung zu rechnen. Das marktschützende Integritätsziel werden die Parteien der Absprache nur einbeziehen, wenn dadurch die gemeinsamen Erträge zu steigern sind. Vor diesem Hintergrund rücken Regelungen zur Vergütungsgestaltung in den Blick. Die freie Vergütungsabsprache ist jedoch gerade das Fundament einer marktbasierten Regelungskonzeption. Eingriffe führen zwangsläufig zu Verzerrungen von Angebot und Nachfrage und laufen der Funktionsfähigkeit eines auf Informationsmarkt und Reputationsmechanismus setzenden Funktionenschutzes zuwider. Umgekehrt sind verschiedenste Fälle des gezielten Reputationsverkaufs bekannt. Die private Vergütungsabsprache kann den Reputationsmechanismus also auch außer Kraft setzen.79 Die Möglichkeiten hierzu sind zumindest teilweise durch Regeln zu unterbinden, deren übergreifende Zielrichtung in der Verhinderung einer Verknüpfung des Honorars mit opportunistischen Zielen der finanzierenden Partei besteht. Mit der verpflichtenden Vergütungstransparenz kann der Markt in die Lage versetzt werden, den Grad finanzieller Abhängigkeiten einzuschätzen, soweit diese nicht ohnehin untersagt sind.80 Regeln zur Organisation der Vergütungsverhandlung auf der Seite des Prinzipals sind geeignet, die Gefahren einer opportunistischen Zielverfolgung durch das Management abzumildern. Komplementär zur verbreiteten Forderung nach einem unabhängigen Prüfungsausschuss des Emittenten kommen auf der Seite des Intermediärs unabhängig besetzte Vergütungsausschüsse in Betracht. Die Aufgabe einer Gestaltung von Individualvergütungen, durch die Kurzfristorientierungen vermieden werden, ist aus der Corporate-Governance-Bewegung bekannt. Bei Banken sind sind mit dieser Aufgabe betraute Ausschüsse einzurichten.81 Verbote einzelner Vergütungsgestaltungen stehen auf höchster Eingriffsstufe. Das vollständige Verbot erfolgsabhängiger Individualvergütung entzöge eine zentrale Möglichkeit zur Angleichung der Anreize von einzelnem Handelnden und der ihn beschäftigenden Intermediärorganisation. Verbotsregeln müssen vor 78 Die bekannte Grenze bilden Fundamentaländerungen, mit denen wegen Informationsschwächen nicht ad hoc verhandelbare Änderungen der Gewinnverteilung zwischen Prinzipal und Agenten verbunden sind. Deutlichstes Beispiel sind positionale Interessenkonflikte, wie sie etwa bei feindlichen Übernahmen auftreten. Näher Ruffner Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 222. 79 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 64. 80 Im Einzelnen zu den hier angesprochenen Maßnahmen 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652) und 13. Kapitel: C.II.2.b (S. 705). 81 Z. B. § 25d Abs. 12 KWG. Zur Vergütungsgestaltung Kramarsch / Filbert in: Hopt /  Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance der Banken, 2011, S. 493, 503. Zum Ausschusssystem Leyens / Schmidt AG 2013, 533, 541.

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diesem Hintergrund nach dem Grad der Gefahren eines Reputationsverkaufs unterscheiden. Gleichwohl kann auch ein invasiver Vergütungszwang für Vorabbewertungen in Betracht kommen, wenn die Einhaltung (differenzierender) Verbote von Erfolgsversprechen anderweitig nicht sicherzustellen ist.82

D. Strukturwandel – Zum Fortgang der Untersuchung Die vorgestellten Grundstrukturen (Abschnitt A, S. 320) zeigen die Möglichkeiten zur Errichtung eines Gerüsts miteinander verwobener Regelungsstrategien auf. Besprochen sind regulatorische Rahmenbedingungen (Abschnitt B, S. 322) und Vorgaben an die Struktur privater Ausgestaltungen (Abschnitt C, S. 330). Die jeweils genannten Ausformungen zeigen die Möglichkeiten, nicht auf alle Zeit zwingende Gestaltungen auf. Die historischen Erfahrungen und nachgerade das Aufkommen neuer privater Informationsdienstleistungen deuten auf die Notwendigkeit einer fortlaufend anzupassenden Regelsetzung hin. Im Fortgang der Untersuchung ist deshalb nur eine Momentaufnahme zu leisten. Die Parameter, unter denen solche Momentaufnahmen immer wieder erneut zu leisten sein werden, sind bislang nicht erschlossen. In den Einzelbereichen der Informationsintermediation wird von den genannten Regelungsstrategien und ihren Kombinationen auf unterschiedliche Art und Weise Gebrauch gemacht. Die Strategien werden zumeist zeitversetzt aufgegriffen. Einheitliche Rechtsregeln zur Sicherstellung einer informationsintegren Intermediation am Kapitalmarkt bilden sich für bestimmte Konfliktlagen heraus. Zu den Ursachen anfänglicher Unterschiede der Grundstrukturen und der fortlaufenden Änderungen in der Zusammensetzung der Regelungsstrategien sind nur Vermutungen anzustellen. Bekannte Erklärungsansätze zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht führen Unterschiede in den Rechtsordnungen auf Anteilseignerstrukturen zurück.83 Bei verstreutem Anteilseigentum soll dem Management ein größerer Einfluss auf die Regelsetzung zukommen, während bei konzentriertem Eigentum die Erwartung einer Blockaktionäre bevorteilenden Regelsetzung nahe liegt. Auch für die Entwicklung des Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation bieten Anteilseignerstrukturen Teilerklärungen. Die Bedürfnisse nach verlässlichen Informationen privater Dritter unterscheiden sich je nachdem, ob von einer hinreichenden Überwachung im Wege der Informationsteilung innerhalb kleiZum Problem der nichtvergüteten Vorabbewertungen beim Rating 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711). 83 Armour / Enriques / Pargendler / Ringe in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 267, 270; Hansmann / Kraakman 89 Geo. L.J. 439, 442 (2001) mit (weitgehenden) Annahmen zu Anteilseignerinteressen als internationaler Treiber. Zur abweichenden Erklärung aus dem Umgang von Rechtsordnungen mit anderen Bezugsgruppen der Unternehmung als Anteilseignern Bruner Corporate Governance in the Common-Law World, 2013, S. 18 ff., 140. Dazu die kritische Rezension von Skeel 92 Tex. L. Rev. 973, 991 (2014). 82

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ner Gruppen (Informationsinternalisierung) oder einer marktbasierten Überwachungsfunktion ausgegangen wird (Informationsexternalisierung).84 Bei einer über Eigenbeteiligungen und Aufsichtsratsmandate vermittelten starken Rolle der Banken sind Einflüsse auf die Regelsetzung zu vermuten, die den Schutz von Kreditgeberinteressen widerspiegeln. Das in Deutschland starke Vorsichtsprinzip der Rechnungslegung könnte ein Beleg hierfür sein. Insbesondere bei hoher Präsenz ausländischer institutioneller Investoren liegt nahe, von einer Beeinflussungen der Regelsetzung in Richtung international unmittelbar vergleichbarer Kriterien auszugehen. Als Beleg hierfür könnte die vergleichsweise früh aufgekommene hohe Bedeutung externer Bonitätsbeurteilungen in den durch einen hohen Anteil institutioneller Investoren geprägten Kapitalmärkten der USA und des Vereinigten Königreichs gelten.85 Der über die Jahrhunderte beobachtbare Wandel im Rollenverständnis der Informationsintermediäre hin zu Institutionen des kapitalmarktlichen Funktionsschutzes wäre hiernach zu weiten Teilen aus Änderungen der Anteilseignerstrukturen zu erklären. Kaum übersehbar sind die Schübe der Rechtsentwicklung jedoch weniger graduell anpassender Natur und mehr als konkrete Reaktion auf Krisen einzuordnen.86 Die Einführung der Pflichtprüfung nach der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929, die US-amerikanischen Regeln zur informationellen Gleichbehandlung von 2000 nach den vorausgegangenen Missständen bei der Finanzanalyse und ebenso die stärkere Ingriffnahme der Ratingagenturen nach der Finanzmarktkrise 2008, sowohl in den USA als auch in Europa, legen nahe, dass erst „Schockereignisse“ zur Überwindung vorhandener Strukturen führen, die sich (nicht zuletzt) infolge von Einflussnahmen der Interessengruppen verfestigt haben. Die weitere Untersuchung ist vor diesem Hintergrund darauf auszurichten, im geltenden Recht Lücken des Schutzes der kapitalmarktlichen Informationsintegrität aufzuzeigen. Die Überlegungen zur regulatorischen Indienstnahme und zu ihren Grenzen sowie zuletzt die Suche nach den Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation haben gezeigt, dass eine hinreichende Verhaltenssteuerung erst durch ein zusammengesetztes Gefüge mehrerer Regelungsstrategien zu erwarten ist. Aus den bis hierher gesammelten Erkenntnissen ist die private Absprache über die Erbringung der Intermediationsleistung eine wesentliche Ursache für Schutzlücken. Deshalb ist der Blick zunächst auf das Vertragsrecht zu richten, das der Möglichkeit zur Freizeichnung von Pflichten gegenüber nicht an der 84 Zur sich damit verbindenden Rolle der Informationsintermediäre 9. Kapitel: B.I (S. 294) mit Nachw. 85 Zum Ganzen Armour / Enriques / Pargendler / Ringe in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 267, 270. Die hohen Präsenz institutioneller Investoren im Vereinigten Königreich beleuchtet Cheffins Corporate Ownership and Control, 2008, S. 344, 382. 86 Übergreifend Hopt ZHR 175 (2011) 444, 461.

10. Kapitel: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

341

Absprache Beteiligten erwartungsgemäß weiten Raum gibt. Die sodann zu behandelnde Partei- und Dritthaftung engt den Verhaltenskorridor ein, vermag aber nur deutliche Auswüchse von Fehlverhalten zu sanktionieren. Die verbleibenden Schutzlücken sind durch berufsrechtliche und regulatorische Pflichten zu schließen, die auf die Haftungsverantwortung zurückwirken können. Das so zusammengesetzte System rechtlicher Rahmengebung – dies gilt es zu betonen – muss sich dem Wandel der wirtschaftlichen Prozesse stellen. Es wird dazu – auch bei neu aufkommenden Intermediationsleistungen – auf die beschriebenen Grundstrukturen zurückgreifen. Bedeutungszuwächse einzelner (ggf. neuer) Intermediationsformen werden Anlass geben, über Justierungen der vorhandenen Regeln nachzudenken.

Dritter Teil

Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die private Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre des Kapitalmarkts ist auf einen Rechtsrahmen angewiesen, der die Entfaltung des Informationsaustauschs ermöglicht und zugleich Gefahren für die Informationsintegrität unterbindet. Das zuerst zu behandelnde Vertragsrecht bietet Ansatzpunkte hierzu, soweit die Intermediationsleistung auf Grundlage einer Absprache mit dem Emittenten oder mit Investoren erbracht wird. Die sodann zu erörternde Partei- und Dritthaftung setzt Anreize, den Korridor zulässigen Verhaltens nicht zu verlassen. Die zuletzt zu beleuchtenden berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten sind zur gezielten Schließung von Schutzlücken einsetzbar und können auf das Vertrags- und Haftungsrecht zurückwirken.

11. Kapitel

Vertrag 11. Kapitel: Vertrag

Leistungen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation werden überwiegend auf Grundlage einer privaten Absprache und in weitaus geringerer Anzahl ohne eine solche erbracht. Mit der Inanspruchnahme von Intermediationsleistungen verfolgt der Emittent das Ziel, die für eine bestimmte Kapitaleinwerbung oder den fortdauernden Marktverbleib erforderliche Informationssicherheit beim Investorenpublikum herzustellen. Bei freier Informationsintermediation bestimmen allerdings allein die Parteien über das Ob und Wie der Leistung. Auch bei gesetzlich angeordneter Informationsintermediation verbleiben wesentliche Entscheidungen, darunter insbesondere die Vergütungsvereinbarung, bei den Parteien. Diese Verteilung der Entscheidungsrechte ist im Vertragsmechanismus angelegt. Der Vertragsmechanismus ist auf den Interessenausgleich zwischen den beteiligten Parteien, nicht auf die Berücksichtigung des übergreifenden Interesses an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität angelegt. Aus dieser Positionsbeschreibung heraus wird das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen der vertragsautonomen Verwirklichung der Parteiinteressen und der auf Informationsintegrität angewiesenen Marktzugangskontrolle erkennbar.1 Die aus der allein den Vertragsparteien überlassenen Absprache zu erwartenden Friktionen mildern sich durch Absprachegrenzen ab, die entweder zu einem reflexartigen Schutz Dritter führen oder diesen eigene Rechtspositionen gewähren. Ansätze hierfür finden sich bei der Bestimmung der vertragswesentlichen Pflichten und den Grenzen der Freizeichnung von der Verantwortung gegenüber dem Markt,2 der Korrektur eines versagenden Konditionenwettbewerbs bei Verwendung formularmäßiger Nebenabreden3 und schließlich der Eliminierung von marktschädigenden Absprachen.4

A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen Von der privaten Informationsintermediation wird eine auf Marktkräfte bauende Steuerung erwartet, die dem raschen Wandel der Kapitalmarktprozesse ge1 2 3 4

Abschn. A. Abschn. B (S. 358). Abschn. C (S. 380). Abschn. D (S. 392).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

recht zu werden vermag. Diese Erwartung kann nur eine unter ständigem Anpassungs- und Innovationsdruck stehende Informationsintermediation erfüllen. Vermittelt wird dieser Druck über den Vertragsmechanismus, also das AngebotNachfrage-Prinzip.5 Die im vorausgegangenen Kapitel behandelten Regelungskonzeptionen zum Einsatz der privaten Informationsintermediation für die Marktzugangskontrolle sind auf das Angebot-und-Nachfrage-Prinzip angewiesen. Sie müssen die Inanspruchnahme des einzelnen Intermediärs und mit diesem zu treffende Absprache also zumindest im Ausgangspunkt der privatautonomen Entscheidung überlassen.6 Hierin liegen einerseits die Chancen, andererseits aber auch die Gefahren einer privaten Marktzugangskontrolle.7

I. Regelungsprobleme Der Vertragsmechanismus ist Ausgangspunkt und Gestaltungsmotor jeder privaten Ordnung.8 Aus seiner Funktionsweise erschließen sich zugleich die Grenzen seiner ordnenden Wirkung. Dazu zählen vor allem schädliche Drittwirkungen, die infolge einer Rechtsordnungsarbitrage verschärft auftreten können. 1. Vertragsautonomie (Markt statt Regulierung) Die Überlegung, bei der Marktzugangskontrolle auf Marktkräfte statt Regulierung9 zu setzen, gründet auf der Annahme einer Richtigkeitsgewähr privater Absprachen.10 Private Absprachen bilden in ihrer Gesamtheit die Marktkräfte, die vermittelt über eine angebots- und nachfragegesteuerte Marktdisziplin zur Annäherung an eine kollektive Richtigkeitsgewähr beitragen.11 Den zugrunde liegenden Einzelabsprachen kommt allerdings nur unter den Voraussetzungen des Verhandlungsgleichgewichts eine Richtigkeitsgewähr zu.12 Strukturelle Störungen dieses Gleichgewichts führen dazu, dass sich gegenläufige Interessen nicht „abschleifen“13 können, es also nicht zu einer kraft vielzähliger Einzelentscheidungen vermittelten kollektiven Richtigkeitsgewähr kommen kann.14 Abschn. I. Abschn. II (S. 352). 7 Abschn. III (S. 357). 8 Treffend Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 5 ff., 27. 9 Merkt ZGR 2007, 532, 534 mit forschungsprogrammatischen Ansätzen. 10 Schmidt-Rimpler AcP 147 (1941) 130, 149 ff. Wegen Unbestimmtheit des Begriffs der Richtigkeit auch: „Richtigkeitsvermutung“; Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 262. 11 Grundlagen bei Kötz Vertragsrecht, 2. Aufl., 2012, Rn. 24. Zu Marktdisziplin und -stabilität Crocket 26 J. Banking & Fin. 977, 979 ff. (2002). Aus den Zweifelsfragen exemplarisch zur Einlagensicherung Sträter / Thiry / Pfingsten in: FS Rudolph 2009, S. 81, 86 f. 12 BVerfG, Urt. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, Juris-Tz. 54. 13 Habersack Vertragsfreiheit und Drittinteressen, 1992, S. 42 ff., 44. 5 6

11. Kapitel: Vertrag

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Auf das Versagen des Vertragsmechanismus reagiert das Privatrecht mit den in diesem Kapitel näher zu beschreibenden allgemeinen Regelungsinstrumenten. Die Komplexität kapitalmarktlicher Intermediationsleistungen verstellt den Einsatz dieser Instrumente nicht, so dass sich jedenfalls über die Zeit im Wege richterlicher Absprachekontrolle und ohne weitere Regulierungsschritte eine die Informationsintegrität wahrende Informationsintermediation herausbilden könnte.15 Voraussetzung der richterlichen Korrektur ist aber stets die privatautonome Eröffnung des Kontrollprozesses. Dazu kommt es nicht, wenn ein Interesse der verfahrensberechtigten Vertragsparteien fehlt oder den von Intermediationsleistungen betroffenen Dritten keine Verfahrensberechtigung zusteht. Diese beiden Ursachen für das Unterbleiben einer richterlichen Korrektur treten im Zusammenhang mit zu optimistischen Beurteilungen der Intermediäre auf (weniger mit zu pessimistischen):16 Dem Emittenten als Auftraggeber der Leistung fehlt das Interesse an der Korrektur. Der betroffene Investor vermag die richterliche Klärung nur selten anzustoßen, zumal er am Zustandekommen der Absprache mit dem Intermediär nicht unmittelbar beteiligt ist und ihm nur im Ausnahmefall eigene Rechte aus dieser zustehen. Die im Vertragsmechanismus angelegte Steuerungswirkung entfaltet sich unter diesen Bedingungen nur unvollständig. Hieraus erklärt sich die Notwendigkeit von Einschränkungen der Privatautonomie. Maßgeblich berufsrechtliche und regulatorische Vorgaben sind darauf gerichtet, das übergreifende Interesse an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität in die private Intermediationsabsprache einzuführen. Der Grad an verbleibender Privatautonomie wird angesichts des vorhandenen Bestands solcher Regeln in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt. In der Folge ist eine Richtigkeitsgewähr nur noch partiell an die private Absprache zu knüpfen. In größerem Maße hängt sie von der Treffsicherheit der Regelsetzung ab.17 Einschränkungen der privaten „Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht“18 können im Fall systematischer Fehlentwicklungen des Markts für eine Ermöglichung der Privatautonomie stehen.19 Abzuwägen sind solche Maßnah14 Über die Voraussetzungen einer solchen Störung darf gestritten werden. Mit zahlreichen, nach wie vor aktuellen Rechtsprechungsbeispielen zu (vermeintlichen) Störungen der Vertragsparität Zöllner AcP 196 (1996) 1, 24 ff., 26. Anerkannt sind Schwächen infolge von Informationsasymmetrien, die nur zu prohibitiv hohen Kosten überwunden werden könnten. Dazu Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 773 ff. m. w. N. zur rechtsökonomischen Grundlagenforschung. 15 Zum seinerzeit weitestgehend ungeregelten Rating Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 882. 16 Zum Rating Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1079. 17 Zur Folgefrage nach dem Übergang von Rechtsanwendungs- zur Rechtsetzungswissenschaft Fleischer ZGR 2007, 500, 502. 18 So der Titel des Vortrags von Wolfgang Zöllner auf der Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung 1995; AcP 196 (1996) 1. Siehe dort S. 26. 19 Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 799 ff. m. w. N.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

men gegen Einbußen bei der Fähigkeit der privaten Ordnung, von sich aus heilende Marktkräfte herauszubilden. Im Ausgangspunkt muss die Begründungslast für Eingriffe bei ihren Befürwortern liegen.20 2. Grenzen privater Ordnung (Externalitäten) Die Grenzen der privaten Ordnung sind erreicht, wenn der Vertragsmechanismus außerstande ist, einen hinreichenden Funktionsgrad des Markts herzustellen.21 Zwar kommt es kaum je zu einem vollständigen Marktversagen. Infolge von Funktionsbeeinträchtigungen und einem dadurch bedingten Rückgang des Austauschs büßen Märkte aber an Größe ein.22 Das hinreichende Maß des kapitalmarktlichen Austauschs richtet sich nicht zwingend nach dem zum jeweiligen Zeitpunkt größtmöglichen Marktvolumen. Zur Vermeidung von mittelfristigen Systembeeinträchtigungen, darunter auch systematische Beeinträchtigungen der Interessen Dritter, etwa kann durchaus die gesetzgeberische Wahl eines abgesenkten Volumens an Austauschprozessen in Betracht kommen.23 An der Intermediationsabsprache beteiligt sind der Auftraggeber, der eigene Finanzierungs-, Absatz- oder Erwerbsziele verfolgt, sowie der am kommerziellen Absatz seiner Informationsleistung interessierte Intermediär. Von den Wirkungen nicht am Ziel der Informationsintegrität ausgerichteter Absprachen sind Dritte betroffen (negative Externalität).24 Zwischen einerseits außenstehenden Dritten und andererseits Auftraggeber und Intermediär kommt es also zu einem Auseinanderfallen von Risikotragung und -kontrolle.25 Das Verbot des Vertrags zulasten Dritter verhindert zwar die ungewollte Begründung schuldrechtlicher Pflichten des Dritten. Das Auftreten von Verträgen mit faktischen „Lastwirkungen gegenüber Dritten“26 wird dementgegen vorrangig als Aufforderung zur staatlichen Herstellung eines sachgerechten InteressenKötz Vertragsrecht, 2. Aufl., 2012, Rn. 22. Grundlagen bei GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 30. 22 Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 779 ff. 786 zum Versagen des Konditionenwettbewerbs bei formularmäßiger Absprache. 23 In der Regulierungstheorie ist dies erforscht als gesetzgeberische Risikoentscheidung. Einordnend Baldwin in: ders. / Cave / Lodge (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 259, 260. Im Einzelnen 8. Kapitel: A.II.3 (S. 224 ff.). 24 Von einer Drittbegünstigung (positive Externalität) kann trotz fehlender Finanzierungslast der Dritten nicht ausgegangen werden. Für zutreffende verkaufsseitig finanzierte Leistungen kommen die bereits investierten oder die investierenden Erwerber auf. Unzutreffende Informationen beeinträchtigen die (Nicht-)Erwerbsentscheidung der Investoren, die Marktstellung von Mitbewerbern und mittelbar weitere Bezugsgruppen wie die Arbeitnehmer. Grundlagendiskussion bei Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 56. 25 Vergleichbar zu der von Berle / Means The Modern Corporation and Private Property, 1932, 10. Nachdr. 2009, S. 196 ff., 207 beschriebene Trennung von Eigentum und Kontrolle bei Aktiengesellschaften im Streubesitz. 26 Begriffsprägung durch Martens AcP 177 (1977) 113, 164 ff. 20 21

11. Kapitel: Vertrag

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ausgleichs herangezogen.27 Die Parteien sind nach dem Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion nicht zur fortlaufenden Herstellung einer praktischen Konkordanz zwischen Eigen- und Drittinteressen verpflichtet, wären dazu auch gar nicht in der Lage.28 Außerhalb der Fälle gezielter Drittschädigung bleibt es infolgedessen beim Geltungsanspruch der zwischen Auftraggeber und Intermediär getroffenen Absprache. Die Möglichkeiten einer richterlichen Kontrolle von Intermediationsabsprachen sind vor diesem Hintergrund begrenzt. Fehlverstandene Zurückhaltung gegenüber einem echten Missbrauch der Privatautonomie ist der Rechtsprechung kaum nachzusagen. Anders als etwa die Nachsuche zum Zusammenbruch des Neuen Markts Anfang der 2000er-Jahre hat die Bewältigung der Finanzmarktkrise von 2008 allerdings keine die Diskussion um Informationsintermediäre neu ordnenden Judikate deutscher Gerichte hervorgebracht.29 Die richterliche Bewältigung künftiger Missstände bei den vorliegend behandelten – aber möglicherweise auch neu hinzutretenden Formen der Informationsintermediation – wird sich den bekannten Fragen zu stellen haben: Dazu zählen die im Folgenden zu behandelnden Grenzen der Freizeichnung gegenüber dem Auftraggeber, gegebenenfalls mit Rückwirkung auf die Rechte geschützter Dritter, die Selbst- und Drittbindung der Intermediäre sowie die richterlichen Möglichkeiten zur Unterbindung marktschädigender Absprachen.30 3. Freie Rechtswahl (Rechtsordnungsarbitrage) Im Schuldvertragsrecht entscheiden die Parteien grundsätzlich frei über das anwendbare Recht.31 In dieser Freiheit setzt sich die eine offene Wirtschaftsordnung kennzeichnende Privatautonomie internationalprivatrechtlich als Parteiautonomie fort.32 Wählen die Parteien allerdings gezielt eine Rechtsordnung mit insgesamt niedrigerem Niveau der kapitalmarktlichen Informationsintegrität, kann dies unions- und nationalrechtlichen Schutzvorstellungen den Boden entziehen

Zur Einordnung MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 264. Diskussionsstand bei Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 268. Eingehend Katzenstein Haftungsbeschränkungen zugunsten und zulasten Dritter, 2004, S. 31. 28 Zu Recht kritisch gegenüber staatlichen Schutzpflichten im vertraglichen Kontext Zöllner AcP 196 (1996) 1, 11. Überblick bei Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 269 f. 29 Zum Aufkommen der Haftung aus § 826 BGB für missbräuchliche Ad-hoc-Meldungen im Neuen Markt Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 28. 30 Zu Freizeichnungsgrenzen, Selbst- und Drittbindungen sowie zum Umgang mit marktschädigenden Absprachen 11. Kapitel: B.I bis III, D (358, 370, 380, 392). 31 Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO. 32 Basedow The Law of Open Societies, 2015, Rn. 234 ff., 244 (S. 139 ff., 145); ders., RabelsZ 75 (2011) 32 f., 50. 27

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

(Rechtsordnungsarbitrage).33 Mit der Wahl einer Rechtsordnung, die es den am Vertrag beteiligten Parteien erlaubt, sich der Verantwortung gegenüber den von der Informationsleistung letztlich Betroffenen zu entziehen, ist bei sämtlichen hier besprochenen Formen der Informationsintermediation zu rechnen.34 Das tatsächliche Auftreten einer Rechtsordnungsarbitrage mag für den Europäischen Binnenmarkt nicht zweifelsfrei zu belegen sein.35 Rechtspraktisch ist ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Schutzkonzepte angesichts der zunehmend US-amerikanischen Mustern folgenden Vertragsgestaltung zu beobachten.36 Im vorliegend behandelten Zusammenhang steht vor allem die Vertragsgestaltung der in den USA ansässigen großen Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s in der Diskussion. Aus der unangefochtenen Vorrangstellung dieser beiden Agenturen im Markt ist die Rolle des Rechts von New York als globaler Mindeststandard für vertragliche Ratingabsprachen zu erklären.37 Die im Vorfeld der 2008 eskalierten Finanzkrise gesammelten Erfahrungen mit Fehlleistungen der Agenturen und Regulierungslücken des US-amerikanischen Rechts fordern in zweierlei Hinsicht Kritik an dieser Entwicklung heraus: Erstens lässt das US-amerikanische Recht Haftungsfreizeichnungen in deutlich größerem Umfang zu als beispielsweise das deutsche.38 Bei Freizeichnung von jedweder Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstellung einer Bonitätsbeurteilung kann die Absprache mit dem Emittenten keinen zumindest reflexartigen Schutz von Drittbetroffenen oder der kapitalmarktlichen Informationsintegrität hervorbringen.39 Zweitens wurde den Agenturen von US-amerikanischen Gerichten trotz des kommerziellen Angebots professioneller Informationsleistungen unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit vergleichsweise weitreichende Haftungsfreiheit gewährt (1st amendment defense).40

Zum Problem der opportunistischen Rechtswahl (moral hazard) Rühl Statut und Effizienz, 2011, S. 386 ff., 389, zur Beeinträchtigung von Drittinteressen Schäfer / Lantermann in: Basedow / Kono / Rühl (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law, 2006, S. 87, 101. 34 Zu den Anreizstrukturen 8. Kapitel: A.II.1.b (S. 217), zu Reaktionsmöglichkeiten 9. Kapitel: A.II (S. 290) 35 Kieninger Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im europäischen Binnenmarkt, Tübingen 2002, S. 314 ff. 36 Merkt ZHR 171 (2007) 491 ff.; v. Hein Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 63 ff., 639 ff. 37 Schroeter Ratings, 2014, S. 783 ff., 786 ff., 790. 38 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 164. Rechtsvergleichend Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 136. 39 Näher im Zusammenhang mit den Freizeichnungsgrenzen nach deutschem Recht 11. Kapitel: C.IV (S. 388). 40 Schroeter Ratings, 2014, S. 786 ff. Zu neueren Entwicklungen, die den Rückzug auf die Meinungsfreiheit einschränken 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450). 33

11. Kapitel: Vertrag

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In der Sache richtet sich die Kritik an der Dominanz des Rechts von New York gegen eine zu weit gehende Rechtswahlfreiheit. Beobachtungen zur Marktmacht einzelner Anbieter oder zur tatsächlichen Vorrangstellung einzelner Rechtsordnungen bei der Standardbildung sind für sich genommen jedoch keine tragfähigen Gründe für Einschränkungen der Privatautonomie. Ohne freie Rechtswahl wären Leistungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation nur nach einer nicht begrenzbaren Vielzahl nationaler Rechte zu erbringen. Die Rechtswahlfreiheit ermöglicht also eine länder- und rechtsordnungsunabhängige Standardisierung von Beurteilungen. Daraus ergeben sich Kostenvorteile für die Informationsversorgung des Markts.41 Grenzen werden der Rechtswahl schon innerhalb des komplexen Zusammenspiels kollisionsrechtlicher Normen gesetzt. Zu denken ist unter anderem an Eingriffsnormen i. S. d. Art. 9 Rom I-VO (bzw. Art. 16 Rom II-VO) und an die Durchsetzung einzelner nationaler Schutzvorstellungen auf Ebene des ordre public nach Art. 21 Rom I-VO (bzw. Art. 26 Rom II-VO).42 Diese Grenzen wirken sich maßgeblich bei der im nächsten Kapital erörterten Haftung aus und werden dort besprochen.43 Der für eine Arbitrage bestehende Freiraum wird darüberhinaus und mit aller Voraussicht nach größerer Breitenwirkung durch Konvergenzbewegungen bei den berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten begrenzt. Diese Pflichten sind in Reaktion auf Krisen, zuletzt die Finanzkrise von 2008, sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union verschärft worden.44 Soweit ersichtlich, werden Abschlussprüfungen in der Regel nach nationalem Recht erbracht, schon um die Verwendbarkeit der Prüfung für die Zwecke der §§ 316 ff. HGB nicht zu gefährden.45 Die Pflichten der Ratingagenturen und Finanzanalysten unterliegen einer Regulierung, deren Ziele sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union mit Mitteln der Finanzaufsicht durchzusetzen sind. Insgesamt gehen die Gefahren für die kapitalmarktliche Informationsintegrität infolge dieser Entwicklungen zurück. Eine Rechtswahl, die allein den Parteiinteressen, nicht aber den Interessen von Markt und Dritten Rechnung trägt, wird sich heute vornehmlich bei den (noch) nicht regulierten Intermediationsleistungen auswirken.

41 Abwägend Schäfer / Lantermann in: Basedow / Kono / Rühl (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law, 2006, S. 87, 101. 42 Übergreifend zur Einschränkung der Rechtswahlfreiheit aus Gründen des Drittschutzes Rühl Statut und Effizienz, 2011, S. 443 ff., 468. 43 Weitere Grenzen werden der Rechtswahl gesetzt durch Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO (Geltung zwingender Rechtsvorschriften bei Inlands- und Unionssachverhalten) und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO (Verbraucherverträge). 44 Im Einzelnen 5. Kapitel: A.III.2 (S. 69); 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 45 Ebke ZVglRWiss 109 (2010) 397, 410 ff.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

II. Regelungsbestand Mit einer auf den Vertragsmechanismus gestützten privaten Marktzugangskontrolle verbinden sich nach bisher Gesagtem Stärken, aber auch Schwächen. Näher zu erfassen sind die damit zusammenhängenden Rechtsfragen aus der Vergewisserung der für das Zustandekommen der Absprache geltenden Regeln und ihrer vertragstypologischen Einordnung. 1. Abschlussprüfung Der Abschlussprüfer wird nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 4, 124 Abs. 3 Satz 1 AktG auf Vorschlag des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung der prüfungspflichtigen Gesellschaft bestellt. Für die Erteilung des Prüfungsvertrags, in dem die Vergütung und gegebenenfalls über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Prüfungsleistungen bzw. -schwerpunkte vereinbart werden, ist nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG der Aufsichtsrat zuständig.46 Mit der Zuständigkeit verbindet sich die Befugnis, die Gesellschaft abweichend von § 78 AktG auch rechtsgeschäftlich gegenüber dem Prüfer zu vertreten.47 Der mit dem Abschlussprüfer geschlossene Vertrag wird als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB mit überwiegend werkvertraglichen Elementen eingeordnet.48 Allgemein handelt es sich bei der Geschäftsbesorgung um eine zumindest im überwiegenden Fremdinteresse erbrachte Leistung. Zu erklären ist die Einordnung des Prüfungsvertrags als eine im Fremdinteresse erbrachte Leistung (am ehesten) aus der an den Emittenten gerichteten Pflicht zur Einholung des Testats nach den §§ 316 ff. HGB.49 Der Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfung kann nicht eingeschränkt, wohl aber erweitert werden. Sonstige gutachterliche Leistungen des Wirtschaftsprüfers werden als werkvertraglich i. S. d. § 631 ff. BGB, also als im Eigeninteresse erbrachte Bewertungsleistungen eingeordnet. Schon die unterschiedlichen Zuordnungen von Pflichtprüfung und sonstigen Leistungen werfen erste Zweifel an der Erklärungskraft von Eigen- und Fremdinteresse für die Einordnung von Intermediationsabsprachen auf. Bei der Abschlussprüfung wirken sich diese Zweifel angesichts der Detailschärfe gelten-

46 Zur inhaltlichen Mitgestaltung(-spflicht) des Aufsichtsrats GroßKommAktG4-Hopt /  Roth § 111 Rn. 467 f. 47 GroßKommAktG4-Hopt / Roth § 111 Rn. 461; HüfferAktG12-Koch § 111 Rn. 28. 48 GroßKommAktG4-Hopt / Roth § 111 Rn. 453 m. w. N. Siehe auch Sandleben /  Zitzelsberger in: Schüppen / Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Hdb. Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, § 19 Rn. 19. Nur vereinzelt werden dienstvertragliche Elemente bejaht; Baumbach /  HueckGmbHG17-Schulze-Osterloh § 41 Rn. 65. 49 Sandleben / Zitzelsberger in: Schüppen / Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Hdb. Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, § 19 Rn. 20; GroßKommAktG4-Hopt / Roth § 111 Rn. 453 f.

11. Kapitel: Vertrag

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der handels- bzw. berufsrechtlicher Pflichten kaum aus.50 Im Vorgriff auf den späteren Vergleich mit anderen Intermediationsleistungen ist allerdings anzumerken, dass auch der gesetzliche Abschlussprüfer eine als wirtschaftliches „Produkt“ einzuordnende Leistung erbringt. Die Mandatseinwerbung hängt nicht zuletzt vom Angebot eines kompetitiven Prüfungspreises ab. Die Prüfung ist mit anderen Leistungen der Informationsintermediation insoweit strukturell vergleichbar, als auch vom Abschlussprüfer eigenständige Entscheidungen über die erforderliche Informationssammlung und Auswertung zu treffen sind. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat er innerhalb der gesetzlichen Mindestanforderungen Prüfungsschwerpunkte zu setzen und sich auf Grundlage der Prüfungsergebnisse eine „Meinung“ über die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung zu bilden. Dabei wird er eigenverantwortlich tätig, kann sich also ebenso wenig wie andere Informationsintermediäre auf eine mechanische Regelbefolgung zurückziehen.51 2. Bonitätsrating Die Mehrzahl der im Markt verfügbaren Bonitätsratings geht auf eine Veranlassung durch die Emittenten zurück. Vertreten wird die Aktiengesellschaft nach allgemeiner Regel gemäß § 78 Abs. 1 AktG durch den Vorstand. Anders als bei der Abschlussprüfung ist eine Teilhabe des Aufsichtsrats nicht vorgesehen. Die theoretisch mögliche Bindung an einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats i. S. d. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist nicht üblich und wenig praktikabel, wenn ad hoc über die Einholung einer Bonitätsbeurteilung zu entscheiden ist.52 Zur vertragstypologischen Einordnung werden alle in Betracht kommenden Möglichkeiten erwogen:53 Trotz der von § 607 BGB abweichenden Entgeltlichkeit wird zumeist untechnisch von einem Auftrag gesprochen. Die überwiegend vertretene Einordnung als (entgeltlicher) Werkvertrag54 i. S. d. § 631 BGB wird in Zweifel gezogen, wenn dem Auftraggeber nach dem Ratingvertrag das Recht versagt ist, 50 Deshalb Betonung der Prägung durch HGB, WPO und AAB-WP GroßKommAktG4Hopt / Roth § 111 Rn. 453. 51 Der Aufsichtsrat kann nur die darüber hinausgehenden Schwerpunkte (mit-)gestalten; GroßKommAktG4-Hopt / Roth § 111 Rn. 467 f. 52 Zu den gleichwohl bestehenden Möglichkeiten verbesserter Aufsichtsratsüberwachung 13. Kapitel: C.II.1.a (S. 700 ff., 703). 53 Eingehende Darstellungen des Meinungsspektrums bei Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 44; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 135 ff. Siehe auch Arntz BKR 2012, 89, 90 ff. 54 Statt vieler Habersack ZHR 169 (2005) 185, 203; Krämer in: Hadding u. a. (Hrsg.), Internes und externes Rating, 2004, S. 12; Vetter WM 2004, 1701, 1705. Zu den sich daraus ergebenden Gewährleistungsrechten Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 46 ff.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

die Veröffentlichung zu unterbinden.55 Als Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB lässt sich die Absprache über die Erstellung eines Ratings auch bei Vereinbarung der periodischen Überprüfung der Bewertung nicht einordnen, weil es nicht auf die Prüfung als solche, sondern die Beibehaltung oder Anpassung der Bonitätsbeurteilung, also einen Erfolg ankommt. 56 Die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. d. § 675 BGB soll am Fehlen einer überwiegenden Fremdnützigkeit scheitern, weil die Agentur ihre Interessen gerade nicht denen des Auftraggebers hintanstellt und dem Auftraggeber zudem die Weisungsberechtigung fehlt.57 Der praktische Nutzen der ausufernden Diskussion um die Rechtsnatur des vom Emittenten beauftragten Ratings wird zu Recht als gering eingeschätzt.58 Den schuldrechtlichen Typen wird man die Elastizität für die Aufnahme moderner Vertragsformen zwar nicht von vornherein absprechen müssen.59 Die nur selten öffentlich zugänglichen Ratingverträge60 können aber durchaus voneinander abweichen und sind zudem überwiegend durch ein Formularrecht USamerikanischer Prägung gekennzeichnet.61 Die damit unweigerlich verbundenen Typenabweichungen sollen durch die Annahme eines atypischen Vertragsverhältnisses i. S. d. § 311 BGB, dieses allerdings mit überwiegenden werkvertraglichen Elementen, aufgefangen werden können.62 Von größerem Interesse als die Fortsetzung der Diskussion um die Rechtsnatur sind die in den verschiedenen Stellungnahmen zum Ausdruck kommenden Wahrnehmungen zu Funktion und Rolle des Ratings. Eine Nähe zu nicht gesetzlich angeordneten Leistungen der Wirtschaftsprüfer ist zu erkennen, wenn das Rating als gutachterliche Leistung eingeordnet wird (deshalb Werkvertrag).63 Deipenbrock BB 2003, 1849, 1851; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 880; Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 78. Allerdings ist der Entzug des Rechts zur Unterbindung der Veröffentlichung wohl nicht der Regelfall. Zu üblichen Gestaltungen 11. Kapitel: B.I.3.a (S. 368). 56 Zur Diskussion dienstvertraglicher Elemente auf dem Bankrechtstag 2004 Voges / Rehberg WM 2004, 1605, 1606. 57 Anders v. Schweinitz WM 2008, 953, 956, der nur eine Vergütung nach Abschluss der Geschäftsbesorgung (§ 614 Satz 1 BGB) als mit der Unabhängigkeit der Ratingagentur vereinbar erachtet. Mit der Annahme der Vergütungsfälligkeit des Werks nach Vollendung (§ 646 BGB) sind allerdings vergleichbare Ergebnisse zu erzielen; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 135 ff., 143. 58 Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 880; Schroeter Ratings, 2014, S. 792 ff. 59 In diese Richtung aber Schroeter Ratings, 2014, S. 792. 60 Vertragsmuster bei Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 186 ff. 61 Meyer Rechtsfragen des externen Ratings, 2006, S. 75. 62 Siehe bereits Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 7. Aus jüngerer Zeit Schroeter Ratings, 2014, S. 793; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 146 jeweils m. w. N. 63 Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 880 („Ratinggutachten“); Vetter WM 2004, 1701, 1705. 55

11. Kapitel: Vertrag

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Anders als bei der ebenfalls vom Emittenten beauftragten und genauso wie das Rating im Zeichen eigener wirtschaftlicher Interessen erbrachten Abschlussprüfung wird jedoch eine im überwiegenden Interesse des Emittenten stehende Leistung verneint (deshalb kein Geschäftsbesorgungsvertrag).64 Regulatorische Inbezugnahmen und damit zur Abschlussprüfung vergleichbare gesetzliche Zwänge zur Einholung der Bonitätsbeurteilung fließen in diese Überlegungen nicht ein, ebenso wenig wie die auch außerhalb solcher Anordnungen bestehenden faktischen Abhängigkeiten der Emittenten und Investoren von Bonitätsbewertungen. In der Außerachtlassung dieser Zwänge ist eine Ursache für Forderungen nach einem durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG (bzw. durch das US-amerikanische 1st Amendment) geprägten Schutz der Ratingagenturen vor richterlicher Kontrolle zu sehen.65 Aus dem vertragstypologischen Abgleich mit der Wirtschafts- und besonders der Abschlussprüfung sind die insoweit maßgeblichen Abwägungen kaum zu treffen. Von einem gegenüber sonstigen professionellen Informationsdienstleistern weitreichenderen Schutz der Ratingagenturen vor richterlicher Kontrolle auszugehen erscheint aber kaum geboten. Für Ratingabonnements gerät die Börsendienst-Rechtsprechung66 des BGH aus dem Jahr 1978 in den Blick. Danach sind Bezugsverträge zu Finanzinformationen kaufvertraglich einzuordnen, wenn die Übernahme einer entgeltlichen Beratungspflicht auszuschließen ist. Für die entscheidungsgegenständlichen Finanzanalysen nahm der BGH eine Beratungspflicht i. S. d. § 675 BGB (§ 676 BGB a. F.), also eine Geschäftsbesorgung an.67 Die Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Rating wird mit der Begründung abgelehnt, Bonitätsbeurteilungen würden von den Agenturen unter ausdrücklichem Hinweis auf den fehlenden Empfehlungscharakter erbracht.68 Gemessen an der offensichtlichen Bedeutung von Bonitätsbeurteilungen für die Investitionsentscheidung des Anlegers kann dies kaum überzeugen.69 Gleichwohl muss sich die vertragsrechtliche Beurteilung – außerhalb bestehender berufsrechtlicher oder regulatorischer Vorgaben – nach den für private Absprachen geltenden Regeln richten. Von anlegerschützenden Wirkungen ist dementsprechend wie bei der Wirtschaftsprüfung nur unter den für eine solche Pflichtenbegründung in Betracht kommenden Umständen auszugehen.

Nachw. Fn. 57. Dazu 11. Kapitel: B.I.2.b (S. 364 f.). 66 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356. Näher im hier Folgenden sowie im nächsten Abschnitt. 67 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 13. 68 Vetter WM 2004, 1701, 1708. 69 Zu Recht kritisch Habersack ZHR 169 (2005) 185, 205. 64 65

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

3. Finanzanalyse Die Finanzanalyse ist zumeist nur bei spezifischen Transaktionen Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Emittenten (deal related analysis). Die Mehrzahl der Finanzanalysen wird von den Forschungsabteilungen der Finanzinstitute zur Unterstützung des eigenen Absatzgeschäfts (sell-side analysis) erstellt. Hinzu kommen wie beim Rating Abonnementverträge, im Rahmen derer die Beurteilungen entgeltlich dem Kreis beauftragender Anleger zur Verfügung gestellt werden (buy side analysis). Die typologische Einordnung des Analysevertrags wird (außerhalb der anders gelagerten Fälle einer Inbezugnahme der Empfehlung bei der Anlageberatung)70 letztlich nur für die im Abonnement erbrachten Analysen diskutiert. Der herkömmlichen Einordnung als kaufrechtlicher Leistung trat der BGH in der bereits angesprochenen Börsendienst-Entscheidung von 1978 entgegen und nahm einen typengemischten Vertrag an. Den im Abonnement enthaltenen Empfehlungen wurde nicht Kauf-, sondern Geschäftsbesorgungscharakter zugemessen.71 Der BGH erkannte, dass im Abonnement erbrachte Finanzanalysen für den Investor nach ihrer Übermittlung „alsbald […] weitgehend wertlos sind“.72 Diese Zeitgebundenheit unterscheide Analystenempfehlungen von längerfristig verwendbaren Anleitungen zur Erstellung rechtlich relevanter Dokumente, die eine auf gewisse Dauer angelegte Beschaffenheit i. S. d. § 434 BGB aufweisen und eine kaufrechtliche Einordnung nahelegen.73 Der Einordnung als Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB wird das Fehlen einer persönlichen Beziehung entgegenhalten. In Übereinstimmung mit der Börsendienst-Rechtsprechung geht auch die Literatur von einem typengemischten Vertrag mit Elementen aus Dienstund Geschäftsbesorgungsvertrag aus. In Fortführung des oben beim Rating begonnenen vertragstypologischen Abgleichs ist zunächst festzustellen, dass der Finanzanalyse der Charakter einer überwiegend fremdnützigen Leistung zugeschrieben wird. Wie die Abschlussprüfung wird sie als Geschäftsbesorgung eingeordnet. Anders als beim Rating wird keine Parallele zur gutachterlichen Leistungen gezogen (deshalb kein Werkvertrag). 70 In den in Betracht kommenden Konstellationen geht es vornehmlich um die Haftung bei unentgeltlicher Weitergabe der Analyse im Rahmen der Anlageberatung. Dazu Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 266. Übergreifend Veil Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2014, S. 539. 71 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 13. Insoweit zustimmend Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 23. 72 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, 359, JurisTz. 12. 73 Zustimmend Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 23; Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 266. Beide auch zu den folgenden Aspekten.

11. Kapitel: Vertrag

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III. Strukturfragen Der Vertrag über Leistungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation lässt sich nach Stand der Diskussion kaum zweifelsfrei einem schuldrechtlichen Typus zuordnen. Nach allen näher erwogenen Einordnungen – Werk-, Dienst-, Geschäftsbesorgungsvertrag – ist der Intermediär aber zur ordnungsgemäßen Leistungserstellung verpflichtet. Die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der jeweiligen Intermediationsleistung sind in Bezug auf die Abschlussprüfung kaum, wohl aber in Bezug auf das Bonitätsrating ebenso umstritten wie die vertragstypologische Einordnung. Bei der Finanzanalyse stellt sich die Frage ebenfalls, ist aber angesichts der vergleichsweise geringeren Bedeutung der privatrechtlichen Haftung nicht von vergleichbarer Bedeutung. Auf Regeln zur Bestimmbarkeit der Ordnungsmäßigkeit sind Überlegungen zu einer auf vertraglich initiierte Intermediationsleistungen gestützten Marktzugangskontrolle maßgeblich aus zwei Gründen angewiesen: Erstens ist die Bestimmbarkeit der Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit für die Durchsetzungsmöglichkeiten des Auftraggebers entscheidend. Anreize zur gerichtlichen Geltendmachung von Intermediationsfehlern mögen, soweit es den beauftragenden Emittenten anbelangt, nur bei zu negativen Bewertungen bestehen. Zur richterlichen Klärung der allgemeinen Anforderungen an die Informationsintermediation kann auch die Reklamation einer solchen Negativbeurteilung beitragen. Soweit die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit etwa von Ratings – wie vielerorts zu Unrecht bezweifelt – bestimmbar sind, kommt es für die Chancen auf richterliche Klärung des Pflichtenbestands entscheidend darauf an, ob dem Auftraggeber Möglichkeiten zur „lautlosen“ Unterbindung nicht genehmer Beurteilungen zur Verfügung stehen. Zweitens richten sich auch die Möglichkeiten der Drittbetroffenen zur Geltendmachung von Fehlern nach der Bestimmbarkeit der Ordnungsmäßigkeit. Wird die Bestimmbarkeit etwa aus Gründen der Meinungs- und Prognosefreiheit vollständig abgelehnt, ist eine richterliche Klärung nicht zu erwarten. Die Bestimmbarkeit des Pflichtenprogramms erweist sich damit als Grundsatzfrage der Sicherstellung kapitalmarktlicher Informationsintegrität durch das Vertragsrecht. Insoweit geraten auch Selbstbindungen der Informationsintermediäre und allgemein-privatrechtlich angelegten Pflichten zur Auflösung von Konflikten zwischen den Interessen einerseits des Auftraggebers und andererseits des von der Information betroffenen Dritten in den Blick. Zu verdeutlichen sind Funktionsschwächen an der Einbindung von Intermediärleistungen in Zinsänderungsklauseln und Nachbesicherungspflichten sowie, übergreifender, dem formularmäßigen Ausschluss von Drittinteressen. Übrig bleiben die allgemeinen Grenzen der Privatautonomie, also das Verbot sittenwidriger und unlauterer Absprachen sowie der Verabredung einer marktmanipulativen Leistung.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

B. Intermediationsabsprache Im Ausgangspunkt sind die Parteien frei, Inhalt und Anforderungen an die Intermediationsleistung zu bestimmen. Auf Kapitalmarktprodukte bezogene Intermediationsabsprachen können ihren Zweck aber nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Das legt die Vermutung fester Eckpunkte des Pflichtenprogramms im insgesamt unbestimmten Leitbild des Intermediationsvertrags nahe.74 Hinzu treten vom Intermediär selbst gesetzte Pflichten mit im Einzelnen unbestimmten Bindungswirkungen.75 Denkbar sind Einflüsse von Drittinteressen auf das Pflichtenprogramm.76

I. Pflichtenprogramm Das vertragliche Pflichtenprogramm wird zumeist einseitig vom Intermediär im Wege eines gestellten Klauselwerks vorgegeben. Die dabei entscheidenden Freizeichnungsgrenzen bestimmen sich nach den §§ 305 ff. BGB, richten sich also nach dem (unbestimmten) Leitbild des Vertrags. 1. Vertragswesentliche Pflichten (Freizeichnungsgrenzen) Vertragswesentliche Pflichten (Kardinalpflichten)77 i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind „wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben“. Durch formularmäßige Bestimmungen dürfen sie nicht auf eine Art und Weise eingeschränkt werden, infolge derer „die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist“. Für die Abschlussprüfung besteht insoweit angesichts der gesetzlichen Auftragsbeschreibung und berufsständischen Pflichtenausformung kaum Klärungsbedarf. Eine ausgreifende Diskussion ist demgegenüber in Bezug auf das Bonitätsrating entbrannt. Anlass hierfür geben die in den AGB der führenden Agenturen zu findenden Beschreibungen ihrer Leistungen als (bloße) Meinung, Verwendungsverbote gegenüber Dritten sowie vor allem die umfassenden Haftungsfreizeichnungen gegenüber dem Auftraggeber (und auch gegenüber Dritten).78 Ob hierin eine Gefährdung des Vertragszwecks zu sehen ist, richtet sich nach dem Leitbild des Vertrags, das angesichts der beschriebenen Zuordnungsprobleme nur aus Üblichkeiten der Praxis und regelmäßigen Erwartungen der Parteien herzuleiten ist. Abschn. I. Abschn. II (S. 370). 76 Abschn. III (S. 375). 77 Zu Schwächen des von der Rechtsprechung immer seltener verwendeten Begriffs der Kardinalpflichten StaudingerBGB2013-Coester § 307 Rn. 276. 78 Dazu Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 883. Mit Abdruck eines von Moody’s verwendeten Haftungsausschlusses Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1076. 74 75

11. Kapitel: Vertrag

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a. Leistungsumfang Zum Leistungsumfang des Bonitätsratings zählt in aller Regel ein die Tatsachen analytisch anordnender Bericht und abschließend die bewertende Bonitätsnote. Den für die Ratingagentur erkennbaren Erwartungen des Auftraggebers entspricht allein eine professionelle Berichts- und Beurteilungsleistung nach Maßgabe marktüblicher Standards. Über das damit verbundene Pflichtenprogramm besteht bislang keine Einigkeit. Noch auf dem 64. Deutschen Juristentag von 2002 war die Diskussion um die Pflichten der Ratingagenturen durch das Fehlen regulatorischer Vorgaben geprägt.79 Auf die sodann durch die EG-RatingVO von 2009 geregelten Pflichten kann außerhalb ihres Geltungsbereichs allerdings nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden. Aufsichtsrechtliche Vorgaben, die umstrittenermaßen nicht bei fehlender Unterwerfung (Registrierung) gelten, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in die Absprache hineinzulesen, kommt nur bei Übereinstimmung mit der Parteierwartung in Betracht.80 Überlegungen, in der Nichtunterwerfung der Ratingagentur unter aufsichtsrechtliche Pflichten ein widersprüchliches Verhalten zu erkennen, erscheinen zu weitgehend, schon weil das Recht sowohl die regulierte als auch die nichtregulierte Informationsintermediation zulässt.81 Gleichwohl können berufsrechtliche und regulatorische Pflichten auf die Absprache zurückwirken. Voraussetzungen sind aber erstens die Verfestigung als marktüblicher Standard und zweitens der fehlende Ausschluss ihrer Bindungswirkung. In der Literatur finden sich Versuche einer Herausbildung von „Kernpflichten“ bei der Erstellung einer Bonitätsbeurteilung, die sich zumindest in Teilen von den genannten Geltungsvoraussetzungen lösen wollen:82 Genannt werden Rechtzeitigkeit, Unabhängigkeit und Neutralität, also Erhebung und Auswertung der Daten allein zu fachlichen Zwecken. Statt (der nicht feststellbaren) objektiven Richtigkeit wird eine vertretbare Ableitung des Bonitätsurteils unter Zugrundelegung eines wirtschaftswissenschaftlich fundierten Ratingverfahrens gefordert. Außerdem wird die Vertraulichkeit genannt, die sich, wie zu zeigen, mit den genannten Kriterien im Zielkonflikt befinden kann.83 Den so umschriebenen Kernpflichten werden sich die verwendeten Klauselwerke allerdings schon aus Eigeninteresse der Ratingagentur nicht entgegenstellen. Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F133 ff. In diese Richtung Kübler in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 1996, S. 115, 131. Siehe auch Arendts WM 1993, 229, 230. 81 Ansätze aber bei Blaurock ZGR 2007, 603, 627 f.; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 890; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 31 Rn. 65. Siehe noch im folgenden Abschnitt. 82 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 130 ff. Ähnlich Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 48. 83 Näher zu den Konfliktlagen 11. Kapitel: B.I.3 (S. 368). 79 80

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Erst die dort regelmäßig vorzufindende Freizeichnung von jedweder Haftungsverantwortung für Verstöße gegen die letztlich selbstverständlichen Pflichten wirft die Frage nach einer unangemessenen Einschränkung von Kardinalpflichten auf. b. Umfassende Haftungsfreizeichnung In der US-amerikanischem Ratingpraxis sind vollständige Haftungsfreizeichnungen üblich. Nach deutschem Recht entfaltet ein Ausschluss der Haftung für vorsätzliches Verhalten wegen § 276 Abs. 3 BGB keine Wirkung. Bei formularmäßiger Bestimmung kommt – jedenfalls gegenüber einem Verbraucher – wegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB keine Begrenzung, geschweige denn ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit in Betracht. Für den unternehmerischen Verkehr ist weitgehend anerkannt, dass eine formularmäßige und umfassend gestaltete Haftungsfreizeichnung wegen Außerkraftsetzung der Kardinalpflichten im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unangemessen und deshalb unwirksam ist.84 Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion kommt auch keine Aufrechterhaltung nach Maßgabe des gerade noch zulässigen Freizeichnungsumfangs in Betracht.85 Von der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung können sich die Intermediäre also nicht durch eine entsprechende Formulierung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen befreien.86 Dem lässt sich für das Bonitätsrating (umstrittenermaßen) nicht entgegenhalten, dass sich die Agenturen nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich auf die Abgabe einer Meinung verpflichten wollen.87 Auch durch die üblichen Hinweise darauf, dass das Rating nicht Grundlage einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung sein dürfe, wird das schützenswerte Vertrauen auf eine ordnungsgemäß erstellte Leistung nicht zerstört. Der (zutreffende) Hinweis auf den mangelnden Empfehlungscharakter grenzt das Rating zwar von der Finanzanalyse und der Anlageberatung ab. Hiervon bleibt die (berechtigte) Erwartung einer ordnungsgemäßen Leistung jedoch 84 Arntz BKR 2012, 89, 93; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 51; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 204; Vetter WM 2004, 1701, 1707; Krämer in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S. 3, 20 f.; Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 85 ff.; Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 138 ff., 141. Zurückhaltender Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 10 f. Ablehnend Schroeter Ratings, 2014, S. 813 ff. 85 Statt vieler Bork Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl., 2016, Rn. 1786. Abweichend aber zur Zinsanpassung BGH, Urt. v. 6.3.1986 – III ZR 195/84, BGHZ 97, 212, 216, Juris-Tz. 26. Zweifel am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion deshalb bei Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl., 2012, Rn. 282; MünchKommBGB7-Basedow § 306 Rn. 16. Für Differenzierungen (in vorliegend aber nicht gegebenen) Graubereichen Leyens /  Schäfer AcP 210 (2010) 771, 799 ff., 801. 86 Zum Ganzen StaudingerBGB2013-Coester § 307 Rn. 160, 275. 87 Statt vieler Vetter WM 2004, 1701, 1710.

11. Kapitel: Vertrag

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unberührt. Nach allseits erkennbarem Entscheidungsablauf kommt der Bonitätsbeurteilung eine Bedeutung zu, die kaum unterhalb (eher oberhalb) der einer Finanzanalyse einzuordnen ist. Von der Ratingagentur wäre die Bonitätsbeurteilung ohne Verpflichtung auf eine ordnungsgemäße Erstellung aller Voraussicht nach schlichtweg nicht absetzbar. Durch die Verwendung eines Klauselwerks, das die Agentur von der Verpflichtung auf eine im beschriebenen Sinne erwartungsgemäße und verkehrsübliche Leistung freistellt, setzt sie sich in erkennbaren Widerspruch zur wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Leistung. Erst insoweit kommt eine Nichtbeachtung gegenteiliger Klauselgestaltungen unter dem Gesichtspunkten der widersprüchlichen Leistungsbeschreibung in Betracht (protestatio facto contraria non valet).88 Zu denken ist auch an ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) mit der Konsequenz, dass eine nachträgliche Berufung auf die Freizeichnung versagt ist.89 c. Grobe Fahrlässigkeit als faktischer Sorgfaltsmaßstab Während die umfassende Haftungsfreizeichnung durch allgemeine Geschäftsbedingungen aus den genannten Gründen unwirksam ist, kann die Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit wirksam sein. Der Haftungswille ist nicht Teil der Verpflichtung, sondern Rechtsfolgenfrage. Es ist deshalb zwischen einem den Vertragszweck gefährdenden Pflichtenausschluss und der Angemessenheit einer (bloßen) Haftungsfreizeichnung zu unterscheiden.90 Allerdings kann nach der Rechtsprechung bereits einer Gefährdung des Vertragszecks i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gegeben sein, wenn eine Pflicht übernommen wird, ihre Verletzung aber sanktionslos gestellt wird.91 Die Anforderungen an die Wahrung des Vertragszwecks werden nicht einheitlich beurteilt, sondern richten sich nach der Art der übernommenen Verpflichtung. Besonders strenge Maßstäbe werden an die von Vertretern freier Berufe wie den Wirtschaftsprüfern verwendeten Klauselwerke angelegt: Von der Nichtigkeit ist bereits auszugehen, wenn das Klauselwerk hinter denjenigen gesetzlichen Regelungen zurückbleibt, die als Mindeststandard ordnungsgemäßer Berufsausübung aufzufassen sind. Dieser Mindeststandard wird schon durch einen vollständigen Insoweit zutreffend Blaurock ZGR 2007, 603, 627 f.; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 890; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 31 Rn. 65. 89 Anwendungsbereich und Folgen sind weitestgehend Einzelfalljudikatur. Überblick bei MünchKommBGB7-Schubert § 242 Rn. 309 ff. 90 StaudingerBGB2013-Coester § 307 Rn. 276. 91 BGH, Beschl. v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, BGHZ 149, 89, Juris-Tz. 22 (Wohnraummiete; Freizeichnung unzulässig bei mangelnder Versicherbarkeit); BGH, Urt. v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, WM 2001, 134, Juris-Tz. 25 (Auskunftsvertrag „ohne Obligo“ unzulässig). 88

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Ausschluss der Haftung nach kurzem Fristablauf unterschritten.92 Gemessen werden Abweichungen insbesondere an einschlägigen Standesrichtlinien.93 Auf Ratingagenturen sind diese Anforderungen nicht ohne Weiteres übertragbar.94 Eine den verkammerten Berufen und ihren Standesrechten vergleichbare Verfestigung des Pflichtenprogramms wird bislang auch nicht durch Regelwerke von Fachverbänden wie der DVFA oder des BdRA geleistet. Es bleibt deshalb bei der allgemeinen Regel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach der es auf eine wertende Betrachtung ankommt, sofern es sich nicht um einen Verbrauchervertrag handelt, bei dem die Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB verstieße. Dabei fallen die Gefahr hoher und disproportional zur Vergütung der Ratingagentur stehender Schadensersatzforderungen sowie das Fehlen einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung ins Gewicht. Gegenüber dem Auftraggeber wird die nach § 276 Abs. 3 BGB einzig zulässige Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit kaum von vornherein als unangemessen erachtet werden können.95 De lege ferenda wurde für die kapitalmarktliche Sekundärhaftung eine allgemeine Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit erwogen.96 Nach §§ 37b Abs. 2, 37c Abs. 2 WpHG gilt sie für die Haftung wegen fehlerhaften oder unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen. Für die zu regulatorischen Zwecken einsetzbaren Bonitätsbeurteilungen sieht Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO i. d. F. 2013 die Absenkung des Haftungsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit vor. Für nicht der EG-RatingVO unterfallende Bonitätsbeurteilungen, Finanzanalysen und ähnliche Leistungen der Informationsintermediation könnte sich die Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit zumindest der Sache nach bereits aus dem zurückgenommenen richterlichen Kontrollmaßstab für Prognoseleistungen ergeben. Wie im folgenden Abschnitt darzulegen, können nicht lediglich als beschreibend einzuordnende Leistungen letztlich nur an der Vertretbarkeit der gewählten Verfahren und Ergebnisse gemessen werden. Dies kommt dem Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit nahe, auch ohne dass eine dahingehende gesetzliche Regelung getroffen wäre.97 92 BGH, Urt. v. 22.2.1979 – VII ZR 256/77, BGHZ 73, 363, Juris-Tz. 32 (Steuerberater); OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2009 – I-24 U 27/08, WM 2009, 1907, Juris-Tz. 37 (Wirtschaftsprüfer). Näher MünchKommBGB7-Wurmnest § 307 Rn. 128. 93 OLG Hamburg, Urt. v. 12.7.1967 – 5 U 59/67, NJW 1968, 302, 303 (Haftungsausschluss eines Steuerbevollmächtigten für Fahrlässigkeit grundsätzlich unwirksam), dazu Bunte NJW 1981, 2657, 2658. Zum Ganzen MünchKommBGB7-Wurmnest § 307 Rn. 38. 94 Anders statt vieler Habersack ZHR 169 (2005) 185, 205: Ausschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit als unzulässige Außerkraftsetzung der Kardinalpflichten. 95 Zu den Folgen für die Rechte Dritter 11. Kapitel: C.IV.2 (S. 389). 96 Zum verworfenen KapInhaG-E, abgedr. in NZG 2004, 104, noch 12. Kapitel: A.I.1 (S. 408 ff.). Eingehend zum Haftungsmaßstab Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 460 ff. Wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 709. 97 So v. Schweinitz WM 2008, 953, 954.

11. Kapitel: Vertrag

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2. Sorgfalt (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung) Die Bestimmung der verkehrsüblichen Sorgfalt erlangt über die Klauselkontrolle und die Haftung hinaus bei der Frage Bedeutung, ob der Vertragspartner im Falle der Verknüpfung seiner Pflichten mit den Ergebnissen der Informationsintermediation nach §§ 317 ff. BGB analog gebunden ist.98 Rechtspraktisch spielt dies vor allem bei den noch zu besprechenden Zinsbestimmungen nach Maßgabe von Bonitätsbeurteilungen eine Rolle.99 Während die Bindungswirkung nach § 319 Abs. 1 BGB analog (erst) bei Unbilligkeit der Beurteilung an ihre Wirksamkeitsgrenzen stößt, gilt für die vertragliche Haftung nach § 280 BGB grundsätzlich der Maßstab einfacher Fahrlässigkeit. In beiden Konstellationen kommt es auf die sachgerechte Bestimmung der verkehrsüblichen Sorgfalt an, die bei probabilistischen Intermediäraussagen Besonderheiten aufweist. a. Verkehrsübliche Sorgfalt Nach Auffassung des Berufsstands sind die Sorgfaltsanforderungen des Abschlussprüfers bei Befolgung der detaillierten Prüfungsgrundsätze des IDW jedenfalls in der Regel gewahrt.100 Demgegenüber bestehen erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Anforderungen an Bonitätsratings und Finanzanalysen. Häufig wird versucht, die Sorgfaltspflichten durch Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und -bewertung fassbarer zu machen.101 Für den beschreibenden Teil, also den Rating- oder Finanzanalysebericht, ist dies weiterführend. Zweifelsfrei besteht eine Pflicht zur fehlerfreien Wiedergabe tatsächlicher Umstände. Schon die Auswahl der zugrunde gelegten Informationen ist aber durch Wertungen geprägt, die maßgeblich durch die verwendete Rating- oder Finanzanalysemethode vorbestimmt sind. Es handelt sich nicht um eine Sonderfrage zu Rating oder Finanzanalyse. Auch der Abschlussprüfer hat die Prüfungsschwerpunkte eigenverantwortlich zu bestimmen. Er trifft also ebenfalls eine Informationsauswahl, die sich auf seine Beurteilung der Rechnungslegung als ordnungsgemäß auswirkt. Der Kern des Problems betrifft infolgedessen sämtliche Leistungen der Informationsintermediation. Für alle diese Leistungen gilt, dass die wertende Informationssammlung und -auswertung den Kategorien „richtig“ und „falsch“ nur eingeschränkt zugänglich ist.102 Hieraus erwuchs eine kontrovers geführte Debatte um die Bestimmbarkeit der Sorgfaltspflichten von Ratingagenturen. Im Hintergrund steht die von USZur analogen Anwendung Habersack ZHR 169 (2005) 185, 208 f. Zu den Grenzen der formularmäßigen Zulässigkeit 11. Kapitel: C.II (S. 383 ff.). 100 Im Einzelnen zur Abschlussprüferhaftung 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445) und zur Methodenverantwortung der Intermediäre 13. Kapitel: A.III.1.b (S. 583). 101 Zu Ansatzpunkten und Diskussionsstand Schroeter Ratings, 2014, S. 795 ff. 102 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 200; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 880 f. 98 99

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

amerikanischen Gerichten häufig betonte Meinungsfreiheit der Agenturen (1st Amendment defence). Mit dem Widerstreit zwischen der Verantwortung für die kapitalmarktliche Informationsintegrität und der Meinungsfreiheit privater Informationsanbieter ringt auch das Unionsrecht: Einerseits sind Ratings „anders als Anlageanalysen keine bloßen Meinungen über den Wert oder den Preis eines Finanzinstruments oder einer finanziellen Verbindlichkeit“.103 Andererseits ordnet Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO i. d. F. von 2013 an: „Bei der Abgabe von Ratings und Ratingausblicken weist die Ratingagentur darauf hin, dass es sich bei den abgegebenen Ratings um ihre Meinung handelt, auf die nur in begrenztem Umfang Verlass ist.“ Dem vergleichbar sind in Finanzanalysen nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 ähnlich wie nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FinAnV eine Zusammenfassung aller Bewertungsgrundlagen oder Methoden bzw. die wesentlichen Grundlagen und Maßstäbe eigener „Werturteile“ anzugeben. Für die Bestimmung der richterlichen Kontrolldichte bei wertenden Aussagen ist aus solchen, zumeist untechnischen Formulierungen wenig zu gewinnen. b. Neutralität, Sachkunde und Objektivität Das KG Berlin maß die Pflichten von Ratingagenturen in seiner Entscheidung zum Fall Scope Rating von 2006 an den Kriterien der Neutralität, Sachkunde und Objektivität.104 Diese Kriterien verwendet der BGH seit 1975 in ständiger Rechtsprechung105 zu Waren- und Leistungstests, die nicht zu Werbezwecken erfolgen (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung).106 Das OLG Frankfurt hatte hieran bereits in seiner Entscheidung zum Fall Finanztest von 2002 für die Beurteilung von Finanzanalysen anknüpft.107 Die in umfangreicher Literatur erörterte Bedeutung der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung liegt in der Unterwerfung der „in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens“108 geprägten Werturteile unter ein nicht ergebnisbezo103 Erwägungsgrund 8 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO (Kursivdruck hinzugefügt). 104 KG, Urt. v. 12.5.2006 – 9 U 127/05 (Scope Rating), WM 2006, 1432, Juris-Tz. 29. 105 Vorausgegangen BGH, Urt. v. 18.19.1966 – VI ZR 29/65 (Warentest I), VersR 1966, 1189. Sodann Ausformung durch BGH, Urt. v. 9.12.1975 – VI ZR 157/73 (Warentest II), BGHZ 65, 325, 328, 334 f.; BGH, Urt. v. 3.12.1985 – VI ZR 160/84 (Warentest III), WM 1986, 373; BGH, Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 144/86 (Warentest IV), NJW 1987, 2222; BGH, Urt. v. 21.2.1989 – VI ZR 18/88 (Warentest V), NJW 1989, 1923. Darauf folgend etwa BGH, Urt. v. 17.6.1997 – VI ZR 114/96, NJW 1997, 2593 (dazu noch Fn. 109). 106 Dazu statt vieler MünchKommBGB7-Wagner § 823 Rn. 342. 107 OLG Frankfurt, Urt. v. 25.4.2002 – 16 U 136/01 (Finanztest), NJW-RR 2002, 1697, Juris-Tz. 40 ff. 108 BGH, Urt. v. 25.3.1997 – VI ZR 102/96, NJW 1997, 2513, Juris-Tz. 16. Gleichlautend die Grundsatzentscheidung des BVerfG, Urt. v. 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1, Juris-Tz. 16.

11. Kapitel: Vertrag

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genes, sondern prozedurales Pflichtenprogramm. Die richterliche Prüfung ist danach auf die Vertretbarkeit von Methode und Ergebnis beschränkt.109 Bekannt ist diese Zurücknahme des Kontrollmaßstabs aus der seit 1959 vom BVerwG vertretenen Rechtsprechung zu Entscheidungen bei (Ausbildungs-) Prüfungen, im Rahmen derer es auf situationsbezogene Wahrnehmungen im nicht wiederholbaren Beurteilungskontext ankommt.110 Aufgenommen wurde seinerzeit die von Otto Bachof111 im Jahr 1955 entwickelte Lehre vom Beurteilungsspielraum, infolge derer die frühere Annahme eines Tatbestandsermessens der Verwaltung zu verwerfen war. In Bezug auf Prüfungsentscheidungen engten allerdings zwei Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahr 1991 den Raum gerichtsfreier Beurteilungen der Verwaltung ein: Nur die prüfungsspezifische Entscheidung wurde als der richterlichen Kontrolle unzugänglich erachtet, in Bezug auf die Vertretbarkeit des Ergebnisses aber die volle gerichtliche Nachprüfbarkeit angenommen.112 Vergleichbare Judikate finden sich zu behördlichen Prognoseund Risikoentscheidungen.113 Nach überwiegender Auffassung ist die diese Grundgedanken aufnehmende Stiftung-Warentest-Rechtsprechung des BGH auf die richterliche Prüfung von Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen übertragbar.114 Dem hält Ulrich G. Schroeter die Meinungsfreiheit der privaten Agenturen aus Art. 5 Abs. 1 GG entgegen:115 Vergleichbarkeit zur Stiftung Warentest bestehe nur insoweit, als dass die Bewertung durch eine vom Anbieter unabhängige Institution vorgenommen wird. Anders als die Stiftung Warentest stünden Ratingagenturen aber 109 Es kommt darauf an, dass „die dem Bericht zugrunde liegenden Untersuchungen neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sind und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen“; BGH, Urt. v. 17.6.1997 – VI ZR 114/96, NJW 1997, 2593, JurisTz. 10. 110 BVerwG, Urt. v. 24.4.1959 – VII C 104.58, BVerwGE 8, 272. BVerwG, Urt. v. 6.11.1959 – VII C 136.59, BVerwGE 9, 306, Juris-Tz. 20. Zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Nachweise Fn. 112. Für die Übertragbarkeit v. Schweinitz WM 2008, 953, 954. 111 Bachof JZ 1955, 97, 100. 112 BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, BVerfGE 84, 34, Juris-Tz. 50 ff., 59 (Verstoß berufsbezogener Prüfungsverfahren gegen Art. 12 Abs. 1 GG); BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84, BVerfGE 84, 59, Juris-Tz. 63, 73 (Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG bei mangelnder gerichtlicher Kontrolle). 113 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 – 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40, JurisTz. 54 zur Überprüfbarkeit von Prognoseentscheidungen. 114 So mit Stand der Diskussion zum Rating MünchKommBGB7-Wagner § 823 Rn. 350, § 826 Rn. 139 ff. Siehe weiter Blaurock ZGR 2007, 603, 631; Haar ZBB 2009, 177, 184; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 201; Krämer in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S. 3, 15; Vetter WM 2004, 1701, 1704 f.; Witte / Hrubesch ZIP 2004, 1346, 1350. Zu den vergleichbaren Pflichten der Finanzanalysten Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F129; Spindler DStR 2002, 1576, 1581. 115 Schroeter Ratings, 2014, S. 749.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

nicht unter öffentlicher Trägerschaft, so dass ihnen ein höheres Maß an Grundrechtsschutz zukommen müsse. Wegen Art. 5 GG seien private Institutionen nicht pauschal zur Äußerung nur sachkundiger, objektiver und neutraler Meinungen zu verpflichten, weil auch subjektive und einseitige Stellungnahmen dem grundrechtlichen Schutz unterfielen. Für die gewinnorientiert erbrachten und mit erheblicher wirtschaftlicher Breitenwirkung versehenen Beurteilungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation können diese Argumente nicht überzeugen. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken aus allgemeinen Gesetzen. Die Meinungsfreiheit besteht also nur im Wechselspiel mit dem Schutz anderer Gemeinschaftsgüter.116 Schon deshalb ist es dem Gesetzgeber nicht untersagt, etwa im Zeichen der Sicherstellung eines funktionierenden privaten Austauschs Anforderungen an die Nutzung eines etablierten kapitalmarktlichen Informationskanals wie dem des Bonitätsratings zu stellen. Dahingehende allgemeine gesetzgeberische Entscheidungen finden sich insbesondere in den Möglichkeiten der richterlichen Kontrolle vertraglicher Absprachen etwa nach §§ 280, 305 ff., 317 ff., 823 ff. BGB. Die Meinungsfreiheit wirkt auf die richterliche Kontrolle anerkanntermaßen zurück, ist aber in ein Abwägungssystem eingebunden und nicht einseitig zugunsten kommerzieller Informationsanbieter gewährleistet. Im Ergebnis dürften die unterschiedlichen Auffassungen zum Umfang der Sorgfaltspflichten von Ratingagenturen eng beieinander liegen: Allgemein anerkannt sind Pflichten in Bezug auf die ordnungsgemäße (also richterlich nachprüfbare) Datenermittlung und -auswertung.117 Selbst bei stärkerer Betonung der Meinungsfreiheit der privaten Agenturen wird davon ausgegangen, dass zur Erbringung einer ordnungsgemäßen Leistung nicht gegen subjektive Überzeugungen verstoßen werden darf.118 Gleiches muss vom Beurteilenden also gleich behandelt werden. Hierin liegt implizit die Anerkennung einer Vergleichbarkeit von Bonitätsbeurteilungen derselben Agentur. Bewertungen anderer Agenturen können (und sollen gegebenenfalls) davon abweichen. Auch besteht Raum für eine freie Methoden- und Kriterienauswahl. Entscheidend ist, dass dieser Raum durch die Maßgabe der Vertretbarkeit eingegrenzt wird.119 Die Seitengrenzen sind über Sachverständigengutachten, also die Dabei handelt es sich um Gesetze, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“; BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 (Lüth), BVerfGE 7, 198, JurisTz. 35. Zum Ganzen Maunz / DürigKommGG68-Grabenwarter Art. 5 Rn. 122. 117 So auch Schroeter Ratings, 2014, S. 755. 118 Schroeter Ratings, 2014, S. 756 leitet diese Pflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB ab. 119 Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 880. 116

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Einholung von Expertenmeinungen insbesondere anderer Ratingagenturen (peers) zu ermitteln.120 Dass die Agenturen nicht in der Lage wären, die Mindestanforderungen an ein vertretbares („ordnungsmäßiges“) Bewertungsverfahren zu beschreiben, ist nicht ernsthaft zu behaupten.121 Zu betonen bleibt, dass die Stiftung-Warentest-Rechtsprechung gerade keine ergebnisbezogene Kontrolle zulässt und je nach den Umständen im Einzelfall der Vertretbarkeitsbeurteilung auch einen breiten Korridor gewähren kann. Zukunftsbezogenen Aussagen zu Emittenten oder zu deren Finanzprodukten ist im Vergleich zu Waren- und Leistungstests nicht per se ein (größerer) Bereich gerichtsfreier Beurteilung zuzuerkennen. Zweifelsohne weisen Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen einen höheren Komplexitätsgrad auf als Produkttests zu Gebrauchsgütern des täglichen Lebens. Wie für hochkomplexe Produkte, z. B. Geräte der Medizintechnik, müssen der Vertretbarkeit der Bewertung aber auch im finanzmarktlichen Kontext richterliche Grenzen gezogen werden dürfen. Die Alternative wäre ein quasi rechtsfreier Raum, der sonst nur für künstlerische Leistungen i. S. d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eröffnet ist. Dies entspräche weder den im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden Interessen der Vertragsparteien noch der Verantwortung des jeweils befassten Gerichts für die Durchsetzung des Inhalts einer von beiden Seiten mit Blick auf geschäftliche Erfolge vereinbarten Intermediationsleistung. c. Bestimmbarkeit Besonders bei neuen Leistungsangeboten fehlen anfänglich Vorstellungen von der verkehrsüblichen Sorgfalt. Bestimmbarkeitslücken schließen sich aber über die Zeit. Dabei wirken konkrete regulatorische Einzelvorgaben auf die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe zurück.122 Die führenden Ratingagenturen sind infolge ihrer Registrierung ohnehin den Vorgaben der EG-RatingVO unterworfen. Das Verhalten registrierter und großer Marktteilnehmer bietet eine Annäherung an die Pflichtenbestimmung. Auf diese Weise werden die Vorgaben der EG-RatingVO in die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit auch der nicht von ihr erfassten Leistungen einfließen (spill over).123 Für die nicht registrierten Agenturen hat die ESMA Anfang 2017 Grundsätze zur Anleitung der Überprüfung bei Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit verwendeter Methoden veröffent-

Anders Schroeter Ratings, 2014, S. 750, der meint, schon der Begriff der Vertretbarkeit passe nicht, weil Prognosen die Zukunft betreffen und diese immer diskutabel sei. 121 Zutreffend FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 24, der eine Plausibilitätskontrolle durch Sachverständige für möglich hält. 122 Zur Wirkungsweise von rules und standards Kaplow 42 Duke L.J. 557 (1992). Näher hierzu 10. Kapitel: B.I (S. 323). 123 Übergreifend Köndgen AcP 206 (2006) 477, 520. Beispiele bei Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 272. 120

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

licht.124 Festzuhalten ist, dass die Markterwartungen an die Neutralität, Sachkunde und Objektivität von Ratingagenturen jedenfalls heute nicht mehr völlig unkonturiert sind und zunehmend weiter bestimmbar werden.125 Im Ergebnis sind also durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Beleg eines Sorgfaltspflichtverstoßes oder auch der offenbaren Unbilligkeit einer Anpassung von Leistungspflichten nach § 319 Abs. 1 BGB analog auf die mangelnde Ordnungsmäßigkeit von Bonitätsbeurteilungen zu stützen sind. Von einer offenbaren Unbilligkeit wird ausgegangen, wenn die Beurteilung auf unzureichender Informationsgrundlage erstellt oder durch einen nicht unwesentlichen Interessenkonflikt beeinflusst wurde.126 Anhaltspunkte hierfür können bestehen, wenn geprüfte Bilanzen nicht berücksichtigt oder die Bewertung nicht durch ein Kollegium von Ratinganalysten abgesichert wurde.127 Der Beleg der Branchenüblichkeit einzelner Verfahrensschritte bei der Ratingerstellung wird, wenn nicht auf Grundlage aufsichtsbehördlicher Vorgaben, durch Befragung von Sachverständigen gelingen können.128 3. Treue (insbesondere Vertraulichkeit) Die vertragliche Absprache begründet Interessenwahrungspflichten des Intermediärs gegenüber dem Auftraggeber. Daraus können eigene Konflikte mit dem Interesse an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität entstehen. Ein offenkundiger Widerspruch besteht zwischen der für die Interessenwahrung integralen Pflicht des Intermediärs zur Vertraulichkeit und der für eine private Marktzugangskontrolle zentralen Forderung nach Weitergabe auch von Negativbewertungen. a. Vertraulichkeit als Korrelat des Auftraggebervertrauens Die Vertraulichkeit des Intermediärs ist Korrelat des Auftraggebervertrauens.129 Ohne dieses Vertrauen ist eine – auch aus Marktsicht vorteilhafte – Informationsintermediation auf Grundlage nichtöffentlicher Informationen über den Emittenten nicht denkbar. Der Abschlussprüfer kommt in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags mit hochsensiblen Unternehmensinformationen in Berührung und kann seine Informationsbasis nach § 320 HGB durch Auskunftsverlangen gegenüber der Geschäftsleitung gezielt ausbauen. Deshalb sieht § 323 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 3 HGB haftungsbewehrte Pflichten zur Verschwiegenheit ESMA, Guidelines on the validation and review of Credit Rating Agencies’ methodologies, ESMA 2016/1575, 23.03.2017, S. 3 zum Anwendungsbereich. 125 OLG Frankfurt, Urt. v. 7.4.2015, 24 U 82/14. 126 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 209. 127 Zu diesem Beispiel v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. Übergreifend Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 883. 128 FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 24. 129 So zum Abschlussprüfer MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 57. 124

11. Kapitel: Vertrag

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und das Verbot der Informationsverwertung außerhalb des Auftrags vor. Infolge der korporationsrechtlichen Stellung des Prüfers gelten diese Pflichten selbst im Fall der Unwirksamkeit des Prüfungsvertrags.130 Für Ratingagenturen und Finanzanalysten ergeben sich vergleichbare Vertraulichkeitsanforderungen als (vor-)vertragliche Nebenpflicht i. S. d. § 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.131 b. Vertraulichkeit und marktliche Informationserwartung Bei Abschlussprüfung und Finanzanalyse finden sich gesetzgeberische Wertungen, denen zufolge das öffentliche Interesse an der integren Marktinformation höher gewichtet wird als das Vertraulichkeitsinteresse des Auftraggebers. Die Offenlegung des Prüfungsergebnisses ist verpflichtend angeordnet. Nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB gilt dies selbst bei einer Entscheidung des Prüfers zur Versagung des Bestätigungsvermerks. Einen strengeren Ansatz wählt § 5a Abs. 2 Nr. 4 FinAnV für die von Wertpapierhandelsunternehmen angebotenen Finanzanalysen. Danach gilt das Verbot, dem Emittenten Entwürfe, die einen (gegebenenfalls ungünstigen) Zielpreis enthalten, vor der Veröffentlichung zugänglich zu machen. Für vertragliche Absprachen zur Unterbindung der Veröffentlichung negativer Ergebnisse bleibt infolgedessen wie bei der Abschlussprüfung kein Raum. Allerdings gilt das Verbot nur für Wertpapierhandelsunternehmen und nicht für andere Ersteller von Finanzanalysen.132 Entsprechende Vorgaben zum Rating fehlen. Die Ratingverträge sind nicht einheitlich gestaltet. Vereinzelt sollen die allgemeinen Geschäftsbedingungen eine ergebnisunabhängige Veröffentlichungsmöglichkeit der Agentur vorsehen.133 Dem Auftraggeber wird dadurch seine nach allgemeiner Regel bestehende Verfügungsberechtigung über die Leistung entzogen. In der Literatur wird Emittenten deshalb verständlicherweise empfohlen, auf ein Widerspruchsrecht zu bestehen.134 Zumeist soll es im Ergebnis bei der Verfügungsgewalt des Auftraggebers über die Bonitätsbeurteilung bis zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung 130 GroßKommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 7. Im Ergebnis auch Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 304. 131 Siehe auch Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, Mai 2015, Ziff. 3.11 IOSCO (non-selective disclosure or distribution of information). 132 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 91 ff., 171. 133 Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. Acct. 1367, 1373 (2002); Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 78, 188 mit Abdruck eines von Moody’s vorformulierten Ratingantrags. 134 Zur Berechtigung des Auftraggebers, die Veröffentlichung zu unterbinden, siehe Seibt in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 191, 203; Schroeter Ratings, 2014, S. 759 ff. m. w. N. Anders Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 8; wohl auch Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 79 und Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 143 f.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

bleiben. Bei Nichtgefallen des Ratingergebnisses kann der Emittent die Veröffentlichung also in der Regel unterbinden. Die meist vertraglich weiter ausgestaltete Pflicht zur (Teil-)Vergütung der Agentur (cancellation fee) wird ihn kaum davon abhalten. c. Interessenwahrung und Marktzugangskontrolle Die Möglichkeit, schlechte Nachrichten zu unterbinden, steht dem Ziel der Informationsintegrität diametral entgegen. Umgekehrt würde eine unbedingte Veröffentlichungspflicht die Möglichkeiten zur vertraulichen Informationseinholung verstellen. Insbesondere im Vorfeld größerer Transaktionen ist ohne einen solchen vertraulichen Informationsaustausch nicht auszukommen. Über die möglichen Vorteile einer regulatorischen Pflicht zur Offenlegung der Ergebnisse von Bonitätsbeurteilungen, die mit dem Ziel der öffentlichen Verbreitung angefragt wurden, ist noch nachzudenken.135

II. Selbstbindung Informationsleistungen sind in höherem Maße auf das Vertrauen der potentiellen Abnehmer angewiesen als Verträge über den Austausch physischer Produkte, deren Qualität zumindest über die Zeit erfahrbar wird.136 Eine Vergewisserung der Qualität der Information ist nur im Nachhinein möglich, kommt also zu spät. Vor diesem Hintergrund kann ein Interesse der Informationsintermediäre daran bestehen, sich bei fehlender Regulierung oder auch über diese hinaus zur Einhaltung selbstgesetzter Wohlverhaltensanforderungen zu verpflichten. Aus Sicht der privaten Marktzugangskontrolle kommt solchen Selbstbindungen maßgeblich aus zwei Gründen eine kaum unterschätzbare Funktion zu: Zum einen werden äußerlich beobachtbare Marktstandards gesetzt. Dies trägt zur Schließung der Bestimmbarkeitslücken etwa in Bezug auf die verkehrsübliche Sorgfalt bei. Zum anderen stärken die Pflichtenkataloge in ihrer Gesamtheit die Marktdisziplin. Sie schaffen damit eine über den auf bilateralen Interessenausgleich zugeschnittenen Vertragsmechanismus hinausreichende Kollektivierung der Anbieterinteressen. Dadurch wird nicht zuletzt Gefahren eines aus Beobachtungslücken resultierenden Verschlechterungswettbewerbs entgegengewirkt.137

Zur unbedingten Veröffentlichungspflicht 13. Kapitel: A.III.3.b (S. 592). Plastisch Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F23: gehandelt werden „diskontierte Hoffnungen und abgezinste Geldversprechen“. Zu den ökonomischen Grundlagen oben 6. Kapitel: A.I, II (S. 148 ff., 152). 137 Im Zusammenhang 11. Kapitel: A.I.1 (S. 346 ff.). 135 136

11. Kapitel: Vertrag

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1. Private Wohlverhaltensregeln (codes of conduct) Die Vielfalt an Katalogen untergesetzlicher Wohlverhaltenspflichten (codes of conduct) kann gerade im Zusammenhang mit kapitalmarktbezogenen Informationsleistungen kaum verwundern.138 Zahlreiche private Kodexwerke sind allerdings in (zumeist verschärfenden) Gesetzesregeln aufgegangen. Darin muss kein Versagen der privaten Selbstregulierung gesehen werden. Zum einen kann Regulierungswissen anfänglich fehlen und erst durch das Aufkommen privater Kodexwerke geordneten Bahnen zugeführt sein. Zum anderen können sich die Werturteile des Gesetzgebers über den Grad des tolerierbaren Risikos insbesondere im Nachgang zu Krisen ändern und eine insgesamt erhöhte Risikovermeidung fordern.139 Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich die Bedeutung selbstgesetzter Pflichten im einzelnen Segment der Informationsintermediation maßgeblich nach dem Grad der jeweils erreichten Verfestigung berufsrechtlicher und regulatorischer Pflichten. Die einschlägigen Kodexregeln für Wirtschaftsprüfer, wie der Verhaltenskodex der IFAC140 oder die Ethikgrundsätze einzelner Prüfungsgesellschaften,141 sind gemessen an der Darlegung der Berufsauffassung durch das IDW eher als Programmsätze einzuordnen.142 Die Prüfungsstandards und -hinweise des IDW sind allerdings weder Gesetz noch Gewohnheitsrecht.143 Sie dienen der Anordnung von Prüfungshandlungen, die nach übereinstimmender Auffassung des Berufsstands in der Regel vorzunehmen sind. Als Normen des Vereinsinnenrechts kommt ihnen keine abschließende Bindungswirkung bei der Ausübung der Prüfertätigkeit zu.144 Mit der verbandsrechtlichen Geltung der Prüfungsstandards verbindet sich eine gewisse Verbindlichkeit im Außenverhältnis. Die verbandsrechtliche Geltung der Grundsätze ergibt sich aus der Satzung des IDW, die den Berufsträger auf die Einhaltung der Standards verpflichtet. Die Satzung des IDW und Informationen über den Mitgliederbestand sind öffentlich zugänglich.145 Allerdings stellt jeder Überblick bei Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 123 ff. (Wirtschaftsprüfung), S. 112 (Rating), S. 109, 252 (Finanzanalyse), S. 104 ff., 117 ff. (weitere Beispiele aus dem Bank- und Kapitalmarktrecht). 139 Ebenfalls zurückhaltend Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 243. 140 Deutschsprachige Fassung abrufbar bei der Wirtschaftsprüferkammer; www.wpk.de. 141 Z. B. Price Waterhouse Coopers, Die Ethikgrundsätze von PwC Deutschland, Das Richtige tun, Stand: März 2017, www.pwc.de. 142 Im Überblick Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 124, 284. 143 GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand Vor § 316 Rn. 15, § 323 Rn. 13. Näher Windbichler in: Möllers (Hrsg.), Geltung und Faktizität von Standards, 2009, S. 19, 23 ff. 144 Mattheus in: FS Röhricht 2005, S. 897, 909. Demgegenüber ordnet Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 221 f. die IDW-Standards als antizipierte Sachverständigengutachten ein. 145 Siehe www.idw.de. 138

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

einzelne Prüfungsstandard die Pflicht zu seiner Einhaltung unter den Vorbehalt der Eigenverantwortlichkeit des Prüfers. Bei Abschluss eines Prüfungsvertrags kann demgemäß erwartet werden, dass der Prüfer in Kenntnis der berufsständischen Auffassung handelt und sich im Zweifel nach dieser richtet. Zugleich muss erwartet werden, dass er sich, wo geboten, auch eigenverantwortlich über einen Prüfungsstandard hinwegsetzt. Von dem Nachweis der Befolgung gesetzlicher Sorgfaltspflichten befreit die Befolgung der Prüfungsstandards nicht. Selbst bei ihrer Beachtung kann sich der Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens also auf einen mangelnden eigenverantwortlichen Umgang mit den Vorgaben stützen.146 Für Ratingagenturen lag mit dem IOSCO-Kodex seit 2004 ein Regelwerk vor, zu dessen Einhaltung sich die großen Agenturen, häufig im Wege der Veröffentlichung eines weitgehend entsprechenden Hauskodexes, verpflichteten.147 Außerhalb der Pflichten nach der EG-RatingVO und für die nicht von dieser erfassten Ratingagenturen beansprucht der Kodex weiterhin Geltung. Er stellt aber eher weitgefasste Prinzipien auf, die nur eingeschränkt geeignet sind, einzelne Verfahrenspflichten zu begründen.148 Ähnlich zu beurteilen waren die von der IOSCO bereits im Jahr 2003 für Finanzanalysten veröffentlichten Richtlinien für den sachgerechten Umgang mit Interessenkonflikten der Finanzanalysten.149 Sie sind weitgehend in der MiFID von 2004, ihren Durchführungsund Umsetzungsmaßnahmen aufgegangen.150 Sowohl für Ratingagenturen als auch Finanzanalysten gelten darüber hinaus Empfehlungswerke privater Fachverbände wie der DVFA, auf deren Rolle noch einzugehen ist.151 Die dort zu findenden Verhaltensvorgaben sind wenig konturiert, werden aber gleichwohl von manchen als überobligatorisch und nicht als allgemeine Pflichtengrundlage eingeordnet.152 2. Bindungswirkung (Vertragsmechanismus) Bei einem untergesetzlichen Kodexwerk handelt es sich entweder um ein allein privat gesetztes Regelwerk oder, je nach Mitwirkung staatlicher Stellen, um ein hybrid hoheitlich-privates Konstrukt. Gemeinsam ist den facettenreichen Formen Zur Eigenverantwortlichkeit 13. Kapitel: B.II.1 (S. 626). Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 247; Schroeter Ratings, 2014, S. 808. 148 Schroeter Ratings, 2014, S. 809. 149 IOSCO, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, 25.9.2003. 150 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 13. 151 Dazu 13. Kapitel: A.I.2.b, c (S. 567 ff., 569). 152 Zu Finanzanalysten Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 252; Meyer AG 2003, 610, 621. Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 149. 146 147

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das Fehlen eines staatlichen Befolgungsbefehls.153 Bindungswirkung können Kodexwerke infolgedessen nur unter den für die private Pflichtenbegründung geltenden Regeln entfalten.154 In Betracht kommt insbesondere eine Einbeziehung in den Vertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.155 Eine Geltung als sozialtypische oder reziproke Pflicht ohne Vertrag ist hingegen ausgeschlossen, weil dadurch gesetzlich vorgegebene Bindungsregeln umgangen würden.156 Neben der vertraglichen Einbeziehung kommt der richterliche Rückgriff auf untergesetzliche Regeln im Wege der Auslegung von Generalklauseln in Betracht (mittelbare Wirkung). Generalklauseln wie insbesondere § 276 BGB oder § 93 AktG wird eine sogenannte Inklusionsfunktion zugeschrieben.157 Kodexregeln können infolgedessen auch unterhalb der Schwelle zum Handelsbrauch i. S. d. § 346 HGB und in die Auslegung von Verhaltensvorgaben einfließen.158 Zum Gegenstand originär eigener vertraglicher Pflichten (konstitutive Wirkung) werden die über gesetzliche Anforderungen hinausreichenden Wohlverhaltenspflichten aber nur nach den allgemeinen Regeln von Angebot und Annahme. Hierfür muss nach §§ 133, 157 BGB aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Erklärungsempfängers davon ausgegangen werden dürfen, dass sich der Intermediär zur Befolgung verpflichten wollte.159 Ein dahingehender Rechtsbindungswille ist unzweifelhaft bei einem den Vertragsschluss begleitenden ausdrücklichen Befolgungshinweis anzunehmen, aber auch dann, wenn der Erklärungsempfänger für den Erklärenden erkennbar auf die Befolgung vertraut oder vertrauen darf.160 Letzteres ist der Fall, wenn der Intermediär beispielsweise auf seiner Internetseite die Befolgung des Kodexes angibt oder auf der Internetseite des Fachverbands (zutreffend)161 als ein Mitglied geführt wird, das sich den Verbandsregeln unterworfen hat.162 Teilweise bestehen dahinge-

Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 42. Eingehend Augsberg Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 278. 154 Zu den Bindungsmustern Leyens AcP 215 (2015) 611, 621 ff., 631. 155 Schroeter Ratings, 2014, S. 801. 156 Ansätze aber bei Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 102, 418 ff., 421. Wie hier Weller Die Vertragstreue, 2009, S. 193 ff. Näher noch 11. Kapitel: B.III.1 (S. 376) im Zusammenhang mit der Drittbindung des Intermediärs. 157 Ansätze unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssitte bereits bei RG, Urt. v. 16.10.1903 – VII 228/03, RGZ 55, 375, 377. Bestandsaufnahme bei Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 273 m. w. N. Eingehend Augsberg Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 173. 158 Dazu Bachmann Private Ordnung, 2006, S. 341 ff. 159 Allgemein MünchKommBGB7-Busche § 133 Rn. 28 mit Nachw. zur Rechtsprechung. Zum fließenden Übergang von Vertrag und Norm Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 256. Am Beispiel der Ratingagenturen Schroeter Ratings, 2014, S. 801 ff., 808. 160 Leyens AcP 215 (2015) 611, 621 ff. mit Differenzierung nach Bindungsmustern. 161 Sonst nur Rechtsschein denkbar. 153

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

hende gesetzliche Offenlegungspflichten.163 Ob der Erklärungsempfänger von der Unterwerfung unter die Wohlverhaltensregeln oder von deren Inhalt tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist zwar aus rechtsgeschäftlicher Sicht bedeutsam, wird aber jedenfalls im Prozess kaum je eine Rolle spielen. Im Vertragsweg begründete Befolgungspflichten sind Unterwerfung unter dieses Kodexwerk gegenüber diesem Vertragspartner. Die Unterwerfung verpflichtet im Rahmen der Durchführung des einzelnen Geschäfts zur Befolgung des Kodexwerks. Hierin liegt ein Unterschied zu dem in § 161 AktG verwendeten Regelungsmodell Befolge oder Begründe (comply or explain).164 Vorstand und Aufsichtsrat haben danach jährlich eine Entsprechenserklärung zum DCGK abzugeben. Ohne unterjährige Korrektur sind die Organe an die abgegebene Erklärung gebunden (Selbstbindung auf Widerruf).165 Wie spätestens die Rechtsprechung des BGH zum Fall Kirch/Deutsche Bank166 von 2009 zeigt, ist eine Aktualisierungserklärung zur Vermeidung von Risiken der aktienrechtlichen Beschlussanfechtung dringend geboten.167 Die Möglichkeit zur fortlaufenden Prüfung der Opportunität der Befolgung besteht in Bezug auf die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, weil es sich um Kapitalmarktpublizität und nicht um einen Vertrag mit dem Anlegerpublikum handelt. Sie besteht umgekehrt nicht, wenn wie bei der beauftragten Informationsintermediation ein Vertrag mit einem einzelnen Auftraggeber geschlossen wird. Praktische Unterschiede zwischen vertraglicher Inbezugnahme von Wohlverhaltensregeln und den der Kapitalmarktpublizität zuzuordnenden Erklärungspflichten ergeben sich etwa in Bezug auf die von Ratingagenturen gegenüber dem CESR eingegangene Verpflichtung einzelner, vor allem der führenden Ratingagenturen, jährlich die Befolgung des IOSCO Code of Conduct Fundamentals mitzuteilen. Während eine Abstandnahme von der erklärten Befolgung gegenüber dem CESR im laufenden Jahr möglich ist, bleibt die weitere Befolgung aus der mit dem einzelnen Auftraggeber getroffenen Absprache verpflichtend. Schwerer zu vermessen ist der Umfang der Selbstbindung. Von der Kodexbefolgung darf der Vertragspartner nicht einseitig vollständig Abstand nehmen. Zur Finanzanalyse Egbers / Tal BKR 2004, 219, 221; Göres ZBB 2004, 210, 217. Übergreifend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 485. 163 Z.B. die Pflichtangabe des Finanzanalysten nach § 34c WpHG dazu, ob er sich den Regeln einer Selbstregulierung unterworfen hat (näher 13. Kapitel: A.II.2, S. 574). Deutlicher ist die Pflicht des Emittenten, nach § 161 Abs. 2 AktG die Entsprechenserklärung zur Corporate Governance öffentlich zugänglich zu machen. Näher dazu GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 400 ff. 164 Im Einzelnen GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 39. 165 GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 243. 166 BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch / Deutsche Bank), BGHZ 182, 272 Tz. 18. Zur Entwicklung der Rechtsprechung GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 471 ff. m. w. N. 167 Für die Aufgabe der Aktualisierungspflicht Habersack Gutachten E, 69. DJT 2012, S. E68. 162

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Die Bindung wird zumeist als dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Kodexfassung zu verstehen sein. Will der Intermediär Änderungen der Wohlverhaltensregeln nicht befolgen, hat er dies dem Vertragspartner offenzulegen und (im Ausnahmefall) mit der Kündigung zu rechnen.168 3. Einschränkbarkeit (Discount-Broker-Rechtsprechung) Die Einschränkbarkeit des vertraglichen Pflichtenprogramms gegenüber dem Vertragspartner (und gegenüber Dritten) ist allgemein anerkannt. Die von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gezogenen Grenzen beziehen sich wie erörtert nur auf einseitig vom Intermediär gestellte Bedingungen und verhindern lediglich die Aushöhlung von Kardinalpflichten. Bereits in seiner Rechtsprechung zu Kapitalanlagevermittlern von 1999 hielt der BGH169 fest, dass der Pflichtenkreis durch entsprechende Hinweise selbst festgelegt werden darf.170 Im Jahr 2000 ließ der BGH zu Wirtschaftsprüferleistungen erkennen, dass ein grundsätzlich haftungsgeeigneter Vertrauenstatbestand durch entsprechende Klarstellungen gegenüber den Informationsempfängern zu zerstören sei.171 Die Erwartungen an das Verhalten des Intermediärs müssen also auf die zwischen Intermediär und Auftraggeber getroffene Absprache zurückzuführen sein. Dementsprechend gilt auch für Außenstehende der Grundsatz caveat investor.172 Diesen bleibt allerdings zumeist schon der Inhalt der Absprache verborgen. Deshalb ist im folgenden Abschnitt möglichen Ansätzen für Drittbindung nachzugehen.

III. Drittbindung Leistungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation sind gegenüber dem Emittenten nur absetzbar, wenn von der Wahrnehmung ihrer Ergebnisse durch die Investorenschaft, also durch Dritte ausgegangen werden kann. Dazu müssen die Leistungen ausgewogen sein, sie dürfen also nicht nur die Interessen des Auftraggebers, sondern müssen auch die Interessen der nicht an der Absprache beteiligten Dritten berücksichtigen. Hierzu kommt es aus den beschriebenen Gründen nicht immer. Leyens AcP 215 (2015) 611, 630. BGH, Urt. v. 5.10.1999 – XI ZR 296/98 (Discount Broker), BGHZ 142, 345, JurisTz. 30 f. Der Broker hatte angegeben, sich mit dem betreffenden Produkt nicht auszukennen und ausschließlich in Kapitalanlagenfragen erfahrene Personen beraten zu wollen. 170 Zur Übertragung auf Ratingagenturen Vetter WM 2004, 1701, 1710. 171 BGH, Urt. v. 26.9.2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, Juris-Tz. 50 (Pflicht zur Warnung). Zur Übertragung auf Ratingagenturen Vetter WM 2004, 1701, 1710. Übergreifend Leyens AcP 215 (2015) 611, 628, 633. 172 Vetter WM 2004, 1701, 1711. 168 169

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Vertragsrechtlich sind die im Folgenden zu behandelnden drei Ansatzpunkte für die Berücksichtigung von Drittinteressen zu untersuchen: Erstens gab es verschiedentlich Versuche zur Herausbildung eines faktischen oder stillschweigenden Zustandekommens drittbezogener Pflichten. Zweitens sind Durchbrechungen des Grundsatzes vom caveat investor denkbar. Drittens ist das rechtsgeschäftliche Grundmodell des Verbots der Mehrfachvertretung nach § 181 BGB nach Anhaltspunkten für einen verkehrsschützenden Umgang mit Interessenkonflikten in dreipoligen Rechtsbeziehungen zu durchleuchten. 1. Ansätze zwischen Vertrag und Markt Die Einbeziehung von Drittinteressen steht in der Disposition der Vertragsparteien und ist im Konfliktfall durch Auslegung der betroffenen Absprache nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.173 Nicht durchgesetzt hat sich die von Günter Haupt174 im Jahr 1941 eingebrachte und zunächst durchaus auf Beachtung gestoßene Lehre vom faktischen Vertrag.175 Auf die Einbeziehung von Drittinteressen war die Lehre vom faktischen Vertrag nicht zugeschnitten. Angesichts der aus Sicht beider Beteiligter, also Auftraggeber und Intermediär, beschriebenen Notwendigkeit einer Beachtung der Informationsleistungen durch die an der Absprache nicht beteiligten Dritten könnte sie jedoch in diese Richtung fortentwickelt werden. Zugrunde lag ein Verständnis vom Zustandekommen vertraglicher Bindungen infolge rein tatsächlichen, sozialtypischen Verhaltens trotz fehlenden Rechtsfolgewillens. Überlegungen zur Typisierung vertragsgeeigneten Sozialverhaltens brachte Johannes Köndgen unter dem Titel „Selbstbindung ohne Vertrag“176 im Jahr 1981 ein. Die interdisziplinäre Literatur knüpft daran wie beschrieben aus dem Blickwinkel einer Konstitutionalisierung transnationaler (rechtlicher) Marktteilnahmebedingungen an und bringt fortlaufend neue Ansätze hervor.177 MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 168. Haupt Über faktische Vertragsverhältnisse, 1941, S. 9, 16, 21 mit der Unterscheidung zwischen faktischen Vertragsverhältnissen kraft sozialen Kontakts (culpa in contrahendo), kraft Einordnung in ein Gemeinschaftsverhältnis (faktischer Gesellschafts- und Arbeitsvertrag) und kraft sozialer Leistungsverpflichtung (z. B. Straßenbahnfahrt). Den behandelten Konstellationen ist das Fehlen eines Vertragsschlusses im Sinne von Angebot und Annahme gemeinsam; ebd. S. 27. 175 Statt vieler Larenz Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., 1983, § 28 II (aufgegeben erst in der 7. Aufl., 1989). Darstellung der Entscheidung bei StaudingerBGB2004-Jickeli / Stieper Vorbem. zu §§ 104–115 Rn. 31 ff. (nicht mehr in Folgeauflagen). Zur Entwicklung Lambrecht Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994, S. 5. 176 Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 97 ff., 164 (Phänomenologie) und S. 233 (Reziprozität). 177 Callies Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 212 ff., 216. Im Zusammenhang oben 8. Kapitel: A.I.3 (S. 212) m. w. N. 173 174

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Ein über faktische Zwänge und Gepflogenheiten hinausgehendes Gerüst drittschützender Intermediärpflichten hat sich aber auch daraus nicht herausgebildet. Für die Fortentwicklung der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik werden Vorstöße wie die genannten häufig als „überflüssig“178 erachtet, weil die (meisten) Probleme, zu deren Lösung die Lehre vom faktischen Vertrag angetreten ist, mit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu lösen sind.179 Nach heutigem Verständnis ist auch eine tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen des modernen Massenverkehrs auf der Grundlage der Regeln von Angebot und Annahme zu lösen.180 Die Rechtsprechung hatte zunächst Fälle wie die unbezahlte Parkplatznutzung, die eigenmächtige Stromentnahme und die unbezahlte Straßenbahnfahrt über die Konstruktion des faktischen Vertrags gelöst.181 Später wich diese Vorstellung der Einordnung des Nutzerverhaltens als konkludente Willenserklärung.182 Auch Rechtsfolgeirrtümer schützen nicht vor der Gegenleistungspflicht, ebenso wenig wie die offene Verweigerung einer Verpflichtung zur Gegenleistung im Massenverkehr (protestatio facto contraria non valet).183 Auf die Inanspruchnahme des kapitalmarktlichen Informationsverkehrs, der ebenfalls Massenverkehr ist, wurde die Rechtsprechung zum faktischen Vertrag (richtigerweise) nicht übertragen. Die bloße Einbeziehung öffentlich verfügbarer Informationsleistungen durch die – jedenfalls nicht direkt zahlungspflichtige – Gruppe außenstehender Investoren ist nicht als Gegenleistungsbereitschaft aufzufassen. Ebenso wenig ist allein aus der öffentlichen Zugänglichkeit der Leistung ein über die verbindliche Absprache mit dem Auftraggeber hinausreichender Rechtsbindungswille des Intermediärs gegenüber einer unbestimmten Zahl an Empfängern (invitatio ad incertas personas) zu folgern.184

MünchKommBGB7-Armbrüster Vor § 116 Rn. 10. StaudingerBGB2015-Bork Vor §§ 145–156 Rn. 39. Aus den Anfängen Wieacker JZ 1957, 61. 180 Zum Ganzen MünchKommBGB7-Armbrüster Vor § 116 Rn. 10; StaudingerBGB2015Bork Vor §§ 145–156 Rn. 39 jeweils m. w. N. 181 BGH, Urt. v. 14.7.1956 – V ZR 223/54, BGHZ 21, 319, Juris-Tz. 56 (Parkplatznutzung); BGH, Urt. v. 29.1.1957 – VIII ZR 71/56, BGHZ 23, 175, Juris-Tz. 10 (Stromentnahme); LG Bremen, Urt. v. 17.8.1966 – 8 O 512/66, NJW 1966, 2360 f. (Schwarzfahrt). Eingehende Besprechung dieser Urteile bei Lambrecht Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994, S. 95 ff. 182 BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, Juris-Tz. 13 (Stromentnahme). 183 Siehe nur BGH, Urt. v. 25.9.1985 – IVa ZR 22/84, BGHZ 95, 393, Juris-Tz. 6 (kein stillschweigender Maklervertrag, aber Verstoß gegen Treu und Glauben bei widersprüchlichem Verhalten). Kritisch Köhler JZ 1981, 464, 467. 184 Näher MünchKommBGB7-Busche § 145 Rn. 11, 17; StaudingerBGB2015-Bork § 145 Rn. 19. 178 179

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2. Durchbrechungen des Grundsatzes caveat investor Durchhalten lässt sich die Grundlinie des caveat investor nicht immer, wie die Rechtsprechung zu stillschweigenden Auskunftsverträgen nahe legt.185 Eine „Auskunft an den, den es angeht“, wurde selten angenommen.186 Die Bindung des Wirtschaftsprüfers an Drittinteressen soll demgegenüüber in Betracht kommen, weil die Auskunftserteilung zum Beruf des Auskunftgebers gehört.187 Mit solchen Weiterungen des privaten Absprachemechanismus verbindet sich unverkennbar die Gefahr einer „Flucht in die Fiktion“,188 die nicht zuletzt zu einer richterlichen Ausdehnung der Pflichten des Intermediärs führen kann, nicht weil er es will, sondern weil er es soll.189 Die Verantwortung von Experten gegenüber Dritten, die ihre Entscheidungen trotz fehlender Vertragsbindung erkennbar auf die öffentlich verfügbare Beurteilungen stützen, ist nach Stand der Diskussion wertend zu beantworten. Behandelt wird sie vorwiegend im haftungsrechtlichen Zusammenhang unter den Gesichtspunkten des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens i. S. d. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB.190 Die Zurückhaltung des BGH bei der Zuweisung von Drittverantwortung insbesondere an Wirtschaftsprüfer kann durchaus kritisiert werden. Eine Instrumentalisierung des zwischen Auftraggeber und Intermediär geschlossenen Vertrags mit dem Ziel einer grundsätzlichen Erstreckung der Absprache auf den Schutz von Drittinteressen erscheint gleichwohl nicht ratsam. Die Entwicklung der Haftung von Experten gegenüber Dritten ist letztlich aus unbilligen Ergebnissen infolge des schwach ausgeprägten deliktsrechtlichen Schutzes vor fahrlässigen Vermögensschädigungen zu erklären. Schutzlücken sind, wie zu zeigen, auch durch eine berufsbezogene Auslegung des Vorsatzerfordernisses aus § 826 BGB nicht vollständig aufzufangen.191 Dies kann aber kaum zur Aufgabe der Vorstellung von der Richtigkeitsgewähr der privatautonom vereinbarten Risikozuweisung zwingen.

185 Überblick bei Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 197 ff. 186 Ablehnend BGH, Urt. v. 12.2.1979 – II ZR 177/77, WM 1979, 548, Juris-Tz. 26 zu einer am Kapitalmarkt verbreiteten Bankauskunft. 187 BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080, Juris-Tz. 30. Dazu MünchKommBGB6-Heermann § 675 Rn. 122; StaudingerBGB2013-Martinek § 675 Rn. C14. 188 Warnend StaudingerBGB2013-Martinek §§ 675 Rn. C14. 189 Ebke / Fechtrup JZ 1986, 1112, 1115 („Es haftet, wer haften soll“). 190 Zum Ganzen MünchKommBGB7-Emmerich § 311 Rn. 184; MünchKommBGB7Gottwald § 328 Rn. 243 ff. 191 Zu Reichweite und Grenzen des deliktsrechtlichen Schutzes vor Vermögensschädigungen 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 507).

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3. Interessenkonflikte (Grundmodell des § 181 BGB) Die fehlende Verantwortung des Intermediärs für Drittinteressen führt namentlich bei Interessenkonflikten zu Problemen, die vertragsrechtlich kaum zu bewältigen sind. Dem Auftraggeber zustehende Ansprüche auf Interessenwahrung stehen den Dritten ohne dahingehende Parteivereinbarung nicht zu. Von den Folgen konfliktbefangener Leistungen der Informationsintermediation sind aber gerade die außenstehenden Dritten betroffen. Das Grundmodell der Rechtsgeschäftslehre für die Lösung von Konflikten aus der mehrfachen Interessenvertretung findet sich in § 181 BGB.192 Die dort niedergelegten Verbote des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung sind nicht als gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB zu verstehen, sondern als Beschränkung des rechtlichen Könnens. Rechtsfolge ist anerkanntermaßen die schwebende Unwirksamkeit nach § 177 BGB analog.193 Das Reichsgericht schrieb dem Verbot die Funktion einer verkehrsschützenden formalen Ordnungsvorschrift zu.194 Diese Rollenbestimmung liefert einen Ansatzpunkt für den Versuch eines Ausbaus marktschützender Funktionen des Vertragsrechts.195 Zwar rückte der BGH von dem Formalverständnis des Reichsgerichts ab.196 Angelegt wurde aber nach wie vor eine generell-abstrakte Betrachtung, die allein objektive und einwandfrei feststellbare Kriterien zugrunde legte.197 In der Sache verfolgte die Rechtsprechung damit den Gedanken vom verkehrsschützenden Charakter der Norm weiter. Der BGH stellte sich einem Verständnis entgegen, nach dem die Verwirklichung des Tatbestands von den unbestimmten und äußerlich schwer erkennbaren Voraussetzungen der Feststellung eines konkreten Interessenkonflikts im Einzelfall abhängt.198 Anwendungsbereich des § 181 BGB ist also eine in sich geschlossene Fallgruppe typischer Verletzungen des Vertrauens des Vertretenen. Nur für diese wird eine Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Vertreters festgelegt.199 Gerade wegen dieser „Enge und Starrheit“200 wird die Vorschrift allerdings für allgemeine Analogien zur Lösung von Interessenkonflikten als ungeeignet erachtet. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 324 ff. Allg. Ansicht seit RG, Urt. v. 4.11.1903 – I 228/03, RGZ 56, 104, 108. Siehe etwa BGH, Urt. v. 8.10.1975 – VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123, Juris-Tz. 17. 194 So noch RG, Beschl. v. 27.1.1938 – V B 13/37, RGZ 157, 24, 29 ff., 31; RG, Urt. v. 20.3.1908 – II 586/07, RGZ 68, 172, 175 f. 195 Siehe bereits Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 425 f. 196 BGH, Beschl. v. 27.2.1980 – V ZB 15/79, BGHZ 77, 7, Juris-Tz. 6. 197 Näher StaudingerBGB2014-Schilken § 181 Rn. 6. 198 BGH, Beschl. v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229, Juris-Tz. 27. 199 BGH, Urt. v. 19.4.1971 – II ZR 98/68, BGHZ 56, 97, Juris-Tz. 17. 200 BGH, Urt. v. 13.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334, Juris-Tz. 8 (Interessenkollision für analoge Anwendung nicht ausreichend). Dazu StaudingerBGB2014-Schilken § 181 Rn. 6. Übergreifend Hopt ZGR 2004, 1, 32. 192 193

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In Rechtsfolge der schwebenden Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts bei Verstößen gegen die Verbote des § 181 BGB ist der Gedanke einer (rechtsverbindlichen) Verantwortungsverlagerung vom konfliktbefangenen Vertreter auf den Vertretenen angelegt. Im kapitalmarktlichen Zusammenhang, also bei nicht koordinierten Informationsempfängern, führt dies kaum weiter.201 Die Verpflichtung der Parteien auf die Hinzuziehung unabhängiger Vertreter, wie sie etwa im Vormundschaftsrecht nach § 1795 BGB angeordnet ist, setzt das Erkennen des Konflikts voraus.202 Dazu kommt es bei den dem Markt verborgenen Intermediationsabsprachen zwischen Auftraggeber und Intermediär zumeist gerade nicht. Lösungsmodelle für die präventive Verhinderung interessenkonfliktbefangener Intermediationsleistungen bietet im Recht der organschaftlichen Interessenvertretung etwa das Stimmverbot nach § 34 BGB oder § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG.203 Anzuwenden ist es auf Fälle, in denen der zu fassende Beschluss die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Organmitglied oder eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied betrifft. Zugrunde liegt das Verbot des Selbstkontrahierens aus § 181 BGB, aus dem sich auch ein Verbot des Richtens in eigener Sache ableiten lässt. Auf dieses Verbot greifen zahlreiche berufsrechtliche und regulatorische Regeln zur Unabhängigkeit des Intermediärs zurück.204 Die Grundgedanken des § 181 BGB fließen also durchaus in das Recht der Informationsintermediation ein, allerdings nicht beim vertraglichen Drittschutz, sondern auf der Ebene des Berufs- und Regulierungsrechts.

C. Nebenabreden Der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zuwiderlaufende Nebenabreden finden sich zum einen in den von Intermediären verwendeten Klauselwerken, zum anderen in Vertragswerken, die rechtliche Folgen an eine bestimmte Intermediärbeurteilung knüpfen. Die richterliche Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB ist auf das Verhältnis zwischen dem Verwender und seinem Vertragspartner zugeschnitten. In diesem Zuschnitt ist die Herstellung drittbezogener Vertragsgerechtigkeit nicht angelegt. Die marktfunktionsschützenden Wirkungen der Klauselkontrolle sind also im hier behandelten zusammenhang eng begrenzt.205 Reichweite und Grenzen sind 201 Zum Ganzen Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 326. Im Einzelnen unten 13. Kapitel: B.I.1.a, b (S. 608 ff., 611). 202 Zu der § 181 BGB ergänzenden Wirkung der in §§ 1795 f. BGB niedergelegten Vertretungsverbote im Vormundschaftsrecht StaudingerBGB2014-Veit § 1795 Rn. 1. 203 Dazu Möllers in: Hommelhoff / Hopt / von Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl., 2009, S. 423, 434. Eingehend Krebs Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 123. 204 Hopt ZGR 2004, 1, 34. 205 Abschn. I.

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an drei Beispielen aufzuzeigen, die vorwiegend das externe Bonitätsrating betreffen: Erstens werden Bonitätsbeurteilungen zur fortlaufenden Vertragsanpassung verwendet, was besonders bei Zinsanpassungsklauseln als AGB-rechtliches Transparenzproblem intensiv diskutiert wird.206 Zweitens können ratingbasierte Nachbesicherungspflichten insolvenzgefährdende Klippen- und Kaskadeneffekte hervorbringen. Bei unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners infolge gesteigerter Insolvenzgefahren und darauf gründender Unwirksamkeit der betreffenden Klausel kommt es deshalb zu einem zumindest reflexartigen Schutz außenstehender Gläubiger.207 Drittens sind die Möglichkeiten einer richterlichen Korrektur von Klauselgestaltungen an den Grenzen der Haftungsbeschränkung „zulasten“ Dritter zu verdeutlichen.208

I. Marktfunktionsschützende Klauselkontrolle (§§ 305 ff. BGB) Nebenabreden gerieten im Zuge des aufkommenden Massenverkehrs in den Blick der Gerichte.209 Noch nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts stand ein auf § 138 Abs. 1 BGB gestützter Schutz vor überlegener Marktmacht infolge monopolähnlicher Anbieterstellung im Vordergrund.210 Ausgehend von der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 1956 bildete sich eine auf § 242 BGB gestützte Kontrolle der Vertragsgerechtigkeit nach Maßstab des dispositiven Rechts heraus. Daraus erklärt sich, dass trotz Beschränkung der europäischen Klauselrichtlinie von 1993 auf Verbraucherverträge nach deutschem Recht auch die im unternehmerischen Verkehr verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen der richterlichen Kontrolle nach den § 305 ff. BGB unterliegen. Spätestens seit dem Gutachten von Hein Kötz 211 zum 50. Deutschen Juristentag von 1974 war das entscheidende Argument eines versagenden Konditionenwettbewerbs bekannt.212 Nach mittlerweile verbreiteter Auffassung dient die Klauselkontrolle der Verhinderung eines durch unüberwindbare Informationsasymmetrien ausgelösten Verschlechterungswettbewerbs (race to the bottom).213 Im Abschn. II (S. 383). Abschn. III (S. 386). 208 Abschn. IV (S. 388). 209 Grundlagen bei Grossmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933, S. 4 ff.; Kessler 43 Colum.L. Rev. 662 (1943). 210 Zur Entwicklung Hellwege Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 138 ff. 211 Kötz Gutachten A, 50. DJT 1974, S. A14, A33. Instruktiv ders. JuS 2003, 209, 212 f. 212 Darauf folgend Adams in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Arbeitstagung des Vereins für Socialpolitik, 1984, S. 655, 660 ff.; Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 553. 213 Grundlegend Akerlof 84 Q. J. Econ. 488 (1970). Zum Diskussionsstand Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 775, 784. Aus der Kommentarliteratur MünchKommBGB7-Basedow Vor § 305 Rn. 2 ff. Zum Konditionenwettbewerb auch Canaris AcP 200 (2000) 273, 323 f.; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 69 ff. Zurückhaltend Jansen ZEuP 2010, 69, 80. Ableh206 207

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Vordergrund steht insoweit nicht der Schutz des Einzelnen, sondern der Schutz des Konditionenwettbewerbs und damit die Funktionsfähigkeit des Markts.214 Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ist zwar an einem zum Marktfunktionsschutz grundsätzlich geeigneten objektiven und typisierenden Maßstab auszurichten.215 Für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung kommt es jedoch allein auf die Abweichung vom dispositiven Recht an, das nur in wenigen Fällen drittschützende Zwecke verfolgt. Die Möglichkeit der Verbandsklage nach § 1 UKlaG betrifft nur Verbraucherverträge. Sonstige Konstellationen sind auch weiterhin im Einzelprozess zu behandeln. Eine marktfunktionsschützende Rolle kann die richterliche Klauselkontrolle im Dreiecksverhältnis zwischen einerseits Intermediär und Auftraggeber, also in der Regel dem Emittenten, andererseits Dritten, also der Masse der Informationsempfänger, folglich nur in zwei Konstellationen entfalten: Die erste betrifft den reflexartigen Schutz der Informationsempfänger bei Übereinstimmung der Interessen mit denen des Auftraggebers,216 die zweite diejenigen Fälle, in denen der Dritte etwa über eine Schutzwirkung selbst in den Vertrag einbezogen ist.217 Die Inhaltskontrolle richtet sich nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur auf formularmäßige Abreden, die von der gesetzlichen Regelung abweichen.218 Anleihebedingungen, die nach Maßgabe der §§ 5 bis 21 SchVG ausgestaltet sind, sind (umstritteneraßen) schon deswegen nicht unangemessen (sofern man die AGBKontrolle überhaupt auf Anleihebedingungen erstrecken will).219 Unterworfen bleiben der Inhaltskontrolle nur Abredeinhalte, zu denen das SchVG keine Regelung trifft, beispielsweise Klauseln zur einseitigen Anpassung von Anleihebedingungen durch den Emittenten.220 Allerdings unterliegen Verträge über die Emission von Anleihen überwiegend englischem Recht oder dem Recht New Yorks.221 Die nachfolgenden Ausführungen betreffen demzufolge nur den Ausschnitt der nach deutschem Recht geschlossenen Intermediations- oder Finanzierungsverträge. nend Hellwege Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 559.  214 Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 775. 215 Statt vieler StaudingerBGB2013-Coester § 307 Rn. 109. 216 Im folgenden Abschnitt zu Zinsanpassungsklauseln und sodann zu Nachbesicherungspflichten 11. Kapitel: C.III.1(S. 386). 217 Zu Haftungsfreizeichnungen gegenüber Dritten11. Kapitel: C.IV (S. 388). 218 FrankfurterKommSchVG2013-Hartwig-Jacob § 3 Rn. 16 ff. 219 Dafür BGH, Urt. v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311 Tz. 13 m. w. N. aus der Literatur. Siehe auch RegE AGBG, BT-Drucks. 7/3919 v. 6.8.1975, S. 18; offengelassen von RegE SchVG, BT-Drucks. 16/12814, S. 13. Gegen die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB z. B. BankrechtsKomm2-Bliesener / Schneider (17) SchVG § 3 Rn. 39 ff., 42; Oulds in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1174, 1178 Rn. 3.7 f. 220 Näher Horn BKR 2009, 446, 453. 221 Balz ZBB 2009, 401, 409; FrankfurterKommSchVG2013-Friedl Einl. Rn. 24; Kenadjian in: Baums / Cahn (Hrsg.), Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 245, 246. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 449.

11. Kapitel: Vertrag

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II. Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die formularmäßige Einbeziehung der Bonitätsbeurteilungen externer Ratingagenturen in Zinsanpassungsabreden besondere Aufmerksamkeit erfahren.222 Zinsanpassungsabreden verschaffen der kreditgebenden Bank ein Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung i. S. v. § 315 BGB. Aus dem Transparenzgebot folgt allgemein die Pflicht, dem Vertragspartner bereits anfänglich „ein vollständiges und wahres Bild“223 über den Vertragsinhalt zu vermitteln.224 Eine spezifische Ausformung dieses Grundsatzes bietet § 3 SchVG für Anleihen.225 1. Zinsanpassungsklauseln im Fokus Bei den auf längere Dauer ausgerichteten Darlehensverträgen führt die Forderung nach anfänglicher Transparenz zu folgender Schwierigkeit: Die Refinanzierungskosten des Darlehensgebers bestimmen sich nach finanzmarktlichen Entwicklungen, sich wandelnden aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Bonitätsänderungen des individuellen Darlehensnehmers. Sowohl für die auf Rationalisierung der Vertragsbedingungen angelegte Kreditvergabe im Verbrauchergeschäft als auch für die im unternehmerischen Verkehr ist deshalb ein allgemeines Bedürfnis nach Zinsanpassungsflexibilität anzuerkennen.226 Dem Kreditnehmer sind die zugrunde liegenden Sachgesetzlichkeiten – darunter insbesondere die Bedeutung der eigenen Bonität – in aller Regel bekannt.227 Nach dem von der Rechtsprechung streng gehandhabten Transparenzgebot ist gleichwohl erforderlich, dass er die Umstände, unter denen es zu einer Zinsanpassung kommt, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfassen kann. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 stellte der BGH in einem Obiter Dictum fest, dass einseitige Bestimmungsvorbehalte unter dem Gesichtspunkt des AGB-rechtlichen Transparenzgebotes nur hingenommen werden können, „soweit sie […] den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret“ angeben.228 Zu verdeutlichen sind also die Voraussetzungen und der Umfang der zu erwartenden Konditionenanpassung, darunter die Intervalle, Schwellen und das Ausmaß

MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 173 ff., 179. BGH, Urt. v. 12.10.2007 – V ZR 283/06, WM 2008, 313, Juris-Tz. 13. 224 Näher MünchKommBGB7-Wurmnest § 307 Rn. 54. 225 Oulds in: Hopt / Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, 2017, S. 1174, 1178 ff. Rn. 3.4 ff., 3.9. 226 MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 174. 227 Zum Ganzen MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 174. 228 BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, Juris-Tz. 18; MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 177. 222 223

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

der Änderungen.229 Auf diese Weise ist auch bei Verbraucherdarlehensverträgen den vertraglichen Aufklärungspflichten aus § 491a Abs. 1 BGB in einer Weise Rechnung zu tragen, die eine Entscheidung über die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Kontrolle der Zinsanpassung nach Maßstab von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zulässt.230 2. Inbezugnahme externer Ratings Eine Koppelung der Zinsänderungen an bankinterne Ratings (internal rating based approach) wird zwar als zulässig erachtet, schon weil diese auch zu aufsichtsrechtlichen Zwecken verwendet werden.231 In einer Entscheidung von 2009 forderte der BGH die symmetrische Ausgestaltung hinsichtlich Zinserhöhung und -senkung, ließ die konkreten Anforderungen an die Transparenz aber weiterhin offen.232 Daraus resultieren erhebliche Rechtsunsicherheiten, denn eine verständliche Darstellung der komplexen finanzmathematischen Verfahren auf überschaubarem Platz erscheint schlichtweg unmöglich.233 Im unternehmerischen Verkehr wird es als ausreichend erachtet, die relevanten Bewertungsparameter und ihre Gewichtung anzugeben.234 Für Verbraucherverträge soll es zusätzlich zur Aufklärung über die Einzelheiten der Gewichtung bedürfen.235 Noch weitergehende und letztlich unerfüllbare Transparenzanforderungen liefen auf ein kostenträchtiges Verbot von Zinsanpassungsklauseln im Verbrauchergeschäft hinaus.236 Erst vor diesem Hintergrund erklärt sich die Üblichkeit der Verwendung von Bonitätsbeurteilungen externer Ratingagenturen (vor allem) im unternehmerischen Verkehr. Denn bei ihrer Verwendung soll es nicht zu den beschriebenen Transparenzproblemen kommen.237 Als ausreichend erachtet wird die Bezug229

235 ff.

StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 204; Wittig ZHR 169 (2005) 212,

MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 177. StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 200 ff. Siehe auch Mülbert WM 2004, 1205, 1209; Wittig ZHR 169 (2005) 212, 240. 232 BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Tz. 35. Dazu GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 10/1-Grundmann Teil 2 Rn. 339; MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 177. 233 Mülbert WM 2004, 1205, 1207. Siehe auch Kersting ZIP 2007, 56, 58; Wand WM 2005, 1969, 1971. 234 MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 179; StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 202. Siehe weiter Langenbucher BKR 2005, 134, 139 („ergebnistransparentes Modell“); Mülbert WM 2004, 1205, 1210; Wittig ZHR 169 (2005) 212, 235 ff. Zur Diskussion auf dem Bankrechtstag 2004 Voges / Rehberg WM 2004, 1605, 1609. 235 StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 202. 236 Dafür besteht kein Anlass. Siehe StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 205. Zum Kostenargument auch von Westphalen MDR 2008, 424, 428 f. 237 Siehe die Nachw. Fn. 234. Kritisch Hey ZBB 2004, 219, 225. 230 231

11. Kapitel: Vertrag

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nahme auf die Standards der jeweiligen Ratingagentur.238 Anzugeben hat die Bank dann lediglich, ob und inwieweit Ratingänderungen ihre Befugnis zur Zinsanpassung bestimmen.239 Zugrunde liegt eine Auslegung des Transparenzgebots, nach der dem Vertragspartner eine Möglichkeit zur Beurteilung dazu gegeben sein muss, ob die Zinsanpassung zu Recht erfolgt.240 Diese Kontrolle wird bei der Koppelung an die externe Bonitätsbeurteilung in der Sache durch einen Dritten erledigt.241 Für die nach § 319 BGB analog zu treffende Entscheidung über eine mögliche Unbilligkeit der Drittbewertung wird in Anlehnung an die Stiftung-WarentestRechtsprechung242 als entscheidend erachtet, dass der Dritte objektiv urteilt, also vom Kreditgeber unabhängig ist.243 3. Intransparenter Verhaltensstandard? Zur Herausbildung von Unabhängigkeitsstandards im Wege der richterlichen Kontrolle trägt dieses Verständnis des Transparenzgebots nur begrenzt bei. Die Transparenz ist bereits dann gewahrt, wenn die Zinsanpassung nichtdiskretionär ausgestaltet ist.244 Auf die Verlässlichkeit des Ratings – darunter die Wahrung materieller Unabhängigkeitsstandards – kommt es aus Sicht des Transparenzgebots nicht an. Darauf wirken erst die Pflichten der Agenturen nach der EG-RatingVO hin.245 Denkbar wäre, für die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Zinsanpassungen auf der Grundlage externer Bonitätsbeurteilungen allgemein die Unterwerfung der Agentur unter die Vorgaben der EG-RatingVO zu fordern. Das Transparenzgebot eignet sich dazu allerdings nicht, weil es auf die Erkennbarkeit, nicht die Integrität des Beurteilungsverfahrens setzt. Auch ließe sich kaum eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB des Kreditnehmers ausmachen, der die Agentur zumeist selbst beauftragt. Gewisse Zweifel verbinden sich infolgedessen mit Stellungnahmen, die Vorteile gegenüber internen Bonitätsbewertungen darin begründet sehen, dass exWand WM 2005, 1969, 1971; Langenbucher in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S. 63, 75. Dazu der Diskussionsbericht von Voges / Rehberg WM 2004, 1605, 1609. 239 MünchKommBGB7-Berger § 488 Rn. 178. 240 BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Tz. 34. Grundlagen bei MünchKommBGB7-Wurmnest § 307 Rn. 54. 241 Langenbucher in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S. 63, 75. 242 Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff.). 243 StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 201 ff., 203. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 446 ff., 452. 244 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 208; Langenbucher in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S. 63, 75; Mülbert WM 2004, 1205, 1209. 245 StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 200. Zu den Änderungen des Eigenkapitalrechts 5. Kapitel: B.III.2 (S. 110). 238

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

terne Ratings jedenfalls nicht unmittelbar durch eine der Vertragsparteien erstellt werden, also tendenziell als „unabhängiger“ zu bewerten sind als interne Risikobewertungen.246 Zwar ist zuzugeben, dass interne Risikobewertungen ein größeres Missbrauchspotential eröffnen. Dieser Gedanke ist aber letztlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Transparenz, sondern der im Folgenden zu besprechenden Angemessenheit von Bedeutung.

III. Angemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB werden insbesondere formularmäßige Nachbesicherungspflichten in Darlehensund Anleiheverträgen diskutiert, die formularmäßig an ein Rating gebunden sind.247 Eingesetzt werden hierzu aufschiebende oder auflösende Bedingungen.248 Das maßgebliche Ereignis für den Fortfall von Besicherungspflichten (fall away covenants) oder Pflichten zur Nachbesicherung (springing liens) wird an Heraufoder Herabstufungen der Bonitätsbeurteilung durch externe Ratingagenturen geknüpft (rating triggers).249 Die an den Ereigniseintritt geknüpften Rechte unterscheiden sich, gemeinsam ist ihnen die mechanische Entstehung. 1. Nachbesicherungspflichten als Beispiel Die Pflicht zur Nachbesicherung wird in der Regel mit Rechten des Darlehensgebers zur beschleunigten Rückzahlung oder Kündigung verbunden. Auf längere Frist ausgelegte Darlehensverträge kommen ohne Anpassung des Besicherungsumfangs nicht aus. Die Grundlagendiskussion entspricht insoweit der um die soeben besprochene Zinsanpassung.250 Die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wird maßgeblich unter dem Gesichtspunkt einer berechtigten Frühwarnfunktion zugunsten des Darlehensgebers abgelehnt. Transparenzbezogene Bedenken treten wie beschrieben unter dem Gesichtspunkt der nichtdiskretionären Ausgestaltung der Pflichtenanpassung zurück.251

So StaudingerBGB2015-Freitag / Mülbert § 488 Rn. 203. Instruktive Graphik bei Fischer / Sittmann-Haury IRZ 2006, 217, 218. Überblick bei Wilden in: Buth / Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014, § 2 Rn. 90. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 453 ff. 248 Zur Einordnung als Bedingung Habersack ZHR 169 (2005) 185, 188 f. Im Einzelnen 3. Kapitel: A.II (S. 26). 249 Cormier 21 Am. Bankr. Inst. J. 16 (2002). 250 Siehe 11. Kapitel: C.II (S. 383 ff., Nachw. Fn. 226 ff.). 251 Dazu 11. Kapitel: C.II.2 (S. 384, 385). 246 247

11. Kapitel: Vertrag

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2. Frühwarnfunktion allein zugunsten des Kreditgebers Die im Weiteren vorzunehmende Angemessenheitsbeurteilung legt allein die Interessen des einzelnen Gläubigers an der Frühwarnfunktion, nicht der Gläubigergesamtheit oder sonstiger Bezugsgruppen zugrunde. Sie blendet also Klippeneffekte (cliff effects) aus, die aus dem Abruf weiterer Finanzmittel zu einem Zeitpunkt entstehen, zu dem der Schuldner ohnehin in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist.252 Die Synchronisierung der Bedingungen einer Vielzahl von Verträgen kann je nach Klauselgestaltung schon bei einer einzelnen Herabstufung weit darüber hinausreichende Wirkungen auslösen (cascade effects), also nicht nur zur Fälligstellung eines einzelnen, sondern vielmehr aller Kreditverträge führen. Häufige Folge sind nicht nur der finanzielle Untergang des einzelnen Schuldners, sondern – bei gleichgelagerten Umständen – auch Zahlungsunfähigkeiten weiterer Marktteilnehmer. 3. Unangemessene Klippen- und Kaskadeneffekte? Gegenüber diesen Klippen- und Kaskadeneffekten ist die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle machtlos. Im bilateralen Verhältnis sind an nichtdiskretionäre und als vernünftig einzustufende Umstände gebundene Nachbesicherungspflichten nicht unangemessen. Ihre Vereinbarung ist aus Sicht der Geschäftsleiter des Kreditgebers geboten. Für den Kreditnehmer gilt infolgedessen der Grundsatz caveat emptor. Außenstehende Bezugsgruppen werden von vermeidbaren Flächenwirkungen ohne jede Schutzmöglichkeit voll getroffen. Vom einzelnen Kreditgeber sind diese Wirkungen nicht aufzuhalten, weil jede Neuverhandlung faktisch mit der vorrangigen Bedienung anderer Gläubiger verbunden wäre. Die Folge ist eine Verlagerung auf die insolvenzrechtliche Ebene mit den dort vorgesehenen (naturgemäß) engen Möglichkeiten zur Verhinderung unnötiger Unternehmenszusammenbrüche. Ein Verbot von Ratingvorbehalten oder (zielgenauer) die Verhinderung gleichgerichteten Gläubigerverhaltens ist nicht ernsthaft zu erwägen, jedenfalls nicht vermittelt durch die richterliche Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Für Finanzinstitute und auch institutionelle Investoren kommen an ihre Betätigung anknüpfende regulatorische Vorgaben in Betracht, insbesondere Pflichten zur Offenlegung der Nachbesicherungspflichten. Synchronisierungstendenzen sind allerdings auch damit nicht zu unterbinden.253 Vorgeschlagen wird eine an die zur Auswertung befähigten Marktteilnehmer gerichtete Offenlegungspflicht.254 Die bereits nach geltendem Recht erforderli252 253 254

Cormier 21 Am. Bankr. Inst. J. 16 (2002). Optimistischer Habersack ZHR 169 (2005) 185, 210. Schroeter Ratings, 2014, S. 972 ff., 983.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

chen Prospektangaben zu ratingbezogenen Nachbesicherungspflichten wirken nur punktuell und reichen deshalb nicht aus.255 Kontinuierliche Publizitätspflichten sind in Umsetzung der europäischen Übernahmerichtlinie256 durch §§ 289 Abs. 4 Nr. 8, 315 Abs. 4 Nr. 8 HGB in den (Konzern-)Lagebericht aufzunehmen. Allerdings sind diese Angaben vorrangig dazu gedacht, eine Einschätzung der Marktfähigkeit potentieller Zielgesellschaften zu vermitteln und beziehen sich deshalb im Wesentlichen auf die insoweit beachtlichen Bindungen im Falle des Kontrollwechsels (change of control).257 Die durchaus erwägenswerte Pflicht zur Offenlegung ratingabhängiger Zahlungspflichten ginge darüber hinaus. Entscheidend wäre die Aufnahme einer Verpflichtung der Agenturen zur Berücksichtigung von Risikoakkumulationen aus ratingabhängigen Nachbesicherungspflichten.258 Daraus ergäbe sich zumindest ein Ansatz für die richterliche Angemessenheitskontrolle abweichender Klauseln nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

IV. Drittinteressen (§§ 307 Abs. 1 Satz 1, 334 BGB) Die „Klauselgestaltung zulasten Dritter“ gerät nur in den Blick, wenn überhaupt eine vertragliche Berechtigung des Drittbetroffenen gegenüber dem Intermediär erwogen wird. An einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag ist, allenfalls in Sonderkonstellationen zu denken. Innerhalb der noch zu beschreibenden eng umrissenen Grenzen zieht die Rechtsprechung aber eine Schutzwirkung der mit dem Intermediär getroffenen Absprache zugunsten des Dritten in Betracht.259 In der Folge stellt sich die Frage, ob sich der Intermediär gegenüber dem Dritten auf in der Regel formalmäßig mit dem Auftraggeber vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen kann. 1. Ausschluss von Drittinteressen Die Berechtigung des Dritten aus einer etwaigen Schutzwirkung des Vertrags soll – mit offensichtlichen Brüchen zur Rechtsgeschäftslehre – unabhängig vom subjektiven Willen der Parteien entstehen und infolgedessen nicht von diesen ausgeschlossen werden können.260 In Bezug auf gewillkürte Einschränkungen der Rechte Dritter ist die Rechtslage nicht eindeutig. Überlegungen zur generellen Unzulässigkeit von Einschränkungen der Schutzansprüche Dritter wegen unzuHabersack ZHR 169 (2005) 185, 210 (Prospektaktualisierung nur in Ausnahmefällen). Art. 10 Abs. 1 lit. j EG-Übernahmerichtlinie. 257 Baumbach / HoptHGB37-Merkt § 289 Rn. 4. 258 Mit diesem Vorschlag Schroeter Ratings, 2014, S. 983. 259 Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 260 BGH, Urt. v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, BGHZ 69, 82 Juris-Tz. 10 f. (Schutzpflicht der Schuldnerbank zugunsten Gläubiger bezüglich Prüfung von Lastschrift aufgrund von kettenförmigen Rechtsverhältnissen zwischen Gläubiger- und Schuldnerbank, dem diesen zugrunde liegenden Vertragszweck und dem Grundsatz von Treu und Glauben). 255 256

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lässigen Übergriffs in die fremde Rechtssphäre haben sich aber jedenfalls nicht durchgesetzt.261 Vertreten wird, der Intermediär könne, soweit er Vertrauen des Dritten begründet, seine Verantwortung nicht zulasten des Dritten in für diesen unerkennbarer Weise beschränken. Für möglich gehalten wird gleichwohl, das berechtigte Vertrauen des Dritten von vornherein auszuschließen, also dem Dritten gegenüber einen „Raum verdünnter Haftung“ zu schaffen. Überwiegend wird die Einschränkung der Gewährübernahme gegenüber dem Dritten für möglich gehalten und „dringend“262 angeraten. Die an einen wirksamen Ausschluss der Drittinteressen zu stellenden Anforderungen werden unterschiedlich beurteilt.263 Diese Unterschiede sind aus der bislang nicht einheitlichen dogmatischen Herleitung ungeregelter Berufspflichten gegenüber Dritten aus Gesetz, Vertrag oder Vertrauen zu erklären.264 Bei (berechtigter) Annahme einer Einschränkbarkeit der Pflichten gegenüber Dritten erledigen sich die Probleme nicht, sondern werden auf die Grenzziehung gegenüber den nach §§ 138, 242 BGB unzulässigen Gestaltungen265 und im hier zunächst zu behandelnden Zusammenhang auf die richterliche Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB verlagert. 2. Begrenzung der Dritthaftung Zwei Konstellationen sind zu unterscheiden: Erstens kann, wie nach Ziff. 9 Abs. 2 AAB-WP eine allgemeine Haftungsbeschränkung oder wie bei Ratingverträgen üblich, ein ausdrücklicher Ausschluss der Dritthaftung aufgenommen werden. Zweitens kann ein Haftungsausschluss gegenüber dem Auftraggeber vorgenommen worden sein, der sich auf die Rechte des Dritten auswirkt. In diesem letzteren Fall kommt es zusätzlich auf die Grenzen des Einwendungsdurchgriffs aus § 334 BGB an, auf den noch zurückzukommen ist.266 Der Abschlussprüfer kann sich nach dem zwingenden Haftungsmaßstab des § 323 Abs. 1 Satz 2 HGB gegenüber dem geprüften Unternehmen nicht von der Zum Ganzen MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 192 m. w. N., insbesondere Lorenz JZ 1960, 108, 110. 262 Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 HGB Rn. 21, 38a. 263 Canaris ZHR 163 (1999) 206, 231 will die Haftung nur auf Grundlage einer vertraglichen Absprache zwischen Schuldner und Drittem beschränken, dabei allerdings nach § 151 BGB auf den Zugang der Angebotsannahme durch den Dritten verzichten. Kritisch zu diesem Vorschlag Büttner Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten, 2006, S. 154 ff., 156 m. w. N. 264 Überblick bei Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 HGB Rn. 19 ff., 22. Näher Büttner Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten, 2006, S. 173 ff.; Hirte Berufshaftung, 1996, S. 386 ff. 265 Dazu 11. Kapitel: D.I (S. 393). 266 Siehe den folgenden Abschnitt. 261

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Haftung freizeichnen, ist nach dieser Vorschrift aber von vornherein nicht gegenüber Dritten verantwortlich.267 Gleichwohl bleibt nach der Rechtsprechung eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags möglich.268 Die von § 323 HGB ausgeschlossene Dritthaftung für das Testat lässt sich der Haftung für außerhalb der Pflichtprüfung liegende Verstöße von vornherein nicht entgegenhalten, sagt dann aber folgerichtig auch nichts über die Zulässigkeit einer Haftungsbegrenzung aus. Für sonstige Wirtschaftsprüferleistungen, zu denen auch Erweiterungen des Prüfungsauftrags zu zählen sind, sieht § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO abschließend die unter Verwendung von Ziff. 9 Abs. 2 AAB-WP umzusetzende Möglichkeit vor, die Haftung für einfache Fahrlässigkeit auf die vierfache Mindesthöhe der Deckungssumme nach § 54 Abs. 4 Satz 1 WPO (also auf 4 Millionen Euro)269 zu begrenzen.270 Umstrittenermaßen darf auch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden.271 Inwieweit die Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten wirkt, ist umstritten, zumal der Dritte von ihr – im Unterschied zur gesetzlichen Haftungsbeschränkung – nichts erfährt.272 In der wirtschaftsprüfernahen Literatur wird von der Spezialität des § 54a WPO gegenüber § 309 Nr. 7 lit. b BGB ausgegangen, mit der Folge, dass selbst bei Verbraucherbezug eine Begrenzung der Haftung für grob fahrlässig verursachte Schäden in Betracht kommen soll.273 Der in Ratingverträgen verwendete Ausschluss der Dritthaftung für einfache Fahrlässigkeit ist demgegenüber im Verhältnis zum Verbraucher nach § 309 Nr. 7 lit. b BGB unwirksam, und zwar auch dann, wenn er gegenüber dem unternehmerisch tätigen Auftraggeber nach § 310 Abs. 1 BGB zulässig ist.274 Gegenüber Unternehmern, die als vertraglich geschützte Dritte Ansprüche geltend machen, richtet sich die Angemessenheitsbeurteilung – wie für den unternehmerischen Auftraggeber – danach, ob in dem Haftungsausschluss eine vertragszweckgefährdende Einschränkung des Pflichtenprogramms i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu erkennen ist. Wie oben dargestellt, sprechen sich weite Teile der Literatur für die Annahme einer solchen Vertragszweckgefährdung, also die Unwirksamkeit der Klausel aus.275 Teilweise wird sogar stets ein Verstoß Ausgeschlossen ist auch eine Vertrauens- oder Berufshaftung gegenüber Dritten; Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 323 HGB Rn. 8. 268 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 10. 269 Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 WPO richtet sich die Mindestversicherungssumme für den einzelnen Versicherungsfall nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB, beträgt also 1 Million Euro. Die Haftungshöchstsumme von 4 Millionen Euro entspricht der in § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB für die Prüfung börsennotierter Aktiengesellschaften vorgesehenen Begrenzung. 270 Näher KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 19. 271 Dafür die wohl h.L. Zum Meinungsstand Stoffels ZIP 2016, 2389, 2390. 272 Dazu KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 11. 273 KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 12. Zum Meinungsstand Stoffels ZIP 2016, 2389, 2392. 274 MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 194. 275 Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.1.b (S. 360). 267

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gegen § 138 BGB angenommen.276 Die durch Rechtsprechung und Literatur ausgeformte Dogmatik des einzelfallbezogenen Sittenwidrigkeitsverdikts trägt dies nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, auf die zurückzukommen ist.277 Nach den so umrissenen Eckpunkten der Rechtslage kommt bei der Abschlussprüfung zwar keine Freizeichnung von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit gegenüber Dritten in Betracht, wohl aber die summenmäßige Begrenzung bei bestehendem Versicherungsschutz. Ratingagenturen sollen sich nicht von der Fahrlässigkeitshaftung freizeichnen dürfen, können ihre Haftung aber ebenfalls, wenn auch in noch ungeklärten Grenzen, summenmäßig beschränken.278 Ob auf die Haftungshöchstgrenzen des Abschluss- bzw. Wirtschaftsprüfers zurückgegriffen werden darf, ist fraglich, zumal sie auch im internationalen Vergleich als (zu) niedrig eingestuft werden.279 Das Bestehen einer Haftpflichtversicherung könnte als Argument für die Angemessenheit summenmäßiger Begrenzungen herangezogen werden, auch weil der Versicherungsschutz den Geschädigten in der Regel besser schützt als eine unbegrenzte persönliche Haftung.280 3. Grenzen des Einwendungsdurchgriffs Soweit keine unmittelbar auf den Ausschluss von Drittinteressen bezogene Klauselgestaltung gewählt ist, kann der Intermediär möglichen Ansprüchen nach § 334 BGB die ihm aus dem Verhältnis zum Auftraggeber zustehenden Einwendungen (und Einreden) geltend machen. Ein Dritter, der seine Rechte aus dem Hauptvertrag ableitet, ist an den in diesem Vertrag vereinbarten Leistungsumfang gebunden. Das gilt insbesondere für eine vertragliche Freizeichnung oder die Haftungsbeschränkung auf Grundlage von § 54a WPO i. V. m. Ziff. 9 Abs. 2, Abs. 3 AAB-WP.281 Der Haftungsausschluss gegenüber dem Auftraggeber schlägt also auf das Verhältnis zum Dritten durch. Allerdings hat der BGH den von § 334 BGB angeordneten Durchgriff eingeschränkt, wenn dem Sachverständigen bekannt war, dass „seinen gutachterlichen Äußerungen möglicherweise ein größeres Gewicht zukommt als den Angaben des Verkäufers selbst und deshalb sein Gutachten dazu geeignet ist, ein etwaiges Mißtrauen dieser Kaufinteressenten gegenüber der Richtigkeit der Angaben des

So v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. Selbst unter Drohung abgegebene Willenserklärungen sind gemäß § 123 Abs. 1 BGB (bloß) anfechtbar, nicht unwirksam. 278 Siehe bereits Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 11 f. 279 Siehe nur Max Planck Institute Working Group (Doralt, Koord.), 67 CLJ 62, 64 (2008). 280 Eingehend Büttner Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten, 2006, S. 163 ff., 166. 281 MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 194. Zum Ganzen Hirte Berufshaftung, 1996, S. 450 f. 276 277

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Verkäufers zu zerstreuen“.282 Je nach der „Natur“ des Deckungsverhältnisses zieht der BGH im Falle berechtigter Erwartungen des Dritten zudem eine stillschweigende Abbedingung des § 334 BGB in Betracht.283 Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Wertungen dienen der Schließung von Lücken der deliktischen Haftung und fließen in die Haftung aus vertraglicher Schutzwirkung zugunsten Dritter ein. Einschränkungen des Einwendungsdurchgriffs sind dann folgerichtig. In Bezug auf die Leistungen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation ist der Zweck einer Verwendung gegenüber Dritten allerdings praktisch stets erkennbar.284 Die weiteren Voraussetzungen, etwa ein Direktkontakt oder die offensichtliche Verwendung gegenüber möglicherweise auch anonymen, aber eben einzelner und identifizierbarer Verwender der Intermediationsleistung, sind demgegenüber im kapitalmarktlichen Zusammenhang nur in Ausnahmefällen erfüllt.285 Der Ausschluss oder die stillschweigende Abbedingung des Einwendungsdurchgriffs wird deshalb in der Regel nicht zu begründen sein.

D. Absprachegrenzen Marktschädigenden Absprachen setzt die Rechtsordnung unter verschiedenen Gesichtspunkten Grenzen. Historisch gewachsenen Schutz bietet das Verbot sittenwidriger Absprachen nach § 138 BGB, dessen Einsatz allerdings nach modernem Verständnis nur in engen Grenzen über das Parteienverhältnis hinaus erstreckt werden kann.286 Stärker auf den Marktzusammenhang zugeschnitten ist das Lauterkeitsrecht der §§ 1 ff. UWG mit seinen auf die Funktionsfähigkeit des AngebotNachfrage-Mechanismus zielenden Sanktionen, deren Reichweite im kapitalmarktbezogenen Zusammenhang nicht abschließend geklärt ist.287 Spezifisch auf die Unterbindung von Beeinträchtigungen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zugeschnitten ist letztlich allein das Verbot der Marktmanipulation aus Art. 15 EU-MarktmissbrauchsVO, in dessen Anwendungsbereich abstrakt kapitalmarktschädigenden Intermediationsabsprachen die Geltung versagt wird.288

282 BGH, Urt. v. 10.11.1994 – III ZR 50/94 (Dachstuhl), BGHZ 127, 378, Juris-Tz. 26. Eingehend hierzu Büttner Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten, 2006, S. 136. 283 BGH, Urt. v. 17.1.1985 – VII ZR 63/84, BGHZ 93, 271, Juris-Tz. 13 (Chartervertrag zugunsten des Reisenden; keine Berechtigung der Fluggesellschaft, dem Reisenden die Nichtleistung des Reiseveranstalters entgegenzuhalten). 284 Insoweit zutreffend v. Schweinitz WM 2008, 953, 957 allerdings mit zu weit gehender Schlussfolgerung eines stets gemäß § 138 BGB unwirksamen Ausschlusses der Drittinteressen. 285 Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 286 Abschn. I. 287 Abschn. II (S. 395). 288 Abschn. III (S. 400).

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I. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) Bereits nach der später im Maßstab von Treu und Glauben nach § 242 BGB aufgegangenen Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen wurde das Sittenwidrigkeitsverdikt aus § 138 BGB zur Unterbindung marktschädigenden Verhaltens eingesetzt.289 Nach heutigem Verständnis stellt das Verbot sittenwidriger Absprachen der Privatautonomie in den Bereichen unumstößliche Außenschranken, die nicht durch speziellere Regeln wie die besprochenen §§ 305 ff. BGB erfasst sind. Dem Verbot kommt außerdem Vorrang vor dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB zu, der als Innenschranke im Verhältnis zwischen den beteiligten Parteien gilt.290 Zu den einschneidenden Rechtsfolgen des Sittenwidrigkeitsverdikts gehört der Ausschluss der Rückforderung gewährter Leistungen nach § 817 Abs. 2 BGB. Das Verbot dient dazu, der nicht positivierten Ordnung, also den der Privatrechtsordnung immanenten Grundwerten zur Geltung zu verhelfen.291 Dazu wird den gegen Grundvorstellungen verstoßenden, also sittenwidrigen Rechtsgeschäften die Wirksamkeit versagt (Eliminations- und Abschreckungszweck). Die Norm bietet, wie von Gunther Teubner herausgearbeitet, Ansatzpunkte zur Rezeption und Einbeziehung sich wandelnder privater Interaktionsprozesse (Transformationsfunktion) und schafft dazu auch eine originäre Berechtigung der richterlichen Fortbildung verfestigter Grundüberzeugungen (Legitimationsfunktion).292 Die Möglichkeiten zur richterlichen Ingriffnahme neuartiger und komplexer Formen marktschädigender Absprachen sind – wie vornehmlich im Zusammenhang mit der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB diskutiert293 – kaum zu unterschätzen. Insofern bietet § 138 BGB auch einen Ansatzpunkt für die Sanktionierung einer Manipulation von kapitalmarktbezogenen Erwerbsentscheidungen Dritter.294 Als Drehscheibe für den Umgang mit im geschäftlichen Verkehr und ohne Ausnutzung struktureller Verhandlungsungleichgewichte zustande gekommener Absprachen ist das Sittenwidrigkeitsverdikt des § 138 BGB aber nur eingeschränkt geeignet, zumal sich mit einem zu weit gehenden Einsatz die Gefahr verbindet, dem auf Privatautonomie setzenden Vertragsrecht fremde Wertungen unterzuschieben. Das im Folgenden zu besprechende Einsatzfeld des § 138 BGB betrifft den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsfreiheit, darunter die Ausnutzung von Machtpositionen und auch standeswidriges Verhalten, vor allem aber die gezielte Absprache zur Schädigung Dritter (Kollusion). Zur Entwicklung 11. Kapitel: C.I (S. 381 f.). Zur Abgrenzung MünchKommBGB7- Schubert § 242 Rn. 131. 291 MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 1 ff. 292 Teubner Standards und Direktiven in Generalklauseln, 1971, S. 65 ff., 99, 106. Zum diesem verfestigten Verständnis MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 3. 293 Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 507 ff.). 294 MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 36. 289 290

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

1. Ausnutzung von Machtpositionen Eine faktische Machtposition des Intermediärs kann sich etwa aus der regulatorischen und finanziellen Angewiesenheit des Emittenten auf eine Bonitätsbeurteilung ergeben.295 Schon angesichts der möglicherweise wenigen, aber doch vorhandenen Wettbewerber im Ratinggeschäft wird die Versagung der nicht unter gesetzlichen Kontrahierungszwang gestellten Intermediationsleistung ebenso wenig wie eine hohe Honorarforderung je das invasive Sittenwidrigkeitsverdikt stützen können. Umgekehrt mögen Erfolgshonorare, etwa für das Gelingen einer Transaktion auf Grundlage der Intermediationsleistung, zwar gegen einschlägiges Berufsrecht verstoßen und – gestützt auf eine dahingehende Wertentscheidung des Gesetzgebers – eine Nichtigkeit nach § 134 BGB auslösen.296 An die von § 138 BGB geschützten Grundfesten der Rechtsordnung reicht dies aber nicht ohne Weiteres heran. 2. Standeswidriges Verhalten Verstöße gegen das Standesrecht der freien Berufe, insbesondere das der Wirtschaftsprüfer, können wie vom BGH im Jahr 1996 zur Steuerberatung entschiedenen Fall unter dem Gesichtspunkt zur Nichtigkeit führen, dass es sich um einen „für die Allgemeinheit wichtigen Berufsstand“297 und auf den Dienst am Gemeinwohl verpflichteten, also einen ethisch gebundenen Beruf handelt.298 Trotz der faktisch vergleichbaren Wirkungen anderer kapitalmarktlicher Intermediationsleistungen lässt sich dies aber nicht ohne Weiteres auf Ratingagenturen oder Finanzanalysten übertragen. Ohne eine gesetzgeberisch anerkannte standesrechtliche Normsetzung fehlt die Grundlage für die Annahme einer Verletzung der von § 138 BGB geschützten rechtlichen Grundwerte. Nach der Rechtsprechung reicht zudem nicht jede, sondern nur die Verletzung einer wichtigen Standespflicht aus.299 3. Drittschädigung (Kollusion) Strukturell am nächsten steht der marktschädigenden Absprache die anerkannte Fallgruppe des kollusiven Zusammenwirkens zwischen Vertreter und Geschäftsgegner zum Nachteil des oder der Vertretenen.300 Ein solches Zusammenwirken Übergreifend zu dieser Fallgruppe MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 35. Z. B. bei Verstoß gegen das Verbot des Erfolgshonorars nach § 55 Abs. 1 Satz 1 WPO; BGH, Urt. v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, Juris-Tz. 12. Dazu KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 14. 297 BGH, Urt. v. 21.3.1996 – IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229, Juris-Tz. 21. 298 Zum Ganzen MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 47. 299 BGH, Urt. v. 28.2.1963 – VII ZR 167/61, BGHZ 39, 142, Juris-Tz. 42. 300 Zum Ganzen MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 96. 295 296

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wird als sittenwidrig eingeordnet, wenn sich im Verhalten des Vertreters ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit und ein Mangel an Loyalität im Rechtsverkehr manifestieren. Das Sittenwidrigkeitsverdikt mit der Folge der Nichtigkeit bezieht sich dann sowohl auf die zugrunde liegende Absprache zwischen Vertreter und Geschäftsgegner als auch auf das Geschäft des Vertretenen. Das Verbot ist rechtsgeschäftlich einzuordnen. Seine Anwendung auf die Verletzung von Interessen des anonymen Marktpublikums kommt bestenfalls reflexartig in Betracht, wenn die Absicht zur Verwendung gegenüber einem bestimmten Anleger oder einer bestimmbaren Anlegergruppe ins Auge gefasst wurde.301 Festzustellen ist dies nur selten mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit. Die Ergebnisse mögen im Einzelfall unbefriedigend bleiben. Das Sittenwidrigkeitsverdikt eignet sich aber schlichtweg nicht zur Lösung von Interessenkonflikten im Marktverhältnis. Mit Zweifeln zu versehen sind deshalb Überlegungen, Probleme der Intermediationsabsprache über § 138 BGB zu lösen.302 Die bereits unter dem AGBrechtlichen Transparenzgebot besprochene Vereinbarung zwischen Emittenten und Ratingagentur zur Absenkung des Haftungsmaßstabs ist trotz erkennbarer Verwendungsabsicht im kapitalmarktlichen Zusammenhang keine Kollusion zulasten einzelner Anleger.303

II. Unlauterkeit (§§ 1 ff. UWG i. V. m. §§ 134, 138 BGB) Bereits in seiner Stiftung-Warentest-Rechtsprechung hatte der BGH ein wettbewerbsrechtliches Verbot für nicht neutral erstellte Beurteilungen angedacht.304 Das Lauterkeitsrecht dient nach § 1 Satz 2 UWG neben dem Individualschutz dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Es stellt sich also Beeinträchtigungen des für die private Marktzugangskontrolle im Ausgangspunkt maßgeblichen Vertragsmechanismus entgegen. Zur Durchsetzung seiner Verbotstatbestände sieht das UWG Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 8), Schadensersatz (§ 9) und Gewinnherausgabe (§ 10) vor.305 Die Ansprüche stehen insbesondere Mitbewerbern (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG), nicht aber sonstigen Betroffenen wie Privatanlegern zu. Infolgedessen ist zu unterscheiden zwischen erstens den Möglichkeiten von Mitbewerbern, Marktschädigungen zu unterbinden, zweitens den Wirkungen des Wettbewerbsverstoßes auf das Erwerbsgeschäft des Anlegers (Folgevertrag) und drittens 301 Im Einzelnen bei der Diskussion um die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB im 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 507 ff.). 302 So v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. 303 Anders v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. 304 BGH, Urt. v. 9.12.1975 – VI ZR 157/73 (Warentest II), BGHZ 65, 325, 328, JurisTz. 19 ff. Näher zur Stiftung-Warentest-Rechtsprechung oben 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff.). 305 Im Überblick Köhler / BornkammUWG35-Bornkamm § 8 UWG Rn. 1.1.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

den Folgen für die zwischen Auftraggeber und Intermediär getroffene Intermediationsabsprache selbst (Basisvertrag). 1. Mitbewerber Die Geltendmachung von Ansprüchen durch Mitbewerber setzt eine geschäftliche Handlung voraus, die in Wettbewerbsabsicht vorgenommen wurde und zur Irreführung geeignet ist. Im Zusammenhang mit kapitalmarktbezogenen Informationssachverhalten stellen sich bislang selten beleuchtete Abstimmungsprobleme zwischen den Regelungszielen von einerseits Lauterkeits- und andererseits Kapitalmarktrecht.306 Das Lauterkeitsrecht setzt der Verwendung von Informationen zu Wettbewerbszwecken Grenzen und steht insgesamt für die Vermeidung einer Irreführung des Markts.307 Demgegenüber ordnet das Kapitalmarktrecht Publizitätspflichten mit dem Ziel an, ein informationsbedingtes Marktversagen zu verhindern.308 An den Kapitalmarkt gerichteten Pflichtinformationen kann deshalb eine „Doppelnatur zwischen der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht und dem Handeln im geschäftlichen Verkehr“309 zukommen. Während die in Prospekte aufzunehmenden Primärmarktinformationen gleichwohl in wettbewerbsrechtlich relevanter Absatzabsicht i. S. d. § 2 Abs. l Nr. l UWG veröffentlicht sein sollen, wird diese Einordnung für die Sekundärmarktpublizität bezweifelt, weil die Wertpapiere bereits zirkulieren und ein höherer Börsenkurs nicht zu einem weiteren Absatz führen könne.310 Auf die Senkung der Finanzierungskosten etwa bei einer Kapitalerhöhung ziele die Information ebenfalls nicht ab, weil unsicher sei, ob sie bis zu diesem Zeitpunkt fortwirke.311 Allenfalls bei zeitnaher Ausnutzung eines nach § 202 AktG genehmigten Kapitals könne dies anders zu beurteilen sein.312 Diese Überlegungen sind auf Ad-hoc-Mitteilungen i. S. d. Art. 17 Abs. 1, 7, 8 EU-MarktmissbrauchsVO zugeschnitten und stellen vor allem die nach der Rechtsprechung des BGH anzunehmende Vermutung der Wettbewerbsabsicht bei geschäftlichem Handeln in Frage.313 In Bezug auf die vorliegend behandelten Informationen muss hierzu die Feststellung genügen, dass sich die zahlreichen Probleme aus der Verabredung (zu) positiver Beurteilungen von vornherein nicht stellen würden, hätte der Emittent kein subjektives Interesse an den objekSo der Befund bei Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 391 ff. Vorausgegangen Lettl ZGR 2003, 853. 307 RegE UWG, BT-Drucks. 15/1487 v. 22.8.2003, S. 12. 308 Siehe nur Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F23; GroßkommStaubHGB5BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 30. 309 Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 399. 310 Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 403, 416. 311 Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 403. 312 Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 404. 313 BGH, Urt. v. 25.6.1992 – I ZR 60/91 (Erdgassteuer), NJW 1992, 3304, Juris-Tz. 22. 306

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tiv messbaren Marktreaktionen. Besonders deutlich ist dies bei Bonitätsbeurteilungen, deren Ergebnis sich nachweisbar auf die Fremdkapitalkosten des Emittenten auswirkt.314 Insoweit ist die Vermutung der Wettbewerbsabsicht bei vom Emittenten veranlasster Veröffentlichung der Intermediationsleistung also nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Zutreffend werden aber Brüche mit dem in zahlreichen kapitalmarktrechtlichen Normen zum Ausdruck kommenden Interesse an der Informationsversorgung des Markts erkannt.315 Wie Beschränkungen der Haftung für unwahre Kapitalmarktinformationen auf grobe Fahrlässigkeit zeigen – etwa nach §§ 37b Abs. 2, 37c Abs. 2 WpHG –, löst der Gesetzgeber die Unterscheidungsschwierigkeiten in Bezug auf zutreffende und unzutreffende Kapitalmarktinformation zugunsten einer nicht durch Überabschreckung beeinträchtigten Informationsversorgung des Markts auf. Zu Brüchen mit dieser Zielsetzung käme es, wenn die unter Zeitdruck zu erstellenden Ad-hoc-Mitteilungen der uneingeschränkten lauterkeitsrechtlichen Nachprüfung unterlägen. Dies gilt umso mehr, als das Lauterkeitsverfahren typischerweise im einstweiligen Rechtsschutz, also mit einer summarischen Prüfung beginnt, die ihrer Natur nach für Fehleinschätzungen anfällig ist.316 Der UWG-Reformgesetzgeber sah vor diesem Hintergrund im Jahr 2003 von der Anerkennung individueller Verbraucherrechte ab.317 Wird aus diesen Gründen auf die vom BGH aufgestellte Vermutung für das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung verzichtet, kämen die lauterkeitsrechtlichen Sanktionen allein bei Nachweis der Wettbewerbsabsicht zum Tragen. Ihr Anwendungsbereich beschränkte sich dadurch letztlich auf evident unrichtige Pflichtinformationen und auf freiwillige Informationen. Inwieweit diese Überlegungen auch für die hier behandelten, zum Teil verpflichtenden, zum Teil faktisch erforderlichen, aber im Übrigen freiwilligen Intermediationsleistungen Geltung beanspruchen können, ist nicht einheitlich zu beantworten. Bei der Abschlussprüfung ließe sich die Vermutung der Wettbewerbsabsicht angesichts ihrer gesetzlichen Anordnung nach § 316 HGB und auch vor dem Hintergrund der Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit des Prüfers widerlegen. Anlass für die Vermutung einer Wettbewerbsabsicht bestünde von vornherein allenfalls bei evident zu vorteilhaftem Prüfungsergebnis. Dann spricht zwar grundsätzlich nichts gegen den Einsatz des Lauterkeitsrechts. Nur ordnet bereits § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG die Nichtigkeit des Jahresabschlusses an, wenn wie in den Betracht kommenden Konstellationen abgesprochener Prüfungsergebnisse ein Befangenheitsgrund des Abschlussprüfers i. S. d. § 319 Abs. 1 HGB gegeben ist. 314 315 316 317

Zur Empirik 7. Kapitel: A.III (S. 186 ff.). Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 402 ff., 414. Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 413. RegE UWG, BT-Drucks. 15/1487 v. 22.8.2003, S. 22.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Für Bonitätsbeurteilungen ist der Verschuldensmaßstab nach der spezialgesetzlichen Haftungsnorm des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO i. d. F. 2013 zwar wie nach den zuvor genannten §§ 37b Abs. 2, 37c Abs. 2 WpHG auf grobe Fahrlässigkeit abgesenkt. An der für Ad-hoc-Mitteilungen vorgeschlagenen lauterkeitsrechtlichen Behandlung bestehen aber Zweifel, zum einen weil Ratings (jedenfalls nicht zwingend) unter vergleichbarem Zeitdruck erstellt werden. Zum anderen deuten die umfangreichen regulatorischen Vorgaben nach der EGRatingVO auf den Vorrang der ordnungsgemäßen Erstellung hin. Zu rechtfertigen wären Einschränkungen der Rechte von Mitbewerbern deshalb allenfalls bei Gefahren einer missbräuchlichen Geltendmachung der Unrichtigkeit und Irreführung. Auch im summarischen Verfahren ist dazu nach der StiftungWarentest-Rechtsprechung318 die Unvertretbarkeit der Beurteilung glaubhaft zu machen. Sofern dies gelingt, ergibt sich kein Bruch mit dem (zurückgenommenen) wertpapierhandelsrechtlichen Interesse an der Richtigkeit sekundärmarktbezogener Informationen. Für Finanzanalysen fehlt eine gesetzliche Entscheidung zur Absenkung des Haftungsmaßstabs. Aus den soeben zum Rating angeführten Gründen dürfte es aber ohnehin nicht zu korrekturbedürftigen Wertungsbrüchen kommen. 2. Vertragsparteien Sofern der Basisvertrag (Intermediationsvertrag) zur Begehung einer wettbewerbswidrigen Handlung verpflichtet, ist er der Rechtsprechung des BGH folgend zwar gemäß § 134 BGB nichtig.319 Als unlauteres Verhalten einzuordnende Abspracheinhalte dürften aber selten vorkommen. Sie sind jedenfalls schwer nachweisbar. Die Absprache mit dem Intermediär, in seiner veröffentlichten Beurteilung wahrheitswidrig die Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes anzugeben, wäre zwar ein unlauteres Verhalten i. S. d. § 3 Abs. 3 i. V. m. Anh. Nr. 1 UWG,320 wird aber selten in äußerlich erkennbarer Form getroffen werden. Immerhin gelten Kapitalmarktinformationen wie Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG (umstrittenermaßen) als markt- und unternehmensbezogene geschäftliche Äußerungen i. S. d. § 3 Abs. 2 UWG.321 Sanktionsvoraussetzung ist aber ein (selten zu Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff.). BGH, Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 19/87, BGHZ 110, 156, Juris-Tz. 53. In der Literatur wird jedenfalls für den einseitigen Regelverstoß die Beurteilung als anfängliche rechtliche Unmöglichkeit als sachgerechter erachtet. Anwendbar sein soll § 134 BGB nur, wenn beide Parteien gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen; Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 3 UWG Rn. 10.6. Näher Dazu Köhler JZ 2010, 767, 769 f. 320 „Stets“ unzulässig ist das Verhalten allerdings nur gegenüber Verbrauchern. Näher Harte-Bavendamm / Henning-BodewigUWG3-Henning-Bodewig Anh. zu § 3 Abs. 3 Rn. 1 ff.; Köhler / BornkammUWG35-Köhler Anh. zu § 3 UWG Rn. 1.3. 321 Das weitgefasste Kriterium der „geschäftlichen Handlung“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist dann erfüllt; Harte-Bavendamm / Henning-BodewigUWG3-Keller § 2 Rn. 28. 318 319

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ermittelnder) Absatzförderungszusammenhang oder ein (schwer festzustellender) Verstoß gegen die mitbewerberbezogenen lauterkeitsrechtlichen Pflichten.322 Überlegt wird, bei unbeauftragten Ratings ein Absatzförderungsinteresse zugunsten des Emittenten anzunehmen, wenn die Agentur diesen als zukünftigen Kunden gewinnen möchte.323 Der Nachweis eines konkreten eigenen wirtschaftlichen Interesses der Ratingagentur wird nur selten gelingen, zumal sich die Agentur darauf berufen wird, mit ihren Beurteilungen zum gesamtmarktlichen Interesse einer verbesserten Informationsabdeckung beizutragen.324 Rechtsfortbildungen unter der „großen Generalklausel“ des § 3 Abs. 1 UWG sind prinzipiell denkbar, aber nicht in greifbarer Nähe.325 In anderen Zusammenhängen wird an eine Verkehrspflicht aus Ingerenz gedacht, nach der lauterkeitsrechtliche Gefahrenlagen vom Verantwortlichen zu überwachen sind.326 Auf das Unterlassen einer regelmäßigen Überprüfung einmal veröffentlichter Bonitätsbeurteilungen oder Finanzanalysen sind diese Überlegungen bislang (wohl zu Recht) nicht ausgedehnt worden, zumal angesichts der kurzen Verfallzeiten des (objektiven) Informationswerts kaum lösbare Zurechnungsprobleme entstünden. 3. Investor Der auf Grundlage des unlauteren Verhaltens zustande gekommene Folgevertrag (Erwerb des Finanztitels) ist als solcher in der Regel nicht nach § 134 BGB nichtig,327 schon weil es sich bei den unionsrechtlichen Vorgaben umsetzenden §§ 3, 7 UWG nicht um Verbotsgesetze handelt.328 Teilweise wird aus der Erstreckung des Schutzbereichs auf Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer gefolgert, dass unlauteres Verhalten zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der dadurch beeinflussten Verträge nach § 138 BGB führe.329 Dies widerspräche aber der für das Sittenwidrigkeitsverdikt erforderlichen Gesamtwürdigung330 und stünde systematisch im Widerspruch zu § 123 BGB, wonach selbst für den Fall der arglistigen Täuschung als Rechtsfolge nur die Anfechtbarkeit vorgesehen ist.331 Nach der Recht-

Harte-Bavendamm / Henning-BodewigUWG3-Keller § 2 Rn. 28. Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 2 UWG Rn. 56 unter Verweis auf die Praxisbeobachtungen bei v. Randow ZBB 1996, 85, 88. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 550. 324 Zu den genannten Kriterien Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 2 UWG Rn. 54. 325 Zum Stand Harte-Bavendamm / Henning-BodewigUWG3-Podszun § 3 Rn. 1 ff. 326 Näher Harte-Bavendamm / Henning-BodewigUWG3-Podszun § 3 Rn. 84 f. 327 BGH, Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 19/87, BGHZ 110, 156, Juris-Tz. 53. 328 Siehe Art. 3 Abs. 2 EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Dazu EuGH, Urt. v. 15.3.2012 – C-453/10 (Pereničová und Perenič), WM 2012, 2046, Juris-Tz. 46: Keine Auswirkung auf Wirksamkeit des Vertrags. Zum Ganzen Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 3 UWG Rn. 10.3; allgemeiner MünchKommBGB7-Armbrüster § 134 Rn. 67. 329 Nassall NJW 2006, 127, 128 ff. 330 MünchKommBGB7-Armbrüster § 138 Rn. 8. 322 323

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

sprechung des BGH332 sind deshalb besondere Umstände im Einzelfall erforderlich, die das Geschäft als unvereinbar mit den grundlegenden Werten der Sittenund Rechtsordnung erscheinen lassen.333

III. Marktmanipulation (§ 134 BGB i. V. m. Art. 15 EU-MarktmissbrauchsVO) Spezifisch auf den Schutz des kapitalmarktbezogenen Informationsaustauschs zugeschnitten sind die wertpapierhandelsrechtlichen Regeln, darunter das Verbot der Marktmanipulation aus Art. 15 EU-MarktmissbrauchsVO (früher: § 20a WpHG). Zur Verwirklichung des Tatbestands der Marktmanipulation ist weder eine Vertrauensverletzung erforderlich noch muss sich die Information an einen bestimmten Adressatenkreis richten.334 Die unionsrechtlichen Regeln zur Marktmanipulation werden durch die 2014 verabschiedete EU-MarktmissbrauchsVO (Verbot) mit dazugehöriger EU-Marktmissbrauchsrichtlinie (strafrechtliche Sanktionen) verschärft.335 Es bleibt aber dabei, dass Absprachen, die auf eine Marktmanipulation zielen, gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB verstoßen.336 Bei einem organisierten Zusammenwirken zwischen Auftraggeber und Intermediär liegt ein zweiseitiger Verstoß vor, der zur Nichtigkeit der Abrede und zum Ausschluss der Rückforderung gewährter Leistungen nach § 817 Abs. 2 BGB führt.337 Rating- und Finanzanalysten zählen zu den Adressaten des Manipulationsverbots.338 Als Tathandlung kommt die informationsgestützte Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c EU-MarktmissbrauchsVO in Betracht, also ein gezieltes Streuen von falschen oder irreführenden Informationen.339 Auswirkungen auf den Börsen- oder Marktpreis sind aber nur denkbar, wenn die Informationen zur Grundlage von Investitionsentscheidungen werden. Erforderlich ist also eine verfestigte Stellung des Informationsgebers am Markt, die bei den großen Ratingagenturen, aber auch bei etablierten Finanzanalysten gegeben ist.340 BGH, Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982, Juris-Tz. 11. Näher Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 3 UWG Rn. 10.3 ff. Bork Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl., 2016, Rn. 1089, 1103 zum Vorrang gegenüber § 134 BGB. 332 BGH, Urt. v. 29.6.2005 – VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991, Juris-Tz. 19. 333 Zu den nach § 138 BGB in Betracht kommenden Umständen 11. Kapitel: D.I (S. 393 ff.). 334 Assmann / SchneiderWpHG6-Vogel § 20a Rn. 60, 70; KölnKommWpHG2-Stoll § 20a Rn. 172, 177. 335 Art. 12 ff., 15 EU-MarktmissbrauchsVO und Art. 3 ff. EU-Marktmissbrauchsrichtlinie. Zum Entwurfsstadium KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 50 ff. (allgemein), Rn. 166 ff. (informationsgestützte Manipulation). 336 KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 512. 337 KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 513. 338 Assmann / SchneiderWpHG6-Vogel § 20a Rn. 56 ff. 339 Zur Neuregelung Poelzig NZG 2015, 528, 535. 340 Zur KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 9 (zur Finanzanalyse). 331

11. Kapitel: Vertrag

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Überwiegend wird allerdings davon ausgegangen, dass Meinungsäußerungen und Prognosen nicht erfasst sind, wenn ihnen kein nachprüfbarer Tatsachenkern zugrunde liegt.341 Auf welche Weise eine professionelle Analystenmeinung zu wirtschaftlichen Sachverhalten ohne nachprüfbaren Tatsachkern gebildet werden könnte, bleibt dabei offen.342 Im Wege der delegierten Verordnungsgebung zur EU-MarktmissbrauchsVO könnte die Europäische Kommission künftig weitere Anleitung geben. Nach der von der BaFin im Emittentenleitfaden gewählten Formulierung erfasst das Verbot sowohl „Tatsachenmitteilungen als auch Werturteile (einschließlich Meinungsäußerungen und Einschätzungen) und Prognosen, wenn sie sich aus einem Tatsachenkern plausibel ableiten lassen“.343 Bei fehlender Plausibilität läge zugleich ein Verstoß gegen die nach der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung des BGH zu stellenden Sorgfaltsanforderungen vor.344 Eine Fortführung der bereits dargestellten Diskussion um die Bestimmung der vertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit professionellen Meinungen ist insoweit nicht geboten, wie die weiteren Ausführungen der BaFin zeigen: „Ist die Information frei erfunden (Gerüchte oder Empfehlungen und Warnungen ohne jeglichen sachlichen Grund), ist dies als sonstige Täuschungshandlung […] verboten.“345 Es besteht also letztlich nur ein Zuordnungsproblem zu einem der in Betracht kommenden Verbotstatbestände.346 In Bezug auf „sonstige Täuschungshandlungen“ benennt § 4 Abs. 2 Nr. 1 f. MaKonV zwei (mögliche) Anzeichen, bei deren Vorliegen es auf das Ergebnis einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände ankommt. Dazu zählen die sowohl für Rating als auch Finanzanalyse in Betracht kommende Weitergabe von unrichtigen oder irreführenden Informationen im Vorfeld oder im Nachgang einer Transaktion (Nr. 1) und konkret die Erstellung oder Weitergabe unrichtiger, fehlerhafter, verzerrender oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusster Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen (Nr. 2). Im Ergebnis führt der Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation zwar zur Nichtigkeit der Absprache. Dies betrifft aber nur das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Intermediär. Größeres Gewicht kommt der behördlichen Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit nach § 39 WpHG (n. F. nach 31.12.2017) und den Haftungsansprüchen geschädigter Anleger nach §§ 37b, 37c WpHG sowie möglicherweise nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB zu.347 Der

341 Noch zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG Assmann / SchneiderWpHG6-Vogel § 20a Rn. 68 m. w. N. A. A. KölnKommWpHG2-Stoll § 20a Rn. 174, jeweils m. w. N. 342 KölnKommWpHG2-Stoll § 20a Rn. 175. 343 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., Abschn. VI.3.2.1.2 (Stand: 15.7.2005). 344 Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff.). 345 Noch zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., Abschn. VI.3.2.1.2 (Stand: 15.7.2005), Kursivdruck hinzugefügt. 346 So auch Assmann / SchneiderWpHG6-Vogel § 20a Rn. 71 („Verschiebebahnhof“). 347 Überblick bei KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 466 ff., 470 ff.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

damit erneut angesprochenen Diskussion um die haftungsrechtliche Verhaltenssteuerung widmet sich das folgende Kapitel.

E. Leistungsgrenzen des Vertragsrechts (Zusammenfassung) 1. Die private Marktzugangskontrolle baut auf Marktkräfte (Abschnitt A, S. 345 ff.). Marktkräfte setzen sich aus der Summe der Einzelentscheidungen privatautonom handelnder Parteien zusammen. Werden diese Einzelabsprachen im Verhandlungsgleichgewicht getroffen, vermitteln sie eine einzelfallbezogene Richtigkeitsgewähr, die sich über eine Vielzahl von Einzelfällen zur Richtigkeitsgewähr der Marktkräfte ausformt. Die Annahme einer dem raschen Wandel der kapitalmarktlichen Austauschbedingungen gerecht werdenden privaten Marktzugangskontrolle gründet auf ihre Unterwerfung unter das Angebot-undNachfrage-Prinzip. Dem Angebot-Nachfrage-Prinzip verhilft das Vertragsrecht zur Geltung. Das Vertragsrecht ist deshalb Ausgangspunkt der privaten Informationsintermediation und der auf diese zurückgreifenden Reglungsstrategien. Maßgebliche Schwächen ergeben sich aus dem Auseinanderfallen der für ein Verhandlungsgleichgewicht kennzeichnenden Faktoren der Risikotragung und -kontrolle. Von den Risiken schädlicher Wirkungen der häufig zwischen Emittenten und Intermediär getroffenen Absprache sind Außenstehende betroffen. Als Vertragsdritte haben sie keinen Einfluss auf den Abspracheinhalt. Aus dieser Trennung von Risiko und Kontrolle folgen Strukturprobleme, die zusammenfassend in der Möglichkeit zur Bestimmung eines vertraglichen Pflichtenprogramms unterhalb der Erwartungen an die kapitalmarktliche Informationsintegrität angelegt sind (gegebenenfalls im Wege der Rechtsordnungsarbitrage).348 Diese Probleme werden in einer zu den hier behandelten Formen der Informationsintermediation vergleichbaren Art und Weise auch bei anderen oder neu hinzutretenden Intermediationsleistungen auftreten. 2. Eine allein auf den Vertragsmechanismus bauende Absicherung der Rolle von privaten Informationsintermediären als Kontrolleure des Marktzugangs ist nur eingeschränkt leistungsfähig (Abschnitt B, S. 358 ff.): Zwar werden Gerichte die in ausgreifender Literatur geäußerten Bedenken gegen die Bestimmbarkeit der Anforderungen an die verkehrsübliche Sorgfalt bei probabilistischen Aussagen überwinden können (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung, peers als Sachverständige, Unwirksamkeit der Freizeichnung von vertragswesentlichen Pflichten). Über Kodexwerke (codes of conduct) entstehen zudem Selbstbindungen, die sich wie berufsständische Vorgaben zu verkehrsüblichen Pflichten verdichten können, die auch Drittinteressen berücksichtigen. Im Wege der richterlichen Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB sind Drittinteressen aber nur unter engen Voraussetzungen durchsetzbar. Auf das anonyme Marktverhältnis ist das Institut 348

Dazu 11. Kapitel: A.I.3 (S. 349).

11. Kapitel: Vertrag

403

der Klauselkontrolle nicht zugeschnitten, zahlreiche Versuche der Dehnung rechtsgeschäftlicher Grundsätze gelten als überkommen (sozialtypisches Verhalten, faktischer und stillschweigender Vertrag). Zur Einbeziehung Dritter in den Vertrag kommt es selten (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).349 Aus Sicht des Schutzes der kapitalmarktlichen Informationsintegrität ergeben sich Sollbruchstellen aus der Interessenwahrungspflicht des Intermediärs und der darin verbürgten Vertraulichkeit von Negativbeurteilungen sowie des privatautonom bestimmbaren Umgangs mit der Korrektur von Fehlinformationen. 3. Am Beispiel von Bonitätsbewertungen sind die Wirkungen üblicher Klauselgestaltungen auf unbeteiligte Gläubiger zu verdeutlichen (Abschnitt C, S. 380 ff.): Während Zinsanpassungen infolge einer Ratingherabstufung bloß graduell erfolgen, verbindet sich mit ratingakzessorischen Nachbesicherungspflichten die Gefahr eines Schuldnerausfalls. Bei gleichgerichteten Risiken oder synchronisierten Vertragsbedingungen kommt es zum simultanen Ausfall einer Vielzahl von Schuldnern (Klippen- und Kaskadeneffekte). Aus der Unzulässigkeit unangemessener Benachteiligungen, insbesondere intransparenter Gestaltungen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, ist aber kaum ein (reflexartiger) Schutz der Drittbetroffenen herzuleiten. Dem vergleichbar kommt nur in den (wenigen) für vertragliche Schutzwirkungen geeigneten Fällen eine Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses „zulasten“ drittgeschädigter Anleger nach § 307 BGB oder die Verweigerung des Einwendungsdurchgriffs des Auftraggebers nach § 334 BGB zugunsten des Dritten in Betracht. 4. Auf ein hinreichend durchsetzungsfähiges Verbot marktschädigender Absprachen sind die an den Vertragsmechanismus anknüpfenden Rechtsinstitute schlichtweg nicht angelegt (Abschnitt D, S. 392 ff.): Die Außengrenze der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB wird letztlich nur bei Absprachen überschritten, die auf eine Schädigung bestimmter Anleger oder zumindest bestimmbarer Anlegergruppen zielen. Der wettbewerbsrechtliche Verbotstatbestand des § 1 UWG führt nur bei unvertretbaren Ergebnissen zu lauterkeitsrechtlichen Sanktionen, die zudem vom Mitbewerber einzuleiten wären. In der Folge sind sowohl das Erwerbsgeschäft des Anlegers als auch der Intermediationsvertrag zwischen Auftraggeber und Intermediär kaum einer Nichtigkeitsandrohung aus § 134 BGB wegen Unlauterkeit ausgesetzt. Weiterzuverfolgen sind demgegenüber die mit Verstößen gegen das auf eine spezifische Vertrauensverletzung verzichtende Verbot der Marktmanipulation und die damit verbundenen Androhungen behördlicher Sanktionen. 5. Die wichtigste Erkenntnis aus der Durchleuchtung der vertragsrechtlichen Grundlagen betrifft das Auseinanderfallen von Risikotragung und -kontrolle. Von den Wirkungen der Intermediationsabsprache sind Dritte betroffen, die über die Inhalte nicht zu bestimmen haben. Dementsprechend verengt sich die weitere Durchdringung der Verantwortlichkeit von Informationsintermediären 349

Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

darauf, inwieweit das Haftungsrecht direkten oder reflexartigen Schutz der Drittbetroffenen zu leisten vermag (folgendes Kapitel 12) und sodann darauf, welche Schutzlücken durch berufsrechtliche oder regulatorische Pflichten zu schließen sind (Kapitel 13).

12. Kapitel

Partei- und Dritthaftung 12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

Die Partei- und Dritthaftung der Informationsintermediäre ist Mechanismus der privaten Pflichtendurchsetzung (constraints strategy) und damit integraler Bestandteil eines auf private Leistungen bauenden Systems der Marktzugangskontrolle. Das Haftungsrecht setzt einen Rahmen, innerhalb dessen die privaten Akteure und Intermediäre ihre Leistungen unter Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten nach dem Angebot-und-Nachfrage-Prinzip erbringen.1 Haftungsregeln kann eine den Absatz von Intermediationsleistungen erst ermöglichende oder jedenfalls fördernde Wirkung zukommen, wenn – wie zumeist – mit vollständigen privaten Absprachen nicht zu rechnen ist.2 Das übergreifende Steuerungsziel des Haftungsrechts besteht darin, eine Internalisierung allein der Gewinne bei vollständiger Externalisierung der sozialen und privaten Kosten von Fehlleistungen der Informationsintermediation zu vermeiden.3 Als alleinige Regelungsstrategie ist die Haftung gleichwohl nicht zur friktionsfreien Ausrichtung des Intermediärverhaltens auf das Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität tauglich („no magic bullet“).4 Innerhalb ihres Wirkungsbereichs kann sie die hoheitliche Durchsetzung der berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten sinnvoll ergänzen. Die Haftungsfrage war Anlass der ersten Arbeiten zu den Chancen einer privaten Marktzugangskontrolle.5 Der Mangel an Haftungsverantwortung (underdeterrence) wird als (eine) maßgebliche Ursache für das Zurückbleiben der Intermediäre hinter öffentlichen Erwartungen, zuletzt in der Finanzmarktkrise von 1 Grundlegend Shavell Economic Analysis of Accident Law, 1987, S. 5. Zur rechtlichen Einordnung Wagner Gutachten A, 66. DJT 2006, S. A14 ff., A24 ff. zum Ersatz von Vermögensschäden unter dem Kommerzialisierungsgedanken, also einem an Marktpreisen orientierten Vermögensschutz. 2 Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 605 Fn. 164 (1984). 3 So auf den Punkt gebracht von Guido Calabresi beim Symposium „Changing Perspectives on Corporate Law and Economics“ anlässlich der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde durch die Universität Rotterdam im November 2008; Pacces (Hrsg.), The Law and Economics of Corporate Governance, 2011. 4 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 334. Zur Abschlussprüfung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 165. Zu Ratingagenturen Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1068. Zur Organhaftung auch Bachmann Gutachten E, 70. DJT 2014, S. E26. 5 Grundlegend Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). Im Einzelnen dazu 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

2008 erkannt.6 Für die Rolle der Informationsintermediäre als private Kontrolleure des Marktzugangs ist die Ausformung ihrer haftungsrechtlichen Verantwortungskreise von kaum zu unterschätzender Bedeutung. International ist die Debatte stark auf eine an ökonomischen Modellannahmen orientierte Suche nach Verbesserungen der Verhaltenssteuerung de lege ferenda ausgerichtet, weniger auf den Abgleich zwischen dem tatsächlich Erreichten und dem mit vorhandenen Rechtsinstituten Möglichen. Forderungen nach allein am Steuerungsziel orientierten Haftungsstrukturen müssen und können mit dem gewachsenen Verständnis der zusammenhängenden Kompensations- und Steuerungszwecke in Einklang gebracht werden.7 Rechtspraktisch kommt es derzeit vor allem bei der sekundärmarktlichen Dritthaftung zu einem Kompensations- und Steuerungsausfall. Die Gestaltung eines leistungsfähigen Haftungsrechts der Informationsintermediäre ist keine im eigentlichen Sinne neue Aufgabenstellung. Überzeugungen zu den maßgeblichen Weichenstellungen reifen gleichwohl, zum Teil aus historischen, zum Teil aus rechtspolitischen Gründen nur langsam und zumeist erst krisengetrieben heran. Für die vorausschauende Ingriffnahme erkennbarer Probleme ist dies ungünstig. Das gilt nicht nur für die hier behandelten Intermediäre, sondern auch für neu aufkommende Informationsangebote der sogenannten Corporate-Governance-Industrie wie beispielsweise die Stimmrechtsberatung. An Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse werden die übergreifenden Kompensations- und Steuerungsprobleme der Intermediärhaftung erkennbar. Übertragungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen hier behandelten und möglichen neuen Segmenten des kapitalmarktbezogenen Informationsmarkts hängen maßgeblich von der durch internationale Praxis, Regelsetzung und Rechtsprechung ausgeformten Funktion der jeweiligen Intermediationsleistung innerhalb des kapitalmarktlichen Informationsgefüges ab. Im Folgenden sind zunächst die übergreifenden Regelungsprobleme, der vorhandene Regelungsbestand und die offenen Strukturfragen aufzuzeigen.8 Auf dieser Grundlage ist zu den für die Partei- und Dritthaftung des Intermediärs in Betracht kommenden Haftungsgründen vorzudringen.9 Die Durchsetzungsfähigkeit insbesondere der Ansprüche geschädigter Dritter hängt maßgeblich von den sodann in den Blick zu nehmenden Anforderungen an Schaden und Kausalität sowie von der Beweislast ab.10 Auszubalancieren ist die HaftungsverantworHellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E24; ders. 157 De Economist 129, 155 (2009); Coffee 6 U. St. Thomas L.J. 403, 408 (2009). Zu Enron, Worldcom und anderen Skandalen ders. Gatekeepers, 2006, S. 6, 55. 7 Zum Zusammenhang von Kompensations- und Steuerungszielen Wagner Gutachten A, 66. DJT 2006, S. A14 ff., A18 ff. Mit stärkerer Betonung des Kompensationsziels Bachmann in: ders. / Casper / Schäfer / Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 93, 98. 8 Abschn. A. 9 Abschn. B (S. 462). 10 Abschn. D (S. 511). 6

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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tung des Intermediärs durch Haftungshöchstsummen.11 Sonderfragen einer auf die Marktzugangskontrolle abgestimmten Intermediärhaftung betreffen Haftungsausschluss und -minderung, also insbesondere den Mitverschuldenseinwand.12 Abschließend sind die Regeln zu Gesamtschuld und Rückgriff auf Möglichkeiten zur Verzahnung der Verantwortungskreise von Intermediären zu untersuchen.13

A. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen Parteihaftung und Dritthaftung sind aus Sicht der Informationsintegrität des Kapitalmarkts untrennbar miteinander verwoben, unterliegen aber bei der Durchsetzung unterschiedlichen Anreizstrukturen. Die Parteihaftung gegenüber dem Vertragspartner ist zum reflexartigen Schutz der Informationsintegrität von vornherein nur in Konstellationen geeignet, in denen eine Interessenübereinstimmung zwischen dem Auftraggeber der Intermediationsleistung und dem Kreis weiterer potentiell Betroffener anzunehmen ist. Als Steuerungsmechanismus versagt sie demnach, wenn mit einem systematischen Auseinanderfallen der Interessen von Auftraggeber und Drittbetroffenen zu rechnen ist. Nach mittlerweile gefestigter Erkenntnis führt auch der Reputationsmechanismus nicht zu einem vollständigen Gleichlauf zwischen Auftraggeber-, Intermediär- und Drittinteresse.14 Die deshalb umso wichtigere Dritthaftung stößt nach verbreiteter Auffassung auf das Problem uferloser Haftung (floodgates argument), volkswirtschaftlich nachteiliger Versicherungseffekte durch den Intermediär als zuletzt übrig bleibenden leistungsfähigen Schuldner (deep pocket liability), aber auch auf grundsätzlichere Fragen zur Bedeutung der Haftung für die Funktionsfähigkeit der privaten Marktzugangskontrolle (gatekeeper liability).

I. Regelungsprobleme Die Erforschung von Nutzen und Schaden der haftungsrechtlichen Steuerung innerhalb einer auf Arbeitsteilung angelegten Wirtschaft ist eine fortdauernde Aufgabe.15 Die Erkenntnisstände sind angesichts sich weiterentwickelnder Informationsprozesse fortlaufend anzupassen. Wichtigste Herausforderung ist die Bestimmung der Rolle von Informationsintermediären innerhalb eines auf mehrere Ebenen verteilten Systems der Informationsproduktion und -vermittlung. Abschn. E (S. 526). Abschn. F (S. 539). 13 Abschn. G (S. 548). 14 Mit Blick auf die Haftung von Ratingagenturen statt vieler Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1085. 15 Mit eingehender Aufarbeitung der Haftung für Hilfspersonen Tröger Arbeitsteilung und Vertrag, 2012, S. 75 ff. 11 12

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die Zuweisung haftungsrechtlicher Verantwortung ist einerseits Folge dieser Positionsbestimmung, andererseits Motor der Rollenausformung.16 Besonders deutlich wird dies in expliziten oder impliziten Forderungen nach einer auf den Funktionsschutz ausgerichteten Intermediärhaftung.17 Zu ihren Grundsatzfragen zählt der Umgang mit reinen Vermögensschäden, also die Haftung für die Verluste des einen, die zugleich Gewinne des anderen sind.18 Zu einem Gleichlauf der Verantwortung gegenüber Auftraggeber und den durch fehlerhafte Beurteilungen geschädigten Dritten könnte eine Angleichung der Verschuldensmaßtäbe bei Partei- und Dritthaftung beitragen.19 Die Verantwortungsteilung insbesondere zwischen Intermediär und Emittenten materialisiert sich in der Aufteilung der Kompensationspflichten, im geltendem Recht also der Zuweisung von Mitverschuldensanteilen.20 Gefahren der Überabschreckung und damit verbundene Einbußen bei der Menge verfügbarer Informationen können durch Haftungshöchstsummen abgemildert werden.21 Im grenzüberschreitenden Zusammenhang hängen die Umsetzungsmöglichkeiten durch nationales oder europäisches Recht maßgeblich von der kollisionsrechtlichen Behandlung der Intermediärhaftung ab.22 1. Intermediär-, Emittenten- und Beraterhaftung (Mehrebenensystem) Die Leistungen der Informationsintermediäre des Kapitalmarkts sind in ein Mehrebenensystem des arbeitsteiligen Zusammenwirkens eingebunden, das bei der Bestimmung von Haftungsziel und -umfang nicht unberücksichtigt bleiben kann.23 Im Zwei-Personen-Verhältnis stellt die Bestimmung prozeduraler Sorgfaltspflichten eine Herausforderung dar, die Zuordnung der Haftungsverantwortlichkeit folgt demgegenüber dem vertraglichen Konsens der Parteien. Deutlich komplexer gestalten sich Begründung und Ausfüllung der Haftungsverantwortung gegenüber den nicht am Vertrag beteiligten Dritten oder bei vertragslos erbrachten Intermediationsleistungen. Die insoweit maßgeblichen Überlegungen führen tief in die Debatte um die Berufshaftung hinein, die häufig synonym für die Dritthaftung steht. Die ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstärkte Erforschung der Verantwortung beruflich am Markt auftretender Informationsdienstleister hat die Weichenstellungen eines auf arbeitsteiliges Zusammenwirken zugeschnitteAbschn. 1. Abschn. 2 (S. 413). 18 Abschn. 3 (S. 419). 19 Abschn. 4 (S. 424). 20 Abschn. 5 (S. 425). 21 Abschn. 6 (S. 430). 22 Abschn. 7, 8 (S. 434, 438). 23 GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 5 Rn. 29 zum Mehrebenensystem der Regulierung. 16 17

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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nen Haftungsrechts vorbereitet.24 Unmittelbarer Ertrag sind zahlreiche Spezialgesetze und richterliche Rechtsfortbildungen zur Emittenten-, Organ- und Expertenhaftung. Als gemeinsamer Nenner der vielschichtigen Ansätze zum Umgang mit berufsmäßig verbreiteten Fehlinformationen ist die Überzeugung auszumachen, dass die Verantwortung für Vermögensschäden gegenüber Nichtvertragsparteien ein berufshaftungsrechtlich angeleitetes Verständnis der Begründung vertraglicher Schutzpflichten und des Vorsatzerfordernisses nach § 826 BGB verlangt. An das berufliche Auftreten am Markt geknüpfte Pflichten,25 gegebenenfalls auch deliktische Schutzpflichten,26 werden übergreifend mit dem Hervorrufen von Vertrauen in die professionell dargebotene Information begründet.27 Die konkrete Zuordnung zum Vertrags- oder Deliktsrecht tritt dabei in den Hintergrund und weicht einem entweder nach Maßgabe des einen oder des anderen Begründungsstrangs folgenden Haftungsstandard, die ständige Fortentwicklung der berufsrechtlich oder regulatorisch konkretisierten Verhaltensanforderungen beeinflusst wird.28 Weite Teile der Diskussion um die Berufshaftung bauen auf die Vorstellung eines Drei-Personen-Verhältnisses. Innerhalb dieser Vorstellung sind durchaus auch Konstellationen der Dritthaftung im anonymen Marktverhältnis zu erfassen. Weder die primärmarktliche Emittenten- noch die sekundärmarktliche Organhaftung hängen von der Kenntnis der Person des Drittgeschädigten ab. An zahlreichen Beispielen der Rechtsprechung ist gleichwohl nachzuweisen, dass die haftungsrechtlichen Strukturen zum Umgang mit Fehlern der Informationsintermediation am anonymen Kapitalmarkt bislang nur unvollständig ausgeformt sind.29 Das gilt besonders für die sekundärmarktliche Kapitalmarktinformationshaftung, der aus Sicht der begleitenden Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (relational gatekeeping) eine hohe Steuerungsleistung zukommen kann. Die Debatte um die Gatekeeper-Haftung hat eigene Ansätze hervorgebracht.30 Anleitend ist die Unterscheidung von primärer und sekundärer Verantwortung.31 Ausgegangen wird von Anreizen des primärverantwortlichen Emittenten zu Fehlverhalten, die durch dessen Eigenhaftung nur unvollkommen zu steuern sind. Die Haftung des Informationsintermediärs verschafft diesem An24 Zur Entwicklung Hirte Berufshaftung 1996, S. 1 ff., 148 ff. Zum Stand Fleischer in: Assmann / Schütze (Hrsg.), Hdb. des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl., 2015, § 6 Rn. 1 ff. 25 Hopt AcP 183 (1983) 608, 634 ff., 669. 26 Siehe v. Bar ZGR 1983, 476, 504; Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 220 ff. 27 Hirte Berufshaftung 1996, S. 413. 28 Hopt WM 2013, 101 ff.; ders. in: FS Gernhuber 1993, S. 169, 176. Zusammenfassend Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 Rn. 22. 29 Zum Stand der Rechtsprechung in den hier behandelten Einzelbereichen 12. Kapitel: A.II (S. 444 ff.). 30 Zu den Ausgangspunkten der Gatekeeper-Haftung 8. Kapitel: B.III (S. 259 ff.) 31 Grundlegend Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 56 ff. (1986).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

reize zur Aufdeckung und gegebenenfalls bereits zur Unterbindung von Fehlverhalten. Anders als bei den von der Berufshaftung ins Auge gefassten Konstellationen steht also nicht die Kompensationsverantwortung gegenüber den im Vertrauen auf das berufliche Auftreten geschädigten Dritten im Vordergrund, sondern ein auf das Mehrpersonenverhältnis im Markt gerichtetes Steuerungsziel. Trotz dieser Unterschiede ist die Nähe zu den Begründungslinien einer bereits in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung nachgewiesenen Haftung aus Bescheinigung32 oder aus der Gefahreröffnung begründeten Verkehrspflichten33 schon mit Blick auf die Flächenwirkung der Zertifizierungs- und Bewertungsleistungen der Intermediäre am Kapitalmarkt unverkennbar.34 Von der Begründung der berufsbezogenen Sachwalterhaftung aus dem Eigeninteresse des Handelnden35 sind die Überlegungen hingegen abzugrenzen. Die fehlende unmittelbare Beteiligung am Transaktionserfolg des Emittenten oder Dritten führt überhaupt erst zu den ressourcenschonenden Wirkungen der Informationsintermediation, so dass dem Eigeninteresse, von Sonderkonstellationen abgesehen, keine haftungskonstitutive Wirkung zukommen kann. Bei der Umsetzung dieser Zielvorstellungen einer Gatekeeper-Haftung stoßen die bestehenden Haftungsinstitute an Grenzen. Das Ob der Haftung entscheidet sich in der Regel danach, ob wegen bestimmbarer Drittverwendung Anlass zu einem vertragsrechtlich begründbaren Schutz des Vertrauens Dritter oder angesichts einer Überschreitung grundlegender Grenzen Anlass zu einem deliktischen Vermögensschutz besteht. Die Bestimmung des gesamtgesellschaftlich wünschenswerten Risikoniveaus des kapitalmarktlichen Austauschs obliegt hingegen nicht den Gerichten, sondern vorrangig dem Gesetzgeber. Gesetzgeberische Vorstöße zu spezialgesetzlichen Regeln der Kapitalmarktinformationshaftung enthielt der DiskE-KapInHaG,36 der seit seiner Vorlage im Jahr 2004 allerdings nicht wieder hervorgeholt wurde. Die Haftung der Informationsintermediäre war auch dort bestenfalls fragmentarisch geregelt. Die im Jahr 2013 in Art. 35a EG-RatingVO eingeführte unionsweite Dritthaftung der Ratingagenturen bereits für grob fahrlässig verursachte Vermögensschäden werden nach bisheriger Einschätzung nicht zu einem Paradigmenwechsel führen.37 Deutlich wird aus solchen, auch im außereuropäischen Ausland zu beobachtenden Ausweitungen der Dritthaftung aber, dass angesichts der zunehmenden Vergewisserung von der Bedeutung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität kaum bei einer gefestigt geglaubten Dogmatik zum Umgang mit Vermögensschäden Dritter stehenzubleiben ist. Stoll AcP 135 (1932) 89, 96 ff. Siehe v. Bar Verkehrspflichten, 1980, S. 49 ff., 157 ff., 186. 34 Zur Empirik 7. Kapitel: A.I.2, III (S. 180 ff., 186). 35 Wiegand Sachwalterhaftung, 1991, S. 191, 203. 36 Abgedr. in NZG 2004, 1042, 1046 ff. Dazu Kollmann AG 2004, R463. 37 Statt vieler Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1089 sowie nachfolgend 12. Kapitel: C.III.2.a (S. 497). 32 33

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Vorstöße in Richtung einer weiter ausgreifenden Intermediärhaftung werden sich an den Anforderungen einer sinnvollen Arbeitsteilung zu messen haben.38 Im primärmarktlichen Zusammenhang haftet der Intermediär für diejenigen Informationen, für deren Richtigkeit er die Verantwortung übernommen hat. Das ist nach deutschem, aber etwa auch nach US-amerikanischem Recht (weitestgehend) anerkannt.39 In der Folge entsteht ein (mindestens) zweistufiges Haftungssystem: Erstens sind die Prospektverantwortlichen – darunter ggf. auch Intermediäre – dem Markt gegenüber für die Bereitstellung zutreffender Informationen verantwortlich. Zweitens erfolgt eine Feinsteuerung und zwar auf Ebene der Anlageberatung, bei der vom Berater individuelle Ziele des Anlegers zu erforschen und zu berücksichtigen sind.40 Für den phänomenologisch bedeutsameren sekundärmarktlichen Kontext ist die Haftungsverantwortung der Informationsintermediäre gegenüber dem Anlegerpublikum hingegen noch weitgehend unbestimmt. Ländern mit einer ausgeprägten Abschlussprüferdritthaftung wie Frankreich und zunehmend auch Österreich steht der zurückhaltende Umgang mit Kompensationspflichten gegenüber nicht am Vertrag beteiligten Dritten in Deutschland, aber etwa auch in England gegenüber.41 Versuche der Erklärung aus der unterschiedlich stark ausgeprägten Hinwendung zum Sozialstaatsprinzip seit dem 19. Jahrhundert42 verlieren mit fortschreitender Globalisierung des Kapitalmarkts an Überzeugungskraft.43 Anfängliche Vorstellungen einer allein im Dienst der Anteilseigner des betreffenden Emittenten stehenden Informationsintermediation44 wurden durch das parallel zum Systemschutz aufgekommene Verständnis von der schadenspräventiven Überwachungsverantwortung der Informationsintermediäre (public watchdog) eingeholt.45 Die Entscheidung für oder gegen die Haftung für fahrlässig verursachte Drittschäden setzt eine Wertung zur gesellschaftlichen Funktion der Informationsin38 Übergreifend Tröger Arbeitsteilung und Vertrag, 2012, S. 133 ff. Zur Wirtschaftsprüferhaftung Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 284. 39 Zur Haftung der Prospektverantwortlichen nach deutschem Recht 12. Kapitel: C.III.2.a (S. 497). Zum US-amerikanischem Recht Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, 6. Aufl., 2011, Bd. 2, 1599 ff., 1603. 40 Treffendes Bild bei Klöhn WM 2010, 289, 290. Eingehend zu Ratings in der Anlageberatung Schroeter Ratings, 2014, S. 422 ff. 41 Vergleichend Doralt ZGR 2015, 266, 290 f.; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 313. Zum österreichischen Recht Koziol / Doralt in: dies. (Hrsg.), Abschlussprüfer, 2004, S. 91, 104 ff. Übergreifend zur Rechtsprechung der französischen Gerichte auch Hopt WM 2013, 101, 107. Siehe auch die Nachw. im Folgenden. 42 Baus ZVglRWiss 103 (2004) 219, 251. 43 Näher 8. Kapitel: A.I.3 (S. 212). 44 Deshalb gegen Ausweitung der Abschlussprüferhaftung Ebke Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuer- und rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, 1996, S. 38 f. 45 Dazu 5. Kapitel: B.II.2 (S. 100).

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termediäre voraus.46 Für den Abschlussprüfer wird überwiegend von einer erhöhten sozialen Verantwortlichkeit ausgegangen, die eine Ausdehnung seiner Haftung für reine Vermögensschäden auf grobe Fahrlässigkeit rechtfertigen soll.47 Für Ratings ist dies seit 2013 in Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO bereits vorgesehen.48 Sämtliche der im folgenden Abschnitt 2 zu behandelnden Vorschläge einer an die Verantwortung für die Marktzugangskontrolle geknüpften Haftung sehen eine Einstandspflicht für reine Vermögensschäden Dritter vor.49 In der Sache kommt es hierdurch zur Überwälzung des gesamten Agenturrisikos auf den Intermediär, obgleich dieser nur ein Element der Corporate Governance ist, zu deren checks and balances etwa auch der Aufsichtsrat oder vergleichbare interne Überwachungsinstitutionen zählen.50 Hierin deuten sich Grenzen berufshaftungsrechtlicher, aber auch ökonomisch-agenturtheoretischer Vorstellungen von einem abstrakt bestimmbaren Dreiecksverhältnisses zwischen Emittenten, Investoren und einem Intermediär (unitary gatekeeper) an. In der Realität kapitalmarktbezogener Abläufe kommt es hingegen zu einem komplexen Zusammenspiel aus miteinander verschränkten Einzelleistungen (multiple gatekeepers),51 ohne dass die Erbringer dieser Leistungen stets im Haftungsverbund stehen müssten.52 Begründen lässt sich eine ausgreifende Dritthaftung gleichwohl, allerdings erst unter Hinzunahme weiterer Überlegungen zu ansonsten drohenden systematischen Fehlanreizen, die sich in einem auf Intermediationsleistungen angewiesenen Kapitalmarkt als dysfunktional erweisen müssen. Die eigentlichen Herausforderungen bei der Austarierung interdependenter Verantwortungsbereiche liegen in der Feinjustierung des Haftungsrechts.53 Die Intermediärhaftung ist nur ein, wenngleich wichtiger Baustein eines auf kapi46 Zur Expertenhaftung Schneider ZHR 163 (1999) 246, 254. Zur Dritthaftung des Abschlussprüfers Ebke JZ 1990, 688, 689; mit Rechtsvergleichung Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 311 ff. 47 Zum Abschlussprüfer Baums / Fischer in: FS Drukarczyk 2003, S. 37, 55, 57. Eingehend Richter Die Dritthaftung des Abschlussprüfers, 2007, S. 297 ff. 48 Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.2.a (S. 497). 49 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1611 (2010): „An optimal regime would thus force gatekeepers to internalize the social costs of their clients’ wrongdoing, providing incentives for gatekeepers to invest in a socially optimal level of precautions.“ Nach Jackson 66 S. Cal. L. Rev. 1019, 1048 (1993) ist die Gatekeeper-Haftung demgegenüber „at most, a supplement to the dominant form of regulation in the field: direct controls over financial intermediaries“. Danach kommt ihr vor allem eine Auffangfunktion in den Fällen zu, in denen Ansprüche gegen weitere Beteiligte wie Emittenten und Geschäftsleiter wegen unzureichender Vermögensmasse oder Insolvenz nicht zu verwirklichen sind (judgment proof defendants). 50 Deshalb abwägend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 309. 51 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1651 (2010). 52 Siehe bereits Hopt AcP 183 (1983) 608, 656. 53 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 202.

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talmarktliche Informationsintegrität angelegten Regelungssystems. Vor allem die umstrittene Sekundärmarkthaftung muss auf die spezifischen Funktionen der Informationsintermediation zugeschnitten sein. Die Leistungen der Informationsintermediäre verbleiben in aller Regel auf der abstrakten Ebene und sind deshalb auch rechtlich von der nach Bedürfnissen einzelner Informationsempfänger individualisierenden Ebene abzugrenzen. Als Haftungsgrund ist deshalb, anders als etwa bei der Anlageberatung nicht die einzelne Investitionsentscheidung (fraud on the investor), sondern die Fehlleitung des Markts (fraud on the market) in den Blick zu nehmen. Die Fehlleitung des Markts führt zu Kursdifferenzen und sollte gegenüber Dritten auch nur einen darauf ausgerichteten Haftungsumfang hervorbringen. Das schließt eine Haftung für spätere Marktentwicklungen aus.54 Hierin liegt ein wesentlicher Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen zur Arbeitsteilung. Konkreten Niederschlag findet der Gedanke bei der für die private Rechtsdurchsetzung entscheidenden Frage nach den Anforderungen an den Kausalitätsnachweis.55 2. Funktionsschutz durch Haftung (gatekeeper liability) Individual- und Funktionsschutz bedingen sich wechselseitig. Durch Haftungsrecht sind das Sorgfalts- und Aktivitätsniveau des Intermediärs zu steuern.56 Mittelbar ergibt sich hieraus eine Steuerung des Emittentenverhaltens. Um den Ausbau dieser mittelbaren Wirkung zu einer funktionsschützenden GatekeeperHaftung wird verstärkt seit den 1980er-Jahren gerungen.57 Maßgeblich geprägt ist das Ringen durch die zuvor neu aufgekommene Denkrichtung der Rechtsökonomik.58 Es besteht Einigkeit darüber, dass vorsätzliche Desinformation durch Haftungsregeln zu unterbinden ist.59 Bei unilateralen Haftungskonstellationen, in denen nur eine Partei Einfluss auf den Schadenseintritt zu nehmen vermag, wird hierzu auch rechtlich einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung der Vorzug gegeben.60 Schwierigkeiten bereitet demgegenüber die Ausgestaltung der 54

tern.

Schäfer AcP 202 (2002) 808, 825 im Zusammenhang mit der Dritthaftung von Gutach-

Dazu 12. Kapitel: D (S. 511 ff.). Rechtlich wird beides unter dem Begriff der Sorgfalt eingeordnet. Das vom Haftungsrecht begrifflich nicht benannte Aktivitätsniveau wird durch eine Marginalbetrachtung bestimmt. Das Optimum ist erreicht, wenn der Nutzen einer zusätzlichen Aktivitätseinheit gerade den dadurch zu erwartenden zusätzlichen Schäden entspricht. Dazu Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 155 ff., 157. 57 Grundlegend Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). 58 Übersicht bei Tuch 96 Va. L. Rev. 1583 f. (2010) m. w. N. 59 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 274. 60 Siehe etwa im Frachtrecht die Haftung des Absenders und des Frachtführers nach §§ 414, 425 HGB. 55 56

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

haftungsrechtlichen Steuerung bei bilateralen und multilateralen Konstellationen, also solchen, in denen auch der Geschädigte oder eine Mehrzahl von Schädigern und Geschädigten Einfluss auf Schadenseinritt und -höhe zu nehmen vermögen. Um diese Konstellationen geht es bei der Haftung für kapitalmarktbezogene Intermediationsleistungen. Eine erste und die Debatte fortan prägende Annäherung bietet die von Guido Calabresi  61 herausgearbeitete Aufgabe der Haftung, drei Arten volkswirtschaftlicher Kosten zu vermeiden bzw. zu steuern:62 Zur Vermeidung primärer Kosten, also Schadens- und Schadensvermeidungskosten, sind Informationsintermediäre geeignet, wenn oder weil ihnen die Funktion des kostengünstigsten Schadensvermeiders zukommt (cheapest cost avoider).63 Die sekundären Kosten, also solche, die der Gesellschaft aus der Verteilung des Schadens erwachsen, werden durch eine zu strenge Intermediärhaftung nicht gemindert, sondern erhöht, weil die Bereitschaft zur Bündelung von Informationssuche und -auswertung zurückgeht (Institutionenschutz).64 Schließlich erwachsen aus der Abwicklung von Schadensfällen im Wege der gerichtlichen Durchsetzung tertiäre Kosten, die sich insbesondere bei unbestimmten Verhaltensstandards auf die Bereitschaft zur Erbringung von Intermediationsleistungen, aber auch ihre Signalkraft negativ auswirken können (Vertrauensverluste). Unterschiede in den Auffassungen zur Ausgestaltung der volkswirtschaftlich sinnvollen Intermediärhaftung erklären sich weitestgehend aus voneinander abweichenden Gewichtungen der genannten Kostenarten oder Einschätzungen zum Auftreten der Kosten.65 Dies gilt besonders für die zur Kategorie der tertiären Kosten zu zählenden Systemkosten, die naturgemäß weiten Einschätzungsspielraum lassen. In der internationalen Literatur wird eine verschuldensunabhängige Intermediärhaftung (strict liability) etwa nach Vorbild der für den Primärmarkt gelten-

Calabresi The Costs of Accidents, 1970, S. 26 ff. Kötz in: FS Steindorff 1990, S. 643, 646. Diskussion der Zielkonflikte Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 153 ff., 165. Weiterführend Posner 64 Md. L. Rev. 12 (2005). 63 So der Grundgedanke von Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 56 ff. (1986). Zum Kostenargument im Einzelnen 8. Kapitel: C.IV (S. 277). 64 Eingehend zum Institutionenschutz Schroeter Ratings, 2014, S. 556, 786. 65 Exemplarisch zu sekundärmarktlichen Schäden infolge fehlerhafter Bonitätsbeurteilung Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 484: „Da die Abwicklung von Schadensersatzansprüchen hohe Transaktionskosten verursacht, führt das Hin und Her für den diversifizierten Anleger zu einem Nettoverlust, den rationale (also diversifizierte) Akteure gerne vermeiden würden“ (Klammerzusatz hinzugefügt). Siehe auch Haar 25 EBLR 2014, 315, 331: „It is true that the latter (losses of value) may result from the misallocation of capital and the deterioration of capital market integrity. These losses are, however, hardly quantifiable and therefore it seems unjustifiable to put them on one level with a loss of resources because over-deterrence may result“ (Klammerzusatz hinzugefügt). 61 62

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den section 11 des US-amerikanischen Securities Act 1933 befürwortet.66 Übergreifend wird die verschuldensunabhängige Haftung seit der Industrialisierung als eigenständiger Zurechnungstatbestand für Tätigkeiten eingesetzt, die volkswirtschaftlich unentbehrlich, aber zugleich eine Quelle erhöhter Gefahr sind.67 Befürwortet wird eine Gefährdungshaftung formelhaft, wenn Rechtsgutsverletzungen mit wirtschaftlich vertretbarem Sorgfaltsaufwand nicht vollständig zu unterbinden sind und es demgemäß einer zusätzlichen Steuerung der Menge schadensgeeigneter Aktivität bedarf.68 Aus Sicht der Marktzugangskontrolle kommt der Gefährdungshaftung eine hohe Leistungsfähigkeit zu, weil der Intermediär die sozialen Kosten eines eigenen und auch eines Fehlverhaltens des Emittenten bei entsprechender Durchsetzung vollständig internalisiert, seine Schadensvermeidungsanstrengungen demzufolge auf die Unterbindung von Fehlverhalten ausrichtet und den sich fehlverhaltenden Emittenten die Mitwirkung versagt. Der Vorteil einer Steuerung nicht nur des Sorgfalts-, sondern auch des Aktivitätsniveaus kann allerdings zugleich einen Nachteil bedeuten. Informationsintermediäre sind ex ante kaum in der Lage, die Bereitschaft des Emittenten zu Fehlverhalten einzuschätzen. Zur Verringerung des unausweichlichen Schadensrestrisikos kommt infolgedessen nur der Rückzug aus Segmenten des Informationsmarkts mit größeren Unsicherheiten in Betracht. Für den Primärmarkt hätte dies aller Voraussicht nach einen Rückgang von Emissionen zur Folge, weil neuen Emittenten die zum erstmaligen Absatz erforderlichen Intermediationsleistungen versagt würden.69 Für den Sekundärmarkt wäre mit einem Rückgang qualitativ hochwertiger Informationen zu Finanzprodukten an den Markträndern zu rechnen.70 Diesen Gefahren einer Überabschreckung71 wollen facettenreiche Vorschläge zur Begrenzung der Gefährdungshaftung (modified strict liability) entgegentreten.72 Während in den Anfängen die Vorschläge zu vertraglichen Begrenzungen Vor allem Partnoy 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 540 ff. (2001). Weitere Nachw. zur USamerikanischen Literatur Fn. 73. Neuer Pacces / Romano A Strict Liability Regime for Rating Agencies, 52 Am. Bus. L.J. 673 (2015); Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 323, der eine verschuldensunabhängige Dritthaftung des Abschlussprüfers angesichts der verschuldensabhängigen Innenhaftung nach § 323 HGB letztlich bloß aus Gründen der Vermeidung einer Zweiteilung des Haftungsrechts ablehnt. 67 Näher zum Zurechnungsgrund Brüggemeier Haftungsrecht, 2006, S. 103, 137 ff.; Kötz /  Wagner Deliktsrecht, 12. Aufl., 2013, Rn. 492 ff. Zur Entwicklung Esser Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, 2. Aufl., 1969, S. 1 ff., 7 ff. Ökonomische Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 228. 68 Grundlegend Shavell 9 J. Legal. Stud. 1 (1980); ders. Foundations of Economic Analysis of Law, 2004, S. 202. Zum Stand MünchKommBGB7-Wagner Vor § 823 Rn. 57. 69 Hamdani 77 S. Cal. L. Rev. 53, 71 f. (2003). 70 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 203. 71 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 76 (1986). 72 Partnoy 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 540 ff. (2001). 66

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überwogen, setzt sich zunehmend die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung durch.73 In der europäischen Diskussion werden manche dieser Vorschläge zur Begrenzung der (verschuldensabhängigen) Abschlussprüferhaftung aufgegriffen, wenngleich mit teilweise anderer Zielrichtung.74 Soweit eine Überabschreckung durch entsprechende Begrenzungen vermieden wird, soll die verschuldensunabhängige Haftung vorzugswürdig sein, weil der erforderliche Schadensvermeidungsaufwand nicht mehr von den Rechtsunsicherheiten der zudem kostenträchtigen richterlichen Bestimmung abhängt.75 An einer gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Senkung der Rechtsdurchsetzungskosten bestehen Zweifel.76 Zutreffend ist die Annahme allenfalls bei Beteiligung nur eines Intermediärs (unitary gatekeeper) und ohne Haftungsaufteilung etwa im Wege des Haftungsausschlusses bei Mitverschulden (contributory negligence), wie er allerdings auch in Jurisdiktionen des Common Law überkommen ist.77 Nach der praktisch überall akzeptierten Aufteilung der Einstandspflicht nach Mitverschuldensanteilen (comparative negligence) verschieben sich die Kosten lediglich von der Haftungsbegründung im Außenverhältnis auf den Gesamtschuldnerinnenausgleich.78 In den denkbaren primärmarktlichen wie auch sekundärmarktlichen Haftungskonstellationen stehen typischerweise aufeinander bezogene Pflichtverletzungen mehrerer Schädiger in Frage. Beim abgesprochenen Prospektschwindel, Bilanzbetrug oder ähnlichen Fällen, in denen der Emittent den Intermediär instrumentalisiert, ist dies offenkundig. In den übrigen Fällen wird es darauf ankommen, ob sich der Intermediär auf die vom Emittenten zur Verfügung gestellten und möglicherweise unvollständigen oder unrichtigen Informationen oder auch fremde Intermediärurteile verlassen durfte.79 Das gilt auch nach US-

Exemplarisch Coffee 84 B. U. L. Rev. 301 (2004) und Partnoy 84 B.U. L. Rev. 365 (2004) mit Erwiderung Coffee 84 B.U. L. Rev. 377 (2004), jeweils m. w. N. Vorausgegangen etwa der Vorschlag einer „self-tailored liability“ von Choi 92 Nw. U. L. Rev. 916, 951 (1998) und aus vertragstheoretischer Sicht zur Abschlussprüferhaftung Goldberg 17 J. Legal Stud. 295, 312 (1988). Zum Ganzen Giudici EBOR 2012, 501, 520, 528. 74 Im Einzelnen 12. Kapitel: A.I.6 (S. 430). 75 Exemplarisch Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 191 m. w. N.: Bei komplexen Prüfungs- und Beurteilungsprozessen ist eine hinreichende Bestimmbarkeit der Sorgfaltsanforderungen nicht zu gewährleisten, weil auf jeder Stufe professionelles Urteilsvermögen erforderlich ist. Je nach Weite der Haftungsanordnung vermag die Gefährdungshaftung gerade diese Bestimmbarkeitsprobleme vollständig zu unterbinden. 76 Siehe aber Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 323. 77 Näher Little 30 Campbell L. Rev. 81, 85 (2007). Folgenbewertung bei Cooter / Ulen Law and Economics, 6. Aufl., 2012, S. 208, 248. 78 Zum Problem erhöhter tertiärer Kosten bei Berücksichtigung des Mitverschuldens Cooter / Ulen Law and Economics, 6. Aufl., 2012, S. 250. 79 Koziol / W. Doralt in: FS P. Doralt 2004, S. 337, 338 ff. unter Betonung der Verpflichtung des Abschlussprüfers zur Aufdeckung von Unrichtigkeiten. Dem folgend für die Ab73

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amerikanischem Recht bei der Haftung nach section 11 Securities Act 1933, vor der selbst die Einhaltung üblicher Verifikationsverfahren (model verification procedures) nicht schützt, wenn Anlass zu Zweifeln bestand (red flag).80 Erst in jüngerer Zeit werden die Vorteile einer Verschuldenshaftung (fault liability) zur Steuerung der rechtlich oder faktisch interdependenten Einzelleistungen einer Mehrzahl von Informationsintermediären (wieder-)entdeckt.81 Bei multikausalen, also durch mehrere Intermediäre (multiple gatekeepers) verursachten Schäden werden dem einzelnen Schädiger erst bei Aufteilung nach Verschuldensgraden Anreize zu optimalen Anstrengungen der Schadensvermeidung vermittelt. Bei Einhaltung seiner Pflichten ist er von der Haftung befreit, die weiteren Beteiligten tragen den vollen Schaden. Offensichtlicher Vorteil dieser Regel ist die Vermeidung von opportunistischem Verhalten, das durch eine Gefährdungshaftung mit verschuldensunabhängiger Aufteilung des Schadens zu gleichen Anteilen befördert würde. Gerade im kapitalmarktlichen Zusammenhang erscheinen die zugrunde liegenden Annahmen realistisch: Investitionsentscheidungen werden praktisch stets auf Grundlage nicht nur einer einzigen, sondern einer Vielzahl von Informationen getroffen. Das zeigen auch und gerade die Unternehmensskandale.82 Eine einzelne unrichtige Information wird in aller Regel nur zu einer nichtproportionalen Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit führen. Die Fehlverhaltensanreize der anderen Informationsgeber, also etwa auch die Kollisionsbereitschaft von Emittenten und weiteren Intermediären, sind vorab nicht sicher einzuschätzen, so dass zur Vermeidung einer überproportionalen eigenen Einstandspflicht wiederum nur die Abstandnahme von der Leistung in Betracht käme.83 Deshalb schafft erst die der Verschuldenshaftung eigene individuelle Exkulpationsmöglichkeit Anreize, dem jeeiligen Prüfungs- oder Beurteilungsprozess angemessene Vorkehrungen zur Schadensvermeidung zu treffen.84 Die Leistungsfähigkeit der Verschuldenshaftung hängt dann von der Fähigkeit der Gerichte ab, ein effizientes Sorgfaltsniveau zu bestimmen.85 Die maßgeblichen Herausforderungen (und Kosten) verschieben sich also auf die Pflichtenausformung, die allerdings nicht allein von den Gerichten geleistet, sondern auch durch Berufsrecht schlussprüferhaftung Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 189. Zur Ökonomik Leyens in: FS Schäfer 2008, S. 159, 168. 80 Mit Rechtsprechungsübersicht Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1639 (2010). 81 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1628 (2010). Siehe bereits Kornhauser / Revesz 98 Yale L.J. 831, 844 ff. (1989) mit formaler Herleitung. Dazu Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 308 f. 82 Instruktiv zum Zusammenspiel von Fehlinformationen des Emittenten, Abschlussprüfern und Finanzanalysten In re WorldCom Inc. Sec. Litig. 294 F.Supp. 2d 424, 428 (SDNY 2003). 83 Hamdani 77 S. Cal. L. Rev. 53, 72 (2003). 84 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1587 (2010). 85 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 233.

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und Regulierung angeleitet wird.86 Wesentliche Folgefragen stellen sich bei der Zuweisung von Verschuldensanteilen. Im deutschen Recht kommt es auf einen Umgang mit der Mitverschuldensregel an, der Anreize zur Überprüfung der Informationsgrundlage nicht verstellt. Im US-amerikanischen Recht stellen sich vergleichbare Fragen bei der proportionalen Haftung gegenüber Drittgeschädigten.87 Selbst bei sachgerechter Feinjustierung ergeben sich Steuerungsgrenzen der Haftung. Jedes der genannten Haftungsmodelle ist bei entsprechender Ausgestaltung zwar geeignet, das Verhalten der Informationsintermediäre auf das Ziel kapitalmarktlicher Informationsintegrität auszurichten. Angesichts der Zielkonflikte zwischen der Vermeidung primärer, sekundärer oder tertiärer Kosten ist sozialschädliches Verhalten aber nicht allein durch Haftung vollständig zu unterbinden. Zu erreichen ist nur eine Reduzierung der sozialen Kosten von Fehlverhalten.88 Die Fahrlässigkeitshaftung mit Mitverschuldenseinwand kann zu einer zu niedrigen Investitionsaktivität führen, weil Verluste nur durch Vermeidung von Gefahrenlagen abzusenken sind.89 Das Ziel der Ressourcenschonung durch Informationsbündelung ist dann nur eingeschränkt zu erreichen. Umgekehrt zwingen Verschärfungen bis hin zur verschuldensunabhängigen Haftung mit Mitverschuldenseinwand zur Absenkung der Aktivität, weil nur so das Schadensrestrisiko zu verringern ist. Sozialschädliche Aktivitäten kommen trotzdem vor, wenn oder weil der Schädiger die Schadensvermeidungskosten des Geschädigten nicht zu tragen hat.90 Schadensvermeidungskosten dieser Art entstehen aus einer zusätzlichen Informationssuche, die erforderlich wird, wenn das Gesamtsystem der kapitalmarktlichen Informationsversorgung nicht die erforderliche Informationssicherheit zu verschaffen vermag. Diese Überlegungen bilden die Grundlage des nach seinem Erfinder Steven M. Shavell benannten Theorems.91 Sie zeigen die Unvollständigkeit der Haftung als Steuerungsinstrument auf. Für die kapitalmarktbezogene Informationsintermediation schlagen sie sich in der Forderung nach zusätzlichen Maßnahmen der Aktivitätssteuerung durch Berufsrecht und Regulierung, Aufsicht und Sanktion nieder.92

86 Bei (näherungsweise) präzisen Pflichten gegenüber Dritten entfällt das Argument der Überabschreckung; Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 331. 87 Zu beidem 12. Kapitel: A.I.5 (S. 425). 88 Instruktiv Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 165. 89 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 269. 90 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 269. 91 Shavell 9 J. Legal Stud. 1, 9 ff. (1980) mit formaler Herleitung; ders. Foundations of Economic Analysis of Law, 2004, S. 203. 92 Grundlagen bei Cooter / Ulen Law and Economics, 6. Aufl., 2012, S. 211 ff., 213; Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 27.

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3. Vermögensschäden Dritter (pure economic loss) Ein auf den Ersatz fahrlässig verursachter Vermögensschäden Dritter (pure economic loss) verzichtendes Haftungsrecht muss sich als unvollständige Regelungsstrategie erweisen.93 Bei Beschränkung der Fahrlässigkeitshaftung auf die Verantwortlichkeit gegenüber Vertragsparteien werden vom Intermediär nur Teile des sozialen Schadens internalisiert, weil Ressourcenverluste infolge von Umverteilungsschäden nicht in das Verhaltenskalkül einbezogen werden.94 Dritte werden dies antizipieren und von unsicheren Angeboten Abstand nehmen oder eigene Informationsanstrengungen unternehmen. Die kapitalmarktliche Informationsintermediation vermag unter diesen Umständen das Ziel einer ressourcenschonenden Bündelung der Informationssuche nicht zu erreichen und steht ohne substituierende Maßnahmen hinter den an eine private Marktzugangskontrolle gestellten Erwartungen zurück.95 Die Parteihaftung gegenüber dem Emittenten bietet keinen zum Substitut geeigneten reflexartigen Schutz geschädigter Dritter, weil der Emittent nur bei zu negativer, nicht aber bei zu positiver Beurteilung über Verfolgungsanreize verfügt.96 Bei beauftragten Intermediationsleistungen kommt es dementsprechend zu einem Auseinanderfallen zwischen der Risikokontrolle durch die Vertragsparteien und der Risikotragung durch außenstehende Dritte.97 Der zurückhaltende Umgang des Haftungsrechts mit fahrlässig verursachten reinen Vermögenschäden Dritter wird übergreifend mit der ansonsten drohenden Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG begründet.98 Diese Grundregel ist allerdings mehrfach durchbrochen. Zu nennen sind die Kreditgefährdung nach § 824 BGB, die Einbeziehung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in die eigentumsgleich geschützten Zum Vorschlag einer auf Vorsatz beschränkten Informationshaftung Bishop 96 L. Q. Rev. 360 (1980); ders. 2 OJLS 1, 28 (1982). 94 Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 173. 95 In diese Richtung auch Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1083; ders. in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 326. 96 Anders noch Goldberg 17 J. Legal Stud. 295, 312 (1988), der meint, bereits der Prüfungsvertrag und eine daran geknüpfte Parteihaftung vermittle dem Abschlussprüfer Anreize zur Berücksichtigung von Drittinteressen. 97 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 200 f., 235 f. 98 Siehe nur Larenz / Canaris Schuldrecht, Bd. II/2, 1994, § 75 I 3 b (S. 356 f.), dort auch Versuche der Konkretisierung. Zu diesen weiter Picker AcP 183 (1983), 369, 465 ff., 470. Zur Kapitalmarktinformationshaftung Bachmann in: ders. / Casper / Schäfer / Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 93, 99. Anders Faust AcP 210 (2010) 555, 557 mit Vorschlag der Haftungsbegrenzung über das Merkmal der Rechtswidrigkeit. Überblick zur Entstehung bei MünchKommBGB7-Wagner Vor § 823 Rn. 13, § 826 Rn. 12 mit Kritik an der Herleitung aus der allgemeinen Handlungsfreiheit („nichtssagend“). 93

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sonstigen Rechtsgüter i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB und nicht zuletzt der haftungsrechtliche Schutz privater Wettbewerbspositionen nach §§ 8 ff. UWG. Auf die hier zu besprechenden Investorenschäden kann die Rechtsprechung demgegenüber nur in (sehr) engen Grenzen über die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder bei der Haftung nach § 826 BGB im Wege einer berufsspezifischen Auslegung des Sittenwidrikeits- und Vorsatzerfordernisses reagieren. Dass diese Beschränkungen für eine freiheitliche Zivilrechtsordnung nicht zwingend sind, zeigen neben den bereits genannten Beispielen die Emittentenhaftung für grob fahrlässig fehlerhafte oder unterlassene Ad-hocMitteilungen nach §§ 37b, 37c WpHG, die neuerdings geltende Haftung für grob fahrlässige Ratingfehler nach Art. 35a EG-RatingVO oder auch die Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Fehler des Abschlussprüfers in Österreich.99 Rechtsökonomische Überlegungen werden – häufig verkürzend – zur Bestätigung der Grundregel hinzugezogen.100 Im Mittelpunkt steht die Annahme einer Überabschreckung wegen bloßer Umverteilungseffekte, die volkswirtschaftlich zu einem Nullsummenspiel (zero sum game) zwischen gewinnendem und verlierendem Anleger führen sollen.101 Außerdem kann der Anleger seinen privaten Schaden reduzieren (nicht aber vermeiden), indem er die Risiken über den Markt streut. Zum Teil wird diese Möglichkeit in Richtung einer Quasiobliegenheit des Anlegers überdehnt, sich gleichsam über den Markt selbst zu versichern.102 Auf die Spitze getrieben werden diese Überlegungen durch die Annahme eines weitgespannten Institutionenschutzes, also der Haftungsabschirmung von Informationsintermediären, und zwar nicht nur der verkammerter Selbstregulierung unterliegenden Wirtschaftsprüfer, sondern auch der nur partiell regulierten Ratingagenturen.103 Neuerdings verfestigt sich die Überlegung vom Nutzen einer Dritthaftung aus Gründen der Verhaltenssteuerung, allerdings nach wie vor unter weitgehender Ablehnung der Kompensationsfunktion.104 Im Ergebnis ist dem zu folgen, Näher 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445) mit Nachw. Fn. 542. Bereits in den grundlegenden Beiträgen von Bishop 96 L. Q. Rev. 360 (1980); ders. 2 OJLS 1, 28 (1982) finden sich Einschränkungen der These vom Nullsummenspiel unter Berücksichtigung mehrmaliger Interaktion und der Bedeutung von Institutionen des Vertrauensschutzes. Näher Fn. 112 und umgebender Text. 101 Differenzierend zur Abschlussprüfung Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319, 324 f. Übergreifend Klöhn ZHR 177 (2013) 349, 372 mit instruktiver Unterscheidung zwischen einzelnen Anlegerarten am Beispiel des Insiderhandels. Ablehnend Giudici EBOR 2012, 501, 536 f. 102 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319, 324 f. 103 Zu weitgehend deshalb Schroeter Ratings, 2014, S. 556 ff., 786. 104 Deutlich Klöhn AG 2012, 345, 353, der meint, die Emittentenhaftung für fehlerhafte oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen nach §§ 37b, 37c WpHG lasse sich weder aus dem Gedanken der Schadenskompensation noch dem Schutz der Dispositionsfreiheit des Anlegers, sondern ausschließlich aus Gründen der Verhaltenssteuerung erklären. 99

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die Ablehnung der Kompensationsfunktion ist demgegenüber zu hinterfragen. Für den Primärmarkt sind soziale Schäden aus Informationsfehlern als Fehlallokation von Kapital anerkannt. Die Fehlallokation ergibt sich daraus, dass Emittenten Kapital zufließt, die damit nicht den höchsten Ertrag zu erwirtschaften wissen (Ressourcenschaden).105 Der Zweiterwerb vollzieht sich demgegenüber zwischen zwei Außenstehenden, so dass es vermeintlich lediglich zu privaten Schäden (Umverteilungsschäden) kommt, für die sich eine Kompensationspflicht des an der Transaktion unbeteiligten Informationsgebers nicht begründen lässt. Das ist schon angesichts der mittlerweile an der Abschlussprüfung gut erschlossenen Doppelfunktion der Informationsintermediation für die interne wie externe Corporate Governance nicht haltbar.106 Fehler des Testats finden sich in dem nach innen gerichteten Prüfungsbericht wieder, so dass interne Fehlallokationen des Kapitals nicht korrigiert werden.107 Der nach außen gerichtete Bestätigungsvermerk verleiht dem Abschlussprüfer die Rolle eines Garanten für die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung. Dieses Vertrauen bildet eine der mindestens drei Säulen108 für die informatorische Absicherung der anonymen Austauschprozesse durch die kapitalmarktliche Informationsintermediation und ist Voraussetzung für eine hohe Transaktionsfrequenz und Liquidität des Markts.109 Vertrauensverluste wirken auf den Primärmarkt zurück.110 Im Vorgriff auf die weiteren Ausführungen sei schon an dieser Stelle angemerkt, dass Gefahren einer von den sozialen Schäden losgelösten Übermaßhaftung nicht durch die Dritthaftung an sich ausgelöst werden. Ursächlich sind vielmehr fehlende Feinjustierungen, insbesondere eine Haftung für Schäden, zu deren Verhinderung der ohne Vorsatz handelnde Intermediär nicht in der Lage ist. Neuere Stellungnahmen räumen Ressourcenschäden ein, gehen aber davon aus, dass die privaten Schäden (weit) hinter den sozialen Kosten zurückstehen.111 Messbar ist dies nicht. Festzuhalten ist aber, dass bereits in den vielfach zum 105 Bishop 96 L. Q. Rev. 360 (1980); ders. 2 OJLS 1, 28 (1982) zum Fehlen von Ressourcenschäden bei bloß fahrlässig verursachten Vermögensschäden Dritter. 106 Im Einzelnen 3. Kapitel: B (S. 29 ff.). 107 Zutreffend Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 179. 108 Die weiteren beiden Säulen bilden Bonitäts- und Preisanalysen. 109 Zutreffend Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 326. Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 330. 110 Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1083. Ansätze auch bei Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1605 (2010). Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 330. 111 Bigus / Schäfer ZfB 2007, 19, 35; Haar 25 EBLR 315, 331 (2014); Schäfer in: Hopt /  Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 164 ff.; Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 327. International Partnoy 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 540 ff. (2001). Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 329 ff.

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Beleg fehlender Ressourcenschäden herangezogenen Beiträgen von William Bishop112 aus den 1980er-Jahren fahrlässige Verletzungen von Informationspflichten und daraus resultierende Vertrauensverluste als Quelle sozialer Kosten angesehen werden. Zusammengefasst führt die fehlende Verlässlichkeit von Vertrauensinstitutionen wie der Informationsintermediation zu Aufwendungen für den Vermögensschutz, die einen Ressourcenschaden darstellen und der Effizienz des Informationsmarkts entgegenstehen. Diese Überlegung ist Ausgangspunkt eines haftungsrechtlichen Schutzes der Informationsintegrität des Kapitalmarkts.113 Handfeste Ressourcenschäden ergeben sich, wenn wegen der unrichtigen Information eine Unterbrechung des Mittelzuflusses an den Emittenten ausbleibt.114 Dazu kommt es etwa, wenn mangels Herabstufung der Bonität (trigger) keine Zinsanpassung erfolgt. Umgekehrt kann eine Zinsanpassung auf Grundlage unrichtiger Information einen dramatischen Mittelabfluss zeitigen, von dessen Fernwirkungen auch Dritte betroffen sind (Klippen- und Kaskadeneffekte). Anlegerschäden sind davon zu trennen. Von einem echten Nullsummenspiel, also einem vollständigen Ausgleich von heutigem Verlust und morgigem Gewinn ohne jede volkswirtschaftliche Bedeutung kann auch für diese kaum ausgegangen werden.115 Von vornherein unlösbar sind Übergänge zwischen Diversifikation und Einzelinvestition, die allerorts vorkommen, beispielsweise bei der sukzessiven Auflösung von Depotpositionen nach Erreichung des zeitlichen Anlageziels (etwa bei der Altersvorsorge). Realistisch vorstellbar ist ein friktionsfreier Ad-hoc-Übergang von einem langen auf einen kurzen Zeithorizont nicht. Der Geschädigte wird sich kaum unter Hinweis auf die dem Regelgeber unter Unsicherheit (veil of uncertainty) übertragene Verantwortung für den Umgang mit seinen Vermögensschäden davon überzeugen lassen, dass kommerzielle In-

Bishop 2 OJLS 1, 28 f. (1982) zur fehlerhaften Erstellung eines Testats durch einen Rechtsanwalt: „The loss to the plaintiff was balanced by an equal gain to the lucky man who inherited by accident. But this leaves out of account the impact on future testators. If a testator cannot rely on the advice of his solicitor he will come to regard as unreliable the legal mechanisms available to control his property at death. He will be induced either to spend more of his wealth before death or to transfer more of it before death. Since both of these courses of action are available now it must be the case that the testator values them less highly than he would value a reliable testamentary law. So the solicitor’s action does induce real social cost and not merely a transfer. […] In fact failure to award damages in such cases normally would induce inefficiency because of its effects on the market for information“ (Kursivdruck hinzugefügt). Ob diese Konstellation vertraglich (Schutzwirkung zugunsten Dritter wie in Deutschland) oder deliktisch (negligent misrepresentation wie im Common Law) gelöst wird, ist für den Haftungsstandard nicht entscheidend. 113 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 330. 114 Schäfer AcP 202 (2002), 808, 814. 115 Zum Nullsummenspiel aus Sicht der Ethik Zetzsche Prinzipien der kollektiven Vermögensanlage, 2015, S. 220 ff., 224. 112

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formationsanbieter wegen seiner mal gewinnenden, mal verlierenden Stellung von der Verantwortung für Fahrlässigkeit völlig freizustellen sind.116 Das gilt erst recht für den bloß einmaligen Zweiterwerber, der von der Einsparung tertiärer Kosten, also verringerten gesamtgesellschaftlichen Aufwendungen für die Unterhaltung der Zivilgerichtsbarkeit,117 nicht proportional zum eigenen Verlust profitiert.118 Dass die ersparten Kosten aus volkswirtschaftlich unsinnigen Klagen vollumfänglich im Erwerbspreis berücksichtigt sind, mag behauptet werden. Für den Einzelnen ist das Argument nur bei Diversifikation überzeugend. Rechtspolitisch kann darauf möglicherweise eine Aufforderung an den Gesetzgeber gestützt werden, auf eine hinreichende Diversifikation der Portfolios von Einzelanlegern hinzuwirken. Haftungsrechtlich ist dieser Gedanke jedenfalls derzeit nicht ausgeformt.119 Zu begründen ist die Dritthaftung trotz der angesprochenen Zweifel aus der ansonsten entstehenden haftungsrechtlichen Fehlsteuerung (perverse incentives).120 Je höher die Investitionen in die zur Vermeidung überoptimistischer Beurteilungen erforderliche Sorgfalt ausfallen, desto größer ist das Risiko einer vertraglichen Haftung gegenüber dem Auftraggeber, dessen Interesse tendenziell auf eine hohe Bewertung gerichtet ist. Die allein gegenüber dem Auftraggeber bestehende Haftungsverantwortung muss zur Absenkung der Anstrengungen in Bezug auf die Vermeidung der Schäden Dritter führen.121 Zur Haftung des Intermediärs kommt es nur, wenn das Fehlverhalten der Geschäftsleiter bekannt wird. Dazu ist allerdings zumeist erforderlich, dass der Informationsintermediär die Bilanzfälschung, unrichtige Angaben zur Kreditwürdigkeit oder zu künftigen Geschäftschancen aufdeckt. Soll die eigene Haftung vermieden werden, bleibt nur, durch fortgesetzte Desinformation des Kapitalmarkts bereits die Aufdeckung des Fehlverhaltens der Geschäftsleiter zu unterbinden.122 Angesichts der eng begrenzten Möglichkeiten zur Geltend116 Zu diesem Argument Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 176. 117 Intensiv diskutiert wurden die Kosten der Zivilgerichtsbarkeit auf dem XI. Travemünder Symposium 2008. Jedenfalls bei den für Verfahren der Kapitalmarktinformationshaftung typischerweise hohen Streitwerten soll es tendenziell nicht zu einer Vergemeinschaftung der Kosten kommen. Dahingehende Wortbeiträge sind ansatzweise wiedergegeben bei Gottlieb Diskussionsbericht Travemünde 2009, S. 21 in: Bork / Eger / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, XI. Travemünder Symposium zur ökonomischen Analyse des Rechts 2008, 2009, S. 21. 118 Giudici EBOR 2012, 501, 548 ff., 536. Anders Klöhn AG 2012, 345, 353. 119 Näher zum insoweit maßgeblichen Mitverschulden 12. Kapitel: A.I.5 (S. 425). 120 Aus der jüngeren Zeit vor allem die Arbeiten von Wagner zu Abschlussprüfung, Rating und auch Organhaftung in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319 ff.; in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1079 ff. und in: ZHR 178 (2014) 227, 251 ff. 121 Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 173. 122 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 312 f.

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machung von Drittschäden nach den bestehenden Haftungsinstituten sind systematisch auftretende Kollusionsbereitschaften zu befürchten. Breitflächig verschärft werden diese Anreize bei Möglichkeiten zur strategischen Unterproduktion qualitativ hochwertiger Informationen mit dem Ziel der Einwerbung lukrativer und über die Informationsintermediationsleistung hinausreichender Mandate (Leistungskombinationen).123 4. Verschuldensmaßstäbe bei Partei- und Dritthaftung Die geforderte Anreizsymmetrie und zweiseitige haftungsrechtliche Steuerung ist bei sich entsprechenden Schutzniveaus von Partei- und Dritthaftung herstellbar („Haftungszange“).124 Im Grundsatz wäre deshalb beim Verschuldensmaßstab auf die einfache Fahrlässigkeit zu setzen, die nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB für die Binnenhaftung des Abschlussprüfers vorgesehen ist.125 Für die Dritthaftung wird gestützt auf die Vermutung niedrigerer Ressourcenschäden eine Haftung nur für grobe Fahrlässigkeit erwogen.126 Ebenfalls aus Gründen unterschiedlich hoher Ressourcenschäden wird überlegt, ob für primärmarktbezogene Sachverhalte der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit und für sekundärmarktbezogene der der groben Fahrlässigkeit gelten sollte.127 Selbst bei Einführung einer indispositiven Haftung bereits für einfache Fahrlässigkeit wird sich rechtstatsächlich der Haftungsstandard der groben Fahrlässigkeit herausbilden. Für die stärker probabilistischen Aussagen von Ratingagenturen und Finanzanalysten laufen die prozedural ausgerichteten Pflichtenstellungen und die an der Vertretbarkeitsgrenze ausgerichteten Möglichkeiten der richterlichen Überprüfung ohnehin auf einen in der Nähe der groben Fahrlässigkeit einzuordnenden Verschuldensmaßstab hinaus, der neuerdings nach Art. 35a EG-RatingVO explizit vorgesehen ist.128 Die Spielräume bei der Informationssuche und -auswertung sowie zusätzlich die (partielle) Methodenautonomie bei probabilistischen Aussagen lassen vermuten, dass es unterhalb der Schwelle zur groben Fahrlässigkeit kaum je zur Dritthaftung kommen wird. Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319, 321 f. Habersack ZHR 169 (2005) 185, 207. 125 Für eine Dritthaftung des Abschlussprüfers bereits bei einfacher Fahrlässigkeit Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319 ff., 323. 126 Bigus / Schäfer ZfB 2007, 19, 21. 127 Außerhalb zwingender gesetzlicher Vorgaben soll die Differenzierung bereits auf Grundlage des durch die Schuldrechtsmodernisierung neu gefassten § 276 BGB umzusetzen sein. Nach § 276 BGB hat der Schuldner „Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses […] zu entnehmen ist“. Zum Vorschlag der richterlichen Anpassung des Verschuldensgrads Schäfer AcP 202 (2002), S. 808, 834 f.; zur Abschlussprüferhaftung ders. in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 179. 128 Zum Verschuldensmaßstab der groben Fahrläsigkeit S. 11. Kapitel: B.I.1.c (S. 361). Zu Art. 35a EG-RatingVO unten 12. Kapitel: C.III.2.a (S. 497). 123 124

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Kleinere Fehler werden sich kaum in einer Bewertungsänderung niederschlagen (z. B. Einschränkung des Vermerks, Herabstufung der Bonität, Verkaufsstatt Halteempfehlung). Erst größere Fehlbeurteilungen werden sich feststellbar kursbeeinflussend auswirken. Für die Sekundärmarkthaftung gilt bereits nach der berufshaftungsrechtlichen Auslegung des Vorsatzerfordernisses in § 826 BGB ein der groben Fahrlässigkeit weitgehend entsprechender Maßstab.129 Für eine auch praktisch handhabbare Annäherung an den Ressourcenschaden sind Haftungsbegrenzungen aller Voraussicht nach besser geeignet als unterschiedliche Verschuldensmaßstäbe.130 Eine Absenkung des indispositiven Verschuldensmaßstabs bei der Parteihaftung des Abschlussprüfers auf grobe Fahrlässigkeit ist gleichwohl nicht geboten. Einfach fahrlässig verursachte kleinere Fehler (z. B. Zahlendreher bei nicht maßgeblicher Bilanzposition) werden sich zwar kaum auf den Kurswert auswirken, können aber zu (kleineren) internen Fehlallokationen führen. Insoweit kommt es also schon im Ausgangspunkt nicht auf eine vollkommene Symmetrie der Anreize an. Gerichtlich feststellbar sind leicht fahrlässige Verstöße allerdings nur bei einem detailliert vorgegebenen Pflichtenprogramm. In diesem Sinne anerkannte Prüfungsgrundsätze existieren allein für die Abschlussprüfung, so dass sich die Frage für die anderen Intermediationsleistungen jedenfalls bislang nicht rechtspraktisch stellt. 5. Verantwortungsteilung (comparative negligence, proportionate liability) Eine zielgenaue Verhaltenssteuerung verlangt nach Ausrichtung der Kompensationspflichten auf die spezifische Verantwortung innerhalb des jeweiligen Intermediationssegments. Eine für die Kapitalmarktinformationshaftung insgesamt kennzeichnende Besonderheit ergibt sich aus dem häufigen Auftreten sich überlappender Verantwortungskreise. Abgrenzbare und originär eigene Verantwortung kommt den Informationsintermediären letztlich nur im Rahmen des jeweils unterschiedlichen Beurteilungsvorgangs zu. Schon für die Zusammenstellung der Beurteilungsgrundlage ist auf die innerhalb fremder Verantwortungskreise erstellten Informationen zurückzugreifen. Offensichtlich ist dies bei der Prüfung des Jahresabschlusses, der vom Emittenten erstellt wird und dessen Einzelangaben vom Prüfer etwa auch unter Hinzuziehung von Bankauskünften zu verifizieren sind.131 Bei beauftragten Ratings oder Finanzanalysen werden ebenfalls Emittenteninformationen und darüber 129 So zur Haftung für grobe Fahrlässigkeit nach Art. 35a EG-RatingVO Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1089. 130 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 202. 131 Instruktiv mit jeweils vergleichbarem Sachverhalt und jeweils zur Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 8, 14 und OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖBA 2002, 820.

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hinaus das Abschlussprüfertestat zugrunde gelegt. Die Prüfungs- und Nachforschungspflichten mögen bislang weder für beauftragte Ratings- und Finanzanalysen noch für unbeauftragte abschließend geklärt sein. Unverkennbar ist aber jedenfalls, dass auch dort unterschiedliche Verantwortungslagen aufeinandertreffen. Die haftungsrechtliche Sondierung dieser Verantwortungslagen bereitet Schwierigkeiten, die sich in Problemen entweder einer Über- oder einer Unterabschreckung des Intermediärs niederschlagen können. Auf der Ebene der Haftungsbegründung erfolgt eine nur dem Anschein nach klare Abgrenzung der Pflichtenkreise. Auch ohne dass der Abschlussprüfer explizit Verantwortung für den Prospekt oder einzelne Prospektteile übernommen hat, zieht der BGH die Begründung einer vertraglichen Schutzwirkung oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in Betracht.132 Zur sekundärmarktlichen Haftung liegt in Deutschland kaum Judikatur vor. Die Möglichkeiten des Informationsintermediärs, seine Haftungsverantwortung ex ante einzuschätzen, sind dort noch stärker begrenzt. Die mit dieser Unsicherheit verbundenen Probleme verschärfen sich dadurch, dass auf der Ebene der Haftungsausfüllung unabhängig von der Schwere des Verschuldens die vollständige Kompensationslast droht. Im Ergebnis wird also bei nur wahrscheinlich verursachter Rechtsverletzung keine Haftung begründet, bei Nachweis der Kausalität besteht hingegen eine von den individuellen Steuerungsmöglichkeiten losgelöste Haftung für den gesamten Schaden (Alles-oder-nichts-Prinzip). Gegenmodell hierzu ist die Proportionalhaftung, die dem Schädiger eine (bloß) anteilige Ersatzpflicht in der Höhe seines Verschuldensbeitrags zumisst, ihn also von der Haftung für von ihm nicht verursachte (nicht von ihm zu vermeidende) Verluste freistellt.133 Noch das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 setzte auf eine Abstufung des Haftungsumfangs nach Art und Schwere des Verschuldens (Proportionalitätsprinzip).134 Der BGB-Gesetzgeber entschied sich bewusst dagegen.135 Die Europäische Kommission hingegen empfahl die Einführung einer Proportionalhaftung als eines unter mehreren in Betracht kommenden Mitteln zur Begrenzung der Haftungsrisiken von Abschlussprüfern.136 Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter die Grundsatzentscheidung BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 9; zur Haftung aus § 826 BGB siehe BGH, Urt. v. 26.9.2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, Juris-Tz. 55. 133 Näher Wagner in: FS Schäfer 2008, S. 193, 198. Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 295 ff., 302. Eingehend Ehlgen Probabilistische Proportionalhaftung und Haftung für den Verlust von Chancen, 2013, S. 105. 134 Titel 6, §§ 10 ff., 12 PrALR 1794. Dazu Deutsch Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 2. Aufl., 1995, S. 388. 135 Mot. II, S. 17 f. Näher Wagner AcP 206 (2006) 352, 456 f. 136 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Ziff. 5 lit. b i. V. m. Erwägungsgrund 6. 132

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In den USA gilt sie nach dem Private Securities Litigation Reform Act von 1995 für Sammelklagen (class actions) gegen Abschlussprüfer und Ratingagenturen.137 Allgemeiner setzt das französische Recht auf die Haftung für die Verstellung einer Chance (perte d’une chance).138 Damit sind bereits Probleme der Haftungsbegründung zu überwinden, die etwa auftreten, wenn zwar nachweisbar ist, dass ein medizinischer Wirkstoff zu Schäden führt, aber Unsicherheit darüber besteht, ob zur Behandlung das Pharmaprodukt des einen oder des anderen Herstellers mit jeweils diesem Wirkstoff eingesetzt wurde. Die Haftungsausfüllung, also die Bemessung der Ersatzpflicht, ist dann über den Marktanteil des jeweiligen Herstellers zu errechnen. Für vergleichbare Haftungssachverhalte wird auch in Deutschland vereinzelt eine anteilige Wahrscheinlichkeitshaftung etwa in Analogie zu §§ 830 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 254 BGB erwogen, bislang aber noch nicht für die Haftung der kapitalmarktlichen Informationsintermediäre.139 Aus ökonomischer Sicht kann eine Proportionalhaftung zur Vermittlung zielgenauer Präventionsanreize beitragen, also Gefahren der Überabschreckung wirksam entgegentreten.140 Implizit liegt dem die Annahme zugrunde, Schädiger und auch Gerichte könnten die erforderlichen Wahrscheinlichkeiten gleichermaßen treffsicher einschätzen. Jedenfalls bei den datenreichen Konstellationen des Kapitalmarkts sind die erforderlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen nicht von vornherein aussichtslos. Die zu treffenden Wertungen unterscheiden sich auch nicht grundsätzlich von der Schadensschätzung oder der Berechnung von Mitverschuldensanteilen nach § 287 ZPO. Schon in der Theorie stößt die Proportionalhaftung allerdings an Grenzen, wenn die Beteiligung mehrerer zu einem überproportionalen Anstieg des Schadens führt (nichtlinearer Schadensverlauf).141 Gerade im Zusammenspiel von Emittenten- und Intermediärinformation erscheint die Annahme eines überproportionalen Anstiegs der Kaufbereitschaften bei einer Vielzahl positiver Informationen realistisch. In der Folge kommt es zu dem bereits im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung angesprochenen Problem, dass die Schadensvermeidungsanreize des Einzelnen sich nicht proportional zu der von ihm verursachten Risikosteigerung entwickeln, weil der andere Beteiligte stets einen gemessen am eigenen Beitrag überproportional erhöhten Schadensanteil zu übernehmen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 154, 304. Ehlgen Probabilistische Proportionalhaftung und Haftung für den Verlust von Chancen, 2013, S. 179 ff. zum Fallmaterial. 139 Zurückhaltend Wagner Gutachten A, 66. DJT 2006, S. A58. Eingehend Ehlgen Probabilistische Proportionalhaftung und Haftung für den Verlust von Chancen, 2013, S. 105. 140 Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 301 f. in Abgrenzung zu Anreizschwächen des nach deutschem Recht geltenden Alles-odernichts-Prinzips. Speziell zu den Leistungsgrenzen der Probabilitätshaftung im Arzthaftungsrecht Stremnitzer AcP 208 (2008) 676, 679 ff. 141 Dazu Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 311. 137 138

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

hat.142 In den USA wird die Proportionalhaftung letztlich aus diesen Gründen als Unterabschreckung kritisiert:143 Bei einem Bilanzbetrug sind proportionale Verschuldensanteile des Vorstandsvorsitzenden von 60 Prozent und des Finanzvorstands von 20 Prozent denkbar. Die für den Abschlussprüfer oder die Ratingagentur verbleibenden 20 Prozent schaffen dann nur eingeschränkte Anreize zur Abschreckung der Primärverantwortlichen. Nach deutschem Recht kommt es ebenfalls zur Schadensaufteilung, allerdings nicht im Außenverhältnis, sondern vermittelt über §§ 254, 426 BGB beim Gesamtschuldnerinnenausgleich. Dies kann sowohl zur Über- als auch zur Unterabschreckung führen. Von einer massiven Gefahr der Überabschreckung ist beim Fehlen von Haftungshöchstsummen auszugehen, die bislang allein in § 323 HGB für die Binnenhaftung des Abschlussprüfers gesetzlich vorgesehen sind.144 Infolge des Alles-oder-nichts-Prinzips kommt es selbst bei bloßer Fahrlässigkeit und dem Emittenten über § 31 BGB analog zurechenbarem Vorsatz seiner Organmitglieder bei hohen Schäden zur praktisch alleinigen Haftung des Informationsintermediärs.145 Die Privatvermögen der Organmitglieder reichen regelmäßig nicht zur Schadensdeckung aus, vorsätzliches Verhalten liegt außerhalb der Leistungsbereitschaften von D&O-Versicherern und gerade in schwerwiegenden Fällen wie einem Bilanzbetrug ist auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Emittenten typischerweise eingeschränkt. Faktisch erhalten Anteilseigner oder Dritte im Wege der Intermediärhaftung eine Versicherung gegen das Ausfallrisiko weiterer Beteiligter durch den Schädiger mit der voraussichtlich höchsten finanziellen Leistungsfähigkeit (deep pocket liability).146 Die Chancen auf eine Senkung der sozialen Kosten sind bei Berufen mit Zugangsbeschränkung wie der Wirtschaftsprüfung gering, weil die Haftungsverantwortlichen regelmäßig nicht diversifiziert sind oder sein dürfen.147 In Bezug auf die genannten Ausfallrisiken (nicht für die Intermediärhaftung als solche) ist der Hinweis auf die Möglichkeit der Investoren berechtigt, sich durch diversifizierte Portfolios kostengünstig(er) über den Markt zu versichern.148 Nicht verstellt sind außerdem im Wege der Verhandlungslösung (privity letters)149 zu treffende Absprachen über Haftungsgrund und -umfang.150

Siehe 12. Kapitel: A.I.2 (S. 413). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 154. 144 Wagner in: FS Schäfer 2008, S. 193, 198 mit Vergleich zur Proportionalhaftung, durch die die Übermaßhaftung vermieden würde. 145 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 143. Zum Ganzen Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 249. 146 Zum Abschlussprüfer Ebke 79 Nw. U. L. Rev. 663, 682 (1984). Grundlagen bei MünchKommBGB7-Wagner Vor § 823 Rn. 56. 147 Coffee 84 B.U. L. Rev. 377, 378 (2004). 148 Dazu bereits Fn. 102 und umgebender Text. 142 143

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Umgekehrt kann der Mitverschuldenseinwand bei vorhandener finanzieller Leistungsfähigkeit von Emittenten oder Organmitgliedern zur Unterabschreckung führen. Bei Berücksichtigung des Mitverschuldenseinwands muss es (wie bei der Proportionalhaftung) gerade nicht zu einem proportionalen Haftungsanstieg des Intermediärs kommen.151 Von einem Ausgleich der Haftungsvermeidungsanreize einerseits des Intermediärs und andererseits der Geschäftsleiter kann kaum ausgegangen werden.152 Das gilt erst recht, wenn die Gewinnchancen auseinanderfallen, etwa weil die Geschäftsleiter zugleich Eigner des beurteilten Unternehmens sind. Je nach Umgang mit dem Mitverschuldenseinwand ergeben sich Anreize zur gezielten Zusammenarbeit mit delinquenten Geschäftsleitern und zur Absenkung der Prüfungsdichte innerhalb der Fahrlässigkeitsgrenzen.153 Bei vorsätzlichem Geschäftsleiterverhalten kann sich die Haftungsquote für bloße Fahrlässigkeit bis hin zur vollständigen Freistellung von der Einstandspflicht reduzieren.154 Verschärft tritt dieses Problem bei der Binnenhaftung auf, wenn sich die Gesellschaft das Fehlverhalten ihres Geschäftsleiters zurechnen lassen muss und es dementsprechend zu einer der Proportionalhaftung vergleichbaren absoluten Minderung des Haftungsumfangs im Außenverhältnis kommt.155 In der Zusammenschau erweisen sich sowohl eine de lege ferenda einzuführende Proportionalhaftung als auch der de lege lata geltende Gesamtschuldnerinnenausgleich nach Mitverschuldensanteilen als suboptimale Instrumente der Verhaltenssteuerung. Die Gefahr einer Überabschreckung ist allerdings durch die im folgenden Abschnitt zu besprechenden Haftungshöchstgrenzen abzumildern. Auf Gefahren der Unterabschreckung kann von der Rechtsprechung mit einer an die Rolle der Informationsintermediation für die kapitalmarktliche Informationsintegrität orientierten Zuweisung von Mitverschuldensanteilen reagiert werden. Die dazu erforderliche Vergewisserung der sich überschneidenden, aber nicht identischen Verantwortungskreise der einzelnen Informationsintermediäre wird nur im Gleichschritt mit den berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichtenstellungen voranzutreiben sein. Insoweit kommen insbesondere Regeln in Betracht, bei deren Beachtung die Haftung ausgeschlossen ist (safe harbor). Bei der Abschlussprüfung tritt die Haftungsbefreiung rechtspraktisch bei der Befolgung der Prüfungsgrundsätze 149 Näher Ebke Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuerund rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, 1996, S. 51 f. 150 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 232. 151 Deshalb weiter ausdiffernzierbar London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 143. 152 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 195 ff., 197, 235. 153 Doralt ZGR 2015, 266, 280 ff. 154 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 312. 155 Das Problem wird in der Rechtsprechung zur Abschlussprüferhaftung durchaus erkannt, wenngleich noch nicht zufriedenstellend gelöst. Im Einzelnen 12. Kapitel: F.II (S. 541 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ein. Beim Rating ist eine Befreiung von der Haftung wegen Unrichtigkeit der Beurteilung im Zeitablauf zu erwägen, wenn die Agentur eine periodische Prüfung vorgenommen hat.156 Bei Finanzanalysen stellt sich angesichts der kurzen Halbwertzeiten der Empfehlung von vornherein kein vergleichbares Problem. 6. Haftungshöchstsummen (liability caps) Haftungsbegrenzungen sind geeignet, die vorgestellten Steuerungsprobleme der Partei- und Dritthaftung zu lösen oder zumindest abzumildern. Nach geltendem Recht ist eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung nach § 323 HGB allein für die Binnenhaftung des Abschlussprüfers vorgesehen. Bei anderen Intermediationsleistungen werden Haftungsausschlüsse mit dem Auftraggeber vereinbart oder zusammen mit der unbeauftragten Information veröffentlicht. Von der Europäischen Kommission werden Haftungshöchstsummen als eine von mehreren Möglichkeiten zur Begrenzung der Haftung des Abschlussprüfers und zum Schutz des Intermediationsmarkts erwogen.157 In der internationalen Literatur, die überwiegend für eine Gefährdungshaftung streitet, sind Haftungsbegrenzungen Gegenstück einer (sekundären) Intermediärverantwortung für Fehlverhalten des (primärverantwortlichen) Emittenten.158 Haftungshöchstsummen werden aber auch bei der Verschuldenshaftung zur Vermeidung einer Überabschreckung erwogen.159 Die jeweils zugrunde liegenden Überlegen stellen teils mehr die Bedingungen der einzelnen Intermediationsleistung, teils mehr systemschützende Erwägungen in den Vordergrund. Die untrennbare Verbindung beider Aspekte legt nachfolgend die gemeinsame Behandlung der Partei- bzw. Dritthaftung und jeweils des primär- bzw. sekundärmarktlichen Zusammenhangs nahe. Auf dieser Grundlage ist zu der gemeinsamen Problemstellung der Versicherbarkeit vorzustoßen. Haftungsbegrenzungen sind bei Auftragsleistungen vertraglich festlegbar. Die durchaus übliche Vereinbarung von Höchstsummen trägt dem Gedanken Rechnung, dass oberhalb eines bestimmten Haftungsumfangs (marginales Haftungsniveau) keine Wohlverhaltensanreize zu erzielen sind.160 Auf die Haftung für unbeauftragte Leistungen und die Dritthaftung schlagen selbstbestimmte oder mit dem Auftraggeber vereinbarte Haftungsbegrenzungen aus den beschriebenen

Coffee Gatekeepers, 2006, S. 304. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Ziff. 5 lit. a. 158 Statt vieler Coffee 84 B.U. L. Rev. 301, 349 (2004). 159 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319, 324 f. zur Abschlussprüferhaftung; ders. in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1090 zur Haftung der Ratingagenturen. 160 Grundlegend Stigler 78 J. Pol. Econ. 526 ff. (1970). 156 157

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Gründen allerdings nicht stets durch.161 Bei voller Haftung kommt es zum Einstand für Umverteilungsschäden, die geringer ausfallen als der Ressourcenschaden. Mit der ex ante nur eingeschränkten Bestimmbarkeit von Schadenshöhe und -wahrscheinlichkeit (unpräzise Haftungsstandards)162 verbindet sich die Gefahr der Übermaßhaftung und insgesamt des Zurückbleibens hinter den möglichen Kosteneinsparungen aus der gebündelten Informationssuche und -auswertung. Mit Haftungshöchstsummen ist zwar auch bei der Wahl geeigneter Bezugsgrößen oder Staffelung keine Abbildung, sondern nur eine Annäherung an den Ressourcenschaden zu erreichen. Bei hohen Schäden stehen Haftungshöchstsummen aber für einen pauschalierten Ausgleich der Verantwortungsteilung zwischen Primär- und Sekundärverantwortlichem. Bei der Binnenhaftung mildern sie das Problem ineffizienter Versicherungseffekte aus dem Zusammenspiel von Zurechnung des Organverschuldens und faktischem Ausfall des Gesamtschuldnerinnenausgleichs ab.163 Die fortlaufende Ausformulierung der Verantwortungskreise der Intermediäre im Wege gesetzgeberischer, berufsrechtlicher, (selbst-)regulatorischer und schließlich gerichtlicher Entscheidung ist weiterzuverfolgen. Konkretisierungen bei der Haftungsbegründung können die Wirkungen einer Höchstsummenbegrenzung aber schon angesichts verzögerter Entwicklungszeiten nur teilweise ersetzen. Je höher der mögliche Haftungsumfang ausfallen kann, desto engere Pflichtenbestimmungen sind zur Aufrechterhaltung der privaten Leistungsbereitschaften erforderlich. Das daraus resultierende Steuerungsdilemma der Haftung ist aus der Abwägung zwischen direkten Verhaltensvorgaben und offenen Verhaltensstandards (rules v. standards) bekannt:164 Ohne (Dritt-)Haftung fehlt die erforderliche Verhaltenssteuerung. Zu enge Pflichtenbeschreibungen (tick box) entziehen der Informationsintermediation ihren Nutzen. Dieser Nutzen besteht gerade darin, Beurteilungsschwächen von Regelgebern und Gerichten in Einzelfällen oder neuartigen Konstellationen zu überwinden.165 Stärker auf den Systemschutz zugeschnittene Argumente greifen diese Überlegung auf unterschiedliche Weise auf. Für die Marktzugangskontrolle kann sich eine Ausweitung der Verantwortungskreise privater Informationsdienstleister auf Fehler des primärverantwortlichen Emittenten als vorteilhaft erweisen. Allerdings verbleiben auch bei hohen Anstrengungen des Intermediärs unvermeidbare Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.1, C.IV (S. 358 ff., 388 ff.). Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 171. 163 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Ziff. 5. Zum Ganzen Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 197. 164 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 371. 165 Zur Abschlussprüfung Schäfer in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 162, 172. 161 162

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Schadensrestrisiken. Die Gefahr hoher Schäden senkt die Bereitschaft zum Angebot der Dienstleistung. Dies kann dem gesamtgesellschaftlichen Interesse zuwiderlaufende Einbußen bei der Informationsabdeckung des Kapitalmarkts zur Folge haben. Von der Europäischen Kommission166 wird die Haftungsbeschränkung auf Grundlage der von London Economics in Zusammenarbeit mit Ralf Ewert 2006 erstellten Untersuchung letztlich unter diesem Blickwinkel als Instrument zur Öffnung des Wirtschaftsprüferoligopols angepriesen.167 Allerdings ist die Konzentration des Prüfermarkts in Ländern mit Haftungsbegrenzung nicht niedriger als in denen ohne eine solche.168 Für die Oligopolbildung bei der Wirtschaftsprüfung (wie auch beim Rating) legen entwicklungsgeschichtliche Beobachtungen eher eine geschäftsbezogene Zweiteilung des Markts zwischen national und international ausgerichteter Informationsintermediation nahe. Mittelständische Anbieter haben keine hinreichende Investitionsbereitschaft zu einer aus Wettbewerbssicht signifikanten Vergrößerung ihrer Marktanteile.169 Selbst eine Fusion aus den drei nächstkleineren Wirtschaftsprüfungsgesellschaften stünde in den meisten Ländern größenmäßig hinter den big four zurück.170 Wahrscheinlich ist, dass die Europäische Kommission die Marktöffnung herausstellt, weil das Ziel einer Abschirmung vor potenziell existenzvernichtenden Haftungsansprüchen aus ihrer Sicht zwar geboten sein mag, etwa auch um eine Diskussion über Abspaltungsanordnungen zu vermeiden, aber kaum öffentlich zu vermitteln wäre, dass einzelne profitabel wirtschaftende Marktteilnehmer vor Haftungsrisiken geschützt werden sollen.171 Zur Haftung der Informationsintermediäre kommt es selten, wenn doch, können exorbitant hohe Zahlungen zu leisten sein (Großrisiko mit geringer Frequenz).172 Ernst & Young verpflichtete sich im Jahr 2013 (ohne Eingeständnis von Fehlverhalten) zur Zahlung von 99 Millionen US-Dollar und konnte damit einen Schiedsspruch wegen der Nichtaufdeckung der unter dem Namen Repo 105 bekannt gewordenen Bilanzierungspraktiken der 2008 untergangenen 166 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Erwägungsgrund 2 zu Ziff. 5. 167 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006. Kritische Diskussion bei Giudici EBOR 2012, 501, 520 f.; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 222. 168 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 104 f. 169 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 61 ff., 68 ff. 170 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 61. 171 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 226. 172 Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 277.

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Investmentbank Lehman Bros. abwenden.173 Die geringe Frequenz solcher Großrisiken (mega claims) lässt zwei auf die Intermediärhaftung insgesamt übertragbare Problemstellungen erkennen: Zum einen können die einzelnen für den Intermediär Handelnden auf kurzfristige Gewinnerzielung setzen und dabei gegebenenfalls Verluste bis hin zur Insolvenz der Intermediärorganisation in Kauf nehmen (fly by night risk).174 Zum anderen ergeben sich Grenzen der Versicherbarkeit. Während das erste Problem vornehmlich durch individuell wirkende berufsrechtliche oder regulatorische Sanktionen zu bewältigen ist, verbinden sich mit Letzterem Grundsatzfragen zur Errichtung und Ausgestaltung von Haftungshöchstgrenzen für das Intermediärunternehmen. Die Studie von London Economics/Ewert ermittelte Haftungsgefahren der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die den am Markt erhältlichen Versicherungsschutz um bis zu 95 Prozent übersteigen.175 Die zugrunde gelegten Zahlen könnten überdehnt sein. Schon bei einer deutlich geringeren Überschreitung der Versicherbarkeitsgrenze wäre von einer zwar selten auftretenden, aber gleichwohl realen Gefahr der finanziellen Überforderung infolge der Dritthaftung auszugehen. Der Zusammenbruch einer weiteren großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (oder einer der großen Ratingagenturen) hätte hinsichtlich der Informationsbereitstellung im Markt kaum eine Kapazitätseinbuße zur Folge. Die Berufsträger müssten sich aller Voraussicht nach wie wohl bereits nach dem Zusammenbruch von Arthur Anderson infolge des Enron-Debakels von 2001 angesichts ihres spezifischen Humankapitals auf die fortbestehenden Intermediärorganisationen verteilen. Dies führte allerdings zu einer weiteren Verdichtung in dem bereits jetzt auf vier Marktteilnehmer (zweieinhalb beim Rating) begrenzten engen Oligopol der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Bei zu starker Verengung der Anbieteranzahl ist von einer auf private Mechanismen, also letztlich auf Wettbewerbskräfte bauenden Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre nicht viel zu erhoffen. In genannter Studie wurde ausgerechnet, dass die Partner von Prüfungsgesellschaften infolge eines Haftungsfalls gewisse Einkommenseinbußen hinzunehmen bereit sein könnten. Bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC etwa wäre im Falle einer Ersatzpflicht zwischen 365 bis 540 Millionen GBP die Haftungsbereitschaft (tipping point) überschritten mit der Folge des Austritts der Partner. Verwiesen wird insoweit auf die Erfahrungen aus der Insolvenz der USamerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Laventhol.176 Reuters, Meldung v. 18.10.2013. Statt vieler Coffee 84 B.U. L. Rev. 301, 348 (2004). 175 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 15 unter Hinweis auf Angaben des Versicherers Swiss Re. 176 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 105. 173 174

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die Pflichtversicherung ist ein möglicher Begleiter der Haftungsbegrenzung. Sie bewirkt in der Regel einen besseren Schutz des Geschädigten als ein voller Zugriff auf das ohnehin begrenzte Privatvermögen des Schädigers. Bei Versagen des Versicherungsmarkts ist dies nicht umsetzbar. Dazu kommt es, wenn Risiken nicht berechenbar sind, weil Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens oder ihr Umfang nicht einschätzbar sind oder weil es im Falle ihres Auftretens exorbitant hohe Einstandspflichten drohen, die auch im Wege der Rückversicherung nicht zu bewältigen sind. Bei oligopolen Strukturen ist eine hinreichende Risikodiversifikation vom Versicherer schlecht zu erreichen.177 In Betracht kommen dann Selbstversicherungen, die im Wege wechselseitiger Kontrolle und risikoadjustierter Beitragszahlung auch präventiv wirken können. Ein Beispiel dafür ist die Einlagensicherung der privaten Banken mit eigenem Prüfungsverband.178 Die zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bislang bestehenden Selbstversicherungen auf Gegenseitigkeit (captives) verfügen über eine geringe Mittelausstattung.179 Sie dienen nicht der Bewältigung von Großschäden, sondern der beschleunigten Schadensabwicklung. Die Gründe für das Ausbleiben einer Marktlösung könnten darin zu sehen sein, dass anders als bei den Banken, die auf Vermeidung von gleichgerichtetem Einlegerverhalten in der Krise (bank run) angewiesen sind, nicht unmittelbar um das Vertrauen der Drittbetroffenen, sondern angesichts der Beauftragung durch den Emittenten vor allem um dessen Vertrauen zu werben ist. Die Vorschläge zur Ausgestaltung von Haftungshöchstgrenzen, vertraglich oder gesetzlich, gehen auseinander. Noch zu wenig erörtert sind die bei der Organhaftung bekannten Steuerungsverluste bei Fehlen eines verpflichtenden Selbstbehalts. In Bezug auf vertragliche Lösungen (market based approaches) und gesetzgeberisch anzubietende Menülösungen ist eine gewisse Ernüchterung zu verzeichnen. Diesen Einzelheiten ist noch nachzugehen.180 7. Anwendbares Recht (Divergenzen des Schutzniveaus) Die Anwendbarkeit von unions- und nationalrechtlichen Haftungsregeln richtet sich nach dem Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts. Bei Geltung eines ausländischen Rechts können sich Unterschiede im Schutzniveau ergeben. Wie angesprochen, kann die Wahl eines ausländischen Rechts zu einer Absenkung des Schutzes von Drittinteressen führen (Rechtsordnungsarbitrage).181 177 London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 99 ff., 102. zu den Unterschieden gegenüber der Versicherbarkeit bei anderen Berufsgruppen. 178 Näher Bigus / Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008, S. 11. 179 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 209. 180 Dazu 12. Kapitel: E.II, 12. Kapitel: E.I, II (S. 526 ff., 533). 181 Zur Rechtsordnungsarbitrage 11. Kapitel: A.I.3 (S. 349).

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Beschäftigen wird die Gerichte möglicherweise die Haftung von ausländischen Prüfungsgesellschaften, voraussichtlich die Haftung von im Ausland ansässigen Ratingagenturen, infolge der schon materiellrechtlich meist fehlenden Haftungsverantwortung seltener die der Finanzanalysten. An den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Diskussion um das anwendbare Recht bei Abschlussprüfung und Rating sind exemplarisch die Probleme aufzuzeigen, die sich bei sämtlichen, also auch neuen Angeboten der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation stellen oder stellen werden. Die Parteihaftung des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft nach § 323 HGB unterliegt dem Gesellschaftsstatut.182 Die enge Verbindung der Pflichtprüfung zur Gesellschaft setzt sich also kollisionsrechtlich fort.183 Darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem Kollisionsrecht der Abschlussprüfung und den anderen hier besprochenen Intermediationsleistungen, für die eine unmittelbare Geltung des Gesellschaftsstatuts nicht in Betracht gezogen wird. Die Bestimmung des auf die geprüfte Gesellschaft anzuwendenden Rechts ist nicht ausdrücklich geregelt. Soweit die Gesellschaft in Deutschland inkorporiert ist und ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, gelten die in Deutschland anwendbaren unions- und nationalrechtlichen Regeln. Für Pflichtprüfungen ist dies der Regelfall. Infolge der mit der Entscheidung zum Fall Centros von 1999 begonnenen Rechtsprechungslinie des EuGH184 ist allerdings auch außerhalb des Geltungsbereichs einzelner völkerrechtlicher Verträge185 die Gründungstheorie anzuwenden, wenn anderenfalls insbesondere die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 und 54 AEUV verletzt würde.186 Nach der Gründungstheorie könnte die Haftung für Pflichtprüfungen insbesondere von einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründeten Gesellschaft mit Sitz in Deutschland einem ausländischen Recht unterliegen.187 Der Anwendbarkeit eines ausländischen Rechts auf die Abschlussprüfung wird mit der Überlegung entgegengetreten, bei den Vorgaben der §§ 316 ff. Eidenmüller / Rehberg ZVglRWiss 105 (2006) 427, 445 f.; MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 174; MünchKomm6-Kindler IntGesR Rn. 279. 183 Siehe auch die Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II-VO sowie die Nachw. Fn. 193 f. und umgebenden Text. 184 EuGH, Urt. v. 9.3.1999 – C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5.11.2002 – C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30.9.2003 – C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155; EuGH, Urt. v. 16.12. 2008 – C-210/06 (Cartesio), Slg. 2008, I-9641; EuGH, Urt. v. 12.7.2012 – C-378/10 (Vale), WM 2012, 2154. 185 Zwingend anzuwenden ist die Gründungstheorie beispielsweise nach Art. XXV des deutsch-amerikanischen Schiffahrts-, Freundschafts- und Handelsvertrags (FrHSchV D-USA) auf die in den USA inkorporierten Gesellschaften. Siehe MünchKommGmbHG2-Weller Einl. Rn. 369. 186 Zu den in Betracht kommenden Konstellationen MünchKommBGB6-v. Hein EGBGB Art. 3 Rn. 91 ff.; MünchKommBGB6-Kindler IntGesR Rn. 138 ff., 155. 187 Deshalb gegen die Anwendung der Gründungstheorie auf die Pflichtprüfung MünchKommBGB6-Kindler IntGesR Rn. 278. 182

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

HGB zur Pflichtprüfung handele es sich um Eingriffsnormen i. S. d. Art. 9 Rom I-VO, die aus sich heraus und trotz der Geltung des ausländischen Rechts im Übrigen anwendbar sind.188 Insbesondere bei öffentlich-rechtlicher Qualifikation der Prüferpflichten läge es außerdem nicht fern, nach Maßgabe des Vorbehalts vom ordre public aus Art. 21 Rom I-VO über die Geltung der §§ 316 ff. HGB nachzudenken.189 Vorschläge wie die genannten weisen übergreifend in die Richtung einer spezifisch-kollisionsrechtlichen Wahrung der Integrität gesetzlich angeordneter Pflichtprüfungen. Sie haben sich den möglicherweise gegenläufigen Wertungen eines ausländischen Rechts zu stellen.190 Deren Anwendung als Eingriffsnormen ist allerdings nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Rom I-VO dem Ermessen des berufenen Gerichts unterstellt. Angesichts der privatrechtlichen Auftragserteilung kommt auch eine Beurteilung der Pflichtprüfung nach dem Vertragsstatut in Betracht.191 Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO ist dann subjektiv an eine Rechtswahl der Parteien anzuknüpfen, die kaum je fehlen wird. In der Regel wird die Pflichtprüfung unter Verwendung von Ziff. 15 AAB-WP nach deutschem Recht erledigt, schon um die Verwendbarkeit des Prüfungsergebnisses zur Erfüllung der Vorgaben aus §§ 316 ff. HGB sicherzustellen.192 Sofern doch ein ausländisches Recht gewählt ist, kommt wiederum die Geltung der handelsrechtlichen Vorgaben für die Pflichtprüfung als Eingriffsnormen oder auf der Ebene des ordre public in Betracht. Die außervertragliche Parteihaftung des Pflichtprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ist nach Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom IIVO vom Geltungsbereich der ansonsten universelle Geltung (loi uniforme) beanspruchenden Rom II-VO ausgenommen, unterliegt also dem Gesellschaftsstatut. Diese Ausnahmeregelung ist unionsrechtliche Verankerung der bereits angesprochenen Konzeption einer untrennbar mit dem Gesellschaftsstatut verbundenen Haftung des Pflichtprüfers.193 Allerdings betrifft die Ausnahme nur Ansprüche, die ihren Rechtsgrund im autonom auszulegenden Geltungsbereich des Gesellschaftsrechts finden, nicht andersgelagerte Anspruchsgründe der Berufshaftung des Prüfers.194 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 183 f. MünchKommBGB6-Kindler IntGesR Rn. 278 f. Differenzierend Eidenmüller / Rehberg ZVglRWiss 105 (2006) 427, 445, die Funktion und Sachzusammenhang der einzelnen Norm für die öffentlich-rechtliche Qualifikation als entscheidend erachten. 190 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 186. 191 Eidenmüller / Rehberg ZVglRWiss 105 (2006) 427, 445 f.; MünchKommBGB6-Kindler IntGesR Rn. 279. 192 Ebke ZVglRWiss 109 (2010) 397, 410 ff. 193 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf Ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("ROM II"), 22.7.2003, KOM(2003) 427, S. 10. 194 Näher Ebke ZVglRWiss 109 (2010) 397, 424; MünchKommBGB6-Junker Art. 1 Rom II-VO Rn. 36. 188 189

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Demzufolge beansprucht die Rom II-VO Geltung für die außervertragliche Haftung beispielsweise gegenüber Anlageinteressenten und Kreditgebern und auch gegenüber Anlegern, gegenüber letzteren, soweit der Rechtsgrund nicht dem Gesellschaftsrecht entstammt.195 Die Bestimmung des auf solche Anspruchsgründe anwendbaren Rechts ist durch die materiellrechtliche Vielschichtigkeit der Berufshaftung beeinflusst. Zu berücksichtigen sind sowohl rechtsgeschäftliche bzw. rechtsgeschäftsähnliche als auch deliktische Haftungsgrundlagen:196 Die für primärmarktliche Sachverhalte (z. B. Prospektangaben) praxisrelevanten Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sind nach wohl überwiegender Ansicht unionsrechtskonform der außervertraglichen Haftung zuzuordnen.197 Demzufolge kommt es zum Gleichlauf mit der für sekundärmarktliche Sachverhalte (z. B. Bestätigungsvermerke) relevanten Deliktshaftung aus § 826 BGB. Für diese gilt nach der Grundregel des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO das am Ort des Schadenseintritts anwendbare Recht. Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss nach §§ 311 Abs. 3 Satz 1, 241 Abs. 2 BGB sind demgegenüber nach Art. 12 Abs. 1 Rom II-VO grundsätzlich dem Recht zuzuordnen, dem ein zustande gekommener Vertrag unterläge. In den zustande gekommenen Vertrag wäre in der Regel eine Rechtswahlklausel aufgenommen worden. Eine bloß hypothetische Rechtswahl soll aber unberücksichtigt bleiben.198 Anderenfalls käme es darauf an, ob eine einseitig gestellte Rechtswahlklausel die Anforderungen an eine „frei“ ausgehandelte Vereinbarung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO erfüllt.199 Verneint man jedenfalls dies, rückt die Eigenständigkeit eines aus der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens erwachsenden Schuldverhältnisses i. S. d. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB in den Vordergrund der Betrachtung.200 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. a, b Rom II-VO ist dann wie bei den zuvor behandelten Ansprüchen an den Schadenseintrittsort anzuknüpfen. Die Bestimmung des Schadenseintrittsorts ist jedoch bei den regelmäßig in Rede stehenden Vermögensschäden mit eigenen Schwierigkeiten verbunden. Aktuell werden die maßgeblichen Anknüpfungspunkte besonders intensiv bei 195 Ebke ZVglRWiss 109 (2010) 397, 425 nennt außerdem Unternehmenserwerber, Insolvenzgläubiger, Arbeitnehmer und den Fiskus. 196 Im größeren Zusammenhang der Gutachterhaftung Martiny in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 2015, Rn. 4.48. Zur Abschlussprüfung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 208. 197 RauscherEuZPR / EuIPR4-v. Hein Art. 1 Rom I-VO Rn. 10. Eingehend Dutta IPRax 2009, 293 ff. 198 Leible / Lehmann RIW 2007, 721, 733; Martiny in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 2015, Rn. 4.47; MünchKommBGB6-Junker Rom II-VO Art. 12 Rn. 20. 199 Ablehnend v. Hein RabelsZ 73 (2009) 461, 487. Befürwortend aber Martiny in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 2015, Rn. 4.8. 200 Martiny in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 2015, Rn. 4.42; MünchKommBGB6-Junker Rom II-VO Art. 12 Rn. 19.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

der Ratinghaftung diskutiert und deshalb auch vorliegend in diesem Zusammenhang behandelt.201 8. Insbesondere: Haftung internationaler Ratingagenturen Die unionsrechtliche Partei- und Dritthaftung der Ratingagenturen nach Art. 35a EG-RatingVO ist einheitliches und vorrangiges Sachrecht. Der kollisionsrechtlichen Prüfung bedarf es wegen Art. 35a Abs. 4 Satz 1 und 2 EGRatingVO gleichwohl. Danach gilt nationales Recht für die Auslegung der nach ausdrücklicher Maßgabe der EG-RatingVO nicht autonom zu definierenden Begriffe, außerdem mit Blick auf weitere Ansprüche nach diesem Recht.202 Für die vertragliche Haftung gegenüber dem beauftragenden Emittenten bildet die subjektive Anknüpfung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO den Ausgangspunkt. Verträge mit den führenden Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s sollen zumeist eine Rechtswahl zugunsten des US-amerikanischen Bundesstaats New York vorsehen, zumal dort beide Agenturen inkorporiert sind.203 Wie bei der Abschlussprüfung könnte auf die Außerachtlassung unions- oder nationalrechtlicher Schutzvorstellungen gegebenenfalls mit Eingriffsnormen und ordre public zu reagieren sein.204 Die objektive Anknüpfung ist bei Unwirksamkeit der Rechtswahl und außerdem bei Abonnementratings relevant, weil diese offenbar keine Rechtswahlklauseln enthalten.205 Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Rom I-VO ist bei autonomer Einordnung des Ratingvertrags als Dienstleistungsvertrag206 das am gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters geltende Recht, bei Einordnung als Vertrag sui generis,207 der gewöhnliche Aufenthalt derjenigen Partei, von der die charakteristische Leistung erbracht wird, maßgeblich.

Siehe 12. Kapitel: A.I.9 (S. 441). Dutta WM 2013, 1729, 1730. 203 Schroeter Ratings, 2014, S. 793 f. Demgegenüber schreibt Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 180, Standard and Poor’s habe auf seine Anfrage erklärt, bei deutschen Emittenten eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vorzusehen. 204 Näher im vorhergehenden Abschnitt. 205 Schroeter Ratings, 2014, S. 881 f. Siehe auch den bei Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, S. 201 f. abgedruckten Abonnementvertrag von Moody’s, der keine Rechtswahlklausel aufweist. Ebenso das bei Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 386 abgedruckte Fitch UK Standard Subscription and Licence Agreement aus dem Jahr 2004, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass Fitch in London eine Hauptverwaltung unterhält. 206 Dutta IPRax 2014, 33, 37; Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 209 f.; Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 109. 207 Happ Internationaler Rechtsschutz gegen fehlerhafte Ratings, 2015, S. 216. 201 202

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Als Dienstleister bzw. Erbringer der charakteristischen Leistung kommt zunächst die US-amerikanische Hauptverwaltung der Ratingagentur in Betracht. Allerdings dürfen Bonitätsbeurteilungen nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EGRatingVO in der Europäischen Union zu regulatorischen Zwecken nur eingesetzt werden, wenn sie von einer in der Europäischen Union registrierten Agentur erstellt sind. Anderenorts erstellte Beurteilungen sind nach Art. 4 Abs. 3 lit. b EG-RatingVO für regulatorische Zwecke nur verwendbar, wenn eine in der Europäischen Union registrierte Agentur die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erstellung übernimmt. Dabei hat die übernehmende Agentur sicherzustellen, dass die bei der Erstellung zu befolgenden regulatorischen Pflichten mindestens so streng ausgestaltet sind wie die unionsrechtlichen.208 Mittlerweile werden von den großen Ratingagenturen in der Europäischen Union registrierte Tochtergesellschaften unterhalten. Die Moody’s Deutschland GmbH ist seit 2011 bei der ESMA registriert. Standard & Poor’s unterhält Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO ist einer der Orte des gewöhnlichen Aufenthalts von juristischen Personen (also hier des Dienstleisters) der Ort der Niederlassung. In der Folge käme es zur Anwendbarkeit des am Ort der Niederlassung geltenden Rechts. Zweck dieser Regelung ist es, Verträge nicht dem Recht der Hauptniederlassung zu unterwerfen, wenn die betreffende geschäftliche Tätigkeit vermittelt durch eine Niederlassung an einem anderen Ort erfolgt.209 Die an diesem Zweck ausgerichtete autonome Auslegung des Niederlassungsbegriffs klammert jedenfalls solche Tochtergesellschaften aus, die ihre geschäftliche Tätigkeit eigenständig und nicht für die Muttergesellschaft ausüben.210 Bei Formalbetrachtung schließt dies die Geltung von Art. 19 Abs. 2 Rom II-VO für die Tochtergesellschaften der großen Ratingagenturen aus.211 Allerdings reicht es nach der Rechtsprechung des EuGH schon aus, wenn der Anschein eines Handelns für den Stammsitz erweckt wird.212 Dieses zum Zuständigkeitsrecht entwickelte Verständnis ist vermittelt über Erwägungsgrund 7 der Rom I-VO auch für den Niederlassungsbegriff des Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO zugrunde zu legen.213 Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass die international tätigen Agenturen ihre Bonitätsbeurteilungen letztlich nur 208 Daraus ergibt sich der regulatorische „Hebel“ der EG-RatingVO; MünchKomm6Lehmann IntFinR Rn. 444. 209 MünchKommBGB6-Martiny Rom I-VO Art. 19 Rn. 15. 210 MünchKommBGB6-Martiny Rom I-VO Art. 19 Rn. 14. 211 Dutta WM 2013, 1729, 1732 zu Art. 35a EG-RatingVO; Schroeter Ratings, 2014, S. 786. 212 EuGH, Urt. v. 9.12.1987 – C-218/86, Slg. 1989, I-4905, Rn. 14 ff. zu Art. 5 Abs. 5 EuGVÜ. Dazu Leible / Müller WRP 2013, 1, 3. 213 Siehe auch Erwägungsgrund 7 Rom II-VO. Ansatzpunkte einer einheitlichen Auslegung von Kollisions- und Zuständigkeitsrecht verfolgt Lüttringhaus RabelsZ 77 (2013) 31, 34 ff., 52.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

wegen der Verwendung des global bekannten Agenturnamens vermarkten können. Wenn die Anteile der Tochtergesellschaft zudem vollständig von der Muttergesellschaft gehalten werden oder konzernrechtlich abgesicherte Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung bestehen, ergibt sich in der Sache kein Unterschied zu einer unselbständigen Niederlassung.214 Weitere Voraussetzung des Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO ist, dass der Vertrag im Rahmen des Betriebs der Niederlassung geschlossen wird oder die Niederlassung für die Erfüllung verantwortlich ist. Es liegt nicht fern anzunehmen, dass der Kontakt zum beauftragenden Emittenten in der Praxis der Agenturen zumeist über die Niederlassung in der Europäischen Union hergestellt wird. Dann dürfte von einem Vertragsschluss im Rahmen des Betriebs der Niederlassung ausgegangen werden können. Weniger klar ist, ob die alternativ zu ergründende Verantwortlichkeit der Niederlassung für die Vertragserfüllung gegeben ist. Vereinzelt wird vorgeschlagen, eine konkludente Vereinbarung über die Erbringung der charakteristischen Leistung durch die Niederlassung anzunehmen.215 Das erscheint wenig naheliegend, weil es dem Auftraggeber gerade auf die globale Aussagekraft der Bonitätsbeurteilung ankommt.216 Unsicher ist auch, ob sich eine Erfüllungsverantwortung der Niederlassung im Sinne des Vertragsstatuts allein aus der regulatorisch erzwungenen Verantwortungsübernahme herleiten lässt. Auf die Anknüpfungsmomente des Orts der Niederlassung oder der charakteristischen Leistung kommt es im Ergebnis jedoch nicht an, wenn ohnehin von einer engeren Verbindung i. S. d. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO zum Recht von New York auszugehen ist. Für eine engere Verbindung zur dortigen Hauptverwaltung der großen Agenturen werden mehrere Argumente angeführt:217 Die Ratingverträge genannter Agenturen sollen typischerweise keine Aufteilung der Kompetenzen zwischen Hauptverwaltung und Niederlassung enthalten. Eigenständige Leistungen der Niederlassung seien also in der Regel nicht vereinbart. Außerdem sei nicht die Niederlassung, sondern ein zentraler Ausschuss der Hauptverwaltungen in New York für die Entscheidung über die Ratingveröffentlichung verantwortlich. Stets sei nicht die nationale Niederlassung, sondern der New Yorker Markenname für die globale Aussagekraft und damit für die Erbringung der charakteristischen Leistung ausschlaggebend. Ob die Rechtsprechung diesen Argumenten folgen wird, ist nicht sicher.218 Der BGH hat im Jahr 2012 lediglich die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen gegen eine in den USA

Happ Internationaler Rechtsschutz gegen fehlerhafte Ratings, 2015, S. 106 m. w. N. Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 189 ff. 216 Zweifelnd Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 110. 217 Schroeter Ratings, 2014, S. 785. 218 Zurückhaltend Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 189 ff., 205. Ablehnend Happ Internationaler Rechtsschutz gegen fehlerhafte Ratings, 2015, S. 222. 214 215

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ansässige Ratingagentur als gegeben erachtet, obwohl bloß ein so bezeichnetes „office“ in Deutschland unterhalten wurde.219 Bei Verurteilung der Ratingagentur stellt sich als nächster Schritt die Frage nach der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils in den USA. Bislang sprach viel für die Annahme eines Schutzes der Agenturen vor Vollstreckung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der freien Meinung.220 Neueren Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte zufolge gewährt die Meinungsfreiheit den Agenturen jedenfalls keinen vollumfassenden Schutz vor Haftung und demzufolge wohl auch nicht mehr vor Vollstreckung.221 Zur Haftung der Ratingagenturen aus außervertraglichen Schuldverhältnissen und der Bestimmung des darauf anwendbaren Rechts nach der Rom II-VO sind wenige Ergänzungen zu den für die Abschlussprüfung dargestellten Grundlagen geboten: Neben Art. 35a RatingVO erweist sich § 826 BGB als wichtigste Anspruchsgrundlage, zumal beauftragte und unbeauftragte Ratings vornehmlich im sekundärmarktlichen Kontext Schäden hervorrufen. Verletzungen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts unterliegen umstrittenermaßen ebenfalls der Rom II-VO.222 Das auf sonstige berufshaftungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht richtet sich, mit dem bei der Abschlussprüfung angesprochenen Diskussionsbedarf zu Einzelfragen, im Ergebnis wie nach der für die Deliktshaftung geltenden Regel des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO nach dem Schadenseintrittsort, dessen Bestimmung allerdings eine übergreifende Frage ist.223 9. Insbesondere: Lokalisierung reiner Vermögensschäden In Rede stehen bei der Haftung der Informationsintermediäre reine Vermögensschäden, deren Lokalisierung umstritten ist. Aktuell richtet sich das Augenmerk der Debatte auf die Haftung von Ratingagenturen.224 Diskutiert werden Anknüpfungsmomente, die im Ergebnis entweder zu größerer Vorsehbarkeit für die Geschädigten oder für die Ratingagentur führen. Einigkeit besteht darin, dass eine Anknüpfung an den Ort desjenigen Vermögensteils, aus dem der Geschä219 BGH, Beschl. v. 13.12.2012 – Az. III ZR 282/11, NJW 2013, 386 Tz. 16 unter Heranziehung von § 24 Civilprozeßordnung 1877. Befürwortend zu den Vorinstanzen Däubler NJW 2013, 282, 283. Kritisch zum Inlandsbezug Amort NZG 2013, 860; Koechel IPrax 2014, 312, 314. 220 Maßgeblich Schroeter Ratings, 2014, S. 786 f. 221 Näher zum Wandel der US-amerikanischen Rechtsprechung 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450). 222 Dafür Dutta IPrax 2014, 33, 37. Im Ergebnis ablehnend und für die Anwendung von Art. 40–42 EGBGB Happ Internationaler Rechtsschutz gegen fehlerhafte Ratings, 2015, S. 223 ff., 232. 223 Zu Art. 4 Rom II-VO im vorangegangenen Abschnitt, zur Bestimmung des Schadenseintrittsorts im folgenden Abschnitt. 224 Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 116.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

digte seine Verluste ausgleicht, zu zufälligen Ergebnissen führt.225 Das zum Ausgleich eingesetzte Vermögen kann am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten belegen sein, aber beispielsweise ebenso gut an einem anderen Ort innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union. Angesichts der unionsrechtlichen Ziele der EG-RatingVO könnte es deshalb auf den Ort der Verwendung des Ratings ankommen.226 Unklar bliebe, wie bei mehreren Verwendungen zu verfahren ist. Beispielsweise könnte das Rating von verschiedenen Banken an unterschiedlichsten Orten zur Eigenkapitalbemessung eingesetzt werden. Zu überlegen wäre, allein Orte der regulatorischen Verwendung innerhalb des Geltungsbereichs der RatingVO einzubeziehen.227 Mangels Vollrechtsharmonisierung bei der unionsrechtlichen Haftung aus Art. 35a EGRatingVO blieben im Falle der Mehrfachverwendung aber auch dann mehrere nationale Rechte anwendbar. Größere Vorhersehbarkeit für alle Beteiligten verschaffte eine Anknüpfung an den Sitz des beurteilten Unternehmens (oder an den beurteilten Staat).228 In der Sache käme es dadurch zur Annäherung an das für die Abschlussprüfung geltende Gesellschaftsstatut.229 Rechtstechnisch soll das Ergebnis aus einer autonomen Bestimmung des Schadenseintrittsorts ableitbar sein.230 Der tatsächlichen Annahme, der Schaden materialisiere sich zuerst oder am deutlichsten am Ort der beurteilten Gesellschaft, wird nicht uneingeschränkt gefolgt werden können.231 Eine Ratingherabstufung trifft das Unternehmen bei primärmarktlichen Transaktionen wie der Ausgabe von Schuldverschreibungen, weil infolge der Herabstufung höhere Zinsversprechen abgegeben werden müssen. In den weit häufigeren Fällen von Schäden im sekundärmarktlichen Kontext tritt die Einbuße demgegenüber beim jeweiligen Inhaber des Finanztitels ein. Die Verringerung des Marktwerts des gehaltenen Titels infolge der Herabstufung kann dementsprechend, je nach Belegenheit des individuellen Vermögens, zu einem Schaden fernab vom Sitz des beurteilten Unternehmens liegenden Ort führen. Die vorgeschlagene Anknüpfung an den Sitz des beurteilten Unternehmens dürfte gleichwohl weder aus Sicht des Geschädigten noch aus Sicht der Ratingagentur oder vergleichbarer Informationsintermediäre zu unbilligen ÜberraSiehe nur Dutta IPrax 2014, 33, 39. MünchKommBGB6-Lehmann IntFinR Rn. 439. 227 In diese Richtung Steinrötter Beschränkte Rechtswahl im internationalen Kapitalmarktprivatrecht und akzessorische Anknüpfung an das Kapitalmarktordnungsstatut, 2014, S. 424. 228 Dutta IPRax 2014, 34, 39 f.; Eisen Haftung und Regulierung internationaler Ratingagenturen, 2007, S. 275; Wildmoser / Schiffer / Langoth RIW 2009, 657, 662 f. Für ein Wahlrecht des deliktisch Geschädigten Däubler NJW 2013, 282, 283. 229 Dazu 12. Kapitel: A.I.7 (S. 434). 230 Dutta WM 2013, 1729, 1731. 231 Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 117 für Wohn- oder Geschäftssitz des geschädigten Anlegers als Erfolgsort, allerdings ohne die im Folgenden besprochene Differenzierung. 225 226

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schungen führen. Sowohl die Investition in Finanztitel als auch die Bewertung eines ausländischen Emittenten sind lebensnah als bewusste Entscheidung zum Eintritt in ein gegebenenfalls im Ausland belegenes sozio-ökonomischen Umfeld.232 Als praktisches Argument mag zusätzlich angeführt werden, dass die Absprachen zwischen Informationsintermediär und Versicherern nach Ländern geordnet werden könnten.233 Diese Möglichkeit wäre bei einer nicht vorhersehbaren Vielzahl von Anknüpfungen und anwendbarer Rechtsordnungen verstellt. Die Zersplitterung des auf die Berufshaftung anwendbaren Sachrechts würde also nicht perpetuiert, sondern vielmehr kollisionsrechtlich abgemildert, insbesondere wenn bei beauftragten und unbeauftragten Ratings im Ergebnis einheitlich angeknüpft werden könnte.234 Die Bedeutung dieses Vorschlags reicht erkennbar über die Haftung der Ratingagenturen hinaus. Für die Haftung von Anbietern neu hinzutretender Leistungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation werden sich die Fragen erneut stellen. Gegenmodell ist die nicht am Emittenten, sondern am Informationsintermediär ausgerichtete Anknüpfung. Für Bonitätsbeurteilungen wird eine offensichtlich engere Verbindung i. S. d. Art. 4 Abs. 3, 12 Abs. 2 lit. c Rom II-VO zu dem für die Auftragserteilung maßgeblichen Recht erwogen.235 Ergebnis wäre eine zum Recht des Ratingvertrags akzessorischen Haftung.236 Zur Untermauerung wird auch die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO für die Produkthaftung vorgesehene Ausnahmeregelung herangezogen.237 Danach käme es wiederum auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schadensverursachers an. Die Ausnahmeregelung betrifft jedoch den Fall, dass das Inverkehrbringen eines Produkts am betreffenden Ort vernünftigerweise nicht vorhersehbar war. Auf das „Produkt“ Rating ließe sich der Gedanke bestenfalls übertragen, wenn nicht mit einer Wirkung in anderen Staaten zu rechnen wäre. Das ist schon wegen des auf einen globalen Markennamen und auf die globale Verwendbarkeit bauenden Geschäftsmodells der international tätigen Agenturen fernliegend. Die hier nur in Ansätzen dargestellten Diskussionspunkte zeigen die übergreifendem Herausforderungen eines tragfähigen Kollisionsrechts der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation auf: Leistungen der Intermediäre wirken sich – von Erstellern, Auftraggebern und Dritten gewollt – an unterschiedlichsten Orten aus. Entwickelt werden kapitalmarktbezogene Informationsleistungen zumeist von Dienstleistern aus dem Umfeld der führenden Handelsplätze. Je 232 A. A. MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 204; ders. ZVglRWiss 109 (2010) 397, 415, jeweils zur Abschlussprüfung. 233 Dutta WM 2013, 1729, 1731. 234 A. A. Schroeter Ratings, 2014, S. 927 unter Ausblendung der dort S. 836 behandelten Anknüpfung der Haftung für unbeauftragte Leistungen nach dem Deliktsstatut. 235 Zur Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a RatingVO Schroeter Ratings, 2014, S. 836, 947 f. Zur Abschlussprüferhaftung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 206. 236 Übergreifend Martiny in: FS Magnus 2014, S. 483, 492 f. 237 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 204, 212 zur Abschlussprüfung.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

nach kollisionsrechtlicher Behandlung wird leicht ein einzelnes Recht, im Falle des Ratings, das Recht des US-amerikanischen Bundesstaats New York als globaler Mindeststandard festgeschrieben. Möglichen Schwächen der betreffenden Rechtsordnung ist dann nur durch ein die Interessen von Parteien und Drittbetroffenen in Ausgleich bringendes Kollisionsrecht wirkungsvoll entgegenzutreten. Die Bedeutung der bislang zu beachtlichen Teilen nicht abschließend zu beantworteten kollisionsrechtlichen Fragen mag angesichts fortschreitender Angleichung der berufsrechtlichen und regulatorischen Intermediärpflichten zurückgehen. Wie die EG-RatingVO zeigt, ist im Zusammenspiel von Registrierungspflicht und Anordnung der Übernahme von Verantwortung für im Ausland erstellte Beurteilungen Druck auf die privaten Informationsdienstleister aufzubauen. Die für Haftungssachverhalte in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte weisen deshalb stärker als zuvor in Richtung der Anwendbarkeit des Unionsrechts und ergänzend auf das Recht eines Europäischen Mitgliedstaats. Dies betrifft allerdings nach bislang verfolgtem Ansatz lediglich die von der Regulierung erfassten Anbieter, im zuletzt besprochenen Beispiel internationale Ratingagenturen. Die kollisionsrechtliche Problematik beansprucht deshalb weiterhin Raum für nicht regulierte oder noch nicht regulatorisch erfasste Leistungen der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation.

II. Regelungsbestand Der Regelungsbestand zur Haftung für Fehlleistungen innerhalb des einzelnen Segments der Informationsintermediation ist einem ständigen Wandel unterworfen. Auch nach der Finanzmarktkrise von 2008 kam es zwar nicht zu einer völligen Neuordnung der Expertenhaftung.238 Kleinere gesetzgeberische Justierungen und das fortlaufend anwachsende Fallrecht in In- und Ausland lassen aber durchaus Bewegung erkennen. Versuche einer Ausrichtung des Haftungsrechts an den funktionalen Gemeinsamkeiten der kapitalmarktlichen Informationsintermediation sind bislang nur selten unternommen worden.239 In Vorbereitung der in späteren Abschnitten zu beleuchtenden Diskussionsstände zu einzelnen Schutzgütern und Haftungsinstituten sind nachfolgend die Eckpunkte der Partei- und Dritthaftung der einzelnen Intermediäre zusammenzustellen. Vorauszuschicken ist, dass nach deutschem Recht anders als nach US-amerikanischem Recht keine zwingende Indienstnahme von Intermediationsbeurteilungen in Prospekten (registration documents) angeordnet ist. Eine dahingehende privatwirtschaftliche Vereinbarung ist möglich. Sie schafft ernstzunehmende Hopt WM 2013, 101, 111. Führend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 55. 103 ff., allerdings mit auf die einzelne Intermediationsleistung bezogenen Ansätzen. Mit partieller Gegenüberstellung von Rating und Finanzanalyse aus den Anfängen Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F131, F139 und sodann die Kommentierungen von Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, §§ 24 f., 32 (mit getrennter Behandlung der Haftung). 238 239

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Haftungsgefahren für den Abschlussprüfer. Für Ratingagenturen und Finanzanalysten sind bislang keine vergleichbar gelagerten Haftungsgefahren ersichtlich. 1. Abschlussprüfer Der Abschlussprüfer haftet gegenüber dem Emittenten kraft korporationsrechtlicher Stellung nach der abschließenden und zwingenden Regelung240 des § 323 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HGB für durch einfache Fahrlässigkeit verursachte Schäden (Binnenhaftung).241 Die Haftungsbegrenzung nach Abs. 2 geht auf die zum Zeitpunkt der Einführung der Pflichtprüfung im Jahr 1931 noch fehlende Verfestigung des Berufsstands zurück. Für die Prüfung börsennotierter Unternehmen gilt erst seit dem KonTraG von 1998 eine Erhöhung der allgemeinen Haftungshöchstsumme von zwei auf vier Millionen Euro. Im Vergleich zu den in Österreich geltenden Haftungshöchstsummen von bis zu zwölf Millionen Euro ist die deutsche Begrenzung niedrig angesetzt.242 In den USA ist gar ein Verbot der Höchstsummenbeschränkung vorgesehen.243 Die Begrenzung gilt nicht für andere Tätigkeiten als Pflichtprüfungen oder Drittansprüche.244 Für sonstige Wirtschaftsprüferleistungen sieht § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO abschließend die von Ziff. 9 Abs. 2 AAB-WP umgesetzte Möglichkeit vor, die Haftung für Fahrlässigkeit formularmäßig auf die vierfache Mindesthöhe der Deckungssumme nach § 54 Abs. 4 Satz 1 (vier Millionen Euro)245 zu begrenzen.246 Inwieweit diese Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten wirkt, ist umstritten, 240 Die Haftung greift auch bei fehlendem oder unwirksamem Prüfungsvertrag. Dort getroffene abweichende Bestimmungen und eine mögliche Anspruchskonkurrenz sind unbedeutend, weil durch § 323 HGB auch die Vertragshaftung abschließend und teilweise abweichend von den allgemeinen Regeln erfasst ist; GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 7. 241 Kraft Verweisung gilt § 323 HGB für zahlreiche andere Pflichtprüfungen, z. B. im Zusammenhang mit Gründung (§ 49 AktG) und Nachgründung (§§ 53, i. V. m. 49 AktG), bei Sonderprüfung (§§ 144, 258 Abs. 5 Satz 1 AktG), Prüfung von Halbjahresfinanzberichten (§ 37w Abs. 5 Satz 7 WpHG) oder bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 209 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 57f Abs. 3 Satz 2 GmbHG) sowie von Unternehmensverträgen oder bei Eingliederung (§§ 293d Abs. 2, 320 Abs. 3 Satz 2 AktG); GroßkommStaubHGB5-Habersack /  Schürnbrand § 323 Rn. 8. 242 Zu Österreich und weiteren EU-Mitgliedstaaten Doralt ZGR 2015, 266, 292 ff., 294; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 87 ff., 88. Überblick bei London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), 2006, S. 187 (Tabelle 84). 243 Zum US-amerikanischen Recht noch in diesem Abschnitt. 244 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 323 HGB Rn. 9. 245 Nach § 54 Abs. 4 Satz 1 WPO richtet sich die Mindestversicherungssumme für den einzelnen Versicherungsfall nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB, beträgt also 1 Million Euro. Dies entspricht der in § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB für die Prüfung börsennotierter Aktiengesellschaften vorgesehenen Haftungsbegrenzung. 246 Näher KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 19.

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zumal der Dritte von ihr – im Unterschied zur gesetzlichen Haftungsbeschränkung – nichts erfährt.247 In der wirtschaftsprüfernahen Literatur wird von der Spezialität gegenüber § 309 Nr. 7 lit. b BGB ausgegangen, so dass selbst bei Verbraucherbezug eine Haftungsbegrenzung für einfache Fahrlässigkeit in Betracht kommt.248 Für die Dritthaftung des Abschlussprüfers gelten trotz verschiedentlicher Anläufe zur Schaffung einer Sonderhaftungsnorm, etwa durch das Zehn-PunkteProgramm der Bundesregierung aus dem Jahr 2002249 und dem darauf folgenden DiskE-KapInHaG,250 auch weiterhin die allgemeinen Regeln. Die von der Rechtsprechung zunächst gewählte Lösung über einen Auskunftsvertrag i. S. d. § 675 BGB stieß auf heftige Kritik, weil ein dahin führender rechtsgeschäftlicher Bindungswille erforderlichenfalls schlicht unterstellt wurde.251 Seit dem Grundsatzurteil des BGH252 von 1998 richtet sich die Haftung für fahrlässig verursachte Fehler bei der Pflichtprüfung nach den Regeln des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.253 Dem Prüfungsvertrag kommt hiernach letztlich nur bei persönlichem Kontakt zwischen Prüfer und Dritten Schutzwirkung zu. Im Jahr 2014 entscheid der BGH254 allerdings, dass es zur Annahme einer Schutzwirkung ausreicht, wenn das Testat in Erfüllung kapitalmarktlicher Emittentenpflichten zusammen mit einer Gewinnprognose in den Verkaufsprospekt aufgenommen wird. Für die rechtsgeschäftliche Haftung im Zusammenhang mit sekundärmarktbezogenen Bestätigungsvermerken ist daraus kaum ein Paradigmenwechsel zu erhoffen. Der rechtspraktische Ausfall der Haftung für fahrlässig verursachte Vermögensschäden Dritter wird auch durch die Vorsatzhaftung nach § 826 BGB nur eingeschränkt aufgefangen. Nach einem Urteil des BGH von 1987, das die Steuerberatung betraf, genügt für den Vorsatz zwar schon die Vorstellung, das Testat werde gegenüber Dritten verwendet,255 oder auch bloße Leichtfertigkeit, also ein grob fahrlässiges Sich-Verschließen Dazu KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 11. KommWPO2-Maxl § 54a Rn. 12. 249 Bundesministerium der Justiz, Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, Anlage zur Pressemitteilung Nr. 48/02 v. 28.8.2002, abgedr. in WPK-Mitt. 2003, 44. Dazu Seibert BB 2003, 693, 697. Mit Einordnung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 90. 250 Abgedr. in NZG 2004, 2042, 1050. Dazu Kollmann AG 2004, R463. 251 GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 55; MünchKommHGB3Ebke § 323 Rn. 87, 124 ff. Weiterführend Canaris ZHR 163 (1999) 206, 213. 252 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 9 zur Ankündigung eines (unrichtigen) Pflichttestats gegenüber Dritten als Entscheidungshilfe für Anteilserwerb. 253 Näher GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 52; MünchKomm3 HGB -Ebke § 323 Rn. 87, 132 ff. 254 BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 16. 255 BGH, Urt. v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, WM 1987, 257, 259 zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. 247 248

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gegenüber Fehlern des Testats.256 Auf dieser Grundlage ist es jedoch bislang nur bei Hinzutreten weiterer Verfehlungen zur Dritthaftung des Jahresabschlussprüfers gekommen.257 In der Europäischen Union ist die Harmonisierung der Abschlussprüferhaftung auch in den auf die 5. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Strukturrichtlinie)258 folgenden Vorstößen etwa bei der Societas Europaea bislang gescheitert.259 Als Grund werden die fortbestehenden Unterschiede der Haftungsrechte in den Mitgliedstaaten genannt.260 Diese Unterschiede sind wie bei keiner anderen Intermediationsleistung rechtsvergleichend erforscht.261 Einen dem deutschen Recht vergleichbar restriktiven Umgang mit der Dritthaftung pflegen die englischen Gerichte, die seit der Entscheidung im Fall Caparo v. Dickman262 von 1990 die für fahrlässige Informationspflichtverletzungen (negligent misrepresentation) erforderliche Sorgfaltspflicht (duty of care) des Prüfers gegenüber dem Anlegerpublikum aus Gründen der Vermeidung unüberschaubarer Haftung verneinen (floodgates argument).263 Zu den Gegenbeispielen264 zählt Österreich, 256 BGH, Urt. v. 26.9.2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, Juris-Tz. 55 zur Haftung aus § 826 BGB. Zur Begriffsausfüllung v. Buttlar / Hammermaier ZBB 2017, 1. 257 BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, WM 2014, 17, Juris-Tz. 11 ff. (Werbung für Emittenten auf Seminarveranstaltungen gegenüber Vertrieblern in Funktion als Abschlussprüfer). 258 Seit 1991 nicht weiterverfolgt. Abgedr. zuletzt bei Lutter Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 1996, S. 171 ff. und S. 176 ff. (dritter geänderter Vorschlag v. 20.11.1991). Dazu Ebke in: FS Trinkner 1995, 493, 511 ff., 517; Hirte Berufshaftung 1996, S. 61 f. Zum Stand Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2011, Rn. 588. 259 Überblick bei MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 236. 260 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Erwägungsgrund 5. 261 Zur Vergleichung ausgewählter Rechte der EU-Mitgliedstaaten Doralt ZGR 2015, 266, 285 ff.; Ebke ZVglRWiss 100 (2001) 62, 65 ff. sowie eingehend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 45 ff. Zu England und Frankreich Wölber Abschlussprüferhaftung, 2005, S. 140 ff. und Senninger Harmonisierung der Abschlussprüfung in der EU, 2011, S. 139 ff., zu England auch Baus ZVglRWiss 103 (2004) 219, 220 ff. sowie unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und kanadischen Rechts Richter Die Dritthaftung der Abschlussprüfer, 2007, S. 42. Grundlegend zu den USA Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 91 ff.; ders. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuer- und rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, 1996, S. 5 ff. 262 Caparo Industries v. Dickman [1990] 1 All E.R. 568. Zur Aufarbeitung im Rahmen der seinerzeit aufkommenden Corporate-Governance-Bewegung siehe The Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (Cadbury-Report), Dezember 1992, www.ecgi. org., Ziff. 5.31, Anh. 6. Zur heutigen Einordnung Richter Die Dritthaftung der Abschlussprüfer, 2007, S. 102; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 77. 263 Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 22-44 ff.; Leyens / Magnus in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 417, 435 und Leyens in: ebd., S. 548.

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wo seit dem Grundsatzurteil des OGH von 2001 die Haftung des Pflichtprüfers aus Vertrag mit Schutzwirkung mit tendenziell größerem Anwendungsbereich als in Deutschland allgemein anerkannt ist.265 Historisch wird die Entwicklung des Rechts der Abschlussprüfung nach anfänglicher Dominanz des englischen Rechts im 19. Jahrhundert, national und europäisch maßgeblich durch das US-amerikanische Recht geprägt.266 In der rechtsökonomisch ausgerichteten Rezeption wird die Regelsetzung dort wie hier – trotz aller Verschärfungen der berufsrechtlichen Pflichten infolge des Sarbanes-Oxley Act 2002 – als Paradebeispiel für den Einfluss des Berufsstands auf die Politik wahrgenommen (regulatory capture, rent seeking).267 Teilweise ist dies in der seit den Anfängen zurückhaltenden Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte gegenüber der Dritthaftung angelegt.268 In der Leitentscheidung Ultramares v. Touche269 von 1931 lehnte Benjamin N. Cardozo die Dritthaftung mit großer Nähe zu späteren Erwägungen des BGH maßgeblich aus Gründen der Relativität der Vertragsbeziehung (privity) ab.270 Die in der Literatur später als zirkulär271 beschriebene Begründung stellte der US Supreme Court im Fall Rosenblum v. Adler von 1983 in Frage, machte die Haftung aber davon abhängig, dass der Geschädigte sich tatsächlich auf das Testat verlassen hatte (actual reliance).272 Die Ergebnisse stimmen mit der Rechtsprechung des BGH zur Transaktionskausalität überein, deren hohe Beweishürden nach dem IKB-Urteil von 2012 lediglich für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens abgesenkt werden.273 Die deutsche Rechtsprechung schließt insoweit zu der US-ame264 Neben Österreich etwa auch Frankreich, Griechenland, Italien, Slowenien. Aus der jüngeren Rechtsvergleichung Doralt ZGR 2015, 266, 288, 290 ff. Eingehend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 76 ff. 265 OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖBA 2002, 820 mit Anm. Doralt sowie ÖZW 2002/3, 88 mit Anm. Artmann. 266 Zur Errichtung des US-amerikanischen PCAOB, zur darauf folgenden Bildung der APAK und zu weiteren Beispielen 5. Kapitel: A.III.2, 3 (S. 69 ff., 73). 267 Burke 39 Syracuse J. Int’l L. & Com. 137, 168 (2011–2012). 268 Zum Ganzen Burke 39 Syracuse J. Int’l L. & Com. 137, 157 ff. (2011–2012). 269 Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441 (NY 1931). 270 Daraus die bekannte Passage: „If liability for negligence exists, a thoughtless slip or blunder, the failure to detect a theft or forgery beneath the cover of deceptive entries, may expose accountants to a liability in an indeterminate amount for an indeterminate time to an indeterminate class“; Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441, 444 (NY 1931). 271 Deutlich Burke 39 Syracuse J. Int'l L. & Com. 137, 163 (2011–2012): „If the auditors lacked a duty of care (to onares) precisely because they were not in privity with the firm, then the words uttered directly (to Ultramares) would never be actionable only because of the lack of privity. Cardozo’s rationale is circular, unconvincing, and flouts the objective of an audit: to provide external users of financial statements a level of comfort that they depict an accurate and fair representation of the firm's financial position.“ 272 Rosenblum v. Adler 461 A.2d 138, 154 (N.J. 1983). Zur Einordnung Richter Die Dritthaftung der Abschlussprüfer, 2007, S. 96. 273 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 67.

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rikanischer Gerichte auf, die seit der Entscheidung im Fall Basic Inc. v. Levinson274 von 1988 für Kursdifferenzschäden den Nachweises der Kursbeeinflussung infolge fehlerhafter Kapitalmarktinformation ausreichen lassen (fraud on the market theory).275 Die Schwierigkeiten beim Nachweis des Vertrauens (reliance) nach SEC rule 10b-5 werden dort auf diese Weise überwunden.276 Im Jahr 2014 hatte sich der US-amerikanische Supreme Court im Fall Halliburton v. Erica P. John Fund (Halliburton II) 277 erneut mit der Problemstellung zu beschäftigen.278 Auf Impulse für die Feinjustierung der Intermediärhaftung ist bei der Diskussion zu Schaden, Kausalität und Beweislast zurückzukommen.279 In den USA folgte auf das durch die Rechtsprechung im Fall Basic angestiegene Haftungsrisiko eine Erschwerung von Sammelklagen (class actions) durch den Private Securities Litigation Reform Act von 1995 auf Bundesebene und auch einzelstaatlich.280 Die Folge war ein erheblicher Rückgang, wenn auch keineswegs ein Ausfall der Klagen gegen die großen Prüfungsgesellschaften.281 Zahlreiche kleinere Entwicklungen ausgeblendet, richtet sich die Dritthaftung der Wirtschaftsprüfer bis heute im Wesentlichen nach dem durch die Ultramares-Rechtsprechung282 geprägten Second Restatement (Second) of Torts.283 ZuBasic v. Levinson 485 US 224, 243 (1988). Näher Choi / Pritchard Securities Regulation, 3. Aufl., 2012, S. 275 f.; Coffee / Sale Securities Regulation, 12. Aufl., 2012, S. 993; Cox / Hillman / Langevoort Securities Regulation, 7. Aufl., 2013, S. 740; Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, 6. Aufl., 2011, Bd. 2, S. 1654. 276 SEC rule 10b-5 gründet auf section 10(b) Securities Exchange Act 1934. 277 Halliburton v. Erica P. John Fund (Halliburton II) 134 S. Ct. 2398 (2014), auch in: AG 2014, 828. Vorausgegangen Erica P. John Fund v. Halliburton 563 US 1 ff. (S. Ct. 2011). 278 Umfassende Aufarbeitung bei Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 687 m. w. N. Bereits zur vorausgegangenen Entscheidung ders. AG 2012, 345, 352. 279 Siehe 12. Kapitel: D (S. 511 ff., insbesondere S. 517 ff.). 280 Näher Burke 39 Syracuse J. Int’l L. & Com. 137, 168 f. (2011–2012). 281 In den Jahren 1990, 1991, 1992 wurden 192, 172, 141 Haftungsklagen gegen die seinerzeitige top six der Prüfungsgesellschaften gezählt, dagegen im Jahr 1996 nur 6. Parallel dazu ging die Anzahl der durch die SEC geführten Verfahren, möglicherweise aus budgetären Gründen zurück. Zum Ganzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 60 ff., 152 ff. m. w. N. 282 Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441 (NY 1931). 283 § 552 Restatement (Second) of Torts (1976): „Information Negligently Supplied for the Guidance of Others (1) One who, in the course of his business, profession or employment, or in any other transaction in which he has a pecuniary interest, supplies false information for the guidance of others in their business transactions, is subject to liability for pecuniary loss caused to them by their justifiable reliance upon the information, if he fails to exercise reasonable care or competence in obtaining or communicating the information. (2) Except as stated in Subsection (3), the liability stated in Subsection (1) is limited to loss suffered (a) by the person or one of a limited group of persons for whose benefit and guidance he intends to supply the information or knows that the recipient intends to supply it; and (b) through reliance upon it in a transaction that he intends the information to influence or knows that the recipient so intends or in a substantially similar transaction. 274 275

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sammen mit der Rosenblum-Rechtsprechung von 1983 gleichen die Voraussetzungen der Dritthaftung damit der (zurückhaltenden) Rechtsprechung des BGH zur Haftung aus vertraglicher Schutzwirkung nahezu „aufs Haar“.284 Der auf die Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise von 2008 erlassene DoddFrank Act von 2010 ändert hieran nichts, verschärft aber die Haftung für Beihilfe zum Anlagebetrug (aiding and abetting) nach SEC rule 10b-5.285 Noch nach der Entscheidung des Supreme Court im Fall Central Bank of Denver v. First Interstate Bank of Denver 286 von 1994 waren Experten von der zivilrechtlichen Gehilfenhaftung praktisch abgeschirmt.287 In Betracht kam nur die Täterhaftung, die den hohen Anforderungen an den Vorsatz (scienter) unterliegt. Bei der Gehilfenhaftung musste die Handlung bislang in Kenntnis der Haupttat (knowingly) erbracht worden sein. Neuerdings reicht es, wenn der Experte sich rücksichtslos (recklessly) verhält. Die Nähe zu der vom BGH ausgeformten Haftung für Leichtsinnigkeit aus § 826 BGB ist unverkennbar. Es ist noch nicht abzusehen, ob US-amerikanische Gerichte den Abschlussprüfer, gestützt auf die neue Vorschrift, häufiger in die Haftungsverantwortung nehmen werden. Ebenso unsicher sind die künftigen Haftungsergebnisse nach der zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung oszillierenden deutschen Rechtsprechung. 2. Rating Die Partei- und Dritthaftung der Ratingagenturen ist bislang weitgehend ungeklärt. Mit der Verabschiedung von Art. 35a RatingVO liegt zwar seit 2013 eine unionsweit geltende Grundlage für die Haftung (nur) der registrierten Ratingagenturen vor. Ihre Einsatzmöglichkeiten werden neben den parallel anwendbaren Haftungsinstituten des nationalen Rechts aber als gering eingeschätzt. In der spätestens seit Ende der 1990er-Jahre auch rechtsvergleichend geführten Debatte werden Haftungsklagen bis heute als wenig aussichtsreich erachtet.288 Für die (3) The liability of one who is under a public duty to give the information extends to loss suffered by any of the class of persons for whose benefit the duty is created, in any of the transactions in which it is intended to protect them.“ 284 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 318. 285 Mit dahingehender Forderung bereits Coffee Gatekeepers, 2006, S. 373. Zur jetzt geltenden Regelung Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1642 (2010). 286 Central Bank of Denver v. First Interstate Bank of Denver 511 US 164, 185 (1994) mit Verneinung jeglicher Gehilfenhaftung aus section 10(b) Securities Exchange Act. 287 Allerdings kommt eine Gehilfenhaftung nach section 20(e) Securities Exchange Act in von der SEC geführten Verfahren in Betracht. 288 Aus den Anfängen zu Europa, England und den USA Ebenroth / Dillon 24 L. Pol‘y Int‘l Bus. 783, 832 (1993); unter Einbeziehung weiterer Rechtsordnungen Blaurock ZGR 2007, 603, 637 (zurückgehend auf Generalbericht „Control and Responsibility of Credit Rating Agencies“, XVII. Congress of the International Academy of Comparative Law, 2006). Mit umfassendem Vergleich zu den USA unter Einbeziehung der Rechte Hongkongs und der Schweiz Schroeter Ratings, 2014, S. 777 ff.

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Parteihaftung resultiert dieser Befund vornehmlich aus den beschriebenen Unsicherheiten im haftungsrechtlichen Umgang mit probabilistischen Aussagen.289 Aus dem Nichteintritt der prognostizierten Entwicklung allein kann nicht auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden. Die Nichtachtung der prozeduralen Anforderungen ist äußerlich schwer erkennbar und schlägt sich zudem nicht zwingend im Ratingergebnis nieder. Erst die Überschreitung der Vertretbarkeitsgrenze führt zu Haftungsgefahren. In dem 2006 vom KG entschiedenen Fall Scope Rating 290 war ein dahingehender Nachweis von dem auftragslos betroffenen Emittenten nicht zu erbringen, ebenso wenig in dem 2011 vom BGH entschiedenen Fall (Bonitätsindex 500).291 Vom OLG Frankfurt wurde demgegenüber 2015 ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb wegen unzureichender Berücksichtigung der Tatsachengrundlage („Oberflächlichkeit“) bejaht.292 Die (noch) zurückhaltenden Einschätzungen gegenüber der Haftungsverantwortlichkeit von Ratingagenturen sind zu weiten Teilen entwicklungsgeschichtlich zu erklären. Noch bis zu den 1990er-Jahren spielte die Frage weder für das deutsche noch das europäische Recht eine Rolle.293 Erst seit dem Basel II-Akkord von 1996 werden externe Bonitätsbeurteilungen zu regulatorischen Zwecken eingesetzt. Ein verstärktes Bedürfnis nach grenzüberschreitend verwertbaren Beurteilungen entstand aus der zunehmenden Präsenz ausländischer und insbesondere institutioneller Investoren ab den 2000er-Jahren und der insgesamt verstärkten Internationalisierung der Marktteilnahmebedingungen. Die aus den USA bekannten Ratings erwuchsen erst vor diesem Hintergrund zu dem heute verfestigten Informationskanal. In den USA hatte sich im Zuge der seit den 1980er-Jahren stark von ökonomischen Theorien zur Markteffizienz beeinflussten Deregulierungspolitik der Gedanke einer weitgehenden Haftungsfreistellung der Informationsintermediäre des Kapitalmarkts verbreitet. Während die Haftungsgefahren der Abschlussprüfer durch Regelsetzung wie Rechtsprechung (lediglich) zurückgefahren wurden, entgingen Ratingagenturen von vornherein der Schadensersatzdrohung. Unverkennbare Parallelen zur deutschen Haftungshöchstsummenbegrenzung der Abschlussprüfer von 1931 zeigen sich bei der 1982 in den USA eingeführten Pflicht zur Aufnahme von Ratings in den Prospekt bei gleichzeitiger Ausnahme der Agenturen von der für Abschlussprüfer geltenden Expertenhaftung.294

Dazu 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff.) und 12. Kapitel: B.I.1 (S. 464 f.). KG, Urt. v. 12.5.2006 – 9 U 127/05 (Scope Rating), WM 2006, 1432, Juris-Tz. 33. 291 BGH, Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 120/10 (Bonitätsindex 500), WM 2011, 1187, JurisTz. 8 ff., 20 f. 292 OLG Frankfurt, Urt. v. 7.4.2015 – 24 U 82/14, ZD 2015, 335, Juris-Tz. 21. 293 Offenes Bekenntnis zum raschen Wandel bei Kübler in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 1996, S. 115 Fn. 1, 118 ff. Außerdem aus den Anfängen Arendts WM 1993, 229 ff.; Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 1 ff. 289 290

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Zugute kam den Agenturen vor allem die durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen295 untermauerte Einordnung des Ratings als verfassungsrechtlich geschützte freie Meinung oder Presse (1st Amendment defence).296 Daraus entwickelte sich eine auch in der deutschen Literatur berücksichtigte, stark den Institutionenschutz betonende Zurückhaltung gegenüber der Haftung von Ratingagenturen.297 Im Ergebnis soll den Erstellern von Bonitätsbeurteilungen aus Gründen der Meinungs- und Pressefreiheit und der privatautonomen Gestaltung der Informationsversorgung des Markts trotz Interessenkonflikten aus der Nähe zum beauftragenden Emittenten ein weitgehend gerichtsfreier Betätigungsraum zukommen.298 In der Rückschau jüngerer Erfahrungen drängt sich der Eindruck auf, dass die letztlich mit jeder Intermediationsleistung verbundene Kosteneinsparung (sale economies) schlicht mit dem öffentlichen Interesse gleichgesetzt wurde.299 Auf Grundlage allein von Kostenargumenten wäre etwa auch ein haftungsrechtlicher Schutz von Finanzintermediären bis hin zu Schattenbanken und 294 Ohne den Haftungsausschluss wäre das rechtspolitische Ziel einer Begleitung von Emissionen durch Ratings nicht umsetzbar gewesen. Im Einzelnen Schroeter Ratings, 2014, S. 220 ff., 222. 295 Einerseits Compuware Corporation v. Moody’s Investors Services 499 F. 3d 520, 530 (6th Cir. 2007): actual malice erforderlich zur Geltendmachung der vertraglichen Haftung. Andererseits Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 651 F. Supp. 2d 155 (SDNY 2009): keine Berufung auf Meinungsfreiheit bei Verbreitung eines Ratingurteils in einem kleinen Investorenkreis. 296 Hill 82 Wash. U. L.Q. 43, 56 (2004); Kettering 29 Cardozo L. Rev. 1553, 1689 (2008); Pinto 54 Am. J. Comp. L. 341, 352 (2006). Ablehnend mit detaillierter Aufarbeitung des Fallmaterials Nagy 94 Minn. L. Rev. 140, 143 ff., 154 (2009). 297 Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 556, 786. 298 Bezeichnend insoweit der Umgang mit der fehlenden Offenlegung der Vergütung durch den Emittenten im Fall In re Lehman Brothers Securities & ERISA Litig. 684 F. Supp. 2d 485, 492 (SDNY 2010): „A reasonable investor would have known that the ratings agencies were paid by the issuers. If the fee arrangement undermined an investor's confidence in the ratings agencies’ independence, a disclosure that a rating agency was involved in structuring the Certificates prior to rating them would have added nothing important to the ‘total mix’ of information available. If, on the other hand, an investor trusted the ratings agencies to give an honest opinion notwithstanding the fact that they were paid by the issuer, the fact that they were involved in structuring the Certificates, assuming that they were, likewise would have been unimportant.“ 299 Husisian 75 Cornell L. Rev. 411, 413 (1990): „The bond rating services […] can rate securities’ riskiness far less expensively than can an individual investor. The information the services provide improves the market’s efficiency by equalizing prices at the margin so that securities more accurately affect the, market’s collective preference for the risk.“ Aus dieser (zutreffenden) Beschreibung leitet jener Autor die Notwendigkeit einer dem verfassungsrechtlichen Schutz der Wirtschaftspresse entsprechenden vollständigen Haftungsabschirmung für fahrlässige nichtdefamierende Tatsachenäußerungen ab (negligent non-defamatory misstatements of fact). Zitiert wurde der Beitrag etwa in In re Enron Corp. Securities, Derivative & ERISA Litig. 511 F. Supp. 2d 742, 824 (SD Tex. 2005).

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Hedge Fonds zu begründen. Mit verfestigten Vorstellungen zu den sozialen Kosten von Fehlverhalten am Kapitalmarkt wäre dies offensichtlich unvereinbar.300 Maßgeblich drei miteinander verwobene Entwicklungen lassen Ansätze zu einer Wende der internationalen Debatte erkennen: Erstens wurden die Agenturen im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008 der an sie gestellten Erwartung (erneut)301 nicht gerecht, durch verlässliche Risikobewertungen zur Marktdisziplin beizutragen und zugleich ein Frühwarnsystem zu schaffen (public watchdogs).302 Der Aufarbeitung durch Politik303 und Wissenschaft304 zufolge verschärften ihre Bewertungen vielmehr die marktweite Unterschätzung der Kreditrisiken. Hohe Bonitätsstufen wurden für die obersten Tranchen (senior tranches) strukturierter Finanzprodukte vergeben, ohne zumindest auf die Unterschiede gegenüber den ebenso bewerteten Staats- und Industrieanleihen hinzuweisen. Unbeachtet blieben historische Marktdaten des Segments und die möglichen Konsequenzen eines Markteinbruchs. Die lange dominierende Sichtweise,305 nach der allein der Reputationsmechanismus für eine hinreichende Verhaltenssteuerung zu sorgen vermag, verflüchtigte sich angesichts dieser Erfahrungen und gab einer offenen Anprangerung der Achtlosigkeit von Ratingagenturen Raum.306 300 Näher zur Funktion des Haftungsrechts, die sozialen Kosten zu senken, 12. Kapitel: A.I.2 (S. 413 f.). 301 Siehe bereits zur Aufarbeitung des Zusammenbruchs von Enron im Jahr 2001: US Senate, Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, 107th Cong., 2nd Sess., S. Prt. 107-75, 7.10.2002, S. 76 ff., 84 f.: „[…] the agencies did not perform a thorough analysis of Enron’s public filings; did not pay appropriate attention to allegations of financial fraud; and repeatedly took company officials at their word, without asking probing, specific questions – despite indications that the company had misled the rating agencies in the past.“ 302 Zu den Entwicklungszusammenhängen 5. Kapitel: B.II.2 (S. 100). 303 Aus europäischer Sicht The High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), Report, 25.2.2009, Rn. 19 ff. Aus den USA: Ersetzen durch: Financial Crisis Inquiry Commission, Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States, Washington, Januar 2011, S. XXV (Schlussfolgerungen); US Senate, Permanent Subcommittee on Investigations, Wall Street and the Financial Crisis: Anatomy of a Financial Collapse, 13.4.2011, S. 5, 243 ff., 267. International G30, Financial Reform, 19.1.2009, S. 13 („flawed system of credit ratings“), S. 50 ff. 304 Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E24, ders. 157 De Economist 129, 155 (2009); Rudolph ZGR 2010, 1, 6 ff. Aus den USA Coffee 6 U. St. Thomas L.J. 403, 408 (2009); Ellis /  Fairchild / D’Souza 17 Stan. J.L. Bus. & Fin. 175, 192 ff., 207 (2012). 305 Exemplarisch aus einer Entscheidung des US Supreme Court von 1985: „In any case, the market provides a powerful incentive to a credit reporting agency to be accurate, since false credit reporting is of no use to creditors“; Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders 472 US 749, 763 f., 105 S. Ct. 2939 ff. (1985). 306 SEC, Summary Report of Issues Identified in the Commission Staff’s Examinations of Select Credit Rating Agencies, Juli 2008, S. 12 unter Hinweis auf Auszüge aus der E-MailKorrespondenz von Ratinganalysten der großen Agenturen: „One analyst expressed concern that her firm’s model did not capture ‘half ’ of the deal’s risk, but that ‘it could be structured by cows

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Zweitens kam es infolge einer Klagewelle307 zum partiellen Aufbrechen der bisherigen Argumentationslinien US-amerikanischer Gerichte. Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit wurde bislang vor allem durch das Erfordernis der schwer nachzuweisenden besonderen Schädigungsabsicht (actual malice) gewährleistet und im Ergebnis wohl überpannt.308 Über mehrere Entscheidungen bildeten sich Differenzierungskriterien zwischen einem im Eigeninteresse (private concern) stehenden kommerziellen Informationsangebot und dem im öffentlichen Interesse (public concern) stehenden Wirtschaftsjournalismus heraus.309 Vorläufiges Zwischenergebnis ist der im Fall Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co310 von 2009 für die Haftung der mitverklagten Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s sowie Fitch angelegte Drei-Faktoren-Test, nach dem die Begrenztheit des Empfängerkreises, die inneren Absichten und der Informationsstand der Agentur sowie mögliche Interessenkonflikte den verfassungsrechtlichen Schutz verstellen und eine Haftung wegen fahrlässiger Fehlinformation (negligent misrepresentation) zulassen können. Dass es 2013 zum gerichtlichen Vergleich311 kam, ändert nach US-amerikanischem Recht nichts an der rechtsfortbildenden Kraft der für die Klagezulassung als hinreichend (persuasive) aufgefassten Umstände. Haftungsgefahren bestehen infolgedessen vor allem bei der Verwendung untauglicher Daten und Methoden sowie beim Angebot von Beratungsleistungen während des Strukturierungsprozesses. In den Verfahren CalPERS v. Moody’s et and we would rate it’.“ Erschaffen werde ein „monster – the CDO market. Let’s hope we are all wealthy and retired by the time this house of cards falters“. Gesammelt nachzulesen in der Klage der US-Regierung gegen Standard & Poor’s. Dazu sogleich Fn. 315 und umgebenender Text. 307 Unterman 5 Hastings Bus. L.J. 53, 79 (2009) zählt 132 Sammelklagen im Zusammenhang mit den vor der subprime crisis emittierten strukturierten Finanzprodukten allein bis Juli 2008. Siehe auch Nagy 94 Minn. L. Rev. 140, (2009): „surge of litigation“, jeweils m. w. N. 308 Zur Ausgangslage noch Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services Inc. 175 F. 3d 848 (1999) mit Verneinung der Haftung für ein unbeauftragtes Rating wegen vorsätzlicher Vermögensschädigung oder Rufschädigung; In re Enron Corp. Securities, Derivative & ERISA Litig. 511 F. Supp. 2d 742, 826 (SD Tex. 2005) mit umfangreicher Abwägung zum Ausschluss der Dritthaftung wegen fahrlässiger Fehlinformation (negligent misrepresentation). 309 In re Fitch 330 F. 3d 104, 107 (2nd Cir. 2003) verneinte die Vergleichbarkeit von Ratings mit dem Wirtschaftsjournalismus, weil die Auswahl der Ratingobjekte nicht auf Grundlage der Berichtswürdigkeit, sondern nach Bezahlung durch den Beurteilten (nicht den Informationsempfänger) entschieden wird und außerdem weil im Fall eine enge Beziehung bestand, im Rahmen derer Strukturierungshinweise gegeben wurden. Bereits im Fall Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders 472 US 749, 762, 05 S. Ct. 2939 ff. (1985) war für Abonnementratings die Einordnung als eine aus Gründen des Gemeinwohls (public concern) schützenswerte Tätigkeit abgelehnt und ein kommerzieller Informationsverkauf angenommen worden. 310 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 651 F. Supp. 2d 155, 166 f., 179 f. (SDNY 2009). 311 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 2013 WL 2468559 (SDNY 2013).

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al.312 von 2009 und United States v. McGraw-Hill 313 von 2013 erschien eine Verurteilung zum Schadensersatz nicht unwahrscheinlich.314 Anfang 2015 kam es zum Vergleich.315 Vermutlich nicht zuletzt, um eine Feststellung ihres Fehlverhaltens zu vermeiden, verpflichtete sich die mitverklagte Agentur Standard & Poor’s zur Zahlung der immensen Summe von 1,375 Milliarden US-Dollar.316 Insgesamt ist ein Sinneswandel zu verzeichnen. Nach heutigen US-amerikanischen Vorstellungen bietet die Meinungsfreiheit den Ratingagenturen keinen umfassenden Schutz vor Haftung mehr. Aus Sicht des Common Law ist das im Juni 2014 ergangene Urteil des australischen Bundesgerichts in Sydney zu ABN AMRO v. Bathurst Regional Council ein Paukenschlag.317 Bereits die Vorinstanz hatte die Dritthaftung aus negligent misrepresentation im Wesentlichen mit der Begründung bejaht, die Agentur habe das Rating in Kenntnis der Beeinflussung von Anlegerentscheidungen entgegen eigener Angaben nicht auf vernünftiger Grundlage und unsorgfältig erstellt.318 Das jetzt vorliegende Urteil des australischen Bundesgerichts verschärft diesen Befund sogar noch, indem die Schadensaufteilung versagt und jeder der Beklagten für voll einstandspflichtig gehalten wird.319 Zu den zentralen Erwägungen gehört, dass auch ein als öffentliche Bonitätsbeurteilung (public) gekennzeichnetes Rating zur Dritthaftung führen kann,320 dass der Ratingagentur lediglich die Art (class) der möglichen Investoren bekannt sein muss und eine Sorgfaltspflicht (duty of care) auch gegenüber diesen anonymen Investoren anzunehmen sein kann.321

Cal. Pub. Employees’ Ret. Sys. v. Moody’s Corp. et al., (Cal. Super. Ct., SF County, 2009). United States v. McGraw-Hill Companies 2013 WL 3762259 (CD Cal. 2013). 314 Ellis / Fairchild / D’Souza 17 Stan. J.L. Bus. & Fin. 175, 203 ff., 208 (2012). Zurückhaltend demgegenüber Schroeter Ratings, 2014, S. 782 („Versuchsballon“) zur Klage der USA. 315 US Department of Justice, Settlement Agreement (United States v. McGraw-Hill Companies), Press Release, 2.2.2015, www.justice.gov. 316 US Department of Justice, Justice Department and State Partners Secure $ 1.375 Billion Settlement with S&P for Defrauding Investors in the Lead Up to the Financial Crisis, Press Release, 3.2.2015, www.justice.gov. 317 ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014, insbesondere Rn. 1608 ff., 1611. Zur Bedeutung Edwards 7 LFMR 88 (2013); ders. 7 LFMR 186 (2013). Eingehend Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 103 ff. 318 Bathurst Regional Council v. Local Government Financial Services (No. 5), [2012] FCA 1200, 5.11.2012, Rn. 53 (Zusammenfassung). 319 ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014, Rn. 15, 1611: „On appeal, we would uphold these findings in relation to damages, contributory negligence and apportionment except that we would hold that the damages assessed in relation to the claim under s(ection) 1041E of the Corporations Act are not apportionable“ (Kursivdruck und Klammerzusatz hinzugefügt). 320 ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014, Rn. 54. 312 313

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Nicht übersehen werden darf allerdings, dass sowohl den US-amerikanischen als auch den australischen Haftungsfällen Fallgestaltungen zugrunde lagen, in denen sich das Rating auf eine anstehende Emission bezog. Die damit noch nicht abschließend gelöste Problemstellung der Eingrenzbarkeit des Kreises der Informationsempfänger ist spätestens seit der Entscheidung des BGH zur Abschlussprüferhaftung von 1998, international durch die englische Caparo-Entscheidung von 1992 und die US-amerikanische Ultramares-Rechtsprechung von 1931 bekannt.322 In der Zusammenschau zeigen die Entwicklungen dort wie beim Rating, dass als sicher geglaubte Grundvorstellungen durchaus wandelbar sind. Mit der eben behandelten australischen Entscheidung deutet sich für die Haftung von Ratingagenturen die abstrakte Bestimmbarkeit als Kriterium zur Eingrenzung des Kreises der Schadensersatzberechtigten an.323 Drittens sind die verstärkt aufkommenden regulatorischen Verhaltensvorgaben zu nennen. In der Europäischen Union machte die EG-RatingVO im Jahr 2009 nach eher zurückhaltenden Vorgaben von Basel II den Anfang. Seit 2013 bietet Art. 35a EG-RatingVO eine spezialgesetzliche Haftungsgrundlage für Partei- wie Dritthaftung.324 Damit ist ein erster Schritt getan, wenngleich auf die (letztlich entscheidenden) Beweiserleichterungen – noch im Vorschlag der Europäischen Kommission von 2011vorgesehen – weitestgehend verzichtet wurde.325 Im Ergebnis wird es für die Dritthaftung aller Voraussicht nach bei den Rechtsbehelfen des nationalen Rechts bleiben. Der möglicherweise weiterführenden Haftung nach § 826 BGB bereits für leichtfertige Fehlaussagen nähert sich das US-amerikanische Recht infolge des Dodd-Frank Act von 2010 an:326 In den Securities Exchange Act 1934 wurde eine Ausnahmeregel aufgenommen, nach der die Haftung nach SEC rule 10b-5 nicht mehr von der Darlegung stark auf

321

1260

ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014, Rn. 577,

Näher im vorausgegangenen Abschnitt 1. Edwards 7 LFMR 88, 90 (2013). 324 Zur Entwicklung Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl., 2014, S. 677. 325 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, KOM (2011) 747 endg., 15.11.2011, Art. 35a Abs. 4. Befürwortend noch Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 471 f. 326 Section 21D(b)(2)(B) Securities Exchange Act 1934 geht zurück auf section 933 DoddFrank Act 2010: „[…] it shall be sufficient, for purposes of pleading any required state of mind in relation to such action, that the complaint state with particularity facts giving rise to a strong inference that the credit rating agency knowingly or recklessly failed – (i) to conduct a reasonable investigation of the rated security with respect to the factual elements relied upon by its own methodology for evaluating credit risk; or (ii) to obtain reasonable verification of such factual elements (which verification may be based on a sampling technique that does not amount to an audit) from other sources that the credit rating agency considered to be competent and that were independent of the issuer and underwriter.“ 322 323

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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einen Betrug hindeutender Umstände (strong inference of fraud) abhängt, sondern bereits bei Leichtfertigkeit (recklessness) gegeben sein kann.327 Bislang nicht durchsetzen konnte sich demgegenüber die im Dodd-Frank Act angelegte Einbeziehung der Ratingagenturen in die strenge Expertenhaftung für fehlleitende Aussagen in den Registrierungsunterlagen des Emittenten nach section 11 Securities Act 1933.328 Angesichts der erheblich gesteigerten Haftungsgefahren aus mit Beweislastumkehr (due diligence defense) versehenen, aber sonst verschuldensunabhängigen Haftung versagten die Agenturen schlichtweg ihre Leistung. Die Folge war ein Stillstand im Verbriefungsmarkt, der erst nach Rücknahme der Haftungsregel beendet werden konnte.329 Einerseits deuten die letztlich gleichlaufenden Erfahrungen mit dem Rückbau der zunächst schärfer ausgestalteten Haftung nach dem Entwurf des Europäischen Parlaments und Rückzug bei der primärmarktlichen Haftung in den USA auf eine beachtliche Kraft der Ratingagenturen zur Beeinflussung der Regelsetzung hin. Andererseits ist zu vermuten, dass ohne hinreichend klar umrissene Pflichtenstandards, Exkulpationsmöglichkeiten (due diligence defenses, safe harbors) und nicht zuletzt Haftungshöchstgrenzen (liability caps) unüberschaubare und letztlich schädliche Haftungsgefahren entstehen können. Die bislang für die Debatte kennzeichnende vollständige Ausblendung der haftungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten dürfte angesichts der in den genannten Vorstößen erkennbaren gesetzgeberischen und richterlichen Wertentscheidungen aber jedenfalls überwunden sein.330 In den USA wird von einer realistischen Haftungsgefahr bei leichtfertigem Verhalten ausgegangen, im Falle von Interessenkonflikten auch bei emissionsbegleitenden Ratings.331 3. Finanzanalyse Für die Partei- und Dritthaftung der Finanzanalysten bestehen keine spezialgesetzlichen Regeln. Nach dem gescheiterten Diskussionsentwurf zum Kapital327 Einordnend Ellis / Fairchild / D’Souza 17 Stan. J.L. Bus. & Fin. 175, 203 ff., 208 (2012). Eine gewisse Erhöhung der Haftungsgefahren erkennen Blumberg / Wirth / Litsoukov 16 J. Struct. Fin. 34, 39 (2011) („to some extent“). Skeptisch Manns 81 Geo. Wash. L. Rev. 749, 775 f. (2013). 328 Nach section 11(a)(4) Securities Act 1933 kann der Emittent Experten zu einzelnen Abschnitten des Emissionsprospekts benennen, die dann der Haftung nach dieser Norm unterliegen. Durch rule 436(g) zum Securities Exchange Act 1933 waren Ratingagenturen von den in Betracht kommenden Experten ausgenommen. Diese Regel wurde durch section 939G Dodd-Frank Act zurückgenommen. Dazu Haar 25 EBLR 315, 321 (2014). 329 Dazu Manns 81 Geo. Wash. L. Rev. 749, 774 (2013) mit Diskussion von Reformalternativen. Mit Plädoyer gegen eine Haftungsverschärfung Brownlow 15 N.C. Banking Inst. 111 f. (2011). Zurückhaltend gegenüber Verschärfungen der Sekundärmarkthaftung auch Blumberg / Wirth / Litsoukov 16 J. Struct. Fin. 34, 45 (2011). 330 Andere Einschätzung bei Schroeter Ratings, 2014, S. 952. 331 Schroeter Ratings, 2014, S. 893 ff. noch mit zu großer Zurückhaltung.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

marktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG)332 von 2004 war zwar eine Haftung der Emittenten und ihrer Organmitglieder für den Fall unrichtiger Angaben vorgesehen, „die zur Erstellung von Finanzanalysen genutzt werden“, nicht aber eine solche der Finanzanalysten. Nach dem Börsendienst-Urteil333 des BGH kommt eine Haftung gegenüber den Abonnenten von Finanzanalysen wegen Verletzung von Beratungspflichten in Betracht.334 Zur Dritthaftung findet sich demgegenüber bislang keine Rechtsprechung.335 Eine Haftung gegenüber dem Emittenten nach § 826 BGB ist denkbar, etwa wenn der Analyst in Absprache mit einem Hedge Fonds gezielt Fehlbeurteilungen verbreitet.336 Im Übrigen stellen sich die aus der Diskussion um eine auf die allgemeinen Regeln gestützte Haftung der Abschlussprüfer und Ratingagenturen bekannten Zweifelsfragen bei der Analystenhaftung maßgeblich aus zwei Gründen verschärft: Zum einen handelt es sich bei Finanzanalysen um die vergleichsweise am stärksten probabilistisch ausgerichtete Information, zum anderen stehen der einzelnen Analyse häufig zahlreiche weitere Einschätzungen gegenüber. Sie ist zumeist nur eine unter vielen (auch gegenläufigen) Empfehlungen. Sofern eine individualisierte Beratung erfolgt, tritt der Grad an Beeinflussung durch die abstrakte Finanzanalyse ohnehin dahinter zurück. Die darauf gründende Einschätzung geringer Haftungsgefahren wird durch die (wenigen) verfügbaren US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen untermauert.337 Entweder wurde bereits die Annahme einer Verpflichtung gegenüber dem Geschädigten abgelehnt338 oder der Nachweis eines kausalen Schadens scheiterte.339 Das bloße Vorliegen eines Interessenkonflikts reicht zur Begrün-

Art. 1 Nr. 3, abgedr. in NZG 2004, 1042. Zum KapInHaG Kollmann AG 2004, R463. BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 13. Im Einzelnen dazu 12. Kapitel: B.II.1 (S. 469). 334 KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 290. 335 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. Rn. 4. Unter Hinweis auf die Börsendienstrechtsprechung (dazu 12. Kapitel: B.II.1, S. 469) hält Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F131 eine Haftung nach den allgemeinen Regeln für denkbar. Zu den einzelnen Haftungsgrundlagen KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 291 ff. 336 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 7, 21 mit Beispielen aus der Presse. Zu US-amerikanischen Erfahrungen ders. Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten, 2004, S. 109 ff. 337 Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, 6. Aufl., 2011, Bd. 2, S. 1169 Fn. 147. Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 82 ff. 338 In re Merrill Lynch & Co. Inc. Research Reports Sec. Litig. 272 F. Supp. 2d 243 (SDNY 2003). 339 Lentell v. Merill Lynch & Co. Inc. 396 F.Supp.3d 161, 170 (2d Cir. 2005): „Conflicts of interest present opportunities for fraud, but they do not, standing alone, evidence fraud.“ 332 333

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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dung der Haftung aus rule SEC rule 10b-5 jedenfalls nicht aus,340 der Eigenhandel mit den analysierten Titeln nur im Ausnahmefall.341 Erst bei gezieltem Zusammenwirken mit dem Emittenten erscheint die Vorsatzhürde überwindbar und ein Rückzug auf den Haftungsschutz für zukunftsbezogene Informationen verstellt (bespeaks doctrine).342 Der Haftungsschutz durch die bespeaks doctrine stößt allgemein auf Vorbehalte, weil (realitätsnah) trotz vorhandener Warnhinweise eine Irreführung gegeben sein kann.343 Die Grenzen des Haftungsausschlusses auf Grundlage von Warnhinweisen zeigt der Fall Worldcom, in dem der Staranalyst Jack Grubman an den Sitzungen des Board teilgenommen und seine Analysemethode nachweislich zum Vorteil des Emittenten angepasst hatte.344 In der Literatur findet sich darüber hinaus die Einschätzung besonders hoher Haftungsgefahren bei einem Angebot von Negativbewertungen an Leerverkäufer.345 Insgesamt werden die Haftungsrisiken aber nicht ansatzweise als mit denen des Wirtschaftsprüfers (oder möglicherweise auch der Ratingagenturen) für vergleichbar gehalten.346 Gegen einen Ausbau der Haftung von Finanzanalysten werden die aus der Diskussion um die Übermaßhaftung bekannten Argumente vorgebracht. Vergleichbar zur Gefahr zu zurückhaltender Bonitätsbeurteilungen (defensive ratings) wird ein Rückgang der Bereitschaft zur Erstellung aussagekräftiger Analysen befürchtet.347 Diese Befürchtung könnte sich insbesondere in Bezug auf Finanztitel am Rand des Produktangebots (Nebenwerte) bewahrheiten.348 Zu vermeiden sind diese Folgen durch allgemein für die Haftung der Informationsintermediäre zu empfehlende Justierungen, zu denen aus Sicht der Vermeidung einer Überabschreckung Haftungshöchstsummen ebenso zählen349 wie ein mit den Anreizen zur ordnungsgemäßen Informationssuche und -auswertung kompatibler Umgang mit dem Mitverschuldenseinwand der Geschäftsleiter.350

Lentell v. Merill Lynch & Co. Inc. 396 F.Supp.3d 161, 170 (2d Cir. 2005). Podany v. Robertson Stephens 318 F. Supp. 2d 146, 154 ff., 158 (SDNY 2004). 342 Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 1, 6. Aufl., 2011, S. 792. Näher zur bespeaks doctrine 12. Kapitel: B.I.2 (S. 466). 343 Zur Diskussion Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 94 ff., 96, m. w. N. 344 In re WorldCom Inc. Sec. Litig. 294 F.Supp. 2d 424, 427 (SDNY 2003). 345 Hill in: Hill / McDonnel (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 315, 329. 346 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 246. 347 Meyer AG 2003, 610, 621. 348 Drinkuth in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 167, 188. 349 Zu Grundsatzfragen und Ausgestaltungsmöglichkeiten 12. Kapitel: A.I.6, E (S. 430, 526 ff.). 350 Zu möglichen Justierungen Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 305 ff. 340 341

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Bei der Finanzanalyse zeigen sich die Grenzen der haftungsrechtlichen Steuerung am deutlichsten. Ohne die Einzelheiten der Haftungsbegründung nach den in Betracht kommenden Rechtsinstituten vorwegnehmen zu müssen, ist erkennbar, dass die Einschätzungen einzelner Analysten nur in Sonderkonstellationen mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit maßgeblichen Einfluss auf Investorenentscheidungen oder die allgemeine Kursentwicklung nehmen. Selbst bei von den Fundamentalwerten losgelösten Kursen (Marktblasen) kann eine Kaufempfehlung geboten sein. Steht die Trendwende nicht unmittelbar bevor, kann eine kurzfristbezogene Verkaufsempfehlung falsch sein, jedenfalls aus Sicht einer aggressiven Anlagestrategie, bei der auf ein Ausnutzen der Marktblase gesetzt wird. Für die Rolle der Finanzanalyse innerhalb eines auf Kapitalmarktintegrität gestützten Systems der privaten Marktzugangskontrolle kommt es nur darauf an, dass die für die Einschätzung entscheidenden Umstände und die jeweils adressierte Anlagestrategie ordnungsgemäß angegeben werden. Haftungsrechtlich ist insoweit nichts zu bewirken. Die für die Rollenausfüllung maßgeblichen Herausforderungen dürften vor diesem Hintergrund noch stärker als bei den weiteren Intermediären in einer Ausgestaltung von Berufsrecht, Regulierung und Aufsicht liegen.351 Das gilt umso mehr, wenn die verkäuferseitig finanzierte Finanzanalyse als Instrument der informationellen Marktabdeckung nicht aufgegeben werden soll.352 Die im Wege behördlicher Sanktionen zu bewirkende Verhaltenssteuerung ist häufig nur zweitbeste Lösung, weil sich die Bemessung der Sanktion nicht an konkreten Markterwartungen, sondern nach vorab nur wenig präzise zu treffenden Einschätzungen der Regelgeber richten kann. Hierin liegt allerdings zugleich der Vorteil einer Möglichkeit zur proaktiven Bestimmung des Pflichtenprogramms und seiner nicht an Kollektivhandlungsprobleme gebundenen Durchsetzung. Der im Jahr 2002 vom damaligen New Yorker Generalanwalt Eliott Spitzer eingeleitete Vergleich (Spitzer Settlement),353 in dem sich zwölf Großbanken zu hohen Strafzahlungen verpflichteten, wurde von Seiten der SEC zu Recht als „temporary solution“ kritisiert.354 Eine das private Haftungsrecht substituierende Wirkung ist berufsrechtlichen und regulatorischen Maßnahmen hiernach nur bei einer Ausgestaltung zuzuerkennen, die der Rolle der Finanzana-

351 Ankündigend bereits Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 438 mit Blick auf Organisationspflichten. 352 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 366. 353 Im Einzelnen 5. Kapitel: B.III.3 (S. 114). 354 Stellungnahme des seinerzeitigen SEC Chair William H. Donaldson abgedruckt bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, 6. Aufl., 2011, Bd. 2, S. 1169. Zum Spitzer-Vergleich Fisch 58 Alabama L. Rev. 1083, 1084 (2007) und zur darauf folgenden Entwicklung dies. in: Hill / McDonnel (Hrsg.), Research Handbook on the Economics of Corporate Law, 2012, S. 315, 330 f.

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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lysten als begleitende Kontrolleure der Marktteilnahme (relational gatekeeping) entsprechend auf eine kontinuierliche Verhaltenssteuerung setzt.355

III. Strukturfragen Aus einem gewissen Abstand sind aus den Entwicklungen der Intermediärhaftung Parallelen zum zögerlichen Aufkommen der Kapitalmarktinformationshaftung insgesamt zu erkennen. Praktisch bei jedem neuen Informationskanal waren oder sind erst Bedeutung und Schadensgefahren zu erschließen, bevor eine haftungsrechtliche Rahmengebung erfolgen kann. Die Rechtsprechung zur Emittenten- und Organhaftung für unterlassene oder fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen nach culpa in contrahendo oder § 826 BGB formte sich erst auf die Verfestigung dieses Informationskanals und nach seinem Missbrauch beim raschen Aufstieg und ebenso raschen Fall des Neuen Markts Anfang der 2000er-Jahre. Gleiches gilt für die seit 2004 gesetzlich geregelte Prospekthaftung am Grauen Kapitalmarkt. Für die Dritthaftung des Abschlussprüfers entschied sich der BGH erst 1998 zur Anerkennung einer, wenn auch schwach konturierten, so doch bekannten Haftungsgrundlage. Dass eine hierauf gestützte Haftung auch gegenüber abstrakt bestimmbaren Kapitalgebern zum Einsatz kommen kann, zeigt sich an der 2014 vom BGH entschiedenen Konstellation, in der das Testat in einen Vertriebsprospekt aufgenommen wurde. Die von Ratingagenturen im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008 leichtfertig „ins Blaue“ getroffenen Beurteilungen oder im Zeichen der berufsmäßigen Unabhängigkeit abgegebenen, aber letztlich für den Emittenten werbenden Aussagen hätten für den Abschlussprüfer aller Voraussicht nach zur Dritthaftung aus § 826 BGB geführt.356 Das gilt trotz aller häufig (über-)betonten Unterschiede zur Abschlussprüfung, die sich insbesondere in den fehlenden Informationsrechten der Agenturen gegenüber dem Emittenten zeigen. Die grundsätzliche Weichenstellung zu einer Partei- und Dritthaftung der Ratingagenturen ist seit 2013 in Art. 35a EG-RatingVO vollzogen. Über die letztlich entscheidenden Feinjustierungen nach Maßgabe der angesprochenen Grundsatzfragen ist weder für die Partei- und Dritthaftung noch für die nationalen vertrags- oder deliktsrechtlichen Haftungsregeln eine abschließende Entscheidung getroffen. Auszumachen ist ein umfangreicher Katalog an Strukturfragen, die sich am ehesten nach der Haftungsbegründung gegenüber Parteien und Dritten als Bezugsgruppen des aus unterschiedlichen Rechtsinstituten herzuleitenden Haftungsstandards sowie nach (teilweise gemeinsamen) Problemstellungen der Haftungsausfüllung einteilen lassen: Die Parteihaftung gegenüber beauftragendem Emittenten und gegenüber Abonnenten ist letztlich nur hinsichtlich der proba355 Zur begleitenden Marktzugangskontrolle (relational gatekeeping) 8. Kapitel: B.III.2 (S. 262 ff.). 356 In diese Richtung auch Schroeter Ratings, 2014, S. 893 ff. zu SEC rule 10b-5.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

bilistischen Teile der Intermediationsleistung problematisch.357 Die Positionierung hierzu bereitet die Diskussion der Dritthaftung für unbeauftragte Leistungen gegenüber dem betroffenen Emittenten und für beauftragte wie nichtbeauftragte Leistungen gegenüber dem Anlegerpublikum vor. Wegen des Fehlens einer vertraglichen Sonderbeziehung kommt es bei der Dritthaftung maßgeblich auf Möglichkeiten zur haftungsrechtlichen Erfassung der funktionalen Autorität kapitalmarktbezogener Intermediationsleistungen an.358 Die Durchsetzungsfähigkeit vorhandener Haftungstatbestände hängt bei der Dritthaftung von den eng miteinander verwobenen Anforderungen an Schaden, Kausalität und Beweislast ab,359 die Vermeidung einer Übermaßhaftung von der Verfügbarkeit von Haftungsbegrenzungen insbesondere in Form von Haftungshöchstsummen.360 Für die Austarierung von Partei- und Dritthaftung kommt es bei beauftragten Leistungen auf den Umgang mit dem Emittenten zurechenbaren (Fehl-)Verhalten seiner Organmitglieder an, das zu einem Haftungsausschluss oder zur Haftungsminderung führen kann.361 Die insoweit für die Verantwortungsteilung maßgeblichen Anreizwirkungen erschließen sich allerdings erst unter Berücksichtigung der Regeln zu Gesamtschuld und Rückgriff.362 Unter den so eingenommenen Blickwinkeln sind wesentliche, keinesfalls alle Einzelfragen der Partei- und Dritthaftung von Informationsintermediären zu beleuchten. Erwartungsgemäß werden nicht nur Unterschiede, sondern auch zu einer übergreifenden Konzeption geeignete Konturierungen erkennbar werden, die abschließend zu Vorschlägen für ein zukunftsfähiges Haftungsrecht zu verdichten sind.363

B. Parteien Die Parteihaftung ist zuvorderst Vertragshaftung und weist damit aus Sicht des Geschädigten den Vorteil einer uneingeschränkten Haftung für Vermögenseinbußen nach den §§ 249 ff. BGB und zusätzlich den der Beweislastumkehr für das Vertretenmüssen des Schuldners nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB auf. Anfängliche Annahmen eines hinreichenden (reflexartigen) Schutzes Drittbetroffener auf Grundlage einerseits der Reputation des Intermediärs und andererseits Verfolgungsanreizen des Emittenten sind heute nicht mehr haltbar.364 Wenn sie Abschn. B (S. 462). Abschn. C (S. 472). 359 Abschn. D (S. 511). 360 Abschn. E (S. 526). 361 Abschn. F (S. 539). 362 Abschn. G (S. 548). 363 Abschn. H (S. 552). 364 Dazu 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419). Zu systematischen Fehlanreizen bereits 9. Kapitel: A.II (S. 290 ff.). 357 358

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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auch nicht umfassend zum Drittschutz geeignet ist, setzt die Haftung gegenüber dem Emittenten aber immerhin Anreize, unnötig negative Intermediationsleistungen zu unterlassen.365 Darüber hinaus kommen zwar nicht bei der Abschlussprüfung, wohl aber bei Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen Abonnementverträge mit Investoren vor.366 Die daraus erwachsenden Haftungsbeziehungen tragen nicht nur zum kapitalmarktlichen Informationsmix bei. Sie schaffen auch ein gewisses Gegengewicht zur einseitigen, allein den Interessen des Emittenten folgenden Ausrichtung des Leistungsangebots. Der Intermediär wird sich kaum dem Vorwurf eines Widerspruches zwischen privat und öffentlich verbreiteter Beurteilung aussetzen wollen. Ein solcher Ergebniswiderspruch müsste den wohl bestmöglichen Anschein einer haftungsrechtlich relevanten Verletzung der Pflichten bei der Erstellung probabilistischer Aussagen begründen können. Rechtlich weist die vertragliche Haftung der Informationsintermediäre gegenüber dem beauftragenden Emittenten nur wenige Besonderheiten auf. Der Abschlussprüfer haftet nach der Spezialnorm des § 323 BGB für einfache Fahrlässigkeit innerhalb der dort festgelegten Haftungsgrenzen.367 Ratingagenturen haften für Verletzungen der Pflichten (wohl) aus einem atypischen Vertrag mit überwiegend werkvertraglichen Elementen,368 also in Anlehnung an §§ 633, 634 Nr. 4 BGB für Fehler der Erstbeurteilung bzw. an § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB für dabei vorkommende schadensbegründende Verfahrensfehler oder fehlerhafte Folgeratings sowie nach § 434 Abs. 1 BGB im Falle des Abonnementratings.369 Die vergleichsweise selten im Auftrag des Emittenten erbrachten Finanzanalysen können jedenfalls im Haftungsergebnis kaum grundsätzlich anders zu behandeln sein, wobei sich die Haftung gegenüber Abonnenten aber angesichts des Empfehlungscharakters nach einem entgeltlichen Beratungsvertrag i. S. d. § 675 BGB bestimmen soll.370 Sonstige Ansprüche geschädigter Parteien, insbesondere deliktsrechtliche, sind gegenüber allen Intermediären denkbar, bislang aber nicht praktisch relevant geworden.371 Die zur deliktischen Haftung führenden Voraussetzungen entsprechen denen der Dritthaftung, die in späteren Abschnitten zu besprechen ist.372 Die eigentlichen Fragen der Parteihaftung kreisen um den sachgerechten Umgang mit probabilistischen Aussagen. Die vertragsrechtlichen Grundlagen der Pflichtenbestimmung wurden bereits im vorausgegangenen Kapitel vorbereiAbschn. I. Abschn. II (S. 468). 367 Zu diesen Grenzen 12. Kapitel: E.I.1 (S. 527). 368 Zur vertragstypologischen Einordnung 11. Kapitel: A.II.2 (S. 353). 369 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 203; Vetter WM 2004, 1701, 1706. 370 Im Einzelnen 11. Kapitel: A.II.2 (S. 353). 371 Zur Abschlussprüfung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 84. Zu Bonitätsbeurteilungen Schroeter Ratings, 2014, S. 724, 746 ff. 372 Näher 12. Kapitel: C.I (S. 472 ff.). 365 366

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tet. Die nachfolgende Durchsicht der Kenntnisstände zu haftungsrelevanten Pflichtverletzungen gegenüber beauftragendem Emittenten und Abonnenten wird folgende Eckpunkte verdeutlichen: Entscheidend ist eine funktionsbezogene Betrachtung, bei der an die verfestigten Markterwartungen an Erstellung und Aussage der Leistung angeknüpft wird. Daraus folgt, dass durch Hinweise auf Unsicherheiten (bespeaks doctrine) zwar die Haftungsgefahren einzugrenzen, nicht aber die Erstellungspflichten zu umgehen sind. Verletzt sind diese Pflichten bei unsorgfältiger Informationssuche oder -auswertung und bei Überschreitung der Vertretbarkeitsgrenze.

I. Emittent Bereits diskutiert sind die nicht unberechtigten Befürchtungen einer mangelnden Bestimmbarkeit der Fehlerhaftigkeit von Intermediäraussagen. Als Faustformel ist festzuhalten, dass die Bestimmbarkeitsprobleme umso größer sind, je weniger die betreffende Leistungserbringung berufsrechtlich oder regulatorisch durchdrungen und desto stärker sie durch Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen geprägt ist. Ein auf nur vermeintlich weitgehenden Institutionenschutz zu stützender quasijustizfreier Raum ist aber weder für die zukunftsbezogenen Aussagen des Abschlussprüfers noch – nach jüngerem Diskussionsstand – für Rating oder Finanzanalyse anzuerkennen.373 Die hier zunächst behandelte Intermediärhaftung gegenüber dem Emittenten schafft rechtspraktisch bloß Anreize zum Absehen von Unterbewertungen. Die insoweit maßgeblichen Grundsätze sind aber letztlich auch zur Begründung der Haftung für Überbewertungen heranzuziehen, wenn auch von anderen Betroffenen, also Abonnenten oder Dritten. 1. Prognosehaftung Die an professionelle Einschätzungen zu stellenden Anforderungen sind nach der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung prozedural zu bestimmen und unter Hinzunahme der für die einzelne Intermediationsleistung praxisüblichen Maßstäbe auszuformen.374 Wie sonst auch gilt, dass nur im Rahmen des jeweiligen Aussagegehalts von einer objektiven Beurteilung nach Sinn und Zweck der Bewertung ausgegangen werden kann. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Haftung ist insoweit nicht die Übereinstimmung der Information mit subjektiven Überzeugungen, sondern die überprüfbare Behauptung der Einhaltung objektiver Regeln.375 Zu den intensiv diskutierten Haftungsfreiräumen der Ratingagenturen 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450 ff.). 374 Zur Stiftung-Warentest-Rechtsprechung 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363 ff., 367). 375 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 133 ff., 157. 373

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Mit der Übersetzung unbestimmter Rechtsbegriffe wie Plausibilität, Erfahrungssatz, kaufmännische Vertretbarkeit, Schlüssigkeit in urteilstaugliche Kategorien und den dabei entstehenden Gefahren einer nachträglichen Blicktrübung für die vom Schädiger ex ante nicht erkennbaren Umstände (hindsight)376 sind Gerichte hier wie anderswo wohl vertraut.377 Die haftungsrechtliche Leistungsfähigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe erschöpft sich auch nicht in der Verhinderung von offensichtlichem Missbrauch. Verfolgungsgeeignet sind insbesondere Verstöße gegen grundlegende Verhaltensanforderungen wie das Rechnungslegung und Besteuerung verbindende Maßgeblichkeitsprinzip bei der Wirtschaftsprüfung.378 Im Zusammenhang mit der kapitalmarktlichen Informationsintermediation sind bereits dadurch wesentliche Gefahren für die Informationsintegrität zu unterbinden. In der US-amerikanischen Rechtsprechung ist mit rechtsordnungsübergreifender Überzeugungskraft aufgearbeitet, dass Finanzanalysten der gerichtlichen Nachprüfung der Einhaltung von Mindeststandards allein durch Verwendung einer innovativen und auf den einzelnen Emittenten zugeschnittenen Bewertungsmethode nicht entkommen können.379 Verstöße gegen die prozedural und jeweils unterschiedlich detailliert ausgeformten Grundsätze der sachkundigen, neutralen und objektiven Erstellung der Intermediationsleistung sind also bei jeder der genannten Intermediationsleistung haftungsgeeignet. Für den Abschlussprüfer entstehen infolgedessen Haftungsgefahren bei Nichtachtung der Prüfungsgrundsätze, für Ratingagenturen und Finanzanalysten aus der Wahl ungeeigneter Methoden oder Kriterien.380 Zu beachten sind aber die allgemeinen Funktionsgrenzen der betreffenden Intermediationsleistung. Ratingagenturen treffen keine Aussage dazu, dass die Titel etwa der höchsten Kategorie gar nicht ausfallen werden, und könnten eine solche Aussage auch nicht treffen. Durch das Ratingkürzel wird das Bewertungsobjekt lediglich einer bestimmten Bonitätskategorie zugeordnet, zu deren Ausfallwahrscheinlichkeit

„If foresight were generally as good as hindsight, it would be a far more pleasant world in which to live“; In re Winburn’s Will 249 N.Y.Supp. 758, 765 (1931), nicht rechtzeitiger Verkauf von mit gutem Rating versehenen Anleihen während der Weltwirtschaftskrise. 377 Siehe nur BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 15. Näher hierzu 12. Kapitel: B.II.1 (S. 469). Zur Schlüssigkeit von Finanzanalysen Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 162. Zum Plausibilitätsbegriff Glöckle Die zukunftsbezogene Publizität von Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, S. 36 f. 378 Doralt ZGR 2015, 266, 281 f. 379 Als Beispiel sei das vom einstmaligen Staranalysten Jack Grubman eigens für Worldcom entwickelte Bewertungsverfahren genannt, bei dessen Einsatz die Grubman bereits bekannten Bilanzmanipulationen außer Betracht blieben. Näher In re WorldCom Inc. Sec. Litig. 294 F.Supp. 2d 424, 427 (SDNY 2003). 380 Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 161. Zurückhaltender als hier mit Vergleich zum USamerikanischen Recht Müller Regulierung von Analysten, 2005, S. 238. 376

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ein relatives Wahrscheinlichkeitsurteil getroffen wird (bucket system).381 Gleichwohl haftungsgeeignet sind Fehler der Zusammensetzung der jeweiligen Kategorie, der Zuordnung des einzelnen Titels zu dieser Kategorie und der Wahl der bei Zuordnung und Bewertung zugrunde gelegten Kriterien und Informationen. Graduelle Fehlbewertungen werden hiernach kaum je haftungsrelevant. Ursache für die engen Grenzen haftungsgeeigneter Verstöße ist aber nicht – dies gilt es festzuhalten – eine generelle Unmöglichkeit der Ordnungsmäßigkeitsbeurteilung von probabilistischen Aussagen382 oder der notorische Hinweis der Agenturen, lediglich eine Meinung abgeben zu wollen.383 Auch die noch stärker als das Rating probabilistisch ausgerichteten Finanzanalysen müssen unter Beachtung eines jeweils eigenständig gewählten oder entwickelten Bewertungsverfahrens erstellt werden.384 Wie beim Rating ergeben sich die maßgeblichen Bestimmbarkeitsprobleme bei den Sorgfaltspflichten, neben den allgemeinen Problemen im Umgang mit probabilistischen Aussagen, aus dem (noch) nicht verfestigten Berufsbild, also fehlenden Umrissen für die Mindestqualifikation des einzelnen Analysten.385 2. Einseitige Pflichtenentlastung (bespeaks doctrine) Bei nicht überwindlichen Unsicherheiten bleibt dem Intermediär, besonders spekulative Aussagen hinreichend deutlich zu machen, also der Beurteilung den äußeren Anschein der Verlässlichkeit zu entziehen.386 Im US-amerikanischen Recht findet dieser Gedanke Verfestigung durch die bespeaks doctrine. Die bereits durch einen Erlass der SEC von 1979 aufgegriffene bespeaks doctrine wurde durch den Private Securities Litigation Act von 1995 in section 21E Securities Exchange Act 1934 kodifiziert, mit Pendant in section 27A Securities Exchange

381 Angegeben wird die Wahrscheinlichkeit des Zahlungsausfalls nach Anzahl und Umfang sämtlicher der betreffenden Kategorie zugeordneten Titel im Vergleich zu den Titeln der nächsthöheren bzw. -tieferen Kategorie (bucket system). Im Einzelnen Schroeter Ratings, 2014, S. 798 f. 382 Zu den Bestimmungsproblemen, die aber auch die Abschlussprüfung betreffen, siehe Manns 87 N.C. L. Rev. 1011, 1070 (2009). Anders Schroeter Ratings, 2014, S. 733. 383 Tendenziell großzügiger Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 544, der einen geringeren Pflichtenstandard (§ 241 Abs. 2 BGB) zugrunde legen möchte, weil die Beurteilungen laut Angabe von z. B. Standard & Poor’s Meinungsäußerungen seien und vom Emittenten erhaltene Daten nicht nachgeprüft werden. Gleichwohl verlangt Kersting die Einhaltung der „selbst vorgegebenen Verfahrensschritte und Standards“, so dass sich kaum Abweichungen zur hier vertretenen Ansicht ergeben. 384 Im Einzelnen Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 134. 385 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 161. 386 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 164.

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Act 1933.387 Im Einzelnen ist der Umgang mit den daneben in Betracht kommenden richterrechtlichen Grundsätzen der bespeaks doctrine nicht einheitlich.388 Akzeptiert ist aber die Kernaussage, nach der eine einseitige Verantwortungsentlastung durch Aufnahme entsprechender Warnhinweise möglich ist. Im deutschen Recht sind die Anforderungen an eine wirksame Verantwortungsentlastung bei Veröffentlichung probabilistischer Aussagen nicht abschließend geklärt, dürften aber enger ausfallen als nach der US-amerikanischen bespeaks doctrine. Überzeugend wird von der Unwirksamkeit einseitiger Haftungsentlastungen ausgegangen, wenn der Intermediär gleichzeitig die Einhaltung objektiver Regeln behauptet.389 Im Ergebnis entspricht dies der Unwirksamkeit von ebenfalls auf das Massengeschäft zugeschnittenen formularmäßigen Freizeichnungen von vertragswesentlichen Pflichten.390 Bei hinreichender Verfestigung des betreffenden Informationskanals kann eine zu weit reichende Einschränkung des Aussagegehalts ein widersprüchliches Verhalten (protestatio facto contraria) darstellen.391 Durch berufsrechtliche und regulatorische Pflichten sind den Wirkungen einseitiger Verantwortungsentlastungen zielgenauer Grenzen zu setzen. Hingewiesen sei vorerst nur auf § 5a Abs. 4 FinAnV, wonach zur Mandatseinwerbung erstellte Finanzanalysen nur als Werbemitteilung veröffentlicht werden dürfen, also als nichtunabhängige Analyse zu kennzeichnen sind.392 Dies führt bildlich zu einem Wechsel des Informationskanals, der die Erwartung einer unabhängigen Finanzanalyse bereits anfänglich verstellt.393 3. Steuerungsausfall der Haftung Innerhalb der beschriebenen Anreizstrukturen sind ordnungsgemäße bis hin zu tendenziell zu positiven Beurteilungen zu erwarten.394 Zur Haftung gegenüber 387 Coffee / Sale Securities Regulation, 12. Aufl., 2012, S. 960 ff., 967; Loss / Seligman /  Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 1, 6. Aufl., 2011, S. 786 ff. Zum Ganzen Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 94 ff. 388 In re Worlds of Wonder Securities Litig. CA, 9th Cir., 1994, 35 F. 3d 1407. Sachverhalt und Gründe erläutert bei Coffee / Sale Securities Regulation, 12. Aufl., 2012, S. 961. Überblick bei Loss / Seligman / Paredes Fundamentals of Securities Regulation, Bd. 1, 6. Aufl., 2011, S. 787 ff. 389 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 133 ff., 157, 315 (Eindruck intersubjektiver Verständigung). 390 Im Einzelnen 11. Kapitel: B.I.1 (S. 358). 391 Dazu 11. Kapitel: B.I.1.b (S. 360). 392 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 91, 171. 393 Im Einzelnen hierzu 13. Kapitel: C.III.1.b (S. 712) sowie zu den Kennzeichnungspflichten bei Veröffentlichung von Bonitätsratings 13. Kapitel: A.III.2 (S. 587 ff., 590). 394 Zu den Anreizstrukturen 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

dem beauftragenden Emittenten für zu negative Beurteilungen kommt es nicht oder allenfalls selten. Im Fall einer unangemessen negativen Beurteilung stehen dem Emittenten – unter Ausblendung berufsrechtlicher und regulatorischer Intermediärpflichten – durchsetzungsstärkere Mittel als die Haftung zur Verfügung. Bei der Abschlussprüfung besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung auch der Entscheidung zur Versagung des Bestätigungsvermerks. In der Praxis werden Unstimmigkeiten aber zumeist diskursiv behoben, gegebenenfalls auch wegen der neben dem Prüfungsmandat bestehenden oder künftig möglichen Beratungsmandate. Bei Rating und Finanzanalyse stehen dem Emittenten hingegen Möglichkeiten zur Unterbindung der Veröffentlichung von Negativbeurteilungen zur Verfügung. Das auf Durchsetzungsanreize angewiesene Haftungsrecht kann dies nicht auffangen. Denkbar sind unbedingte Veröffentlichungspflichten für negative Beurteilungen nur auf berufsrechtlicher oder regulatorischer Grundlage.395

II. Abonnenten Neben den Emittenten geben Abonnenten Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen in Auftrag.396 Im Falle ihrer Veröffentlichung reichern die so erstellten Intermediationsleistungen den kapitalmarktlichen Informationsbestand unmittelbar an und ohne Veröffentlichung zumindest mittelbar über das Investitionsverhalten der Abonnenten.397 Der Haftungsverantwortung gegenüber den Abonnenten kommt über den Individualschutz hinaus in zweierlei Hinsicht funktionsschützende Steuerungswirkung zu: Zum einen werden sich die öffentlich bekannt gegebenen Beurteilungsergebnisse kaum in Widerspruch zu den im Abonnement erbrachten Leistungen setzen. Zum anderen verfügen die Bezieher im Unterschied zum beauftragenden Emittenten auch in den Fällen zu hoher Bewertung über Anreize zur Durchsetzung ihrer Rechte. Mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist insbesondere nach einem vollständigen Verlust der Investition zu rechnen. Gerade in diesen Fällen liegt häufig ein schwerwiegendes Versagen der privaten Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre vor. Die vertragliche Haftung greift nicht erst bei Vorsatz, schafft also selbst bei der nach § 276 Abs. 3 BGB allein zulässigen Reduzierung auf den Maßstab der groben Fahrlässigkeit eine höhere gerichtliche Kontrolldichte als etwa die an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB ausgerichtete Berufshaftung. Der Haftung für im Abonnement erbrachte Leistungen der Informationsintermediation kommt vor diesem Hintergrund eine die Integrität des kapitalmarktlichen Informationsbestands reflexartig schützende Wirkung zu.

395 396 397

Im Einzelnen 13. Kapitel: A.III.3.b (S. 592). Zu Entwicklung und Stand der Marktstrukturen 5. Kapitel: C.II (S. 126). Seibt ZGR 2006, 501, 515 zu Finanzanalysten.

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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1. Finanzanalysen (Börsendienst-Urteil) Mit seinem Urteil im Fall Börsendienst von 1978 formulierte der BGH398 nicht nur für Abonnementverträge über Finanzanalysen bis heute beachtete Haftungsgrundsätze, sondern legte zugleich einen Grundstein für die Haftung berufsmäßiger Informationsanbieter.399 Im Fall haftete der Anbieter eines periodisch erscheinenden Druckwerks, in dem konkrete Anlageempfehlungen ausgesprochen wurden. Zur Haftung führte die Verletzung einer Beratungspflicht i. S. d. § 675 BGB, die neben den im Übrigen kaufrechtlich eingeordneten Pflichten aus dem Bezugsvertrag stand. Der Ersteller hatte seine Anlageempfehlungen nicht auf eine sorgfältige Recherche gestützt, insbesondere keine Überprüfung der von der Unternehmensleitung zur Verfügung gestellten Informationen zum Grundbesitz des empfohlenen Unternehmens vorgenommen. Die Breitenwirkung der Entscheidung erklärt sich aus der seinerzeit noch nicht erfassten Bedeutung der vertraglichen Zurverfügungstellung von Finanzanalysen, die heute nach § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG Wertpapiernebendienstleistungen sind und dem Pflichtenprogramm von Art. 20 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie und FinAnV unterfallen.400 In der Literatur war die Forderung nach einer betrieblich und finanziell leistbaren Informationssuche und -auswertung aufgekommen.401 Die dazu in der Börsendienst-Entscheidung formulierten Anforderungen werden aus folgender Aussage des Gerichts erkennbar: „Entscheidend ist eine sorgfältige, tatsachengestützte, vertretbare Prognose, die dann auch optimistisch sein kann.“402 Für die nähere Bestimmung des Pflichtenprogramms sind kaum Erträge aus der vertragstypologischen Einordnung der Pflichten zu erwarten.403 Für die Finanzanalyse hat sich die Diskussion im Zuge ihrer gesetzlichen Erfassung als Wertpapiernebendienstleistung ohnehin weitestgehend erledigt. Nach der Börsendienst-Rechtsprechung führt nur eine „ganz gewichtige Außerachtlassung der Sorgfaltspflicht“ zur Haftung.404 Die hierin zum Ausdruck kommende Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit schafft einen für die Fortbil398 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 14 ff. Zustimmend Anm. Köndgen, JZ 1978, 389, 391; ablehnend Schröder, NJW 1980, 2279, 2280 f. 399 Im größeren Zusammenhang befürwortend Hopt in: FS Fischer 1979, S. 237, 243. Siehe auch Müssig, NJW 1989, 1697 m. w. N. zur Entwicklung der Diskussion. Zur weitgehenden Fortgeltung der vom BGH entwickelten Grundsätze Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 HGB Rn. 23; Pfüller in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Hdb. Multimedia-Recht, 31. Erg.-Lfg., 3/2012, Teil 13.7, Rn. 26 f. 400 KapitalmarktrechtsKomm4-Kumpan § 2 WpHG Rn. 110. 401 Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 425. 402 Dazu Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 HGB Rn. 23 m. w. N.; Klöhn WM 2010, 289, 291 zu den Anforderungen an Prognosen. 403 So aus Sicht der parallelen Diskussion um im Abonnement erbrachte Bonitätsbeurteilungen Schroeter Ratings, 2014, S. 792 f. 404 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 15.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

dung der Berufshaftung ungünstigen Ausgangspunkt.405 Der BGH stützte seine Entscheidung auf die Schnelllebigkeit der Information. Die kurze Verfallzeit hätte möglicherweise eher für eine Berücksichtigung unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens des Anlegers nach § 254 BGB wegen eines zu unkritischen Umgangs mit der vermittelten Informationen als für die generelle Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs gesprochen. In der Sache kommt es wegen der prozeduralen Pflichtenbestimmung (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung) allerdings ohnehin zu einem der groben Fahrlässigkeit zumindest nahestehenden Verschuldensmaßstab.406 Richtig ist jedenfalls, dass die Einstandspflichten für fehlerhafte Finanzanalysen oder andere probabilistische Aussagen nicht zum Schutz „kalkulierten Vertrauens“ führen dürfen.407 Anderenfalls käme es zu einer aus Anreizgesichtspunkten ungünstigen Haftungsverlagerung, weil Vertrauen nur in die Regressmöglichkeit, nicht in die Richtigkeit der Information aufgebaut würde („Wette auf guten Ausgang“).408 2. Ratings Auf die im Abonnement erbrachten Ratings ist die Börsendienst-Rechtsprechung nicht direkt übertragbar, weil es sich bei Bonitätsbeurteilungen nicht um Empfehlungen handelt.409 Die zu Abonnementratings vertretenen Ansichten reichen vom völligen Ausfall der Vertragshaftung (in Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Recht)410 bis hin zur überzeugenderen Anwendung der allgemeinen Regeln (im Gleichlauf mit der Haftung gegenüber einem beauftragenden Emittenten).411 Diese Meinungsvielfalt ist auf Unsicherheiten im haftungsrechtlichen Umgang mit kapitalmarktbezogenen Leistungen privater Informationsintermediäre zurückzuführen. Die Unsicherheiten entsprechen den Diskussionsständen zur Finanzanalyse vor der Börsendienst-Entscheidung.412

Deshalb ablehnend Hopt in: FS Fischer 1979, S. 237, 253 (einfache Fahrlässigkeit). Dazu 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363). 407 In dieser Richtung auch BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 15. 408 Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 217. 409 Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 12 f.; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 200, 205; Vetter WM 2004, 1701, 1708. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 877. 410 Vor allem Schroeter Ratings, 2014, S. 875 ff., 881, nach dessen Ansicht sich „aus den Abonnementverträgen keine Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung ergeben, die nicht auch den nicht abonnierenden Investoren geschuldet werden“. 411 Statt vieler Habersack ZHR 169 (2005) 185, 205. Zur Haftung gegenüber dem Emittenten 12. Kapitel: B.I (S. 464 f.). 412 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 473 ff., 475. 405 406

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Der Abonnementvertrag ist „Urform“413 des Ratinggeschäfts, trat aber nach Übergang auf das emittentenfinanzierte Rating (issuer pay model) in den 1970er-Jahren in den Hintergrund.414 Die EG-RatingVO erfasst zwar Abonnementratings, gilt jedoch (umstrittenermaßen) nur bei Registrierung der Agentur.415 Ratings kommt gleichwohl – von allen Beteiligten erkannt und gewollt – wie den Beurteilungen der weiteren Informationsintermediäre ein erheblicher Einfluss auf Investitionsentscheidungen zu. Außerhalb des Geltungsbereichs regulatorischer Vorgaben können Inhalt und Bedingungen der Intermediationsleistung privat gestaltet werden. Die soeben behandelte Börsendienst-Rechtsprechung zeigt, dass selbst für die hochprobabilistischen Einschätzungen von Finanzanalysten Bewertungsmaßstäbe zu finden sind. Die Annahme, dass solche Lösungen für Ratings nicht von der Rechtsprechung gefunden werden können, erscheint fernliegend. Der wichtigste Einwand kreist um die von den führenden Agenturen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Abonnementvertrag aufgenommenen Klauseln, nach denen die Verlässlichkeit der getroffenen Aussagen eingeschränkt und die Verwendung zu Investitionszwecken ausgeschlossen wird („not a substitute for the skill, judgement and experience of the user“).416 Hierin wird eine negative Beschaffenheitsabrede erkannt, wegen der jedwede Annahme einer konkludenten Verpflichtung auf die ordnungsgemäße Erstellung ausgeschlossen sein soll.417 Aus der nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Sicht eines objektiven Informationsempfängers läge näher, von einer – völlig zutreffenden – Beschreibung dessen auszugehen, was ein Rating ist und was es – ebenso wie andere kapitalmarktbezogene Intermediationsleistungen – auch nur sein kann: ein auf die Investitionsentscheidung bezogener Informationsbaustein mit probabilistischen Elementen, also keine Wiedergabe von Naturgesetzlichkeiten und erst recht keine umfassende Investitionsanleitung. Dieses Verständnis entspricht dem der Börsendienst-Entscheidung des BGH: Danach muss es „in erster Linie seinem Gespür (dem des Abonnenten) überlassen bleiben, ob er diese Anhaltspunkte als für eine Kaufempfehlung ausreichend erachtet“.418 Wie besprochen kommt auch eine Einordnung der in Ratingverträgen formularmäßig getroffenen Regelungen als Freizeichnung von der Verantwortung für die Hauptpflichten in Betracht, die allerdings nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam wäre.419 Schroeter Ratings, 2014, S. 873. Näher 5. Kapitel: C.III.1 (S. 134). 415 Zum Meinungsstand 5. Kapitel: B.I.3.b (S. 95). 416 Deshalb die Haftung ablehnend Schroeter Ratings, 2014, S. 879 mit Abdruck dieser von Standard & Poor’s stammenden Klausel und Klauseln weiterer Anbieter in Fn. 42 f. Zuvor bereits Kübler in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 1996, S. 115, 131. 417 Schroeter Ratings, 2014, S. 880. 418 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 15. 419 Dazu 11. Kapitel: B.I.1.b (S. 360). 413 414

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Der Börsendienst-Entscheidung ist mit Blick auf das Rating auch darin zu folgen, dass der Bezugspreis in erster Linie für die Information, also nicht für die Übereignung des Papiers bzw. die Gewährung eines Internetzugangs entrichtet wird.420 Anzunehmen ist deshalb eine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erstellung der Bonitätsbeurteilung, dies mit allen bekannten Bestimmbarkeitsproblemen.421 Diese Pflicht muss nicht aus der vom BGH bei Anleitungen zur Erstellung von Testamenten angenommenen besonderen Eigenschaftszusicherung hergeleitet werden, was in der Tat schon angesichts der Formulierung der Klauselwerke von Ratingagenturen auf Schwierigkeiten stieße.422 Die Pflicht ergibt sich vielmehr zwanglos aus dem Bezugsvertrag. Soweit der für Druckerzeugnisse üblichen kaufrechtlichen Einordnung gefolgt werden soll, reicht eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. d. § 434 Abs. l Satz l BGB aus.423 Beim Rating handelt es sich um einen verfestigten Informationskanal, so dass für die Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB die Bezeichnung als Rating ausreichen muss.424 Einer neben die kaufvertraglichen Pflichten tretenden Auskunftspflicht bedarf es infolgedessen nicht.425 Mit der Börsendienst-Rechtsprechung des BGH wäre eine im Rahmen des Üblichen liegende Beratungspflicht ohnehin zu bejahen.426

C. Dritte In der Regulierungstheorie wird der Intermediär als zwischen Anbieter und Nachfrager stehender Dritter betrachtet.427 Die zivilrechtliche Dritthaftung betrifft hingegen die Haftung des Informationsintermediärs gegenüber Geschädigten, bei denen es sich aus Sicht einer möglicherweise bestehenden Vereinbarung über die Intermediationsleistung um vertragsfremde Dritte handelt.428 Nicht ganz trennscharf fallen hierunter auch die aus einer Schutzwirkung des Habersack ZHR 169 (2005) 185, 205 f. Anders Schroeter Ratings, 2014, S. 799 f. 422 BGH, Urt. v. 14.3.1973 – VIII ZR 137/71, WM 1973, 730, Juris-Tz. 13. 423 Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 885. Dem folgend Habersack ZHR 169 (2005) 185, 205 f. Gegen die Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts auf inhaltliche Fehler eines Druckerzeugnisses aber Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 12 f. Vergleichend Blaurock ZGR 2007, 603, 635. 424 Zurückhaltend Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 47, 81 ff. 425 So aber Vetter 2004, 1701, 1708. 426 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 13. 427 Dazu Abschn. 8. Kapitel: B.I (S. 250 ff.). 428 Im Anschluss an Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 11 ff. Siehe auch Adolff Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Anwälte bei der Abgabe von Third Party Legal Opinions, 1997. Zu den mit der Dritthaftung verbundenen Perspektivenwechseln Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 21 Fn. 100. 420 421

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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zwischen Emittent und Intermediär geschlossenen Vereinbarung, berechtigten Dritten oder auch Geschädigte in Konstellationen, in denen überhaupt keine Intermediationsvereinbarung getroffen wurde.429 In den folgenden Abschnitten wird die Haftung des Intermediärs gegenüber einem durch eine unbeauftragte Leistung geschädigten Emittenten430 und sodann die Haftung gegenüber den durch beauftragte oder nicht beauftragte Leistungen geschädigten Anlegern besprochen.431 Voranzustellen sind übergreifende Erwägungen zu Stand und Wandel der Diskussion.

I. Stand und Wandel der Diskussion Wirtschaftlich ist ein Dritthaftungsinteresse von Auftraggeber und Intermediär zu begründen, soweit der Intermediationsleistung erst auf Grundlage der Haftungsandrohung ein hinreichender Signalwert zukommt. Bereits in den Anfängen der Diskussion wurde erkannt, dass sich leistungsfähige Strukturen der Dritthaftung nicht ohne rechtliche Rahmengebung herausbilden werden.432 Mit seiner derzeitigen Rahmengebung steht das deutsche Recht bei der Dritthaftung des Abschlussprüfers hinter anderen Rechtsordnungen zurück433 und lässt eine haftungsrechtliche Steuerung der Ratingagenturen trotz intensiver Befassung ausländischer Gerichte bislang bestenfalls erahnen.434 Auch aus vergleichender Sicht weniger drängend erscheint die Dritthaftungsfrage bei der Finanzanalyse, die sich zumeist mit deutlich geringerer Einzelfallwirkung in das Informationsgefüge einordnet, bei achtloser Erstellung allerdings durchaus zu Friktionen im Markt führen kann.435 Auf Stand der Diskussion erweisen sich die zu beobachtenden Lücken der Dritthaftung als Steuerungsdefizit, das zu systematischen Schwächen der privaten Marktzugangskontrolle führt.436

429 Letzteres betrifft Emittenten- oder Anlegerschäden infolge auftragslos erbrachter Bonitätsbeurteilungen oder Finanzanalysen. 430 Abschn. II (S. 475). 431 Abschn. III (S. 482). 432 Näher zu den bereits von Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 95 (1986) beschriebenen Koordinationsproblemen auf Anbieter- und Nachfrageseite 8. Kapitel: C.II (S. 272). 433 Hopt / Voigt in: dies. (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 78 mit Generalbericht auf Grundlage zahlreicher Länderstudien. 434 Zur Klageflut nach der Finanzmarktkrise 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450). 435 Siehe bereits Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F131. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 366 zur Gefahr eines Verlusts der Informationsabdeckung und mit Empfehlung von Verhaltens- statt Haftungsregeln. Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 68 ff., 305 ff. mit Vergleich zum US-amerikanischen Recht und Entwicklung eines Katalogs an Justierungsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda. 436 Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 327. Ebenso 25 EBLR 315, 331 (2014).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Rechtlich hat die Enge des außervertraglichen Vermögensschutzes Dritter auf vorsätzlich verursachte Schädigungen maßgeblich zwei Entwicklungen hervorgebracht: zum einen die Zersplitterung der Schadensersatzhaftung zwischen Vertrag, Delikt und Spezialgesetz, zum anderen den weitgehenden Bedeutungsverlust der einzelnen Rechtsinstitute zugunsten des Haftungsstandards.437 Bezugsgruppen dieses Haftungsstandards sind drittgeschädigte Emittenten und Investoren. Ein einheitliches Haftungskriterium ist angesichts dieser unterschiedlichen Konstellationen und der jeweils spezifischen Voraussetzungen in Betracht kommender Rechtsinstitute nicht auszumachen. Auch die nachfolgenden Abschnitte ordnen Stand und Entwicklungsmöglichkeiten deshalb nach Anspruchstellern, Schutzgütern und Rechtsinstituten. In Rechtsprechung und Literatur zur Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung finden sich zahlreiche nichthierarchische Einzelkriterien, die zur Konturierung der Dritthaftung von beruflich am Markt auftretenden Informationsdienstleistern herangezogen werden können.438 Anlass für die Zuweisung von Haftungsverantwortung bietet hierbei nicht eine im Einzelfall fehlende Übereinstimmung der erbrachten Leistung mit subjektiven Überzeugungen, sondern die Behauptung der Einhaltung objektiver Regeln.439 Für die weitergehenden Forderungen nach einer an die Verantwortung für die Marktzugangskontrolle geknüpften Haftung (gatekeeper liability)440 kommt es auf die haftungsrechtliche Erfassung der funktionalen Autorität kapitalmarktbezogener Leistungen der Informationsintermediation an.441 Aus dem Blickwinkel der Inanspruchnahme funktionaler Autorität kann durchaus der unterschiedliche Informationsstand des Markts berücksichtigt werden. Die Rechtsprechung greift hierauf bereits bei der Differenzierung zwischen der strengeren primär- und weniger strengen sekundärmarktlichen Informationshaftung zurück. Ermöglicht wird die funktionale Autorität der Intermediationsleistung innerhalb eines anonymen Austauschmarkts erst durch die Verbreitung der Information im Rahmen eines rechtlich oder faktisch verfestigten Informationskanals, z. B. als Rating oder als Finanzanalyse. Dieser Gedanke ist zumindest in Teilen in der spezialgesetzlichen Regeln vorausgegangenen Rechtsprechung zur Prospekthaftung i. e. S. und zur Haftung für fehlerhafte oder fehlende Ad-hoc-Mitteilungen angelegt.442 437 Hopt WM 2013, 101 ff.; ders. in: FS Gernhuber 1993, S. 169, 176 f. Zum Stand Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 Rn. 22 ff. 438 Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 86 ff, 91 zum beruflichen Auftreten als (bloß) rechtstatsächliches Kriterium. 439 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 133 ff., 157. 440 Zu den Grundlagen 12. Kapitel: A.I.2 (S. 413). 441 Z. B. die faktischen Wirkungen des Bonitätsurteils auf die Kapitaleinwerbung selbst von Staaten; Vetter WM 2004, 1701, 1709. Grundlegend Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 213, 338. 442 Dazu noch 12. Kapitel: C.III.1.a (S. 483).

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Die rechtspraktische Ertragskraft dieser und weiterer möglicher Kriterien hängt von ihrer Einpassung in die gewachsenen Haftungstatbestände ab, auf Seite des nachfolgend zuerst zu behandelnden Emittentenschutzes beispielsweise in die zur Bestimmung von Toleranzgrenzen gebildeten Fallgruppen der Schmähkritik oder Prangerwirkung. Der Schutz des Emittenten und noch stärker der des Anlegerpublikums bleibt allerdings wandelbar, so dass Fortentwicklungen in Betracht kommen. Neue Haftungskorridore können sich insbesondere bei der Häufung von Missbrauchsfällen eröffnen. Wie zahlreiche andere spezialgesetzliche Haftungsnormen ist auch der seit 2013 geltende Art. 35a EG-RatingVO Ausdruck einer erst in der Krise erstarkten Überzeugung des Gesetzgebers von der Schädlichkeit vorhandener Haftungslücken. Dogmatisch verfestigte Grundvorstellungen wie die von der Beschränkung der Dritthaftung für Vermögensverluste auf vorsätzliche Schädigungen werden hierdurch zunächst nur bereichsbezogen, im weiteren Diskussionsverlauf aber möglicherweise auch konzeptionell in Frage gestellt.443 Das selektive Herausgreifen des Ratings, also bloß eines Einzelbereichs der Informationsintermediation ist als Diskussionsanstoß auf lange Sicht nicht zwingend schädlich, führt in der Übergangszeit aber zu weiteren Unsicherheiten über den für andere Informationsdienstleister geltenden Haftungsstandard. Zu vermeiden wäre dies nur mit mehr Mut des nationalen und europäischen Gesetzgebers zur spezialgesetzlichen Klärung und Regelung des kaum übersehbar in allen Bereichen der Informationsintermediation bestehenden Grundsatzproblems der Dritthaftung.444

II. Emittent Für Fehler selbst initiierter Intermediationsleistungen wie der Abschlussprüfung oder beauftragter Bonitätsratings und Finanzanalysen stehen dem Emittenten nach allgemeiner Regel vertragliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. Nichtbeauftragten Beurteilungen haben sich die Emittenten börsengängiger Finanztitel – innerhalb weit gezogener Grenzen – als Korrelat ihrer Teilnahme an einem letztlich erst durch Informationsintermediäre ermöglichten anonymen Leistungstausch zu stellen.445 Einbußen etwa aus erhöhten Finanzierungskosten infolge abwertender Intermediärbeurteilungen hat der Emittent aber nicht schrankenlos hinzunehmen. Schadensersatz und Unterlassungsansprüche können sich aus dem in § 824 BGB verbürgten Schutz vor Kreditgefährdungen und außerhalb der 443 Am Beispiel des Einflusses des Europäischen Wirtschaftsrechts auf das Deliktsrecht Zetzsche ZHR 179 (2015) 490, 494. 444 Zum Rating Habersack ZHR 169 (2005) 185, 208. Übergreifend zur Kapitalmarktinformationshaftung Baums ZHR 167 (2003) 139, 143 ff. Zur jüngeren Rechtsprechung des BGH Bachmann JZ 2012, 578, 582. 445 In Anknüpfung an Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 332 ff. auch Schroeter Ratings, 2014, S. 858.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

hiervon abschließend erfassten Konstellationen auch aus Verletzungen des von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht ergeben.446 Zumeist bleibt es bei der enger gefassten Haftung aus § 826 BGB.447 Wie zu zeigen ist, sind die mit gezielten Fehlbewertungen durch Ratingagenturen und Finanzanalysen verbundenen Probleme weder allgemein deliktsrechtlich noch unter dem Gesichtspunkt der lauterkeitsrechtlichen Haftung aus §§ 8 ff. UWG zufriedenstellend zu lösen.448 1. Kredit- und Betriebsschutz (§§ 823 Abs. 1, 824 BGB) Die Haftung wegen Kreditgefährdung nach § 824 BGB schützt vor Vermögensschäden infolge geschäftsschädigender Kritik. Der Natur des § 824 BGB als Ausnahmetatbestand im System des Deliktsrechts wird allein eine enge Auslegung gerecht.449 In Betracht kommen nur Ansprüche des unmittelbar von der Behauptung betroffenen Emittenten, nicht aber solche der nur vermittelt über den Börsenkurs des Emittenten betroffenen Anleger oder sonstiger Dritter. Tatbestandlich ist die Verbreitung unwahrer Tatsachen erfasst. Es muss sich also um eine Aussage handeln, die mit den Mitteln des Beweises auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden kann.450 An der Einordnung als Tatsachenbehauptung i. S. d. § 824 BGB bestehen angesichts der Prägung sämtlicher hier behandelter Intermediationsleistungen durch „Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens“451 kaum überwindliche Zweifel.452 Eine Haftung des Abschlussprüfers nach § 824 BGB wird zwar für möglich gehalten, spielt aber in der Praxis keine Rolle.453 Gleiches gilt für die Finanzanalyse.454 Bonitätsbeurteilungen hat der BGH im Urteil zum Fall Bonitätsindex 500 von 2011 als Bewertungen eingeordnet, die auf Tatsachen beruhen, dadurch aber nicht selbst zur Tatsachenbehauptung werden. Etwas anderes könne nur gelten, wenn aus Sicht des Empfängers „die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens gegenüber den zugrunde liegen-

Abschn. 1. Abschn. 2 (S. 479). 448 Abschn. 3 (S. 481). 449 Näher Faust AcP 210 (210) 555, 557. 450 BGH, Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 120/10 (Bonitätsindex 500), WM 2011, 1187, JurisTz. 10 m. w. N. 451 Zur Stiftung-Warentest-Rechtsprechung des BGH 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363). 452 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 200. 453 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 109; Seibt / Wollenschläger DB 2011, 1378, 1381. 454 Drinkuth in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 167, 187; Seibt ZGR 2006, 501, 537. 446 447

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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den Tatsachen in den Hintergrund treten“.455 Nach dieser Gesamtbetrachtung ist auch der Ratingbericht keine Tatsachenbehauptung, weil er regelmäßig auf die Untermauerung der Bewertung zugeschnitten ist und dementsprechend keine eigenständige Bedeutung beansprucht und auch kaum je haben kann.456 Vereinzelt wird vertreten, Prognosen wohnten implizite Aussagen über die Gegenwart inne.457 Mit Blick auf professionelle Prognosen erscheint das zunächst überzeugend. Ohne Rückgriff auf eine verlässliche Tatsachengrundlage ist bei der ordnungsgemäßen Erstellung nicht auszukommen. Die Auswahl der relevanten Tatsachen zeichnet das Ergebnis ein gutes Stück weit vor. Mit diesen Erkenntnissen ist angesichts des Rechtsfertigungsgrunds aus § 824 Abs. 2 BGB aber nicht viel gewonnen. Aufgenommen wurde der Rechtfertigungsgrund, um die Tätigkeit von „Auskunftsbüreaus“458 zu schützen.459 Wie die historischen Kreditauskunfteien haften hiernach auch die modernen Informationsintermediäre also nur bei Kenntnis der Unrichtigkeit und damit letztlich kaum anders oder weiter als nach § 826 BGB. Für unwahre Tatsachenbehauptungen ist die Haftungsregel des § 824 BGB abschließend. Bei Verbreitung wahrer Tatsachen oder von Werturteilen kommt demgegenüber ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht, wie er vom OLG Frankfurt im Jahr 2015 für den Fall einer nicht hinreichend tatsachengestützten Bonitätsbeurteilung bejaht wurde.460 Bei den das Unternehmen nur mittelbar beeinträchtigenden Anlegerschäden fehlt es allerdingsnach allgemeiner Regel an einem unmittelbar betriebsbezogenen Eingriff.461 Das ebenfalls in Betracht kommende Unternehmenspersönlichkeitsrecht schützt vor Unwerturteilen, die einer unrichtigen Intermediäraussage aber selten innewohnen werden. In seinem Urteil zum Fall Kirch von 2006 nahm der BGH keine Trennung zwischen diesen Rechtsgütern vor.462 Für die 455 BGH, Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 120/10 (Bonitätsindex 500), WM 2011, 1187, JurisTz. 11. 456 Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 55. Abwägend auch Seibt in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 191, 204. Für eine getrennte Betrachtung von Tatsachen und Bewertungsteil MünchKommBGB7-Wagner § 824 Rn. 23. 457 Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 53 m. w. N.; Witte / Hrubesch ZIP 2004, 1346, 1350. Dagegen Schroeter Ratings, 2014, S. 856: „kaum kaschierte Fiktion“. 458 Prot. II, S. 638. 459 Näher Schroeter Ratings 2014, S. 853 f. 460 OLG Frankfurt, Urt. v. 7.4.2015 – 24 U 82/14, ZD 2015, 335, Juris-Tz. 21. Grundsätzlicher BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03 (Kirch / Deutsche Bank und Breuer), BGHZ 166, 84 Tz. 89. 461 Zur Finanzanalyse Drinkuth in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 167, 187. 462 BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03 (Kirch / Deutsche Bank und Breuer), BGHZ 166, 84 Tz. 97, 107.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Haftung aus beiden Rechtsinstituten muss eine Interessenabwägung getroffen werden, bei der praktisch auf dasselbe und im Folgenden zu erörternde Abwägungsmaterial zurückzugreifen ist.463 Zu beginnen ist mit den – allerdings nach späteren Entscheidungen des BGH „nicht zweifelsfreien“464 – Grundsätzen der Heberger-Rechtsprechung von 1994.465 Nach diesen Grundsätzen ließe sich für die sämtliche der hier behandelten Intermediationsleistungen kennzeichnende Durchleuchtung der finanziellen Situation eines Unternehmens eine wirkungsbezogene Haftungsgrundlage aufbauen. Im Ergebnis führte dies allerdings dazu, dass mit der letztlich erst ex post beurteilbaren, vom BGH aber als maßgeblich erachteten Prangerwirkung dem Grunde nach selbst eine Haftung für ordnungsgemäß erstellte Intermediärleistungen in Betracht käme. Von Zweifeln am Vorliegen eines Verschuldens oder der Rechtswidrigkeit abgesehen, ist die sogenannte Prangerwirkung gerade integrales Element einer auf die private Marktzugangskontrolle zugeschnittenen Informationsintermediation. Als übergreifendes Kriterium taugt die Prangerwirkung demzufolge entweder schon wegen der erst ex post zu leistenden Abgrenzung zur berechtigten Kritik oder jedenfalls aus Gründen der Funktionsfähigkeit einer auf private Informationsleistungen gestützten Marktzugangskontrolle nicht. Zu verweisen ist insoweit auch auf die im Ausland gesammelten Erfahrungen mit dem Einsatz öffentlichkeitswirksamer Informationen zu Pflichtverletzungen (public shaming), die etwa bei der Durchsetzung von Kodexvorgaben zu beachtlichen Ergebnissen geführt haben.466 Professionell geäußerte Einschätzungen der Intermediäre überschreiten schon ihrem Duktus nach die durch die Höllenfeuer-Entscheidung467 des BGH von 1966 gezogene Grenze zur Schmähkritik nicht.468 Die deliktsrechtlichen Pflichten sind auch nach dem Urteil des KG im Fall Scope Rating von 2006 prozedural zu bestimmen.469 Dem lässt sich nicht der (unterschiedlich stark ausgeprägte) Prognosecharakter von Intermediärbeurteilungen entgegenhalten.470 Die tragenDazu Schroeter Ratings 2014, S. 860 ff. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03 (Kirch / Deutsche Bank und Breuer), BGHZ 166, 84, 112 Tz. 110 m. w. N. zur überwiegenden Ablehnung in der Literatur. 465 BGH, Urt. v. 8.2.1994 – VI ZR 286/93 (Heberger), WM 1994, 641, Juris-Tz. 24 ff. 466 Näher Fleischer ZGR 2004, 437, 475 im Zusammenhang mit der Organhaftung; Hopt ZGR 2002, 333, 373 zu Übernahmerecht und Corporate Governance. 467 BGH, Urt. v. 21.6.1966 – VI ZR 261/64 (Höllenfeuer), BGHZ 45, 296, Juris-Tz. 45. Zur Entwicklung seitdem Rabe Der Schutz der Persönlichkeit vor Kritik an professionellen Leistungen, 2014, S. 35 ff. 468 Beck OK InfoMedienR15-Söder Medienäußerungsrecht § 823 Rn. 174; MünchKommBGB7-Wagner § 823 Rn. 343. Ebenso Peters Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 71; Schroeter Ratings, 2014, S. 860. 469 KG, Urt. v. 12.5.2006 – 9 U 127/05 (Scope Rating), WM 2006, 1432, Juris-Tz. 29. 470 MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 139 f. Wie hier auch Habersack ZHR 169 (2005) 185, 204. Gegen die Anwendbarkeit der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung aber Schroeter Ratings, 2014, S. 862 f. 463 464

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den Gründe wurden bereits im Zusammenhang mit der vom KG Berlin zugrunde gelegten Stiftung-Warentest-Rechtsprechung des BGH besprochen.471 In Betracht kommt insbesondere ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dies führt zu einer Haftung auch für bloß fahrlässig verursachte Vermögensschäden. Der Sorgfaltsstandard entspricht hierbei der Haftung des Abschlussprüfers aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des geschädigten Anlegers, die der BGH in seinem Urteil von 2014 allerdings nur für einen Primärmarkterwerber bejahen wollte.472 Haftungsrelevante Konstellationen ergeben sich – letztlich im Einklang mit § 824 Abs. 2 BGB –, wenn der Intermediär bei seiner veröffentlichten Beurteilung von der eigenen Prognose abweicht.473 Nachzuweisen ist dies bestenfalls bei entsprechenden Dokumentationspflichten, einer auf hoheitliche Befugnisse zurückgreifenden Überprüfung und Zugänglichkeit des Prüfungsergebnisses für den geschädigten Emittenten. Nachweisprobleme stellen sich infolgedessen bei den im Eigeninteresse des Intermediärs auftragslos erbrachten Leistungen. Diskutiert werden hierzu Ansprüche gegen Finanzanalysten bzw. die sie beschäftigenden Finanzinstitute unter dem Gesichtspunkt einer Werbung um Provisionseinnahmen, die aber letztlich nur bei zu hohen, also aus Sicht des Emittenten nicht schadensgeeigneten Prognosen einsetzbar sind.474 Die bei Negativbewertungen in Betracht kommenden Leerverkäufe im Eigenhandel (scalping und frontrunning) sind Marktmanipulation i. S. v. Art. 12 Abs. 2 EU-MarktmissbrauchsVO.475 Schwerer zu fassen ist die Erzwingung von Ratingmandaten im Wege der Ankündigung einer (zu) negativen Beurteilung. Sie kommt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb (bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts) zur Anspruchsbegründung in Betracht, unterliegt aber den beschriebenen und selten überwindbaren Nachweisproblemen. 2. Vermögensschutz (§ 826 BGB) Mit den vorgenannten Ausführungen ist die letztlich dominante Funktion des deliktsrechtlich an § 826 BGB auszurichtenden Vermögensschutzes vorgezeichnet. Die Haftung berufsmäßiger Informationsmittler aus § 826 BGB wird maßgeblich in Bezug auf die Verantwortung gegenüber dem Anlegerpublikum diskutiert. Die Grundlagen werden deshalb auch vorliegend erst in diesem ZusamIm Einzelnen 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363). BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 16. Zur näheren Einordnung bereits 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445), sowie noch C.III.1.b (S. 487). 473 Schroeter Ratings, 2014, S. 863. 474 Gleichwohl Seibt ZGR 2006, 501, 537. 475 Poelzig NZG 2016, 528, 536. Noch zum alten Recht KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 30 ff. mit Praxiserfahrungen. 471 472

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

menhang beleuchtet.476 Zur Haftung gegenüber dem Emittenten sei nur kurz auf zwei Sonderkonstellationen hingewiesen: erstens die Erzwingung eines Ratingmandats durch Veröffentlichung unbeauftragter Bonitätsbeurteilungen und zweitens die Veröffentlichung unrichtiger Finanzanalysen zur Eigen- oder Drittbereicherung. Der Einsatz unbeauftragter Bonitätsbeurteilungen zur Mandatserzwingung ist im Einzelnen schlecht nachweisbar. In der Praxis ist das Vorgehen bekannt. Belastbare haftungsrechtliche, wettbewerbsrechtliche oder regulatorische Lösungsvorschläge stehen aus. Schäden aus einer zielgerichtet zu niedrigen Bewertung kann der Emittent zweifelsohne nach § 826 BGB ersetzt verlangen. Das Vorliegen von Höherbewertungen durch andere Agenturen allein kann zur Anspruchsbegründung aber nicht ausreichen, wie etwa der US-amerikanische Fall Jefferson County School District v. Moody’s zeigt.477 Das Ziel der Mandatserzwingung wird kaum je in einer nachweisbaren Form kommuniziert werden. Den Schluss auf eine Mandatserzwingung könnte letztlich nur eine ganz offenkundig zu niedrige Bewertung stützen, deren Drohpotential allerdings entsprechend gering wäre. Die eigentlich problematischen Fälle einer gezielt an den unteren Rand der Vertretbarkeit verlagerten Bewertung sind angesichts der Beweisschwierigkeiten haftungsrechtlich nicht zu erfassen.478 Bewusst zu negativ formulierte Empfehlungen der Finanzanalysten können dazu eingesetzt werden, im Wege von Leerverkäufen von einem fallenden Börsenkurs zu profitieren.479 Nachweisschwierigkeiten ergeben sich, wenn der Kursverfall einem Dritten zugute kommt. Bekannt geworden sind Fälle, in denen das den Analysten beschäftigende Institut enge Beziehungen zu einem Hedge Fonds unterhielt.480 Die abschließende Entscheidung über die Behandlung solcher Fälle durch die Rechtsprechung steht, soweit ersichtlich, aus.

Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 507). Jefferson County School District (Colorado) No. R-1 v. Moody’s Investors Services Inc. 175 F. 3d 848 (10th Cir. 1999). Im Fall lagen Positivbewertungen der beauftragten Agenturen Standard & Poor’s und Fitch vor. Im Einzelnen 13. Kapitel: C.III.2 (S. 715 ff.) m. w. N. 478 Seibt in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 191, 204; Vetter WM 2004, 1701, 1708. 479 Zur Haftung aus § 826 BGB Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 21; KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 316. Zu den Erstellungspflichten ders. / Lebherz BKR 2007, 349, 352 ff. 480 Praxiserfahrungen bei Drinkuth in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 167, 171, 188; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 7, 21; ders. Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 109 (zu den USA); Seibt ZGR 2006, 501, 535. 476 477

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3. Wettbewerbsschutz (§§ 8 ff. UWG) Das Lauterkeitsrecht schützt die wettbewerbsrechtliche Stellung des Emittenten auch und gerade vor der Verbreitung von Fehlinformationen. Die Ausformung eines Wettbewerbsdeliktsrechts wurde schon in den Anfängen der Diskussion um die Berufshaftung erwogen.481 Gegenüber der deliktsrechtlichen weist die lauterkeitsrechtsrechtliche Haftung nach §§ 8 ff. UWG die Besonderheit des Schutzes vor fahrlässig verursachten Vermögensschädigungen auf.482 Der im vorangegangenen Abschnitt behandelte Einsatz unbeauftragter Bonitätsbeurteilungen zur Erzwingung eines Ratingmandats wird als Verstoß gegen § 3 UWG und auch international als Wettbewerbsverletzung diskutiert.483 Ein Absatzförderungsinteresse i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten des Emittenten, den die Agentur als zukünftigen Kunden gewinnen möchte, ist allerdings bei den zur Mandatserzwingung eingesetzten Negativbewertungen kaum zu begründen oder nachzuweisen. Der Annahme eines wettbewerbswidrigen eigenen Absatzinteresses wird die Agentur entgegenstellen, mit ihrer Beurteilung zum gesamtmarktlichen Interesse einer verbesserten Informationsabdeckung beizutragen.484 Wie bei der Haftung nach § 826 BGB diskutiert, werden die potentiell streitgegenständlichen Beurteilungen in aller Regel auch nicht unterhalb, sondern bloß am unteren Rand der Vertretbarkeitsgrenze liegen.485 Finanzanalysen werden häufig im Zusammenhang mit konkreten Transaktionen (deal-related analysis) erbracht, z. B. im Vorfeld oder begleitend zu Übernahmeverfahren oder Unternehmenskäufen. Konkurrenten können durchaus ein Interesse an der Verteuerung oder dem Scheitern der Transaktion haben.486 Soweit der selten mögliche Nachweis einer zumindest fahrlässig falschen Analyse gelingt, kommen Ansprüche auf Schadensersatz und Beseitigung, also Richtigstellung, sowie auf Unterlassung aus §§ 8, 9 UWG in Betracht.487

Wiedemann / Schmitz ZGR 1980, 129, 143. Zu möglichen Brüchen Klöhn ZHR 172 (2008) 288, 391 ff. 482 Zur Einordnung statt vieler MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 3; ders. in: FS Blaurock 2013, S. 467, 484 f. 483 Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 2 UWG Rn. 56; Seibt in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 191, 204. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 550. 484 Köhler / BornkammUWG35-Köhler § 2 UWG Rn. 56 unter Verweis auf die Praxisbeobachtungen bei v. Randow ZBB 1996, 85. Im Ergebnis ebenso Schroeter Ratings, 2014, S. 550 f. 485 Dazu 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 479). 486 Zu Praxiserfahrungen die Nachw. Fn. 480. 487 Seibt ZGR 2006, 501, 537. 481

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

III. Anleger Am schwächsten ausgeprägt ist die Haftung der Intermediäre gegenüber dem Anlegerpublikum. Ausschlaggebend sind die (noch) fest in der rechtlichen und interdisziplinären Debatte verwurzelten Überzeugungen von den Gefahren einer Übermaßhaftung bei Einstand des Intermediärs für fahrlässig verursachte Vermögensschäden. Durchbrochen wird diese Grundregel im Wege eines maßgeblich durch die Rechtsprechung ausgeformten vertragsrechtlichen Vertrauensschutzes und partiell komplementierend durch einen spezialgesetzlich begründeten deliktsrechtlichen Vermögensschutz. Die nachfolgende Aufteilung der maßgeblichen Argumente nach diesen Schutzgütern soll die gemeinsamen Begründungslinien für die Haftung auf Grundlage der einen oder anderen Norm nicht verstellen. Aus der Zusammenschau, soviel sei vorweggenommen, sind Kriterien zu entnehmen, die durchaus geeignet sind, der Intermediärverantwortung für die Marktzugangskontrolle Rechnung zu tragen. 1. Vertrauensschutz Das Vertrauen des Anlegerpublikums in die Informationsintermediäre des Kapitalmarkts ist Grundvoraussetzung nicht nur für die aus der Bündelung der Informationssuche und -auswertung zu erhoffende Schonung knapper Ressourcen, sondern zugleich für den wirtschaftlichen Absatz von Informationsleistungen am anonymen Kapitalmarkt. Eine diesen Gedanken Rechnung tragende Haftungsnorm, die vor fahrlässig verursachten Vermögensschäden Dritter schützt, fehlt. Zur Korrektur unbilliger Ergebnisse hat die Rechtsprechung verschiedene an der vertraglichen Haftung ausgerichtete Kriterien zur Haftungsbegründung ausgeformt: Strukturell auf Funktion und Wirkung der Informationsintermediation am ehesten zugeschnitten ist der für die primärmarktliche Prospekthaftung i. e. S. entwickelte Schutz typisierten Vertrauens in die ordnungsgemäße Bedienung verfestigter Informationskanäle.488 Die sekundärmarktliche Haftung entscheidet sich hingegen nach den Anforderungen an die Begründung einer vertraglichen Schutzwirkung zugunsten Dritter. Sie ist zwar nicht zur Statushaftung ausgebaut, ermöglicht aber durch die Kriterien der anerkannten beruflichen Sachkunde und Unabhängigkeit eine an die jeweilige Bedeutung der Information am Markt angepasste Verantwortungszuweisung.489 Die durch die Schuldrechtsmodernisierung in § 311 Abs. 3 BGB verankerte Haftung für die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens bietet eine (unsichere) Chance zur Weiterentwicklung dieser Kriterien. Konkret müsste aus der privaten Verantwortung für die Marktzugangskontrolle eine Sachwalterstellung für das Anlegerpublikum hergeleitet werden. Zur Verfestigung einer so um488 489

Abschn. a (S. 483). Abschn. b (S. 487).

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rissenen Fallgruppe müsste sich die Rechtsprechung allerdings über das Fehlen eines echten kommunikativen Kontakts zwischen Informationsgeber und -empfänger hinwegsetzen.490 Abzusehen ist dies nicht. a. Vertrauenstypisierung (Prospekthaftung i. e. S.) Leistungen der Informationsintermediation dienen der Befriedigung unterschiedlicher Informationsbedürfnisse. In ihrer Gesamtheit schaffen sie ein heute als verfestigt zu bezeichnendes Gefüge des kapitalmarktlichen Informationsbestands. Die Beurteilungen der Informationsintermediäre führen insoweit zu typisierbaren Vertrauenstatbeständen.491 Ohne dies wäre der wirtschaftliche Absatz der Einzelleistung nicht denkbar, das zunächst privatwirtschaftliche Aufkommen der Frühformen jeder der behandelten Leistungen wäre nicht zu erklären.492 Das gilt für die Wirtschaftsprüfung, deren Vorformen ohne gesetzgeberisches Zutun entstanden und erst durch die Notverordnung von 1931 zur verpflichtenden Abschlussprüfung ausgebaut wurden. Dem vergleichbar knüpften regulatorische Inbezugnahmen von Bonitätsratings an bereits etablierte Informationsleistungen an. Die genannten Kanäle der Informationsintermediation, auch die Finanzanalyse, sind heute am Markt verfestigt und allesamt berufsrechtlich oder regulatorisch eingerahmt. Deshalb liegt es nahe, Sorgfaltsanstrengungen zu verlangen, die dem mit dem jeweiligen Informationskanal verbundenen typischen Vertrauen entsprechen. Vorstöße zu einer an den Einfluss auf Investitionsentscheidungen anknüpfenden Verantwortung finden sich in der umfangreichen Diskussion um die Berufs- und Expertenhaftung.493 Die teils mehr vertragsrechtlich, teils mehr deliktsrechtlich einzuordnenden Ansätze sind in die Rechtsprechung zur Kapital-

Abschn. c (S. 493). Ablehnend Ebke Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuer- und rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, 1995, S. 44 (zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter), der allerdings ergebnisbezogen für weniger Haftung des Abschlussprüfers ist und nicht aus den tatsächlich entstehenden Vertrauenslagen des Informationsempfängers heraus argumentiert. 492 Haar 25 EBLR 315, 318 (2014). 493 Für ein gesetzliches Schuldverhältnis auf Anlegerschutz Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 393 ff., 405. Mit kapitalmarktsonderdeliktsrechtlichem Ansatz Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 220 ff., allgemein deliktsrechtlich Assmann Prospekthaftung als Haftung für die Verletzung kapitalmarktbezogener Informationsverkehrspflichten nach deutschem und US-amerikanischem Recht, 1985, S. 252; v. Bar ZGR 1983, 476, 504. Für eine allgemeine Vertrauenshaftung Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 2, 490; ders. in: 50 Jahre BGH, FG Wissenschaft 2000, Bd. 1, S. 129, 187 f.; mit abweichender Begründung Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 303; ders. AG 1983, 85, 89 (Teil 1). 490 491

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

marktinformationshaftung eingeflossen.494 Auf den so entstandenen Schutz typisierten Vertrauens kann für eine an die Verantwortung der Informationsintermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs geknüpfte Haftung (gatekeeper liability) aufgebaut werden.495 Die Haftung für typisiertes Vertrauen wurde zur Bewältigung der um die 2000er-Jahre zu beobachtenden Missstände am Grauen Kapitalmarkt als zivilrechtliche Prospekthaftung i. e. S. ausgeformt. Teilweise wird sie auch als außergesetzliche Vertrauenshaftung bezeichnet.496 In der Sache handelt es sich um eine Haftung für Rat und Auskunft, die auf §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB zu stützen ist und dieser bis hin zu den Rechtsfolgen entspricht, also zum Ersatz des Vertrauensschadens führt. Ungeklärt ist, ob die zivilrechtliche Prospekthaftung i. e. S. nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) von 2004 und der Übernahme ihrer wesentlichen Grundgedanken in die §§ 8f, 13 VerkProspG (seit 2011: §§ 20 ff. VermAnlG) allgemein oder nur noch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Spezialregelungen fortbesteht.497 Der BGH ließ die Frage in einem Urteil von 2013 zur Haftung des Abschlussprüfers für ein fehlerhaftes Testat im Prospekt offen.498 Gerade die Kodifikation könnte dafür sprechen, dass die Überlegungen der Rechtsprechung zum haftungsrechtlichen Schutz von typisierten Vertrauenstatbeständen tragfähig sind.499 Erwogen wird die weitere Verfolgung dieser Überlegungen für neue Informationskanäle wie etwa die mit § 161 AktG angelegte Kommunikation des Umgangs mit der Corporate Governance durch den Emittenten.500 Wie dort kommt für kapitalmarktbezogene Intermediäraussagen keine unmittelbare Übertragung in Betracht, weil es sich bei den Informationsformen durchweg nicht um Prospekte im eigentlichen Sinne handelt.501 In die zivilrechtliche Prospekthaftung im i. e. S. hat der BGH502 aber auch nichtförmliche Prospekterklärungen einbezoÜberblick bei Fleischer in: Assmann / Schütze (Hrsg.), Hdb. des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl., 2015, § 6 Rn. 1 ff.; Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 213 ff. 495 Haar 25 EBLR 315, 318 (2014). 496 Siehe etwa BGH, Urt. v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, Juris-Tz. 6 zum Aktienvertrieb außerhalb der geregelten Aktienmärkte. Überblick bei Baumbach / HoptHGB37Hopt Anh. § 177a Rn. 60; ders. in: 50 Jahre BGH, FG Wissenschaft, Bd. 2, 2000, S. 497, 527. 497 Für Letzteres GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 66. 498 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 139/12, WM 2013, 689, Juris-Tz. 12. 499 In diese Richtung Schlick WM 2014, 633, 637 (Teil 2). 500 Vor allem KölnKommAktG3-Lutter § 161 Rn. 172 ff.; ders. in: FS Druey 2002, S. 463, 473. Ansätze bereits bei Ulmer ZHR 166 (2002) 150, 168 f. In diese Richtung auch Hirte in: ders. (Hrsg.), Das TransPuG, 2003, § 1 Rn. 43 ff., 45; Hopt ZHR 2002, H. 71, S. 27, 55 f. Ablehnend HüfferAktG12-Koch § 161 Rn. 30; MünchKommAktG3-Goette § 161 Rn. 102. Eingehend Becker Die Haftung für den deutschen Corporate Governance Kodex, 2005, S. 103 ff., 106. Zum Ganzen GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 562. 501 Schroeter Ratings, 2014, S. 886 ff. m. w. N.; Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 209 ff., 211. 502 BGH, Urt. v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213, Juris-Tz. 23. 494

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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gen, mit denen am Grauen Kapitalmarkt um Investoren geworben wurde.503 Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung, in die auch körperlich von dem ausdrücklich als Emissionsprospekt bezeichneten Druckwerk getrennte Schriftstücke einbezogen werden können.504 Zu den Beurteilungen und Bewertungen der Intermediäre bestehen mehrere Unterschiede: Meist handelt es sich bei diesen nicht um unmittelbar vom Emittenten verbreitete Aussagen. Die Intermediäraussage betrifft außerdem nicht zwingend den primärmarktlichen Absatz und ist in der Regel nicht die einzig verfügbare, meist auch nicht die wichtigste Informationsquelle. Für den Informationsbestand des Markts ist regelmäßig nicht die einzelne Aussage, sondern ihr Zusammenspiel mit weiteren Informationen ausschlaggebend. Die Entwicklung der Prospekthaftung i. e. S. zeigt gleichwohl, dass sich die Gerichte bei gehäuften Missbrauchsfällen nicht in fehlverstandener Zurückhaltung üben und Wege zum Ausbau bereits angelegter Argumentationsstränge finden.505 Eine Haftung des Emittenten, nicht der Intermediäre, für die von ihm veranlassten sekundärmarktlichen Informationsleistungen fände in der zivilrechtlichen Prospekthaftung i. e. S. möglicherweise eine tragfähige Grundlage, wegen der Anknüpfung an die Haftung für Rat und Auskunft allerdings nur in Form der Verschuldenshaftung. Gegen einen etwa über die Beweislastumkehr zu bewerkstelligenden Ausbau zur (faktischen) Gefährdungshaftung spricht, dass der Emittent für die vom Intermediär als neutraler Prüfungs- oder Bewertungsinstanz erbrachten (Fehl-)Leistungen gerade nicht generell verantwortlich sein kann, wenn die Vorzüge der Arbeitsteilung gewahrt bleiben sollen. Übrig blieben letztlich nur Konstellationen der Instrumentalisierung des Intermediärs, also der Einsatz der Informationsintermediation als Absatzwerkzeug und somit vor allem die Fälle des gezielten Zusammenwirkens zum Schaden der Informationsempfänger (Kollusion). Zu erfassen sind die maßgeblichen Fälle bereits über § 826 BGB. Eine aus den Grundsätzen der Prospekthaftung i. e. S. abgeleitete Haftung des Intermediärs selbst wäre kaum eine bloße Auffanghaftung, sondern rechtspraktisch als Regelhaftungstatbestand mit Zügen einer Statushaftung versehen. Die Schaffung ausgewogener Haftungsstrukturen durch den Gesetzgeber ist dadurch nicht zu ersetzen. Dass die Gerichte diese Aufgabe übernehmen könnten oder sollten, ist rechtspolitisch mit Zweifeln zu versehen. Durch die Rechtsprechung zur Prospekthaftung derjenigen, die aufgrund beruflicher und wirtschaftlicher Stellung oder ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen, sind allerdings maßgebliche Kriterien bereits vorbereitet.506 Die Übertragung auf die In503 Dies betont vor allem KommDCGK6-Lutter Rn. 1384 als möglichen Ansatzpunkt der (Organ-)Haftung für die Entsprechenserklärung zum DCGK. In diese Richtung auch Hopt in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Corporate Governance, Beih. ZHR 71, 2002, S. 27, 55. 504 BGH, Urt. v. 17.11.2011 – III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 Tz. 23. 505 Hopt in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Corporate Governance, Beih. ZHR 71, 2002, S. 27, 55. 506 Dies lässt auch Schlick WM 2014, 633, 637 (Teil 2) erkennen.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

termediäre, deren öffentlich zugängliche Informationsleistungen letztlich für die Kosten des Marktzugangs entscheidend sind, könnte bloß ein kleiner Schritt sein. Bereits nach dem Urteil des BGH von 2005 kann das Jahresabschlusstestat eine Haftung des Abschlussprüfers als „Garant“ für zurechenbare Prospektaussagen begründen, sofern seine Tätigkeit nach außen erkennbar geworden ist.507 In der Literatur finden sich Überlegungen zu einer allgemeinen Statushaftung nach § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB508 bei besonderem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Intermediärs.509 Andere befürworten generell eine deliktsrechtliche Verortung der Haftung für die Verletzung typisierten Vertrauens.510 Wie bei der Berufshaftung allgemein dürfte letztlich nicht die dogmatische Anbindung, sondern der Haftungsstandard entscheidend sein.511 Ein auf die Funktionen der Informationsintermediation zugeschnittener und der Arbeitsteilung insgesamt gerecht werdender Haftungsstandard wirft über die Haftungsbegründung hinausgehende Folgefragen auf. Zu diesen zählen bei der Haftung gegenüber dem Emittenten der Umgang mit dem Mitverschulden der Geschäftsleiter (Einbußen bei der Kontrollverantwortung?), bei der Dritthaftung vor allem die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens (Ersatz nur des Kursdifferenzschadens?) und, damit verbunden, die Anforderungen an den Nachweis der Kausalitätskette (fraud on the market?). Die Austarierung dieser miteinander verwobenen und durchaus komplexen Problemstellungen durch die Rechtsprechung ist keineswegs chancenlos. Brüche zwischen einer bereits bei bloßer Fahrlässigkeit ansetzenden Haftung aus Rat und Empfehlung mit der auf grobe Fahrlässigkeit beschränkten Haftung derjenigen, die für den Prospekt die Gesamtverantwortung übernommen haben, wird die Rechtsprechung gegebenenfalls im Wege von Analogie oder einem auf die gegenüber dem primärmarktlichen Zusammenhang größere Informationsverfügbarkeit am Sekundärmarkt bauenden Erst-Recht-Schluss zu vermeiden wissen.512 Die Rechtsprechung stößt gleichwohl an Grenzen. Entscheidende Weichenstellungen für die Vermeidung einer Übermaßhaftung der Informationsintermediäre als Kontrolleure des privaten Marktzugangs, wie insbesondere die Begrenzung auf (gegriffene) Haftungshöchstsummen entziehen sich der richterlichen 507 BGH, Urt. v. 15.12.2005 – III ZR 424/04, WM 2006, 423, Juris-Tz. 19 (im Ergebnis abgelehnt). 508 Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 332. 509 I. d. R. besteht nur ein mittelbares Interesse. Zum Rating Schroeter Ratings, 2014, S. 911 f. 510 Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 19 ff., 26. 511 Dazu bereits 12. Kapitel: A.I.1 (S. 408). 512 Zu möglichen Brüchen bei der Abschlussprüfung GroßkommStaubHGB5-Habersack /  Schürnbrand § 323 Rn. 66; beim Rating Habersack ZHR 169 (2005) 185, 208 und Hennrichs in: FS Hadding 2004, 875, 890. Zum Parallelproblem bei der Haftung für die Entsprechenserklärung zum DCGK GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 568. Übergreifend Baums ZHR 167 (2003) 139, 143 ff.

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Ausgestaltungskompetenz und -verantwortung. Insoweit handelt es sich um ein grundsätzliches Problem im Schnittfeld zwischen richterlicher Rechtsfortbildung und gesetzgeberischer Regelungsverantwortung. Es betrifft nicht nur die hier beschriebene und in ihrer Zielrichtung für die Haftung der Intermediäre am nächsten liegende Anknüpfung an die Verletzung typisierten Vertrauens in Marktinformationen, sondern auch die im Folgenden zu untersuchenden Möglichkeiten zum Ausbau der Intermediärhaftung auf Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens. b. Individualvertrauen (Vertrag mit Schutzwirkung) Seit dem Grundsatzurteil des BGH von 1998 kommt eine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber außenstehenden Anlegern nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht.513 In Abgrenzung zu der soeben behandelten Prospekthaftung soll es sich nicht um eine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Werbeaussagen, sondern um eine Berufshaftung des Experten gegenüber einem Dritten handeln, die auf dem besonderen Vertrauen beruht, das Experten aufgrund der von ihnen erwarteten beruflichen Sachkunde und persönlichen Zuverlässigkeit in Anspruch nehmen.514 Zum Haftungsausspruch kam es gleichwohl lediglich in Ersterwerbsfällen. In der Literatur stößt die Lösung über den Vertrag mit Schutzwirkung wegen der (möglicherweise nur vermeintlichen) Gegenläufigkeit der Interessen des Emittenten als Auftraggeber und des Anlegers als Dritten auf grundsätzliche Bedenken.515 Die Meinungen zur Schutzwirkung von Abschlussprüfer-,516 Rating-517 und Finanzanalysevertrag518 sind nicht zuletzt aus diesem Grund geteilt. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 9. BGH, Urt. v. 8.6.2004 – X ZR 283/02, WM 2004, 1869, Juris-Tz. 17. Mit Vergleich zum schweizerischen Recht Schroeter in: FS Schwenzer 2011, S. 1565, 1568, 1573. 515 Zur Kritik vor allem Canaris JZ 1995, 441, 442; ders. ZHR 163 (1999) 206, 215. Mit Vergleich zum englischen Recht Büttner Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten, 2006, S. 84 ff. Zu den Chancen der haftungsrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise Grundmann / Renner JZ 2013, 379, 383. Zum Diskussionsstand beim Rating StaudingerBGB2015-Klumpp § 328 Rn. 266. 516 Für die Schutzwirkung des Prüfungsvertrags Lutter ZSR 2005, 415, 447 (i.E. nur „kontrollierte Ausweitung“ der Haftung); Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 327 f. (in Anlehnung an das österreichische Recht). Ebenso mit ausgiebiger Rechtsvergleichung Doralt ZGR 2015, 266, 287; rechtsökonomisch Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 200. Für die Haftung nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB GroßKommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 54, 57. Dagegen vor allem MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 136 m. w. N. zu gleichlautenden Stellungnahmen. 517 Für die Schutzwirkung des Ratingvertrags Ebenroth / Daum WM Sonderbeil. Nr. 5, H. 43/1992, S. 1 ff. („Idealfall eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte“); Grundmann /  Renner JZ 2013, 379, 384 (marktstabilisierende Dritthaftung); v. Schweinitz WM 2008, 953, 513 514

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Bezieht man die allen Beteiligten bekannten wirtschaftlichen Umstände ein, unter denen Intermediationsabsprachen zustande kommen, wiegt der Interessengegensatz weder im primär- noch im sekundärmarktlichen Kontext schwer: Der Emittent verfolgt das Ziel des Marktzutritts bzw. der fortgesetzten Marktteilnahme. Sein Ziel kann er ohne Beauftragung gesetzlich vorgeschriebener oder faktisch erforderlicher Intermediationsleistungen nicht oder nicht in der gewollten Art und Weise erreichen. Der Mitteleinsatz des Emittenten zur Beibringung von Intermediärbeurteilungen liegt ohne anderslautende Strukturentscheidung (z. B. Liquidation) sowohl im Interesse der aktuellen als auch der künftigen Anteilseigner. Der Intermediär verfolgt seinerseits das Ziel des kommerziellen Absatzes von Informationsleistungen, die nur bei fortbestehender Reputation gegenüber Dritten und Verlässlichkeit im Einzelfall den mit dem Emittenten gemeinsamen Zweck erreichen können.519 Rechtsökonomisch erscheint die Annahme (oder Unterstellung) eines Dritthaftungswillens auch bei erkennbarer Risikoerhöhung sinnvoll.520 Zum einen wird damit dem Problem der einseitigen Ausrichtung des Schadensvermeidungsaufwands entgegengetreten (perverse incentives), zum anderen eine Kostenverdopplung wegen eigener Informationssuche des Dritten vermieden (Ressourcenschonung).521 Die Annahme einer objektiv-rechtlichen, also regelmäßig deliktsrechtlich zu begründenden Haftungsverantwortung dürfte gleichwohl näher liegen.522 Die 956 mit Vergleichung zum englischen und US-Amerikanischen Recht; Witte / Hrubesch ZIP 2004, 1346, 1351 (erkennbare Bestimmung zur Verwendung durch Dritte). Dagegen jeweils mit vorsichtigen Erwägungen zur Haftung aus § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 63 ff., 65 (zwar Interessengleichlauf, aber keine Erkennbarkeit des Personenkreises); Habersack ZHR 169 (2005) 185, 206 ff., 208 (Voraussetzungen liegen vor, aber Aufgabe des Gesetzgebers); Hennrichs in: FS Hadding 2004, 875, 887 ff., 889 (allenfalls nach § 311 Abs. 3 BGB); Vetter WM 2004, 1701, 1709 ff., 1711 (kein Vertrauensschutz bei formularmäßigem Haftungsausschluss). Ebenso mit eingehender Diskussion Schroeter Ratings, 2014, S. 933 ff. m. w. N. 518 Praktisch vollständige Ablehnung der Schutzwirkung und nur vereinzelte Erwägung einer Haftung nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB. Siehe etwa Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 32 (i.E. wie beim Rating zwar Interessengleichlauf, aber keine Erkennbarkeit des Personenkreises; keine Inanspruchnahme besonderen Vertrauens wegen Fehlens entsprechender beruflicher Stellung oder Informationsnähe). Ebenso KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 202; Egbers / Tal BKR 2004, 219, 223. Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 200 ff., 204 (keine Inanspruchnahme besonderen Vertrauens u. a. mangels entsprechender beruflicher Stellung). 519 Eine auf diese Überlegung gestützte Schutzwirkung des Abschlussprüfertestats ist nach Canaris ZHR 163 (1999) 206, 215 „bloße Fiktion“. Im Ergebnis ebenso GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 59. 520 Schäfer AcP 202 (2002) 808, 820, 830. 521 Zu den ökonomischen Grundlagen der Dritthaftung 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419). 522 Statt vieler Canaris ZHR 163 (1999) 206, 215, mit der treffenden Bemerkung, dass es „um die Lösung eines generellen und typischen Problems und damit um eine Aufgabe des

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vertragsrechtliche Lösung gerät spätestens bei ausdrücklicher Verneinung der Drittverwendung in Verdacht, Willenserklärungen als ökonomische Sollabsprache zu fingieren.523 Ein besonderes Problem ergibt sich aus den im Grundsatz zulässigen Einschränkungen der Drittverwendung, die zusammen mit der Beurteilung in den Prospekt oder in die anderswo veröffentlichte Intermediationsleistungen aufgenommen werden. Denkbar ist, solche Einschränkungen als unwirksam oder aus anderen Gründen als unbeachtlich aufzufassen, denn weder Abschlussprüfertestat noch Rating oder Finanzanalyse können ohne pozentielle Beeinflussung von Investitionsentscheidungen ihren spezifischen Wert entfalten. Wer eine so bezeichnete Leistung anbietet, weiß (bzw. muss wissen), dass sie am Markt Wirkung entfaltet. Den unsicheren Möglichkeiten zur Begründung des Ergebnisses ist bereits das vorherige Kapitel nachgegangen.524 Der BGH legte die vorgestellte Überlegung seinem Urteil zur Abschlussprüferhaftung vom April 2014 zugrunde: Der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung „steht eine etwaige Gegenläufigkeit der Interessen […] nicht entgegen. Denn wer […] ein Gutachten bestellt, um davon gegenüber Dritten Gebrauch zu machen, ist daran interessiert, dass die Ausarbeitung die entsprechende Beweiskraft besitzt. Dies ist jedoch nur gewährleistet, wenn der Verfasser […] auch dem Dritten gegenüber dafür einsteht.“525

Die Eckpunkte seiner bisherigen Rechtsprechung zur Dritthaftung des Abschlussprüfers526 fasst der BGH in genanntem Urteil folgendermaßen zusammen:527 In ergänzender Vertragsauslegung nach § 157 BGB ist ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Begründung des Schutzes Dritter anzunehmen, „wenn diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen, der Gläubiger an deren Schutz ein besonderes Interesse hat und Inhalt und Zweck des Vertrags erkennen lassen, dass diesen Interessen Rechnung getragen werden soll“.528 Der Wirtschaftsprüfer verfügt „über eine besondere, vom Staat anerobjektiven (wenn auch ,ungeschriebenen‘) Rechts und nicht um eine solche der Vertragsparteien geht“. Im Ergebnis ebenso zum Rating Wagner in: FS Blaurock 2013, 467, 481. Siehe aber Grundmann / Renner JZ 2013, 379, 384 mit offenem Bekenntnis zur marktstabilisierenden Funktion der Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. 523 Deutlich Picker in: FS Medicus 1999, S. 397, 403. 524 Zur Einschränkbarkeit des Pflichtenprogramms 11. Kapitel: B (S. 358), zur Unwirksamkeit von Nebenabreden 11. Kapitel: C (S. 380) und zu allgemeinen Absprachegrenzen 11. Kapitel: D (S. 392). 525 BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 13. 526 Dazu bereits 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445 ff.). 527 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Juris-Tz. 9 ff. 528 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Juris-Tz. 11f. unter Hinweis auf die Prägung durch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB sowie die Fortentwicklung der früher vorausgesetzten Verantwortung für Wohl und Wehe des Dritten. Zur Entwicklung der Rechtsprechung MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 165. Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 23 f.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

kannte Sachkunde“, erbringt seine Stellungnahmen unter der äußerlichen Erwartung an seine „Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit“ und haftet Dritten, „denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht“.529 Entscheidend ist, dass der Zweck des Gutachtens darin besteht, „das Vertrauen eines Dritten zu erwecken, um – für den Sachkundigen hinreichend erkennbar – Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden“.530 Die so umschriebenen Erfordernisse an einerseits den bestimmungsgemäßen Einsatz durch den Auftraggeber und andererseits die Erkennbarkeit der Drittverwendung dienen dazu, „das Haftungsrisiko […] kalkulierbar zu halten“, also die Einschätzung des „Risiko(s) bei Vertragsschluss“ zu gewährleisten und damit Maßnahmen zu ermöglichen, es „gegebenenfalls zu versichern“.531 Im entschiedenen Fall haftete der Abschlussprüfer für ein fehlerhaftes Testat, das vereinbarungsgemäß und, wie von § 7 WpPG i. V. m. der EU-Prospektverordnung532 gefordert, als verpflichtender Abschlussprüferbericht über eine Gewinnprognose in den Prospekt aufgenommen worden war. Zu einem persönlichen Kontakt zum Geschädigten, wie er für die Beurteilung des 1998 behandelten Sachverhalts maßgeblich gewesen war, war es nicht gekommen.533 In Abgrenzung zu der 2006 verneinten Dritthaftung für Fehler der nach §§ 316 ff. HGB vorgeschriebenen Jahresabschlussprüfung534 ist nach der zitierten Entscheidung von 2014 maßgeblich, dass die Prüfung nicht grundsätzlich, sondern nur bei freiwilliger Aufnahme der Gewinnprognose angeordnet ist. Der Informationszweck diene nicht wie der des jährlichen Testats dazu, „allgemein Dritten einen Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens“ und „eine Beurteilungsgrundlage zu geben“, sondern bezwecke „auch und gerade den Schutz der konkreten Anleger“.535 Betont wurde außerdem die in der summenmäßig begrenzten Binnenhaftung nach § 323 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertentscheidung. Die fehlende Nennung des Prüfers als Prospektverantwortlichen (Prospektherausgeber oder -veranlasser) in den einschlägigen Vorschriften ist nach Ansicht des BGH nicht ausschlaggebend, so dass im Ergebnis für Haftungsfälle außerhalb der BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 11 f. BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 14. 531 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 14. 532 Art. 3 i. V. m. Anh. I Nr. 13.2 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 v. 29.4.2004, ABl. EU L 149 v. 30.4.2004, S. 1, L 215 S. 3. 533 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 11. Dazu Weber NZG 1999, 1. 534 BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 Tz. 15 mit Überlegungen zur Haftung gegenüber Investoren, die die Begutachtung abwarten, um über ein mögliches Engagement zu entscheiden. 535 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 17 unter Verweis auf Erwägungsgründe Nr. 10, 16, 18 und 21 der EG-Prospektrichtlinie. 529 530

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Jahresabschlussprüfung auch keine Sperrwirkung des § 323 HGB anzunehmen ist.536 Die für die Jahresabschlussprüfung betonte Gefahr einer uferlosen Haftung besteht nicht, wenn „das durch die zu zeichnende Kapitalsumme begrenzte Gesamtrisiko […] versicherbar und in die Vergütung einkalkulierbar“ ist.537 Im Ergebnis führt diese Rechtsprechung im primärmarktlichen Zusammenhang zu einer Prüferdritthaftung, die der strikten (strict liability), angesichts der Entlastungsmöglichkeit (due diligence defense) aber letztlich doch verschuldensabhängigen Haftung nach US-amerikanischem Recht aus § 11 Securities Exchange Act 1933 auch wegen der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB jedenfalls im Ansatz nicht weit nachsteht. Umgekehrt fügt sich die gleichzeitige Ablehnung der sekundärmarktlichen Dritthaftung für fahrlässig verursachte Fehler bei der Jahresabschlussprüfung in die seit Ultramares (1931)538 in den USA und auch im englischen Fall Caparo (1990)539 eingenommene Sichtweise ein. Dementgegen ist in Österreich seit der Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2001 die Dritthaftung für Fehler des jährlichen Abschlussprüfertestats auf Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anerkannt.540 Die Ausgangsentscheidung betraf allerdings – vergleichbar zum diskutierten Urteil des BGH von 2014 – einen Fall, in dem das Testat in werbende Vertriebsdokumente aufgenommen worden war.541 Der österreichische OGH lehnte sich an die Rechtsprechung des BGH von 1998 an. Angesichts der größeren Offenheit des österreichischen Rechts für den Ersatz fahrlässig verursachter Vermögensschäden wird dort noch weiter zu diskutieren sein, ob es sich nicht doch um objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten des Prüfers gegenüber Dritten handelt.542

536 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 21 unter Hinweis auf §§ 44 ff. BörsG a. F., §§ 8f, 13 VerkProspG a. F. 537 BGH, a. a. O. (Fn. 525), Tz. 20 unter Ablehnung der Gegenansicht von Assmann in: ders. / Schütze (Hrsg.), Hdb. des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 6 Rn. 225; KommWpPGPankoke §§ 44 BörsG, 13 VerkProspG, Rn. 23 ff.; KapitalmarktrechtsKomm4-Schwark §§ 44, 45 BörsG Rn. 12. 538 Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441 (NY 1931). 539 Caparo Industries v. Dickman [1990] 1 All E.R. 568. 540 Mit umfangreicher Rechtsvergleichung zu den Rechten der EU-Mitgliedstaaten Doralt ZGR 2015, 266, 288 ff. 541 OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖBA 2002, 820 mit Anm. Doralt sowie ÖZW 2002/3, 88 mit Anm. Artmann. 542 OGH, Entscheidung v. 29.4.2013 – 1 Ob 238/12z, RdW 2013, 599: „Ob diese Haftung aus einem Vertrag […] mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder daraus abzuleiten ist, dass die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten des Abschlussprüfers gegenüber Dritten begründen […], ist […] nicht von ausschlaggebender Bedeutung“. Grundlegend zur auch objektivrechtlichen Natur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach österreichischem Recht Bydlinski JBl 1960, 363. Eingehend Schmaranzer Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 49 ff., 61.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Nach deutschem Recht wären objektiv-rechtliche Pflichten außerhalb der vertraglichen Haftung eher nach § 826 BGB zu erfassen.543 Für mögliche Fortentwicklungen der vertraglichen Intermediärhaftung gegenüber Dritten sind nach der besprochenen Entscheidung des BGH von 2014 drei Aspekte hervorzuheben: Erstens folgt die tatrichterliche Ermittlung des Einstandswillens letztlich objektivierten Anforderungen. Der Wirtschaftsprüfer „musste wissen“,544 dass sein Testat nach § 3 WpPG in den Prospekt aufgenommen wird.545 Als ausreichend erachtet wird die bloße Erkennbarkeit, also nicht das tatsächliche Erkennen der konkreten Drittverwendung, und zudem die abstrakte Bestimmbarkeit des Adressatenkreises, also nicht ein konkreter Kontakt zu einem bestimmten Investor. Zweitens führt die besondere und staatlich anerkannte Sachkunde zusammen mit den Berufspflichten des Wirtschaftsprüfers zu einer äußerlichen Erwartung an die Verlässlichkeit seiner Aussagen. Den Zweck der Verlässlichkeit erfüllt das Gutachten nur, wenn der Prüfer „auch dem Dritten gegenüber dafür einsteht“.546 Drittens hält der BGH formularmäßige Haftungsbeschränkungen für nicht einschlägig, soweit sie dem Zweck der Drittverwendung entgegenlaufen.547 Bei beauftragten Bonitätsbewertungen und Finanzanalysen ist darüber zu streiten, inwieweit sich die zugrunde liegenden, jedenfalls faktischen Zwänge des Emittenten von der gesetzlich angeordneten Inanspruchnahme des Abschlussprüfers unterscheiden und auch darüber, ob die Überlegung weit trägt, dass der Abschlussprüfer bloß in Erfüllung gesetzlicher Pflichten tätig wird.548 Zur Teilnahme an dem von der Pflichtprüfung erfassten Markt oder zur Aufnahme von Gewinnprognosen in Prospekte entscheidet sich der Emittent ebenso freiwillig wie zu der für den fortlaufenden Handel seiner Anteile erforderlichen Bedienung der weiteren Informationskanäle des Bonitätsratings oder der Finanzanalyse. Dass Dritte in besonderem Maße auf die Beurteilung des Experten angewiesen sind, lässt sich jedenfalls beim Rating kaum verneinen.549 Zur (naheliegenden) objektiv-rechtlichen Einordnung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Bayer JuS 1996, 473, 477. Für die Orientierung an der österreichischen Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 328. Zu Zweifelsfragen Doralt ZGR 2015, 266, 291 ff. 544 BGH, a. a. O. (Fn. 527), Tz. 18. 545 BGH, a. a. O. (Fn. 527), Tz. 18. 546 BGH, a. a. O. (Fn. 527), Tz. 13. 547 BGH, a. a. O. (Fn. 527), Tz. 19. 548 Nach vorherrschender Auffassung kommt eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags nur in Betracht, wenn ihm eine über den gesetzlichen Auftrag hinausgehende Entscheidungsgrundlage für Vermögensdispositionen verschafft werden soll; GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 58. 549 Dazu v. Schweinitz WM 2008, 953, 956, der allerdings nicht auf die Vertragsschließenden, sondern auf die Angewiesenheit des Investors auf die ordnungsgemäße Bonitätsbeurteilung abstellt. 543

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Zu einer dem 2014 vom BGH entschiedenen Fall vergleichsweise konkreten Drittverwendung dürfte es allerdings bei den weiteren Intermediationsleistungen nur in Sonderkonstellationen wie der Privatplatzierung kommen.550 Erklärungen gegenüber jedem, den es angeht, werden hingegen nicht zum Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gerechnet.551 Die Gruppe derjenigen Investoren, die gestützt auf ein Rating in das Kreditrisiko oder gestützt auf eine Finanzanalyse in die Kursentwicklung des Emittenten investiert haben, ist aus der maßgeblichen Ex-ante-Perspektive vergleichsweise unkonturiert.552 In den in Betracht kommenden Konstellationen wird die unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Anerkennung des Wirtschaftsprüfers vorgenommene Abgrenzung gegenüber Ratingagenturen schon angesichts der zunehmenden Verfestigung der Verhaltenspflichten in beiden Bereichen (Registrierung der Ratingagenturen, Compliance-Pflichten der Finanzanalysten) möglicherweise nur zeitweilig Annäherungen der Haftungsregime aufhalten können.553 Zumindest die vieldiskutierten privatwirtschaftlichen Haftungsausschlüsse der Ratingagenturen könnten auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH von 2014 überwindbar sein. c. Sondervertrauen (Sachwalterhaftung) Aus der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens ergibt sich nach §§ 280, 311 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Haftungsverantwortung, wenn die Vertragsverhandlungen oder der Vertragsschluss erheblich beeinflusst wird. Dem Wortlaut nach passt diese Pflichtenbegründung auf die für eine Intermediärhaftung in Betracht kommenden Konstellationen. Die Beurteilungen der Informationsintermediäre werden typischerweise in Investitionsentscheidungen einbezogen. Das verschafft den Intermediären gleichsam eine Rolle als Sachwalter des Markts, allerdings nicht zwingend die eines Sachwalters des einzelnen Geschädigten.554 550 Im Zuge von Privatplatzierungen werden nicht zu veröffentlichende Ratings in Auftrag gegeben. Diese privaten Ratings sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO von den Veröffentlichungspflichten ausgenommen. Näher Schroeter Ratings, 2014, S. 939. 551 Allgemein MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 174. 552 Zum Rating Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 66; Haar ZBB 2009, 177, 185 Fn. 87 mit Zweifeln an der Gegenansicht von v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. Zur Finanzanalyse Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F131. 553 Zurückhaltend Schroeter Ratings, 2014, S. 934; übergreifend ders. in: FS Schwenzer 2011, S. 1565, 1579. Ebenso Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 204 zu den noch erforderlichen Entwicklungsschritten. 554 Zu dem der Formulierung des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB entsprechenden Sachwalterbegriff MünchKommBGB7-Emmerich § 311 Rn. 178; StaudingerBGB2012-Feldmann / Löwisch

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

In der durch die Schuldrechtsreform von 2001 geschaffenen Norm des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB wird allgemein eine Chance erkannt, die kapitalmarktbezogene Berufs- und Expertenhaftung von den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter loszulösen.555 Trennscharf abzugrenzen sind die Rechtsinstitute allerdings nicht.556 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die „Vorschrift […] der Rechtsprechung aufzeigen, dass diese Fälle auch auf diesem Wege zu lösen sind“.557 Die damit gemeinte Ausformung der Berufs- und Expertenhaftung558 auf Grundlage von § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB bleibt aber Aufgabe von Rechtsprechung und Lehre.559 Inwieweit die Norm der Vertrauenshaftung als „dritter Spur“ zwischen Vertrags- und Deliktshaftung560 und einer an das berufliche Auftreten am Markt561 oder gar funktionsorientiert marktstabilisierenden Haftung562 Raum zu geben vermag, hängt maßgeblich von den Anforderungen an die einzelnen Tatbestandsmerkmale ab. In der Literatur finden sich zu allen hier behandelten Formen der Informationsintermediation Überlegungen einer auf § 311 Abs. 3 BGB gestützten Haftung.563 Zu schaffen wäre damit eine einheitliche Haftungsgrundlage auch für nicht beauftragte Leistungen, wie sie bei Rating und Finanzanalyse vorkommen.564 Die Norm bietet eine Möglichkeit, den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf die (wenigen) Konstellationen zurückzuführen, in denen

§ 311 Rn. 173. Ablehnend in Bezug auf den Abschlussprüfer MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 84. 555 Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 328. Zurückhaltend MünchKommBGB7-Gottwald § 328 Rn. 166. Vergleichbar MünchKommBGB7Emmerich § 311 Rn. 184, der die Möglichkeiten zur umfassenden Interessenabwägung im Rahmen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter betont. 556 Faust AcP 210 (2010) 555, 570; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 185, 207. Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 492 ff. 557 RegE Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857 v. 31.8.2001, S. 5 i. V. m. BT-Drucks. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 163. 558 Als Berufshaftung bezeichnet durch BGH, Urt. v. 2.7.1996 – X ZR 104/94 (Nitrierofen), BGHZ 133, 168, Juris-Tz. 16. 559 RegE Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857 v. 31.8.2001, S. 5 i. V. m. BT-Drucks. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 163: „Deshalb gilt auch für Absatz 3, dass im Gesetz zwar die Möglichkeit einer Haftung auch von Dritten angesprochen, aber in einer Weise geregelt werden soll, die eine Weiterentwicklung dieses Rechtsinstituts durch Praxis und Wissenschaft erlaubt.“ 560 Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 525 ff., 541 ff.; ders. ZHR 163 (1999) 206, 220 ff. 561 Hopt AcP 183 (1983) 608, 634 ff., 669. 562 Grundmann / Renner JZ 2013, 379, 384. 563 Siehe die Nachweise Fn. 516 bis 518 sowie die Nachweise im hier Folgenden. 564 Zum Rating Habersack ZHR 169 (2005) 185, 206. Zur Finanzanalyse von vornherein nur für § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 200 ff.

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ein Gleichlauf der Schutzinteressen sowohl auf Seiten des Auftraggebers als auch des Intermediärs gegeben ist.565 Bei der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung ergeben sich allerdings kaum zufriedenstellend lösbare Probleme des Einwendungsdurchgriffs566 aus dem Deckungsverhältnis.567 Als eigenständiger Vertrauenstatbestand unterliegt § 311 Abs. 3 BGB außerdem keiner Subsidiaritätsanordnung, hängt also anders als der vertragliche Drittschutz nicht von der besonderen Schutzbedürftigkeit ab, die nur bei Fehlen gleichwertiger Ansprüche anzunehmen ist.568 Die Anwendung der Vorschrift lässt sich jedenfalls nicht allein mit der Begründung zurückstellen, es fehlten Sonderregeln zur Vermeidung einer uferlosen Haftung wie § 323 HGB oder §§ 37b, 37c WpHG.569 Unterschieden bei der Informationsversorgung der einzelnen Intermediäre, wie sie beim Rating in Abgrenzung zur Abschlussprüfung als Argument gegen die Haftung herangezogen werden, könnte sachgerecht über das Maß des jeweils in Anspruch genommenen Vertrauens Rechnung getragen werden.570 Nach Stand der Diskussion ist die Reichweite einer auf § 311 Abs. 3 BGB gestützten Intermediärhaftung allerdings nicht zu überschätzen, schon weil die in der Rechtsprechung gewachsenen Wertungen und Fallgruppen weiterhin Berücksichtigung finden.571 In besonderem Maße wird das Vertrauen nur in Anspruch genommen, wenn kundgetan wird, warum auf die Aussage des Experten eher Verlass ist als auf die einer anderen Person. Insoweit könnte zwar der mit der Beurteilung ausdrücklich oder konkludent verbundene Hinweis auf die berufliche Stellung und Unabhängigkeit des Intermediärs als ausreichend erachKersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 321, 327. Zu den möglicherweise überbetonten Interessengegensätzen bereits 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 566 Zu diesen Problemen 11. Kapitel: C.IV.3 (S. 391). 567 Zur Abschlussprüferhaftung GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 57. Siehe weiter Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 196 ff. 568 Der BGH geht mit diesem Merkmal großzügig um und hält etwa Ansprüche aus Prospekthaftung gegen einen Prospektverantwortlichen und Ansprüche gegen einen Wirtschaftsprüfer aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schon bei (seinerzeit noch) unterschiedlichen Verjährungsfristen nicht für gleichwertig; BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 22. 569 Zum Rating Habersack ZHR 169 (2005) 185, 185, 208; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 890. 570 Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F141 allerdings im Ergebnis ablehnend zur Haftung der Ratingagenturen. Überzeugend Habersack ZHR 169 (2005) 185, 206: „Abschlussprüfer und Rating-Agentur liefern gänzlich unterschiedliche Produkte – ein jeder von ihnen hat dafür einzustehen, dass sein Produkt lege artis erstellt ist, ohne sich darauf berufen zu können, dass auf dem Kapitalmarkt noch andere Informationsquellen offeriert werden, die jeweils eigene Funktionen erfüllen und eigenen Regeln folgen.“ (Kursivdruck im Original). 571 Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 890. 565

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tet werden.572 Die Inanspruchnahme des Vertrauens für sich setzt aber einen kommunikativen, wenngleich nicht zwingend einen persönlichen Kontakt voraus.573 Im Einklang mit der Rechtsprechung zur Vertreter- und Sachwalterhaftung ist dazu eine über die Inanspruchnahme allgemeinen Verhandlungsvertrauens hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrags zu fordern.574 Die Gewährübernahme kann sich auch aus Schriftstücken wie Prospekten oder Vertriebsdokumenten ergeben, die für die Disposition relevant sind und diese ermöglichen oder fördern sollen.575 Im Ergebnis dürfte aber kaum ein über die vom BGH auch für die Abschlussprüferhaftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung anerkannten Konstellationen hinausreichender haftungsrechtlicher Vertrauensschutz zu erzielen sein.576 Mögliche Haftungskonstellationen betreffen demnach hier wie dort die Vorlage oder Ankündigung des Testats gegenüber Beteiligungs- bzw. Kaufinteressierten oder die Aufnahme des Testats in Vertriebsdokumente.577 Die in der Rechtsprechung ausgeformten Kriterien der Expertenhaftung sind mit den jeweils erforderlichen Anpassungen zwar auf Ratingagenturen und Finanzanalysen übertragbar, eine merkliche Steigerung der haftungsrechtlichen Verantwortung ergibt sich daraus jedoch nicht. 2. Vermögensschutz Außerhalb der vertragsrechtlichen Haftung besteht nur in engen Grenzen ein Schutz vor fahrlässig verursachten Vermögensschäden. Die Bestimmung des Haftungsstandards erfolgt im Schnittfeld zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die im Ausgangspunkt zur Domäne des Regelgebers zählende Spezialgesetzgebung weist in Bezug auf die Informationsintermediation ein erhebliches Maß an Konkretisierungsbedürftigkeit auf, die über Kriterien wie die Verantwortungsübernahme des Intermediärs bislang nicht zu einer zufriedenstellenden Klarheit geführt haben.578 Die allgemein deliktische Schutzgesetzhaftung erlaubt eine eng an die Regelgebung angelegte kontinuierliche Fortentwicklung In diese Richtung Berger / Stemper WM 2010, 2289, 2292; Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 97. Zur Haftung nur bei beruflichem Auftreten im Markt Hopt AcP 183 (1983) 608, 634 ff., 646 f., 669 f., 680 ff. Gegen ein dahingehendes Erfordernis Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 219, 221. 573 Canaris JZ 2001, 499, 520. Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 218 f. 574 BGH, Urt. v. 4.7.1983 – II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, Juris-Tz. 12. 575 Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 215. 576 Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 547. 577 Dazu im vorausgegangenen Abschnitt sowie im Überblick 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445). 578 Abschn. a. 572

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des Haftungsstandards durch die Rechtsprechung, die sich aber nicht in Widerspruch zu der (häufig unvollständigen) Abwägung des Gesetzgebers zum Individualschutz setzen darf und sich deshalb (verständlicherweise) schwer tut, das Marktverhaltensrecht zur Haftungsbegründung heranzuziehen.579 Die berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten der Intermediäre fließen auch deshalb nur beschränkt in die Konkretisierung der Haftung für (eigentlich) auf Vorsatz beschränkte sittenwidrige Vermögensschädigungen ein.580 a. Spezialgesetze (§ 21 WpPG und Art. 35a EG-RatingVO) Die spezialgesetzliche Zuweisung primär- und sekundärmarktlicher Haftungsverantwortung ist in weiten Teilen durch den Gedanken der Beherrschbarkeit der betreffenden Information und, in unterschiedlichem Maß, durch das Bestehen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses des Informationsgebers angeleitet.581 Nachweisen lässt sich dies an der primärmarktlichen Prospekthaftung nach § 21 WpPG. Haftungsverantwortlich sind vor allem die Emittenten, die den Informationsbestand im eigenen, einem werbenden Interesse bestimmen.582 Gleiches gilt für die Emissionsbanken, also Finanzintermediäre i. e. S., bei denen die Informationen zusammenlaufen und die ihr Verhalten ebenfalls am unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse am Transaktionserfolg ausrichten. Die übrigen Finanzintermediäre i. w. S. trifft mangels Steuerbarkeit des Informationsbestands und mangels direkter Beteiligung am Emissionserfolg (bloßes Gebühreninteresse) nur dann eine Haftung, wenn sie Verantwortung für den (gesamten) Prospekt übernommen haben. Rechtspraktisch betreffen diese Aussagen in Deutschland allein den Abschlussprüfer,583 denn anders als in den USA sind Bonitätsbeurteilungen kein Pflichtbestandteil des Prospekts, Finanzanalysen sowieso nicht. Überwiegend wird die Haftung des Abschlussprüfers für von ihm geprüfte Teile wegen des prospektrechtlichen Grundsatzes der Gesamtverantwortung verneint.584 Für eine Haftung auf die von ihm verantworteten Teile spricht die aus Sicht des KapiAbschn. b (S. 503). Abschn. c (S. 507). 581 Baums ZHR 167 (2003) 139, 165 zur Einsparung hoher Informationskosten vieler durch (haftungsbewehrte) Publizitätspflichten des Emittenten. 582 BGH, Urt. v. 8.6.2004 – X ZR 283/02, WM 2004, 1869, Juris-Tz. 20: „Die spezialgesetzliche Prospekthaftung […] ist Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Werbeaussagen.“ 583 Verpflichtend ist die Aufnahme des Bestätigungsvermerks in den Prospekt, wenn dort eine Gewinnprognose abgedruckt wird; § 7 WpPG i. V. m. Art. 3 Abs. 2, Anh. I Ziff. 13.2 der Prospektverordnung (EG) Nr. 809/200, ABI. EG Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 584 Zur h.L. GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 63; Assmann AG 2004, 435, 436 f. 579 580

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talmarkts wesentliche Bedeutung des Testats für die Emission.585 Gleiches gilt für ein freiwillig in den Prospekt aufgenommenes Rating.586 Der BGH schließt die Haftungslücke bei einem die Prospektinhalte steuernden Einsatz des Abschlussprüfers über die Prospekthaftung i. e. S. und neuerdings selbst bei Fehlen eines individuellen Kontakts zum Erwerber über die Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.587 Im sekundärmarktlichen Zusammenhang ordnen die §§ 37b, 37c WpHG eine Dritthaftung des Emittenten für Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität an, weil allein er die Informationsversorgung mit kursrelevanten Insiderinformationen sicherzustellen vermag, obgleich kaum von einem dem primärmarktlichen Absatz vergleichbar unmittelbaren Eigeninteresse am Austausch der Finanztitel zwischen den Anlegern auszugehen ist.588 Aus dem Kreis der Informationsintermediäre traf bislang allein den Abschlussprüfer eine spezialgesetzliche Haftung. Nach § 323 HGB haftet er allerdings allein gegenüber dem Emittenten. Die Drittverantwortung des Prüfers richtet sich infolgedessen – wie die der anderen Intermediäre – nach den besprochenen vertragsrechtlichen Regeln sowie nach den Grundsätzen der Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung i. S. d. § 826 BGB. Neuerdings ist diese Skizze des Haftungssystems um die im Jahr 2013 in Art. 35a EG-RatingVO aufgenommene sekundärmarktliche Dritthaftung der Ratingagentur zu erweitern. Haftungsgeeignet ist ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen die in Anhang III der Verordnung konkretisierten Pflichten (nur) der registrierten oder pflichtwidrig nicht registrierten589 Agentur.590 Haftungsklagen gegen die US-amerikanischen Konzernmütter Moody’s und Standard &

585 Baumbach / HoptHGB37-Kumpan § 21 WpPG Rn. 4; Groß Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 21 WpPG Rn. 36; Schwark in: FS Hadding 2004, S. 1117, 1126. Eingehend Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 300 ff. 586 Eyles in: Vortmann (Hrsg.), Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 2 Rn. 49 („Gütesiegeleffekt“); Oulds in: Kümpel / Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 15.211. Anders aber Schroeter Ratings, 2014, S. 887 m. w. N. 587 BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Juris-Tz. 14. Dazu oben 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 588 Die Beeinflussung des sekundärmarktlichen Austauschs von Finanztiteln im Wege der Veröffentlichung von Insiderinformationen ad hoc kann etwa bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals im unmittelbaren Ertragsinteresse erfolgen, wenn sich dadurch die Kosten der Kapitalerhöhung verringern, sonst nur, wenn die Information noch im Zeitpunkt der Vornahme der Kapitalmaßnahme fortwirkt. Dazu und in Gegenüberstellung kapitalmarktrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Aspekte Klöhn ZHR 172 (2008) 388, 403 f. 589 Anh. III Abschn. I Nr. 54 EG-RatingVO. 590 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO: „Hat eine Ratingagentur vorsätzlich oder grob fahrlässig eine der in Anhang III aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen und hat sich diese auf ein Rating ausgewirkt, so kann ein Anleger oder Emittent von dieser Ratingagentur für den ihm aufgrund dieser Zuwiderhandlungen entstandenen Schaden Ersatz verlangen.“

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Poor’s kommen mangels Registrierung auf dieser Grundlage nicht in Betracht.591 Die jeweils registrierten Tochtergesellschaften haften nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 EG-RatingVO für Pflichtverletzungen der Mütter, wenn sie deren Beurteilungen übernommen haben. Anleger sind unter der Voraussetzung ersatzberechtigt, dass sie sich bei ihrer Erwerbs-, Halte- oder Verkaufsentscheidung in vertretbarer Weise auf das Rating verlassen haben, institutionelle Anleger hingegen nur, wenn sie auch eigene Kreditrisikobewertungen vorgenommen haben.592 Emittenten haben nachzuweisen, dass sie die Ratingagentur nicht falsch informiert haben.593 Zum Nachweis sind jeweils „genaue und detaillierte“ Informationen zum Pflichtverstoß der Agentur erforderlich.594 Die Bestimmung dessen, was hierunter595 zu verstehen ist, und die Auslegung der weiteren unbestimmten Rechtsbegriffe ist den nationalen Gerichten überantwortet.596 Dasselbe gilt für die Beurteilung der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit ratingvertraglicher Haftungsausschlüsse.597 Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 839. Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO: „Ein Anleger kann nach diesem Artikel Schadenersatz verlangen, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein Finanzinstrument, auf das sich dieses Rating bezieht, zu investieren, dieses Instrument weiter zu halten oder zu veräußern, in vertretbarer Weise im Einklang mit Artikel 5a Absatz 1 oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat.“ Nach Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO müssen z. B. Kreditinstitute „eigene Kreditrisikobewertungen vornehmen und dürfen sich […] nicht ausschließlich oder automatisch auf Ratings stützen.“ 593 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 EG-RatingVO: „Ein Emittent kann nach diesem Artikel Schadenersatz verlangen, wenn er nachweist, dass das Rating sich auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht und die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Ratingagentur direkt oder aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen irreführend oder falsch informiert hat.“ 594 Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 1 EG-RatingVO: „Es liegt in der Verantwortung des Anlegers oder Emittenten, genaue und detaillierte Informationen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Ratingagentur gegen diese Verordnung verstoßen hat und dass sich diese Zuwiderhandlung auf das abgegebene Rating ausgewirkt hat.“ 595 Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO: „Was als genaue und detaillierte Informationen gilt, entscheidet das zuständige nationale Gericht, wobei es berücksichtigt, dass der Anleger oder Emittent möglicherweise keinen Zugang zu Informationen hat, die allein in der Sphäre der Ratingagentur stehen.“ 596 Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO: „Begriffe wie ‚Schaden‘, ‚Vorsatz‘, ‚grobe Fahrlässigkeit‘, ‚in vertretbarer Weise verlassen‘, ‚gebührende Sorgfalt‘, ‚Auswirkung‘, ‚angemessen‘ und ‚verhältnismäßig‘, die in diesem Artikel genannt aber nicht definiert werden, werden im Einklang mit dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts ausgelegt und angewandt. Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden, unterliegen dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts […].“ 597 Art. 35a Abs. 3 lit. a EG-RatingVO. Siehe auch Schroeter Ratings, 2014, S. 848, der allerdings von der vollen Wirksamkeit der üblichen Haftungsausschlüsse ausgeht. 591 592

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Aus der bislang bekannten spezialgesetzlichen Haftungsordnung sticht die neue Vorschrift heraus: Zum einen verfügen Ratingagenturen nur über eingeschränkte Möglichkeiten der Informationsbeherrschung, weil sie ihre Informationen vom Emittenten beziehen oder von vornherein auf den öffentlich verfügbaren Informationsbestand angewiesen sind.598 Zum anderen verfügen sie über ein (bloßes) Gebühreninteresse, das aus noch zu besprechenden Gründen nicht erfolgsbezogen ausgestaltet, also nicht an den Ausgang von Maßnahmen der Kapitaleinwerbung des Emittenten geknüpft werden darf.599 Die Haftungszuweisung lässt sich deshalb am ehesten aus der funktionalen Autorität, also der besonderen Bedeutung von Bonitätsbeurteilungen für die Informationsintegrität des Kapitalmarkts, der damit verbundenen Rolle der Ratingagenturen als private Kontrolleure des fortlaufenden Marktzugangs (relational gatekeeper) sowie der mit diesen Beobachtungen einhergehenden Verantwortung der Regelgeber für eine leistungsfähige Verhaltenssteuerung der Agenturen erklären.600 Das aus Kreisen des BGH ein Jahr nach Einführung der neuen Haftungsnorm angekündigte „Kopfzerbrechen“601 um den geeigneten Umgang mit fehlerhaften Ratings dürfte angesichts des in Art. 35a EG-RatingVO angelegten Zusammenspiels mit dem nationalen Recht kaum ausbleiben. Eine weitergehende Haftung nach nationalem Recht bleibt ausdrücklich möglich.602 Vor allem sind die entscheidenden Fragen der Sekundärmarkthaftung, also Pflichtenumfang, Kausalität und Beweislast letztlich nach nationalem Recht zu beantworten.603 Die EG-RatingVO begibt sich insoweit auf eine „Gratwanderung zwischen Sachrechtsvereinheitlichung und nationalem Haftungsrecht“.604 Über die Qualifikation von Art. 35a EG-RatingVO als delikts-, nicht vertragsrechtliche Haftung (also Rom II-VO) mag auch angesichts der vertragsrechtlichen Konstruktionen der Intermediärhaftung durchaus zugeneigter Rechtsprechung zumindest nach deutscher Auffassung Einigkeit herstellbar sein.605 Die neue Haftungsnorm wird gleichwohl als ein die Interessen der Agenturen bedienender, politischer Kompromiss gesehen,606 der kaum dazu geeignet ist, die 598 Deshalb noch gegen die Haftung Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F141. Zumindest im Grundsatz dafür aber Habersack ZHR 169 (2005) 185, 206. 599 Dazu 13. Kapitel: C.II.2.c (S. 706). 600 So bereits zum Kommissionsvorschlag Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 472, 494. Mit Hinweis auf die Enge des Vermögensschutzes nach deutschem Recht Haar 25 EBLR 315, 318 (2014). Siehe weiter Blaurock EuZW 2013, 608, 611; Dutta WM 2013, 1729, 1733; Wojcik NJW 2013, 2385 f. 601 So der Vizepräsident des BGH Wolfgang Schlick WM 2014, 633, 639 (Teil 2). 602 Art. 35a Abs. 5 EG-RatingVO: „Dieser Artikel schließt weitere zivilrechtliche Haftungsansprüche im Einklang mit dem nationalen Recht nicht aus.“ 603 Haar 25 EBLR 315, 329 (2014). 604 Dutta WM 2013, 1729, 1735. 605 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 487. Dem folgend Dutta WM 2013, 1729, 1731. 606 Haar 25 EBLR 315, 329 (2014).

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private Durchsetzung im Wege der Haftung gegenüber der daneben von der ESMA voll ausschöpfbaren Kompetenzen zur behördlichen Durchsetzung des Regulierungsrechts607 zielbezogen auszuformen.608 Deutlich wird dies bereits am Haftungstatbestand. Zu Recht wird bei der Pflichtverletzung nicht auf die – ohne Gefahr eines Rückschaufehlers609 – kaum zu leistende Beurteilung der Richtigkeit610 der Bonitätsbeurteilung gesetzt, sondern auf die Einhaltung prozeduraler Vorgaben. Dies ist aus dem Umgang mit Warentests und Prognosen bekannt.611 Allerdings wird nur die Verletzung einzelner der in Anhang III der EG-RatingVO geregelten Pflichten je ein haftungsgeeignetes Ratingergebnis hervorbringen. Eine fehlerhafte Besetzung des Verwaltungsrats etwa ist zwar aus Sicht von Corporate Governance und Funktionsschutz beachtlich, wird sich aber selten auf das einzelne Rating auswirken.612 Das gilt gerade, wenn das nationale Haftungsrecht die Möglichkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens zulässt.613 Mit Erstratings verbinden sich in Ermangelung anfänglicher Informationen bei Verstoß gegen die Organisationspflichten kaum reale Haftungsgefahren, schon eher mit der fehlenden Anpassung bereits veröffentlichter Ratings.614 Maßgeblich ist insoweit die Überprüfungsfrequenz, die derzeit bei einem Jahr bzw. bei sechs Monaten für Länderratings liegt.615 Zu unerwarteten Unternehmenszusammenbrüchen kommt es häufig in einem kürzeren Intervall.616 Soweit es den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit angeht, sind im Vergleich zu der für die Haftung nach § 826 BGB ausreichenden Leichtfertigkeit keine besonderen Fortschritte zu erhoffen.617 Hinzu kommt, dass die meisten der überhaupt als kausale Pflichtverletzung in Betracht kommenden Verstöße nicht äußerlich erkennbar sind, so dass es maßgeblich auf die Beweislastverteilung ankommt. Das ist weiter unten im Einzelnen

Art. 35a Abs. 6 EG-RatingVO: „Der in diesem Artikel vorgesehene Schadenersatzanspruch hindert die ESMA nicht daran, ihre Befugnisse nach Artikel 36a voll auszuschöpfen.“ 608 Kritisch etwa Blaurock EuZW 2013, 608, 611: „Steine statt Brot“. 609 So auch Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1090. 610 Jedwede Bestimmbarkeit ablehnend Schroeter Ratings, 2014, S. 796 („Unmöglichkeit“), allerdings geprägt von der Gewährung ausgreifenden Meinungsschutzes auch für professionelle Prognosen, ebd. S. 19, 799. 611 Zum Ganzen oben 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363). 612 Zu diesen und weiteren Beispielen Dutta WM 2013, 1729, 1733. 613 Dutta WM 2013, 1729, 1733. 614 Schroeter Ratings, 2014, S. 844. 615 Art. 8 Abs. 5 Unterabs. 1, 2 i. V. m. Anh. III Abschn. I Nr. 46, 46a EG-RatingVO. 616 KölnKommWpHG2-Möllers § 17 Rn. 32 unter Hinweis auf den Zusammenbruch von Lehman Bros. sechs Monate nach dem letzten Rating der Zertifikate. 617 Nach Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 489 ist es in Fällen, in denen der Nachweis grober Fahrlässigkeit gelingt, nur noch „ein kleiner Schritt“ zum Nachweis des für die Haftung aus § 826 BGB ausreichenden Eventualvorsatzes. 607

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aufzuarbeiten.618 Die noch im Kommissionsvorschlag619 von 2011 vorgesehene Beweislastumkehr sollte die private Pflichtendurchsetzung erleichtern. Der Umgang nationaler Gerichte mit der jetzt angeordneten Pflicht zur „Berücksichtigung“ der letztlich als Beweisnot des Geschädigten zu beschreibenden Nachweisproblematik ist hingegen unklar. Selbst bei Beweislastumkehr besteht das lang bekannte Problem, dass ohne Information über intermediärinterne Umstände schon die Pflichtverletzung nicht substantiiert vortragen werden kann.620 Auch dies spricht dafür, dass sich reale Haftungsgefahren letztlich nur in Bezug auf äußerlich erkennbares Fehlverhalten wie die unterlassene Ratinganpassung ergeben. Das dem internationalen Recht zwar keineswegs fremde Ausweichen auf eine Lückenfüllung nach nationalen Grundsätzen621 ist angesichts der mitgliedstaatlich disparaten Regeln zur sekundärmarktlichen Intermediärhaftung als Abweg vom sonst beschrittenen Pfad der autonomen Auslegung zu werten.622 Das kann sich nur in einer die sozialen Kosten der kapitalmarktlichen Informationsintermediation erhöhenden Unsicherheit über die Haftungsgefahren niederschlagen.623 Allgemein sind die Hoffnungen auf eine wechselseitige Rezeption der Rechtsprechung nationaler Gerichte zwar nicht zu überspannen. Gerade angesichts der eher seltenen Entscheidung für die Haftung der unter steter Marktbeobachtung stehenden großen Intermediärorganisationen könnte allerdings in Bezug auf Art. 35a EG-RatingVO von vergleichsweise großen Rezeptionschancen auszugehen sein. Rezeptionsprozesse brauchen Zeit. Das zeigt schon die bisherige Entwicklung im Recht der Haftung von Ratingagenturen, deren grundsätzliche Haftungsabschirmung erst angesichts ihrer (erneuten) Fehlleistungen bei der Finanzmarktkrise von 2008 in Auflösung befindlich ist.624 Auf die übergreifende Frage nach der Konformität der neuen Haftungsnorm mit dem gewachsenen System der kapitalmarktlichen Informationshaftung ist kaum mit Bestimmtheit Antwort zu geben. Festzuhalten ist, dass sie erste konkrete Umrisse eines spezialgesetzlichen und, bei nächster Gelegenheit, vielleicht auch eines Ausbaus der unionsrechtlichen Haftung von Ratingagenturen für sekundärmarktliche Verfehlungen zu erkennen gibt. Für eine geeignete private Verhaltenssteuerung müssen dort wie in Bezug auf die anderen bekannten InNäher 12. Kapitel: D.III (S. 520 ff., 523). Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, KOM (2011) 747 endg., 15.11.2011, Art. 35a Abs. 5. Befürwortend KölnKommWpHG2-Möllers § 17 Rn. 31. 620 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 490 („dysfunktionale Beweiserleichterungen“). Siehe auch Dutta WM 2013, 1729, 1733 f. 621 Etwa Art. 7 Abs. 2 UN-Kaufrecht (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf 1980). 622 Zu neueren Entwicklungen beim Rating Haar 25 EBLR 315, 320 (2014).; übergreifend Hopt WM 2013, 101, 102 ff., 104 ff. 623 Haar 25 EBLR 315, 327 (2014). 624 Zum Wandel der Diskussion 12. Kapitel: A.II.2, C.I (S. 450, 473). 618 619

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formationsintermediäre, gegebenenfalls auch für neu hinzutretende Informationsanbieter wie Stimmrechts- und Vergütungsberater, weitere Verdichtungsschritte, insbesondere zur Haftungsbegrenzung und, kaum erlässlich, zu einem vorhersehbaren Umgang mit der Beweisnot des Geschädigten folgen. Die von der Rechtsprechung mit sichtbaren Anstrengungen um Wahrung der Systemkonformität eingesetzten allgemeinen Rechtsinstitute werden die für eine Bewältigung der kapitalmarktlichen Informationshaftung erforderliche Rechtssicherheit kaum in einem Spezialgesetzen vergleichbaren Umfang zu geben vermögen. Umgekehrt wird die Leistungsfähigkeit spezialgesetzlicher Regeln bei schrittweiser Ausformung neuer Segmente der kapitalmarktlichen Informationsintermediation immer wieder die Übernahme von Regelungsverantwortung durch den nationalen oder europäischen Gesetzgeber fordern. b. Schutzgesetze (§§ 323 HGB, Art. 6 ff. EG-RatingVO, § 34b WpHG) Vermögensschutz gewährt das allgemeine Deliktsrecht über die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB für die Verletzung eines Schutzgesetzes. Gegenüber spezialgesetzlichen Regeln erweist sich die Schutzgesetzhaftung im Grundsatz als elastischer. Im Vergleich zur Haftung aus § 826 BGB ist sie weiter gefasst, weil die Schädigung nicht vorsätzlich und sittenwidrig zu sein braucht. Einzuordnen ist die Schutzgesetzhaftung als Kompromiss zwischen der nicht ins Deliktsrecht aufgenommenen Generalklausel und dem vom Gesetzgeber stattdessen gewählten Enumerationsprinzip der §§ 823 ff. BGB. Die Schutzgesetzhaftung behält es dem Gesetzgeber vor, neue Konstellationen in die deliktische Haftung für Vermögensschäden einzubeziehen.625 In der Sache kommt es allerdings zur Verlagerung dieser Aufgabe auf die Gerichte. Nur selten erfolgt eine ausdrückliche Klarstellung der fehlenden Schutzgesetzqualität (z. B. § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Häufiger kommt es zu langwierigen und bis zur höchstrichterlichen Klärung andauernden Debatten (z. B. jahrelang in Bezug auf die Marktmanipulation nach § 20a WpHG a. F.).626 Die Schutzgesetzhaftung dient der Rechtsprechung als „Transmissionsriemen“ für die Übertragung der in anderen Rechtsgebieten getroffenen Wertungen in das Deliktsrecht.627 Im kapitalmarktbezogenen Zusammenhang stößt sie dabei auf das Problem, dass die Regeln zum Marktverhaltensrecht regelmäßig sowohl dem Funktions- als auch dem Individualschutz dienen.628 Die im Begriff des Schutzgesetzes angelegte Diskursoffenheit hat unterschiedlichste Vorstöße zur Überwindung des Haftungsgefälles zwischen deliktischem Grundlagen bei MünchKommBGB7-Wagner § 823 Rn. 474. Kritisch Fleischer NJW 2002, 2977, 2979 „Unterlassungssünde“ des Gesetzgebers. 627 Siehe etwa BGH, Urt. v. 26.2.1993 – V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, Juris-Tz. 11 ff. zum Lärmschutz. 628 Bachmann JZ 2012, 578, 579. 625 626

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Rechtsgüter- und Vermögensschutz hervorgebracht. Allesamt stehen sie im Zeichen des Übergangs von der durch Sacheigentum auf eine durch „Eigentum an Vermögen“ geprägte Vermögensordnung.629 Im kapitalmarktbezogenen Zusammenhang intensiv diskutiert wird die Emporstufung von auf den Austausch am Markt bezogenen Verkehrspflichten630 oder Verkehrspflichten zum Schutze fremden Vermögens631 als Schutzgesetze.632 Die Zurückhaltung des BGH633 erklärt sich daraus, dass mit der Erhebung von Verkehrspflichten zu Schutzgesetzen indirekt eine Generalklausel zum deliktischen Vermögensschutz geschaffen würde, die schon mit der inneren Struktur von § 823 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar ist.634 Die Einordnung von Verkehrspflichten als Schutzgesetze würde zu einer praktisch vollständigen Verlagerung der Bestimmung des deliktischen Vermögensschutzes auf die Gerichte führen und damit den Diskurs zwischen Rechtsprechung, Wissenschaft und Praxis weiter öffnen. Am Gesetzgeber vorbei muss dies auf Bedenken stoßen. Als respektable Selbstbeschränkung ist die Zurückhaltung des BGH gleichwohl kaum zu werten. Nach seiner Rechtsprechung werden die Probleme der Schutzgesetzhaftung in weiten Teilen auf die rechtsgeschäftliche Haftung, insbesondere die Begründung einer vertraglichen Schutzwirkung verlagert, die auf den anonymen Leistungs- und Informationsaustausch schlichtweg nicht zugeschnitten ist.635 Die insgesamt erkennbare Tendenz, kapitalmarktrechtlichen Vorschriften unter Hinweis auf ihre aufsichtsrechtliche Natur636 den Individualschutz abzuschneiden, wird zu Recht kritisiert.637 Zuletzt hat der BGH 2011 mit seinem IKB-Urteil 638

Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 366. Assmann Prospekthaftung, 1985, S. 258 ff., 263. 631 Siehe v. Bar Verkehrspflichten, 1980, S. 49, 157 ff., 186. 632 Aus jüngerer Zeit der Ansatz eines kapitalmarktdeliktsrechtliches Sonderrechtsverhältnisses zum Deliktsschutz von Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 220 ff. Scharfe Ablehnung aber bei MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 111: „freihändig entwickelte(r) Haftungstatbestand […], den die Legalordnung offensichtlich nicht kennt“. 633 BGH, Urt. v. 27.1.1987 – VI ZR 114/86, NJW 1987, 2671, Juris-Tz. 12 f. unter ablehnender Bezugnahme auf die Überlegungen von v. Bar Verkehrspflichten, 1980, S. 157 ff., 186 ff. 634 Baums ZHR 167 (2003) 139, 165 f.; Brüggemeier AcP 191 (1991) 33, 50 f.; Canaris in: FS Larenz 1983, S. 27, 79 f.; Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 53 f. 635 Gleichwohl für eine rechtsgeschäftliche Anbindung der Dritthaftung Canaris in: FS Larenz 1983, S. 27, 79. 636 Versagung der Schutzgesetzeigenschaft von § 34b WpHG zur getrennten Vermögenverwaltung durch BGH, Urt. v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09 (Phoenix), BGHZ 186, 58 Tz. 24 ff. und von § 20a WpHG zum Verbot der Marktmanipulation BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 20. Zum zweitgenannten Urteil im hier Folgenden. 637 Zur Kritik Hopt WM 2013, 101, 105 Fn. 49 m. w. N.; Baumbach / HoptHGB37Kumpan (16) WpHG Einl. 9 f. 629 630

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dem auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation zugeschnittenen Verbot der Marktmanipulation jedweden Individualschutz abgesprochen.639 Gegen den stattdessen gewählten Rückgriff auf allgemein-zivilrechtliche Normen lässt sich vor allem die passgenauere Tatbestandserfassung, aber auch der insoweit in entwickelten Kapitalmarktordnungen wie dem US-amerikanischen640 oder auch dem österreichischen Recht641 weitergehende Individualschutz gegen Marktmanipulation einwenden.642 Aus Klägersicht bietet sich überdies ein Ausweichen auf ausländische Gerichte an, etwa auf US-amerikanische, die geneigt sind, ihre Zuständigkeit bei fehlender Möglichkeit der Durchsetzbarkeit von Haftungsklagen im Ausland zu bejahen.643 Kaum übersehbar richten sich diese primär gegen die Rechtsprechung des BGH vorgebrachten Einwände in der Sache gegen den Gesetzgeber, dem es in Kenntnis verfestigter Kriterien der Schutzgesetzeigenschaft gut anstünde, im Wege hinreichend deutlicher Gesetzesbegründungen eine schon anfänglich genauere Bestimmbarkeit der Schutzgesetzeigenschaft anzuleiten. In ständiger Rechtsprechung erkennt der BGH als Schutzgesetz nur Rechtsnormen an, die zumindest auch dem Schutz des Einzelnen oder einzelner Personenkreise dienen.644 Hierzu legt er nicht eine wirkungsbezogene, sondern ein auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes gestütztes Verständnis zugrunde. In Zweifelsfällen wird eine umfassende Würdigung der Norm innerhalb ihres Regelungszusammenhangs vorgenommen. Dabei besteht das Ziel darin – bei klarer Vorgabe wäre dies unnötig – zu ergründen, ob es „in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB mit allen damit zugunsten des Ge638 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 22 ff. Zustimmende Anm. Bachmann JZ 2012, 578, 579. Ablehnend Hellgardt DB 2012, 673, 678 (Schutzgesetzeigenschaft unionsrechtlich geboten). 639 Für die Schutzgesetzeigenschaft Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 330; Hopt / Voigt in: Hopt / Vogt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 71; KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 475 ff., 487 f.; zunächst noch PalandtBGB72Sprau § 823 Rn. 71 (ohne Begründung); Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 217 ff., 225. Dagegen aber Assmann / SchneiderWpHG6-Vogel § 20a Rn. 31; KapitalmarktrechtsKomm4-Schwark § 20a WpHG Rn. 7. Weitere Nachw. oben Fn. 638. 640 Mit Vergleich zu den Individualansprüchen aus section 9(e) Exchange Act und SEC rule 10b-5 KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 65 ff. 641 OGH, Entscheidung v. 15.3.2012 – 6 Ob 28/12d u. a., GesRZ 2012, 252, 254 f., Tz. 3.4 ff. zur Schutzgesetzeigenschaft von Ad-hoc-Publizitätspflichten, mit Anm. Schuhmacher, ebd. S. 257. Näher Kalss / Puck in: Aicher / Kalss / Oppitz (Hrsg.), Grundfragen des neuen Börserechts, 1998, S. 319, 350, 354. Vergleichend KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 60. 642 Fleischer NJW 2002, 2977, 2979 (Selbstverständlichkeit in entwickelten Kapitalmärkten). 643 KölnKommWpHG2-Mock § 20a Rn. 487 f. 644 BGH, Urt. v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09 (Phoenix), BGHZ 186, 58 Tz. 26 ff. m. w. N.

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schädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen“.645 Ein bloß reflexartiger Schutz reicht dafür bekanntlich nicht aus. Die von der IOSCO oder Verbänden veröffentlichten Empfehlungen zu Abschlussprüfung, Rating oder Finanzanalyse sind von vornherein keine Gesetze i. S. d. Art. 2 EGBGB und scheiden als Schutzgesetze aus.646 Den allgemeinen berufsrechtlichen oder regulatorischen Pflichtenbestimmungen ist richtigerweise ebenso wenig wie den Verkehrssicherungspflichten individualschützende Wirkung zuzuerkennen. Nicht als Schutzgesetz einzuordnen sind deshalb die Berufspflichten des Abschlussprüfers aus § 323 Abs. 1 HGB oder § 43 Abs. 1 WPO.647 Gleiches ist weitestgehend für die regulatorischen Pflichtenstellungen des Finanzanalysten aus § 34b WpHG anerkannt und gilt der Sache nach auch für Art. 20 EU-MarktmissbrauchsVO.648 In der vergleichsweise jungen Diskussion um die EG-RatingVO wird vereinzelt eine Schutzgesetzgesetzqualität nicht näher bezeichneter Verhaltenspflichten der Verordnung erwogen.649 Die spezialgesetzliche Haftungsnorm des Art. 35a EG-RatingVO begründet die individualschützende Wirkung nur nach dort geregelter Maßgabe, greift also erst bei grober Fahrlässigkeit ein. Für die daneben mögliche Haftung für einfach fahrlässige Schutzgesetzverletzungen aus § 823 Abs. 2 BGB ist eine umfassende Würdigung der in Betracht kommenden Norm innerhalb des Regelungszusammenhangs maßgeblich. Diese Würdigung wird kaum zur Annahme eines Individualschutzes der letztlich in Rede stehenden allgemeinen Verhaltenspflichten aus Art. 6 ff. EG-RatingVO führen. Wie bei Abschlussprüfung und Finanzanalyse werden Gerichte die Schutzgesetzeigenschaft aller Voraussicht nach verneinen.650 Ohnehin können die in Art. 6 ff. EGBGH, Urt. v. 22.6.2010 – VI ZR 212/09 (Phoenix), BGHZ 186, 58 Tz. 26 ff. m. w. N. Zum Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies der IOSCO statt vieler Schroeter Ratings, 2014, S. 898. 647 So die h. L., siehe MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 96 f.; GroßkommStaubHGB5Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 68. Für Schutzgesetzeigenschaft aber Doralt ZGR 2015, 266, 287; Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 304 (kapitalmarktrechtliches Sonderrechtsverhältnis; dazu oben Fn. 632 und umgebender Text). 648 Überzeugend FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 3; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 32 Rn. 13 f.; KapitalmarktrechtsKomm4-Fett § 34b WpHG Rn. 49 (anders noch Schwark Voraufl. Rn. 16); KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 293 ff.; Seibt ZGR 2006, 501, 528, jeweils m. w. N. Demgegenüber Schutzgesetzcharakter befürwortend Spindler NZG 2004, 1138, 1147; differenzierend Mülbert JZ 2002, 826, 836 f. (Schutzgesetzqualität der Sorgfalts-, nicht der Offenlegungspflichten) und Schlößer BKR 2003, 404, 409 (Schutzgesetzqualität des Zugänglichmachens). Zu weiteren Differenzierungen Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 216 ff., 225. 649 Dutta WM 2013, 1729, 1735 im Ergebnis aber zurückhaltend. Ablehnend KölnKommWpHG2-Möllers § 17 Rn. 33. 650 Im Ergebnis wie hier Dutta WM 2013, 1729, 1735; Haar NZG 2010, 1281, 1285; Wojcik NJW 2013, 2385, 2386. 645 646

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RatingVO geregelten Organisationspflichten ohne entsprechende Beweisregeln kaum eine Haftung hervorbringen. Selbst bei fehlerhafter Organisation kann ein im Ergebnis nicht zu beanstandendes Bonitätsurteil gegeben sein. Das gilt umso mehr bei Zulässigkeit des Nachweises eines rechtmäßigen Alternativerhaltens.651 Als Schutzgesetze verbleiben außerhalb des vom BGH durchweg verworfenen spezifischen Kapitalmarktverhaltensrechts verstreute strafrechtliche Verbote, die naturgemäß hohe Hürden stellen.652 Spezialtatbestände finden sich mit Blick auf die Abschlussprüfung etwa in den Tatbestandsalternativen des § 332 HGB.653 Solche und vergleichbare Regeln führen aber weder bei Abschlussprüfern noch bei anderen Intermediären zu einer merklichen Erweiterung der Haftung.654 An einzelnen Judikaten lässt sich zeigen, dass die Haftung des Prüfers für eine Verletzung seiner Berichtspflichten von der Rechtsprechung – möglicherweise nicht nur zur Vermeidung einer Auseinandersetzung mit der Spezialmaterie, sondern auch zur Systembildung – primär nach § 826 BGB beurteilt und bloß daneben auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 332 HGB gestützt wird.655 Jedenfalls im Ergebnis ist dies nicht zwingend zu kritisieren. c. Sittenwidrigkeit (§ 826 BGB) Die Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB wird allgemein zur Schließung von Lücken der Kapitalmarktinformationshaftung wie den aufgezeigten eingesetzt.656 Als Grundlage der Intermediärhaftung kommt sie maßgeblich aus drei Gründen in Betracht:657 Erstens ist das Erfordernis des Schädigungsvorsatzes der Sache nach auf Leichtfertigkeit abgesenkt, die nach der Rechtsprechung schon anzunehmen ist, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erkannt wurde. Dafür reicht, dass sich Zweifel an der Richtigkeit der Aussage aufdrängen mussten, weil sie ohne ausreichende Sachprüfung „ins Blaue hinein“ aufgestellt wurde. Zweitens muss sich der Schädigungsvorsatz nicht gegen eine bestimmte Person richten, so dass – anders als bei der vertragli651 So auch die Parallelwertung zu § 34b WpHG bei Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 244 ff., 246. 652 Zu den bei der Abschlussprüfung in Betracht kommenden Schutzgesetzen die Aufzählung bei MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 95. 653 Schutzgesetzcharakter allgemein anerkannt. Dazu und zu weiteren in Betracht kommenden Schutzgesetzen MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 95, 96 f. 654 Das dürfte auch für die Haftung der Finanzanalysten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 186 StGB gelten. Dazu Seibt ZGR 2006, 501, 537. 655 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 139/12, WM 2013, 689, Juris-Tz. 11, 14. Zur eher geringen Bedeutung des § 332 HGB GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 68. Zur Diskussion um den Verschuldensgrad Hoffmann / Knierim BB 2002, 2275, 2277. 656 Übergreifend MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 65: „ständiges Kommen und Gehen“ der Fallguppen. Siehe auch Casper BKR 2005, 83, 88. Zur Abschlussprüfung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 108. 657 Zum Folgenden MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 25 ff., 30.

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chen Haftung – auch anonyme Teilnehmer des Kapitalmarkts geschützt sind. Drittens reicht für die Vorstellung vom Schaden schon eine bloße Vermögensgefährdung, also die billigende Inkaufnahme, dass irgendein Investor ein hochriskantes Kapitalanlageprojekt erwirbt.658 Zum Dreh- und Angelpunkt einer Intermediärhaftung nach § 826 BGB wird damit das Merkmal der Sittenwidrigkeit, weil erst dieses die Abgrenzung der „erwünschten“, also durch faires Verhalten zugefügten Vermögensbeeinträchtigung, von der rechtswidrigen Schädigung ermöglicht. Die zum Schädigungsvorsatz eingeschlagene Linie der Rechtsprechung setzt sich auch hier, und zwar mit einem aus Sicht der Intermediärhaftung möglicherweise zukunftsfähigen berufsrechtlichem Einschlag fort: Die zur Sittenwidrigkeit führenden Umstände müssen zwar vom Vorsatz umfasst sein, es reicht aber aus, dass sich der Schädiger der Kenntnis dieser Umstände bewusst verschließt. Bei leichtfertiger und grober Verletzung von Berufspflichten ist diese Voraussetzung erfüllt.659 Erfahrungen mit dem Einsatz der Haftung aus § 826 BGB bestehen bislang nur in Bezug auf die Abschlussprüfung. In die kapitalmarktliche Primärmarkthaftung werden Garanten einbezogen, die kraft berufsmäßiger Sachkenntnis Vertrauen in Anspruch nehmen.660 Seit dem Grundsatzurteil des BGH von 1998 kommt eine Haftung des Abschlussprüfers aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Fällen in Betracht, in denen der Prüfbericht in den Prospekt aufgenommen wurde.661 Gleichwohl erwog der BGH im Jahr 2000 die Annahme eines sittenwidrigen Fehlverhaltens i. S. d. § 826 BGB. Danach handelt der an berufliche Sorgfaltspflichten gebundene Prüfer bereits dann leichtfertig, wenn er sich grob fahrlässig der Einsicht in die Unrichtigkeit seines Testats verschlossen hat.662 Im Prozess kommt es infolgedessen auf die Feststellung wesentlicher Lücken an, die redlicherweise hätten aufgedeckt werden müssen. Der HafBGH, Urt. v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, WM 1987, 257, Juris-Tz. 26 zur fortan für den Haftungsstandard herangezogenen Verantwortung des Steuerberaters, der sich bloß vorzustellen braucht, dass der testierte Abschluss bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwendet werden und diesen zu einer ihm nachteiligen Disposition veranlassen kann. 659 Beck OK BGB40-Spindler § 826 Rn. 33; MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 30; StaudingerBGB2014-Oechsler § 826 Rn. 61 ff. 660 MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 102. 661 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 9. Näher dazu 12. Kapitel: C.III.1.b (S. 487). 662 BGH, Urt. v. 26.9.2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, Juris-Tz. 55: „Voraussetzung für eine Haftung des Wirtschaftsprüfers aus § 826 BGB für Schäden, die daraus entstanden sind, daß ein Dritter auf die Richtigkeit eines von ihm erstellten, aber tatsächlich unrichtigen Testates vertraut hat, ist zunächst die Feststellung von Umständen, die das Verhalten des Wirtschaftsprüfers als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen. Die Vorlage eines fehlerhaften Testates allein reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß der Wirtschaftsprüfer leichtfertig bzw. gewissenlos gehandelt hat. […] Ein solches sittenwidriges Verhalten kann schon dann vorliegen, wenn der das Testat erteilende Wirtschaftsprüfer sich grob fahrlässig der Einsicht in die Unrichtigkeit seines Bestätigungsvermerkes verschließt.“ 658

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tungsstandard entspricht weitgehend der österreichischen Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die dort von manchen zumindest der Sache nach als eine objektiv-rechtliche Verankerung der Prüferpflichten eingeordnet wird.663 Im deutschen Recht dürfte § 826 BGB näher liegen. Für nach dem Zeitpunkt des Ersterwerbs liegende (De-)Investitionsentscheidungen lehnte der BGH im Jahr 2012 eine Haftung für ein fehlerhaftes Testat im Prospekt wegen fehlenden Kausalitätsnachweises ab. Beweiserleichterungen gewährte das Gericht in diesem (auf nichtbörsennotierte Finanztitel bezogenen) Fall wie bei der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen nicht, weil keine Erfahrungssätze dazu bestünden, auf welcher Grundlage sekundärmarktliche Entscheidungen getroffen werden.664 Diese Ansicht hielt der BGH im IKBUrteil von 2011 trotz erkannter Beweisnot für die Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens (für börsennotierte Titel) aufrecht.665 Zu einer auf § 826 BGB gestützten Verantwortung für Fehler der Jahresabschlussprüfung im sekundärmarktlichen Kontext bezog der BGH trotz aller in Richtung einer allgemeinen Dritthaftung reichenden Anlagen seiner Rechtsprechung bislang nur in Sonderkonstellationen Stellung. Im Jahr 2013 entschied der BGH, dass ein Abschlussprüfer, der auf Seminarveranstaltungen gegenüber Vertrieblern wider besseren Wissens für den Emittenten wirbt, seine Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten in besonders schwerwiegender und zur Deliktshaftung führenden Weise verletzt.666 Die Konstellation zeigt, dass bereits eine in der Ferne liegende, nach Information von Vertriebszweigen aber hochwahrscheinliche Schädigung Dritter bei einem funktionale Autorität beanspruchenden Informationsintermediär durchaus in Betracht kommt. Zum Anwendungsfall dieser Rechtsprechung könnten Analystenaussagen auf Werbeveranstaltungen des Emittenten (road shows) werden, nach derzeitigem Stand wahrscheinlich mit einem Abschlag der Haftungsgefahr wegen nicht vergleichbar verfestigter beruflicher Stellung.667 Durchgreifende Bedenken gegen eine Haftung von Intermediären, die sich nur schriftlich äußern, also etwa von Ratingagenturen, sind aus den bis hierhin beschriebenen Eckpunkten der Rechtsprechung aber nicht abzuleiten. Die Zurückhaltung gegenüber einer Haftung für fehlerhafte Sekundärmarktinformationen ist vor allem aus zwei spezifisch mit der Abschlussprüfung zusammenhängenden Überlegungen heraus zu erklären: Erstens kommt die Haftungsbegrenzung des § 323 Abs. 2 HGB nur bei einer auf den Prüfungsvertrag gestützten Schutzwirkung – nach allgemeiner Ansicht aber nicht bei der OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖZW 2002, 88. Grundlegend zur sowohl subjektiv- als auch objektivrechtlichen Natur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Österreich Bydlinski JBl 1960, 363. Zur Einordnung Doralt ZGR 2015, 266, 288; Schmaranzer Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 49 ff., 61. 664 BGH, Urt. v. 4.12.2012 – VI ZR 378/11, WM 2013, 306, Juris-Tz. 23. 665 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 61 ff. 666 BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, WM 2014, 17, Juris-Tz. 10. 667 Zum Stand der Diskussion KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 305. 663

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deliktischen Haftung – zur Anwendung.668 Zweitens bietet § 826 BGB – anders als die Haftung wegen einer vertraglichen Schutzwirkung zugunsten Dritter – jedenfalls auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH kaum eine Möglichkeit zur Begrenzung des Kreises der Ersatzberechtigten. Das dem Common Law bekannte Kriterium der Vorhersehbarkeit (foreseeability) ist im deutschen Recht nicht (jedenfalls nicht so) bekannt.669 Dass sich auch damit nicht zwingend ein Ausschluss der Dritthaftung für fahrlässige Fehlinformation (negligent misrepresentation) verbinden muss, zeigt allerdings der australische Fall Bathurst  670 von 2012 zum Rating. Aus Sicht einer im Sinne der privaten Marktzugangskontrolle leistungsfähigen Dritthaftung der Intermediäre wäre insbesondere die Verengung des Sittenwidrigkeitsverdikts allein auf Fälle des übersteigerten wirtschaftlichen Eigeninteresses an der konkreten Transaktion dysfunktional. Zwingend erforderlich ist das Eigeninteresse nach der Rechtsprechung ohnehin nicht.671 Bei der Beraterhaftung hat der BGH672 bereits eine Vermittlung von für den Anleger chancenlosen Termingeschäften als sittenwidrige Schädigung gewertet, weil die mit dem Abschluss verbundenen Gebühren und Aufschläge allein dem eigenen Vorteil des Vermittlers dienen.673 Für das (bloße) Gebühreninteresse der Informationsintermediäre kann nichts anderes gelten. Auf dieser Grundlage könnte § 826 BGB durchaus zur Umsetzung einer an die Verantwortung für die private Marktzugangskontrolle geknüpften Haftung einsetzbar sein. Der Nutzen der privaten Marktzugangskontrolle setzt gerade bei dem aus Sicht des Intermediärs im Vergleich zu Emittent oder dahinter stehenden Initiatoren einen kleineren wirtschaftlichen Ertrag an.674 Der kraft Unterstützung von vielen Transaktionsen diversifizierte Intermediär wäre ohne haftungsrechtliche Beteiligung an den sozialen Kosten seiner Fehlaussagen per se bessergestellt als die hinter dem Emittenten stehenden Gründer, deren Vermögen zu wesentlichen Teilen in der betreffenden Transaktion gebunden sein kann. Gerade in den schwerwiegenden Fällen gezielter Desinformation des Markts und Kollusion im Zusammenwirken mit den Organmitgliedern des Emittenten wäre 668 MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 132; MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 111; Seibt / Wollenschläger DB 2011, 1378, 1385, jeweils m. w. N. Gegen die Anwendung des § 323 Abs. 2 HGB auch auf die vertragliche Dritthaftung GroßkommStaubHGB5-Habersack /  Schürnbrand § 323 Rn. 61 wegen Beeinträchtigung des Haftungsfonds zulasten etwa von Konzerngesellschaften, allerdings unter Annahme einer eigenständigen Vertrauenshaftung. 669 Zum englischen Recht etwa Leyens / Magnus in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 417, 457. 670 Bathurst Regional Council v. Local Government Financial Services (No. 5), [2012] FCA 1200, 5.11.2012, Rn. 53 (Zusammenfassung). Abschließend ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014. Zur Einordnung 12. Kapitel: A.II.2 (S. 450 ff.). 671 MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 112; StaudingerBGB2014-Oechsler § 826 Rn. 223b. 672 BGH, Urt. v. 9.3.2010 – XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Tz. 26. 673 Beck OK BGB40-Spindler § 826 Rn. 68; MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 125. 674 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 67 ff. (1986).

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die unerlässliche haftungsrechtliche Steuerung der Informationsintermediäre bei Forderung eines wirtschaftlichen Eigeninteresses verstellt. In der übrigen Rechtsprechung zur Haftung der Organe, die ebenfalls ein regelmäßig bloß mittelbares Eigeninteresse haben, ist die Betonung des Kriteriums des Eigeninteresses rückläufig.675 Für die sekundärmarktliche Informationshaftung bieten zahlreiche Judikate Anlass dazu, bei der Haftung aus § 826 BGB nicht an das Eigeninteresse und stattdessen an die in Manipulationsabsicht vorgenommene Falschinformation anzuknüpfen.676 Im Ergebnis sind von der Haftung aus § 826 BGB unter gröblicher Verletzung der für die Ausübung der Intermediationstätigkeit üblichen Verhaltensweisen veröffentlichte Prüfungsergebnisse oder Beurteilungen zu erfassen. Erforderlich ist dazu allerdings eine hinreichende Verfestigung der Pflichtenstellungen, die letztlich nur über berufsrechtliche und regulatorische Vorgaben zu leisten ist. Wie sich in der Zurückhaltung des BGH gegenüber der sekundärmarktlichen Haftung des Abschlussprüfers für fehlerhafte Pflichtprüfungen andeutet, sind es vor allem die Folgefragen der Haftung aus § 826 BGB, die die Regelsetzungsdiskussion zu beschäftigen haben. Die vorsätzlich widerrechtliche Schädigung führt nach § 103 VVG zum Ausschluss des Versicherungsschutzes. Gegen eine unbegrenzte Dritthaftung der Informationsintermediäre ist bei im eigentlichen Sinne vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nichts einzuwenden. Nach den vom BGH unter dem Blickwinkel der berufsrechtlichen Stellung vorgenommenen Aufweichungen der Anforderungen an Vorsatz und Sittenwidrigkeit droht demgegenüber eine unbegrenzte Einstandspflicht für letztlich fahrlässig herbeigeführte Vermögensschäden und im Ergebnis eine Übermaßhaftung.677 Aufzufangen ist dies durch Haftungsbegrenzungen. Der Durchschlag der in Betracht kommenden Haftungshöchstsummen auf das Deliktsrecht ist bei vertraglichen Vereinbarungen aber nicht sicher, jedenfalls dann nicht, wenn Geltungsanordnungen wie nach englischem Recht zur Abschlussprüferhaftung oder nach europäischem Recht zum Rating fehlen.678 Trotz aller prinzipiell zur Steuerung des Verhaltens der Intermediäre als private Kontrolleure des Marktzugangs geeigneten Anlagen in der Rechtsprechung des BGH ist auch eine auf § 826 BGB gestützte Haftung ohne gesetzgeberische Ausformung unvollständig.

D. Schaden, Kausalität, Beweislast Eine aus Sicht der Marktzugangskontrolle leistungsfähige Haftung der Informationsintermediäre muss auf ausgewogene Regeln zum ersatzfähigen Schaden,679 675 676 677 678

Aus der aktuellen Diskussion vor allem Bachmann Gutachten E, 70. DJT 2014, S. E116. Überblick bei Bachmann JZ 2012, 578, 579. Näher 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419). Im Einzelnen 12. Kapitel: E.I, II (S. 527 ff., 533).

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zur Kausalität680 und Beweislast bauen.681 Die damit zusammenhängenden Fragen sind eng miteinander verwoben.682 Möglichen Haftungsfällen liegt bei sämtlichen hier behandelten Intermediationsleistungen ein funktional vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, der durch eine Beeinträchtigung der Informationsintegrität des Markts und nur im Ausnahmefall durch eine direkte Beeinflussung des einzelnen Anlegers gekennzeichnet ist. Nur für die Fälle der direkten Beeinflussung deutet sich in der Rechtsprechung ein Gleichlauf von allgemeiner und spezialgesetzlicher Kapitalmarktinformationshaftung etwa nach §§ 37b, 37c WpHG an.683 Das vom BGH verstärkt seit Niedergang des Neuen Markts in mehrere Richtungen ausgebaute Gebäude der Kapitalmarktinformationshaftung wird sich kaum ohne Eingreifen des Gesetzgebers entkernen lassen. Der vielerorts vernehmbare Ruf nach einer gesetzgeberischen Klärung ist mit dem Verzicht auf die Umsetzung des DiskE-KapInHaG von 2004684 keineswegs vollständig verhallt. Bei fortbestehender Unsicherheit der Handelnden erwiese sich die Abstinenz des Regelgebers tendenziell als schädlich. Die für Stand und Ausformungschancen maßgeblichen Judikate und Erträge der Diskussion beziehen sich vorwiegend auf die Emittenten- und Organhaftung. Orientierung für Einschätzungen zu möglichen Justierungen der Intermediärhaftung bietet vor allem das IKB-Urteil685 des XI. Zivilsenats des BGH von 2011.

I. Kursdifferenzschaden Verletzungen kapitalmarktbezogener Informationspflichten schlagen sich zumeist als Kursdifferenzschaden nieder.686 Nach ständiger Rechtsprechung ermöglicht der Grundsatz der Naturalrestitution aus § 249 BGB je nach Schutzgut der verletzten Norm aber auch den Ersatz des Vertragsabschlussschadens, verpflichtet also Zug um Zug gegen Übereignung der erworbenen Finanztitel zur Erstattung des Kaufpreises. Bei der vertraglichen Beraterhaftung erkennt der XI. Zivilsenat des BGH nur dann eine zur Rückabwicklung verpflichtende Verletzung der Willensfreiheit, wenn eine umfassende Beratung und Aufklärung über alle in Betracht kommenden Umstände geschuldet ist.687 Hinsichtlich der Emittentenhaftung wegen Verletzung der Pflichten aus §§ 37b, 37c WpHG im Abschn. I. Abschn. II (S. 517). 681 Abschn. III (S. 520). 682 Zusammenführung wie hier bei Hopt WM 2013, 101, 106. 683 Hopt WM 2013, 101, 107. 684 Abgedr. in NZG 2004, 2042, 1050. Dazu Kollmann AG 2004, R463. 685 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90. Dazu im Folgenden. 686 Neuerdings unterscheidet auch der BGH zwischen Kursdifferenz- und Vertragsabschlussschaden, statt Letzteren als Naturalrestitution zu bezeichnen. Dies begrüßend Klöhn AG 2012, 345, 352. 687 BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 300/90, BGHZ 116, 209, Juris-Tz. 15. 679 680

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Zusammenhang mit Ad-hoc-Mitteilungen hielt er im IKB-Urteil von 2011 trotz der auf kursrelevante Informationen beschränkten Publizitätspflicht eine Rückabwicklung für möglich.688 Die zuvor maßgeblich durch den II. Senat ausgeformte Rechtsprechung zur Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung wurde unter Rückgriff auf ein (möglicherweise nur vermeintlich) in § 249 BGB angelegtes Regel- und Ausnahmeverhältnis gestützt: Einschränkungen der Naturalrestitution müssen von einem erkennbaren Willen des Gesetzgebers getragen sein, der bei §§ 37b, 37c WpHG nicht eindeutig zu ermitteln ist.689 1. Vertragsabschluss- und Kursdifferenzschaden Nach Einschätzung der Literatur werden hierdurch tieferliegende Probleme der Kapitalmarktinformationshaftung „bagatellisiert“.690 Der Vertragsabschlussschaden verleiht der Ersatzpflicht gleichsam eine „Strafkomponente“,691 die dem Gedanken der Naturalrestitution so nicht zu entnehmen ist. Während der Kursdifferenzschaden692 dem Geschädigten einen Ausgleich für den durch Fehlinformation bedingten Minderwert des erworbenen Titels bietet und unbestritten ersatzfähig ist, hat der Schädiger bei Verpflichtung auf den Ersatz des Vertragsabschlussschadens auch für zwischenzeitlich und ohne jeden Zusammenhang zur Verletzung seiner Informationspflicht entstandene Kursrückgänge aufzukommen. Er haftet gegebenenfalls also nicht nur für eine bloß marginal wertbeeinträchtigende Überteuerung des Titels zum Zeitpunkt des Erwerbs, sondern bis hin zu den Kosten eines Komplettverlusts. Das führt umstrittenermaßen zu einer Versicherung gegen Marktschwankungsrisiken.693 Mit der von § 249 BGB bezweckten Versetzung in den Stand, der ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses gegeben wäre, hat dies jedenfalls aus Sicht des Vermögensvergleichs vor und nach Ereigniseintritt nichts zu tun. Mit der Rechtsprechung des XI. Senats, nach der das allgemeine Marktrisiko BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 51. BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 55 („bestenfalls ambivalent“). I.E. zustimmend Bachmann JZ 2012, 578, 581; Seibt EWiR 2012, 159, 160. 690 Hopt WM 2013, 101, 108. 691 Schäfer in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 17 Rn. 26 zu §§ 37b, 37c WpHG. 692 Der Kursdifferenzschaden errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen tatsächlich Bezahltem oder Erlöstem und dem Preis, der bei Hinwegdenken der Informationspflichtverletzung zum Transaktionszeitpunkt gezahlt oder erlöst worden wäre; KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 368. 693 Statt vieler Wagner ZGR 2008, 495, 512. Ablehnend KölnKommWpHG2-Möllers /  Leisch §§ 37b, 37c Rn. 296, die das Problem durchaus sehen, aber die häufig gewählte Terminologie für „schief“ halten, weil es sich nicht um ein „allgemeines Lebensrisiko“, sondern um einen konkret verursachten Schaden und auch nicht um einen „Versicherer“, sondern den verursachenden Schädiger handelt. 688 689

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

beim Informationsempfänger verbleiben soll,694 ist das Haftungsergebnis kaum in Einklang zu bringen.695 In der Literatur wird deshalb für die Intermediärhaftung überzeugend eine Beschränkung auf den Kursdifferenzschaden erwogen.696 Andere wollen eine Abwälzung des Verlustrisikos aus einer Alternativinvestition auf den Schädiger vermeiden, indem sie die hypothetischen Verluste im Wege der Vorteilsanrechnung aus dem Vertragsabschlussschaden herausrechnen (Begrenzung auf das Alternativinteresse).697 Den Beweis der Reserveursache werden gelegentlich am Kapitalmarkt investierende Anleger praktisch nicht und auch professionelle Anleger wohl nur selten führen können.698 Insoweit kommt in Bezug auf die Haftung der Ratingagenturen neuerdings hinzu, dass sich selbst institutionelle Anleger nicht mehr allein auf die Befolgung ihrer Anlageleitlinien berufen können, weil sie nach Art. 35a i. V. m. Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO – nicht ohne Widerspruch – eigene Vorstellungen von der Bonität des Emittenten zu entwickeln haben, wollen sie sich auf ein externes Rating vernünftigerweise verlassen dürfen.699 Angesichts der noch zu besprechenden beweisrechtlichen Hürden bei der deliktsrechtlichen Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens werden sich die mit dem vernünftigen Verlassen verbundenen und komplexen Darlegungsfragen allerdings ohnehin nur selten stellen. Die volkswirtschaftlichen Ergebnisse einer über den Kursdifferenzschaden hinausgehenden Haftung reichen allerdings weiter. Zum Ersatz des Vertragsabschlussschadens ist, wie im Folgeabschnitt zu besprechen, eine Beeinträchtigung der Willensfreiheit darzulegen und in aller Regel zu beweisen. Möglich ist der Beweis nur bei individuellen Informationsanstrengungen, deren (unproduktive) Kosten im Wege der Informationsintermediation gerade unterbunden werden könnten und sollten.700 Zwar wird zu Recht bezweifelt, dass Privatanleger morgens, bei der Arbeit und am besten auch danach701 Kapitalmarktinformationen

694 BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 300/90, BGHZ 116, 209, Juris-Tz. 19: „Wird der Zustand hergestellt, auf dessen Bestehen (der Informationsempfänger) vertraut hat, so ist das Risiko, das er mit der Einholung der Auskunft vermeiden wollte, ausgeräumt und seinem Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm erteilten Auskunft in vollem Umfang Rechnung getragen. Die sonstigen Risiken […] müssen bei ihm verbleiben“, Klammerzusatz hinzugefügt. 695 Klöhn AG 2012, 345, 354. 696 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 495. 697 KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 306, 312, 368. 698 KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 314. 699 Schroeter Ratings, 2014, S. 951. 700 Parallel zu den unproduktiven Kosten aus der Kenntnisnahme von Ad-hoc-Mitteilungen Klöhn AG 2012, 345, 355. 701 Angelehnt an die Beweisaufnahme im Fall ComROAD IV, die ergab, dass der geschädigte Anleger „ständig die Ad-hoc-Mitteilungen studiert (hatte), morgens aus der Zeitung und dann aus dem Internet im Büro und abends auch noch“, Klammerzusatz hinzugefügt; BGH, Urteil v. 4.6.2007 – II ZR 147/05, WM 2007, 1557, Juris-Tz. 22. Kritisch Wagner ZGR 2008, 495, 528 f. Siehe auch Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 704.

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studieren werden.702 Professionellen, insbesondere institutionellen Investoren können solche (unproduktiven) Kosten aber durchaus entstehen, weil bei der Bestimmung des Eigenaufwands der Informationssuche auch der Versicherungseffekt aus der Ersatzfähigkeit des Vertragsabschlussschadens einbezogen werden wird.703 2. Zwei-Personen- und Marktverhältnis Hieran wird ein allgemeines Problem des auf den Informationsaustausch im Zwei-Personen-Verhältnis zugeschnittenen (und dort richtigen) Ansatzes der Rechtsprechung deutlich: Die im Marktverhältnis, zumeist ohne jegliche Eigenbeteiligung der Informationsgeber und ohne Kenntnisnahme durch den einzelnen Erwerber, also letztlich allein mit Wirkung auf die Preisbildung erbrachten Intermediationsleistungen vermögen nur dann einen Mehrwert zu schaffen, wenn auch das sie umgebende Haftungsrecht am Prinzip der günstigsten Kostenvermeidung (cheapest cost avoider) ausgerichtet ist.704 Ersatzpflichten, die über Verstöße gegen die hieran auszurichtenden Pflichten hinausgehen und zu Versicherungseffekten führen, sind damit nicht vereinbar. Das zur Begrenzung der Ersatzpflicht auf den Kursdifferenzschaden in Betracht kommende Lösungsspektrum ist rechtsvergleichend erschlossen:705 In Österreich wird vergleichbar zur diskutierten Begrenzung auf das Alternativinteresse überlegt, diejenigen Schadensanteile herauszurechnen, die nicht auf der Fehlinformation beruhen, dies allerdings mit gewissen Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung.706 Im Vereinigten Königreich verlässt man sich auf die richterliche Beurteilung dazu, ob der Anspruch auf Rückgängigmachung der Transaktion (rescission) zu übermäßiger Haftung führt.707 Zu dem für eine Optimierung der Sorgfaltsanreize des Intermediärs zentralen Ziel der Bestimmbarkeit der Haftungsgefahren trägt die Überantwortung der Beurteilung einer typischerweise, also nicht nur im Einzelfall auftretenden Frage an die Gerichte bestenfalls mittelfristig bei. In der Zwischenzeit entstehen vermeidbare Ressourcenschäden. Bachmann JZ 2012, 578, 582. Insoweit zutreffend Hellgardt DB 2012, 673, 677. 704 Wagner ZGR 2008, 495, 529 f. Eingehend Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 110, 200 ff., 228. 705 Überblick bei Hopt WM 2013, 101, 107 m. w. N. zum hier Folgenden. 706 OGH, Entscheidung v. 15.3.2012 – 6 Ob 28/12d, GesRZ 2012, 252, Tz. 9.1 f., 10.1 f. 707 The Financial Services and Markets Act 2000 (Liability of Issuers) Regulations 2010, S.I. 1192, 7.4.2010, schedule 10A section 3(4). Dazu HM Treasury, Extension of the statutory regime for issuer liability, a response to consultation, März 2010, Ziff. 8.10. Vorausgegangen war die Davies Review of Issuer Liability, Final Report, Juni 2007. Zum Ganzen Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 2539. Grundlagen zur Vertragsauflösung (rescission) nach englischem Recht bei Leyens / Magnus in: Hopt / Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 417, 438. 702 703

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3. Begrenzung auf den Kursdifferenzschaden Für das deutsche Recht wird eine Rückführung auf den Kursdifferenzschaden de lege lata von manchen als bloße rechtsökonomische petitio principii708 abgetan. Bereits in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB findet sich jedoch eine dahingehende Beschränkung der Naturalrestitution.709 Die Wiederherstellung scheidet hiernach unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer schadensersatzrechtlichen Bereicherung (also nicht erst im Wege der Vorteilsausgleichung)710 aus, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Gegenüber Ansätzen, die nach dem jeweiligen Schutzgut der mal allgemeinzivilrechtlichen, mal spezialgesetzlichen Grundlage der Intermediärhaftung unterscheiden wollen, erscheint die an § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB anknüpfende Bewältigung der Probleme bei der Bestimmung des Kompensationsumfangs vorzugswürdig.711 Wie die fortdauernde Diskussion um die Schutzgesetzeigenschaft der per se sowohl individual- als auch funktionsschützenden Normen des Kapitalmarktverhaltensrechts belegt, hinge die Ersatzfähigkeit von entweder Vertragsabschluss- oder Kursdifferenzschaden anderenfalls von Einzelwertungen des Gesetzgebers ab, die trotz hinreichenden Entwicklungsstands der Theorie entweder gar nicht getroffen werden oder schwer zu belegen sind. Es verbleiben die bekannten Probleme bei der Bestimmung der Kursdifferenz. Im IKB-Urteil hat der XI. Senat die bisherige Rechtsprechung bekräftigt, nach der die Ermittlung des Kursdifferenzschadens im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO erfolgt.712 Dazu stehen die auch von US-amerikanischen Gerichten verwendeten Ereignisstudien (event studies)713 zur Verfügung.714 Die Diskussion um Methodenverbesserungen ist im Fluss.715 Vor allem geht es darum, den Beobachtungszeitraum (event window) sinnvoll einzugrenzen, was bei erst langsam aufgedeckten Informationsfehlern zu Problemen führen kann. Außerdem müssen die beobachteten Werte um sonstige Kurseinflüsse bereinigt werden, was nicht zuletzt Grundsatzproblem der empirischen Kapitalmarktforschung ist.716 Über Berechnungsmethoden, mögliche Pauschalierungen und KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 291. Wagner ZGR 2008, 495, 514. 710 So aber KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 313. 711 Hopt / Voigt in: dies. (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 133 wollen den Vertragsabschlussschaden nur dann nicht gewähren, wenn die betreffende Haftungsnorm primär der Preisbildung dient. 712 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 68. Befürwortend Bachmann JZ 2012, 578, 581. 713 Zur Einordnung die Einführung zum 7. Kapitel (S. 177). 714 Instruktive Darstellung bei KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 313. Umfassend Bhagat / Romano 4 Am. L. Econ. Rev. 141 und 380 (2002), zweiteilig. 715 Übergreifend Hopt WM 2013, 101, 107. 716 Zur Empirik 7. Kapitel: A (S. 178 ff.). 708 709

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Korrekturen etwa bei illiquiden Märkten wird weiter zu diskutieren sein.717 Insoweit bestehen keine Unterschiede zur stets notwendigen Fortentwicklung der Methoden anderer Sachverständiger.

II. Preiskausalität Bislang forderte der II. Zivilsenat des BGH in Fällen kapitalmarktbezogener Informationspflichtverletzungen stets einen Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der individuellen Entscheidung zum Erwerb oder Nichterwerb (Transaktionskausalität).718 Soweit der Ersatz des Vertragsabschlussschadens überhaupt in Betracht gezogen wird, ist dies konsequent, führt allerdings im Ergebnis zu kaum überwindbaren Beweishürden, die der Dritthaftung bei fehlender Anerkennung von Beweiserleichterungen die Steuerungswirkung entziehen.719 1. Preisbeeinträchtigung statt Vertrauensverletzung Soweit richtigerweise allein der Kursdifferenzschaden für ersatzfähig gehalten wird, kommt es der früheren Rechtsprechung entgegen nicht auf die Beeinträchtigung der Willensfreiheit, sondern die Beeinflussung des Kurses an (Preiskausalität).720 Dem schloss sich der XI. Senat im IKB-Urteil von 2011 an und forderte für den Ersatz des Kursdifferenzschadens allein den Nachweis der Kausalität zwischen Informationspflichtverletzung und Kurswert.721 Von einer Vorlage an 717 Nach dem KapInHaG-DiskE (§ 37c Abs. 4 Satz l WpHG-E) sollte die Schadenspauschalierung aus der Differenz zwischen dem Kauf- oder Verkaufspreis und dem durchschnittlichen gewichteten Börsenpreis während der ersten 30 Tage nach dem öffentlichen Bekanntwerden der wahren Umstände ermittelt werden; abgedr. in NZG 2004, 2042, 1050. Zur Kritik und mit eigenem Vorschlag Schäfer / Weber / Wolf ZIP 2008, 197, 203, die den über 10 Handelstage (2 Wochen) gemittelten Börsenpreis vor Bekanntwerden der Fehlinformation und den über 10 Handelstage (2 Wochen) gemittelten Börsenpreis nach vollständiger Aufklärung des Markts zugrunde legen wollen. Ähnlich MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 114 sowie ders. ZGR 2008, 495, 524 ff., der den prozentualen Mittelwert zwischen dem Kurssprung nach Veröffentlichung und dem Kursrutsch nach Aufdeckung der Wahrheit für näherungsweise richtiger befindet. 718 Siehe etwa BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 (Infomatec), BGHZ 160, 134, Juris-Tz. 13 und BGH, Beschl. v. 28.11.2005 – II ZR 246/04, WM 2007, 684, Juris-Tz. 8, beide zu unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen. 719 Zur Beweislast 12. Kapitel: D.III (S. 520). 720 So die überwiegende Ansicht in der Literatur: KapitalmarktrechtsKomm4-Grotheer §§ 37b, 37c Rn. 90; KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 477 f.; Schäfer in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 17 Rn. 28 (letztere beiden bereits unter Berücksichtigung des IKB-Urteils). Rechtsvergleichend Hopt / Voigt in: dies. (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 133 f. Siehe weiter Fleischer BB 2002, 1869, 1874; Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 495 (zum Rating). 721 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 67.

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den Großen Senat wurde abgesehen, eine grundsätzliche Abweichung von der Rechtsprechung des II. Senats war also offenbar nicht bezweckt. Die Deutungen in der Literatur gehen vor diesem Hintergrund, aber auch deshalb auseinander, weil der Entscheidung der eher selten gerichtlich zu behandelnde Fall nicht einer fehlerhaften, sondern einer unterlassenen Ad-hocMeldung zugrunde lag. Die hierfür vorgesehene Haftung aus § 37b WpHG setzt anders als die für unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen aus § 37c Abs. 1 WpHG jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut kein individuelles Anlegervertrauen voraus.722 Die Auswahl der vom XI. Senat herangezogenen Literatur723 legt nahe, dass für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens auf ein Vertrauenserfordernis verzichtet wird und der erforderliche Kausalzusammenhang bereits bei Preisbeeinträchtigung gegeben ist.724 Auf die tatsächliche Kenntnisnahme der Fehlinformation kommt es hiernach nicht an, ebenso wenig auf eine Beeinflussung der Anlageentscheidung. Nicht zweifelsfrei zu beurteilen ist, ob diese Überlegungen nur für Pflichtverletzungen des Emittenten im Zusammenhang mit unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen gelten oder ob eine die allgemein-deliktische Kapitalmarktinformationshaftung bestimmende Grundsatzentscheidung getroffen ist.725 2. Folgen für die Kausalitätskette (fraud on the market theory) Weitergehende Deutungen der Rechtsprechung des XI. Senats erkennen eine Hinwendung zur US-amerikanischen fraud on the market theory, die noch der II. Senat726 zur Vermeidung einer uferlosen Haftung explizit abgelehnt hatte.727 Nach der US-amerikanischen Rechtsprechung im Fall Basic v. Levinson von 1988 bleibt es zwar beim Vertrauenserfordernis, jedoch genügt ein abstraktinstitutionelles Vertrauen in die Richtigkeit der Preisbildung. Bereits dies müsste

Darin kann ein Redaktionsversehen oder auch die Anordnung zusätzlicher Voraussetzungen für die Geltendmachung des negativen Interesses, also des Vertragsabschlussschadens liegen. Für Ersteres Maier-Reimer / Webering WM 2002, 1857, 1861, für Letzteres KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 272. 723 Siehe die Hinweise in BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 67 auf KölnKommWpHG-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 356 (aktuell: 2. Aufl., 2014, Rn. 368 ff., 383) und Assmann / SchneiderWpHG5-Sethe §§ 37b, 37c Rn. 83 (aktuell: 6. Aufl., 2012, Rn. 88). 724 Klöhn AG 2012, 345, 357. 725 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 495 (nur für die spezialgesetzliche Kapitalmarkthaftung nach §§ 37b, 37c WpHG). Zurückhaltend auch Hopt WM 2013, 101, 107 f. Zu den beweisrechtlichen Folgewirkungen unten 12. Kapitel: D.III (S. 520). 726 BGH, Urt. v. 3.3.2008 – II ZR 310/06, WM 2008, 790, Juris-Tz. 16 und BGH, Beschl. v. 28.11.2005 – II ZR 80/04, WM 2007, 683, Juris-Tz. 11 (beide zu ComROAD). 727 Bachmann JZ 2012, 578, 581; Haar 25 EBLR 315, 319 (2014). Abwägend Klöhn AG 2012, 345, 356. 722

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zu erheblichen Folgen bei der Beweislastverteilung etwa auch im Rahmen von Art. 35a EG-RatingVO führen.728 Die 2014 ergangene zweite Entscheidung zu Halliburton v. Erica P. John Fund (Halliburton II) 729 wird als Übergang auf ein noch weitergehendes Konzept der Preiskausalität gewertet, nach dem das Vertrauenserfordernis letztlich (faktisch) entbehrlich wird.730 Die große Bedeutung der Halliburton II-Entscheidung für die US-amerikanische Kapitalmarktinformationshaftung erschließt sich erst unter Berücksichtigung der erleichterten Chancen der von potentiell Haftungsverantwortlichen gefürchteten Sammelklagen, ist also in den USA nicht zuletzt zivilprozessualen Ursprungs.731 Materiellrechtlich hätte der Einsatz der durch Basic begründeten und durch Halliburton II fortentwickelten fraud on the market theory für das deutsche Recht der Kapitalmarktinformationshaftung zur Folge, dass die Kausalität letztlich nur bei nachweislich ineffizienten Märkten entfiele.732 Die Diskussion ist weiterhin im Fluss. Angesichts bloßer Ergebnisnähe der Rechtsprechung des XI. Senats des BGH zu den in Basic v. Levinson angelegten Grundsätzen von einem Rechtsimplantat zu sprechen, ginge aber wohl zu weit.733 Im US-amerikanischen Recht dient die fraud on the market theory734 materiellrechtlich dazu, das nach SEC rule 10b-5 haftungsbegründende Erfordernis des Anlegervertrauens (reliance) handhabbar zu machen.735 Ein solches Vertrauenserfordernis besteht bei der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens nach deutschem Recht nicht.736 Auch die Nennung des Vertrauenserfordernisses in § 37c WpHG bezieht sich nach Meinung mancher nur auf die Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens, also den Ersatz des negativen Interesses. Die Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens setzt nach allgemeiner Regel den Beleg einer Beeinträchtigung der Willensentscheidung durch die Fehlinformation voraus.737

Dazu 12. Kapitel: D.III (S. 520). Halliburton v. Erica P. John Fund (Halliburton II) 134 S. Ct. 2398 (2014), auch in: AG 2014, 828. 730 Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 690. 731 Nach Halliburton II kann die Vermutung der Preiskausalität schon im Klagezulassungsverfahren (class certification stage) widerlegt werden. Näher Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 687. 732 Siehe bereits Klöhn AG 2012, 345, 356. 733 Abwägend Klöhn AG 2012, 345, 356 f. 734 Grundlegend Basic Inc. v. Levinson 485 US 224, 244, 247 (1988). Zu der durch Erica P. John Fund v. Halliburton (Halliburton I) 131 S. Ct. 2179 (2011) ausgelösten Debatte um mögliche Neuorientierungen, zu denen es aber nicht kam, Bebchuk / Ferrell 69 Bus. L. 671 (2014). 735 Näher Veil ZHR 167 (2003) 365, 375 ff. Eingehend Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 94. 736 KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 358. 737 So KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 272. 728 729

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Zur Begründung dieses Ursachenzusammenhangs ist die fraud on the market theory weder erdacht noch geeignet. Ihr theoretisches Fundament bleibt die Kapitalmarkteffizienzhypothese.738 Nach dem in der Entscheidung Halliburton II aufrecht erhaltenen Grundverständnis fließen jedenfalls öffentlich verfügbare Informationen in die Preisbildung ein. Fehlinformationen täuschen den Markt, nicht notwendig auch den einzelnen Anleger. Geschützt wird also nicht das Vertrauen des Anlegers in eine bestimmte Aussage (fraud on the investor), sondern in die Informationsintegrität des Markts (fraud on the market).739 3. Informationsintegrität als Schutzgut Unabhängig von der dogmatischen Einpassung erweisen sich an diesem Verständnis ausgerichtete Konzeptionen als (einzig) tragfähig für die Haftung der Informationsintermediäre. Ein Schutz vor ausufernden Haftungsgefahren ist deshalb nicht auf für das Marktverhältnis von vornherein unpassende Kriterien des Zwei-Personen-Verhältnisses zu stützen, sondern an dem Einfluss auf die Informationsintegrität auszurichten. Wird der Haftungsumfang hiernach auf den Kursdifferenzschaden begrenzt, sind auch die Haftungsrisiken deutlich überschaubarer als bei Ersatz des Vertragsabschlussschadens. Die damit verbundenen Probleme zielgenauer Haftungsbegrenzungen sind noch zu besprechen.740

III. Beweislast Die Anforderungen an die Beweisführung sind für die private Rechtsdurchsetzung entscheidend. Bei der vertraglichen Haftung gegenüber dem Auftraggeber und der Haftung gegenüber Dritten auf Grundlage der an Rat und Empfehlung angelehnten Haftung aus culpa in contrahendo oder aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gilt für das Vertretenmüssen die Beweislastumkehr aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wie bei der deliktsrechtlichen Informationshaftung aus § 826 BGB sind aber Pflichtverletzung und kausaler Schaden zu beweisen, bei § 826 BGB zusätzlich der Vorsatz des Schädigers, an den die Rechtsprechung zumindest bei groben Informationspflichtverletzungen keine unerfüllbaren Anforderungen stellt.741 Die größte Hürde stellt in allen Fällen der Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden dar. Bei der deliktischen Kapitalmarktinformationshaftung besteht diese Hürde, wie besprochen, wenn außerhalb der Emittentenhaftung nach § 37b WpHG von der Rechtsprechung auch weiterhin Im Einzelnen 6. Kapitel: A.I (S. 148). Aus jüngerer Zeit zum US-amerikanischen Recht Grundfest 69 Bus. Law. 307 (2014); Cox 66 Vand. L. Rev. 1719, 1737 (2013). Aus europäischer Sicht de Jong ECFR 2011, 352; Hopt WM 2013, 101, 107. 740 Dazu 12. Kapitel: E (S. 526). 741 Dazu 12. Kapitel: C.III.2.c (S. 507). 738 739

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die Transaktionskausalität gefordert werden sollte.742 Bei der vertraglichen Haftung verbinden sich vergleichbare Probleme mit dem Nachweis eines Näheverhältnisses, das zur Annahme einer vertraglichen Schutzwirkung oder der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens erforderlich ist.743 Eine an die zivilrechtliche Prospekthaftung i. e. S. angelehnte Haftung für die Verletzung typisierten Vertrauens würde diese Probleme vermeiden.744 Ihr Ausbau zur allgemeinen Kapitalmarktinformations- und Intermediärhaftung ist aber kaum zu erwarten. Greifbarer ist vor dem Hintergrund der IKB-Rechtsprechung des XI. Senats eine auf den Kursdifferenzschaden beschränkte Haftung aus § 826 BGB, bei der die Preis-, nicht aber die Willensbeeinflussung nachzuweisen ist.745 Die im Folgenden zu diskutierenden, auf die Transaktionskausalität zugeschnittenen Beweiserleichterungen wären dann entbehrlich. Ob und auf welche Weise es zu einem Paradigmenwechsel kommen kann, ist angesichts der Zersplitterung der Intermediärhaftung zwischen Vertrags- und Deliktsrecht kaum abzusehen. 1. Kausalitätsnachweis (Anscheinsbeweis) Noch Ende 2012 lehnte der VI. Zivilsenat des BGH in Bezug auf die Dritthaftung des Abschlussprüfers aus § 826 BGB für einen fehlerhaften Bestätigungsvermerk jegliche Beweiserleichterung ab.746 Allerdings war der Vertragsabschlussschaden geltend gemacht worden, konkret die Erstattung des Erwerbspreises Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen die zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung. Bereits in seinem ein Jahr zuvor ergangenen IKB-Urteil hatte der XI. Senat offen ausgesprochen, dass dem Anleger der ihm „obliegende Beweis der Ursächlichkeit unrichtiger Publizität für die von ihm getroffene Anlageentscheidung nahezu unmöglich ist“.747 Die Gründe für eine Ablehnung von Beweiserleichterungen bei Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens sind wie folgt zusammenzufassen:748 Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, nach der dem Informationsgeber die Beweislast dafür zufällt, dass es auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten zum Schaden gekommen wäre, kommt nur bei einer auf die Konkretisierung zur bestimmten Anlageentscheidung gerichteten InformatiDazu 12. Kapitel: D.II (S. 517). Näher GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 58. Eingehend Kersting Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, 2006, S. 214, 231 ff., 234. 744 Im Einzelnen 12. Kapitel: C.III.1.a (S. 483). 745 In diese Richtung für Ratingagenturen Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 496. 746 BGH, Urt. v. 4.12.2012 – VI ZR 378/11, WM 2013, 306, Juris-Tz. 13 ff. 747 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 Tz. 61 ff., 63. Im Einzelnen 12. Kapitel: D.II (S. 517). 748 BGH, a. a. O. (Fn. 747), Tz. 63 f. zu Ad-hoc-Mitteilungen. Ebenso zum Rating Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 495. 742 743

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on in Betracht, an der es bei kursbeeinflussenden, aber eben nicht individualisierten Informationen fehlt.749 Eine Beweislastumkehr in Analogie zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung scheidet bei der Haftung nach §§ 37b, 37c WpHG mangels planwidriger Regelungslücke aus.750 Ein Anscheinsbeweis nach den Grundsätzen der Anlagestimmung kommt bei einzelnen Informationsfehlern nicht in Betracht, weil sich daran keine einzelfallbezogene konkrete Anlagestimmung festmachen lässt.751 Besonders die Ablehnung des Anscheinsbeweises muss auf Widerspruch stoßen. Für seine Anerkennung wird mittlerweile gestützt auf rechtsvergleichende Überlegungen offen eingetreten.752 Die bisherige Zurückhaltung des BGH ist letztlich nur daraus zu erklären, dass auch für den Ersatz des Kursdifferenzschadens die Informationsverarbeitung durch den einzelnen Anleger für maßgeblich gehalten wird (was aus praktischen Gründen fernliegend ist und die Gründe der wirtschaftlichen Existenz von Informationsintermediären außer Betracht lässt). Börsenkurse werden nicht durch den Kleinanleger, sondern durch Marktkräfte, also eine Vielzahl von Einzelentscheidungen bestimmt.753 Gewicht kommt vor allem dem Verhalten professioneller Investoren zu, das anders als das Verhalten des Kleinanlegers typisierbar ist.754 Die von professionellen, insbesondere institutionellen Investoren bewegten Vermögensmassen sind erheblich, nicht die von Kleinanlegern häufig zeitverzögert oder gar nicht angepassten Portfolios. In hinreichend effizienten Märkten fließen Informationen vor allem vermittelt über die Entscheidung professioneller Investoren in die Marktpreise ein. In der durch Halliburton II verfestigten (und verfeinerten) Rechtsprechung des US-amerikanischen Supreme Court von 2014 deutet sich ein Übergang auf das Konzept der Preiskausalität an. Nachzuweisen ist allein die Beeinflussung des Börsenkurses. Diese Rechtsprechung könnte wie schon die in der grundlegenden Entscheidung im Fall Basic v. Levinson Überlegungen zu einer Justierung der BGH, a. a. O. (Fn. 747), Tz. 62. BGH, a. a. O. (Fn. 747), Tz. 63. 751 BGH, a. a. O. (Fn. 747), Tz. 64. Kritisch Klöhn AG 2012, 345, 350, weil es nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des II. Senats auf die Würdigung des Einzelfalls ankomme. Auch der II. Senat hatte allerdings betont dass eine Anlagestimmung mangels allgemeiner Erfahrungssätze zu Investitionsentscheidungen nicht generell, sondern nur unter besonderen Umständen angenommen werden kann; BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 (Infomatec), BGHZ 160, 134, Juris-Tz. 42 unter Berufung auf Rützel AG 2003, 69, 74 und Rössner /  Bolkart WM 2003, 953, 956. 752 Eingehende Auseinandersetzung bei Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 711 ff. m. w. N. im Ergebnis wie im hier Folgenden. 753 Baums ZHR 167 (2003), 139, 183; Hopt / Voigt in: dies. (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 134 ff.; Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 697. 754 Nach BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 (Infomatec), BGHZ 160, 134, JurisTz. 42 ist eine Anlageentscheidung demgegenüber durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils spekulative Elemente beeinflusst, für die kein verfestigter Erfahrungssatz besteht. Wie hier Wagner ZGR 2008, 495, 529. 749 750

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Haftung von Informationsintermediären anleiten. Jedenfalls für die verfestigten Informationskanäle, zu denen die hier behandelten Intermediationsleistungen sämtlich zu zählen sind, sind geänderte Feinsteuerungen in Betracht zu ziehen. Im Ergebnis sollte gelten: Wenn es kurz nach Verbreitung der Information zu einer Kursbewegung kommt, muss das den Anschein einer Kursbeeinflussung durch diese Information begründen. Die Argumente sind insbesondere aus der Diskussion zu Ad-hoc-Mitteilungen bekannt, werden aber auch für neue Informationskanäle wie die Entsprechenserklärung zum DCGK aufgegriffen.755 Für die Informationsintermediäre des Kapitalmarkts beanspruchen die genannten Überlegungen umso mehr Geltung, weil die Leistungen ohne Regelerwartung einer Marktreaktion schlichtweg nicht absetzbar wären.756 Für den hierauf zu gründenden Erfahrungssatz kommt es nicht darauf an, ob die einzelne Leistung wie die Abschlussprüfung gesetzlich angeordnet ist, wie das Rating (bislang) aus regulatorischen Gründen erfolgt oder wie die Finanzanalyse aus faktischer Notwendigkeit beauftragt wird.757 Der Anschein entsteht allerdings von vornherein nur bei einer zeitnahen Kursbewegung, er ist etwa bei einer Vielzahl von simultan in den Markt fließenden und vergleichbar bedeutenden Informationen zu erschüttern und hat sich den abschließenden Ergebnissen einer Ereignisstudie zu stellen.758 2. Beweisnot („Berücksichtigung“, Art. 35a EG-RatingVO) Wenig wahrscheinlich ist, dass die 2013 eingeführte spezialgesetzliche Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen der Ratingagenturen zum Entwicklungstreiber der Nachweisproblematik wird.759 Die dort gegenüber dem Entwurfsstadium in deutlich abgemilderter Form aufgenommene Beweisregel des Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO verpflichtet die nationalen Gerichte immerhin, die Nachweisprobleme des Geschädigten zu „berücksichtigen“. Zugeschnitten ist diese Vorgabe auf den bei probabilistischen Aussagen regelmäßig schwer zu erbringenden Beleg einer Pflichtverletzung des Intermediärs.760 Im Zeichen des effet utile ist von der Rechtsprechung zwar ein Weg zu finden, der 755 Aus der Diskussion um Ad-hoc-Mitteilungen statt vieler Wagner ZGR 2008, 495, 530. Mit Blick auf die Entsprechenserklärung zum DCGK GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 593. Zum Ganzen Brellochs Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005, S. 283, 287; Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 542. 756 In diese Richtung Wagner ZGR 2008, 495, 530 m. w. N. 757 Anders Berger / Stemper WM 2010, 2289, 2294 (Rating ist keine Anlageempfehlung); Schroeter Ratings, 2014, S. 950 (zu Art. 35a EG-RatingVO). 758 Zum Erfordernis hinreichender Markteffizienz Klöhn ZHR 178 (2014) 671, 713. 759 Zurückhaltend auch Seibold Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht, 2016, S. 213 ff. Im Einzelnen zur Haftung aus Art. 35a EG-RatingVO 12. Kapitel: C.III.2.b (S. 497). 760 Erwägungsgrund 34 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

die europarechtliche Haftungsanordnung nicht leerlaufen lässt. Nur verlangt Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO vom Anleger den Nachweis, „dass er sich bei seiner Entscheidung […] auf dieses Rating verlassen hat“. Dies erinnert an das Vertrauensmerkmal des § 37c Abs. 1 WpHG, deutet also auf die an die Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens zu stellenden Anforderungen hin.761 Der neuerdings für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens nach § 37b WpHG anerkannte Nachweis allein der Preiskausalität ist durch den Wortlaut der Verordnung nicht zwingend verstellt. Konsequent wäre die Anerkennung der fraud on the market theory, die von US-amerikanischen Gerichten zur Überwindung der Anforderungen an das auch nach SEC rule 10b-5 geforderte Anlegervertrauen (reliance) im Wege der Annahme abstrakt-institutionellen Vertrauens in die Preiskausalität eingesetzt wird. Ein zu großer Schritt wäre das angesichts des IKB-Urteils sicher nicht, zwänge den BGH aber dazu, seine ausdrückliche Ablehnung der fraud on the market theory zurückzunehmen.762 Angesichts wachsender empirischer Vergewisserung der kapitalmarktlichen Preisbildungsprozesse ist dieser Weg nicht für alle Zeit verstellt.763 Aus Sicht der Rechtsprechung dürfte näher liegen, das Konzept der Preiskausalität im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens auszubauen. Wenn es nicht zu einer fortgesetzten Zersplitterung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung kommen soll, müsste dieser Weg für sämtliche der in ihren Wirkungen funktional vergleichbaren Intermediationsleistungen eingeschlagen werden. Zu unbilligen Ergebnissen oder uferloser Haftung muss dies nicht führen, zumal auch der Nachweis der Preiskausalität bei probabilistischen Aussagen wie Ratings und Finanzanalysen durchaus nicht leicht zu führen ist. Gelingt der Beweis der Pflichtverletzung etwa wegen Nichtberücksichtigung der für die jeweilige Intermediationsleistung maßgeblichen Daten, ist gegen die unbeschränkte Haftung allenfalls rechtspolitisch das Fehlen einer Haftungsbegrenzung einzuwenden, wie sie für in der Sache fahrlässig verursachte Schäden geboten sein kann.764 3. Darlegung (Erleichterungen?) Der Geschädigte hat bei probabilistischen Aussagen im Wesentlichen darzulegen, dass die prozeduralen Pflichten nicht eingehalten und die Grenzen der Vertretbarkeit überschritten sind.765 Insoweit gelten die allgemeinen Regeln. In den USA wurden die Darlegungsanforderungen durch den Dodd-Frank Act von 2010 speziell für die Haftung von Ratingagenturen abgesenkt.766 Neuerdings 761 762 763 764 765 766

Zu dieser Auslegung KölnKommWpHG2-Möllers / Leisch §§ 37b, 37c Rn. 272. Zum Stand der Rechtsprechung 12. Kapitel: D.II (S. 517). Zum Stand der Empirik 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180). Dazu 12. Kapitel: E (S. 526 ff.). Zum Pflichtenmaßstab 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419). Schroeter Ratings, 2014, S. 895 f. hält dies für verfassungswidrig.

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reicht auch dort die Darlegung einer unzureichenden Überprüfung der Tatsachengrundlage durch die Ratingagentur.767 Gelingen werden Darlegung und Beweis von vornherein nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Bei diesen ist auch der Wegfall der (Berufshaftpflicht-)Versicherung nach § 103 VVG wegen vorsätzlicher und widerrechtlicher Schadensherbeiführung nicht per se, sondern nur in Fällen der zur Vorsatzhaftung erhobenen Fahrlässigkeitshaftung unbillig.768 Die beim Rating bekannt gewordenen und ebenso bei der Finanzanalyse denkbaren Fälle einer Prognosebildung auf unzureichender Datengrundlage, unter schlichtweg zu niedrigem Zeitaufwand oder unter opportunistischer Methodenauswahl beträfe der Einwand nicht. Schon die Darlegungslast kann unüberwindliche Hürden stellen, weil der Beurteilungsvorgang äußerlich nicht beobachtbar ist.769 Überlegungen zur erleichterten Darlegung und gegebenenfalls zur Umkehr der Nachweisverantwortung nach Art des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB sind unter dem Gesichtspunkt der Beweisnot denkbar, aber allenfalls differenzierend umzusetzen:770 Verlangt werden kann die Erläuterung der zugrunde gelegten Informationsbasis und ebenso des Zeiteinsatzes. Hingegen stellte sich eine Verpflichtung zur Offenlegung der Methode „auf Verdacht“ bei Rating und Finanzanalyse als Eingriff in das Geschäftsmodell dar, weil die Methode anders als bei der Abschlussprüfung selbstbestimmt gewählt wird und Betriebsgeheimnis ist.771 Vereinzelt wird für möglich gehalten, etwa einen Finanzanalysten auf Grundlage von § 142 Abs. 1 ZPO zur Vorlage seiner Dokumentation und zur Erläuterung eines innovativen oder gar selbstentwickelten Verfahrens zu ver767 Section 21D(b)(2)(B) Securities Exchange Act 1934: „it shall be sufficient, […] that the complaint state with particularity facts giving rise to a strong inference that the credit rating agency knowingly or recklessly failed (i) to conduct a reasonable investigation of the rated security with respect to the factual elements relied upon by its own methodology for evaluating credit risk; or (ii) to obtain reasonable verification of such factual elements (which verification may be based on a sampling technique that does not amount to an audit) from other sources that the credit rating agency considered to be competent and that were independent of the issuer and underwriter.“ 768 Weitergehend Ebke / Scheel WM 1991, 389, 390. Im Einzelnen Sommerschuh Berufshaftung und Berufsaufsicht, 2003, S. 230 ff. 769 Näher Dutta WM 2013, 1729, 1733 f. Optimistischer Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 490, 494 zur Darlegung der Pflichtverletzung einer Ratingagentur i. R. d. Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO. 770 Für partielle Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens Peters Die Haftung und Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 84. Gegen die Beweislastumkehr FuchsWpHG2Fuchs § 17 Rn. 30, allerdings mit dem nicht zweifelsfreien Argument, der Unionsgesetzgeber habe sich gerade nicht dafür entschieden. 771 Zum Rating Habersack ZHR 169 (2005) 185, 203; Seibt in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 191, 204; Vetter WM 2004, 1701, 1707.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

pflichten.772 Bereits nach den regulatorischen Vorgaben für Finanzanalysen und Ratingagenturen sind umfangreiche Angaben zur Tatsachengrundlage, zu Kriterien und zur Methode der Datenauswertung gefordert. Die Offenlegung der verwendeten Formel gehört aber gerade nicht dazu. Der BGH verneinte 2014 eine Verpflichtung der Schufa zur Offenlegung der Scoreformel, also der abstrakten Methode zur Berechnung der Schuldnerbonität.773 Zwar hat auch der Wirtschaftsprüfer gegebenenfalls im Prozess seine sogenannten Arbeitspapiere offenzulegen und zu erläutern.774 Nur ist dies nicht mit der vollumfänglichen Offenlegung einer selbstentwickelten Methode vergleichbar, weil dem Wirtschaftsprüfer angesichts der detaillierten Vorgaben internationaler und nationaler Prüfungsstandards ein im Vergleich zu Ratingagenturen und Finanzanalysten geringeres Maß an Methodenautonomie zusteht.775 Nach § 3 Abs. 3 FinAnV hat der Finanzanalyst seine Methode gegebenenfalls der BaFin zu erläutern, so wie Ratingagenturen nach Art. 22a EG-RatingVO gegenüber der ESMA rechenschaftspflichtig sind. Kommt es in diesem Zusammenhang zu einer behördlichen Maßnahme, kann darauf der Anschein eines Methodenfehlers zu gründen sein. Verbleibende Darlegungsprobleme sind zum Teil berufsrechtlich und regulatorisch aufzufangen. Die für eine Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO erforderliche Angabe, dass das Rating von einer europäischen Tochter der USamerikanischen Muttergesellschaft stammt, ist verstellt, wenn weder in Ratingkürzel noch begleitendem Ratingbericht die verantwortliche Rechtspersönlichkeit angegeben ist.776 Abhilfe schafft die in die EG-RatingVO aufgenommene Verpflichtung zur namentlichen Nennung der verantwortlichen Ratinganalysten.777 Dasselbe gilt nach der Delegierten VO (EU) 2016/958 und der FinAnV für die Finanzanalyse.778

E. Haftungshöchstsummen Haftungsbeschränkungen sind ein wichtiger Baustein für eine auf optimale Verhaltensanreize angelegte Intermediärhaftung. Die Leistungsgrenzen der von der Europäischen Kommission in Betracht gezogenen Proportionalhaftung sind beVogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 145, 160 f. 773 BGH, Urt. v. 28.1.2014 – VI ZR 156/13, BGHZ 200, 38 Tz. 27. 774 Näher Ebke Die Arbeitspapiere des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters im Zivilprozess, 2003, S. 55 ff. 775 Zur Methodenautonomie von Ratingagentur und Finanzanalysten 13. Kapitel: A.III.1.b (S. 583). 776 Schroeter Ratings, 2014, S. 840. 777 Anh. I Abschn. D Unterabschn. I Nr. 1 EG-RatingVO. 778 Art. 2 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/958 und § 2 Abs. 1 FinAnV. 772

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reits diskutiert.779 Besser handhabbar sind Haftungshöchstsummen.780 Summenmäßige Beschränkungen schaffen stets nur (oder immerhin) eine Annäherung an das Regelungsziel. Das gilt für die in § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehene Beschränkung der Binnenhaftung des Abschlussprüfers für fahrlässig verursachte Schäden.781 Für die weiteren Informationsintermediäre fehlen gesetzliche Haftungshöchstsummen. Nach Art. 35a Abs. 3 EG-RatingVO unterliegen vertragliche Haftungsbeschränkungen der richterlichen Angemessenheits- und Verhältnismäßigkeitskontrolle.782 Eine allgemeine Grenze setzt § 276 Abs. 3 BGB, der den Haftungsausschluss für Vorsatz untersagt. Ein ausgewogener Umgang mit Haftungshöchstsummen setzt in aller Regel verpflichtende Selbstbehalte voraus.783

I. Gesetz De lege lata ist die summenmäßige Begrenzung der Haftung des Abschlussprüfers nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB zwar einzig verfügbares Beispiel, deshalb aber nicht zwingend Prototyp für neu zu schaffende Haftungsbegrenzungen der weiteren Intermediäre. Entstanden ist sie vor dem Hintergrund des bei Einführung der Pflichtprüfung noch nicht formierten Berufsstands der Wirtschaftsprüfer. Nur aus diesem historischen Zusammenhang heraus ist die im internationalen Vergleich (zu) niedrige Höchstsumme zu erklären. Seit dem KonTraG von 1998 beträgt sie vier Millionen Euro für Fehler bei der Prüfung börsennotierter Gesellschaften. Dem Wortlaut nach gilt sie nur für die Binnenhaftung. Der BGH gab allerdings zu erkennen, dass er sie auch für die Dritthaftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anwenden will.784 1. Bemessung (Versicherbarkeit) Die summenmäßige Begrenzung der Haftung führt zu einer vorhersehbaren und damit in der Regel auch versicherbaren Einstandspflicht. Das knüpft an die allgemeine Wertung des BGH im Börsendienst-Urteil von 1978 an, der zufolge die Pflichten betrieblich tragbar sein müssen.785 Für die Haftungsbegründung ist dies überzeugend, weil die Leistungen nur bei tragbaren Pflichten erbracht werden können. Bei Haftungshöchstsummen geht es hingegen um die Haftungsausfüllung. Die Drittschäden treten infolge der Verletzung einer Pflicht ein, die

Näher 12. Kapitel: A.I.5 (S. 425). Zu Grundsatzfragen und Ausgestaltungsfragen 12. Kapitel: A.I.6, E (S. 430, 526). 781 Abschn. I. 782 Abschn. II (S. 533). 783 Abschn. III (S. 538). 784 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 7 f., 17. 785 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 15. Zur Diskussion 12. Kapitel: B.II.1 (S. 469). 779 780

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gegenüber dem Auftraggeber als tragbar eingeordnet wird. Die Haftungsfolge soll gleichwohl vermieden werden. Der Gedanke einer Begrenzung der Einstandspflicht nach Leistungsfähigkeit des Schädigers ist dem Recht nur in Ausnahmekonstellationen wie der Gefährdungshaftung bekannt.786 Die Beobachtung hoher Schadensfolgen allein ist noch keine Begründung für die Begrenzung der Haftung für verschuldete Schäden.787 Zweifelhaft ist auch eine Herleitung der Notwendigkeit von Haftungsbegrenzungen aus Gesichtspunkten des Wettbewerbsschutzes, wie sie der Empfehlung der Europäischen Kommission von 2008 letztlich zugrunde liegen.788 Verursacht der Intermediär einen hohen (Dritt-)Schaden, hat er wie jeder andere Schädiger für die Reparationskosten aufzukommen. Herzuleiten ist die Erforderlichkeit einer Haftungsbegrenzung aus dem Ziel der Vermeidung exzessiver Sorgfaltsanstrengungen, die zu hohen Kosten führen, aber nur eingeschränkt vor Ressourcenschäden schützen und zu den sozialen Kosten von Umverteilungsschäden außer Verhältnis stehen. Die Reichweite dieses Arguments ist bereits kritisch beleuchtet.789 Im Ergebnis wird kaum zu bezweifeln sein, dass auch Umverteilungseffekte zu Ressourcenschäden führen, ebenso wenig, dass diese kleiner sind als die Summe der Drittschäden. Größere Bedeutung kommt der Gewährleistung einer hinreichenden Informationsversorgung des Markts zu, die bei unbeschränkter Haftung mit hohen Kosten verbunden wäre und zwangsläufig gegenüber einer durch Höchstsummen austarierten Haftungsverantwortung zurückstünde. Diese Überlegung gilt für sämtliche Informationsintermediäre des Kapitalmarkts. Die Höhe der Haftungssumme sollte innerhalb des versicherbaren Umfangs angesiedelt sein. Dem liegt die auch AGB-rechtlich verfestigte Wertung zugrunde, nach der Geschädigte durch die Versicherung besser geschützt sind als durch Rückgriff auf die begrenzten Privat- oder Unternehmensvermögen.790 Die Bestimmung der Haftungshöchstsumme nach dem Kriterium der Versicherbarkeit führt allerdings nicht nur zur Einschränkung des Kompensationsumfangs, sondern auch zu erheblichen Änderungen der Anreizstrukturen. Dadurch entfällt die verhaltenssteuernde Wirkung nicht völlig.791 Innerhalb versicherbarer Grenzen wirkt sich die Höhe der Haftungssumme zunächst allein auf die Intermediationskosten aus. Bereits damit verbindet sich eine verhaltenssteuernde Z. B. § 431 Abs. 1 HGB (Frachtführerhaftung). Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 319, 324. 788 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, Empfehlung v. 5.6.2008, ABl. EG L 162 v. 31.6.2008, S. 39, Ziff. 5. Zu den Hintergründen der Kommissionsempfehlung oben 12. Kapitel: A.I.5 f. (S. 425 ff., 430). Kritik bei Giudici EBOR 2012, 501, 521; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 199, 226. 789 Siehe 12. Kapitel: A.I.3 (S. 419). 790 MünchKommBGB7-Wurmnest § 307 Rn. 45. 791 Grundlagen bei Deutsch Haftungsrecht, 1976, S. 488. 786 787

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Wirkung, wenn die Versicherungsbeiträge – wie regelmäßig – risikosensitiv bemessen werden. Bei einer im Vergleich zu Konkurrenten hohen Risikoeinstufung und dementsprechend hoch bemessenen Beiträgen kann der einzelne Intermediär seine Leistung nicht kompetitiv anbieten. Die Risikoeinstufung richten Versicherungen an der Leistungsfähigkeit der Compliance-Organisation des Versicherten aus und vermitteln diesem infolgedessen Präventionsanreize.792 Bei entsprechend hoch bemessener Haftungssumme kommt es auch ohne ausdrückliche Anordnung wie bei der Berufshaftpflichtversicherung faktisch zur Notwendigkeit des Versicherungsabschlusses mit der Folge einer an wettbewerblichen Zahlungsbereitschaften des Versicherungsnehmers ausgerichteten Compliance-Organisation. Regulierungstheoretisch handelt es sich um einen privaten Mechanismus zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften bei Umfeldkomplexität, bei dem der Versicherer die Ausrichtung an Risiken und Wettbewerbskräften übernimmt.793 Nicht versichert sind wegen § 103 VVG vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführte Schäden. In der Theorie verfügt der Handelnde insoweit über vollständige Steuerungsmöglichkeiten. In der Praxis können die Übergänge zwischen versicherter grober Fahrlässigkeit und nicht versicherbarem bedingtem Vorsatz der berufsmäßig am Markt auftretenden Informationsintermediäre fließend sein.794 Nur bei kleineren Fehlern, die vorhersehbar allenfalls am Übergang zur groben Fahrlässigkeit einzuordnen sind, drohen infolge der Versicherung Einbußen bei der haftungsrechtlichen Verhaltenssteuerung. Allerdings werden bei einer Häufung der Schadensfälle wegen fahrlässiger Pflichtverletzung Erhöhungen der Versicherungsbeiträge unumgänglich sein. Schlimmstenfalls droht die Kündigung durch den Versicherungsgeber. Außerdem verbleiben berufsständische oder regulatorische Steuerungsmechanismen und nicht zuletzt der insoweit durchaus leistungsfähige Reputationsmechanismus. Festzuhalten ist gleichwohl, dass die Steuerungswirkung des Haftungsrechts infolge der Versicherung für geringe und mittlere Verstöße entfällt oder stark eingeschränkt ist. Die an die Stelle des Haftungsrechts tretende Verhaltenssteuerung durch die Versicherung vermag sich nur zu entfalten, wenn es überhaupt zu fühlbaren Änderungen der Beitragshöhe kommen kann. Bei zu niedrigen Haftungshöchstsummen ist dies kaum denkbar. Vor diesem Hintergrund sind weitere wettbewerbliche Folgen (nicht Begründungen) der Haftungsbegrenzung zu erschließen. Erhöhungen der Summengrenze wirken sich zwar auf den Intermediationspreis aus, fallen bei großen Gesellschaften aber weniger ins Gewicht als bei kleinen. Für große Intermediärorganisationen wirkt eine statisch und zu niedrig bemessene Höchstsumme 792 Übergreifend Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1634 (2010). Zu Finanzinstituten Bigus /  Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008, S. 120 ff. 793 Im Einzelnen 8. Kapitel: A.II.3.b (S. 226). 794 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 489 zum Rating.

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deshalb wie eine gesetzgeberisch gewährte Subvention.795 Überlegt wird, ob sich nach zwei- oder dreistelligen Millionenbeträgen bemessene Haftungshöchstsummen mit Blick auf kleine und mittlere Intermediärorganisationen verbieten.796 Derart hohe Schadenspositionen werden bei diesen Gesellschaften allerdings ohnehin selten auftreten, insbesondere dann nicht, wenn sich die Haftungsrisiken am Sekundärmarkt wegen der Hürden bei der Geltendmachung des Vertragsabschlussschadens auf den Kursdifferenzschaden beschränken.797 Auch bleibt die Möglichkeit zur Höherversicherung von Einzelaufträgen. Ob und wie hohe, aber noch versicherbare Haftungssummen die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, ist kaum verlässlich zu ermitteln. Die strukturell einfachste Möglichkeit zum Umgang mit vermuteten Unterschieden ist die von § 323 HGB gewählte Differenzierung der Höchstsumme, je nachdem, ob ein börsennotiertes Unternehmen Gegenstand der Intermediationsleistung ist. Auf börsennotierte Unternehmen bezogene Leistungen der Informationsintermediäre weisen allerdings andere und weniger vorherbestimmbare Haftungs- und Versicherungsrisiken auf (Großrisiken mit geringer Frequenz).798 Bei zu niedrig bemessener Haftungshöchstgrenze beschränken sich die Anreize zur Vermeidung von Großschäden auf die durch die Rechtsprechung zur Berufshaftung geschaffene Grauzone zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz. Umgekehrt führen an Großschäden orientierte Höchstsummen zur Überabschreckung, weil sie den versicherbaren Umfang sprengen.799 Bei Überschreitung der individuellen Bereitschaften zur Tragung der nicht versicherbaren Restrisiken (tipping points) kommt es zur Auflösung der Intermediärorganisation.800 2. Bezugsgröße (absolut oder relativ) Gesetzlich angeordnete absolute Haftungshöchstsummen sind gegriffene Größen. Für den Primärmarkt wird davon ausgegangen, dass die Schäden der Erwerber dem Ressourcenschaden entsprechen. Haftungsbegrenzungen sind infolgedessen nur aus Erwägungen des Institutionenschutzes zu erklären, dem insbesondere bei freien Berufen wie der Wirtschaftsprüfung, aber etwa auch beim Rating große Bedeutung zugemessen wird.801 Bei Fehlern der sekundärmarktbezogenen Informationsintermediation sind zur Höhe der Ressourcenschäden nur Vermutungen Treffend zur Abschlussprüfung Doralt ZGR 2015, 266, 299. Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 198. 797 Dazu 12. Kapitel: D.I (S. 512 ff.). 798 Zum Ganzen 12. Kapitel: A.I.6 (S. 430). 799 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 209. 800 Unter Verweis auf Erfahrungen bei der Insolvenz der der US-amerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Laventhol London Economics / Ewert Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes (MARKT/2005/24/F), September 2006, S. 105. 801 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 226; Schroeter Ratings, 2014, S. 556, 786. 795 796

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möglich. Sicher ist, dass die Ressourcenschäden deutlich über der von § 323 HGB gewählten Begrenzung auf vier Millionen Euro liegen können. Vorgeschlagen wird, die Haftung der Wirtschaftsprüfer und der Ratingagenturen nach Vorbild des § 10 Abs. 1 ProdHaftG auf 85 Millionen Euro zu begrenzen.802 Für die Prüfung und Beurteilung börsennotierter Unternehmen schafft dies eine Austarierung von Kompensations- und Verhaltenssteuerungszweck, die sich den Ressourcenschäden deutlich eher annähern wird. Für freie Finanzanalysten mag der Wert zu hoch gegriffen sein. Gegen eine Orientierung an der Produkthaftung lässt sich aber jedenfalls nicht einwenden, die Informationsintermediäre seien nicht in einem den Produzenten vergleichbaren Maße in der Lage, den Schadenseintritt zu vermeiden.803 Das mag gegen eine Gefährdungshaftung sprechen. Bei verschuldensabhängiger Haftung ist hingegen nicht ersichtlich, warum trotz mindestens gleich hohen Schadenspotentials auf niedrigere Summen gesetzt werden sollte. Relative Höchstgrenzen können dazu eingesetzt werden, die Haftungssumme am Schadenspotential zu orientieren. Eine stärker als § 323 HGB abstufende Regel findet sich im österreichischen Recht.804 Nach § 275 Abs. 2 UGB steigt die Haftungssumme des Abschlussprüfers je nach Unternehmensgröße von zwei bis auf zwölf Millionen Euro an. Erwogen wird dieser Ansatz auch für das Rating, gegebenenfalls mit Orientierung am Volumen der bewerteten Finanztitel.805 Die Bemessung der Höchstsumme nach Unternehmensgröße oder Emissionsvolumen ist geeignet, (ansatzweise)806 dem Schadenspotential Rechnung zu tragen. Der tatsächlich eingetretene Schaden bleibt dabei außen vor. Gegenüber der Bestimmung der Höchstsumme nach einem prozentualen Anteil am eingetretenen Schaden807 stehen abgestufte Systeme wie das des österreichischen Rechts aus Sicht der Verhaltenssteuerung zurück. Sie ermöglichen aber die Vorhersehbarkeit des Schadensrisikos und etwa auch die Höherversicherung eines Einzelauftrags. Markteintrittsbarrieren für kleinere Anbieter werden dadurch vermieden. Gedacht wird alternativ an einen Multiplikator des Prüfungshonorars, der die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Mandanten widerspiegelt, dies allerdings nur, wenn auch Beratungshonorare einbezogen werden.808 Anderenfalls würden Anreize Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 327 zur Abschlussprüferhaftung. 803 Anders Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 313. 804 Rechtsvergleichend unter Einbeziehung weiterer Mitgliedstaaten Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 89 f. Dort auch zur Terminologie S. 87. 805 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 493 zum Rating. 806 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 199 mit dem Hinweis auf weitere für das Schadenspotential wichtige Faktoren wie die jeweilige Branche. 807 Dafür Partnoy 79 Wash. Univ. L. Q. 491, 540 ff. (2001) allerdings auf vertraglicher Basis. Zu den damit verbundenen Schwächen Leyens in: FS Schäfer 2008, S. 159, 167. 808 Zum Problem bereits Ebke Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 301 ff. Wie hier auch Doralt ZGR 2015, 266, 300; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 199. 802

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zum künstlichen Niedrighalten der Gebühren und zur Verlagerung der Einnahmen auf Beratungshonorare gesetzt (soweit noch zulässig).809 Als allgemein tauglicher Ansatz kommt das Prüfungshonorar allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil für unbeauftragte Ratings eine Sonderregelung gefunden werden müsste.810 Im Vergleich zur absoluten Höchstgrenze weist eine an der Größe des Emittenten bzw. am Volumen der bewerteten Finanztitel orientierte Höchstgrenze im Ergebnis eine größere Genauigkeit bei der Austarierung von Steuerungs- und Kompensationszweck auf. Der absolut bemessenen Höchstgrenze ist sie jedenfalls bei Abschlussprüfung und Rating auch aus wettbewerblicher Sicht vorzuziehen, weil sie nicht zu einer Subventionierung der typischerweise hohen Haftungssummen ausgesetzten großen Intermediärorganisationen führt. Bei der in Betracht kommenden Anlehnung an das österreichische Recht wären allerdings aus den diskutierten Gründen für die im kapitalmarktbezogenen Kontext erbrachten Intermediationsleistungen deutlich höhere Summen anzusetzen. 3. Drittwirkung (Wertentscheidung) Nach Ansicht des BGH kommt in der Haftungsbeschränkung des § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, die auch bei der vertraglichen Abschlussprüferhaftung gegenüber Dritten zu berücksichtigen ist.811 Für den Vertrag mit Schutzwirkung gegenüber Dritten liegt eine an den Hauptvertrag geknüpfte Haftungsbeschränkung schon aus dem Rechtsgedanken des § 334 BGB nahe.812 Auch nach österreichischem Recht sind die gesetzlichen Haftungsgrenzen bei Anwendung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu übertragen, was allerdings bei der dort diskutierten objektiv-rechtlichen Einordnung der Dritthaftung nicht überzeugend wäre.813 Bei Annahme einer Haftung aus der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nach § 311 Abs. 3 BGB könnte, bei Annahme eines eigenständigen Auskunftsvertrags müsste anders argumentiert werden.814 Für die Dritthaftung nach § 826 BGB gilt die allein Fahr-

Zur Abschlussprüfung Doralt (Koord.) u. a., 67 CLJ 62, 65 (2008). Zum Rating Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1092. 810 Aus diesem Grund kann der dahingehende Vorschlag von Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 493 nur eingeschränkt weiterverfolgt werden. 811 BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, Juris-Tz. 7 f., 17. 812 Für die Übertragung der gesetzlichen Haftungshöchstgrenze plädiert MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 72. 813 Näher Doralt ZGR 2015, 266, 288, 294 ff.; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 93, jeweils mit Rechtsvergleichung. 814 GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 323 Rn. 61 unter Annahme einer vom Prüfungsvertrag losgelösten Vertrauenshaftung, die nicht zur Beeinträchtigung des Haftungsfonds zulasten etwa von Konzerngesellschaften führen darf. Zum Ganzen Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 93. 809

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lässigkeit erfassende Haftungsbeschränkung von vornherein nicht. Nicht zuletzt hieraus erklärt sich die hohe praktische Bedeutung der deliktischen Haftung.815 Rechtspolitisch ist gegen einen Gleichlauf der Sorgfaltspflichten gegenüber Auftraggeber und Dritten – bei angemessener Haftungsbegrenzung – nichts einzuwenden. Bei Anwendung der zu niedrig ansetzenden Haftungshöchstsumme des § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB auf die Dritthaftung droht demgegenüber ein Steuerungsausfall.816 Diese Einwände betreffen auch beauftragte Ratings, zu denen keine zur Abschlussprüfung vergleichbaren Wertentscheidungen des Gesetzgebers getroffen sind.817 Durchaus komplexe und noch nicht abschließend gelöste Folgefragen betreffen die Aufteilung des Haftungspools im Schadensfall. Vorgeschlagen wird die Einführung eines Zwei-Fonds-Modells mit Rücklagenbildung für die Dritthaftung.818 Denkbar ist auch eine Pro-rata-Verteilung nach Vorbild spezialgesetzlicher Vorgaben zur Gefährdungshaftung.819

II. Vertrag Die Wahl der gesetzlichen Regelungsebene ist keineswegs zwingend. Vertraglich vereinbarte Haftungshöchstgrenzen versprechen im Grundsatz eine größere Marktnähe als gesetzliche, also eine zielgenauere Abstimmung der Schadenswahrscheinlichkeit und -höhe unter Berücksichtigung der individuellen Risikopräferenzen, Zahlungsbereitschaften und Leistungsfähigkeiten.820 Aus Sicht der Steuerungsziele der Dritthaftung erweist sich die ungeregelte Möglichkeit zur vertraglichen Haftungsbegrenzung allerdings als dysfunktional. Das Kernproblem eines aus Sicht der Dritthaftung sachgerechten Umgangs mit vertraglichen Haftungsbegrenzungen liegt im Ausfall der Richtigkeitsgewähr der Parteiabsprache. In Ermangelung einer Absprache mit den von Fehlleistungen betroffenen Dritten setzt sich die einseitig an den Interessen von Auftraggeber oder -nehmer orientierte Reduzierung der Haftung durch. Zu überlegen ist, ob bei Erkennbarkeit des Haftungsumfangs, also im Wege einer Offenlegungspflicht der Begrenzung eine hinreichende Legitimation der Haftungsbegrenzung gegenüber Dritten herzustellen ist.821 Verbleibende Legitimationsdefizite könnten über eine gerichtliche Kontrolle der Haftungshöhe ausgeglichen werden.822 Der Bewe-

MünchKommBGB7-Wagner § 826 Rn. 136; MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 92. Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 327. 817 Die in Richtung der Dritthaftung betonend v. Schweinitz WM 2008, 953, 957. 818 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 236. 819 Z. B. § 10 Abs. 2 ProdHaftG, § 15 Satz 2 UmweltHG. Näher Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 492. 820 Leyens JZ 2007, 1061, 1068. 821 Abschn. 1. 822 Abschn. 2 (S. 535) 815 816

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gungsrahmen wäre zuletzt auch durch einzelne Verbote der Haftungsbeschränkung einzugrenzen.823 1. Beschluss und Offenlegung (Legitimation) Die Legitimationsproblematik stellt sich in zweierlei Hinsicht, zum einen im Verhältnis zwischen Geschäftsleitung und Anteilseignern, zum anderen im Verhältnis zu Dritten. Nach Art. 35a Abs. 2 EG-RatingVO können die Agenturen eine auch gegenüber Dritten geltende Haftungsbegrenzung aufnehmen. In dieser Regel wird eine Abweichung von dem Grundsatz erkannt, dass Haftungsbeschränkungen entweder zwischen Parteien vereinbart oder gesetzgeberisch vorgesehen sein müssen.824 Einen Ansatz zur Legitimation vertraglicher Haftungsbegrenzungen im Verhältnis zu den Anteilseignern bietet section 537(1) des englischen Companies Act 2006. Danach ist die früher verbotene vertragliche Haftungsbegrenzung des Abschlussprüfers möglich, aber an den Beschluss der Hauptversammlung gebunden und außerdem im Wege der Aufnahme in den Jahresabschluss gegenüber Dritten offenzulegen.825 Die gewählte Legitimationsform entspricht dem traditionellen Verständnis des englischen Rechts, dem zufolge die Abschlussprüfung primär den Interessen des geprüften Unternehmens, also letztlich den Anlegern dient. Nach den im Fall Caparo entwickelten Grundsätzen kommt eine Dritthaftung des Prüfers praktisch ohnehin nicht in Betracht.826 Der gewählte Ansatz muss aus Sicht beider Bezugsgruppen, also sowohl der Anteilseigner als auch Dritter, grundsätzliche Zweifel aufwerfen. Die Legitimation durch den Hauptversammlungsbeschluss weist je nach Anteilseignerstruktur die Gefahr einer Übervorteilung der Minderheit auf. Institutionelle Investoren haben bereits zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit sind, summenmäßige Haftungsbeschränkungen mitzutragen.827 Für die unterlegene Minderheit bleibt zwar die Austrittsentscheidung, ebenso wie für außenstehende Dritte die Möglichkeit zum Nichteintritt besteht. Theoretisch bilden sich vermittelt durch diese Form des Angebot-und- Nachfrage-Mechanismus effiziente Haftungsstandards heraus. Erforderlich wäre dazu

Abschn. 3 (S. 537). Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1089. 825 Im Jahresabschluss sind insbesondere die wesentlichen Abspracheinhalte der Vereinbarung (principal terms) anzugeben; The Companies (Disclosure of Auditor Remuneration and Liability Limitation Agreements) Regulations 2008, S.I. 2008/489, regulation 8. 826 Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 22-42, 22-47. Vergleichend Doralt ZGR 2015, 266, 285. 827 Institutional Sharholders’ Committee, Statement on Auditor Liability Limitation Agreements, Juni 2008, S. 1: „agreements which include an element of a fixed cap – however calculated – are not appropriate“. 823 824

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aber eine treffsichere Bewertung der jeweils gewählten Haftungsgestaltung.828 Zu leisten ist dies allenfalls von professionellen Beratern, z. B. Stimmrechtsberatern (proxy advisors). Aus den bisherigen Erfahrungen ist nicht abzusehen, dass Stimmrechtsberater ihre Kriterien unternehmensspezifisch ausrichten. Zu erwarten wäre also eine bestimmte Summenvorgabe, die dann allerdings nicht vom Gesetzgeber, sondern von der Corporate-Governance-Industrie festgelegt würde. Die für den Angebot-und-Nachfrage-Mechanismus kennzeichnende prozessweise Annäherung an einen Marktstandard wird auf diesem Wege schwerlich erfolgen können. In der Praxis wird von der im englischen Recht vorgesehenen Möglichkeit zur vertraglichen Haftungsbeschränkung des Abschlussprüfers kein Gebrauch gemacht, es kommt offenbar schon nicht zum Vorschlag einer Haftungsbegrenzung an die Hauptversammlung.829 Aus Sicht der Geschäftsleiter wird kaum ein Interesse an der Vereinbarung hoher Haftungssummen bestehen, die den Prüfer zu einer rigoroseren Aufdeckung von Fehlern anhalten würden.830 Entscheidend dürfte sein, dass die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihrerseits unter intensiver Marktbeobachtung stehen und wenig Interesse daran haben, infolge der Vereinbarung einer niedrigen Haftungshöchstsumme in den Verdacht zu laxer Prüfungen zu geraten. Im engen Oligopol der big four wäre im Übrigen ohnehin eher mit einem tendenziell einheitlichen Vorgehen als mit kompetitiven Angeboten der Haftungsbegrenzung zu rechnen.831 Als Grundmodell kommt die Legitimation vertraglich begrenzter Intermediärhaftung im Wege des Hauptversammlungsbeschlusses von vornherein nicht in Betracht, weil Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen anders als die Abschlussprüfung nicht nur einmal jährlich, sondern fortlaufend erbracht werden. Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung würden entweder zu starren oder zu unkonturierten Vorgaben an die Geschäftsleitung führen. Wird deshalb für diese Leistungen allein auf die Offenlegung der Haftungsgrenze gesetzt, wird es bei den derzeit zu beobachtenden Versuchen der Ratingagenturen bleiben, sich so weit als möglich von der Haftung freizuzeichnen. 2. Gerichtliche Kontrolle (Angemessenheit) Die Erfahrungen insbesondere beim Rating zeigen, dass es ohne verpflichtende Vorgaben zu einer vollständigen Risikoabwälzung kommt. Der Marktmechanismus fängt dies wegen der beschriebenen Anreize der für den Vertragsschluss verantwortlichen Geschäftsleiter und auch der oligopolen Marktstruktur Giudici EBOR 2012, 501, 520 f. hält dies für unrealistisch. Näher Ferran in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 645, 648 f. Vergleichend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 238 f. 830 Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 237. 831 Ferran in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 645, 649. 828 829

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einzelner Segmente der Informationsintermediation nicht auf. In Betracht kommt eine gerichtliche Angemessenheitskontrolle. Bereits besprochen sind die nach § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB an die formularmäßige Haftungsausschlüsse zu stellenden Anforderungen.832 Nach der spezielleren Regel von section 537(1) des englischen Companies Act unterliegen demgegenüber auch individualvertragliche Vereinbarungen einer richterlichen Kontrolle der Angemessenheit (fair and reasonable).833 Dem vergleichbar wurde in die neue Haftungsnorm des Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO ein Verbot unangemessener oder unverhältnismäßiger Haftungsbeschränkungen aufgenommen. Die Leistungsfähigkeit dieser Regeln ist zunächst durch die Rechtsfolgen von Verstößen bedingt. Während unangemessene Beschränkungen nach Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 2 der EG-RatingVO „keine rechtliche Wirkung“ entfalten, fällt die Risikoabwälzung nach dem englischen Recht der Abschlussprüferhaftung lediglich auf ein angemessenes Niveau zurück.834 Die damit verbundenen Fehlanreize sind aus der deutschen Diskussion um das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bekannt. Ohne ein grundsätzliches Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist nicht mit Anreizen zu fairer Gestaltung zu rechnen. Allenfalls bei mangelnder Erkennbarkeit der Unangemessenheit für den Verwender wird die Aufrechterhaltung der Klausel mit einem gerade noch zulässigen Maß der Risikoabwälzung für möglich gehalten.835 Es ließe sich argumentieren, dass wegen des Hauptversammlungsbeschlusses praktisch eine individualvertragliche Legitimation gegeben ist. Aus den im vorherigen Abschnitt genannten Gründen ist dies dennoch nicht zur marktlichen Ausbalancierung der Interessen von einerseits Anteilseignermehrheit und andererseits von Minderheit und Dritten geeignet und führte im deutschem Recht außerdem zu Risiken der Beschlussanfechtung nach § 243 AktG. Der wichtigste Einwand gegen ein richterlich zu konkretisierendes Angemessenheitskriterium betrifft die anfängliche Rechtsunsicherheit. Theoretisch ist dies durch gesetzliche, gegebenenfalls auch untergesetzliche Konkretisierungen aufzufangen. Der vom englischen Financial Reporting Council veröffentlichte Leitfaden enthält sich allerdings Vorgaben zur Gestaltung der Haftungsbegrenzung des Prüfers und lässt eine Bestimmung genügen, die bloß den Gesetzeswortlaut (fair and reasonable) wiedergibt.836 Zum Umgang mit den Vorgaben der Siehe 11. Kapitel: B.I.1 (S. 358 ff.). Insbesondere kommt keine AGB-rechtliche Kontrolle nach dem Unfair Contract Terms Act 1977 in Betracht. Zum Ganzen Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 22-42. 834 Section 535(2) Companies Act 2006. 835 Siehe allerdings MünchKommBGB7-Basedow § 306 Rn. 16 zu den nur „mit der Lupe“ zu suchenden Unterschieden zwischen geltungserhaltender Auslegung und geltungserhaltender Reduktion. Näher Leyens / Schäfer AcP 210 (2010) 771, 800 f. 836 Financial Reporting Council, Guidance on Auditor Liability Limitation Agreements, Juni 2008, Ziff. 2.9. 832 833

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EG-RatingVO fehlt jedwede Anleitung. Soweit vom Gericht zumindest ein Bemühen um eine angemessene Regelung festzustellen ist, müsste angesichts der offenkundigen Rechtsunsicherheit, also aus denselben Gründen, aus denen ausnahmsweise auch AGB-rechtlich eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht gezogen wird, ein zurückhaltender Umgang mit der Kassationskompetenz gefordert werden.837 Von der richterlichen Ausformung des Marktstandards ist dann auch angesichts der geringen Häufigkeit von Haftungsfällen wenig zu erhoffen. 3. Zwingender Drittschutz (Verbote) Ausdrückliche Verbote der vertraglichen Haftungsbegrenzung finden sich soweit ersichtlich weder im deutschen Recht noch im Unionsrecht. Eine dahingehende Regel findet sich zwar in § 25 Abs. 1 WpPG, jedoch tragen weder Abschlussprüfer noch weitere Informationsintermediäre Prospektverantwortung, wenn nicht eine dahingehende ausdrückliche Erklärung abgegeben wird. Zum Verbot der Haftungsbegrenzung führt nach der bisherigen Rechtsprechung nur eine Aushöhlung der übernommenen Hauptpflicht. Nach der in § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Entscheidung stößt eine Haftungsbeschränkung auf vier Millionen Euro gegenüber Dritten nicht an diese Grenzen.838 Für die weiteren Intermediäre fehlen vergleichbare gesetzliche Vorgaben. Das französische Recht ordnet in Art. L544-6 Code Monétaire et Financier ein Verbot der Haftungsbeschränkung von Ratingagenturen an.839 Noch nach dem Entwurf der unionsrechtlichen Haftungsklausel sollte ein solches Verbot auch in Art. 35a EG-RatingVO aufgenommen werden.840 Die vorgestellten Überlegungen zum Zurückbleiben des Ressourcenschadens hinter der Summe der Drittschäden sprechen gegen eine unbegrenzte sekundärmarktliche Haftung der Informationsintermediäre. Der Hauptmangel des französischen Ansatzes dürfte darin zu sehen sein, dass den Gerichten nur eine Alles-oder-nichts-Entscheidung verbleibt, die zur Verurteilung auf sehr hohe Schadensersatzleistungen gegenüber einer Vielzahl von Geschädigten führen kann.841 Im Ergebnis erweist sich der Ansatz vertraglicher Haftungsbegrenzungen auch auf Grundlage der bislang für die Verhinderung opportunistischer Risikoabwälzungen gefundenen Lösungen als wenig erfolgversprechend für die IntermediärSiehe die Nachw. Fn. 835. Umzusetzen durch Verwendung von Ziff. 9 Abs. 2 AAB-WP. Im Zusammenhang 12. Kapitel: A.II.1 (S. 445). 839 Art. L544-6 Code Monétaire et Financier: „Les clauses qui visent à exclure la responsabilité des agences de notation de crédit mentionnées à l'article L. 544-4 sont interdites et réputées non écrites.“ 840 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, KOM (2011) 747 endg., 15.11.2011, Art. 35a Abs. 5. 841 Wagner in: FS Blaurock 2013, S. 467, 487 ff., 491. 837 838

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haftung. Vor allem bei der Dritthaftung dürfte mehr für gesetzliche Haftungshöchstsummen als für vertragliche Vereinbarungen sprechen. Dadurch wird verhindert, dass die Entscheidung über das Schutzniveau dem geprüften oder beurteilten Emittenten, also letztlich dessen Geschäftsleitern überlassen bleibt.842

III. Selbstbehalt – Korrelat der Haftungshöchstsumme Unabhängig von der für die Haftungshöchstsumme innerhalb versicherbarer Grenzen zu wählenden Regelungsebene ‒ Gesetz oder Vertrag ‒ ist an Vorgaben zum Selbstbehalt zu denken. Selbstbehalte dienen dazu, den durch die Versicherung bewirkten Ausfall der haftungsrechtlichen Verhaltenssteuerung aufzufangen. In Versicherungsverträgen sind Selbstbehalte üblich, aber Sache der Parteien. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Vereinbarung eines Selbstbehalts besteht bei der Organhaftung, wird dort allerdings durchaus kritisch gesehen.843 Die parallelen Problemstellungen bei der Intermediärhaftung sind bislang nicht durchdrungen.844 Die nach der Ursprungsfassung des DCGK zunächst freiwillige Vereinbarung eines Selbstbehalts für die Versicherung des Vorstands (D&O insurance) ist durch das VorstAG von 2009 der gesetzlichen Verpflichtung gewichen. Nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG muss für die nicht summenmäßig begrenzte Organhaftung ein Selbstbehalt von mindestens zehn Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vereinbart werden. Gegen diese zwingende Vorgabe mag eingewandt werden, dass die Belastung von Geschäftsleitern mit Selbstbehalten etwa bei hochhaftungsgefährlichen Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen ungünstig sein kann.845 Praktisch stellt sich das Problem jedoch nicht, weil der Selbstbehalt seinerseits versicherbar ist und in aller Regel versichert wird. Der Einwand einer Umgehung des aktiengesetzlichen Organisationsrechts ist jedenfalls gegen die private Entscheidung zur Versicherung persönlicher Risiken aus eigenen Mitteln kaum aufrechtzuerhalten.846 Die Anordnung eines Selbstbehalts ist Korrelat einer höchstsummenmäßig begrenzten Haftung der Informationsintermediäre. Das gilt für gesetzliche Haftungshöchstsummen. Bei Gewährung der Möglichkeit zur vertraglichen BeTreffend zum Rating Wagner in: FS Kirchner 2014, S. 1067, 1092: „In a world of ‘issuer pays’, the extent of the exposure of rating agencies towards third parties must not be a matter of ‘issuer choice’.“ Zur Abschlussprüfung ders. in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 311. 843 Bachmann Gutachten E, 70. DJT 2014, S. E 39, E46. 844 Anleitend Siepmann Selbstbehalt bei Verbriefungen, 2011, S. 40 ff., 85, 94 zu Vertrags-, Verbands-, Kapitalmarktrecht und schließlich der Risikobeteiligung bei Verbriefungen. 845 Übergreifend Leyens JZ 2007, 1061, 1067 f. 846 Im Einzelnen GroßkommAktG5-Hopt / Roth § 93 Rn. 456; Bachmann Gutachten E, 70. DJT 2014, S. E39 f. Dazu Spindler AG 2013, 889, 897. 842

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stimmung des Haftungsumfangs kommt aber ebenfalls die Anordnung eines Selbstbehalts in Betracht. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte nicht auf das unbestimmte Angemessenheitskriterium gesetzt werden.847 Sachgerechter erscheint in Anlehnung an die Organhaftung und die dortige Verknüpfung mit den Bezügen eine Anbindung der Höhe des Selbstbehalts an Gewinngrößen, die allerdings über einen sinnvollen Zeitraum zu mitteln sind, z. B. über drei Jahre, um willkürliche Beeinflussungen und Zufallsergebnisse etwa wegen Abschreibungen auszuschließen. Sollen Umgehungen der Steuerungswirkung vermieden werden, kommt das Verbot einer Versicherung des Selbstbehalts jedenfalls auf der Ebene der Haftung der Intermediärorganisation in Betracht. Denkbar wäre auch eine differenzierende Regelung, die an die Prüfung oder Beurteilung kapitalmarktorientierter Emittenten oder ihrer Finanztitel anknüpft. Ein-Personen-Intermediäre, wie beispielsweise Einzelprüfer oder einzelne Finanzanalysten, wären wegen der Möglichkeit zur Individualversicherung von vornherein nicht betroffen. Verfassungsrechtliche Zweifel etwa aus der Beeinträchtigung der berufsbezogenen Vertragsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 GG erscheinen bei gleichzeitiger Einführung einer (versicherbaren) Haftungshöchstsumme überwindbar.848

F. Haftungsausschluss und -minderung Haftungsausschlüsse und -minderungen sind bei der privaten Informationsintermediation aus unterschiedlichsten Blickwinkeln denkbar, können aber bei fehlender Feinjustierung zu einem praktischen Ausfall der haftungsrechtlichen Steuerung führen. Die Haftung gegenüber dem Emittenten ist für den Abschlussprüfer in § 323 Abs. 1 HGB gesetzlich angeordnet. Zum Rating finden sich demgegenüber die im Folgenden zu besprechenden Überlegungen zum Haftungsausschluss gegenüber dem Emittenten kraft Einwilligung (volenti non fit iniuria).849 Wie sonst auch steht Intermediären der Mitverschuldenseinwand zu. Besonderheiten ergeben sich aber sowohl beim Mitverschulden des Emittenten850 als auch beim Mitverschulden des geschädigten Anlegers.851 Wie zu zeigen ist, kann durch einen nicht an der Rolle der Informationsintermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs ausgerichteten Mitverschuldenseinwand die haftungsrechtliche Verhaltenssteuerung gestört sein oder gar ausgehebelt werden.

847 848 849 850 851

Dazu 11. Kapitel: C.III (S. 535). Zur Diskussion Siepmann Selbstbehalt bei Verbriefungen, 2011, S. 212 ff. Abschn. I. Abschn. II (S. 541). Abschn. III (S. 547).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

I. Einwilligung des Emittenten (volenti non fit iniuria) Die Beauftragung der Intermediationsleistung kann Schadensersatzansprüchen nicht entgegenstehen. Für die Abschlussprüfung ist dies aus der Haftungsanordnung des § 323 Abs. 1 HGB ersichtlich. Die Entgegennahme und Prüfung („Abnahme“) des Abschlussprüferberichts durch den Aufsichtsrat nach §§ 170 f. AktG ändert daran nichts. Zum Auftragsrating wird demgegenüber vertreten, der Emittent begebe sich möglicher vertraglicher und deliktischer Ansprüche, wenn er das Rating zur Kenntnis nehme und keinen Widerspruch erhebe. Die Vorlage gegenüber dem Emittenten ist nach den Verträgen führender Agenturen üblich und im Geltungsbereich der EG-RatingVO für das unbeauftragte Rating mit einem Tag Vorlauf verpflichtend vorgesehen.852 Allerdings wird in Bezug auf die Einräumung vertraglicher Widerspruchsrechte von einer uneinheitlichen Vertragspraxis ausgegangen und auch bei Geltung der EG-RatingVO bestehen Unsicherheiten in Bezug auf die Pflichten der Agentur bei Widerspruch des Emittenten.853 Gestützt wird die Annahme eines Haftungsausschlusses bei widerspruchsloser Kenntnisnahme auf den sowohl im deutschen wie im US-amerikanischen Recht geltenden Einwand des volenti non fit iniuria.854 Für Schäden aus Folgeratings soll der Einwand nicht zum Tragen kommen, weil dem Emittenten insoweit kein Widerspruchsrecht zusteht. Beim Erstrating wird demgegenüber aus der Möglichkeit zum Widerspruch eine Gewährleistungsansprüche ausschließende Kenntnis des Emittenten vom Werkmangel i. S. d. § 640 Abs. 2 BGB angenommen. Unter dem Gesichtspunkt des volenti non fit iniuria kommen rechtskonstruktiv auch die Einwilligung mit der Folge der Rechtfertigung deliktischer Pflichtverletzungen oder der anfängliche Verzicht auf den Rechtsgüterschutz in Betracht.855 Entgegen vereinzelt vertretener Auffassung fehlt es jedoch an den zur Begründung eines Haftungsausschlusses jeweils erforderlichen Voraussetzungen. In der widerspruchslosen Billigung des Ratings kann bestenfalls die Erklärung erkannt werden, dass der Emittent keine weiteren Tatsachen beizusteuern hat. Ob die dem Rating zugrunde liegende Kriterienwahl, Vergleichsgruppenbildung und abschließende Bewertung zutreffend sind, vermag der Emittent demgegenüber schlichtweg nicht zu beurteilen. Ein Vorschlag des Emittenten etwa zur Verwendung einer anderen Ratingmethode hätte die Agentur schon dem Vertragszeck nach an eigenen, unabhängigen Maßstäben zu messen und müsste diese durchsetzen, auch um drittbezogenen Sorgfaltspflichten an öffentlich verbreitete Beurteilungen gerecht werden zu können. Anders als bei einem vom Besteller (häufig) als vertragsgerecht beurteilbaren physischen Werk liegt eine eigene Beurteilung der Agentur vor, die im Falle der Veröffentlichung auch 852 853 854 855

Zu letzterem Anh. I Abschn. D. Unterabschn. I Nr. 3 EG-RatingVO. Zum Ganzen 13. Kapitel: A.IV.1 (S. 598). Zum Folgenden Schroeter Ratings, 2014, S. 811 f. Näher MünchKommBGB7-Wagner § 823 Rn. 72.

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nicht wegen enttäuschter Erwartungen des Emittenten an das (möglicherweise nicht so positive) Ergebnis geändert werden kann. Die Beauftragung des Ratings mag zwar den Einwand eines ungewollten Eingriffs in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB verstellen (Ob der Beurteilung).856 In der Beauftragung und Stellungnahme kann aber keine zur Rechtfertigung geeignete Einwilligung oder gar ein Verzicht des Emittenten auf seinen Rechtsgüterschutz unter dem Gesichtspunkt des allein von der Agentur zu bestimmenden Ergebnisses (Wie der Beurteilung) erkannt werden. Für den Volenti-non-fit-iniuria-Einwand bleiben Konstellationen, in denen der Emittent die Ratingagentur im Wege gezielter Desinformation zu eigenen Zwecken instrumentalisiert. Nach dem Wortlaut des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 EG-RatingVO ergibt sich in diesem Fall ein Haftungsausschluss, der möglicherweise auch als Mitverschuldensregel mit der Folge einer Reduzierung der Haftungsverantwortung auf null zu verstehen sein könnte.857 Soweit in solchen Fällen überhaupt eine Pflichtverletzung der Agentur und ein Schaden des Emittenten angenommen werden können, wäre sein Mitverschulden also als so überwiegend einzustufen, dass sich schon daraus ein Haftungsausschluss ergäbe.

II. Mitverschulden des Emittenten Der sachgerechte Umgang mit dem Mitverschuldenseinwand aus § 254 Abs. 1 BGB ist unerlässliche Weichenstellung für eine an Zielen der Informationsintegrität ausgerichtete Intermediärhaftung. Erfahrungen bestehen allein bei der Abschlussprüferhaftung. Mit Urteil von 2009 entschied der BGH, dass ein Mitverschulden der Geschäftsleiter analog § 31 BGB – ohne Entlastungsmöglichkeit des Emittenten – für den Prüfer den Einwand einer geminderten Binnenhaftung begründet.858 Zugrunde lag ein vorsätzliches Verhalten des Geschäftsführers, das der Prüfer – mit nahe an der groben Fahrlässigkeit liegender Pflichtwidrigkeit – nicht aufgedeckt hatte. Das Fehlen von Saldobelegen und die unklare Sachlage in Bezug auf Zahlungen des Geschäftsführers an sich selbst blieben im Prüfungsbericht unerwähnt und der Bestätigungsvermerk wurde ohne Einschränkung erteilt.859 Zur Bestimmung des Mitverschuldensanteils hielt der BGH eine Gesamtschau für geboten, in die auch bereits vor Beginn der Prüfung liegende Handlungen des Geschäftsführers einfließen können. Im genannten Fall führte dies zu einer Schadensteilung von einem zu zwei Dritteln zulasten des Prüfers.860 856 In diese Richtung bei Möglichkeit zur Stellungnahme des Emittenten Vetter WM 2004, 1701, 1707. 857 Zur näheren Einordnung noch im folgenden Abschnitt. 858 BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Tz. 54. 859 BGH (a. a. O., Fn. 858), Tz. 42 ff. 860 Nach dem zum Zeitpunkt noch nicht verabschiedeten IDW PS 302 hätte nur ein eingeschränkter Vermerk erteilt werden dürfen. Diese Pflicht ergibt sich aber auch ohne aus-

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Nach nur noch vereinzelt zu findender Auffassung folgt aus § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB, wonach die Geschäftsleiter durch die Pflichtprüfung von ihrer Verantwortung nicht entlastet werden, dass der Mitverschuldenseinwand bei Verletzungen der Auskunfts- und Vorlagepflicht durch die Geschäftsleiter aus § 320 Abs. 2 HGB zugunsten des Prüfers voll durchschlagen soll.861 Überwiegend wird demgegenüber unter Berücksichtigung der besonderen Kontrollaufgabe des Prüfers aus § 317 HGB und der Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane eine zurückhaltende Anwendung des Mitverschuldenseinwands gefordert.862 Selbst bei Vorsatz der Geschäftsführung soll es nicht manchen Stimmen zufolge zum gänzlichen Wegfall der Prüferhaftung kommen.863 Umstritten ist demnach allein, wie zurückhaltend der Mitverschuldenseinwand gehandhabt werden soll. In der Literatur setzt sich gestützt auf ökonomische und rechtsvergleichende Argumente zunehmend die Forderung nach einem vollständigen Ausschluss des Mitverschuldenseinwands durch.864 In jüngeren Stellungnahmen wird die Berufung des Abschlussprüfers auf das Mitverschulden des Emittenten mit dem eines Arztes verglichen, der Haftungsansprüchen wegen eines Kunstfehlers entgegenhält, der Patient wäre nicht zu Schaden gekommen, wenn er sich die zu behandelnde Verletzung nicht zuvor selbst zugefügt hätte.865 Die maßgebliche Überlegung, dass sich ein Prüfer nicht auf Fehler des Geprüften zurückziehen darf, ist seit Einführung der Abschlussprüfung im Jahr 1931 bekannt und wurde von Philipp Heck im Jahr 1935 mit bis heute weiterführenden Überlegungen herausgearbeitet.866 Der Ausschluss des Mitverschuldenseinwands führt allerdings zu der häufig nicht ausdrücklich genannten Konsequenz einer vollständigen Haftung des Intermediärs als einzig leistungsfähigem Schuldner (deep pocket liability).867 In den besonders problematischen Fällen vorsätzlichen Geschäftsführerverhaltens wird die Inanspruchnahme der Organhaftungsversicherung (D&O-Versicherung) wegen § 103 VVG scheitern. Zum Ausgleich der in diesen Fällen typischerweise in Rede stehenden hohen Schadenssummen fehlt dem Privatvermögen drückliche Anleitung aus den Pflichten des Abschlussprüfers; BGH (a. a. O., Fn. 858), Tz. 42 ff. 861 Beck BilanzKomm10-Schmidt / Feldmüller § 323 Rn. 123; MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 75. Ebenso Wölber Abschlussprüferhaftung, 2005, S. 64. 862 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 323 HGB Rn. 7. 863 BGH (a. a. O., Fn. 858), Tz. 56 f. 864 Koziol / W. Doralt in: FS P. Doralt 2004, S. 337, 345 ff. In diese Richtung auch Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 312. Vergleichend Doralt ZGR 2015, 266, 280 ff. sowie Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 309. 865 Koziol / W. Doralt in: FS P. Doralt 2004, S. 337, 345. 866 Heck AcP 140 (1935) 154, 166 ff., 168 (auszugsweises Gutachten noch zu einer freiwilligen Prüfung mit auf die Pflichtprüfung übertragbaren Überlegungen). 867 Dazu Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 102. Zur deep pocket liability oben 12. Kapitel: A.I.5 (S. 425).

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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der Geschäftsleiter die Masse.868 Große Intermediärorganisationen sind gegebenenfalls auch bei Ausfall des eigenen Versicherungsschutzes zum Schadensausgleich in der Lage, gehen dann aber beim Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426 BGB leer aus.869 Im Ergebnis führt die Versagung des Mitverschuldenseinwands also zu einer Quasiversicherung der Anteilseigner gegen den anteiligen Reparationsausfall infolge der Insolvenz der eigenen Geschäftsleiter. Der Prüfer trägt dann das gesamte Agenturrisiko, obwohl seine Leistung bloß Teilstück eines mehrgliedrigen Überwachungssystems aus Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfung ist.870 Die besseren Gründe sprechen trotz dieses letztlich nur scheinbaren Bruches871 mit dem Konzept arbeitsteiliger Verantwortung dafür, dem Abschlussprüfer, aber auch den weiteren Informationsintermediären wie Ratingagenturen und Finanzanalysten die Berufung auf das Mitverschulden des Emittenten zu versagen. Maßgeblich ist nicht der Gedanke der dadurch (ohnehin nicht sicher) zu erzielenden vollständigen Reparation, sondern – wie sogleich zu zeigen sein wird – eine auf den Schutz der Informationsintegrität des Kapitalmarkts gerichtete Anreizsteuerung. Der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist allerdings nicht entgegenzuhalten, dass der Mitverschuldenseinwand die Haftungsgefahr des Intermediärs bei zunehmender Schwere der Geschäftsleiterverfehlung senkt.872 Wenn das Gericht im entschiedenen Fall von 2009 selbst bei Vorsatz des Geschäftsleiters eine Haftungsverantwortung des fahrlässigen Prüfers von zwei Dritteln annimmt, wird bei bloßer Fahrlässigkeit der Geschäftsleitung kaum ein milderes Ergebnis zu erwarten sein. Mangels gezielter Verdeckung müsste im Wege des Erst-RechtSchlusses vielmehr eine höhere Aufdeckungsmöglichkeit angenommen und dem Prüfer eine entsprechend größere Verantwortung zugewiesen werden, z. B. drei Viertel des Schadens.873 Nur wenn der genannten Literaturauffassung874 gefolgt würde, nach der sich Verletzungen der Auskunfts- und Vorlagepflichten für den Prüfer haftungsmindernd auswirken, käme es zu dem im eigentlichen Sinne dysfunktionalen Anreiz des Prüfers, vorrangig zu groben Pflichtverletzungen beizu868 Kurz Bachmann Gutachten E, 70. DJT 2014, S. E39. Mit Darstellung der selbst bei D&O-Versicherung verbleibenden Risiken der Überforderung des Privatvermögens der Geschäftsleiter Wagner ZHR 178 (2014) 227, 248. 869 Zum Gesamtschuldnerinnenausgleich noch 12. Kapitel: G.I (S. 549). 870 Deshalb für einen pauschalen Mitverschuldensabschlag Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 309. 871 Dazu noch sogleich in diesem Abschnitt. 872 So aber Doralt ZGR 2015, 266, 281 f. Wohl auch Wagner in: Callies (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S. 307, 312. Aus dem Blickwinkel der Proportionalhaftung auch Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 234, 307. 873 Tendenziell für gleichmäßige Aufteilung aber MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 74; Quick BB 1992, 1675, 1676, jeweils mit Fallgruppenbildung. Siehe weiter Sommerschuh Berufshaftung und Berufsaufsicht, 2003, S. 183 f.; Wölber Abschlussprüferhaftung, 2005, S. 63. 874 Nachw. Fn. 861.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

tragen (perverse incentives).875 Festzuhalten ist, dass dieses Ergebnis in der Rechtsprechung des BGH gerade nicht angelegt ist. Die Versagung des Mitverschuldenseinwands ist in Fortentwicklung der vom BGH zugrunde gelegten Argumente aus der kommerziellen Inanspruchnahme verfestigter Informationskanäle und der damit verbundenen Verantwortung für die Informationsintegrität des Kapitalmarkts herzuleiten. Dem wird das auch historisch aus der internationalen Diskussion um die Pflichten des Abschlussprüfers bekannte Argument entgegengehalten werden, wonach die Prüfung ohne besondere Anhaltspunkte nicht auf die Aufdeckung potentiell strafbaren Verhaltens auszurichten ist.876 Prüfungs- und Kontrollverantwortung besteht jedoch gerade in Bezug auf schwerwiegende Verfehlungen, zu denen strafbare Verfehlungen zweifelsohne zu zählen sind. Für die interne Corporate Governance ist dies zunehmend als allgemeiner Grundsatz anerkannt. In Bezug auf die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats weichen frühere Überlegungen zu einer nur bei Verdachtsmomenten gesteigerten Überwachungsverantwortung877 der Erkenntnis, dass ohne umfassende Information, darunter gegebenenfalls stichprobenartige Prüfungen etwa zu Veruntreuungen, kein i. S. d. § 111 Abs. 1 AktG hinreichend sicheres Bild von der Geschäftsführung zu erlangen ist.878 Das ist schon deshalb überzeugend, weil ohne anlassunabhängige Prüfungen Verdachtsmomente erst gar nicht entstehen können. Auch ohne dahingehende Vertragserweiterung muss der Prüfer kraft seines gesetzlichen Auftrags zu den für die Erteilung des Bestätigungsvermerks maßgeblichen Informationen Beurteilungssicherheit erlangen. Früher mögen insoweit etwa im Vereinigten Königreich anders als in Australien noch Unsicherheiten bestanden haben.879 Die durch Prüfungsstandards ausgeformten Pflichten des Prüfers verlangen heute insbesondere bei hohen, unsicheren oder unklaren Positionen des Jahresabschlusses nach Einholung entsprechender Nachweise.880

Zu den gleichwohl festzustellenden dysfunktionalen Anreizen oben 12. Kapitel: A.I.5 (S. 425). 876 So vor allem MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 106 mit Nachw. zur instanzengerichtlichen Rechtsprechung. Zur Entwicklung der Diskussion 5. Kapitel: A.III.3 (S. 73 ff.). 877 An der gleichwohl bei verschlechterter wirtschaftlicher Situation oder Anhaltspunkten auf Fehlverhalten erforderlichen Intensivierung der Überwachung ändert dies natürlich nichts. Grundlegend zur „abgestuften Überwachung“ Semler Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl., 1996, Rn. 231 ff. 878 Roth AG 2004, 1, 3 f. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht Theisen Zfbf 2009, 530, 540 sowie ders. ZGR 2013, 1, 13. Eingehend Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 40 ff., 218. Zu treibendenden Entwicklungen im Aufsichtsrecht ders. / Schmidt AG 2013, 533, 542. 879 Zum Ganzen Halpern in: Powell / Stewart (Hrsg.), Jackson & Powell on Professional Liability, 7. Aufl., 2012, 3rd supplement, 2015, Rn. 17-053 unter Hinweis auf Re London and General Bank (No. 2) [1895] 2. Ch. 673, 683 CA (watchdog, not bloodhound) sowie Re Kingston Cotton Mill Co. (No. 2) [1896] 2. Ch. 279 CA. 880 BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Tz. 45, 47. 875

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Speziell zum Mitverschuldenseinwand rücken weitere rechtsvergleichende Erfahrungen in den Blick:881 Der österreichische OGH882 schloss in seiner Grundsatzentscheidung von 2000 in weitgehender Übereinstimmung mit der dortigen Literatur883 den Mitverschuldenseinwand gerade unter dem Gesichtspunkt der Aufgabe des Prüfers aus, vorsätzlich strafbare Handlungen des Vorstandes zu verhindern. Die Rechtslage im Vereinigten Königreich mag noch unklar sein.884 Bei einem Ein-Mann-Verwaltungsrat885 (one man board) wurde der Mitverschuldenseinwand zwar mit einer Mehrheitsentscheidung von zwei zu eins gewährt, allerdings unter erkennbarer Bereitschaft zur Korrektur außerhalb dieser Sonderkonstellation.886 In Frankreich wurde der Mitverschuldenseinwand in übertragbaren Gestaltungen einer Fahrlässigkeitshaftung der Organmitglieder (conseil d’administration) trotz erwiesenen Vorsatzes des Verwaltungsratsvorsitzenden (directeur général) versagt.887 Zutreffend erscheint eine vollständige Versagung des Mitverschuldenseinwands. Zu begründen ist dies mit der Rolle der Informationsintermediäre. Die Intermediäre tragen eine dem Funktionsschutz dienende Verantwortung für die private Marktzugangskontrolle (gatekeeping). Die in den schwerwiegenden Fällen vorsätzlicher Desinformation durch die Geschäftsleiter faktisch auf die Intermediärorganisation zukommende volle Reparation ändert diesen Befund nicht. Zum Bruch mit der Verantwortungsteilung kommt es nicht, weil der Intermediär lediglich auf die Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgabe verpflichtet bleibt. Zum einen bieten die unter dem Gesichtspunkt vorsichtiger Aussagen (bespeaks doctrine)888 und der noch zu besprechenden berufs- oder aufsichtsrecht881 Doralt ZGR 2015, 266, 273 ff.; Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 97 ff. 882 OGH, Entscheidung v. 23.10.2000 – 8 Ob 141/991 u. a., ÖBA 2001, 560: „Zunächst ist der […] Auffassung entgegenzutreten, vom Zweck der Abschlussprüfung sei die Aufdeckung vorsätzlicher strafbarer Handlungen des Vorstandes zum Schaden der Gesellschaft nicht umfasst […]. Der Prüfbericht […] hat daher auch den Zweck, eine vorsätzlich unrichtige Rechnungslegung des Vorstandes zum Schaden der Gesellschaft aufzudecken und damit eine weitere Schädigung der geprüften Gesellschaft durch weiteres rechtswidriges Verhalten des Vorstands zu verhindern.“ Näher Doralt Haftung der Abschlussprüfer, 2005, S. 92 ff., 96. 883 Umfangreiche Nachw. bei Doralt ZGR 2015, 266, 273 f. sowie bei Koziol / W. Doralt in: FS P. Doralt 2004, S. 337, 346; Gelter RdW 2001, 69, 71. Siehe auch Heinrich Bonitätsprüfung im Verbraucherkreditrecht, 2014, S. 184 f. Zur Gegenansicht noch Bydlinski in: FS Ostheim 1990, S. 349, 370, Fn. 77. 884 Halpern in: Powell / Stewart (Hrsg.), Jackson & Powell on Professional Liability, 7. Aufl., 2012, 3rd supplement, 2015, Rn. 17-086 ff. mit Versuch der Kriteriengewichtung. 885 Moore Stephens v. Stone Rolls [2009] UKHL 39 mit abweichendem Votum von Lord Mance. Ebenso Davies / Worthington Gower’s Principles of Modern Company Law, 10. Aufl., 2016, Rn. 22-41. 886 In diese Richtung Ferran in: FS Hopt 2010, Bd. 1, S. 645, 652 f. Vergleichend Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 99. 887 Cour de Cassation, Urt. v. 31.3.2011 – 09-13975 u. a. 888 Dazu 12. Kapitel: B.I.2 (S. 466).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

lichen Regeln zum Umgang mit Zweifelsfragen hinreichende Möglichkeiten zum Absatz der Intermediationsleistung trotz möglicher Unsicherheit. Der Prüfer hat den Bestätigungsvermerk einzuschränken, Ratingagenturen und Finanzanalysten haben auf Zweifel hinzuweisen.889 Zum anderen – und wichtiger – werden den Intermediären bei Wegfall des Mitverschuldenseinwands tendenziell vollständige Anreize zur Ausfüllung ihrer Rolle vermittelt, die darin besteht, rigoros auf die Informationsintegrität des Kapitalmarkts hinzuwirken. Gerade bei unsicherer Informationslage dürfen sie sich nicht auf eine Mitverantwortung des Emittenten zurückziehen können, sondern haben für eine ordnungsgemäße Offenlegung ihrer Informationsgrundlage zu sorgen und von einer potentiell drittschädigenden Veröffentlichung der nicht hinreichend gesicherten Beurteilung abzusehen. Die Ablehnung des Mitverschuldenseinwands ist im besprochenen Urteil des BGH von 2009 bereits angelegt. Deutlich wird dies etwa an der Aussage, nach der die Einholung einer Vollständigkeitserklärung von der Geschäftsleitung keinen Ersatz für eigene Prüfungshandlungen bietet.890 Für den Ausfall dieser eigenen Prüfungshandlung haften Abschlussprüfer und in den entsprechenden Konstellationen ebenso die weiteren Informationsintermediäre. In Teilen verschiebt sich das Problem damit zurück auf die Bestimmung der Pflichten zum Umgang mit den vom Emittenten vermittelten Informationen. Für Ratingagenturen lassen sich zwar aus Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO Pflichten (mindestens) zu einer Plausibilitätsprüfung ableiten. Gleichwohl kommt es nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 EG-RatingVO nur zur Haftung gegenüber dem Emittenten, wenn „die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Ratingagentur direkt oder aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen irreführend oder falsch informiert hat“. Offen ist, ob es sich um einen echten Haftungsausschluss bei Mitverschulden (contributory negligence) handelt oder ob den nationalen Gerichten im Rahmen ihrer durch Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO gewährten Konkretisierungskompetenz eine graduelle Berücksichtigung des Mitverschuldens (comparative negligence) erlaubt ist. Für Letzteres spricht, dass das Fehlverhalten der Agentur nur dann i. S. d. Vorschrift auf die Desinformation durch den Emittenten „zurückzuführen ist“, wenn die Irreführung oder Fehlinformation nicht mit den der Agentur eigenen Prüfungs- oder Plausibilisierungsmöglichkeiten aufgedeckt werden konnte. In diesen Fällen wäre allerdings regelmäßig schon keine Pflichtverletzung zu begründen. Praktisch relevant wird die Problemstellung infolgedessen kaum. Eine dem Emittenten zurechenbare Fehlinformation führt in aller Regel nicht zu einer zu negativen, sondern zu einer zu positiven Beurteilung. Geschädigt wird dadurch nicht der Emittent, jedenfalls nicht unmittelbar, sondern ein Dritter. Dies leitet zu dem im Folgenden zu behandelnden Einwand des Mitverschuldens Dritter über. 889 890

Im Einzelnen 13. Kapitel: A.III.3.a (S. 591). BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Tz. 45.

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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III. Mitverschulden des Drittgeschädigten Der Einwand des Mitverschuldens des geschädigten Dritten führt nach allgemeiner Regel zur Minderung der Ersatzpflicht. Anders als beim Einwand des Mitverschuldens von Organmitgliedern entstehen durch diese Schadensminderung keine von vornherein dysfunktionalen Anreizstrukturen.891 Vielmehr werden dem Dritten die gebotenen Anreize vermittelt, sich des Aussagegehalts und der Reichweite der erhaltenen Information zu vergewissern. Im größeren Zusammenhang wird dadurch den in unterschiedlicher Art und Weise auftretenden Erwartungslücken entgegengetreten und dem Mehrebenensystem miteinander verschränkter, aber eben arbeitsteilig erbrachter Leistungen Rechnung getragen.892 Zulasten des Geschädigten wirken sich etwa das zu weit gehende Verständnis des Prüfertestats als Garantie einer insgesamt guten Corporate Governance des Emittenten, die Einordnung der Bonitätsbeurteilung als Anlageempfehlung oder der Finanzanalyse als Anlageberatung aus. Diese Wirkung treibt Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO noch einen Schritt weiter. Verlangt wird der Nachweis, dass sich der Anleger „in vertretbarer Weise im Einklang mit Artikel 5a Abs. 1 oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat“. Die Vorschrift ist als tatbestandliche Haftungsvoraussetzung und Beweislastregel konzipiert, schließt den Mitverschuldenseinwand aber nicht aus. In der Sache führt sie zu einem Haftungsausschluss bei qualifiziertem Mitverschulden des Geschädigten. Im Hintergrund steht das Vorhaben der Europäischen Kommission, das durch regulatorische Inbezugnahmen angeleitete übermäßige Vertrauen der Marktteilnehmer auf Bonitätsbeurteilungen zurückzufahren.893 Mit Art. 5a EG-RatingVO wurde dazu die Pflicht von Finanzinstituten aufgenommen, sich nicht ausschließlich auf externe Ratings zu stützen, sondern auch eigene Kreditrisikobewertungen vorzunehmen. Praktische Konsequenzen hat dies insbesondere für die Gestaltung der Anlageleitlinien institutioneller Investoren, nach denen bei Ratinganpassungen Änderungen der Zusammensetzung des Portfolios erforderlich werden.894 Bei Errichtung eines Automatismus wird der Nachweis gebührender Sorgfalt nicht erbracht werden können.895 Umgekehrt erkennt die EG-RatingVO, dass die Agenturen über Informationen verfügen, die selbst institutionellen Anlegern nicht zugänglich sind, und auch, dass insbesondere kleinere Anleger kaum in der Lage sein werden, ein Rating kritisch zu hinterfragen.896 In der jüngeren US-ameSo auch das Verständnis im europäischen Ausland Schattka Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung, 2012, S. 100. 892 Grundlagen bei Schäfer / Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl., 2012, S. 247 ff., 262. 893 Erwägungsgründe 2 ff., 9 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 894 Dazu 5. Kapitel: C.I.4 (S. 122). 895 Schroeter Ratings, 2014, S. 951 f. 896 Erwägungsgrund 36 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 891

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

rikanischen Rechtsprechung wird die Informationsüberlegenheit der Agenturen infolge der bei Auftragsratings vom Emittenten zur Verfügung gestellten Informationen betont.897 Konkret wegen dieser Informationsüberlegenheit wird angenommen, der Anleger dürfe sich auf das Rating verlassen (reasonable reliance). In der Übertragung dieses Gedankens wird eine Chance für den sachgerechten Umgang mit den nach der unionsrechtlichen Haftungsnorm an den Anleger zu stellenden Sorgfaltsanforderungen erkannt.898 Die Übertragung ist auch insoweit nicht unproblematisch. Den US-amerikanischen Entscheidungen lagen Klagen wegen des Ausfalls strukturierter Finanzprodukte zugrunde, zu denen typischerweise nur ein Rating erstellt, so wie auch nur ein Abschlussprüfertestat erteilt wird. Im Markt für Anleiheratings liegen demgegenüber zumeist mindestens zwei Beurteilungen vor (Zwei-plus-Usance). Aussagen der Finanzanalysten sind zumeist von weiteren, gegebenenfalls auch gegenläufigen Auffassungen begleitet. In allen Fällen besteht der zur kommerziellen Absatzfähigkeit der Intermediationsaussage führende Nutzen des Anlegerpublikums gleichwohl darin, nicht nur eine Sammlung gegebenenfalls sogar öffentlich verfügbarer Informationen zu übernehmen, sondern diese verlässlich auszuwerten. Professionelle Informationsdienstleister, die mit diesem Versprechen am Markt auftreten, sollten sich nicht darauf zurückziehen können, der Geschädigte habe auch selbst eine Informationsauswertung vornehmen können. Bei offensichtlich falschen Beurteilungen mag anders zu entscheiden sein. Wie die Erfahrungen mit der plötzlichen Herabstufung der Thyssen-Krupp-Anleihe nach Methodenänderung von Standard & Poor’s im Jahr 2003 nahe legt, ist aber kaum von einer Möglichkeit der Anlegerschaft auszugehen, zwischen methodenbedingten Anpassungen und an Fundamentaldaten ausgerichteten Andersbeurteilungen zu unterscheiden.899

G. Gesamtschuld und Rückgriff Für die Skandalfälle sind zum einen dysfunktionale interne Überwachungsstrukturen, zum anderen aber auch das Versagen nicht nur einzelner, sondern sämtlicher Informationsintermediäre kennzeichnend. Das gilt für die US-amerikanischen Erfahrungen bei Enron und Worldcom und ebenso für den europäischen Fall Parmalat. In der interdisziplinären Diskussion wird mit einer nach individuellen Verschuldensanteilen bemessenen Haftung mehrerer Informations897 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley 888 F. Supp. 2d 431, 462 ff. (SDNY 2012): „plaintiffs had no choice but to rely on the ratings and thus reliance may be presumed“. Bestätigt in King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank 916 F. Supp. 2d 442, 452 (SDNY 2013). 898 Schroeter Ratings, 2014, S. 951. 899 Näher zur Herabstufung der Thyssen-Krupp-Anleihe Schroeter Ratings, 2014, S. 85, allerdings abweichend von der vorliegenden Folgerung, ebd. S. 951.

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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intermediäre (multiple gatekeepers) die Hoffnung auf Erträge aus einer wechselseitigen Kontrolle verbunden.900 Im primärmarktlichen Kontext kann diese Funktion insbesondere durch die Investmentbank übernommen werden, bei der die Prospektinformationen zusammenlaufen und die selbst prospektverantwortlich und haftungspflichtig ist. Im sekundärmarktlichen Kontext fehlt es an einer solchen die Informationen bündelnden Instanz. Rechtlich sind die Chancen auf eine wechselseitige Kontrolle durch das Entstehen eines Haftungsverbunds, also Gesamtschuld und Rückgriff, bedingt.901 Zu unterscheiden sind zwei mögliche Haftungsverbünde: erstens der zwischen Intermediär und Emittenten,902 zweitens der zwischen mehreren Intermediären.903

I. Intermediär und Emittent In der zuerst genannten Konstellation der Organeigenhaftung wird nach der Rechtsprechung des BGH allerdings das Mitverschulden des Organmitglieds bereits nach § 254 Abs. 1 BGB auf die Ersatzpflicht des Intermediärs angerechnet.904 Der Rückgriffsanspruch des Intermediärs mindert sich in entsprechender Höhe. Nach zutreffender Gegenansicht ist dem Intermediär die anteilige Haftungsentlastung wegen Mitverschuldens von Organmitgliedern des Emittenten hingegen versagt.905 Ohne ein für die Annahme der Mittäterschaft erforderliches planmäßiges Zusammenwirken liegt dann eine Nebentäterschaft vor.906 Nach der Rechtsprechung des BGH von 2009 ist bei Vorsatz der Geschäftsleiter gegenüber bloßer Fahrlässigkeit des Intermediärs eine Haftungsteilung im Verhältnis von eins zu drei zulasten des Intermediärs vorzunehmen.907 Nach § 426 BGB kann der Intermediär den Haftungsanteil des Organmitglieds diesem gegenüber im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs oder als Freistellungsanspruch geltend machen.908 Die bereits besprochene Folge ist eine Verlagerung des Risikos der Insolvenz des Organmitglieds auf den Intermediär.909 Zu dem für die zweite Konstellation ausschlaggebenden bloßen Beitrag ohne Eigenhaftung des Emittenten kann es kommen, wenn dem Intermediär fehlerhafte Informationen vermittelt werden. Angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an das Verschulden nach Spezialgesetz, Vertrags- und Deliktsrecht kann dieses Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1628 (2010). Instruktive Graphik zu den Haftungsverhältnissen bei Seibt ZGR 2006, 501, 526 (zur Finanzanalyse). 902 Abschn. I. 903 Abschn. II (S. 550). 904 BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Tz. 54. 905 Dazu soeben 12. Kapitel: F.II (S. 541). 906 Zur Abgrenzung MünchKommBGB7-Wagner § 830 Rn. 15, § 840 Rn. 2. 907 BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Tz. 59. 908 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 80. 909 Siehe 12. Kapitel: F.II (S. 541). 900 901

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Haftungsergebnis ohne Wertungskorrektur auf mannigfaltige Weise eintreten.910 Zu einem Haftungsverbund im eigentlichen Sinne kommt es dann nicht. Den allgemeinen Regeln folgend kann der Intermediär dem Emittenten gegenüber aber nach §§ 280, 31 analog BGB die fahrlässig falsche Information der Organmitglieder entweder als Schadensersatzanspruch nach erfolgter Reparation gegenüber dem Dritten oder im Vorfeld als Freistellungsanspruch geltend machen. Soweit es im Rahmen von unbeauftragten Rating- oder Finanzanalyseleistungen überhaupt zu einem Informationsaustausch mit dem Emittenten kommt, könnte an einen entsprechenden Ausgleich nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, also nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zu denken sein.

II. Intermediäre untereinander (multiple gatekeepers) Zu Rückgriffsansprüchen der Intermediäre untereinander kommt es nur im Ausnahmefall. Bislang sind Lösungen der damit verbundenen Probleme noch nicht erschlossen. Wenige, auf allgemeine Grundsätze zurückgreifende Überlegungen müssen vorerst genügen. Die in der internationalen Literatur zu findende Hoffnung auf eine verbesserte Anreizsteuerung durch Haftungsverbünde zwischen den Intermediären (multiple gatekeepers)911 werden sich auf diesem Stand kaum erfüllen. Die im Grundsatz zutreffende Überlegung zur Schaffung von Haftungsverbünden gründet auf der auch hier geteilten Annahme, nach der die Leistungen der besprochenen Informationsintermediäre erst in ihrer Gesamtheit den Informationsbestand des Kapitalmarkts ausmachen. Zu verdeutlichen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen an drei Konstellationen: erstens der Prospekthaftung, zweitens der sekundärmarktlichen Verantwortungsteilung und zuletzt der Abgabe gleichermaßen fehlerhafter Intermediationsleistungen durch mehrere Intermediäre. Prospektverantwortlich sind die Informationsintermediäre nur bei Übernahme dahingehender Verantwortung, nach anderer Ansicht für die von ihnen betreuten Teile des Dokuments.912 Selbst bei in der Praxis bislang nicht üblicher, aber durchaus denkbarer wechselseitiger Bezugnahme auf die Leistung des jeweils anderen verbleibt es bei der auch im sekundärmarktlichen Zusammenhang maßgeblichen Arbeitsteilung und getrennten Verantwortung. Eine Ausnahme käme allenfalls in Betracht, wenn sich der eine Intermediär die Beurteilung des jeweils anderen zu eigen machte. Auch dann läge aber ein Verstoß gegen die eigenen Pflichten und kein durch Haftungsrecht zu sanktionierendes Zusammenwirken vor.

Etwa bei Ausschluss der Prospekthaftung des Emittenten nach § 23 WpPG (grobe Fahrlässigkeit) aber Haftung des Abschlussprüfers aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (einfache Fahrlässigkeit). 911 Tuch 96 Va. L. Rev. 1583, 1628 (2010). 912 Dazu 12. Kapitel: C.III.2.a (S. 497). 910

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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Im sekundärmarktlichen Kontext wird die trotz faktischer Arbeitsteilung geltende Grundregel der haftungsrechtlichen Einzelverantwortung noch deutlicher: Eine positive Fortbestehensprognose darf der Abschlussprüfer auch bei vernichtender Ratingeinstufung abgeben. Er hat öffentlich verfügbare Ratings oder ihm anderweitig zugetragene Bonitätsbeurteilungen zwar zu berücksichtigen, muss sich aber ein eigenes Urteil bilden. Die Einschätzung der Agenturen kann falsch sein, ebenso die des Abschlussprüfers. Auch bei positiver Fortbestehensprognose des Abschlussprüfers ergibt sich umgekehrt nicht, jedenfalls zwingend, eine Verpflichtung der Ratingagentur zur Verbesserung der Bonitätsnote. Finanzanalysten können zu der Einschätzung gelangen, dass sich künftige Änderungen der Marktlage positiv auswirken werden, und dementsprechend trotz Negativbewertung anderer Informationsintermediäre zu einer Kaufempfehlung gelangen. Entscheidend ist, dass die für die jeweilige Leistung geltenden prozeduralen Pflichten und Vertretbarkeitsgrenzen eingehalten werden. Ist dies der Fall, kann weder aus der maßgeblichen Berücksichtigung noch aus der bewussten Entscheidung zur Abweichung von der jeweils anderen Leistung eine Haftungsgefahr resultieren. Bei zeitnah oder parallel erbrachten Leistungen ist ein Haftungsverbund denkbar. Die Mittäterschaft, also das gezielte und planmäßige Zusammenwirken i. S. d. § 830 Abs. 1 Satz BGB, führt zur anteiligen Haftung. Schwerer zu beurteilen sind Konstellationen einer Neben- und Alternativtäterschaft. Die Nebentäterschaft ist gekennzeichnet durch mehrere nicht verabredete Beiträge zu demselben Schadensereignis, wobei jeder Beitrag nachweislich conditio sine qua non für den Schadenseintritt sein muss.913 In der Rechtsfolge kommt es nach §§ 840, 421, 426, 254 Abs. 1 Satz 1 BGB zur gesamtschuldnerischen Haftung im Außenverhältnis und zum Innenausgleich nach Maßgabe der einzelnen Verschuldensanteile. Praktische Bedeutung hat die Nebentäterschaft ebenso wie die sogleich zu besprechende Alternativtäterschaft angesichts der Eigenheiten des Kausalitätsnachweises auf kapitalmarktbezogenen Informationsmärkten. Nachweisbare Kursausschläge sind besonders bei parallelen Einschätzungen zu Fortbestehen, guter Bonität und positiver Erwerbsopportunität zu erwarten. Mit Ereignisstudien wird sich feststellen lassen, ob bzw. dass sich die Beurteilungen insgesamt ausgewirkt haben. Mit der Isolierung der Verursachungsbeiträge im Einzelnen können Ereignisstudien hingegen methodisch überfordert sein. Dannn gelingt die für die Nebentäterschaft erforderliche Unterscheidbarkeit der Verursachungsbeiträge nicht Unter diesen Umständen kommt es zur Anwendung der für die Alternativtäterschaft geltenden Regeln, nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer der Mittäterschaft entsprechenden Haftungsverantwortung. In der Sache wird also das Risiko der Unaufklärbarkeit einer Gruppe potentieller Schädiger zugewiesen. Jeder der Intermediäre kann hiernach auf den vollen Schaden in Anspruch genommen 913

MünchKommBGB7-Wagner § 840 Rn. 2.

552

Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

werden. Dabei steht den einzelnen Intermediären ein Rückgriffsanspruch bzw. ein Anspruch auf anteilige Schuldbefreiung nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB untereinander und gegenüber weiteren Schädigern zu.914 Mit der kumulativen Verantwortung mehrerer Informationsintermediäre bestehen bislang keine Erfahrungen. Zumeist werden schon die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung nicht gegeben sein, insbesondere dann nicht, wenn der einzelne Intermediär die Einhaltung seiner Pflichten belegen kann. Kommt es zur Haftung aus Alternativtäterschaft, wirft nicht der im Außenverhältnis unbeschränkte, sondern der im Innenverhältnis nach Verschuldensbeiträgen zu bemessende Gesamtschuldnerausgleich die am schwersten zu beantwortende Frage auf.915 Pflichtverletzungen des Abschlussprüfers werden angesichts seiner besonderen Verantwortung als einzigem im Wege des Intermediationsobligatoriums verpflichtend heranzuziehenden und zusätzlich durch engmaschiges Berufsrecht angeleiteten Informationsintermediär im Regelfall schwerer wiegen müssen als die der weiteren, allein kraft privater Entscheidung in Anspruch genommenen Intermediäre. Empirisch vergleichende Vermessungen zur relativen Bedeutung der einzelnen Intermediationsleistungen stehen aus oder sind noch nicht hinreichend belastbar.916

H. Intermediärhaftung als Gestaltungsaufgabe (Zusammenfassung) 1. Die Intermediärhaftung bleibt Gestaltungsaufgabe. Festzuhalten ist die Bedeutung der Haftungsdiskussion als Auslöser und Wegbegleiter der seit den 1980er-Jahren intensiv geführten Diskussion um die private Marktzugangs-kontrolle (Abschnitt A, S. 407 ff.): Zu weiten Teilen ist die Haftungsdiskussion Reformdebatte und Suche nach Gestaltungsvorgaben. Nach wie vor bestehen Unsicherheiten bei der Zuordnung von Verantwortung innerhalb des durch mehrere Ebenen der Informationsvermittlung (Emittenten, Intermediäre des Kapitalmarkts und Berater) bestellten Informationsgefüges und den daraus abzuleitenden Folgerungen für ein der (notwendigen) Arbeitsteilung gerecht werdendes Haftungsrecht. Vorwiegend in der US-amerikanischen Literatur zu findende Vorschläge einer verschuldensunabhängigen Haftung haben sich zu Recht nicht durchgesetzt, weil damit keine an die einzelne Intermediationsleistung geknüpfte und für das aus einer Vielzahl von Einzelleistungen zusammengesetzte Informationsgefüge taugliches Haftungsregime zu schaffen ist. Die Ersatzfähigkeit fahrlässig verursachter reiner Vermögensschäden am Sekundärmarkt ist mit Ressourcenschäden zu begründen, die bei fehlender Verlässlichkeit von Vertrauensinstitutionen aus den dann unvermeidbaren Informa914 Zur Abschlussprüfung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 80 allerdings im Zusammenhang mit dem Mitverschulden des Emittenten. 915 Grundlagen bei MünchKommBGB7-Wagner § 840 Rn. 14 ff. 916 Zum Kenntnisstand 7. Kapitel: A.I.2 (S. 180).

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

553

tionskosten einer Vielzahl von Marktteilnehmern resultieren. Im Grundsatz kommt kein unterschiedlicher Verschuldensmaßstab für Partei- und Dritthaftung in Betracht, weil sonst Zweifelsfragen einseitig aufgelöst und Spielräume bei Informationssuche und -auswertung nur in eine Richtung gedehnt werden. Gerade wegen dieser Spielräume und zusätzlich der (partiellen) Methodenautonomie bei probabilistischen Aussagen werden einfach fahrlässig verursachte Schäden allerdings von vornherein selten für die Dritthaftung relevant werden. Sie werden kaum zu einer Bewertungsänderung führen (z. B. Einschränkung des Vermerks, Downgrade, Verkaufsempfehlung). Erst größere Fehlbeurteilungen wirken sich feststellbar kursbeeinflussend aus. Faktisch läuft dies auf den Maßstab der groben Fahrlässigkeit hinaus, so wie in Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO verankert. Eine Angleichung des Verschuldensmaßstabs der Parteihaftung, z. B. der Abschlussprüferbinnenhaftung für einfache Fahrlässigkeit nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, erscheint nicht geboten. Kleinere Fehler können sich zwar theoretisch auf die interne Mittelallokation auswirken, sie führen aber kaum zu feststellbaren Kursbeeinflussungen. Eine Herstellung vollkommener Anreizsymmetrie zwischen Partei- und Dritthaftung ist deshalb nicht erforderlich. Gerichtlich feststellbar sind leicht fahrlässige Verstöße von vornherein nur bei einem detailliert vorgegebenen Pflichtenprogramm. In diesem Sinne anerkannte Prüfungsgrundsätze existieren bislang nur für die Abschlussprüfung. Das Alles-oder-nichts-Prinzip einer zwar verschuldensabhängigen Haftungsbegründung, aber sodann unbegrenzten Haftungsfolge nach geltendem Recht führt (auch bei Zulassung des Mitverschuldenseinwands) zu einer Übermaßhaftung. Aufzufangen ist dies durch Haftungsbegrenzungen, für die sich gesetzliche Haftungshöchstsummen anbieten. Zur Geltung kommen sämtliche Maßnahmen nur bei Anwendbarkeit des europäischen oder nationalen Rechts. Insgesamt ist anerkannt, dass durch Haftung allein keine Austarierung der ökonomisch in Sorgfalts- und Aktivitätsniveau zu unterteilenden Tätigkeit der Informationsintermediäre zu erzielen ist. Die Haftung ist also nur ein, wenngleich ein wichtiges Element eines leistungsfähigen Rechts der Informationsintermediation, das neben berufsrechtliche und regulatorische Pflichten tritt und mit diesen kommuniziert. Die Bestandsaufnahme fördert in Bezug auf die (entscheidende) Dritthaftung ein für primärmarktliche Sachverhalte ausgebautes Recht der Abschlussprüferhaftung zutage, dessen Erträge prinzipiell auf andere Intermediationsleistungen übertragbar sind. Bei der phänomenologisch wichtigeren Sekundärmarkthaftung fällt die deutsche Abschlussprüferhaftung hinter der in Österreich zurück, entspricht aber weitgehend der auch in den USA und dem UK zu beobachtenden Zurückhaltung. Die Sekundärmarkthaftung der Ratingagenturen befindet sich im Wandel. Treibend sind die erneut bedrückenden Erkenntnisse zum Fehlverhalten der Agenturen (Finanzmarktkrise 2008), die darauf folgende Klagewelle in den USA und anderswo (nicht in Deutschland) und die auch in der Europäischen Union

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

aufkommende Regulierung (EG-RatingVO 2009). Die lange als sicher geglaubte Haftungsabschirmung der Ratingagenturen ist im Ausland und in Europa durch Gesetz und Rechtsprechung eingerissen (US Dodd-Frank Act 2010, Art. 35a EG-RatingVO; aus der Rechtsprechung nur der Fall Bathurst, Australien 2014). Die Finanzanalyse hat sich vergleichbaren Vorstößen im Haftungsrecht bislang nicht zu stellen. Insgesamt ist eine zwar dogmatisch nicht leicht einzufassende, aber im Ergebnis richtige Orientierung am sogenannten Haftungsstandard zu verzeichnen, der bei berufsmäßigem Auftreten am Markt andere Ergebnisse zeitigen muss als im Zwei-Personen-Verhältnis und sich auch deshalb letztlich unabhängig vom dogmatisch einzupassenden Haftungsgrund herausbildet. Zur bislang selten praktisch relevant gewordenen Haftung der Finanzanalysten stellen sich strukturell ähnliche, wenn auch nicht vergleichbar drängende Fragen. 2. Die Parteihaftung (Abschnitt B, S. 462 ff.) vermag, zumindest reflexartig, Anreize zur Wahrung der Informationsintegrität hervorzubringen. Bei der Haftung gegenüber dem Emittenten werden dadurch allerdings bestenfalls Beeinträchtigungen infolge einer zu negativen Beurteilung verstellt. Die Haftung gegenüber Abonnenten von Ratings und Finanzanalysen vermag demgegenüber zu einer Verhaltenssteuerung in beide Richtungen beizutragen, also auch zu hohe Bewertungen zu unterbinden. Im Umgang mit probabilistischen Aussagen legen die Gerichte ganz zutreffend die aus der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung bekannten Regeln zugrunde, fordern also, dass die an die Markterwartung geknüpften prozeduralen Erstellungspflichten eingehalten und die Grenzen der Vertretbarkeit im Beurteilungsergebnis nicht überschritten werden. Zunehmend ausgefüllt werden diese Anforderungen durch Berufsrecht und Regulierung. 3. Kernproblem der haftungsrechtlichen Steuerung ist die Dritthaftung (Abschnitt C, S. 472 ff.). Durch unbeauftragte Leistungen geschädigte Emittenten können sich nur im engen Ausnahmefall, etwa bei unzutreffender Anprangerung oder Schmähkritik, auf eine Kreditgefährdung, eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb, des Unternehmenspersönlichkeitsrechts oder, praktisch gar nicht, auf eine Beeinträchtigung ihrer wettbewerblichen Stellung berufen (§§ 823 Abs. 1, 824 BGB, §§ 8 ff. UWG). Ungelöst ist insbesondere die Mandatserzwingung durch Veröffentlichung unbeauftragter und tendenziell negativer Bonitätsbeurteilungen. Die gezielte Desinformation durch Finanzanalysten wird demgegenüber bei Zusammenwirken mit einzelnen Investoren deliktisch fassbar sein (§ 826 BGB). Die Dritthaftung gegenüber dem Anlegerpublikum ist umstritten und wird weiter beschäftigen. Vertraglich ausgerichtete und erprobte Haftungsinstitute wie die an typisiertes Vertrauen anknüpfende Prospekthaftung i. e. S. weisen für die Intermediärhaftung geeignete Anlagen auf, führen aber beim Ausbau zum allgemeinen Haftungstatbestand zu zahlreichen Friktionen, etwa im Vergleich zu spezialgesetzlichen Verschuldensanforderungen. Der vom BGH seit 1998 für die Dritthaftung des Abschlussprüfers herangezogene Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist konzeptionellen Bedenken ausgesetzt, bislang aber anders

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung

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als in Österreich ohnehin nicht zur Behandlung der sekundärmarktlichen Haftung eingesetzt worden. Die stattdessen in Betracht kommende Haftung aus § 826 BGB bietet auf Grundlage der Rechtsprechung zur Verdichtung des Vorsatzerfordernisses auf leichtfertiges Verhalten, zur Vermögensgefährdung anonymer Teilnehmer des Markts und zur sittenwidrigen gröblichen Außerachtlassung berufsrechtlicher Pflichten einen gemeinsamen Ansatzpunkt für die Haftung bei beauftragten wie nichtbeauftragten Intermediationsleistungen. Bei Überspannung führt die Haftung aus § 826 BGB zur Überabschreckung, insbesondere weil vorsätzlich rechtswidrig herbeigeführte Schäden nach § 103 VVG nicht versicherbar sind. 4. Eine auf die Funktion der kapitalmarktlichen Informationsintermediation abgestimmte Haftung ist an den spezifischen Verantwortungslagen zu orientieren und dementsprechend maßgeblich unter den Gesichtspunkten des ersatzfähigen Schadens, der Anforderungen an Kausalität und Beweislast auszuformen (Abschnitt D, S. 511 ff.). Geboten erscheint die Beschränkung auf den Kursdifferenzschaden. Bei dessen Geltendmachung besteht hinsichtlich der Kausalität ein nicht auf die Individualentscheidung bezogenes Darlegungserfordernis. Zu befürworten ist eine Beweiserleichterung bei nach allgemeiner Lebenserfahrung auf kurz zuvor ergangene Beurteilungen zurückzuführende Kursschwankungen. 5. Haftungshöchstgrenzen sind gesetzlich innerhalb eines versicherbaren Umfangs der Einstandspflicht festzulegen (Abschnitt E, S. 526). Vorgeschlagen wird eine Orientierung an der Produkthaftung (85 Millionen Euro). Vertragliche Lösungen schaffen demgegenüber auch bei gerichtlicher Angemessenheits- und Verhältnismäßigkeitskontrolle (Art. 35a EG-RatingVO) kein hinreichendes Maß an Rechtssicherheit und sind anderswo rechtspraktisch gescheitert (Abschlussprüferhaftung im UK). 6. Der Haftung gegenüber dem beauftragenden Emittenten kann der Intermediär nicht eine Einwilligung (volenti non fit iniuria) entgegenhalten, auch nicht gestützt auf die Abnahme der Leistung oder einen fehlenden Widerspruch gegen die Veröffentlichung (Abschnitt F, S. 539 ff.). Gegenüber dem Emittenten sollte eine Berufung auf das ihm zurechenbare Mitverschulden seiner Organmitglieder in Fortentwicklung der bereits in der Rechtsprechung des BGH angelegten Argumente versagt sein, weil anderenfalls systematische Anreize zur Begleitung von Emittenten mit Bereitschaft zu Fehlverhalten verstärkt werden. Mit der Kontrollfunktion der Intermediäre ist dies unvereinbar. Die Haftungsminderung wegen Mitverschuldens des Anlegers ist aus Sicht übersteigerter Erwartungen an die Informationsintermediation (Erwartungslücke) richtig. Sie konterkariert die wirtschaftliche Funktion der Intermediation und auch die haftungsrechtliche Steuerung, wenn wie nach der EG-RatingVO einerseits auf Verlässlichkeit der Intermediäraussage, andererseits auf eigene Informationssuche der Investoren gesetzt wird. 7. Die haftungsrechtliche Verantwortungsteilung zwischen Emittenten und Intermediär verlagert sich bei zutreffender Versagung des Einwands eines Mit-

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

verschuldens der Organmitglieder des Emittenten auf den Gesamtschuldnerinnenausgleich (Abschnitt G, S. 548 ff.). Untereinander kommen Rückgriffsansprüche der das Informationsgefüge bestellenden Intermediäre außerhalb von primärmarktlichen Sonderkonstellationen praktisch nicht in Betracht. Einbußen bei der Verhaltenssteuerung ergeben sich nicht, wenn die Inbezugnahme von Fremdleistungen, z. B. Bonitätsbeurteilungen bei der Fortbestehensprognose des Abschlussprüfers, im Wege berufsrechtlich oder regulatorisch fortzuentwickelnder Pflichten zur Plausibilitätsprüfung auch haftungsrechtlich einbezogen werden. 8. Zusammenfassend liegen die Herausforderungen einer durchsetzungsstarken Intermediärhaftung maßgeblich bei der Dritthaftung und sind stichpunktartig wie folgt anzuordnen: Spezialgesetzliche Haftungsgrundlage: Mit den an kommunikative Kontakte gebundenen Rechtsinstituten des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder der Haftung für die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens aus § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Regelungsverantwortung in Bezug auf den anonymen, aber von den Leistungen der Informationsintermediären abhängigen Kapitalaustausch nicht erfüllt. Die Haftung aus § 826 BGB hat der BGH zwar zu Kriterien eines potentiell alle Petita erfüllenden Tatbestands ausgebaut, bislang aber von der Zuweisung von Haftungsverantwortung für die aus Sicht der relationalen Marktzugangskontrolle besonders wichtige sekundärmarktliche Informationsintermediation abgesehen, wohl auch wegen des Ausfalls des Versicherungsschutzes nach § 103 VVG. Verschuldensgrad: Eine spezialgesetzlich zu schaffende Haftungsregel wäre auf Primär- und Sekundärmarkt zu beziehen. Sie sollte bei grober Fahrlässigkeit ansetzen, würde dies faktisch auch bei Anordnung eines auf einfache Fahrlässigkeit bezogenen Haftungsstandards. Unterhalb der Grenze grober Fahrlässigkeit ist eine Nichtachtung der prozeduralen Pflichten oder eine Überschreitung der Vertretbarkeitsgrenze kaum je feststellbar. Haftungsumfang, Beweislast und Haftungshöchstsumme: Ersatzfähig sollte ohne hinzutretende Beratungsleistungen allein der Kursdifferenzschaden sein. Bei feststellbarer Reaktion des Markts auf die Intermediationsleistung entsteht der Anschein einer kausal herbeigeführten Kursbeeinflussung, den der Intermediär widerlegen kann. Als gegriffene Haftungshöchstsumme käme die aus dem Produkthaftungsrecht bekannte Summe von 85 Millionen Euro sowohl für Abschlussprüfung als auch Rating in Betracht. Vertragliche Lösungen sind abzulehnen. Verbleibende Schutzlücken sind nur durch berufsrechtliche oder regulatorische Pflichten zu schließen, deren Ausgestaltung Thema des folgenden Kapitels 13 ist.

13. Kapitel

Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten 13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten können dazu eingesetzt werden, die beschriebenen Schwächen der privaten Ordnung aufzufangen. Weder die allgemeinen vertragsrechtlichen noch die deliktsrechtlichen Rahmenvorgaben sind geeignet, einen hinreichenden Grad an Anreizkompatibilität zwischen privaten Interessen und dem Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität herzustellen. Die deshalb erforderlichen Eingriffe können wie bei der Abschlussprüfung im Wege (auch) berufsständisch organisierter Regelbildung und Überwachung oder wie bei Rating und Finanzanalyse regulatorisch und (allein) gestützt auf eine behördliche Aufsicht erfolgen. Sowohl berufsrechtliche als auch regulatorische Pflichtenstellungen sind darauf auszurichten, die komparativen Vorteile aus der Inanspruchnahme privater Dritter gegenüber der staatlichen Eigenwahrnehmung zu erhalten. Deshalb sind sie darauf zu überprüfen, ob sie den Angebot-und-Nachfrage-Mechanismus wahren, der für die Vorteile der Inanspruchnahme privater Dritter ausschlaggebend ist. Zur Sicherstellung einer auf die kapitalmarktliche Informationsintegrität gerichteten Informationsintermediation kommen unterschiedliche Regelungskonzeptionen in Betracht. Gesetzt wird teils mehr auf Offenlegungs-, teils mehr auf Organisations- oder auf Verbotsnormen. Auch unter Berücksichtigung dieser Unterschiede ist ein wachsendes Verständnis bereichsübergreifender Grundsatzprobleme zu verzeichnen, das sich zunehmend in konvergenten Regelungsstrukturen niederschlägt. Zu verdeutlichen sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede an den Regeln zum Berufszugang und den Verhaltenspflichten der Intermediäre,1 den Anforderungen an ihre Unabhängigkeit2 und eng damit verbunden der Vergütung.3

A. Berufszugang und Verhaltenspflichten Mit der berufsrechtlichen und regulatorischen Rahmengebung verbinden sich eigene Regelungsprobleme, denen sich der vorhandene Regelungsbestand auf 1 2 3

Abschn. A. Abschn. B (S. 607). Abschn. C (S. 684).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

unterschiedliche Weise stellt und deshalb jeweils eigene Strukturfragen aufwirft.4 Im Einzelnen ist diesen Fragen mit Blick auf den Berufszugang,5 die allgemeinen Verhaltenspflichten6 sowie die Rechte geprüfter oder beurteilter Emittenten nachzugehen.7

I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen Aus Sicht des verfassungsrechtlichen Gewährleistungsziels der kapitalmarktlichen Informationsintegrität dienen berufsrechtliche und regulatorische Pflichten der Schließung von Lücken der privaten Ordnung. Umgekehrt tragen sie zur Ermöglichung privater Austauschbeziehungen bei und sind damit zugleich Teil dieser privaten Ordnung. An zahlreichen Einzelfragen sind gemeinsame Entwicklungen der Regeln zu Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse nachzuweisen. Inwieweit diese Konvergenzbewegung weiter anzustoßen ist, hängt maßgeblich von der Vergleichbarkeit der Regelungsprobleme ab. 1. Regelungsprobleme Zielgenauen Eingriffen in die private Informationsintermediation sind im Wesentlichen die drei im Folgenden näher zu erläuternden Abwägungsschritte voranzustellen: Erstens sind die bestehende und die mögliche Rolle des Intermediärs bei der Sicherstellung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zu bestimmen. Zweitens sind die zur Rollenausformung beitragenden Pflichten zu erschließen, darunter maßgeblich die Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Drittens ist eine Abwägung zwischen den in Betracht kommenden Regelungsebenen zu treffen, also vor allem zu entscheiden, inwieweit auf Strukturen der marktnahen Selbstregulierung zurückgegriffen werden soll. a. Rollenausformungen Übergreifende Herausforderung der berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichtensetzung ist es, die von den privaten Leistungen der Informationsintermediäre erhofften Vorteile für die Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarkts sicherzustellen oder auszubauen. Um eine einerseits die öffentlichen Interessen wahrende und andererseits eine die privaten Leistungserbringer nicht überfordernde Rollenausformung wird in allen Bereichen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation gerungen. Entwicklungsgeschichtlich erwiesen sich Schwächen der internen Unternehmensüberwachung, der aufkommende Ge4 5 6 7

Abschn. I. Abschn. II (S. 572). Abschn. III (S. 578). Abschn. IV (S. 597).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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danke des Marktfunktionsschutzes und die Bewältigung von Unternehmensoder Finanzmarktkrisen als maßgebliche Treiber. Durchgesetzt hat sich eine Sichtweise, der zufolge Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten – wenn auch in unterschiedlichem Maße – im Interesse der kapitalmarktlichen Informationsintegrität tätig werden (public watchdogs).8 Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten tragen zu diesem Rollenverständnis im Wege der Zuweisung funktional-öffentlicher Verantwortung bei. Diskutiert werden sie unter dem Blickwinkel der Gewährleistungsverantwortung des Staats.9 Regelungsfolgepflichten entstehen bei Anordnung der verpflichtenden Inanspruchnahme von Intermediationsleistungen (Intermediationsobligatorium), können sich aber auch aus der Beobachtung einer faktischen Unausweichlichkeit der Inanspruchnahme verfestigter Intermediationsleistungen ergeben. Informationsobligatorien wirken sich auf die Bedingungen aus, unter denen die Agenturbeziehung zwischen Emittenten und Investor zustande kommt oder fortbesteht (entry or exit).10 Die explizite Anknüpfung von Rechtsfolgen an die Intermediationsleistung überträgt dem privaten Dritten also Entscheidungsmacht in Bezug auf den Marktzutritt des Emittenten (regulatory license).11 Vergleichbare, aber auf den spezifischen Kontext bezogene Wirkungen ergeben sich aus impliziten Rechtsfolgeanknüpfungen, also einer gegebenenfalls transnationalen Herausformung der Inanspruchnahme von Intermediationsleistungen zur Wahrung der an Geschäftsleiter gestellten Sorgfaltsanforderungen etwa nach der business judgment rule des § 93 Abs 1 Satz 2 AktG (Inklusionsnormen).12 Dem vom Gesetzgeber jeweils gewählten Grad des Rückgriffs auf Intermediationsleistungen liegen unterschiedliche Risikogewichtungen zugrunde. Die jährliche Abschlussprüfung ist verpflichtend angeordnet. Daran wird eine hohe Gewichtung der Risiken aus einer Beeinträchtigung der Unternehmensleitung in ihren Kernfunktionen deutlich, wie sie bei nicht ordnungsgemäßer Rechnungslegung hervortreten. In eine ähnliche Richtung weisen die (im Rückbau befindlichen)13 regulatorischen Indienstnahmen von externen Bonitätsratings. Risiken aus der mangelnden Einschätzbarkeit der künftigen Unternehmensentwicklung werden hingegen nicht durch eine allgemeine Anordnung der Inanspruchnahme von Finanzanalysten angegangen. Erst auf der Ebene der Geschäftsleiterpflichten und -haftung ergeben sich aus der internationalen Transaktionspraxis Notwendigkeiten zur Einholung von Preisbeurteilungen.14 Bei einem ÜberNäher zur Entwicklung 5. Kapitel: B.II.2 (S. 100). Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen 8. Kapitel: A.III.1 (S. 229 ff., 234). 10 Näher Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 33. Im Zusammenhang 10. Kapitel: B.II (S. 326). 11 Im Einzelnen 8. Kapitel: B.II (S. 253.) 12 Statt vieler Köndgen AcP 206 (2006) 477, 520. 13 Zum Vorgehen Art. 39 Abs. 1 EG-RatingVO. 14 Zur Bedeutung der US-amerikanischen Entscheidung im Fall Smith v. van Gorkom 488 A.2d 858, 876, 877 (Del. 1985), nach der Geschäftsleiter zwar nicht zur Einholung einer 8 9

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

nahmegebot sind von den Geschäftsleitern (hilfsweise durch ihre internen Überwacher)15 in aller Regel unabhängige Analysen zu Angebotspreisen einzuholen.16 Infolge berufsrechtlicher und regulatorischer Pflichtenstellungen verengt sich die Anzahl möglicher Informationsanbieter. Durch ihre Zugehörigkeit zu der in Betracht kommenden, typischerweise anfänglich kleinen Gruppe erfahren die Betreffenden eine Rechtsgewährung (legal entitlement).17 Das versetzt sie in die Lage, das einzelne Segment des Informationsmarkts exklusiv zu betreuen. Bereits dies, vor allem aber die Pflichtenfortbildung durch Normgeber und Gerichte verschärft die Gefahr einer Anbieterkonzentration (Oligopolbildung), für die der Intermediationsmarkt wegen der Gütereigenschaften der Information ohnehin Anfälligkeiten aufweist.18 Informationsobligatorien und die gleichzeitige (gegebenenfalls faktische) Zuweisung einer Vorbehaltsaufgabe an einen einzelnen Berufsstand bilden den Extremfall und sind nur bei entsprechend hoher Gewichtung der Vorteile einer geregelten Informationsabdeckung zu begründen. In die Abwägung einzubeziehen sind Erfahrungen zum Nichtzustandekommen verlässlicher Intermediationsleistungen am Rand des Produktangebots und zur vornehmlichen Ausrichtung des Informationsangebots auf den größten Abnehmerkreis.19 Eine im eigentlichen Sinne ungeregelte kapitalmarktliche Informationsintermediation bietet nach Stand der Forschung keine Alternative. Dazu kommen kann es ohnehin nicht. Schon angesichts transaktionsspezifisch verfestigter Indienstnahmen von Informationsintermediären ergäben sich allenfalls Verschiebungen von der Normgebung auf eine erst am Einzelfall und über die Zeit lernende Rahmengebung durch die Gerichte.20 Die bis hierhin vorgetragenen Überlegungen zeigen, dass eine Austarierung von privatem und öffentlichem Interesse nicht (zwingend) an der Abschlussprüfung als dem am weitesten entwickelten Modell der privaten Marktzugangskontrolle ausgerichtet sein müssen oder sollten. Als Referenzgröße eignet sich die rechtliche Rahmengebung zur Abschlussprüfung aber dazu, Inkohärenzen im Recht von Rating und Finanzanalyse aufzudecken. fairness opinion verpflichtet sind, sich aber auf eine solche verlassen dürfen Fleischer in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2753, 2754. Nach rule 3.1 City Code on Takeovers and Mergers (UK) haben sowohl Bieter als auch Zielgesellschaft eine fairness opinion einzuholen. 15 Für Aufnahme einer Empfehlung in den DCGK an Vorstand und Aufsichtsrat zur Einholung von Expertenrat Leyens Information des Aufsichtsrats 2006, S. 409 ff. und 435 (Änderungsvorschlag 5 zum DCGK). 16 Zur Prospekthaftung Habersack in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 29 Rn. 15, 21: Erfordernis, die im Prospekt enthaltenen Werturteile und Prognosen auf eine hinreichende Tatsachenbasis zu stützen, sowie bei Aufnahme von positiven Bewertungen Dritter auch negative anzusprechen. 17 Partnoy 79 Wash. U. L.Q. 491, 523 (2001). 18 Zur Ökonomik des Informationsmarkts 6. Kapitel: D.III (S. 173). 19 Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 56 (2007) zur Abdeckung des Markts mit Finanzanalysen. Näher im Zusammenhang mit Vergütungsanreizen 13. Kapitel: C.I.1.a (S. 685). 20 Zu Verfestigungen der Transaktionspraxis Tuch 96 Va L. Rev. 1583, 1647 (2010).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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b. Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit Die im Mindestmaß an den Intermediär zu stellenden Anforderungen lassen sich als Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit beschreiben. Diese Pflichtentrias ist in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG allgemein für Wertpapierdienstleistungen geregelt, war bislang zusätzlich in § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. für die Finanzanalyse festgehalten,21 ist mit terminologischen Unterschieden für die Abschlussprüfung niedergelegt22 und für das Rating in weitgehend funktionsäquivalenten Pflichten unter anderer Begrifflichkeit festgehalten.23 Mit Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit sind die wichtigsten Regelungsthemen des Berufszugangs- und Ausübungsrechts angesprochen. Die beiden Rechtsbereiche weisen Überschneiden auf. So können die Anforderungen an die Sachkenntnis als Ausbildungs- und Erfahrungsnachweis oder auch als Auswahlpflicht der den Intermediär beschäftigenden Unternehmung ausgestaltet sein. Im letzteren Fall bestehen für das Sorgfaltsniveau des Einzelnen zunächst nur organisationsinterne Vergleichsgrößen. Die Sorgfaltsvorgabe richtet sich demgegenüber an die ihn beschäftigende Unternehmung und verlangt von dieser vor allem eine ordnungsgemäße Personalauswahl und Überwachung. Der Begriff der Gewissenhaftigkeit wird im Recht der Abschlussprüfung, früher auch dem der Finanzanalyse, nicht aber dem des Ratings verwendet. Die mit der Gewissenhaftigkeit zusammenhängenden Pflichten werden teils mehr als Ausprägung der Sorgfaltspflicht,24 teils mehr als solche der Unabhängigkeit25 verstanden, wobei letztere aber in allen Einzelbereichen der Informationsintermediation weiteren, zum Teil hochdetaillierten Vorgaben unterliegt.26 Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Gewissenhaftigkeit etwa im Beamten-, aber auch Gesellschaftsrecht, um Pflichtenstellungen aus einem besonderen Treueverhältnis zu kennzeichnen.27 Beispielsweise im recht der Finanzanalyse kommt es nach schutzzweckorientierter Auslegung auf die Stärkung des AnlegerHeute aus Art. 20 EU-MarktmissbrauchsVO i. V. m. mit Art. 3 f. Delegierte VO (EU) 2016/958 herzuleiten und weiterhin durch § 3 FinAnV ausgeformt. Näher FuchsWpHG2Fuchs § 34b Rn. 32. Zu dem für Wertpapierdienstleistungen allgemein geltenden Regelungskonzept Assmann / SchneiderKommWpHG4-Koller Vor § 31 Rn. 13. 22 Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO haben die Berufsangehörigen ihren Beruf „unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben.“ 23 Mülbert JZ 2002, 826, 836. Zum Vergleich der Regelungsbestände 13. Kapitel: A.I.2 (S. 565). 24 KommWPO2-Kühl § 43 Rn. 19 mit stärkerer Betonung der bestmöglichen und sorgfältigen Vertretung der Interessen des Mandanten; Ebenroth / Boujong / Joost / StrohnHGB3Böcking / Gros / Rabenhorst § 323 Rn. 4 wohl mit Gleichsetzung von Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Eingehend Gehringer Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, 2002, S. 65; Wölber Die Abschlussprüferhaftung im europäischen Binnenmarkt, 2005, S. 53. 25 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 42 zur Finanzanalyse. Tendenziell einheitliches Verständnis bei FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 34. 26 Zur Unabhängigkeit 13. Kapitel: B (S. 607 ff.). 21

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

vertrauens an, also auf die Wahrung der Integrität des kapitalmarktlichen Informationsbestands.28 Dementsprechend handelt gewissenhaft nur, wer die die Interessen des Auftraggebers nicht zum einseitigen Bezugspunkt der Prüfung oder Beurteilung macht. Dementsprechend liegt nahe, die Gewissenhaftigkeit und ihre Äquivalente als eine den Funktionsschutz einschließende Verhaltenspflicht einzuordnen, infolge derer privaten Absprachen zur Absenkung der Sorgfaltsanforderungen Grenzen gesetzt werden.29 Zum Zeitpunkt der eilig erlassenen Notverordnung von 1931, die den Abschlussprüfer auf Gewissenhaftigkeit verpflichtete, war der Funktionsschutzgedanke allerdings noch nicht vollständig ausgeformt.30 Erst die in der Folgezeit geführte Diskussion um die Berufspflichten des Abschlussprüfers brachte ein funktionsschutzbezogenes Verständnis der Gewissenhaftigkeit hervor.31 Bei den weiteren Informationsintermediären reift dieses Verständnis erst heran.32 Praktische Konsequenzen haben die Verpflichtungen von Abschlussprüfern auf Gewissenhaftigkeit und ihre Entsprechungen bei Rating und Finanzanalyse insbesondere für den Umgang mit den vom Geprüften oder Beurteilten vermittete Informationsgrundlage.33 Bei allen Formen der Informationsintermediation sind private Absprachen zum Intermediationsergebnis untersagt. Die vom Emittenten bereit gestellten Informationen sind vielmehr – in jeweils unterschiedlich starker Ausprägung – kritisch zu hinterfragen, zu prüfen oder auch im Wege der Nachforschung auszubauen.34 In Fortführung der Börsendienst-Rechtsprechung 27 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 40 nennt u. a. § 54 BBG, § 11 iVm. § 1 Abs. 1 S. 2 SoldatenG, die sämtlich Verpflichtungen auf das öffentliche Interesse zum Gegenstand haben. Nach GroßkommAktG5-Hopt / Roth § 93 Rn. 52 ist der in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verwendete Begriff der Gewissenhaftigkeit des Vorstands als organschaftliche Pflicht eines selbständigen Unternehmensleiters zu verstehen. Im Vordergrund steht also die Verfügungsmacht über Fremdinteressen. In das nach § 76 AktG maßgebliche Koalitionsmodell des Unternehmensinteresses fließt auch das öffentliche Interesse ein. Regelmäßig überwiegt dort aber das Rentabilitätsziel, also das Aktionärsinteresse. Näher GroßkommAktG4-Kort § 76 Rn. 52 ff., 60. Überblick bei HüfferAktG12-Koch § 76 Rn. 28. Zu Abgrenzungsproblemen Birke Das Formalziel der Aktiengesellschaft, 2005, S. 139 ff., 198. 28 Zur Finanzanalyse FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 32. 29 In diese Richtung MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 40: „Es liegt daher die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs der Gewissenhaftigkeit über das Gebot der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinausgehen will oder zumindest ein besonders hohes Maß an Sorgfalt verlangt.“ 30 Daraus erklärt sich, dass die Gründe für die Verwendung des Begriffs der Gewissenhaftigkeit in § 262g HGB 1931 nach „im Dunkeln“ liegen. Siehe MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 40. 31 MünchKommHGB3-Ebke § 323 Rn. 44. 32 KapitalmarktrechtsKomm4-Fett § 34b Rn. 18. 33 Dazu 13. Kapitel: A.III.1.a (S. 579). 34 Seit dem AReG von 2016 ist die Pflicht des Abschlussprüfers zur Wahrung einer „kritischen Grundhaltung“ ausdrücklich in § 43 Abs. 4 Satz 2 WPO normiert.

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des BGH35 ist die Bestimmung des jeweiliegn Pflichtenumfangs an der betrieblichen Tragbarkeit, also am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientiert.36 c. Berufsrecht und Regulierung Zum Teil sind die an Intermediäre gerichteten Pflichten berufsrechtlichen Ursprungs, zum Teil ergeben sie sich aus regulatorischen Vorgaben. Soweit im Funktionsziel vergleichbar, kann die unterschiedliche Herkunft entwicklungsgeschichtlich bedingten und auch rechtspolitischen Gründen geschuldet sein. Eine Abwägung der beschriebenen Vor- und Nachteile zwischen den Regelungsebenen liegt nicht zwingend zugrunde.37 Die Entwicklungsgeschichte zeigt außerdem, dass sich die pfadabhängig gewachsene Bevorzugung einer zunächst allein berufsständischen Regelsetzung im Zeitverlauf erledigen können.38 Für die rechtspraktisch entscheidende Verhaltenssteuerung kommt es nicht auf die ohnehin nur vordergründig überzeugende Unterscheidung zwischen Urheberschaft oder dogmatischer Einordnung, sondern auf die Durchsetzungsstärke an. Rufe nach Beibehaltung oder Ausbau selbstregulatorischer Strukturen allein für die als hochstehend empfundenen freien Berufe sind an Gefahren einer interessengesteuerten Regelsetzung zu messen (rent seeking, regulatory capture).39 Die seit den 2000er-Jahren in raschen Schritten ausgebauten regulatorischen Anforderungen an die Wirtschaftsprüfung zeigt die Wandelbarkeit der Rahmenbedingungen.40 International deutlichstes Beispiel ist die gesetzliche Errichtung des US-amerikanischen PCAOB, das der behördlichen Aufsicht durch die SEC unterworfen und auf das etwa das zweistufige Enforcement-Verfahren durch DPR und BaFin zurückzuführen ist. Zuletzt schaffte die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 einen Zwang zur behördlichen, also nicht allein berufsständischen Aufsicht über die Abschlussprüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse, die seit 2016 von der neuen APAS wahrgenommen wird.41 Ein vollständiges Aufbrechen der berufsständisch gewachsenen und auf eine lange Entwicklung zurückblickenden Strukturen der Wirtschaftsprüferüberwachung bietet sich allerdings kaum an, zumal über die berufsnahe Begleitung ein hoher Grad an Verfestigung des Pflichtenbestands erreicht ist.42 Zu überlegen ist 35 BGH, Urt. v. 8.2.1978 – VIII ZR 20/77 (Börsendienst), BGHZ 70, 356, Juris-Tz. 13 ff. Im Einzelnen dazu 12. Kapitel: B.II.1 (S. 469). 36 FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 37. 37 Näher 9. Kapitel: C (S. 307 ff.). 38 Zu jüngeren Weichenstellungen 5. Kapitel: B.III.1 (S. 109). 39 Übergreifend Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H21, H63. 40 Im Einzelnen 5. Kapitel: A.III.3 (S. 73). 41 Siehe §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 57 ff. WPO i. d. F. durch das APAReG 2016. Überblick bei Boecker / Zwirner DStR 2016, 90 f. 42 Eine gewisse „beharrende Tendenz“ der Kammern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, BVerfGE 76, 171, Juris-Tz. 43 ff.) ist vor diesem Hintergrund nicht zwingend

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

vielmehr, ob und inwieweit die Errichtung vergleichbarer berufsrechtlicher Strukturen bei Rating und Finanzanalyse in Betracht kommt. Gründe dafür, dass eine solche, ohnehin nur in Verzahnung mit Regulierung und behördlicher Aufsicht denkbare Einbeziehung privater Fachverbände von vornherein ausgeschlossen wäre, sind gerade aus den internationalen Erfahrungen mit dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer nicht zwingend abzuleiten. Voraussetzungen einer solchen regulierten Selbstregulierung wären bei Rating und Finanzanalyse weitere Verfestigungen im Verständnis der Pflichtentrias und insbesondere der Unabhängigkeitsanforderungen. Derzeit werden die einzelnen Komponenten noch vorwiegend regulatorisch ausgebaut. Zu beobachten ist aber eine zunehmende Durchdringung der normativen Problemstellungen durch Fachverbände.43 Kaum zu weit ginge die Einschätzung, dass die Ausgangslage für eine berufsständische Ausformung der Pflichten von Rating- und Finanzanalysten günstiger einzuschätzen ist als bei der unter großem Zeitdruck erfolgten Zulassung von Abschlussprüfern nach 1931. Wie die seitdem gesammelten Erfahrungen belegen, kommen nur regulatorisch eingebettete Selbstverwaltungsstrukturen in Betracht. Erster Ansatzpunkt für die verstärkte Einbindung von Fachverbänden in eine gesetzgeberisch anzustoßende Rollenbildung wäre der Berufszugang. Anders als bei der Abschlussprüfung wird bei Rating- und Finanzanalysten derzeit kein individualbezogenes, sondern ein vorwiegend das Intermediärunternehmen in die Pflicht nehmendes Regelungskonzept verfolgt.44 Die bereits allgemein unter dem Gesichtspunkt der Marktnähe aufgezeigten Unterschiede zwischen berufsrechtlicher und regulatorischer Pflichtensetzungen sind wie folgt zusammenzufassen:45 Die berufsständische Pflichtenausformung trägt bildhaft von innen heraus zur Rollenbildung bei und kann unter Einsatz diskursiver Mechanismen der Konfliktbewältigung öffentliche und private Interessen in Ausgleich bringen. Demgegenüber vermögen regulatorische Vorgaben nur äußere Grenzen zu setzen und sind dementsprechend schlechter geeignet, zeitnahe und vorausschauende Anpassungen der Intermediationspraxis anzustoßen. Das berufsständische Verbandsrecht (Innenrecht) lässt wegen der Partizipation der Steuerungssubjekte am Regelsetzungsprozess zudem engmaschigere Pflichtenstellungen zu als eine auf die Ziehung äußerer Grenzen ausgerichtete Regulierung (Außenrecht).46

schädlich. Zur Diskussion Kämmerer Gutachten H, 68. DJT 2010, S. H23. Wie hier Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 77. 43 Überblick zum Rating bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 108; Stemper Rechtliche Rahmebedingungen des Ratings, 2010, S. 146. Zur Finanzanalyse Buck-Heeb / Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 109 f.; Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 68 f. 44 Im Einzelnen 13. Kapitel: A.II (S. 572). 45 Zum Ganzen 8. Kapitel: A.II.2.a (S. 220). 46 Statt vieler Köndgen AcP 206 (2006) 477, 479.

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2. Regelungsbestand Der Regelungsbestand zu den einzelnen Intermediationsleistungen weist zunehmend Gemeinsamkeiten, aber auch fortbestehende Unterschiede auf. Übereinstimmende Merkmale sind die Freiheit von einem Kontrahierungszwang, das Verbot der hoheitlichen Ergebniskontrolle und das Ziel einer Unterbindung von Einflussnahmen des Auftraggebers. Grundlegende Unterschiede zeigen sich bei den für Berufszugang und -ausübung gewählten Regelungsmodellen, deren Eckpunkte im Folgenden dargestellt werden, bevor auf die rechtspraktische Bedeutung der Unterschiede und Fortentwicklungsmöglichkeiten eingegangen wird. a. Abschlussprüfung Die Abschlussprüfung ist nach § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB (allein) von Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durchzuführen (Vorbehaltsaufgabe).47 Voraussetzung ist die Bestellung zum Wirtschaftsprüfer und die Anerkennung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 WPO). Berufszulassung und -ausübung werden durch die WPK, eine gesetzlich anerkannte Körperschaft der berufsständischen Selbstverwaltung, überwacht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 1 WPO). Die Pflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Abschlussprüfung richten sich nach dem öffentlichen Auftrag aus §§ 316 ff. HGB und, wie die Berufsausübung insgesamt, nach den allgemeinen Berufspflichten der §§ 43 ff. WPO. Die erforderlichen Prüfungshandlungen werden durch die Verlautbarungen des als privatem Verein organisierten IDW, insbesondere durch seine Prüfungsstandards, konkretisiert.48 Diese Standards entwickelt das IDW auf Grundlage der von der Federation of Accountants (IFAC) herausgegebenen International Standards on Auditing (ISA), die, soweit angenommen, für den Prüfer nach §§ 317 Abs. 5, 322 Abs. 1a HGB verpflichtend sind.49 Weitere Konkretisierungen ergeben sich aus der Berufssatzung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer (BS WP/vBP).50 Im Mittelpunkt der gesetzlichen Vorgaben steht die in § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO niedergelegte Pflicht, den Beruf „unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich“ auszuüben. Die drei zuletzt genannten Komponenten bilden die für die Wirtschaftsprüfung spezifische Ausformung der Pflichtentrias Näher KommWPO2-Förster § 43 Rn. 200. Dazu Schülke IDW Standards und Unternehmensrecht, 2014, S. 37. 49 Nur solange und soweit solche Prüfungsstandards nicht angenommen sind, bleibt es bei den nationalen Standards, also den IDW PS und IDW PH. Überblick bei Baumbach /  HoptHGB37-Hopt / Merkt § 317 Rn. 13; MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 5, 14, § 323 Rn. 21. 50 Zum Ganzen KommWPO2-Schleip Vor § 43 ff. Rn. 2; MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 39, § 323 Rn. 38. 47 48

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit.51 Dabei steht die Eigenverantwortlichkeit für eine alle Komponenten umschließende Bündelung der Berufspflichten.52 Deutlich wird dies in der Eingangsformel der IDW-Prüfungsgrundsätze, denen die Prüfer nur „unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit“ zu folgen haben.53 Im Weiteren findet sich sowohl in Gesetz54 als auch literarischer Aufarbeitung eine uneinheitliche Terminologie.55 Ursache hierfür dürfte das lang verfestigte Pflichtenverständnis sein, das angesichts fortlaufender berufsständischer Begleitung nur in geringem Maße auf Begriffskonsistenz angewiesen ist. Der Pflichtentrias lassen sich die verstreuten Berufspflichten gleichwohl zuordnen: Die Sachkenntnis wird durch die Berufszulassungsvoraussetzungen der Wirtschaftsprüfung, darunter die eigene Prüfungsordnung für den Erwerb der Berufsqualifikation (WiPrPrüfV) sichergestellt. Speziell für die Durchführung der Abschlussprüfung ist über die nach § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB angeordnete Vorlage des Auszugs aus dem Berufsregister zusätzlich die Teilnahme an der Qualitätskontrolle nach § 57a WPO anzuzeigen. Im Falle der Prüfung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse kommt seit 2016 die behördliche Inspektion durch die neue Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) nach § 62b Abs. 1 Satz 1 WPO hinzu.56 Der Begriff der Sorgfalt wird in § 320 Abs. 2 Satz 1 HGB verwendet und maßgeblich durch die bereits genannte Pflicht zur Beachtung der internationalen Prüfungsstandards aus § 317 Abs. 5 HGB konkretisiert. Die Gewissenhaftigkeit ist in § 323 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HGB im Zusammenhang mit der „unparteiischen“ Prüfung angesprochen, also der Verpflichtung, nicht allein die Interessen des Auftraggebers, sondern das öffentliche Interesse zu wahren.57 Erforderlich ist dazu nicht bloß ein mit üblichen Anschauungen oder Gepflogenheiten ehrbarer und ordentlicher Abschlussprüfer konformes Verhalten. Der Maßstab des Verhaltens- und Anstrengungsniveaus ergibt sich vielmehr aus den gesetzlich zugewiesenen Funktionen.58 Mit der Zur Pflichtentrias der Informationsintermediäre 13. Kapitel: A.I.1.b (S. 561). Näher Häussermann in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 372. 53 Dazu KommWPO2-Schleip § 43 Rn. 212. 54 Z. B. gewissenhafte Berufsausübung (§§ 317 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 1 S. 1 HGB) und sorgfältige Prüfung (§ 320 Abs. 2 S. 1 und 3 HGB). Ersichtlich unterschiedliche Rechtsfolgen werden daran nicht geknüpft. Eingehend Gehringer Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, 2002, S. 65. 55 Für die Beurteilung der fachlichen Kompetenz und der beruflichen Qualifikation bei Fehlen der Gleichwertigkeitskriterien nach § 134 WPO soll es auf „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Unbefangenheit, Gewissenhaftigkeit und Eigenverantwortlichkeit“ ankommen; RegE BilMoG, BT-Drucks 16/10067 v. 30.7.2008, S. 87. Dazu MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 12; Niehues in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 153 f. 56 Zum Zusammenspiel Boecker / Zwirner DStR 2016, 90 f. 57 Dementgegen betont KommWPO2-Kühl § 43 Rn. 14 die „bestmögliche und sorgfältige“ Vertretung der Interessen des Mandanten. 51 52

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Befolgung der berufsständischen Pflichten verbindet sich allerdings eine Entlastungswirkung gegenüber der sanktionsberechtigten WPK.59 Die WPK ist in das beschriebene System weiterer Überwachungsinstitutionen eingebunden.60 Sie unterliegt der behördlichen Fachaufsicht durch die 2016 eingerichtete APAS, die an die Stelle der 2005 unter internationalem Druck errichteten APAK tritt. Bereits zuvor hatte der in den USA auf den Untergang von Enron im Jahr 2001 verabschiedete Sarbanes-Oxley Act von 2002 zur Abkehr von der weitestgehend unregulierten Selbstverwaltung geführt. Errichtet wurde der PCAOB, dessen Standardsetzung der Aufsicht durch die SEC unterliegt.61 In ihren rechtsordnungsspezifischen Ausprägungen steht die Abschlussprüfung für eine hochentwickelte Form der regulierten Selbstregulierung. Erkennbar werden hieraus Möglichkeiten zur Errichtung mehrschichtiger Überwachungsstrukturen, die nicht vollständig auf Elemente der berufsständischen Selbstverwaltung verzichten, sondern diese gezielt einbeziehen. b. Bonitätsrating Das zunächst für Bonitätsbeurteilungen gewählte Modell der Selbstregulierung setzte auf die privaten Anreize der Agenturen zur Befolgung des IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies von 2004 (zuletzt überarbeitet 2015).62 Hinzu trat die (freiwillige) Unterwerfung der Agenturen unter die Pflicht zur Abgabe einer jährlichen Entsprechenserklärung gegenüber dem CESR (comply or explain).63 Für die zu aufsichtsrechtlichen Zwecken der Eigenkapitalbemessung der Banken tätigen Agenturen ergaben sich weitere Anforderungen aus der gemäß § 57 SolvV erforderlichen Anerkennung. Umstritten war, ob die in § 34b WpHG a. F. niedergelegte Pflichtentrias der Finanzanalysten auf Ratingagenturen zumindest analog64 anwendbar sein sollte.65 Entgegengehalten wurde vor allem der fehlende Empfehlungscharakter der Bonitätsbeurteilung. Mit dem Erlass der EG-RatingVO im Jahre 2009 haben sich die Streitstände zumindest für die registrierten Agenturen erledigt, zumal MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 18. Siehe auch Salje NZG 1999, 905 f. KommWPO2-Schleip Vor § 43 ff. Rn. 2. 60 Zum Ganzen 5. Kapitel: A.III.2 (S. 69). 61 Im Einzelnen 5. Kapitel: A.III.3 (S. 73 ff.). 62 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 9. Eingehend Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 148 ff. 63 Zu den Erfahrungen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 155 ff. 64 Die direkte Anwendung scheitert an der mangelnden Einordnung der Agenturen als Wertpapierhandelsunternehmen, außerdem daran, dass es sich nicht um eine Wertpapiernebendienstleistung handelt, wenn – wie regelmäßig – neben dem Rating keine Wertpapier(haupt)dienstleistungen erbracht werden (§ 2 Abs. 3, 4 WpHG). 65 Zum Folgenden Schroeter Ratings, 2014, S. 684. 58 59

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

die in der EG-RatingVO geregelten Pflichten detaillierter ausgestaltet sind.66 Angesichts der unmittelbaren Geltung im nationalen Recht beschränkt sich § 17 WpHG auf die Benennung der BaFin als national zuständige Behörde für die national zu erledigenden Aufgaben der Aufsicht über Ratingagenturen.67 Ratings können wie die im folgenden Abschnitt zu besprechenden Finanzanalysen grundsätzlich frei erstellt und veröffentlicht werden. Eine Vorbehaltsaufgabe zugunsten einer bestimmten Berufsgruppe wie bei der Abschlussprüfung besteht nicht. Um als externe Ratingagentur (ECAI) nach der Eigenkapitalrichtlinie (heute CRD IV) anerkannt zu werden, ist aber nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO die Registrierung erforderlich. Erst dadurch werden die Ratings für den Emittenten gegenüber einem Kreditinstitut einsetzbar, das die Beurteilung sodann bei der Eigenkapitalunterlegung des Kredits berücksichtigen darf. In den Antrag auf erstmalige Registrierung sind die in Anh. I Abschnitt E der EG-RatingVO vorgesehenen Angaben aufzunehmen. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die EG-RatingVO nur für registrierte Agenturen. Die ESMA meldet mittlerweile über 50 Registrierungen, darunter alle großen Agenturen und ihre nationalen Dependencen.68 Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf die Pflichten dieser registrierten Agenturen. Der Ansatz behördlicher Anerkennung und Überwachung geht auf das in den USA als Ursprungs- und Sitzland der führenden Agenturen seit Mitte der 1970er-Jahre bekannte NRSRO-Konzept zurück, weist allerdings die bereits angesprochenen und noch weiter zu behandelnden Unterschiede bei den Anerkennungsvoraussetzungen auf.69 Die aufsichtsrechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Ratingerstellung und Veröffentlichung ergeben sich aus der EG-RatingVO, die zusammen mit weiteren aufsichtsbehördlichen Maßnahmen der Standardsetzung im Vergleich zum IOSCO-Kodex auf eine deutlich höhere Detailschärfe und eine insgesamt höhere Pflichtenintensität setzt.70 Daneben stehenden Vorgaben der verschiedenen Fachverbände kommt keine Bindungs- oder Entlastungswirkung zu. Zur Führung des vom Bundesverband der Ratinganalysten (BdRA) verliehenen Titels „Certified Rating Analyst“ ist aber einmal jährlich ein eintägiges Seminar zu besuchen.71 Außer dem Entzug des Titels sehen der Code of Conduct und die Satzung des BdRA keine spezifisch auf Verstöße gegen WohlverhaltensDie mehr theoretische Frage der Analogiefähigkeit einzelner, gegebenenfalls über die EG-RatingVO hinausgehender Vorgaben an Finanzanalysten müsste also mangels planwidriger Regelungslücke verneint werden. 67 Zur Aufsichtsarchitektur aus ESMA und BaFin Assmann / SchneiderWpHG6-Assmann § 17 Rn. 10, 12; FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 6 Besprechung des Ausführungsgesetzes zur EG-RatingVO bei Haar ZBB 2010, 185, 188. 68 Stand: 1.12.2015. Die fortlaufend aktualisierte Liste ist abrufbar unter: www.esma. europa.eu. 69 Näher 13. Kapitel: A.II.3 (S. 575). 70 Zum Stand Deipenbrock, WM 2016, 2277. 66

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pflichten zugeschnittenen Sanktionen vor.72 Hierin liegt ein Unterschied zum Ansatz der DVFA, der bei der Finanzanalyse noch näher zu beschreiben ist.73 Auch zu Ratings hat die DVFA bislang zwei Standards veröffentlicht.74 Anders als im Recht der Abschlussprüfung ist keine Pflichtentrias zur Umschreibung der allgemeinen Berufsausübungspflichten des einzelnen Ratinganalysten vorgesehen.75 An die Stelle einer Anordnung der Sachkenntnis des Einzelnen tritt nach § 7 Abs. 1 EG-RatingVO die Pflicht der Agentur sicherzustellen, dass die Ratinganalysten über „angemessene Kenntnisse und Erfahrungen“ verfügen. Bei der Zusammensetzung des Ratingteams ist außerdem ein ganzheitlicher Ansatz zu verfolgen. Das Team hat aus einer ausreichenden Anzahl qualifizierter Mitarbeiter zu bestehen. Der Begriff der Sorgfalt findet sich in den Erwägungsgründen 26 und 66 der EG-RatingVO in ihrer Ursprungsfassung und ist in Erwägungsgrund 10 mit „Ratingqualität“ indirekt angesprochen. Nach Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO i. d. F. von 2013 wird verfahrens- und ergebnisbezogen formuliert: „Eine Ratingagentur beschließt geeignete Verfahren und setzt sie um und durch, um sicherzustellen, dass die von ihr abgegebenen Ratings und Ratingausblicke auf einer gründlichen Analyse aller Informationen basieren […]. Sie trifft alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die ihren Ratings und Ratingausblicken zugrunde liegenden Informationen von ausreichend guter Qualität sind und aus zuverlässigen Quellen stammen […].“76

Hierin angelegt sind zumindest Teilelemente der Gewissenhafthaftigkeit der Aufgabenerfüllung, auch wenn nicht ausdrücklich so bezeichnet. c. Finanzanalyse Gesetzliche Regeln zum Zugang des Berufs der Finanzanalysten bestehen nicht, auch nicht in Form indirekter und an bestimmte Verwendungszwecke geknüpf71 Anderenfalls wird die Berechtigung zur Titelführung nach 2 Jahren nicht verlängert. Die Titelverleihung erfolgt durch die Rating Cert Academy, die eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Bundesverbands der Ratinganalysten (BdRA) ist; näher unter: www.ratingcert.de. 72 Nach Ziff. 2 des Code of Conduct ist die Akkreditierung als „Certified Rating Analyst (BdRA)“ an die Mitgliedschaft gebunden und nach Ziff. 7 im Falle wiederholter oder vorsätzlicher Verstöße zu entziehen; vgl. BdRA, Certified Rating Analyst: Grundsätze für die Akkreditierung, Stand: 3.4.2014, www.bdra.de. Nach § 8 Abs. 3 der Satzung kommt ein Ausschluss des Mitglieds aus wichtigem Grund u. a. bei Schädigung des Vereinsansehens in Betracht; BdRA, Satzung, Stand: 1.4.2016, erhältlich ebd. 73 Dazu im folgenden Abschnitt (S. 569 f.). 74 DVFA-Rating Standards und DVFA-Validierungsstandards, DVFA-Finanzschriften Nr. 04/2006 (nach Prüfung 2012 weitgehend unverändert beibehalten), sowie die Anforderungen an Structured Finance Ratings, DVFA-Finanzschriften Nr. 01/2010, jeweils www.dvfa.de. 75 Zur Pflichtentrias der Informationsintermediäre 13. Kapitel: A.I.1.b (S. 561). 76 Konkretisierungen finden sich in den Folgeabsätzen.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ter Vorgaben wie beim Rating. Allerdings wird die Mehrzahl der Finanzanalysen als Wertpapiernebendienstleistung von Kreditinstituten erbracht, die als solche den allgemeinen Verhaltenspflichten nach § 31 WpHG und engmaschiger Aufsicht unterliegen. Der Begriff „Finanzanalyst“ unterliegt keinem berufsrechtlichen Schutz. Die Verwendung privater Zertifizierungskennzeichnungen der Fachverbände, wie etwa dem durch die DVFA verliehenen Titel Certified International Investment Analyst, richtet sich wie beim Rating nach privat gestalteter Vereinbarung. Anders als beim Rating erfährt die Unterwerfung unter die Regeln eines Fachverbands ein gewisses regulatorisches Gewicht, denn bei Veröffentlichung der Finanzanalyse ist nach Art. 2 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2016/958 wie bereits nach § 2 Abs. 2 FinAnV auf geltende Berufs- oder Standesregeln bzw. Vorschriften der Selbstregulierung eines Berufsstandes hinzuweisen.77 Zu nennen sind insoweit die von der DVFA zusammen mit der German CFA-Society erarbeiteten Deutschen Grundsätze für Finanz-Research,78 die von der BaFin mit Schreiben an die DVFA von 2006 als Marktstandard anerkannt wurden.79 Regelungswirkung erfahren sie durch den DVFA-Verhaltenskodex von 2007, dessen Ziff. 10 in Fällen der Nichtbeachtung Sanktionen nach den Bestimmungen von Satzung und Ehrengerichtsordnung der DVFA vorsieht.80 Nach § 13 der DVFASatzung kann das Ehrengericht Geldbußen bis zu 5000 Euro verhängen und das Mitglied vorübergehend oder vollständig ausschließen.81 Nach Ziff. III. B. 3. des DVFA-Kodex wird erwartet, dass sich die Analysten bemühen, den Kodex zum Bestandteil ihres Anstellungsvertrags bzw. Auftrags zu machen.82 In ihrem Jahresbericht von 2015 weist die DVFA rund 1350 persönliche Mitglieder aus.83 Eine Verpflichtung zur Mitgliedschaft besteht jedoch anders als etwa bei der Zwangsmitgliedschaft der Wirtschaftsprüfer in der WPK nicht. Mit der Befolgung der Pflichtenkataloge von Fachverbänden ist ebenso wenig wie beim Rating eine Entlastungswirkung in Bezug auf die aufsichtsrechtlichen Pflichten verbunden. An der gerichtlichen Letztentscheidungskompetenz ändert auch die Anerkennung als Marktstandard durch das genannte Schreiben der BaFin von 2006 nichts.84

77 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 89. Eingehend Teigelack Finanzanalysen und Behavioral Finance, 2009, S. 68 f. Zur Diskussion unten 13. Kapitel: A.II.2 (S. 574). 78 DVFA, Deutsche Grundsätze für Finanz-Research, DVFA-Finanzschriften 1/2006. 79 BaFin, Schreiben an die DVFA, 2.5.2006; vgl. dazu die Pressemitteilung der DVFA v. 21.6.2006, www.dvfa.de. 80 DVFA-Verhaltenskodex, Stand: Mai 2007, www.dvfa.de. 81 DVFA, Satzung, Stand: 2012, www.dvfa.de. 82 Einordnend Pfüller / Wagner WM 2004, 253, 257 f. 83 DVFA, Jahresbericht 2015, März 2016, www.dvfa.de, S. 4. 84 Nachw. Fn. 79.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Die aufsichtsrechtlichen Pflichten der Finanzanalysten ergeben sich aus Art. 20 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie, dem weitgehend darauf verweisenden § 34b WpHG, vor allem aber aus der Delegierten VO (EU) 2016/958 und der FinAnV von 2004. In Bezug auf die heute nicht mehr explizit für Finanzanalysen, wohl aber allgemein für Wertpapierdienstleistungen von § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vorgesehene Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit85 wird von einer Kodifikation hergebrachter Berufsgrundsätze ausgegangen, die insbesondere von der DVFA (fort-)entwickelt werden.86 Sachkenntnis erfordert hiernach Erfahrung, nicht aber zwingend eine besondere Ausbildung.87 Zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht ist ein „vertretbarer“ oder „zumutbarer“ Aufwand bei der Erstellung erforderlich.88 Unsicherheiten über den Umfang der damit verbundenen Anforderungen werden durch die Pflicht aus Art. 3 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. aus § 3 Abs. 2 Satz 2 FinAnV, in der zu veröffentlichenden Analyse auf bestehende Zweifel hinzuweisen, abgemildert.89 Im Weiteren sind die Sorgfaltspflichten adressaten-, also darstellungsbezogen ausgestaltet. Hierin liegt ein konzeptioneller Unterschied zur Abschlussprüfung, deren Anforderungen objektbezogen ausgestaltet sind und steigen, wenn ein Unternehmen von öffentlichem Interesse geprüft wird. So bestehen erhöhte Anforderungen an die Darstellung und Offenlegung nach Art. 4, 6 Delegierte VO (EU) 2016/958, wenn eine konkrete Anlagestrategie (also Kaufen, Halten, Verkaufen) vorgeschlagen wird, und ebenso wenn es sich beim Ersteller um einen Sachverständigen handelt.90 Als sachverständig gelten Personen, die wiederholt Anlageentscheidungen vorschlagen und angeben, über Erfahrungen oder Sachkenntnis im Finanzbereich zu verfügen oder ihre Empfehlungen in einer Art und Weise erteilen, die vernünftigerweise eine solche Erwartung weckt.91 Besonders die von Mitarbeitern bei Finanzinstituten erstellten Finanzanalysen unterliegen diesen erhöhten Anforderungen. Die Anforderungen an die Gewissenhaftigkeit werden vergleichbar dem Recht der Abschlussprüfung als funktionale Erforderlichkeit beschrieben. Unvereinbar mit der gewissenhaften Aufgabenerfüllung soll insbesondere die Zusicherung einer vorteilhaften Auswertung oder eines vorteilhaften Ergebnisses sein.92

Dazu auch 13. Kapitel: A.I.1.b (S. 561). Dazu Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F129. Übergreifend Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 39. 87 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 41; FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 33. Strenger aber wohl KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 124. 88 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 42. 89 Näher 13. Kapitel: A.III.3.a (S. 591). 90 Dies folgt aus Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 34 EU-MarktmissbrauchsVO, auf den jeweils verwiesen wird. 91 Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/958. 85 86

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

3. Strukturfragen Der dargestellte Kernbestand berufsrechtlicher und regulatorischer Pflichten ist das Fundament einer die kapitalmarktliche Informationsintegrität sicherstellende Informationsintermediation. Innerhalb des derzeit bestehenden Systems aus explizitem Intermediationsobligatorium (Abschlussprüfung) und unterschiedlich stark ausgeprägten impliziten Verpflichtungen zur Inanspruchnahme von privaten Intermediationsleistungen (Rating und Finanzanalyse) sind für die Ausgestaltung von Berufszugang und -ausübung mindestens drei Themen zu durchdringen: Erstens ist die Leistungsfähigkeit von individual- und organisationsbezogenen Konzeptionen abzuwägen. Zweitens ergibt sich ein unterschiedlich stark ausgeprägter Rückgriff auf Marktmechanismen, je nachdem, ob auf Offenlegungs-, Organisationspflichten oder Verbote gesetzt wird. Drittens und übergreifend ist der so gestaltete Pflichtenrahmen daran zu messen, inwieweit für die Informationsintegrität schädliche Einflussnahmen des Auftraggebers oder des geprüften bzw. beurteilten Emittenten unterbunden werden.

II. Berufszugang Regeln zum Berufszugang zielen darauf ab, ein Mindestmaß an Sachkenntnis und zu erwartender Sorgfalt der Handelnden sicherzustellen. In Betracht kommen im Wesentlichen drei Regelungsmodelle: erstens Auswahl- und Überwachungspflichten, die sich an die den einzelnen Handelnden beschäftigende Institution richten (Organisationsmodell), zweitens die Pflicht des Einzelnen oder der Institution zur Anzeige der Marktteilnahme, gegebenenfalls verbunden mit weiteren Pflichten zur Kennzeichnung der Leistung (Offenlegungsmodell), sowie drittens die Bindung der Marktteilnahme an eine Zulassung, also das Verbot der Leistungserbringung ohne eine solche Zulassung (Verbotsmodell). Dem Organisationsmodell zuzuordnende Pflichten finden sich bei allen behandelten Intermediationsleistungen, wenngleich mit stärker auf den einzelnen für die Durchführung Verantwortlichen bezogener Prägung bei der Abschlussprüfung und stärker auf die Verantwortung der anstellenden Organisation bezogener Ausrichtung beim Rating. Die Finanzanalyse ist schwerpunktmäßig dem Offenlegungsmodell zuzuordnen, während sich bei Abschlussprüfung und Rating auch Elemente eines Verbotsmodells finden. 1. Organisation der Mitarbeiterstruktur Den in allen Intermediationsbereichen bestehenden Organisationspflichten kommt unterschiedliches Gewicht für den Berufszugang zu: Für die AbschlussAssmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 43; KölnKommWpHG2-Möllers § 34 b Rn. 125. 92

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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prüfung kann von vornherein nur eine zum Wirtschaftsprüfer bestellte Person verantwortlich zeichnen (Vorbehaltsaufgabe, § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB).93 Die Pflichten zur Auswahl, Einweisung und Fortbildung weiterer am Prüfungsprozess beteiligter Mitarbeiter richten sich infolgedessen an den verantwortlichen Prüfer. Die Anforderungen an Sachkenntnis und Sorgfalt der Mitarbeiter ergeben sich vor diesem Hintergrund aus der Eigenverantwortlichkeit des Prüfers nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO.94 Für die typischerweise in Teams erbrachten Bonitätsbeurteilungen wird demgegenüber auf an die Agentur gerichtete Organisationspflichten gesetzt. Nach Art. 7 Abs. 1 EG-RatingVO ist dafür zu sorgen, dass Ratinganalysten und Mitarbeiter über „angemessene Kenntnisse und Erfahrungen“ verfügen. Bei unzureichenden personellen Mitteln müsste die Agentur im Umkehrschluss von der Abgabe des Ratings absehen.95 Die Wahl des organisationszentrierten Regelungsansatzes ist am ehesten aus dem Fehlen eines festen Berufsbilds zu erklären.96 In der Praxis werden Ratinganalysten mit unterschiedlichster Vorbildung eingesetzt.97 Damit können sich durchaus Vorteile einer unbefangenen Auswertung verbinden. Die von der EG-RatingVO offengelassene Eingrenzung der Eignungskriterien, etwa nach den in Betracht kommenden Ausgangsqualifikationen oder Erfordernissen der Berufserfahrung, kann (jedenfalls derzeit) nur von den Agenturen selbst übernommen werden. Für diese Auswahlentscheidung gewinnen die von Fachverbänden nach Ausbildung verliehenen Abschlüsse zunehmend an Bedeutung, beispielsweise der vom BdRA verliehene Titel des „Certified Rating Analyst“.98 Die Anreize der Agentur zur Auswahl geeigneter Kandidaten und zu deren internen Fortbildung ergeben sich zum einen aus dem Erhalt der Reputation. Zum anderen folgen sie aus dem Registrierungssystem, das der Agentur (nicht dem einzelnen Analysten) bei Verstoß gegen die Pflichten aus der EG-RatingVO den Zugang zum Markt für regulatorisch einsetzbare Ratings entziehen kann.99 Zum organisationszentrierten Ansatz passen die in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 EGRatingVO flankierend vorgesehenen Pflichten zur Bestellung von Geschäftsführungsmitgliedern, die über ausreichende Qualifikation und Erfahrung verfügen.

Zum Verbot der Leistungserbringung ohne Zulassung 13. Kapitel: A.II.3 (S. 575). KommWPO2-Schleip § 43 Rn. 213. 95 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 312 f. 96 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 304 ff., 308 Fn. 1207 mit detaillierter Darstellung der in Literatur und Fachverbänden diskutierten Qualifikationsanforderungen. 97 ESME, Role of Credit Rating Agencies, Report to the European Commission, Juni 2008, S. 14 mit dem Vorschlag spezialisierter Qualifikationsprofile bei gleichzeitiger Beibehaltung der Vielfalt der ausbildungsbezogenen oder beruflichen Hintergründe. 98 Dazu 13. Kapitel: A.I.2.b (S. 567). 99 Siehe dazu den folgenden Abschnitt. 93 94

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Das Recht der Finanzanalyse ist zwischen den für Abschlussprüfung und Rating gewählten Ansätzen einzuordnen. Einerseits richten sich die Pflichten nach Art. 20 Abs. 1 MarktmissbrauchsVO, wie bereits nach § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F., an den einzelnen Analysten.100 Andererseits ist das Finanzinstitut nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, explizit auf die Einhaltung der Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit verpflichtet und hat dabei insbesondere eine sachgerechte Auswahl der Analysen erstellenden Personen sicherzustellen. 2. Offenlegung der Marktteilnahme In allen behandelten Einzelbereichen bestehen an die Marktteilnahme des Informationsintermediärs geknüpfte Offenlegungspflichten. Der Abschlussprüfer wird öffentlich bestellt und unterzeichnet den Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 7 Satz 1 HGB im eigenen Namen. Bei Veröffentlichung von Bonitätsbeurteilungen sind nach Anh. I Abschn. D Unterabschn. I Nr. 1 EG-RatingVO die für die Erstellung verantwortlichen Ratinganalysten namentlich anzugeben. Wie bei der Abschlussprüfung ergibt sich die Steuerungswirkung beim Rating jedoch weniger aus diesen Offenlegungspflichten und mehr aus den im folgenden Abschnitt zu besprechenden Verbotsregeln.101 Bei der Finanzanalyse findet sich ein Regelungsmodell, das über die für alle Informationsintermediäre geltenden Organisationspflichten hinausgehend maßgeblich auf Offenlegungspflichten baut, die durch Art. 2 Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. § 2 FinAnV ausgestaltet werden:102 Allgemein sind bei öffentlicher Darbietung der Analystenempfehlung die Namen der Ersteller und die Bezeichnung ihrer Berufe sowie das für die Erstellung verantwortliche Unternehmen anzugeben. Finanzinstitute haben außerdem die Behörde zu bezeichnen, deren Aufsicht sie unterliegen. Sonstige Ersteller haben auf gegebenenfalls geltende Berufs- oder Standesregeln bzw. Vorschriften einer Selbstregulierung hinzuweisen. Andere Personen, die in Ausübung ihres Berufes oder im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit für die Erstellung von Anlagestrategieempfehlungen oder deren Weitergabe verantwortlich sind, haben dies der BaFin nach § 34c Satz 1 WpHG (lediglich) unverzüglich anzuzeigen.103 Die zuerst genannten Identitäts- und Berufsangaben nach stehen für eine verbesserte Einschätzbarkeit der Qualifikation.104 Sie ermöglichen eine erleichterte (behördliche oder auch private) Rückverfolgbarkeit bei Fehlverhalten und sprechen damit nicht zuletzt den Reputationsmechanismus an. 100 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 71. 101 Siehe Abschn. 3 (S. 575). 102 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 82 ff. 103 Zum Umfang der Anzeigepflicht FuchsWpHG2-Fuchs § 34c Rn. 6. 104 BaFin, Begründung zur FinAnV, Dezember 2004, S. 4, www.bafin.de.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Von dem Hinweis auf die Unterwerfung unter die Vorschriften der Selbstregulierung eines Berufsstandes wird ein hoher Informationswert für Anleger erhofft.105 Ausgegangen wird davon, dass eine Befolgung von Regeln der Fachverbände eine „sachgerechte Erstellung“ der Analyse gewährleistet.106 Damit muss sich allerdings zwangsläufig der Eindruck verbinden, die gesetzlichen Regeln seien praktisch nur noch Auffangtatbestand.107 Zutreffend ist, dass die Regeln der Fachverbände über Gesetz und Konkretisierungen hinausgehen. Zweifel am Signalwert des Hinweises ergeben sich aber aus der Begriffswahl Berufs- oder Standesregeln bzw. Selbstregulierung. Damit wird die Vermutung belastbarer privater Überwachungs- und Sanktionsmechanismen nahegelegt. Die dafür erforderliche kontinuierliche Aufsicht können die Fachverbände jedoch schon in Ermangelung vereinbarter Dokumentations- und Nachweispflichten des einzelnen Analysten (jedenfalls nach derzeitigem Stand) kaum leisten. Fehlverhalten ist von den Verbänden kaum beobachtbar und von Berufskollegen dürften nur in Sonderfällen Hinweise dazu zu erwarten sein. Ähnliche Bedenken werden der Anzeigepflicht nach § 34c Satz 1 WpHG gegenüber der BaFin entgegengebracht, weil sich aus der Anzeige der Eindruck einer behördlich qualitätsgeprüften Arbeit ergeben könne.108 Bereits aus der gesetzlichen Anordnung der Anzeigepflicht entsteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dieses fälschlichen Eindrucks. Insgesamt weist das für den Zugang zum Markt für Finanzanalysen gewählte Offenlegungsmodell eine niedrige Regulierungsintensität auf. Mögliche Begründungen ergeben sich aus der probabilistischen Natur der Analystenempfehlung, die im Vergleich zu Abschlussprüfung und Bonitätsrating weniger durch Prüfung von Fremdinformationen und mehr durch private Meinung bestimmt ist. 3. Verbot der Leistungserbringung ohne Zulassung Auf höchster Eingriffsstufe stehen Zulassungsregeln, also Verbote der Marktteilnahme bei fehlender Erlaubnis. Prototyp ist die Verknüpfung der Berechtigung zur Durchführung gesetzlicher Abschlussprüfungen mit der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer (Vorbehaltsaufgabe, § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB).109 Folge der Bestellung ist die Unterwerfung unter die Aufsicht durch die WPK (Pflichtmitgliedschaft, § 58 Abs. 1 Satz 1 WPO). Die Bestellung setzt den erfolgreichen AbBaFin, ebd., S. 5. BaFin, ebd., S. 5. 107 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 89. 108 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 179. 109 Vorbehaltsaufgaben ergeben sich nicht aus § 2 WPO, sondern aus den außerhalb der WPO geregelten materiellen Prüfungsbefugnissen, insbesondere § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB; näher KommWPO2-Wollburg § 2 Rn. 3. 105 106

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

schluss der Berufsprüfung voraus, zu der nur ein Kandidat mit geeigneter Vorbildung und hinreichender Berufserfahrung zugelassen wird (§§ 8, 15 Satz 1 WPO). Im Nachhinein festgestellte Belastungsschwächen des Bestätigungsvermerks können zu berufsaufsichtsrechtlichen oder auch berufsgerichtlichen Maßnahmen führen, die bis hin zum Widerruf der Bestellung führen, sollte sich der Betreffende als untragbar erweisen (§§ 20 Abs. 2, 61a ff., 67 ff. WPO).110 Im Regelungsansatz vergleichbare, auf den individuellen Analysten bezogene Vorgaben gelten weder bei Rating noch Finanzanalyse. Für Ratingagenturen sieht Art. 14 EG-RatingVO (umstrittenermaßen) bloß eine Möglichkeit, also keine Pflicht zur Registrierung vor. Die Unsicherheiten über die Bedeutung der Registrierungsregeln resultieren aus den nicht widerspruchsfreien Formulierungen der EG-RatingVO, die nahelegen, dass die dort aufgeführten Pflichten auch ohne Registrierung Geltung beanspruchen.111 Die Registrierungsmöglichkeit wird (unstrittig) zur Pflicht, wenn die Bonitätsbeurteilungen für regulatorische Zwecke, also insbesondere die Eigenkapitalbemessung der Banken in Anspruch genommen werden sollen (Art. 4 EG-RatingVO). Darüber hinaus ist bei einem Rating im Zusammenhang mit einem zur Zulassung zum geregelten Markt veröffentlichten Prospekt darauf hinzuweisen, ob es sich um eine registrierte Agentur handelt (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 EGRatingVO).112 Von dem für Finanzanalysten geltenden Offenlegungsmodell unterscheidet sich die Registrierung darin, dass es sich nicht lediglich um eine Anzeigepflicht handelt.113 Vielmehr erfolgt eine inhaltliche Prüfung der nach der EG-RatingVO einzureichenden Angaben. Nach Anh. II Nr. 8 EG-RatingVO zählt dazu insbesondere der Nachweis der fachlichen Eignung des Personals. Historisch steht dieses Registrierungserfordernis für ein (spätes) Aufgreifen des in den USA Mitte der 1970er-Jahre eingeführten Erfordernisses der Anerkennung als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSROErfordernis). Dort wurde auf den Nachweis der Verlässlichkeit gesetzt (track record). Dieser aus Sicht einer relationalen Marktzugangskontrolle (gatekeeping) auf den ersten Blick überzeugende Ansatz stieß angesichts der dadurch geschaffenen Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter auf Kritik, wurde in der Folgezeit entschärft und schon in den Anfängen der unionsrechtlichen Regelsetzung nicht zur Nachbildung empfohlen.114 Die EG-RatingVO stellt deshalb nicht die quantitativ nachzuweisende Treffgenauigkeit in der Vergangenheit, sondern gegenwarts- bzw. zukunftsbezogene KommWPO2-Pickel § 68 Rn. 6 ff., 10. Näher 5. Kapitel: B.I.2.b (S. 90 ff.). 112 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 220 bezeichnet diese Vorgabe im Kontext der Art. 2, 4 EG-RatingVO als „systemfremd“. 113 Zu den Unterschieden Schroeter Ratings, 2014, S. 626 ff. 114 Blaurock ZGR 2007, 603, 607, 622; Deipenbrock WM 2005, 261, 262; Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F137 jeweils m. w. N. 110 111

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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qualitative Kriterien in den Vordergrund.115 Die Anreize zur fortlaufenden Befolgung ergeben sich aus der behördlichen Befugnis zum Entzug der Registrierung nach Art. 20 Abs. 1 lit. c EG-RatingVO und der dann, insoweit unstrittig, nur noch außerhalb regulatorischer Zwecke bestehenden Verwendungsmöglichkeiten der Bonitätsbeurteilungen.116 Zu begründen ist die Registrierungspflicht aus der Notwendigkeit einer prozeduralen Absicherung bei regulatorischer Inanspruchnahme privater Beurteilungen.117 Regulierungstheoretisch ist der Vorteil einer optionalen Registrierung (Verzicht auf einen flächendeckenden Erlaubnisvorbehalt)118 in den Möglichkeiten neuer Marktteilnehmer zu sehen, die ihre Marktbeachtung erst noch aufzubauen haben.119 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die Funktionsweisen der kumulativ einsetzbaren Regelungsmodelle des Berufszugangs unterscheiden sich: Im Organisationsmodell richten sich die Auswahlund Überwachungspflichten an die den einzelnen Handelnden beschäftigende Institution. Dies kommt vor allem bei fehlender Verfestigung des Berufsbilds in Betracht, setzt aber durch weitere Maßnahmen zu steuernde Verhaltensanreize der Institution voraus (Bonitätsrating). Im Offenlegungsmodell sind Anzeige- und Kennzeichnungspflichten vorgesehen, deren Beurteilung dem Markt überlassen bleibt. Die Qualifikationsanreize des einzelnen Handelnden folgen dann dem Reputationsmechanismus, der durch die Anreizstrukturen innerhalb der anstellenden Institution weiter ausgeformt werden kann (Finanzanalyse). Im Verbotsmodell kommt die Marktteilnahme nur bei Zulassung in Betracht. Gewählt wird dieses Modell, wenn bzw. soweit sich mit den Intermediationsleistungen Rechtsfolgeanknüpfungen, also regulatorische Indienstnahmen verbinden (Emittentenpflicht zur Abschlussprüfung und Inanspruchnahme von Bonitätsratings zu regulatorischen Zwecken). 1. Organisationspflichten (Abschnitt 1, S. 572 ff.) können sich an den Durchführungsverantwortlichen selbst oder die ihn beschäftigende Institution richten. Sie betreffen jeweils die Auswahl und Überwachung, im Falle des Intermediärunternehmens auch die des Durchführungsverantwortlichen oder der anders beteiligten Mitarbeiter. Anleitung gibt der Nachweis berufsbezogener 115 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 61 ff. 116 Befürwortend Lerch BKR 2010, 402, 406. 117 Erwägungsgrund 43 zur EG-RatingVO; allgemeiner Art. 1 EG-RatingVO. Zur vorausgegangenen Diskussion nur The High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), Report, 25.2.2009, Rn. 66 ff. Aus verfassungsrechtlicher Sicht Höfling Gutachten F, 68. DJT 2010, S. F42. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 632. 118 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 218 f. 119 Schroeter Ratings, 2014, S. 634.

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Ausbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen der Fachverbände, deren Angebot sich beim Rating aber erst in jüngerer Zeit verfestigt und sich deshalb (noch) nicht zur verlässlichen Gesetzeskonkretisierung eignet. 2. Offenlegungspflichten (Abschnitt 2, S. 574 ff.) können den Eindruck tatsächlich nicht bestehender Überwachungsstrukturen (Finanzaufsicht oder Berufsstand) hervorrufen. Dies gilt insbesondere für Finanzanalysen. Die Angaben zur Selbstregulierung sind aber – im Ansatz weiterführend – mit Druck zur Unterwerfung unter die Vorgaben der Fachverbände verbunden, bereiten also das Fundament für einen sinnvollen Ausbau der Selbstregulierung. 3. Zulassungserfordernisse (Abschnitt 3, S. 575 ff.) schaffen Barrieren für neue Anbieter. Bei der Abschlussprüfung betrifft dies den einzelnen Handelnden (Individualzulassung). Möglich und geboten ist dieser Regelungsansatz angesichts der verfestigten Rolle des Prüfers als Wahrer des öffentlichen Interesses. Die Registrierungspflicht von Ratingagenturen, die zu regulatorischen Zwecken nutzbare Bonitätsbeurteilungen anbieten wollen, setzt nach Stand gesammelter Erfahrungen zu Recht nicht auf die vergangenheitsbezogene Marktakzeptanz, sondern auf gegenwarts- bzw. zukunftsbezogene qualitative Kriterien. Daraus ergibt sich der erforderliche Anreizkonnex innerhalb des Modells von einerseits an die Agentur gerichteten Organisationspflichten und andererseits dem an die Einhaltung dieser Pflichten gebundenen Fortbestand der Registrierung (Institutszulassung). 4. Übergreifender Ertrag dieser Durchsicht verschiedener Regelungsmodelle ist, dass sich die Grade der erreichbaren Rollenausformung der privaten Informationsintermediation nach den rechtstatsächlichen Möglichkeiten einer auf den einzelnen Handelnden zugeschnittenen Rahmengebung unterscheidet. Während bei der Abschlussprüfung im Wege der historischen Anerkennung des Berufsstands und der sodann berufsständisch fortentwickelten Anforderungen eine Anknüpfung an die Individualzulassung möglich ist, weisen die Berufsbilder von Rating- und Finanzanalysten bislang keine vergleichbaren Verfestigungen auf. Zur Ausformung der Verantwortung für die Marktzugangskontrolle ist die Zuweisung von Individualverantwortung kaum umgehbar. Anzusetzen wäre beim Rating bei den Registrierungsanforderungen. Bei der Finanzanalyse könnte die angeordnete Bezugnahme auf die Befolgung der Vorgaben privater Verbände durch materielle Anforderungen ausgebaut werden.

III. Verhaltenspflichten Berufsrechtliche und regulatorische Verhaltenspflichten sind auf die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Intermediationsleistung gerichtet. Zu den Regelungsthemen zählen die Organisation des Intermediationsprozesses,120 die Dar-

120

Abschn. 1.

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bietung und Kennzeichnung öffentlich zugänglicher Beurteilungen121 sowie Veröffentlichungsgebote und -verbote.122 Die hierzu eingesetzten Pflichten wirken sich auf das vernünftigerweise vom Intermediär zu erwartende Sorgfaltsniveau aus. Sie fließen jedenfalls längerfristig auch in den haftungsrechtlichen Pflichtenstandard ein.123 1. Organisation des Intermediationsprozesses Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Organisation des Intermediationsprozesses sind an drei Punkten zu verdeutlichen: am Umgang mit den Informationsquellen (Nachforschung), an der Gestaltung der Informationsauswertung (Methode) sowie den nach Veröffentlichung des Intermediationsergebnisses fortdauernden Pflichten (Berichtigung und Aktualisierung). a. Quellenprüfung (Nachforschung) In allen Einzelbereichen der Informationsintermediation sind öffentlich verfügbare Informationen zu Geschäftstätigkeit, wirtschaftlichem und rechtlichem Umfeld des Intermediärunternehmens bei der Erstellung der Leistung einzubeziehen.124 Uneinheitlich zu beantworten ist demgegenüber die Frage nach Nachforschungspflichten; dies schon angesichts der ungleichen Möglichkeiten zur Informationseinholung beim Emittenten. Detaillierte Ausformungen der Rechte und Pflichten finden sich bei der Abschlussprüfung. Herzuleiten sind sie aus der in § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO geregelten Gewissenhaftigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Prüfers in Verbindung mit seinem öffentlichen Auftrag aus § 316 ff. HGB:125 Der Prüfer hat eine kritische Grundhaltung einzunehmen.126 Durch das APAReG von 2016 wurde dies in § 43 Abs. 4 WPO n. F. klargestellt, war aber bereits zuvor lang anerkannt.127 Erklärungen der Unternehmensleitung und Informationen des Internen Kontrollsystems sind als bloße Behauptungen aufzufassen und unter Einsatz der in § 320 HGB geregelten Rechte zu Auskunfts- und Nachweisverlangen zu verifiAbschn. 2 (S. 587). Abschn. 3 (S. 591). 123 Näher zur Schließung von Bestimmbarkeitslücken des Pflichtenstandards 11. Kapitel: B.I.2.c (S. 367). 124 Zum Abschlussprüfer Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 323 Rn. 1; zum Bonitätsrating Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 316 ff.; zur Finanzanalyse KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 147 mit Differenzierung zwischen Analysearten. 125 Allgemeine Nachw. oben Fn. 52 ff. 126 Zur Bedeutung der „berufsüblichen Skepsis“ im Rahmen von IDW PS 210 „Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung“ Boecker / Zwirner WP Praxis 2012, 1, 5. Vergleichend Doralt ZGR 2015, 266, 272. 127 Boecker / Zwirner DStR 2016, 90, 93. 121 122

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zieren.128 Zur Aufdeckung von Täuschungen der Unternehmensleitung sind auch konfrontative und zu protokollierende Befragungen auf Mitarbeiterebene geboten (Egalisierung von Machtverhältnissen). Auskünfte nach § 320 Abs. 2 HGB sind nach neuerer Auffassung vom Prüfer gerichtlich einklagbar.129 Gegenüber der Geschäftsleitung kann nach § 335 HGB außerdem gerichtlich ein Zwangsgeld verhängt werden, zu dessen Beantragung auch der Abschlussprüfer berechtigt ist.130 Regelmäßig wird der Auftraggeber aber seinen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AAB-WP vereinbarten Pflichten zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen auch ohne besondere Aufforderung nachkommen. Nach Abs. 2 der Klausel kann der Abschlussprüfer außerdem eine Erklärung zur Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen einholen.131 Der Prüfer hat intransparente Informationsgefüge (Blackboxes) zu durchdringen. Dazu zählen vor allem die Rechnungslegungspositionen zugrunde gelegten Beurteilungen anderer Informationsintermediäre. Nach § 320 Abs. 4 HGB ist allerdings nur der „bisherige Abschlussprüfer“, also der Vorjahresprüfer dem diesjährigen Prüfer zur Erstattung von Anforderungsberichten verpflichtet. Insgesamt wird der Abschlussprüfer seinen Pflichten zur prüfungsbegleitenden Qualitätssicherung nur gerecht, wenn er sich ein eigenes Bild von der Vollständigkeit und Verlässlichkeit der ihm vorgelegten Informationen verschafft.132 Nicht erforderlich ist die Neuerstellung fremder Leistungen, wohl aber eine Nachforschung i. S. d. Plausibilisierung. Für das beauftrage Rating (solicited rating) sind – wie für die Abschlussprüfung – die Informationen des Emittenten wichtigste Informationsquelle. Ratingagenturen stehen allerdings keine gesetzlichen Informationsrechte gegenüber dem Emittenten zu. Nach Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO wird auf die eher allgemein gehaltene Pflicht der Agentur gesetzt, zu gewährleisten, dass die Ratings zugrunde liegenden Informationen von ausreichend guter Qualität sind und aus zuverlässigen Quellen stammen. Daraus ist eine Pflicht zur Plausibilitätsprüfung abzuleiten, wie sie im kaufmännischen Verkehr für den Umgang mit von Dritten vermittelten Informationen allgemein üblich ist.133

MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 48. GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 320 Rn. 12; MünchKomm HGB3Ebke § 320 Rn. 68 f. 130 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 320 Rn. 2 m. w. N. 131 Ob dem Prüfer auf die Erklärung einen durchsetzbarer Anspruch zusteht, ist praktisch ohne Bedeutung, weil die Erklärung nach § 3 Abs. 2 AAB-WP „auf Verlangen“ abzugeben ist; AAB-WP i. d. F. von 2001 abgedr. bei Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt 11 AGB-WP (2d), Neufassung von 2017 in der Folgeauflage. Zum Ganzen MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 52 m. w. N. 132 KommWPO2-Kühl / Oeltze § 43 Rn. 89. Siehe bereits Hopt WPg 1986, 498, 504. 133 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 347 Rn. 27; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 320. 128 129

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Inwieweit darüber hinausgehende Pflichten zur Nachforschung und organisatorischen Absicherung der Informationsgrundlage bestehen, ist unsicher. In der Literatur findet sich eine große Spannbreite von Einschätzungen, die überwiegend in Richtung einer Verpflichtung zur Nachprüfung der vom Emittenten vorgelegten Informationen (z. B. der Existenz von Forderungsbeständen) weisen.134 Von der ESME wurde für den Umgang mit Informationen zu strukturierten Finanzprodukten eine Pflicht zur Durchführung eigener Prüfungen (due diligence) oder auch der Mandatierung externer Prüfer (z. B. eines Wirtschaftsprüfers) vorgeschlagen.135 Dass allgemein dahingehende Pflichten bestünden, lässt sich der EG-RatingVO nicht entnehmen.136 Die DVFA Rating-Standards gehen von einer Pflicht zur „Plausibilisierung“ durch Abgleich mit emittentenintern verfügbaren Daten (z. B. Daten des Rechnungswesens, Mitarbeiterbefragung) oder mit externen Vergleichsdaten (z. B. Finanzanalysen) aus.137 Ein Informationszugriff auf emittenteninterne Daten ist allerdings nur auf Grundlage vertraglicher Vereinbarung herzustellen.138 Aus dem vom New Yorker Attorney General Andrew Cuomo mit Standard & Poors, Moody’s und Fitch geschlossenenen Vergleich von 2008 ergab sich die Verpflichtung der Agenturen, von den Investmentbanken und weiteren Beteiligten Informationen über die verbrieften Forderungen einzuholen.139 Eine solche Standardisierung der privaten Absprachen zu Informationsrechten der beauftragten Agentur im Wege gegebenenfalls von den Fachverbänden in Anlehnung an die AAB-WP herauszugebender Klauselwerke wäre möglich, ist aber bislang nicht erfolgt. Regulatorisch käme eine Pflicht zur Offenlegung dazu in Betracht, ob entsprechende Vereinbarungen mit dem Emittenten getroffen wurden. Eine Steuerungswirkung ergäbe sich vor allem, wenn das Rating anderenfalls als unbeauftragt gekennzeichnet werden müsste. Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 65; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 201; Hennrichs in: FS Hadding 2004, S. 875, 882; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 320. Gegen eine allgemeine Verpflichtung ohne dahingehende aufsichtsrechtliche Anordnung aber Schroeter Ratings, 2014, S. 751 f. 135 ESME, Role of Credit Rating Agencies, Report to the European Commission, Juni 2008, S. 9, 15. 136 Siehe auch Erwägungsgrund 35 zur EG-RatingVO. Anders offenbar Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 320. 137 DVFA, DVFA-Rating Standards und DVFA-Validierungsstandards, DVFA-Finanzschriften 4/2006, Ziff. 1.1.4.3. 138 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 321. 139 Öffentlich zugänglich ist nur die Presseerklärung: Attorney General Cuomo Announces Landmark Reform Agreements With The Nation’s Three Principal Credit Rating Agencies, Pressemitteilung v. 5.6.2008, www.ag.ny.gov/press-release/attorney-general-cuomo-announc es-landmark-reform-agreements-nations-three-principal. Dazu Ellsworth / Porapaiboon 18 Bus. L. Today 35 f. (March/April 2009); Hunt 1 Colum. Bus. L. Rev. 109, 154 (2009); Schroeter Ratings, 2014, S. 724 f. 134

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Externe Beurteilungen, wie die von der DFVA angesprochenen Analystenempfehlungen, müssen die Agenturen bereits nach allgemeiner Regel einbeziehen, soweit die Informationen öffentlich verfügbar sind (neben Finanzanalysen auch der Abschlussprüfervermerk).140 Zu nichtöffentlich verfügbaren Drittbeurteilungen wird von der EG-RatingVOim Kontext der verpflichtenden externen Rotation überlegt, beim Wechsel der Ratingagentur einen Übergabebericht der bisherigen Agentur einzuführen.141 Im Ansatz entspräche dies dem Informationsrecht des diesjährigen Abschlussprüfers gegenüber dem Vorjahresprüfer aus § 320 Abs. 4 HGB.142 Bei nicht vom Emittenten beauftragten Bonitätsbeurteilungen (unsolicited ratings) kreiste die Diskussion, wie beschrieben, um die Übertragbarkeit der Grundsätze aus der Stiftung-Warentest-Rechtsprechung.143 Soweit hierin die Anordnung von (ohne Vertragsbindung) schlichtweg nicht zu erfüllenden Verifikationspflichten angelegt wäre, liefe dies auf ein (hier nicht befürwortetes) Verbot unbeauftragter Ratings hinaus.144 Überlegt wurde, die Agentur für verpflichtet zu halten, sich um Informationen beim Emittenten zu bemühen.145 Die EG-RatingVO 2009 setzt dementgegen auf ein Offenlegungsmodell.146 Erforderlich sind nach Art. 10 Abs. 5 EG-RatingVO eine Kennzeichnung als unbeauftragtes Rating sowie Angaben dazu, ob ein Zugang zu emittenteninternen Datenquellen bestand. Außerdem wird für den Fall von Zweifeln ein Verbot der Veröffentlichung von (unbeauftragten) Bonitätsbeurteilungen angeordnet. Darauf ist noch einzugehen.147 Im Übrigen ist zum Umgang mit Fremdleistungen sowohl im Recht der Bonitätsprüfung als auch der Finanzanalyse vorgesehen, dass die Ergebnisse der gesetzlichen Abschlussprüfung als verlässlich eingeschätzt werden dürfen.148 Möglichkeiten zur Rückfrage bei Zweifeln gegenüber dem bisherigen Prüfer bestehen allerdings bislang anders als zwischen den aufeinander folgenden AbDazu Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 320. Nach Erwägungsgrund 13 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO wird für den Fall der Erstreckung auf andere Anlageklassen überlegt, die bisherige Ratingagentur bei Ablauf der Vertragsbeziehung dazu zu verpflichten, der nachfolgenden Ratingagentur Informationen über den Emittenten und die bewerteten Finanzinstrumente zur Verfügung zu stellen (Übergabebericht). 142 Noch ohne abschließende Empfehlung European Commission, Study on the State of the Credit Rating Market, Final Report, MARKT/2014/257/F4/ST/OP, Januar 2016, S. 82 ff., 90. 143 Näher dazu 11. Kapitel: B.I.2 (S. 363). 144 Im Ergebnis ebenso Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 66. Näher zu unbeauftragten Ratings 13. Kapitel: C.III.2 (S. 715 ff., 718). 145 Habersack ZHR 169 (2005) 185, 201. Siehe auch die Nachw. oben Fn. 134. 146 Befürwortend Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 66. 147 Siehe 13. Kapitel: A.III.3.a (S. 591). 148 Erwägungsgrund 35 zur EG-RatingVO. So bereits Habersack ZHR 169 (2005) 185, 201. 140 141

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schlussprüfern nicht. Für das Rating ist die Verwendbarkeit von fremden Bonitätsbeurteilungen anerkannt, auch sofern sie durch nicht in der EU ansässige Agenturen erstellt wurden. Übernommen werden darf nach Art. 4 Abs. 3 und 5 EG-RatingVO ein in einem Drittland abgegebenes Rating, wenn die zugrunde liegenden Ratingtätigkeiten den im Einzelnen geregelten Anforderungen genügen. Die Agentur ist dann „für dieses Rating sowie für die Einhaltung der darin enthaltenen Bedingungen uneingeschränkt verantwortlich“.149 Die (nahe liegende) Einführung einer entsprechenden Verantwortung der Finanzanalysten wurde zwar bislang nicht ausdrücklich geregelt. Weitergegebene Analysen waren aber schon bislang nach § 7 FinAnV als solche zu kennzeichnen, insbesondere bei Änderungen. Nach Art. 8 ff. Delegierte VO (EU) 2016/958 sind neuerdings insbesondere Angaben zu möglichen Interessenkonflikten des Erstellers erforderlich, die den bei eigenen Analysen aufzunehmenden Hinweisen weitgehend entsprechen. Dadurch entsteht faktisch eine Pflicht, die weiterzugebende Analyse auf ihre Verlässlichkeit zu prüfen. b. Auswertung (Methodenverantwortung) Die Informationsauswertung ist bei den einzelnen Intermediationsleistungen auf unterschiedliche Ziele gerichtet und folgt jeweils eigenen Prüfungs- bzw. Analysemethoden. Die berufsrechtliche oder regulatorische Steuerung der Auswertung steht im Spannungsverhältnis zur eigenverantwortlichen Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen durch den Informationsintermediär.150 Kernfrage ist die Verantwortung für die Methode, denn an dieser entscheidet sich die Bandbreite möglicher Ergebnisse der Informationsauswertung. Zur prozeduralen Absicherung kommt eine Aufspaltung der Verantwortung in einerseits Methodenentwicklung und andererseits Anwendung in Betracht. Die Errichtung solcher mehrschichtigen Verantwortungsgefüge wird in der Regulierungstheorie als Instrument zur Herstellung von Beobachtbarkeit beschrieben.151 Zugleich bietet sie eine Möglichkeit zur Einschränkung der Gefahren aus finanziellen Eigeninteressen des Intermediärs und schädlichen Einflussnahmen des Auftraggebers, ist also auch in den noch zu beleuchtenden Zusammenhang der Unabhängigkeit einzuordnen. Eine Verantwortungsteilung in diesem Sinne findet sich allein bei der Abschlussprüfung. Die zugrunde zu legenden Prüfungsstandards des IDW orientieren sich an den internationalen Prüfungsstandards (ISA), die von der IFAC herausgegeben werden.152 Ihre Anwendung durch den einzelnen Prüfer unterKursivdruck hinzugefügt. Zur Eigenverantwortlichkeit 13. Kapitel: B.II.1 (S. 626 ff.) 151 Coglianese / Mendelson in: Baldwin u. a. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Regulation, 2010, S. 146, 152 mit instruktiver Graphik. 152 Näher 13. Kapitel: A.I.2.a (S. 565). 149 150

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liegt der Aufsicht durch die WPK, die Verstöße als Berufspflichtverletzung ahndet.153 Methodenentwicklung und -wahl obliegen also Institutionen, die nicht an der jeweiligen Prüfung beteiligt sind. Dem die Prüfung durchführenden Abschlussprüfer kommt gleichwohl ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit zu, auf das auch die ihn beschäftigende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft keinen Einfluss nehmen darf:154 Das Prüfungskonzept ist aus eigener Überzeugung zu entwickeln, Prüfungsziele sind nach der Identifikation von Schlüsselelementen sachgerecht zu gewichten und die Prüfungstechnik ist auf eine Art und Weise einzusetzen, die der Lage und Entwicklung des Unternehmens gerecht wird. Entscheidend ist nicht zuletzt der selbstbestimmte Zeiteinsatz, auch entgegen der Erwartungen des Auftraggebers. Daraus kann die Verpflichtung erwachsen, ein Verlustgeschäft in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn zunächst fälschlich von der tatsächlich nicht gegebenen Übertragbarkeit früherer Prüfungsgestaltungen ausgegangen wurde (Verfallzeiten). Im Recht der Ratingagenturen findet sich eine schwächer ausgeprägte Aufspaltung der Verantwortungslagen. Zweifelsohne tragen die verschiedenen Fachverbände zur Fortentwicklung der Methoden bei. Die Ratingagentur bleibt aber nach Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO verpflichtet, selbst „geeignete Verfahren“ zu beschließen und sie umzusetzen, „um sicherzustellen, dass die von ihr abgegebenen Ratings und Ratingausblicke auf einer gründlichen Analyse aller Informationen basieren, die ihr zur Verfügung stehen und für ihre Analyse nach den anwendbaren Ratingmethoden von Bedeutung sind“. Die auf interne Weisungsfreiheit des Handelnden zielenden weiteren Organisationspflichten der Agentur sind noch im Einzelnen zu untersuchen.155 Im Vergleich zur Abschlussprüfung besteht der wesentliche Unterschied darin, dass beide Komponenten (Methodenentwicklung und -anwendung) in der Verantwortung der Agentur stehen.156 Dadurch werden regulatorische Vorstöße zur verbesserten Überprüfbarkeit der Ordnungsmäßigkeit verwendeter Methoden nicht verstellt, wie auch die 2017 von der ESMA veröffentlichte Anleitung zeigt.157 Für die Finanzanalyse ist ein dem Recht des Bonitätsratings vergleichbares Bild zu zeichnen. Die Verantwortung eines den Analysten anstellenden Instituts für die Methodenauswahl und die Verwendung geeigneter Analyseverfahren wird zwar nicht ausdrücklich normiert. Sie ist aber Teil der unternehmensbezogenen Verhaltenspflichten nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bzw. der perIm Zusammenhang mit der Selbstbindung der WPK siehe KommWPO2-Schleip Vor § 43 ff. Rn. 2. 154 Überblick zum Folgenden bei MünchKommHGB3-Ebke § 317 Rn. 43 ff. 155 Eigenverantwortlichkeit 13. Kapitel: B.II.1.a (S. 627). 156 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 317. 157 ESMA, Guidelines on the validation and review of Credit Rating Agencies’ methodologies, ESMA 2016/1575, 23.03.2017, S. 3 zu dem auf nicht-registrierte Agenturen beschränkten Anwendungsbereich. 153

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sonenbezogen Pflichten nach Art. 20 Abs. 1 EU-MarktmissbrauchsVO.158 Wie beim Rating sind im Übrigen die Organisationspflichten des Instituts zur Sicherstellung einer unabhängigen und vor allem vom anstellenden Institut unbeeinflussten Analyse des Einzelnen von entscheidender Bedeutung. Damit kreisen die sowohl für Finanzanalyse als auch Rating regulatorisch maßgeblichen Fragen vornehmlich um die Unabhängigkeit des einzelnen Handelnden, die separat zu erörtern ist.159 c. Berichtigung und Aktualisierung (Nachverfolgung) Bei den Nachverfolgungspflichten sind Berichtigung, also die Korrektur fehlerhafter Ergebnisse, und die Aktualisierung zu unterscheiden, die sich auf die Anpassung anfänglich zutreffender Ergebnisse an neu hinzugetretene Umstände bezieht. Nur die zuerst genannten Berichtigungspflichten bestehen bei allen hier betrachteten Formen der Informationsintermediation. Bei der Abschlussprüfung ergibt sich die Pflicht zur Fehlerkorrektur aus den allgemeinen Berufspflichten des § 43 WPO.160 Ratingagenturen wurden erst durch die 2013 erfolgte Ergänzung in Art. 8 Abs. 7 EG-RatingVO ausdrücklich auf die Fehlerkorrektur verpflichtet. Bereits nach der Ursprungsfassung von 2009 konnte die Berichtigungspflicht aber wie die der Finanzanalysten aus den allgemeinen Verhaltenspflichten hergeleitet werden. Mit der deutlich weitergehenden Aktualisierungspflicht verbindet sich in der Sache ein preisrelevanter Eingriff in die Gestaltung der privaten Absprache über die Erbringung der Intermediationsleistung. Die aus der Nachverfolgung entstehenden Kosten fließen in die der Intermediationsleistung ein, werden also von den Auftraggebern getragen (bzw. bei nichtbeauftragter Leistung durch diese querfinanziert). Die Aktualisierungspflicht führt zur zeitlichen Erstreckung der Leistungserbringung in Richtung einer kontinuierlichen Informationsintermediation. Sie erweist sich damit als (ein mögliches) Scharnier für den Ausbau der einzelnen Intermediationsleistung zur begleitenden Marktzugangskontrolle (gatekeeping).161 Das hieran bestehende öffentliche Interesse und das private Interesse am Erhalt der Freiheit zur Beendigung der Leistungserbringung können im Wege der noch zu besprechenden Offenlegungspflichten bei einem Leistungsabbruch in Ausgleich gebracht werden.162

Näher GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 6 Rn. 541. Zur Vorgängernorm KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 67. Eingehend Schilder Die Verhaltenspflichten von Finanzanalysten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2005, S. 31. 159 Im Einzelnen 13. Kapitel: B (S. 607 ff.) 160 KommWPO2-Förster § 43 Rn. 309. Zur Prospektberichtigung Hopt WPg 1986, 498, 504. 161 Zu den Kennzeichen der relationalen Marktzugangskontrolle 8. Kapitel: B.III (S. 259). 162 Zum Verbot des stillen Leistungsabbruchs 13. Kapitel: A.III.3.c (S. 593). 158

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In Betracht kommt die Anordnung einer Aktualisierungspflicht nur hinsichtlich der Informationen mit Zukunftsbezug. Nur insoweit können sich nach Veröffentlichung eintretende Umstände auf die kapitalmarktliche Informationsintegrität auswirken. Der Abschlussprüfer trifft zwar im Bestätigungsvermerk auch eine Prognose zum Fortbestehen und hat dazu zu beurteilen, ob auch hinsichtlich der Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung ein zutreffendes Bild vermittelt wird (§ 322 Abs. 6 Satz 2 HGB). Beurteilungsgegenstand bleibt aber die im Lagebericht niedergelegte Auffassung des Emittenten, die – wie ihre Prüfung – stichtagsbezogen ist. Durch Hinzutreten neuer Entwicklungen nach Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks kann sich am Aussagegehalt des Lageberichts und des darauf bezogenen Bestätigungsvermerks also nichts mehr ändern. Relationaler Charakter kommt der Abschlussprüfung dementsprechend nicht infolge einer Aktualisierungspflicht, sondern wegen der im Jahresturnus wiederkehrenden Verpflichtung des Emittenten zur Einholung des Bestätigungsvermerks zu. Demgegenüber sind Ratingagenturen nach Art. 8 Abs. 5 EG-RatingVO dazu verpflichtet, die von ihnen veröffentlichten Bonitätsbeurteilungen nachzuverfolgen und ggf. zu aktualisieren. Mindestens einmal pro Jahr sind die abgegebenen Beurteilungen zu prüfen, bei wesentlichen Änderungen, die Auswirkungen auf ein Rating haben könnten, aber auch häufiger.163 Für Länderratings gilt nach der genannten Vorschrift seit 2013 sogar ein sechsmonatiger Turnus. Hiermit wird auf zu langsam erfolgte Herabstufungen in der Vergangenheit reagiert.164 Rechtspolitisch werfen Pflichten Zweifel auf, die zu rasche Ratingänderungen zur Folge haben. Vermittelt durch Gestaltungen privater Austauschverträge (trigger events) oder auch Anlageleitlinien von institutionellen Investoren können sie zu Kettenreaktionen führen.165 Allerdings ist dies ein von den Bedürfnissen nach kapitalmarktlicher Informationsintegrität zu trennendes Problem. Für Letztere ist entscheidend, dass im Zeitablauf unrichtige Informationen korrigiert oder vom Markt entfernt werden. Änderungen der Ratingmethoden sind eine maßgebliche Ursache für erforderliche Anpassungen.166 Nach Art. 8 Abs. 5a EG-RatingVO ist die Änderung anzukündigen und zu begründen. Dem betroffenen Emittenten ist einen Monat lang Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Falle der Methodenänderung ist nach Art. 8 Abs. 6 lit. a, aa EG-RatingVO die ESMA zu benachrichtigen. Außerdem sind die Ergebnisse der Konsultation zu veröffentlichen und es ist Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 11, 68. 164 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 11, 32; Coffee Gatekeepers, 2006, S. 34. 165 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 339 ff. mit umfangreichen Nachweisen zur Entwicklung der Diskussion. 166 Zum Standardbeispiel der Ratingänderung im Fall der Thyssen-Krupp-Anleihe 7. Kapitel: A.III.1 (S. 187). 163

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unverzüglich bekanntzugeben, wie viele Ratings voraussichtlich betroffen sind. So schnell wie möglich, spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten, ist ein neues Rating durchzuführen. Unverkennbar entstehen aus diesem Pflichtenkatalog weitreichende und (letztlich für die Auftraggeber) kostenträchtige Pflichten der Compliance.167 Weniger umfassend ausgestaltet sind die Vorgaben an Finanzanalysten. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. f Delegierte VO (EU) 2016/958 ist lediglich die vorgesehene Häufigkeit der Aktualisierung anzugeben ist. Davon umfasst sein dürfte die von § 4 Abs. 4 Nr. 3 FinAnV geregelte Pflicht zur Bekanntgabe einer Änderung bereits angekündigter zeitlicher Bedingungen der Aktualisierung. Tatbestandliche Voraussetzung ist aber jeweils, dass die Aktualisierung vorgesehen ist. Es fehlt also eine dem Rating vergleichbare Verpflichtung auf die fortlaufende Überwachung und Aktualisierung. Zu erklären ist dieser Unterschied wohl aus der deutlich kürzeren Halbwertszeit von Finanzanalysen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass bloß eine Offenlegung der Anbieterentscheidung zur Fortsetzung der Analyse vorgesehen ist (opt in), also – anders als beim Rating – nicht auf einen publizitätspflichtigen Abbruch der Beobachtung (opt out) gesetzt wird.168 2. Darbietung und Kennzeichnung Das Angebot öffentlich verfügbarer Intermediationsleistungen unterliegt Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten. Die eng miteinander verwobenen Grundsatzfragen betreffen den Maßstab der Mindestzugänglichkeit (Adressatenbezogenheit), die Standardangaben zur Verbesserung der äußerlichen Beobachtbarkeit der Verlässlichkeit (Informationsquellen und Methoden) sowie die durch besondere Kennzeichnung herzustellende Unterscheidbarkeit von Tatsachenangaben und Analyse (Eigenbeurteilung). a. Maßstab (Adressatenbezogenheit) Regelsetzung und Rechtsprechung gehen in Fragen der Unternehmenspublizität von einem „verständigen Anleger“ (Insiderinformation) oder „durchschnittlichen Anleger“ (Prospekthaftung)169 aus, also weder von einem geschulten Investor noch vom unkundigen Kleinanleger.170 Konzeptionell entspricht dies dem beStemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 343 ff., 345. Zu den Pflichten bei Abbruch der Intermediationsleistung 13. Kapitel: A.III.3.c (S. 593). 169 Der „durchschnittliche“ Anleger kann eine Bilanz lesen, muss aber nicht mit der Fachsprache vertraut sein; BGH, Urt. v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862, Juris-Tz. 12. Dazu Habersack in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 29 Rn. 15. 170 In der Literatur ist der Begriff des „börsenkundigen“, also „mit den Gegebenheiten des Kapitalmarkts vertrauten Anleger(s)“ zu finden; Möllers / Poppele ZGR 2013, 437, 445 f. m. w. N. 167 168

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reits beschriebenen Mehrebenensystem der Informationsintermediation.171 Zu unterscheiden ist also zwischen der hier behandelten nichtindividualisierten kapitalmarktlichen Informationsintermediation und den auf die Investitionsziele des einzelnen Investors abzustimmenden Informationsleistungen, insbesondere der Anlageberatung.172 Dem Anlegerleitbild kommen hierbei jeweils unterschiedliche Funktionen zu. Im bilateralen Vertrag mit dem Anlageberater ist die Berücksichtigung der (ggf. auch irrationalen) Präferenzen und der (ggf. schwach ausgeprägten) Verständnismöglichkeiten des Einzelnen maßgeblich, bei der kapitalmarktlichen Informationsintermediation hingegen die Informationsintegrität und Auswertbarkeit der Information durch den Markt als Ganzen. Empirische Nachweise stützen diese Unterscheidung: Rechnungslegungsinformationen werden allenfalls in ihren Ergebnissen, nicht aber in den dahin führenden Begründungen bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt.173 Entsprechend sind die leicht zu verarbeitenden Symbolkennzeichnungen der Ratingagenturen oder die auf Kaufen, Halten, Verkaufen ausgerichteten Empfehlungen der Finanzanalysten einzuordnen. Nach den Erwägungsgründen der EG-RatingVO sind die Ausformungen der Darbietungspflichten damit zu begründen, dass eine eigenständige Prüfung von Aussagegehalt und Verlässlichkeit ermöglicht werden soll.174 Im Mehrebenensystem kann damit nicht gemeint sein, dass eine solche Prüfung auch rechtstatsächlich durch jeden einzelnen Investor erfolgt. Ihre Berechtigung erhalten Regeln zur Darbietung und Kennzeichnung vielmehr bereits aus der Möglichkeit zur Nachprüfung, die nicht zwingend selbst vorgenommen werden muss. Rechtlich spielt die Nachprüfungsmöglichkeit vor allem auf den der kapitalmarktlichen Informationsintermediation nachgelagerten Ebenen eine Rolle, z. B. bei der Frage, ob der Anlageberater seinen Informationsbeschaffungspflichten nachgekommen ist und Informationsquellen zutreffend gewichtet hat.175 Die Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten erweisen sich damit als regulatorische Ausformung der Vertrauenseigenschaften kapitalmarktmarktbezogener Informationsleistungen. Für die große Zahl der die Informationen nicht selbständig auswertenden Investoren kommt Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten vor diesem Hintergrund eine bloß mittelbare, deshalb aber nicht weniger bedeutsame Wirkung zu: Vermittelt über das Vertrauen auf die im Wege solcher Pflichten gestärkte kapiSiehe 8. Kapitel: B.III.4 (S. 266). Näher Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 31 Rn. 17, 93b. 173 Im Zusammenhang 7. Kapitel: A.II.1 (S. 184). 174 Erwägungsgrund 25 EG-RatingVO: „Die offengelegten Informationen zu den Modellen sollten so detailliert sein, dass der Nutzer der Ratings über ausreichende Angaben verfügt, um selbst eine sorgfältige Prüfung bei der Entscheidung vornehmen zu können, in welchem Maße er sich auf diese Ratings stützt.“ 175 Die Pflicht zur Berücksichtigung der Ratings führender Agenturen ist Teil der allgemeinen kaufmännischen Sorgfaltspflicht. Dazu Baumbach / HoptHGB37-Hopt § 347 HGB Rn. 27. 171 172

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talmarktliche Informationsintegrität vergrößert sich nicht zuletzt das Vertrauen in individualisierte Investitionsempfehlungen (oder das Vertrauen wird überhaupt erst hergestellt). Wenn auch nur indirekt, schafft die Vertrauensgewährleistung die Voraussetzung für die Bereitschaft zum Handel auf Grundlage abgeleiteter Information. Sie ist damit wesentliche Komponente der auf Liquidität des Markts angewiesenen Effizienz der Allokation von Finanzmitteln.176 b. Standardangaben (Informationsquellen und Methoden) Die Beschreibung der Informationsquellen und Methoden gehören bei allen Informationsintermediären zu den Standardangaben. Der jeweilige Detaillierungsgrad erklärt sich zu weiten Teilen aus Unterschieden der berufsrechtlichen oder regulatorischen Bedingungen zur Leistungserbringung, den jeweils verfügbaren Informationsquellen sowie den Ermessensspielräumen bei der Methodenwahl.177 Dementsprechend kurz gehalten werden können die nach § 322 Abs. 1 Satz 2 HGB in den Bestätigungsvermerk aufzunehmenden Angaben des (Konzern-)Abschlussprüfers zu Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung sowie zu den Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätzen.178 Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung wie auch die Informationsquellen und Nachforschungsmöglichkeiten des Prüfers sind gesetzlich vorgegeben und über die AAB-WP berufsständisch ausgeformt.179 Zur verbesserten Einordnung des Ergebnisses trägt deshalb vor allem die Angabe der dem Abschluss zugrunde liegenden Rechnungslegungsgrundsätze bei. Je nachdem, ob es sich um eine HGB-, IFRS- oder US-GAAPPrüfung handelt, können erhebliche Bewertungsunterschiede entstehen. Demgegenüber sind Ratingagenturen nach Art. 8 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 4 EG-RatingVO verpflichtet, ihre Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen (beauftragtes Rating) sowie ihre Grundsätze und Verfahren (unbeauftragtes Rating) offenzulegen. Besonders die 2013 in Anh. I Abschn. D Unterabschn. I Nr. 4 EG-RatingVO eingefügte Pflicht, einen Vermerk zur „Qualität der über das bewertete Unternehmen verfügbaren Informationen“ aufzunehmen, verspricht eine verbesserte Einschätzbarkeit des einzelnen Ratings. Aus Sicht der Informationsempfänger sind die nach Art. 10 Abs. 5 Unterabs. 1 EG-RatingVO erforderlichen Angaben zur Einbindung des bewerteten Unternehmens wichtiger als die Kennzeichnung als beauftragtes oder unbeauftragtes Rating. Mit der Angabe verbindet sich die Erwartung einer Beurteilung auch auf Grundlage nichtöffentlicher Informationen. Diese Erwartung kann fehlgeleitet sein, wenn ein Zugriff auf Informationsquellen und eine Informa176 Zur Unterscheidung der Handlungsformen Gilson / Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 566 ff., 572 (1984). 177 Zu Letzterem 13. Kapitel: A.III.1.b (S. 583). 178 Häussermann in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 171 f. 179 Zu den AAB-WP bereits 13. Kapitel: A.III.1.a (S. 579).

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tionsmenge suggeriert wird, die tatsächlich nicht gegeben waren.180 Dahingehendes Fehlverhalten war unter den wenig detaillierten Vorgaben des IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies beobachtet worden.181 Darauf reagiert die EG-RatingVO mit der Verpflichtung zur konkreten Angabe dazu, ob „Zugang zu den Büchern oder zu anderen einschlägigen internen Dokumenten des bewerteten Unternehmens“ bestand.182 Vergleichbare Konkretisierungen könnten sich für Finanzanalysen anbieten, die nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 wie nach § 4 Abs. 3 Satz 1 FinAnV etwas unbestimmt bloß mit einer Zusammenfassung der bei ihrer Erstellung genutzten Bewertungsgrundlagen und -methoden zu versehen sind. c. Besondere Kennzeichnung (Verlässlichkeit) Charakteristisch für die Informationsleistungen der Intermediäre ist, dass es sich nicht nur um Tatsachendarstellungen, sondern auch – in unterschiedlichem Ausmaß – um professionelle Einschätzungen zur Zukunft handelt. Auf eine besondere Kennzeichnung des Grads an Verlässlichkeit wird bei Abschlussprüfung und Finanzanalyse verzichtet.183 Demgegenüber haben Ratingagenturen seit 2013 nach Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO ihre Beurteilungen mit der besonderen Kennzeichnung als „Meinung […], auf die nur in begrenztem Umfang Verlass ist“, zu versehen. Die Einordnung als „Meinung“ wird (zu Recht) durch Erwägungsgrund 8 der ÄnderungsVO von 2013 relativiert: „Ratings sind anders als Anlageanalysen keine bloßen Meinungen über den Wert oder den Preis eines Finanzinstruments oder einer finanziellen Verbindlichkeit.“184 Die Kennzeichnung als nicht (im naturwissenschaftlichen Sinne) verlässliche Aussage dürfte an den öffentlichen Erwartungen allerdings kaum etwas ändern.185 Sie spricht nur aus, was professionelle Investoren bereits wussten, Verbraucher aber nicht einordnen können. Beratern werden auf diese Weise neue Freiräume verschafft, die Ergebnisse der kapitalmarktlichen Informationsintermediation zu übergehen. Von deutlich größerer Bedeutung dürften die beschriebenen Pflichten im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erstellung der Beurteilung, darunter der sogleich zu beschreibende Umgang mit Zweifeln sein. 180 Eingehende Diskussion bei Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 385 m. w. N. 181 CESR, Report by CESR on compliance of EU based Credit Rating Agencies with the 2008 IOSCO Code of Conduct, CESR/09-417, Mai 2009, Rn. 114 ff. zu Ziff. 3.9 Satz 1 IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies. 182 Art. 10 Abs. 5 EG-RatingVO. 183 Sicherzustellen ist nach Art. 3 Abs. 1 lit. a, d Delegierte VO (EU) 2016/958, dass Tatsachen von nicht sachbezogenen Informationen und Prognosen unterscheidbar sind. 184 ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO (Kursivdruck hinzugefügt). 185 Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 315 ff. mit auf das Rating übertragbaren Argumenten.

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3. Veröffentlichungsgebote und -verbote Invasiver als die bis hierher besprochenen Regeln wirken Veröffentlichungsgebote und -verbote. Ihr Einsatz ist vor allem aus dem Blickwinkel der internen Weisungsfreiheit des verantwortlichen Prüfers oder Analysten abzuwägen, die als übergreifende Funktionsvoraussetzung einer auf verlässliche Beurteilungen privater Dritter bauenden Marktzugangskontrolle gilt.186 a. Veröffentlichungsverbot bei Zweifeln Wohl wichtigster Anwendungsfall dieser Abwägung ist der Umgang mit Zweifeln, denn bei ansonsten konfliktfreier Intermediation entscheidet sich vor allem hieran, ob der Entgelterfolg „um jeden Preis“187 erzielt werden darf.188 Zweifel können sowohl hinsichtlich der verfügbaren Informationen, insbesondere der vom Emittenten bereitgestellten Informationen auftreten. Sie können sich aber auch aus erkannten oder vermuteten Grenzen der zur Verfügung stehenden Methoden ergeben. Für die Abschlussprüfung ist ein in seinem Kern binäres Entscheidungssystem vorgesehen: Entweder der Bestätigungsvermerk wird erteilt, oder er ist gemäß § 322 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 HGB zu versagen, weil der Abschlussprüfer Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung hat bzw. nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben.189 Die außerdem mögliche Einschränkung des Bestätigungsvermerks betrifft Einwendungen von geringerem Gewicht, ist aber kein Zweifelsurteil, sondern Erteilung unter Beanstandung. In der Praxis kommt die Versagung des Bestätigungsvermerks selten vor. Zumeist werden Unklarheiten mit der Geschäftsleitung des Emittenten diskursiv behoben. Nach Klärung können Einschränkungen häufig verworfen werden. Dass es zur Versagung des Bestätigungsvermerks, also der Maximalsanktion nicht kommt, ist nach ökonomischen Überlegungen zur Wahrung des marginalen Abschreckungswerts niedriger einzustufender Sanktionen nicht als Regulierungsfehler zu werten.190 Probleme ergeben sich erst, wenn systematische Fehlanreize bestehen, der Prüfer also eine mit dem Regelungsziel unvereinbare Bereitschaft

186 Siehe zur Weisungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit 13. Kapitel: A.IV.3 B.II.1 (S. 603, 626). 187 BVerfG, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 Tz. 66 im Zusammenhang mit Erfolgshonoraren der Rechtsanwälte. 188 Zu missbräuchlichen Vergütungsabsprachen noch 13. Kapitel: C.III (S. 711). 189 KommWPO2-Förster § 43 Rn. 312 ff., 317 zum Versagungsvermerk. 190 Nach der von Stigler 78 J. Pol. Econ. 526, 529 (1970) herausgearbeiteten marginalen Abschreckungsschwelle führt ein sanktionsbedingter Verlust erheblicher oder gar sämtlicher Vermögenswerte erst zur Über-, sodann aber zur Unterabschreckung.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

zum Ausblenden von Zweifeln aufweist. Dazu kann es insbesondere bei fehlender (finanzieller) Unabhängigkeit kommen, auf die noch näher einzugehen ist.191 Beim Rating fehlten zunächst verbindliche Regeln zum Umgang mit Zweifeln. Vor 2009 hätten sich im Zusammenhang mit der Beurteilung strukturierter Finanzprodukte Zweifel an der Tragfähigkeit der gewählten Methoden ergeben müssen, unter deren Anwendung den aus korrelierten Risiken zusammengesetzten Produkten dieselbe Bonität wie den Obligationen führender Industriestaaten zuerkannt wurde.192 In Reaktion hierauf ordnet Anh. I Abschn. D Unterabschn. I Nr. 4 Abs. 2 EG-RatingVO die Pflicht zur Abstandnahme für den Fall an, dass ernsthafte Zweifel bestehen, „ob (die) Ratingagentur ein glaubwürdiges Rating erbringen kann“. Dahinter fällt das Recht der Finanzanalyse zurück, denn Finanzanalysten haben – kaum einsehbar – nach Art. 3 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. nach § 3 Abs. 2 Satz 2 FinAnV lediglich auf „bestehende Zweifel“ hinzuweisen. Diese Hinweispflicht bezieht sich außerdem nur auf Zweifel an der Zuverlässigkeit von Informationsquellen, nicht auf die Eignung der gewählten Methode. Daraus lässt sich zwar ein Verbot von Aussagen „ins Blaue“ ableiten.193 Die Abgrenzung eines (unzulässigen) Missbrauchs des Informationskanals der Finanzanalyse von der (zulässigen) Veröffentlichung einer Empfehlung unter ggf. ausgreifendem Hinweis auf Zweifel dürfte aber kaum trennscharf erfolgen können. Geboten erschiene eine Abstandnahmepflicht wie beim Rating. b. Unbedingte Veröffentlichungspflicht? Gegenstück zum soeben am Beispiel des Umgangs mit Zweifeln behandelten Veröffentlichungsverbot ist die unbedingte Veröffentlichungspflicht. Die Veröffentlichungspflicht führt wie die zuvor behandelten Aktualisierungs- bzw. Nachverfolgungspflichten zu einer Einschränkung der Freiheit bei der privaten Ausgestaltung der Intermediationsabsprache.194 Sieht der Abschlussprüfer von der Erteilung des Bestätigungsvermerks ab, erteilt er also einen Versagungsvermerk, ist dieser nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB vom Emittenten zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger einzureichen. Absprachen über die Nichtveröffentlichung des Prüfungsergebnisses kommen nicht in Betracht. Im starken Kontrast hierzu können Auftragsleistungen von Ratingagenturen und Finanzanalysen angefragt werden, bei Nichtgefallen vorläufiger oder endgültiger Ergebnisse aber (gegebenenfalls kostenpflichtig) auch abgelehnt, also kraft

Im Einzelnen 13. Kapitel: B (S. 607 ff.). Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 24 ff. Näher Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E24. 193 KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 67. 194 Zur Aktualisierungs- und Nachverfolgungspflicht 13. Kapitel: A.III.1.c (S. 585). 191 192

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privater Absprache unterbunden werden.195 Unbedingte Veröffentlichungspflichten der Ergebnisse einmal angefragter Intermediationsleistungen stünden im Zeichen einer Lösung der Agenturkonflikte zwischen Geschäftsleitung und innen- wie außenstehenden Investoren. Entscheidend ist die Verpflichtungstiefe. Bei zu weit gehender Einschränkung wäre eine Abstimmung der Unternehmensfinanzierung auf die voraussichtlichen Marktreaktionen verstellt. Ohne Informationen zu den möglichen Folgen unternehmerischer Entscheidungen kommt eine verantwortungsvoll handelnde Geschäftsleitung des Emittenten nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (business judgment rule) nicht aus. Es sind aber die Probleme aus der opportunistischen Wahl des Informationsintermediärs nach dem Grad seiner Beeinflussbarkeit in den Griff zu nehmen. Bekannt sind Versuche, in einem auktionsgleichen Verfahren die größtmögliche Fehlertoleranz von Informationsintermediären zu ermitteln (opinion shopping). Auf die damit angesprochene Problematik von Vorabbewertungen ist allerdings zielgenauer durch Vergütungsregeln (fee for service) als mit flächendeckenden Verpflichtungen auf unbedingte Veröffentlichung zu reagieren.196 Hiervon zu unterscheiden ist die Kritik an der unbedingten Veröffentlichungspflicht von im Abonnement erbrachten Ratings nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO. Bei Abonnementratings handelt sich um Leistungen, die von einzelnen Investoren(-gruppen) nachgefragt werden. Eine Möglichkeit zur Kostenteilung mit dem Gesamtmarkt besteht nicht. Die Veröffentlichungspflicht erweist sich als unvereinbar mit der Gewährleistung privater Absprachen über die entgeltliche Zurverfügungstellung produktiver Informationen, also der Informationserzeugung nach den Regeln von Angebot und Nachfrage. Sie entzieht dem für die Ertragskraft wesentlichen Informationsteil (hier dem rating grade) die Eigenschaft des handelbaren Wirtschaftsguts. Forderungen nach ihrer Aufhebung sind spätestens seit dem Gutachten von Daniel Zimmer zum 68. Deutschen Juristentag 2010 (im deutschen Sprachraum) bekannt.197 Reaktionen blieben auch bei der umfänglichen Änderung der EG-RatingVO im Jahr 2013 aus. c. Verbot des stillen Leistungsabbruchs? Eng im Zusammenhang mit den vorgenannten Veröffentlichungsverboten und -geboten stehen Publizitätspflichten im Zusammenhang mit dem Abbruch (oder der Unterbrechung) der Informationsintermediation. Bereits behandelt ist der Leistungsabbruch aus Sicht des Spannungsverhältnisses zwischen grundsätzlich

195 Zu den nach allgemeinem Zivilrecht maßgeblichen Treuepflichten gegenüber dem Auftraggeber 11. Kapitel: B.I.3 (S. 368 ff.). 196 Dazu 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711). 197 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G76. Dazu Leyens AnwBl 2010, 584, 587.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

freier Entscheidung zur Informationsbereitstellung und der Verpflichtung zur fortlaufenden Aktualisierung.198 Über diese maßgeblich für die Preisfindung zwischen den Parteien bedeutsame Problematik hinaus können mit einer stillen Leistungsunterbrechung schädliche Wirkungen für den Prozess der Informationsauswertung am Markt verbunden sein. Plastisch ist das von John C. Coffee im Jahr 2006 für die lang vorherrschende Praxis des stillen Ratingabbruchs gewählte Bild, nach dem sich die Ratingagenturen ohne Mitteilung an den Markt – letztlich zur Wahrung ihrer Trefferquote – von Auftraggebern abwenden, sobald Anzeichen für ernsthafte Bonitätsprobleme auftreten.199 Angesprochen ist damit ein ökonomisch bgründbares und empirisch vermessenes Grundsatzproblem der privaten Informationsintermediation, das nicht nur Ratingagenturen betrifft:200 Private Informationsleistungen werden nur bei entsprechender Zahlungsbereitschaft erstellt. Zahlungsbereitschaften der Emittenten für Negativbeurteilungen bestehen in aller Regel nicht. Umgekehrt können die Informationsintermediäre ihre Reputation nur durch zutreffende Beurteilungen aufbauen oder erhalten. Bei objektiv nachprüfbaren Negativentwicklungen wird also zumindest im Grundsatz keine Positivbeurteilung abgegeben werden. Die Anreize zu der (für die Informationsintegrität erforderlichen) Abgabe einer Negativbeurteilung bleiben gleichwohl unvollständig, weil durch Negativbeurteilungen die Einwerbung neuer Intermediationsmandate beim betreffenden Emittenten beeinträchtigt wird. In der Folge gelangen allein oder zumindest vornehmlich positive Beurteilungen in den Markt. Das Verbot des stillen Leistungsabbruchs tritt diesem Problem entgegen. Zu bewirken ist mit der Offenlegung des Leistungsabbruchs eine Entwertung oder jedenfalls Änderung des Aussagegehalts der im Markt (noch) vorhandenen Information. Inwieweit der Markt zur Unterscheidung (decoding) zwischen den möglichen Gründen des Intermediationsabbruchs in der Lage ist, ist offen. Dem Verbot des stillen Intermediationsabbruchs liegt also eine Wertentscheidung zugrunde: Die Beseitigung nicht weiter nachverfolgter Informationen wird höher gewichtet als die (möglicherweise) auftretenden Verzerrungen aus einer Fehlinterpretation der (möglicherweise) nicht als Ausdruck von Negativentwicklungen zu beurteilenden Beendigung der Vertragsbeziehung zwischen Emittenten und Intermediär. Es dürfte aber davon auszugehen sein, dass sich bei häufigeren Informationen zum Intermediationsabbruch eine Verengung des Korridors für Fehlbeurteilungen ergibt, dass also die überzogene Vermutung stets zugrunde liegender Negativentwicklungen (immer) seltener auftreten wird. Seine stärkste Ausprägung findet das Verbot des stillen Leistungsabbruchs bei der Abschlussprüfung. Einmal bestellt, kann der Prüfungsauftrag nach § 318 198 199 200

Zu Nachverfolgungspflichten 13. Kapitel: A.III.1.c (S. 585). Coffee Gatekeepers, 2006, S. 297. Zur Theorie 9. Kapitel: B.I.2 (S. 295) und zur Empirik 7. Kapitel: B.I (S. 190 ff. 192).

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Abs. 3 HGB nur durch gerichtliche Entscheidung wieder entzogen werden. Die Gründe für diese Regelung erschließen sich aus dem gesetzlichen Auftrag, also der nicht allein im Interesse der Aktionärsmehrheit, sondern auch von Aktionärsminderheit, Gläubigern und weiteren Bezugsgruppen durchzuführenden Prüfung. Vor diesem Hintergrund wirkt die erst seit 2009 bestehende Pflicht zur Bekanntgabe des Abbruchs der Bonitätsbeurteilung verspätet. Nach Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO ist „jede Entscheidung zum Abbruch eines Ratings unterschiedslos und rechtzeitig bekannt (zu geben). Bei der Entscheidung zum Abbruch eines Ratings enthalten die bekannt gegebenen Informationen auch die umfassenden Gründe für die Entscheidung.“201 Klarstellend wird allerdings hinzugefügt: Dies „gilt auch für Ratings, die an Abonnenten weitergegeben werden“. Diese Bekanntgabepflicht fügt sich in obige Überlegungen zum Nutzen der Offenlegung des Intermediationsabbruchs schon wegen der bekannten Interessenheterogenität nicht leicht ein: Potentielle Erwerber bevorzugen einen Risikoaufschlag (schlechtes Rating), Anteilseigner einen Risikoabschlag (gutes Rating). Versierte Marktteilnehmer, z. B. Leerverkäufer, können beides nutzen. Wie das Signal des Abbruchs eines im Abonnement erbrachten Ratings vom Markt auswertbar sein könnte, bleibt nach den Erwägungsgründen der EG-RatingVO offen. In der Sache führt die Offenlegungspflicht zu einer Information des Markts über Zahlungsbereitschaften der Investoren für Abonnementratings, also privat finanzierte Beurteilungsleistungen. Dieser Informationswert sollte allein den finanzierenden Marktteilnehmern zustehen. Für Finanzanalysen sind bislang keine Offenlegungspflichten in Bezug auf den Abbruch der Beobachtung oder die Entfernung des Emittenten von der internen Beobachtungsliste (watch list) vorgesehen. Die Angabe der voraussichtlichen Aktualisierung ist nicht als Funktionsäquivalent zu werten.202 Das Problem des höheren wirtschaftlichen Werts von Positivbeurteilungen (größerer Abnehmerkreis) im Vergleich zu Negativbeurteilungen wird also nicht aufgefangen. Überlegungen dazu, warum zwar der Abbruch anderer Intermediationsleistungen, nicht aber der einer Finanzanalyse publizitätspflichtig sein sollen, werden – soweit ersichtlich – nicht unter den hier aufgezeigten Prämissen diskutiert. Die Vorstellung, dass ein ausschließlich auf Positivbewertungen ausgerichteter Markt für Finanzanalysen zur kapitalmarktlichen Informationsintegrität beitragen kann, dürfte aber jedenfalls nicht tragen. 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Verhaltenspflichten berufsrechtlichen oder regulatorischen Ursprungs sind zu Rahmengebungen geeignet, die eine kontinuierliche Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität unterstützen. Sie erweisen sich gleichsam als Stell201 202

Klammerzusatz hinzugefügt. Dazu 13. Kapitel: A.III.1.c (S. 585).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

schraube für die Ausformung einer begleitenden Marktzugangskontrolle (gatekeeping). Zu den Kernfragen gehören die intermediärinterne Organisation des Intermediationsprozesses, die bei Veröffentlichung der Intermediationsleistung bestehenden Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten sowie die durch Veröffentlichungsgebote und -verbote gesetzten Grenzen. In der Zusammenschau ergibt sich folgendes Bild: 1. Prozessbezogene Pflichten (Abschnitt 1, S. 579) betreffen die Zusammenstellung der Informationsgrundlage, die Auswahl des Bewertungsverfahrens und die Nachverfolgung der abgegebenen Leistung. Die Verantwortung für die Integrität der zugrunde gelegten Informationen ist zuvorderst an Nachforschungspflichten zu messen: Durch die EG-RatingVO nähern sich die Pflichten der Agenturen im Zusammenhang mit regulatorisch nutzbaren Bonitätsbeurteilungen denen des Abschlussprüfers an, während es für Finanzanalysen bei weniger bestimmten Vorgaben an die Informationsauswertung bleibt. Die der Beurteilung zugrunde gelegten Methoden sind dem Abschlussprüfer durch nicht an der Einzelprüfung beteiligte Instanzen vorgegeben, demgegenüber Ratingagenturen und Finanzanalysten zur freien, wenngleich an Vernunft gebundenen Entscheidung überlassen. Dieser Unterschied ist zumindest in Teilen den unterschiedlichen Gegenständen der Intermediation (Beurteilung fremder Aussagen/eigene Beurteilung) und Aussagegehalten (Stichtagsbezug/Zukunftsbezug) geschuldet. Die Vorgaben zur Nachverfolgung der Ratings und gegebenenfalls ihrer Neuvornahme (bis zu einem möglichen, dann aber publizitätspflichtigen Ratingabbruch) erklären sich aus der Fortwirkung einmal veröffentlichter Bonitätsbeurteilungen im Markt. Statt auf die für Rechnungslegungsinformationen vorgesehene jährliche Prüfung wird auf signifikante Ereignisse (wirtschaftlich, methodisch) als Auslöser der Aktualisierungspflicht gesetzt. Darin kommt die Rolle der Ratingagenturen als Institutionen der begleitenden Marktzugangskontrolle zum Ausdruck. Für die Finanzanalyse bleibt es demgegenüber bei der Aktualisierung nach Maßgabe freiwillig in Aussicht gestellter Überprüfungen. Das dürfte aus der hochprobabilistischen Natur und dem kurzen Verfallzeitraum der Information zu rechtfertigen sein. 2. Darbietungs- und Kennzeichnungspflichten (Abschnitt 2, S. 587 ff.) zielen auf Verbesserungen bei der Einschätzbarkeit des Informationsgehalts durch den durchschnittlichen Anleger ab. Schon die Komplexität der zu Rating und Finanzanalyse geforderten Begleitinformationen (Rating- und Analysemodelle) deutet darauf hin, dass nicht auf eine tatsächliche Kenntnisnahme, sondern eine abstrakte Vertrauenssteigerung gesetzt wird, die sich maßgeblich aus der bloßen Möglichkeit der Kenntnisnahme und gegebenenfalls dahingehenden Pflichten von Anlageberatern ergibt. Standardangaben zu Informationsquellen und Methoden, also etwa die dem geprüften Abschluss zugrunde liegenden Rechnungslegungsgrundsätze (HGB, IFRS), sind letztlich nur auf dieser, der professionellen Ebene auswertbar und dort von ernstzunehmender Bedeutung. Besondere

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Kennzeichnungen dazu, dass Leistungen der Informationsintermediation keine letztverbindliche (naturgesetzliche) Gewissheit liefern, wie sie einzig bei Bonitätsbeurteilungen verpflichtend sind, werden kaum zur Verringerung von Erwartungslücken beitragen und im schlechtesten Fall (schädliche) Spielräume auf anderer Ebene, insbesondere der der Anlageberatung eröffnen. 3. Leistungsverbote (Abschnitt 3, S. 591 ff.) sind vor dem Hintergrund soeben beschriebener Zweifelsfragen zur präventiven Rahmengebung geeignet. Bei Zweifeln muss der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk versagen, unter Zweifeln erbrachte Ratings sind zurückzuziehen. Dahinter fällt die Finanzanalyse mit dem bloßen Gebot eines Hinweises auf Unsicherheiten zurück. Eine unbedingte Veröffentlichungspflicht der Ergebnisse gilt außer bei der Abschlussprüfung nur für Abonnementratings und ist dort fehlgeleitet, weil dies die Bereitschaft zu investorenfinanzierten Ratings einschränken könnte. Auf Gefahren eines Wettbewerbs um Positivbewertungen sollte nicht mit der Pflicht zur unbedingten Veröffentlichung von im Auftrag des Emittenten vorgenommenen Bonitätsbeurteilungen und Finanzanalysen, sondern (spezifischer) mit noch zu besprechenden Vergütungsregeln reagiert werden.203 Das Verbot des stillen Leistungsabbruchs, also die Information über die Beendigung der Intermediationsleistung, bewirkt eine sinnvolle Entwertung der im Markt befindlichen, aber nicht weiter aktualisierten Bonitätsratings. Bei der Finanzanalyse erschiene eine entsprechende Regelung geboten. 4. Übergreifende Perspektiven zeigen sich in Bezug auf die Rolle der Fachverbände. Wie das Beispiel der AAB-WP zeigt, kann durch standardisierte Absprachen auf einen verbesserten Informationszugriff gegenüber dem Emittenten hingewirkt werden. Angestoßen wäre die von Fachverbänden begleitbare Entwicklung von Klauselwerken bei Rating und gegebenenfalls auch Finanzanalyse durch eine Pflicht zur Offenlegung dazu, ob eine Vereinbarung über Auskunftspflichten des Emittenten getroffen wurde. Als (noch) gering einzuschätzen sind demgegenüber die Möglichkeiten einer Teilung der Methoden- und Durchführungsverantwortung, wie sie bei der Abschlussprüfung durch die Standardsetzer zu Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätzen mit begleitender Überwachung der Einhaltung durch die WPK geleistet wird.

IV. Rechte des Emittenten Die berufsrechtlichen und regulatorischen Ausübungsregeln richten sich an die Informationsintermediäre, betreffen mittelbar aber auch die Rechte des Emittenten. Die Absprache über die Informationsleistung wird, soweit nicht unbeauftragt oder für Investoren erbracht, von Emittenten und Intermediär getroffen. Eingriffe in die freie Gestaltung der Abspracheinhalte und Verfahrensvorgaben schränken damit auch die Möglichkeiten des Emittenten ein, am Markt etablierte Kanäle der 203

Dazu 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711 ff., 714).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Informationsintermediation für seine Zwecke zu nutzen. Die Ausbalancierung entgegengesetzter Interessen von einerseits Emittenten und andererseits Öffentlichkeit zählt zu den Kernaufgaben eines leistungsfähigen Rechts der Informationsintermediation. Aus Sicht der kapitalmarktlichen Informationsintegrität kommt es auf die Einschränkung der Möglichkeiten zur Unterbindung negativer Beurteilungen an. Zu verdeutlichen sind die Richtungsentscheidungen erstens am Recht des Emittenten zur Stellungnahme,204 zweitens seinen Möglichkeiten zum Widerspruch205 und drittens am Verbot direkter Ergebnisvorgaben.206 1. Stellungnahmen des Emittenten Ein Recht des Emittenten zur Stellungnahme ist bei der Abschlussprüfung und beim Bonitätsrating (in unterschiedlichen Formen) vorgesehen. Finanzanalysten steht die Konsultation des Emittenten frei, wobei insbesondere Wertpapierhandelsunternehmen nach § 5a Abs. 2 Nr. 4 FinAnV dem Verbot unterliegen, dem Emittenten vor Veröffentlichung der Analyse Entwürfe mit Zielpreis zuzuleiten, hingegen nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2016/958 lediglich einen Hinweis auf eine nach Vorlage erfolgende Änderung in die Empfehlung aufzunehmen haben. Mit der Stellungnahme des Geprüften oder Beurteilten verbinden sich Chancen auf die Korrektur von Fehlern, die im Falle einer zwingend konsultationsfreien Veröffentlichung nicht gegeben wären.207 Die Einräumung eines Rechts zur Stellungnahme des Beurteilten, wie sie bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating angelegt ist, führt aber auch zu neuen Problemen. Erst auf Grundlage der Vorabinformation wird die Zahlungsbereitschaft des Beurteilten für eine Unterbindung von Negativbeurteilungen bestimmbar. Die Vorabinformation verschafft dem Intermediär also die Möglichkeit, zunächst (gegebenenfalls auch außerhalb zulässiger Spielräume) die schlechteste Bewertung zu wählen und dadurch eine Verhandlungsposition für ein auf Besserbewertung gerichtetes Mandat aufzubauen (Reputationsverkauf). Das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, sinnvolle Fehlerkorrekturen zu ermöglichen, und der Gefahr kollusiver Absprachen ist nicht vollständig aufzulösen, wohl aber abzumildern. Ansätze dazu finden sich im Recht der Abschlussprüfung. Nach § 321 Abs. 5 Satz 3 HGB ist der Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat erst nach Unterzeichnung durch den Prüfer vorzulegen. Seit Änderung durch das AReG von 2016 ist der Bericht gleichzeitig einem eingerichteten Prüfungsausschuss vorzulegen aber erst nach Vorlage an Aufsichtsrat und Ausschuss dem Vorstand zuzuleiten. Auf den BestätiAbschn. 1. Abschn. 2 (S. 601). 206 Abschn. 3 (S. 603). 207 Zum Rating Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 34. 204 205

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gungsvermerk ist gemäß § 321 Abs. 2 HGB im Hauptteil des Berichts einzugehen. Die Stellungnahme des Vorstands bezieht sich also auf das fertige Intermediärurteil und geht auch dem Aufsichtsrat in dieser Fassung zu. Zu schädlichen Ergebnisbeeinflussungen kann es gleichwohl vor der Fertigstellung des Berichts kommen. In der Diskussion stehen praxisübliche Vorabinformationen des Vorstands über den voraussichtlich zu erteilenden Bestätigungsvermerk (management letter). Da der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG für die Erteilung und damit auch die Gestaltung des Prüfungsvertrags zuständig ist, hat er dafür zu sorgen, dass schädliche Einwirkungen des Vorstands auf den Prüfer ausgeschlossen werden. Insbesondere kann er festlegen, dass sämtliche Mitteilungen des Prüfers an den Vorstand, also auch der management letter, dem Aufsichtsrat zuzuleiten sind.208 Eine Überforderung des Aufsichtsrats muss sich daraus nicht ergeben, zumal ihm im Rahmen der nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG verpflichtenden Teilnahme des Prüfers an der Bilanzsitzung die Möglichkeit offensteht, diesen gezielt nach den Gründen für Änderungen des noch im management letter in Aussicht genommenen Prüfungsergebnisses zu befragen.209 Durch dieses Vorgehen wird die Rolle der Abschlussprüfung auch nach außen gestärkt. Inwieweit eine Pflicht des Aufsichtsrats zu dem so beschriebenen Umgang mit Gefahren aus der Beeinflussung des Prüfers besteht, ist bislang nicht abschließend geklärt.210 Die Möglichkeit zu diesem Vorgehen zeigt aber, dass Beeinträchtigungen aus der Kommunikation zwischen Geprüftem und Prüfer im Wege der Errichtung eines unternehmensinternen Geflechts von Kompetenzund Verantwortungslagen (checks and balances) aufgefangen werden können und sollten. Eine Doppelrolle sowohl für die interne als auch die externe Corporate Governance wie bei der Abschlussprüfung ist für Ratingagenturen und Finanzanalysten bislang nicht in Ansätzen ausgebaut, mit Blick auf das hier behandelte Problem aber auch kaum weiterführend.211 Nach Anh. I Abschn. D. Unterabschn. I Nr. 3 EG-RatingVO informiert die Ratingagentur das bewertete Unternehmen spätestens einen Arbeitstag (i. d. F. von 2009: zwölf Stunden) vor der Veröffentlichung des Ratings unter Nennung der für die Bonitätsbeurteilung ausschlag-

208 Dafür High Level Group of Company Law Experts, Modern Regulatory Framework for Company Law (Winter), European Commission, Brussels, November 2002, item III.10, S. 71; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 321. Näher Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 212. 209 Zur Teilnahme des Prüfers an der Bilanzsitzung Kropff in: FS Müller 2001, S. 481; Neuling BB 2003, 166. 210 Dafür Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 213 m. w. N. Anders noch Adler /  Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Erg.-Bd. zur 6. Aufl., 2001, § 170 AktG n. F. Rn. 8 f. (Sache des Vorstands). 211 Zur Aufsichtsratsüberwachung bei der Vergütungsabsprache mit dem Intermediär 13. Kapitel: C.II.1.a (S. 700).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

gebenden Gründe.212 Eine einvernehmliche Zurückhaltung von Negativbeurteilungen wird dadurch nicht unterbunden.213 Die Einbeziehung des nebenamtlich tätigen Aufsichtsrats als weitere Agentur- und Kontrollebene kommt schon angesichts der Zeitvorgaben nicht in Betracht. Ein von vornherein anderer Ansatz gilt, wie oben angesprochen für von Wertpapierdienstleistungsunternehmen erstellte Finanzanalysen: Nach § 5a Abs. 2 Nr. 4 FinAnV dürfen dem Emittenten Entwürfe, die bereits eine Empfehlung oder einen Zielpreis enthalten, vor deren Veröffentlichung erst gar nicht zugänglich gemacht werden. Im Übrigen wird bei Rating wie Finanzanalyse auf die Offenlegung gesetzt: Nach Anh. 1 Abschn. D Unterabschn. I Nr. 2 lit. a EG-RatingVO ist ein Hinweis dazu erforderlich, „ob das Rating dem bewerteten Unternehmen oder dem mit diesem verbundenen Dritten mitgeteilt wurde und infolge der Mitteilung vor seiner Abgabe geändert wurde“.214 Auf die (zu) weiten Beurteilungsspielraum gewährende Formulierung „infolge“ verzichten Art. 4 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. § 4 Abs. 2 FinAnV und verlangen einen Hinweis dazu, ob die Finanzanalyse „anschließend“ bzw. „danach“ (also zeitlich nach der Mitteilung) geändert wurde. Dass Anreize zum freiwilligen Hinweis auf ursprünglich vorhandene sachliche Fehler bestehen, ist kaum ernsthaft anzunehmen. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass in kritischen Fällen die „wahren“ Gründe offengelegt werden, also z. B. bekanntgegeben würde, dass erst nach Auftragserteilung für ein Folgerating oder eine weitere Finanzanalyse eine bessere als in der Mitteilung der zunächst unbeauftragt erstellten Beurteilung erfolgte. Zum spezielleren Problem der Auftragserzwingung und den dazu in Betracht kommenden (invasiveren) Maßnahmen ist noch Stellung zu beziehen.215 Insgesamt liegt in der Offenlegung von Änderungen im Nachgang zur Mitteilung an den Emittenten also nur ein erster Schritt zur Sicherstellung des Wohlverhaltens von Ratingagenturen und Finanzanalysten. Innerhalb des gewählten Offenlegungsmodells kommen bislang nichtdiskutierte weitere Schritte zur ansatzweisen Nachbildung des bei der Abschlussprüfung im Wege der Überwachung durch den Aufsichtsrat errichteten mehrstufigen Agenturverhältnisses in Betracht. Auf derzeitigem Stand kann die Finanzaufsicht nur eine Häufung von Änderungshinweisen nach Konsultation des Emittenten beobachten. Allein daraus ist aber nicht auf Fehlverhalten zu schließen. Die Änderung kann auch der Fehlerkorrektur oder der Verbesserung der Genauigkeit gedient haben. Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten ergeben sich, wenn aus der unbeauftragten Leistung nach Konsultation des Emittenten eine beauftragte wird. Herzustellen wäre die Beobachtbarkeit dieses Vorgehens durch erstens die Näher zum Ziel der Fehlerkorrektur Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 34. 213 Zur unbedingten Veröffentlichungspflicht 13. Kapitel: A.III.3.b (S. 592). 214 Kursivdruck hinzugefügt. 215 Näher dazu 13. Kapitel: C.III.2 (S. 715). 212

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Pflicht zur Übermittlung der Konsultationsanfrage zum unbeauftragten Rating bzw. zur unbeauftragten Finanzanalyse nicht nur an den Emittenten, sondern auch an die Finanzaufsicht und zweitens die Pflicht zur Mitteilung von Auftragseingängen. Da es keiner inhaltlichen Prüfung bedarf und es sich um leicht kodierbare Daten handelt, wäre der Verwaltungsaufwand gering. Denkbar ist auch eine intermediärintern zu erledigende Compliance-Pflicht, sofern die Daten von der Finanzaufsicht zumindest stichprobenartig abgefragt werden.216 Zwar blieben auch dann Kollusionen verborgen. Bei gehäuften Beobachtungen von Konsultationsanfrage, Nichtveröffentlichung der unbeauftragten, wohl aber Veröffentlichung einer beauftragten Bonitätsbeurteilung (Korrelationen) wäre an eine Intensivierung der Aufsicht über die betreffende Agentur zu denken. Schon die verbesserte Beobachtbarkeit dürfte zu Wohlverhaltensanreizen führen, so dass auf invasivere Maßnahmen wie die Veröffentlichung der Korrelation durch die Finanzaufsicht (public shaming) wohl verzichtet werden könnte. Für die Finanzanalyse mag dieser Ansatz als zu weitgehend eingestuft werden, zum einen weil der Markt für Auftragsanalysen offenbar kleiner als der für Auftragsratings ist, zum anderen weil die stärker probabilistische Analyse häufig nur eine unter vielen sein wird. 2. Öffentlicher Widerspruch und Untersagungsverlangen Die Berechtigung zum öffentlichen Widerspruch gegen Beurteilungen privater Dritter ist dem Emittenten nicht zu versagen. Der fremden Beurteilung kann er also stets eine anderslautende Selbstbeurteilung entgegenstellen. Spezifisch auf den Kapitalmarktzusammenhang zugeschnittene Grenzen zieht insbesondere das Verbot der informationsgestützten Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c EU-MarktmissbrauchsVO. Eine gerichtliche Unterlassungsverfügung gegenüber dem Intermediär nach §§ 1004 i. V. m. 823 Abs. 1 BGB kommt demgegenüber nur in den besprochenen (eng) begrenzten Konstellationen in Betracht.217 Näher als der öffentliche Widerspruch oder die (zumeist aussichtslose) Inanspruchnahme der Gerichte liegt eine Absprache mit dem Intermediär, die es diesem untersagt, Negativbeurteilungen zu veröffentlichen. Wie im vorausgegangenen Abschnitt angesprochen, kann gerade die beim Rating vorgeschriebene Mitteilung an den Emittenten Anlass zu einer Verhandlung über den Reputationsverkauf bieten. Im Recht der Abschlussprüfung sind dazu geeignete Absprachen unzulässig. Untersagungsverlangen wären mit dem gesetzlichen Auftrag und der Durchführung der Abschlussprüfung im öffentlichen Interesse unvereinbar, also Verstoß gegen die gesetzlichen Berufspflichten aus § 43 WPO.

216 217

Zur Compliance-Funktion im folgenden Abschnitt. Siehe 12. Kapitel: C.II (S. 475 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Bekannt sind die Gefahren kollusiver Absprachen demgegenüber im Zusammenhang mit Bonitätsbeurteilungen.218 Durch die heute geltende Pflicht zur Offenlegung der Gründe eines Ratingabbruchs wird die Problematik entschärft.219 Allerdings gilt diese Offenlegungspflicht nach Art. 2 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO nicht für private Bonitätsbeurteilungen. Über die Einordnung als privates Rating entscheidet der Vertrag mit dem Emittenten. Nach Sinn und Zweck der Norm muss eine nachträgliche Umstufung der als öffentliches Rating in Auftrag gegebenen Beurteilung zum privaten Rating als unzulässig erachtet werden. Äußerlich beobachtbar ist dieser Vorgang jedoch nicht. Hoffnungen auf eine leistungsfähige externe Aufsicht werden dadurch relativiert. Immerhin ordnet Anh. I Abschn. A Nr. 5 EG-RatingVO die Einrichtung einer Compliance-Funktion an.220 Den regulierungstheoretischen Grundlagen folgend, kann einer auf unternehmensinterne Dokumentation und behördliche Nachprüfung gestützten Regelungskonzeption durchaus Leistungsfähigkeit zukommen.221 Erforderlich ist dazu die Ausgestaltung der Compliance-Funktion. Der Eingang als Auftrag zum privaten oder öffentlichen Rating müsste vermerkt werden. Die (unzulässige) Umstufung mit der Folge der Veröffentlichung allein positiver privater Ratings oder der Zurückhaltung von Negativbeurteilungen, die ursprünglich als öffentliche Beurteilung beauftragt waren, wäre dann mit hinreichender Zeitnähe beobachtbar. Strukturell weist der Vorschlag Nähe zu der am Ende des vorausgegangenen Abschnitts diskutierten Ausgestaltung eines verbesserten Umgangs mit dem Recht des Emittenten zur Stellungnahme auf. Dementsprechend käme auch hier eine Verpflichtung der Agentur in Betracht, bereits bei Auftragseingang eine Mitteilung an die Aufsicht zu geben, ob es sich um ein privates oder öffentliches Rating handeln soll. Die zusätzlichen Kosten (auch) dieser Meldepflicht wären gering, weil sowohl Meldung als auch Überwachung mechanisch sicherzustellen sind. Im Falle der Häufung von Meldungen zuerst eines privaten und dann eines öffentlichen Ratings zu demselben Gegenstand läge die Vermutung einer Umgehung nahe. Dies böte wie in der im vorausgegangenen Abschnitt beschriebenen Konstellation Anlass zur Erhöhung der Aufsichtsintensität. Im Recht der Finanzanalyse bestehen keine spezifisch auf die einvernehmliche Unterbindung von Negativinformationen zugeschnittenen Regeln. Die noch im Einzelnen zu erörternden Vorgaben zur Gewährleistung der Unabhängigkeit fangen das Problem nicht auf. Auch das Verbot der Marktmanipulation setzt keine hinreichend engen Grenzen, weil die im Stillen erfolgende Absprache über die Zurückhaltung von Negativprognosen keine Verbreitung von Informationen 218 Kübler in: Hadding u. a. (Hrsg.), Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 357 m. w. N. 219 Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 EG-RatingVO. 220 Wohl deshalb optimistischer Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 357 f., zur Compliance-Funktion ebd. S. 248 ff. 221 Grundlagen oben 9. Kapitel: C.III.1 (S. 313), im Zusammenhang mit den Durchsetzungsmodi 10. Kapitel: B.III (S. 330).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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i. S. v. Art. 12 Abs. 1 lit. c EU-MartktmissbrauchsVO ist. Ob für Auftragsanalysen ein den vorgestellten Überlegungen zum Rating vergleichbarer Weg zu wählen ist, hängt von der Einschätzung der am Ende des vorausgegangenen Abschnitts zum Stellungnahmerecht des Emittenten beschriebenen Überlegungen ab. 3. Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe In den Rechten der hier behandelten Intermediationsformen werden direkte Ergebnisvorgaben zum Schutz der kapitalmarktlichen Informationsintegrität untersagt. Die Vereinbarung einer an die Weisungen des Auftraggebers gebundenen Informationsintermediation ist also verstellt. Wie zu zeigen ist, betreffen die eigentlichen Regelungsprobleme die Sicherstellung einer von indirekten Einflussnahmen freien Informationsintermediation, z. B. Beeinflussungen durch wirtschaftliche Anreize aus zusätzlichen Beratungsmandaten oder auch direkten Zuwendungen an den einzelnen Handelnden.222 Für die spezifischeren Lösungsmöglichkeiten zu diesen im größeren Themenfeld der Unabhängigkeit zu besprechenden Problemlagen wird durch das Verbot direkter Ergebnisvorgaben ein unverzichtbares Fundament geschaffen. Der Abschlussprüfer hat Prüfungsberichte und Gutachten nach § 43 Abs. 1 Satz 2 WPO „unparteiisch“, also frei von der Einflussnahme interessierter Dritter zu erstellen.223 Dies schließt, wie § 44 Abs. 1 WPO betont, Ergebnisvorgaben der Verwaltungsorgane, Anteilseigner oder Gläubiger aus. Für die außerhalb der Abschlussprüfung zulässige zielbezogene Beratung und Interessenvertretung gilt diese Einschränkung zwar nicht. Zur Vermeidung von Verwechslungsgefahren sind nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BS WP/vBP Prüfungsberichte entsprechend zu kennenzeichnen und die Bezeichnung als „Gutachten“ ist unzulässig.224 Für Ratings und Finanzanalysen wird ein organisationsbezogener Ansatz gewählt. Das Verbot direkter Ergebnisvorgaben wird nur bei der Finanzanalyse explizit angesprochen. Nach § 5a Abs. 2 Nr. 3 FinAnV haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die gewährleisten, dass Emittenten „keine für sie günstige Empfehlung“ zugesagt wird. Zur Absicherung dienen die noch zu besprechenden operationellen Trennungen zu sonstigen Leistungen (Chinese walls bzw. screens).225 Im Ansatz besteht für Ratingagenturen nach Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Anh. I Abschn. A Nr. 1 und Abschn. B Nr. 1 EG-RatingVO die als Organisationspflicht gefasste Vorgabe, Ratings unabhängig zu erbringen und Interessenkonflikte zu unterbinden. Auf ein explizites Verbot, das Rating unter direkter Er222 Im Einzelnen zu Leistungskombinationen und zum Zuwendungsverbot 13. Kapitel: B.IV.2, C.II.2.c (S. 657, 706). 223 Dazu KommWPO2-Hense / Precht § 43 Rn. 256; Beck BilanzKomm10-Schmidt / Feldmüller § 323 Rn. 25. 224 KommWPO2-Hense / Precht § 43 Rn. 248. 225 Dazu 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

gebnisvorgabe zu erstellen, wird wohl wegen des damit offensichtlich verbundenen Konflikts verzichtet.226 Nebendienstleistungen bleiben nach Anh. I Abschn. B Nr. 4 Abs. 2 f. EG-RatingVO möglich, ihre Erbringung ist aber mit dem Rating zusammen offenzulegen. Im Zusammenhang mit der auf die Finanzmarktkrise von 2008 in der Europäischen Union im Jahr 2009 folgenden Staatsschuldenkrise sind die Gefahren einer Beeinflussung der Agenturen durch die in Länderratings bewerteten Staaten in den Blick geraten.227 Aus Sicht der kapitalmarktlichen Informationsintegrität besteht kein Unterschied zu den Gefahren infolge von Beeinflussungen durch private Emittenten: externe Bonitätsbewertungen dürfen vom Staat nicht inhaltlich beeinflusst oder gar im Ergebnis vorgegeben werden. Anderenfalls könnte der Staat (entscheidenden) Einfluss auf die Bewertung seiner eigenen Kupons nehmen.228 Zum einen muss die Ratingagentur deshalb nach Anh. I Abschn. A Nr. 1 lit. a EG-RatingVO 2009 gewährleisten, dass die Ratingtätigkeiten auch von „politischer Einflussnahme oder Restriktion“ unabhängig erbracht werden. Zum anderen regte schon Erwägungsgrund 58 EG-RatingVO von 2009 eine Anzeige bei der Europäischen Kommission an, sollte sich die Agentur Druck eines Mitgliedstaats ausgesetzt sehen. 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Pflichten des Intermediärs gegenüber dem Emittenten dienen dem Ausgleich privater Interessen zwischen Auftragnehmer und -geber (bzw. auftragslos betroffenem Emittenten). Im Interesse der kapitalmarktlichen Informationsintegrität sind ausbalancierte Pflichten geboten. Trotz Finanzierung durch den Emittenten (oder künftiger Finanzierungsmöglichkeit) darf die Informationsintermediation nicht allein an seinen Präferenzen, also denen des Geprüften oder Beurteilten ausgerichtet sein. Richtungsentscheidungen sind bei den Rechten des Emittenten zur Stellungnahme, seinen Möglichkeiten zur Unterbindung unerwünschter Bewertungen sowie dem Verbot von Ergebnisvorgaben zu treffen. 1. Stellungnahmen des Emittenten vor Veröffentlichung der Intermediationsleistung helfen, Fehleinschätzungen zu vermeiden, bieten dem Intermediär aber zugleich eine Möglichkeit, die Zahlungsbereitschaft für Besserbewertungen auszuloten (Abschnitt 1, S. 598). Schädliche Absprachen des Abschlussprüfers mit dem Vorstand sind durch die zeitgleiche Vorlage des management letter an den Aufsichtsrat abzumildern. Demgegenüber werden die „wahren“ Gründe für die 226 Neu eingefügt wurde in Anh. I Abschn. B Nr. 3c EG-RatingVO das Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen, dem allerdings eine nuanciert unterschiedliche Funktion zukommt. Dazu 13. Kapitel: C.II.2.c (S. 706). 227 Dazu Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 11; Witte WM 2011, 2253 ff. 228 Überzeugend Schroeter Ratings, 2014, S. 617 f. Siehe auch FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 34.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Änderung auch bei Einhaltung der Pflicht zur Offenlegung nachträglicher Änderungen von Bonitätsratings und Finanzanalysen nicht deutlich. Abzumildern wären die daraus resultierenden Gefahren erstens durch eine Pflicht zur Übermittlung der Konsultationsanfrage zum unbeauftragten Rating nicht nur an den Emittenten, sondern auch an die Finanzaufsicht und zweitens die Pflicht zur behördlichen Meldung von Auftragseingängen. Zwar blieben Kollusionen weiterhin verborgen, bei gehäuften Beobachtungen von Konsultationsanfrage, Nichtveröffentlichung des unbeauftragten, wohl aber Veröffentlichung einer beauftragten Bonitätsbeurteilung käme aber eine Erhöhung der Aufsichtsdichte in Betracht. 2. Der öffentliche Widerspruch gegen die Fremdbeurteilung ist dem Emittenten nicht zu versagen (Abschnitt 2, S. 601). Problematisch ist allein die Unterbindung negativer Beurteilungen. Wie soeben in Bezug auf den Emittenten vorgeschlagen, kann auch die Compliance des Intermediärs behördlich nachprüfbar ausgestaltet werden. Zu erwägen ist eine Pflicht, Auftragseingänge als privat oder öffentlich zu kennzeichnen. Beobachtbar wird dadurch die (unzulässige) nachträgliche Umstufung und die Zurückhaltung von Negativbeurteilungen, die ursprünglich als öffentliche Beurteilung beauftragt waren. Wiederum kann mit einer erhöhten Aufsichtsdichte reagiert werden, sollten sich die Meldungen zuerst eines privaten und dann eines öffentlichen Ratings zu demselben Emittenten häufen. 3. Das übergreifende Verbot der Erstellung der Intermediationsleistung unter Ergebnisvorgabe verpflichtet dazu, Untersagungsverlangen des Emittenten nicht nachzukommen (Abschnitt 3, S. 603). Das Verbot ist zweifelsohne wichtigstes Fundament einer auf Informationsintegrität angelegten Informationsintermediation. Durchzusetzen ist es nur bei Beobachtbarkeit von Fehlverhalten. 4. Perspektiven ergeben sich dementsprechend vor allem in Richtung einer auf verbesserte Beobachtbarkeit zielenden Regelsetzung. Herzustellen ist dies bei der Abschlussprüfung mit Maßnahmen der internen Corporate Governance, vor allem einer erweiterten Aufsichtsratsinformation. Für Bonitätsratings und Finanzanalysen bleibt demgegenüber nur eine Steigerung der Informationsgrundlagen der Finanzaufsicht, für die mit den beschriebenen Pflichten zur Kennzeichnung und Meldung von Auftragseingängen und Konsultationsanfragen ein Anfang zu machen wäre.

V. Zusammenführung der Ergebnisse 1. Konvergenzbewegungen zu den am weitesten entwickelten Marktteilnahmevoraussetzungen und Verhaltenspflichten der Abschlussprüfung zeichnen sich vor allem beim Bonitätsrating ab. Der Vorbehaltsaufgabe des Wirtschaftsprüfers vergleichbar, dürfen Ratings, die zu regulatorischen Zwecken eingesetzt werden sollen, nur von den nach der EG-RatingVO registrierten Agenturen erbracht werden. Die vom Abschlussprüfer verlangte kritische Grundhaltung gegenüber

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

den ihm vorgelegten Informationen spiegelt sich in Plausibilisierungspflichten der Ratingagenturen, wenngleich der bislang unterschiedliche Informationszugriff auch bei beauftragten Beurteilungen Grenzen setzt. Weitere Annäherungen deuten sich in Bezug auf die Informationsrechte gegenüber einer früher in Anspruch genommenen Agentur, also für den Fall des Intermediärwechsels an (Übergabebericht). Die Informationsversorgung durch den Emittenten ließe sich durch gegebenenfalls regulatorisch anzustoßende Standardabsprachen nach Vorbild der AAB-WP verbessern. 2. Divergenzen zeigen sich bei den Regelungsmodellen. Während sich die Berufszugangs- und Ausübungspflichten des Abschlussprüfers an den einzelnen Handelnden richten, wird bei Rating und Finanzanalyse auf Auswahl- und Überwachungspflichten der beschäftigenden Institution gesetzt. Hauptursache sind die bislang weniger verfestigten Berufsbilder, die sich aber im Zuge fortschreitender Regulierung und nicht zuletzt der Prüfungs- und Fortbildungsangebote der Fachverbände weiterentwickeln sollten. Die nicht mit regulatorischen Folgewirkungen versehenen Finanzanalysen werden aller Voraussicht nach auch künftig in geringerem Maße mit Pflichten umgeben sein. 3. Mögliche Fortentwicklungen sind vor diesem Hintergrund maßgeblich durch die Ausformung des Rollenverständnisses bedingt. Die Entwicklungen weisen in Richtung einer zunehmenden Verantwortung der Informationsintermediäre für die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität und deuten auf eine Rolle der Informationsintermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs hin. Besonders deutlich wird dies an den Nachverfolgungs- und Aktualisierungspflichten der Ratingagenturen, weniger bei Finanzanalysten, die über ihre Beobachtungsintervalle frei entscheiden. Die künftig zu reduzierenden regulatorischen Indienstnahmen von Bonitätsbeurteilungen nehmen Übersteigerungen zurück, lassen die faktischen Wirkungen des Ratings im verbleibenden Einsatzradius aber bestehen. Die Forderung nach einer auf Informationsintegrität angelegten Rolle der Intermediäre spiegelt sich im Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe, das bei allen Informationsintermediären gilt und eine (ungekennzeichnete) Instrumentalisierung des Intermediärs durch den Auftraggeber verstellen soll. 4. Für die weitere Rollenausformung wird es darauf ankommen, ob Umgehungen der zahlreichen Einzelpflichten zur Sicherstellung eigenverantwortlicher und nicht durch den Auftraggeber gesteuerter Informationsintermediation beobachtbar, also feststellbar sind. Die Wirkungen der dazu bei der Abschlussprüfung ergriffenen oder möglichen Maßnahmen einer verbesserten Überwachung durch den Aufsichtsrat sind bei Rating und Finanzanalyse nur durch behördliche Überwachung zu erzielen. Zu den hier erwogenen Vorschlägen zählt insbesondere die Meldung, ob der Ratingauftrag als privat oder öffentlich eingegangen ist, weil auf diese Weise nachträgliche Umstufungen in Absprache mit dem Auftraggeber besser erkennbar werden. Im größeren Zusammenhang zielen diese Überlegungen auf eine gestärkte Unabhängigkeit des Informationsintermediärs ab, um die es in den folgenden Abschnitten geht.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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B. Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit des Informationsintermediärs ist Grundvoraussetzung für eine auf kapitalmarktliche Informationsintegrität ausgerichtete Informationsintermediation. Es handelt sich um einen Sammelbegriff, der schädliche Einflüsse aus konkreten wie abstrakten Interessenkonflikten einschließt. Die Rollenausformung des einzelnen Intermediationssegments ist maßgeblich am geforderten Grad der Unabhängigkeit abzulesen. Besondere Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit können sich aus der Vergütungsabsprache ergeben, die deshalb eigens zu diskutieren sind.229 Zuvor ist grundsätzlichen Fragen der Begründung und Ausgestaltung von Unabhängigkeitsanforderungen sowie der Leistungsfähigkeit des aus Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot zusammengesetzten Regelungsinstrumentariums nachzugehen.230 Der im einzelnen Intermediationsbereich erreichte Grad an Rollenverfestigung lässt sich am deutlichsten an einzelnen Unterfragen der Unabhängigkeit, maßgeblich an den Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit nachzeichnen.231 Beim sodann zu beleuchtenden Umgang mit personellen und finanziellen Beteiligungen werden die mit der Unabhängigkeit verbundenen Beschreibungsprobleme durchsetzbarer Rechtsregeln erkennbar.232 An den zuletzt behandelten geschäftlichen Beziehungen zum Emittenten, darunter insbesondere das vieldiskutierte Angebot zusätzlicher Beratungsleistungen, zeigt sich das inhärente Spannungsverhältnis zwischen privatem Ertrags- und öffentlichem Funktionsschutzinteresse.233

I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen Die mit der Sicherstellung hinreichender Unabhängigkeit des Intermediärs verbundenen Regelungsprobleme kreisen um das richtige Maß an Verantwortung zur Wahrung öffentlicher Interessen, das zumindest theoretisch bis zur Zuweisung einer richterähnlichen Position reichen kann. Zu weit reichende Unabhängigkeitsregeln verstellen jedoch die vermittelt über die eigenen Ertragsinteressen des Intermediärs zu erreichenden Vorteile einer nichtstaatlichen Marktzugangskontrolle. Erforderlich ist also eine Ausbalancierung öffentlicher und privater Interessen. Die in den Einzelbereichen auftretenden Problemstellungen sind vergleichbar. Bislang sind sie weder einer gemeinsamen Terminologie zugeführt, noch folgt das Lösungsinstrumentarium einer einheitlichen Regelungssystematik. 229 230 231 232 233

Abschn. C (S. 684). Abschn. I. Abschn. II (S. 626). Abschn. III (S. 642). Abschn. IV (S. 650).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

1. Regelungsprobleme Dem Informationsintermediär kommt bei privater Auftragserteilung die Funktion eines Interessenwahrers zu. Seine Leistungen werden jedoch nicht nur von einem (möglichen) Auftraggeber, sondern vor allem vom Anlegerpublikum zur Kenntnis genommen. Vor diesem Hintergrund ist nach den Möglichkeiten zur Übertragung von Argumentationsmustern zur Begründung von Unabhängigkeitsanforderungen für einerseits vertraglich verpflichtete Interessenwahrer und andererseits berufsrechtlich oder regulatorisch (auch) zur Wahrung öffentlicher Interessen in Dienst genommene Informationsintermediäre zu suchen. Zur vergleichenden Diskussion der einzelnen Regelungsprobleme bieten sich die Begriffe Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Interessenkonflikte an. Auf dieser Grundlage ist das jeweils verwendete Instrumentarium aus Organisations-, Offenlegungspflichten und Leistungsverboten gemeinsamen Problemstellungen zuzuordnen. a. Interessenwahrung und Informationsintegrität Die Anforderungen an den privaten Umgang mit widerstreitenden Interessen und Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit sind im Recht der vertraglichen Interessenwahrung besonders weit entwickelt. 234 Hergeleitet werden die Pflichten aus der überschießenden Verfügungsmacht des Fiduziars.235 Zunächst noch auf sachenrechtliche Verfügungsmacht beschränkt, werden nach modernem Verständnis auch sonstige Einwirkungsmöglichkeiten auf vermögenswerte Positionen einbezogen.236 Interessenwahrungspflichten können sich damit letztlich auch aus faktischen Einflusspositionen ergeben. Der Pflichtenkanon der Interessenwahrer besteht – angeordnet nach Eingriffsintensität – aus Organisation (conflict management), Offenlegung (conflict disclosure) und Leistungsverboten (duty to abstain).237 Dieser Pflichtenkanon findet sich in unterschiedlichen Ausformungen auch bei der kapitalmarktlichen Informationsintermediation. Schon deshalb liegt der Versuch nahe, Herleitung, Untermauerung und Ausformung berufsrechtlicher und regulatorischer Unabhängigkeitsregeln an das Recht der vertraglichen Interessenwahrung anzulehnen.238 Im Idealfall käme es 234 Statt vieler Hopt ZGR 2004, 1 zu Aktien-, Bank- und Berufsrecht sowie ders. in: FS Doralt 2004, S. 213, 214 ff. vertiefend zu Prävention und Repression von Interessenkonflikten. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 87 ff. 235 Regelsberger AcP 63 (1880) 157, 173. Verdichtung der Entwicklungsschritte bei Hopt ZGR 2004, 1, 18. 236 Eingehend Grundmann Der Treuhandvertrag, 1997, S. 87, 101. 237 Herausgearbeitet von Hopt ZGR 2004, 1, 51. Rechtsökonomische Grundlagen bei Sitkoff 91 B.U. L. Rev. 1039, 1042 ff. (2011) m. w. N. Aus den Anfängen Clark in: Pratt /  Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents, 1985, S. 55. 238 Coffee Gatekeepers, 2006, S. 335 zu den Möglichkeiten einer Rückführung der Rolle auf die eines Agenten der Anleger. Kritisch zu Finanzanalysten Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1093 ff., 1099 (2007). Ansätze aber bei Fisch / Sale 88 Iowa L. Rev. 1035, 1080 (2003). Gemeinsame

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zu einer Nachbildung der hypothetischen Absprachen zwischen den Marktteilnehmern. Besonders bei beauftragten Intermediationsleistungen, also vor allem Abschlussprüfung, aber auch Rating, weniger bei der seltener auftragsgebundenen Finanzanalyse, wäre auf diese Weise eine strukturelle Einheitlichkeit mit den vertraglichen Pflichten zu erreichen. Allerdings ergeben sich offensichtliche Zielkonflikte zwischen der Wahrung der Interessen des Auftraggebers und dem Interesse an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität. Die Auflösung dieser Zielkonflikte kann nur innerhalb desjenigen Rahmens erfolgen, der durch die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Rolle der Intermediäre gesetzt wird.239 Innerhalb dieses Rahmens sind an die freiwillige Entscheidung zum Angebot von Leistungen der Informationsintermediation geknüpfte Pflichten zur Wahrung der Unabhängigkeit Korrelat der Teilnahme am kapitalmarktbezogenen Informationsmarkt, der zu seiner Funktionsfähigkeit auf die Integrität der Leistung angewiesen ist.240 Dieses Begründungsmuster entspricht der Herleitung von Pflichten des vertraglichen Interessenwahrers aus überschießender Entscheidungsmacht. Die Unterschiede in Begründung und Anwendung des beiden Bereichen gemeinsamen Instrumentariums aus Organisations-, Offenlegungspflicht und Leistungsverbot werden erst bei der Durchsicht des für die vertragliche Interessenwahrung herausgebildeten Pflichtenkanons erkennbar:241 Zu diesem Kanon gehört erstens die Pflicht zur Selbstorganisation, die ein frühzeitiges Erkennen von Beeinträchtigungen der Interessenwahrung ermöglicht und die Beseitigung dieser Beeinträchtigungen verlangt. Besondere Übertragungsprobleme ergeben sich insoweit nicht. An die Stelle der vertraglichen Absprache tritt die öffentliche Rollenerwartung, die in allen Einzelbereichen im Wege von Organisationspflichten der Intermediäre konkretisiert wird. Zweitens sind Interessenwahrer zur ungefragten Offenlegung von Interessenkonflikten verpflichtet, gleich, ob der Konflikt anfänglich oder später auftritt.242 Im Recht der vertraglichen Interessenwahrung steht die Offenlegung für die Möglichkeit des Auftraggebers, über die rechtlichen Folgen von Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit zu disponieren. In Fällen des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung kommt es nach der Rechtsprechung nicht nach § 181 BGB zur Nichtigkeit, sondern bloß zur schwebenden Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts. Dem Vertretenen bleibt also die Möglichkeit, das Geschäft durch Genehmigung zur Wirksamkeit erstarken zu lassen. Dem Vertretenen Grundlagen bei Easterbrook / Fischel 36 J. L. & Econ. 425, 427 (1993) mit Überlegungen zur Einordnung fiduziarischer Pflichtenbindungen als Nachbildungen des unvollständigen Vertrags. 239 Zur Rollenausformung 13. Kapitel: A.I.1.a (S. 558). 240 Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 431 begrifflich angelehnt an Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 332. 241 Hopt ZGR 2004, 1, 51. Darauf aufbauend Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 426. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 245 ff., 293 ff. 242 Hopt ZGR 2004, 1, 25.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

steht damit ein Recht zur Letztentscheidung zu.243 Im marktbezogenen Agenturverhältnis fehlt es hingegen an einer die Präferenzen der Betroffenen kollektivierenden Entscheidungsinstanz.244 Nach Stand der Diskussion kommt die bloß relative, also Schwankungen unterworfene Informationseffizienz des Markts, jedenfalls nicht durchgängig, als ein Mechanismus in Betracht, der für eine der privaten Entscheidung gleichstehende Richtigkeitsgewähr bürgen könnte.245 In Bezug auf die Offenlegung von Interessenkonflikten ergibt sich also ein Übertragungsproblem, auf das Berufsrecht und Regulierung zu reagieren haben. Für den Fall der fehlenden Unabhängigkeit sind deshalb (indispositive) Rechtsfolgenanordnungen vorzusehen. Drittens ist im Recht der vertraglichen Interessenwahrung zwar das Gebot der Unparteilichkeit bei Fremdinteressenkollisionen, also widerstreitenden Interessen zweier Auftraggeber anerkannt. Auszuformen ist es dort aber regelmäßig nur als Pflicht zur Wahrung des zeitlich ersten Auftraggeberinteresses (Prioritätsgrundsatz).246 Im Marktzusammenhang müsste dies zu Zufallsergebnissen führen. Zu belegen ist dies am Beispiel der Emissionsbegleitung durch Banken:247 Zwischen Bank und beauftragendem Emittenten besteht ein Interessengleichlauf, weil jeweils die Erzielung eines vorteilhaften Emissionspreises gewollt ist. Würde nach dem Prioritätsgrundsatz entschieden, könnten die erst bei Zeichnung, also später hinzutretenden Interessen der Kapitalanleger keine Berücksichtigung finden. Nach den Vorgaben der IOSCO zum Umgang mit Interessenkonflikten bei IPOs von 2007248 ist deshalb eine Pflicht zur Abstandnahme von der Transaktionsdurchführung vorzusehen, wenn die Eigeninteressen des Finanzintermediärs in einem unauflösbaren Konflikt zum Marktfunktionsschutz stehen.249 Mit dieser Konfliktlage vergleichbar sind beispielsweise zu positive Bonitätsbeurteilungen durch Ratingagenturen im Auftrag des Emittenten. Die vertragliche Interessenwahrung hat solchen zu positiven Bewertungen nichts entgegenzusetzen, weil allein das zeitlich erste Interesse des Emittenten maßgeblich wäre. Zu begegnen ist der Problemstellung nur mit einer berufsrechtlich oder regulatorisch ausgeformten richterähnlichen Stellung, infolge derer auf die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers keine Rücksicht genommen werden darf.250 243 Es gilt § 177 BGB analog; allg. Ansicht seit RG, Urt. v. 4.11.1903 – I 228/03, RGZ 56, 104, 108. Siehe etwa BGH, Urt. v. 8.10.1975 – VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123, JurisTz. 17. 244 Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 73 f. 245 Zur relativen Informationseffizienz des Kapitalmarkts 6. Kapitel: A.II (S. 152). 246 Übergreifend Hopt ZGR 2004, 1, 41; Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 462 ff. Zum kapitalmarktlichen Kontext Assmann / SchneiderKommWpHG4-Koller § 31 Rn. 39 (Zuteilung bei Emissionen nach Priorität). 247 Näher Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 428. 248 IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Final Report, November 2007, S. 14 f., 22. 249 Befürwortend Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 90, 95.

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Viertens ergeben sich Brüche in Bezug auf das zur Begründung von Unabhängigkeitsregeln zentrale Selbstprüfungsverbot.251 Im Kontext vertraglicher Agenturbeziehungen kann das Selbstprüfungsverbot auf § 181 BGB gestützt werden.252 Wie bei einem Selbstkontrahieren des Vertreters führt der Verstoß gegen das Selbstprüfungsverbot zu schwebender Unwirksamkeit (§ 181 BGB).253 Im kapitalmarktlichen Zusammenhang passt dies nicht, weil keine Grundlage für die Annahme einer Richtigkeitsgewähr kraft freier Disposition der Leistungsbetroffenen besteht.254 In Betracht kommt deshalb nur ein Leistungsverbot. Besonders das Selbstprüfungsverbot birgt die Gefahr zu weit gehender Unabhängigkeitsanforderungen: Zweifelsohne führen personelle und finanzielle Verflechtungen zu Selbstprüfungskonstellationen, die invasiv anzugehen sind. Demgegenüber kommt es bei der Kombination von Intermediations- und Beratungsleistungen nur dann zu einer Selbstprüfung im eigentlichen Sinne, wenn das Beratungsergebnis in die nachgelagerte Prüfung oder Beurteilung einfließt. Zwingend ist dies nicht. Werden gleichwohl Verbote angeordnet, sind diese statt auf das Selbstprüfungsverbot auf besondere Vertrauensbedürfnisse des Markts oder die Annahme systematischer Anreize zur Vernachlässigung der Informationsintegrität zu stützen.255 b. Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Interessenkonflikte Mit dem Dreiklang aus Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Interessenkonfliktfreiheit sind die für eine glaubwürdige Intermediationsleistung maßgebliZur Unparteilichkeit und zum berufsrechtlichen Verbot der Interessenvertretung nach § 3 BS WP/vBP bei (vorheriger) Vertretung eines anderen Auftraggebers in derselben Sache und widerstreitender Interessenlage Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 152, 167; KommWPO2-Bauch / Precht § 43 Rn. 12. Allgemeiner zum Prioritäts- und Gleichbehandlungsprinzip nach § 31a Abs. 1 Nr. 2, 4 WpHG Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32. 251 Zur Bedeutung bei der Abschlussprüfung RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 27. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 423. 252 Zum Verbot des Richtens in eigener Sache mit der Folge des Stimmverbots oder Sitzungsausschlusses des Aufsichtsratsmitglieds Lutter / Krieger / Verse Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl., 2014, Rn. 899. Eingehend Krebs Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 113 ff. 253 Hopt ZGR 2004, 1, 31 ff. nennt den Stimmrechtsausschluss, die Stimmenthaltung und die Nichtmitwirkung an der Beratung als gegenüber der Amtsniederlegung und Abberufung mildere Mittel. 254 Zu Verkehrsschutz und privater Interessenwahrung durch § 181 BGB StaudingerBGB2014-Schilken § 181 Rn. 4 ff., 34. Eingehend Hübner Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977, S. 196. 255 Zur Begründbarkeit des Verbots (bloß) einzelner Leistungskombinationen 13. Kapitel: B 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665). 250

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

chen Profilbeschreibungen genannt. Um ihre Ausfüllung wird in allen kapitalmarktbezogenen Bereichen gerungen.256 Die Unabhängigkeit wird zumeist als Oberbegriff verwendet und schließt Beeinträchtigungen der inneren Unbefangenheit, der äußeren Unabhängigkeit sowie konkrete Interessenkonflikte ein.257 Die Unbefangenheit wird überwiegend als innere Einstellung des Intermediärs verstanden, die ihm eine unvoreingenommene Beurteilung ermöglicht (independence in fact).258 Die Möglichkeiten zur rechtlichen Steuerung innerer Umstände im Einzelfall sind begrenzt. Von kaum zu unterschätzender Bedeutung sind deshalb Verfestigungen im Rollenverständnis, die sich allerdings nicht allein aus den Einzelregeln zur Verhinderung schädlicher Einflussnahmen auf den Intermediär, sondern im Gesamtgefüge seiner berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten erschließen. Im Einzelnen lassen sich die Entwicklungsgrade an dem im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfung zentralen Begriff der Eigenverantwortlichkeit aufzeigen, deren Bedeutungsgehalt etwa an den neuerdings auch für Ratingagenturen vorgesehenen Rotationsregeln erkennbar wird.259 Als Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit werden vornehmlich äußere Umstände diskutiert, bei deren Vorliegen Zweifel an der Integrität der erbrachten Leistung aufkommen (independence in appearance). Unabhängigkeitsanforderungen dienen also bereits der Verhinderung abstrakter und sich bloß möglicherweise konkretisierender Gefährdungslagen.260 Die Durchsetzbarkeit hängt davon ab, ob eine belastbare Eingrenzung der Beeinträchtigungen gelingt. Gestützt auf die Erfahrungen mit dem englischen Cadbury Code261 von 1992 setzte 256 Zu Finanzintermediären Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 13, 56; Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 75. Zu Organwaltern Hopt ECFR 2013, 167, 173; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 214. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 462 ff. 257 Siehe einerseits die Überschrift „Unabhängigkeit“ und andererseits die Unterscheidung zwischen Unbefangenheit und Unabhängigkeit in Anh. A.1 der Empfehlung der Europäischen Kommission von 2002. Sodann auch RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 25. Zu den internationalen Ursprüngen Demme Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nach deutschem, US-amerikanischem und internationalem Recht, 2003, S. 36 f. Rechtsökonomisch Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 25 ff., 41. 258 Nachw. Fn. 257. 259 Dazu 13. Kapitel: B.II.1 f (S. 626 ff., 631 ff.) 260 So auch das zwischen Unabhängigkeit (abstrakter Gefahr) und Interessenkonflikt (konkreter Gefahr) differenzierende Verständnis des DCGK. Aus der Regierungskommission DCGK Weber-Rey zur „Aufsichtsratsqualifikationen in Umsetzung der Empfehlungen der Regierungskommission“, Vortrag, German CFA Society, 29.11.2011. Übergreifend Hopt ECFR 2013, 167, 174. 261 Nach Ziff. 2.2 Cadbury Code bedeutete Unabhängigkeit: „free from any business or other relationship which could materially interfere with the exercise of their independent judgement“; Report of the Committee on The Financial Aspects of Corporate Governance, 1992, in Teilen abgedruckt bei Hopt / Wymeersch (Hrsg), Comparative Corporate Govern-

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sich für die organschaftliche Interessenwahrung die Erkenntnis durch, dass eine generalklauselartige Definition der Unabhängigkeit zirkulär bleiben muss.262 Den vom heutigen UK Corporate Governance Code263 (in Nachfolge des Combined Code 1998) gewählten Ansatz einer Formulierung von Umständen, bei deren Vorliegen in der Regel von der fehlenden Unabhängigkeit auszugehen ist (Negativkriterien), griff die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern von 2005 auf.264 Zuvor hatte sie in ihrer Empfehlung zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers von 2002 eine Typologie der maßgeblichen Gefährdungslagen herausgearbeitet und diese detailliert beschrieben: Eigeninteresse, Überprüfung eigener Leistungen, Interessenvertretung, Vertrautheit oder Vertrauen (sowie Einschüchterung).265 Diese Typologie wird im Wege der Änderungsrichtlinie 2014/56/EU mit geringen terminologischen Abweichungen in die EG-Abschlussprüferrichtlinie übernommen.266 Eine hiermit vergleichbare Systematik findet sich bislang weder beim Rating noch bei der Finanzanalyse. Deutlich wird der geringere Grad an systematischer Differenzierung an der EG-RatingVO von 2009, deren Anh. I wenig trennscharf nahezu sämtliche Verhaltenspflichten der „Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten“ zuordnet. Wie der Begriff der äußeren Unabhängigkeit ist auch der des Interessenkonflikts nur kontextspezifischen Definitionen zugänglich.267 Das im Umgang mit Interessenkonflikten weit entwickelte Recht der organschaftlichen Interessenwahrung kennt einfache Konflikte, bei denen eigene Interessen des zur Interessenwahrung Verpflichteten hinter denen des Auftraggebers zurückzustehen haben und bei ance – Essays and Materials, 1997, S. M1. Näher dazu der Kommissionsvorsitzende Cadbury in: Patfield (Hrsg), Perspectives on Company Law, 1995, S. 23, 25. 262 GroßKommAktG4-Leyens § 161 AktG Rn. 89. 263 UK Corporate Governance Code, code provision B.1.1. 264 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- / Aufsichtsrats, Empfehlung v. 15.2.2005, ABl. EU L 52 v. 25.2.2005, S. 51, Anh. II. Dazu GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 112 m. w. N. Kritisch Hüffer ZIP 2006, 637 ff. Umfassend Roth ZHR 175 (2011) 605, 617. Zu neuen Vorstößen Baums ZHR 180 (2016) 697 (Editorial). 265 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, Empfehlung v. 16. Mai 2002, ABl. EG L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Abschn. A Nr. 3.1. i. V. m. Anh. Abschn. A Nr. 3. Der Tatbestand der Einschüchterung bleibt im Folgenden unberücksichtigt. 266 Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 4 EG-Abschlussprüferrichtlinie i. d. F. von 2014: „Gefahr der Selbstüberprüfung, des Eigeninteresses, der Interessenvertretung, der Vertrautheit oder der Einschüchterung aufgrund einer Beziehung finanzieller, persönlicher oder geschäftlicher Art, eines Beschäftigungsverhältnisses oder anderer Beziehungen.“ 267 Im Kontext der Finanzintermediation Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 75. Umfassend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 11 ff., 37 mit Systematisierung.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

entsprechend gestalteter Vergütung zumeist auch zurückstehen können.268 Hiervon zu unterscheiden sind die durch den Einzelnen nicht auflösbaren Pflichtenkollisionen, wie sie z. B. bei einem Aufeinanderprallen der Redepflicht des Aufsichtsratsmitglieds im Hauptamt bei gleichzeitiger Verschwiegenheitspflicht im Nebenamt vorkommen.269 Selbst dauerhafte Pflichtenkollisionen von Gesellschaftsorganen können aber (umstrittenermaßen) in Kauf genommen werden, wenn die ausschlaggebenden Umstände den Bestellungsverantwortlichen bekannt sind.270 Für eine auf Informationsintegrität zielende Informationsintermediation erweisen sich Pflichtenkollisionen demgegenüber als dysfunktional und können deshalb nicht zur Disposition des Emittenten oder seiner Anteilseigner stehen. c. Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot Das aus dem Recht der vertraglichen Interessenwahrung bekannte Instrumentarium zur Sicherstellung der Unabhängigkeit umfasst Organisations-, Offenlegungspflichten und Leistungsverbote.271 Der Einsatz in den Einzelbereichen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation unterscheidet sich. Dies kann auf den Gegenstand der jeweiligen Intermediationsleistung oder auf eine abweichende Beurteilung der Steuerungsnotwendigkeit zurückzuführen sein. Soweit keines von beiden der Fall ist, können Kohärenzlücken vorliegen, die es zu schließen gilt. Organisationspflichten stehen für eine intermediärinterne Behandlung von Gefahrenlagen. Sie können als Eingriff auf schwächster Stufe eingeordnet werden. Bereits die in der Finanzmarktregulierung allgemein bekannten Vertraulichkeitsbereiche (Chinese walls bzw. screens) schränken allerdings die Möglichkeiten zur Erzielung von Synergieeffekten ein und können sich insofern als durchaus invasiv erweisen. Übergreifend hängt die Durchsetzungskraft von OrganisaLeyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 32 ff. Prominentes Beispiel ist der Versuch der Übernahme von Thyssen durch Krupp im Jahre 1997. Ulrich Cartellieri, seinerzeit Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, die Krupp um die Finanzierung des Übernahmeangebots ersucht hatte, war gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrats von Thyssen. Ihm blieb nur, an der entscheidenden Aufsichtsratssitzung nicht teilzunehmen. Näher Herkenroth AG 2001, 33, 36 ff., 40; Hopt ZGR 2002, 333, 365. Eingehend Krebs Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 241 ff. 270 Für die Zulässigkeit etwa zur Bildung strategischer Allianzen im Rahmen kartellrechtlicher Grenzen GroßKommAktG4-Hopt / Roth § 116 Rn. 193; Hopt in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 27, 38; Kübler, in: Hommelhoff u. a. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 207, 211. Dementgegen für Nichtigkeit der Wahl des Vertreters eines Wettbewerbers in den Aufsichtsrat Lutter ZHR 159 (1995) 287, 303; ders. / Kirschbaum, ZIP 2005, 103 ff. unter Bezugnahme auf OLG Schleswig, Urt. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143, Juris-Tz. 6. 271 Hopt in: FS Doralt 2004, S. 213, 214 ff. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 126, 245 ff. Zum kapitalmarktlichen Zusammenhang Einsele /  Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32 ff. 268 269

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tionspflichten davon ab, ob hinreichend Anreize des Intermediärs vorhanden sind, für belastbare Strukturen zu sorgen.272 Vermittelt werden diese Anreize nicht zuletzt durch die weitergehenden Offenlegungspflichten und Leistungsverbote, die für den Fall der mangelnden intermediärinternen Konfliktbewältigung zum Einsatz kommen können. Hieran zeigt sich zum einen die grundsätzliche Verwobenheit der Lösungsinstrumente, zum anderen deutet sich an, dass die Leistungsfähigkeit der einzelnen Maßnahmen von aufeinander aufbauenden Pflichtenstellungen abhängen kann. Die Offenlegung (möglicher) Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit gegenüber dem Markt wird als ein gegenüber dem Leistungsverbot flexibleres Instrument und als weniger invasiv erachtet.273 Sie mindert aber den Signalwert der vermittelten Information. Offenlegungspflichten ist deshalb ein hoher Wirkungsgrad für diejenigen Intermediationsleistungen zuzumessen, die ohne Obligatorium oder Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory licence) erbracht werden, weil die Ertragskraft dann allein vom Informationswert am Markt abhängt. Voraussetzung der Steuerungswirkung ist allerdings die Verarbeitung der offengelegten Information durch den Markt, die den bekannten allgemeinen Funktionsgrenzen und adressatenbezogenen Schwächen unterliegt.274 Auf höchster Eingriffsstufe steht das Leistungsverbot, also die Untersagung der Intermediationsleistung, einer mit dieser zusammen erbrachten Nebenleistung oder auch nachgelagerter Tätigkeiten. Leistungsverbote können angezeigt sein bei nicht auflösbaren Pflichtenkollisionen oder schwerwiegenden Interessenkonflikten, die weder im Wege der Organisation noch der Offenlegung zu bewältigen sind. Wie an dem Verbot nachgelagerter Tätigkeiten deutlich wird, kommt aber auch ein Einsatz zur präventiven Sicherstellung der unbefangenen Intermediationsleistung in Betracht.275 Insgesamt stehen Leistungsverbote im Spannungsverhältnis zu den Zielen der Indienstnahme privater Dritter, die gerade bei deren erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit und ihrer Nähe zum Markt ansetzen. Die gegenüber staatlicher Eigenwahrnehmung zu erhoffenden Vorteile sind nur bei fortlaufender Marktbegleitung durch den Intermediär zu erreichen (relationale Marktzugangskontrolle).276 Verbote der Koppelung von Intermediationsund Beratungsleistungen (Leistungskombinationen) sind dementsprechend mit Vorsicht abzuwägen.277 Besonders am Beispiel der zuletzt angesprochenen Verbote von Leistungskombinationen wird das übergreifende Problem deutlich: Maßnahmen zur SiÄhnlich Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32. 273 Hopt ZGR 2004, 1, 25. Zu Verfestigungen des gesellschaftsrechtlichen Informationsmodells Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2011, Rn. 228. 274 Zu adressatenbezogenen Verarbeitungsgrenzen 13. Kapitel: A.III.2.a (S. 587). 275 Näher zum Verbot nachgelagerter Tätigkeiten 13. Kapitel: B.II.1.c (S. 629). 276 Im Einzelnen 8. Kapitel: B.III (S. 259). 277 Näher 13. Kapitel: B.IV.2 (S. 657 ff.) 272

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

cherstellung der Unabhängigkeit verursachen eigene Kosten, die sich nicht nur in einem Absinken der Menge angebotener Intermediationsleistungen, sondern auch ihrer Qualität niederschlagen können.278 Bei der organschaftlichen Interessenwahrung wird die Gefahr von Qualitätseinbußen bei der Überwachung mit Blick auf unabhängige Verwaltungsrats- bzw. Aufsichtsratsmitglieder diskutiert.279 In der interdisziplinären Forschung ist das Grundsatzproblem der gegenläufigen Zielfunktionen von einerseits Sachnähe (fehlende Unabhängigkeit) und andererseits Sachferne (Unabhängigkeit) erschlossen.280 Daraus leitet sich die für organschaftliche Interessenwahrung wie ebenso die Informationsintermediation am Kapitalmarkt zentrale Forderung nach einem Optimum, nicht Maximum an Unabhängigkeit ab.281 Wie die folgende Vergewisserung des Regelungsbestands zeigen wird, weisen die jüngeren Entwicklungen tendenziell in Richtung verschärfter Unabhängigkeitsanforderungen, während bei der organschaftlichen Interessenwahrung bereits über Rückbau und Neuorientierungen nachgedacht wird.282 Gebietsübergreifende normative Aussagen zum Umgang mit der Unabhängigkeitsproblematik verbieten sich, schon weil Beeinträchtigungen der vertraglichen und organschaftlichen Interessenwahrung dem Mechanismus der Richtigkeitsgewähr durch Entscheidung des Auftraggebers zugänglich sind, der bei der kapitalmarktlichen Informationsintermediation fehlt. 2. Regelungsbestand Der mittlerweile umfangreiche Bestand an Unabhängigkeitsregeln geht zu großen Teilen auf Maßnahmen zur Wiederherstellung von Vertrauen nach Erfahrungen mit dem Versagen einzelner Informationsintermediäre zurück (kriseninduzierte Regelsetzung). Disparitäten des geltenden Rechts sind daraus, aber auch aus den unterschiedlich langen Entwicklungszeiträumen der berufsrechtlichen und regulatorischen Ausformungen der Rollen von Abschlussprüfern, Rating- und Finanzanalysten zu erklären. In den in jüngerer Zeit verstärkt zu beobachtenden Gemeinsamkeiten deuten sich – wenn auch zeitversetzt – vergleichbare Entwicklungslinien an, deren wesentliche Verläufe hier nachzuzeichnen sind, bevor zu den Einzelfragen vorzustoßen ist. Böcking / Gros ZGR 2015, 305, 309 ff. mit Überblick zu betriebswirtschaftlichen Studien. Deshalb zurückhaltend gegenüber zu weit gehenden Unabhängigkeitsanforderungen bei der Abschlussprüfung Hopt ZGR 2015, 186, 194. Zu den enttäuschten Erwartungen an nonindependent directors in den USA Gordon 59 Stan. L. Rev. 1465, 1500 ff. (2007). Gleichwohl wegen nicht ausgeschöpfter Entwicklungspotentiale befürwortend aus deutscher Sicht Roth ZHR 175 (2011) 605, 625 ff. Rechtsvergleichend Hopt ZHR 175 (2011) 444, 472. 280 Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 45 m. w. N. 281 Gleichlautend zur internen Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 21, 45. 282 Nachw. Fn. 279. 278 279

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a. Abschlussprüfung Das Recht der Abschlussprüfung ist hinsichtlich der Unabhängigkeit und der Konfliktprävention am weitesten entwickelt und stand mit der lang erwarteten EUAbschlussprüfungsreform283 von 2014 und ihrer Umsetzung durch das AReG284 von 2016 erneut im Fokus der Regelsetzungsdiskussion.285 Die Unabhängigkeit ist als „Kardinaltugend“286 des Prüfers anerkannt und in ihrer vertrauensbildenden Wirkung auch aus Sicht der Corporate Governance erschlossen.287 Besondere Anforderungen ergeben sich bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen im Zusammenspiel von §§ 319, 319a, 319b HGB. Flankiert werden diese Regeln durch sanktionsbewehrte berufsrechtliche Vorgaben insbesondere zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Prüfung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO sowie durch die Unabhängigkeitsanforderungen nach §§ 28 ff. BS WP/vBP.288 Die geltende Gesetzeslage wurde seit der Reorientierung des Abschlussprüfers auf den Aufsichtsrat durch das KonTraG von 1998 mehrfach geändert.289 Das BilReG von 2004 schaffte eine systematische Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen allgemeinen (früher: relativen) und besonderen (früher: absoluten) Ausschlussgründen des § 319 HGB. Eingeführt wurde außerdem § 319a HGB, der strengere Anforderungen an die Unabhängigkeit bei der Prüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse, also – nach klarstellender Reform von 2009 durch das BilMoG290 – kapitalmarktorientierter Unternehmen vorsieht.291 Aufgegriffen wurde damit eine „neuer Grundgedanke“ (so die Regierungsbegründung zum BilReG),292 der zugleich eine für die kapitalmarktliche Informationsintermediation und die Wechselwirkungen der einzelnen InformaBestehend aus Änderungsrichtlinie 2014/56/EU zur EG-Abschlussprüferrichtlinie und EU-AbschlussprüferVO. Zu den Auswirkungen statt vieler Hirte NZG 2015, 819. 284 Zu den Eckpunkten Petersen / Zwirner / Boecker DStR 2016, 984. 285 Überblick bei Hopt ZGR 2015, 186, 189 ff. Tabellarische Gegenüberstellung von bisherigem deutschen Recht, Empfehlung der Europäischen Kommission 2002 und EU-Abschlussprüfungsreform 2014 im Entwurfsstadium bei Velte StuB 2014, 324, 326. Aus der vorangegangenen Diskussion Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89. 286 Röhricht WPg-Sonderh. 2001, S. S80. 287 Kurz Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 4: Ohne Unabhängigkeit wären Kontrolle und Corporate Governance sogar beeinträchtigt, weil das Testat dann unberechtigtes Vertrauen weckte. 288 Zum Zusammenspiel MünchKommHGB3-Ebke Vor §§ 316–324a Rn. 1 ff. Zur Entwicklung Demme Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nach deutschem, US-amerikanischem und internationalem Recht, 2003, S. 38 ff., 109 ff. 289 Zum KonTraG Hommelhoff BB 1998, 2567, 2568 (Teil 1), 2625, 2626 (Teil 2); Hopt in: FG Kübler 1997, S. 435, 448 (Hearing-Fassung: AG-Sonderh. 8/1997, 42). 290 RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 v. 30.7.2008, S. 88. 291 Zum BilMoG Petersen / Zwirner (Hrsg), Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, S. 574 f. 292 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 40. 283

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

tionsanbieter übergreifend bedeutsame Beobachtung aufnimmt: Die Besorgnis der Befangenheit wiegt bei kapitalmarktorientierten Unternehmen besonders schwer, weil an deren Abschlüssen „nicht nur die Anteilseigner, sondern auch potentielle Investoren (und) z. B. auch Finanzanalysten“ interessiert sind.293 Im Umkehrschluss können sich für mittelständische Unternehmen Erleichterungen ergeben, die sie vor unverhältnismäßigen Belastungen schützen.294 Zeitgleich wurde durch das BilKoG, ebenfalls von 2004, das zweistufige EnforcementVerfahren für die Prüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse eingeführt. Auf erster Stufe prüft die private Rechnungslegungsstelle nach § 342b HGB die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Erst danach kommt die behördliche Aufsicht durch die BaFin zum Einsatz. Kennzeichnend sind für das Regelungsmodell der §§ 319 ff. HGB Ausschlussgründe, also Leistungsverbote. Durch das BilReG von 2004 und das BilMoG von 2009 wurden die in der Empfehlung der Europäischen Kommission295 von 2002 als Grundprinzipien296 angelegten und sodann von der 2006 modernisierten EG-Abschlussprüferrichtlinie297 aufgegriffenen Anforderungen an die Unabhängigkeit umgesetzt.298 Soweit die in der Kommissionsempfehlung aufgenommenen Ausschlussgründe nicht im Wege des BilReG 2004 in die gesetzlichen Katalogtatbestände überführt wurden, sind sie zur Konkretisierung des Begriffs der Befangenheit aus § 319 Abs. 2 HGB zu berücksichtigen, soweit sie auf die deutsche Abschlussprüfung passen.299 Die unionsrechtskonforme Auslegung des HGB ist spätestens seit der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 unumgänglich. Die Regeln des HGB gehen mit ihrem System aus allgemeinen und besonderen Ausschlussgründen allerdings bewusst über bloße Grundprinzipien hinaus.300 Der gegenüber der Empfehlung der Europäischen Kommission von 2002 schärfere Ton wird vor allem in Bezug auf Schutzmaßnahmen (safeguards) deutlich,

RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 40, Klammerzusatz hinzugefügt. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 41. 295 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, Empfehlung v. 16. Mai 2002, ABl. EG L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Abschn. A Nr. 3.1. i. V. m. Anh. Abschn. A Nr. 3. 296 Als Gefährdungslagen werden ebd. genannt: 1. bestimmte finanzielle Beteiligungen, 2. geschäftliche Beziehungen, 3. Beschäftigungsverhältnisse, 4. Übernahme einer Führungsoder Kontrollfunktion, 5. Tätigkeit bei einer Prüfungsgesellschaft, 6. verwandtschaftliche und sonstige persönliche Beziehungen, 7. Nichtprüfungsleistungen (non-audit services), 8. Honorargestaltungen, 9. Rechtsstreitigkeiten und 10. leitende Tätigkeiten. 297 Art. 22 ff. EG-Abschlussprüferrichtlinie. 298 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 25. Näher BilMoG Petersen /  Zwirner (Hrsg.), Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, S. 573. 299 GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 319 Rn. 4. 300 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 27. 293 294

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die nur „unter Umständen (und) im Einzelfall“301 dazu führen können, dass die Bedenken gegen die fehlende Unabhängigkeit nach § 319 Abs. 2 HGB ausgeräumt werden. Organisationspflichten, wie insbesondere die neuerdings in Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO verankerte interne Rotation sind eher komplementierend vorgesehen. Sie stehen hinter den externen Rotationspflichten zurück, die in Umsetzung der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 eingeführt wurden.302 Aus den nicht abschließenden besonderen Ausschlussgründen der §§ 319 Abs. 3, 319a HGB ergibt sich eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung der Befangenheit.303 Den allgemeinen Befangenheitsgründen i. S. d. § 319 Abs. 2 HGB ist die Rolle des Abschlussprüfers als gesellschaftsexterner Sachverständiger mit gesetzlich umrissenen Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsaufgaben zugrunde zu legen.304 Es kommt deshalb allein darauf an, ob aus der Sicht eines vernünftigen und verständigen Dritten genügend objektive Gründe vorliegen, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln.305 Ausreichend ist, wenn sich der Prüfer wahrscheinlich von sachfremden Erwägungen oder Motiven leiten lassen wird.306 Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Grund und dem Eintritt des Nachteils ist nicht erforderlich, wohl aber die Erheblichkeit des Grunds im Sinne quantitativer bzw. qualitativer Wesentlichkeit. Unbeachtlich sind die subjektiven (gegebenenfalls unvernünftigen) Vorstellungen des Prüfers. Hinzu kommen die vom Aufsichtsrat einzuholende Unabhängigkeitserklärung nach Ziff. 7.2.1 Abs. 1 DCGK und seit dem AReG von 2016 die Bestätigung der Unabhängigkeit im Prüfungsbericht nach § 321 Abs. 4a HGB. Im Prüfungsvertrag soll nach Ziff. 7.2.1 Abs. 2 DCGK zudem vereinbart werden, dass während der Prüfung auftretende mögliche Ausschluss- oder Befangenheitsgründe unverzüglich mitzuteilen sind. Darin liegt eine (bloße) Konkretisierung der aus Gründen der vertraglichen Interessenwahrung ohnehin bestehenden Offenlegungspflicht.307 Entscheidet sich der Aufsichtsrat gegen die Befolgung dieser Kodexempfehlungen, hat er nach § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG in der jährlichen Entsprechenserklärung Gründe anzugeben (comply or explain).308

RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. Im Einzelnen zu (externen) Rotationspflichten 13. Kapitel: B.II.2 (S. 631 ff., 638). 303 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 37. 304 Näher MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 25 ff. 305 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. 306 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II 49/01 (HypoVereinsbank), BGHZ 153, 32, Juris-Tz. 36. 307 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 12; MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 40 Fn. 155. Zu Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit der Entsprechenserklärung GroßKommAktG-Leyens § 161 Rn. 448 ff., 452. 308 Näher KommDCGK6-Lutter Rn. 1861. Im Einzelnen GroßKommAktG4-Leyens § 161 Rn. 330; ders. ZEuP 2016, 388, 408 301 302

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Insgesamt zeigt sich eine Nähe zum US-amerikanischen Recht,309 das maßgeblich infolge des Enron-Zusammenbruchs durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 verschärft wurde.310 Einige der Änderungen durch das BilReG, wie z. B. der Ausschluss im Falle der Erbringung von Unternehmensleitungs- oder Finanzdienstleistungen nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. c HGB, sind hierauf zurückzuführen.311 Strenger ist das US-amerikanische Recht in Bezug auf Leistungskombinationen. Ausgeschlossen werden auch Rechtsberatungs- und Expertenleistungen, die in keiner Verbindung mit der Prüfungstätigkeit stehen.312 Nach Vorstellung des BilReG-Gesetzgebers sind Verbote demgegenüber – maßgeblich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit313 – auf Fälle der Selbstprüfung zu beschränken.314 In Umsetzung der Rechtsprechung des BGH zum Fall HypoVereinsbank von 2002315 lösen auch vorgelagerte Beratungstätigkeiten die Gefahr der Selbstprüfung aus.316 Die weitestgehend vollständige Trennung von Beratung und Prüfung nach US-amerikanischem Recht wird auch durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 und die jetzt unmittelbar geltenden Katalogverbote der EU-AbschlussprüferVO von 2014 (black list) nicht vollständig nachvollzogen, wenngleich sich der Abstand zwischen unionsrechtlichem und US-amerikanischem Recht dadurch verringert.317 Die auch vom deutschen Recht gewählten offenen Begriffe wie „Besorgnis der Befangenheit“ (§ 319 Abs. 2 HGB) stehen seit jeher für eine „kalkulierte Unbestimmtheit“.318 Das schafft Elastizität für neue Sachverhalte und ist zugleich geeignet, unionsrechtliche und internationale Entwicklungen aufzunehmen. Bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes ergeben sich für den Prüfer einschneidende Rechtsfolgen.319 Die Katalogtatbestände nach § 319 Abs. 2 bis 5, 319a

309 SEC, Strengthening the Commission’s Requirements Regarding Auditor Independence, Final Rule, Release No. 33-8183, 28.1.2013: Unzulässig sind Unternehmensleitungsleistungen (management functions), eine Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied (director), angestellter Manager (officer) oder als sonstiger Arbeitnehmer sowie Entscheidungs- oder Überwachungsfunktionen (z. B. als Leiter der internen Revision) in der zu prüfenden Gesellschaft. 310 Zur Entwicklung Gruson / Kubicek AG 2003, 337 (Teil 1) und 393 (Teil 2); Kersting ZIP 2003, 233. 311 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 39. 312 Section 201 g (8) Sarbanes-Oxley Act: „unrelated to the audit“. 313 Zur komplementierenden Begründung aus Synergieeffekten 13. Kapitel: B.IV.2 (S. 657). 314 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 27. 315 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank), BGHZ 153, 32, JurisTz. 36. 316 Dazu im Zusammenhang mit Leistungskombinationen 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665). 317 Überblick zu den noch im Einzelnen zu besprechenden Neuerungen bei Petersen /  Zwirner / Boecker DStR 2016, 984 f. 318 MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 30. 319 Dazu GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 319 Rn. 79 ff.; Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 162.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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HGB sind Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB.320 Der Verstoß führt zur Nichtigkeit des Prüfungsvertrags.321 Ein Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzanspruch besteht nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und wegen § 817 Satz 2 BGB auch nicht nach Bereicherungsrecht.322 Bei mangelnder Offenlegung trifft den Prüfer eine Schadensersatzpflicht aus culpa in contrahendo nach § 311a BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 319, 319a HGB.323 Hinzu kommen berufsrechtliche Sanktionen nach § 67 ff. WPO sowie ordnungsrechtliche nach § 334 Abs. 2 HGB.324 Gleichzeitig ist ein der Bedeutung des geprüften Abschlusses für den Wirtschaftsverkehr Rechnung tragender Ausgleich angestrebt. So führen Verstöße nach § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG nicht zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses.325 Auch sind nach §§ 243 Abs. 2, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen den Wahlbeschluss ausgeschlossen. Zur Verfügung steht allein das Ersetzungsverfahren des § 318 Abs. 3 HGB.326 b. Bonitätsrating Gesetzliche Regeln zur Unabhängigkeit von Ratingagenturen sind jung und waren bereits in ihren Anfängen stärker als die der Abschlussprüfung international geprägt.327 In Umsetzung des Basel II-Akkords von 2005328 nannte bereits die Bankenrichtlinie von 2006329 (heute CRD IV330 in Umsetzung von Basel III)331

BGH, Urt. v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, Juris-Tz. 12. Deshalb erfolgte keine ausdrückliche gesetzliche Regelung; vgl. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. 321 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 Rn. 32. 322 BGH, Urt. v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, Juris-Tz. 31. 323 Schadensersatzverpflichtungen werden ausdrücklich für möglich gehalten; RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. 324 Zu diesem Gesamtgefüge RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. 325 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38. Zu den Änderungen wegen des infolge der EU-AbschlussprüferVO angefügten § 319a Abs. 3 HGB siehe RegE AReG, BT-Drucks. 18/7219 v. 11.01.2016, S. 57. 326 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 Rn. 31. 327 Überblick Veil Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2014, S. 573; Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2009, Bd. 2, S. 1221, 1222 ff., bzw. in: dies. (Hrsg.), Encyclopedia of European Private Law, Bd. 2, 2012, S. 1409, 1410 ff.; 328 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, 10.6.2004, Ziff. 91. Zu Standardansatz und Unabhängigkeit nach Basel II Wittig ZHR 169 (2005) 212, 217. 329 RiLi 2006/48/EG v. 14.6.2006, Abl. EU L 177 v. 30.6.2006, S. 1, Anh. VI Teil 2, Ziff. 1.2. 330 Das als CRD IV bekannte Legislativpaket, bestehend aus Kapitaladäquanz-verordnung und -richtlinie, dient der Umsetzung von Basel III und verweist auf die EG-RatingVO; vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 98 CRR und Art. 3 Abs. 1 Nr. 58 CRD IV. 320

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

als Kriterien für die Anerkennung die Eigentums- und Organisationsstruktur, finanzielle Ressourcen, personelle Ausstattung und Sachkenntnis der Ratingagentur sowie die Corporate Governance. Einzelne Verhaltensvorgaben ergaben sich bis dahin bereits aus dem 2004 von der IOSCO veröffentlichten Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies.332 Die IOSCO beließ es allerdings im Wesentlichen bei „Programmsätzen“.333 Die Forderungen nach gesetzlichen Ausschlusstatbeständen nach Vorbild der für die Abschlussprüfung geltenden §§ 319, 319a HGB gewann angesichts der Erfahrungen in der Finanzmarktkrise 2008 an Gewicht.334 Detaillierte Anforderungen an die Unabhängigkeit, die sich allerdings mit allgemeinen Verhaltenspflichten vermischen, formuliert der heutige Art. 6 i. V. m. Anh. I EG-RatingVO.335 Das Regelungsmodell der EG-RatingVO 2009 setzt in Entsprechung zur Abschlussprüfung auf die Formulierung allgemeiner Unabhängigkeitsanforderungen (Art. 6 Abs. 1) und besonderer Gefährdungslagen (Anh. I). Zur Lösung ist ein Zusammenspiel von Organisations-, Offenlegungspflichten und Leistungsverboten vorgesehen. Dieses Mischmodell der Lösungsstrategien weist einerseits Nähe zum Unabhängigkeitsmodell der §§ 319, 319a HGB auf, dies insbesondere mit Blick auf das Verbot der Kombination von Rating und Beratung.336 Zum sogleich zu behandelnden Unabhängigkeitsmodell der Finanzanalyse337 ergeben sich Ähnlichkeiten aus der verschiedentlichen Wahl bloßer Organisations- bzw. Offenlegungspflichten zur Bewältigung von Gefährdungslagen, auf die im Recht der Abschlussprüfung mit Leistungsverboten reagiert wird.338 Im Wesentlichen entspricht der Regelungsbestand dem des US-amerikanischen Rechts. Kleinere Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit sind dort im Wege der Organisation in

331 Bei den Anerkennungskriterien wurden keine Änderungen in Bezug auf die Unabhängigkeit der Ratingagenturen gegenüber § 91 Basel II vorgenommen, wohl aber Offenlegungspflichten hinzugefügt, die von der EG-RatingVO berücksichtigt werden; vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010, überarbeitet Juni 2011, S. 59. 332 IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, 2008, Ziff. 2 (Unabhängigkeit), Ziff. 4 (Offenlegung); aktueller Stand: 2015. Zur Fassung von 2008 Blaurock ZGR 2007, 603, 638. 333 Habersack ZHR169 (2005) 185, 196. 334 Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F136. Ebenso Habersack ZHR 169 (2005) 185, 196; Vetter WM 2004, 1701, 1712. 335 Überblick bei Assmann / SchneiderWpHG6-Assmann § 17 Rn. 4. Eingehend Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 233 ff. 336 Zum Beratungsverbot 13. Kapitel: B.IV.2.g (S. 673). 337 Siehe 13. Kapitel: B.I.2.c (S. 623). 338 Beispielsweise bloße Offenlegungspflichten bei Umsatzabhängigkeit (näher 13. Kapitel: B.IV.1.b, S. 652), demgegenüber an Umsatzabhängigkeitsgrenzen anknüpfende Leistungsverbote des Abschlussprüfers (näher ebd. Abschn. c, S. 655). Übergreifend FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 11.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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den Griff zu nehmen oder verpflichten zur Offenlegung (grey list), während bei typisiert unüberwindlichen Konflikten ein Leistungsverbot besteht (black list).339 Rechtsfolge von Verstößen ist gemäß Art. 24 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO ultimativ der Verlust der Registrierung, seit 2013 zusätzlich die in Art. 35a EGRatingVO verankerte zivilrechtliche Haftung. Soweit aber die Nichtbefolgung der Unabhängigkeitsvorschriften erkannt und freiwillig offengelegt wurde, ist mit weitergehenden Maßnahmen nicht zu rechnen. c. Finanzanalyse Die Unabhängigkeit rückte bei der Finanzanalyse früher als beim Bonitätsrating in den Blick des Gesetzgebers.340 Gesetzliche Anforderungen formulierte § 34b Abs. 5 WpHG a. F. (heute verkürzt: Abs. 1), der auf das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 2002 zurückging und in Umsetzung von EG-Marktmissbrauchsrichtlinie von 2003 und MiFID von 2004 durch das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz (FRUG) von 2007 erneut modifiziert wurde.341 Auch unter Art. 20 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie von 2014 und Art. 5 Delegierte VO (EU) 2016/958 gelten die Konkretisierungen durch §§ 5, 5a Abs. 1 FinAnV fort.342 Diese Entwicklung begleitend veröffentlichte die BaFin 2003 ein Schreiben zur Zulässigkeit der Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten der Wertpapieranalysten durch Emittenten im Rahmen von Analystenkonferenzen und -veranstaltungen, das später in ein neues Schreiben von 2007 integriert wurde.343 Wichtige Anstöße gaben die inzwischen wieder aufgehobenen Going-PublicGrundsätze der Deutschen Börse von 2005 und dem darin enthaltenen Verbot der emissionsbegleitenden Veröffentlichung von Finanzanalysen für den Zeitraum von zwei Wochen, wenigstens jedoch im Zeitraum von zehn Kalendertagen vor dem öffentlichen Angebot (blackout period).344 Heute verwendete Research Guidelines sehen typischerweise eine Stillhaltefrist von ca. zwei Wochen vor dem Beginn des Angebots bis zum Ablauf von 30 Kalendertagen nach Angebotsende (closing) vor, um eine unbeeinflusste Anlegerentscheidung zu gewährleisten.345 17 CFR § 240.17g-5(b) und (c). Überblick bei Leyens in: Basedow u. a. (Hrsg.), HWB des Europäischen Privatrechts, 2009, Bd. 1, S. 585, 586 ff., bzw. in: dies. (Hrsg.), Encyclopaedia of European Private Law, Bd. 1, 2012, S. 690, 691 ff. 341 Zur Entwicklung des Regelungsbestands Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 4 ff. 342 Abgedr. und kommentiert bei Göres in: Kümpel / Hammen / Ekkenga (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Losebl., Lfg.: 1/06, Kennz. 634 b/3, Rn. 14 ff. 343 BaFin, Zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 S. 4, 34b WpHG i. V. m. der FinAnV, Schreiben v. 21.12.2007. Dazu Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 12. 344 Schäfer / Ernst in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 7 Rn. 43; Schlitt / Smith / Werlen AG 2002, 478, 488; Singhof / Weber in: Habersack u. a. (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 4 Rn. 48 f. 339 340

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Bereits der 64. Deutsche Juristentag 2002 sprach sich mit großer Mehrheit für gesetzliche Regeln der Unabhängigkeit aus.346 Zunächst reagierte die DVFA mit ihrem Kodex für Finanzanalyse von 2003.347 Internationale Prägungen ergeben sich aus den von der IOSCO 2003 veröffentlichten Richtlinien für den sachgerechten Umgang mit Interessenkonflikten der Finanzanalysten,348 die in die MiFID und ihre Durchführungsrichtlinien einflossen.349 Der heute als verfestigt zu erachtende Ansatz verpflichtender Regulierung wurde in den USA zeitgleich zu den Verschärfungen der Unabhängigkeit von Abschlussprüfern mit dem Sarbanes-Oxley Act bereits 2002 auf den Weg gebracht.350 Das für die Unabhängigkeit der Finanzanalyse gewählte Regelungsmodell setzt überwiegend auf Organisation und Offenlegung.351 Kennzeichnend ist, dass die Organisationspflichten keine vollständige Freiheit von Beeinträchtigungen voraussetzen. Vielmehr verlangt § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG von in der Finanzanalyse tätigen Unternehmen eine Organisation, die sicherstellt, dass Interessenkonflikte „möglichst gering sind“.352 Nach Maßgabe von § 5a Abs. 1 FinAnV ist ein „Grad an Unabhängigkeit (erforderlich), der der Höhe des Risikos für eine Beeinträchtigung von Interessen der Empfehlungsempfänger sowie der Größe und dem Gegenstand des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und seiner Unternehmensgruppe angemessen ist“.353 Insgesamt zielen die hierzu erforderlichen Maßnahmen vorrangig auf die Vermeidung von Marktmissbrauch und -manipulation ab und stehen im Gleichlauf mit Art. 6 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2016/958, der ebenfalls die Verhältnismäßigkeit der zu treffenden Maßnahmen betont.354 345 Schäfer / Ernst in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 7 Rn. 44. 346 Beschluss 2.1. der Abteilung Wirtschaftsrecht; abgedr. in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 64. DJT 2002, Bd II/1, S. P233 ff. 347 DVFA-Verhaltenskodex, Stand: Mai 2007, www.dvfa.de. Dazu Pfüller / Wagner WM 2004, 253, 255. 348 IOSCO, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, 25.9.2003. 349 Überblick bei Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 13. 350 Section 501 Sarbanes-Oxley Act, aufgenommen in section 15D Securities Exchange Act 1934, sowie weitergehende Vorgaben nach FINRA Manual, NASD rule 2711. Überblick bei Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 68 ff. 351 Überblick bei GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 6 Rn. 541; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 97 ff. Eingehend KölnKommWpHG-Möllers § 34b Rn. 154 ff., 245 ff. 352 Kursivdruck hinzugefügt. 353 Zu Verhältnismäßigkeitserwägungen bei der Bewältigung von Interessenkonflikten im kapitalmarktlichen Zusammenhang Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Unterschieden wird zwischen konkreten und abstrakten Gefährdungen.355 Konkrete Gefährdungen i. S. d. § 5 Abs. 1, 2 FinAnV sind nach § 6 Abs. 1 Satz 3 FinAnV zeitnah zu ermitteln und bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen nicht offenlegungspflichtig. Abstrakte Gefährdungen i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. § 5 Abs. 3, 4 FinAnV führen demgegenüber zur unwiderleglichen Vermutung eines Interessenkonflikts, der (in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit des dazu erforderlichen Aufwands) zusammen mit der Finanzanalyse offenzulegen ist. Wie bei der Abschlussprüfung sind Gefährdungen der Unabhängigkeit objektiv zu beurteilen. Maßgeblich ist die Sicht der mit der Finanzanalyse befassten Verkehrskreise.356 Die generelle Abstandnahme von der Analyse wird nicht gefordert.357 Besonderer Offenlegung bedarf es außerdem nicht, wenn das Finanzinstitut Vertraulichkeitsbereiche (Chinese walls bzw. screens)358 eingerichtet hat, also den Informationsfluss zwischen Analyse und Verkaufsabteilung systematisch unterbricht.359 Bei unterbliebener Offenlegung von Interessenkonflikten drohen die durch Art. 30 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie autorisierten behördliche Sanktionen. Anders als bei der Abschlussprüfung ist aber vom einzelnen Finanzanalysten kein Verlust der Berufszulassung zu befürchten. Das noch wenig entwickelte Sanktionswesen der Fachverbände wurde bereits angesprochen.360 3. Strukturfragen Die Anforderungen an die Unabhängigkeit der einzelnen Informationsintermediäre entspringen heute vorrangig gesetzlichen Vorschriften. Zu beobachtende Unterschiede betreffen vor allem die Wahl des Lösungsinstrumentariums. Im Einzelnen werden Funktionsäquivalente oder Inkohärenzen erst aus dem Umgang mit typischen Gefährdungslagen erkennbar. Angelehnt an das Recht der Abschlussprüfung und die Systematisierung nach der Empfehlung der Europäischen Kommission von 2002 wird hierbei im Folgenden unterschieden zwischen Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit, personeller und finanzieller Verflechtung sowie geschäftlichen Beziehungen, Letzteres unter Einschluss finanziel354 Diese Zielsetzung ist auch weiterhin maßgeblich. Zur bisherigen Rechtslage Assmann /  SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 49 ff., 51. Zu den Wirkungsschwächen Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32. 355 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 56 ff., 58 f.; Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 90 f. 356 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 53. 357 Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 89c. 358 Näher dazu 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659). 359 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 54; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 102. 360 Dazu 13. Kapitel: A.I.2.c (S. 569).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ler Abhängigkeiten und Leistungskombinationen. Jeweils im Dreischritt ist der Blick darauf zu richten, ob auf die einzelne Gefährdungslage mit Organisations-, Offenlegungspflichten oder Leistungsverboten reagiert wird und ob die Begründungen auch im Vergleich zu den Regeln anderer Intermediationsbereiche standhalten. Aus diesen Schritten ergibt sich das Gesamtbild zu Gemeinsamkeiten, auf dessen Grundlage Aussagen zu Kohärenzlücken zu treffen sind.

II. Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit betreffen die innere Einstellung des Intermediärs und sind gleichsam Vorfrage berufsrechtlicher oder regulatorischer Anforderungen an die Unabhängigkeit des Intermediärs. Spezifische Unabhängigkeitsregeln wären erlässlich, wenn die eigenverantwortliche und unbefangene Aufgabenwahrnehmung hinreichend genau bestimmbar wäre und dazu erlassene Vorgaben durchgesetzt werden könnten. Insoweit ergibt sich kein einheitliches Bild. Das gilt vor allem für die nachfolgend zuerst zu behandelnde Eigenverantwortlichkeit. Bei der sodann zu besprechenden inneren Unbefangenheit deuten die jüngst sowohl bei Abschlussprüfung als auch Bonitätsrating verschärften Rotationsregeln auf Annäherungen hin. 1. Eigenverantwortlichkeit Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit steht für die zur sachgerechten Pflichterfüllung erforderlichen inneren Tatsachen. Innere Tatsachen sind nur eingeschränkt beobachtbar und ebenso wenig präzise beschreibbar. Die generalklauselartige Forderung nach Eigenverantwortlichkeit kann deshalb nur bei verfestigter Rollenausformung im eigentlichen Sinne durchsetzbare Pflichtenstellungen hervorbringen. Verwendet wird der Begriff, soweit ersichtlich, allein im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer. Nach § 43 Abs. 1 WPO steht die Eigenverantwortlichkeit, wie besprochen, für eine die berufsrechtlichen Einzelpflichten umschließende Beschreibung der Rolle des Prüfers, die als Vorbehaltsklausel der IDW-Prüfungsgrundsätze auch den Einfluss der Standardsetzer auf die Prüfung relativiert.361 Grundvoraussetzung der Eigenverantwortlichkeit ist die äußerliche Weisungsfreiheit. Umgesetzt wird sie durch das auch bei Rating und Finanzanalyse anerkannte Verbot der Erstellung der Intermediationsleistung unter Ergebnisvorgabe.362 Nach dem berufsrechtlichen Verständnis der Wirtschaftsprüfer kommen weitere Komponenten der Eigenverantwortlichkeit hinzu, die als eine auf den Prüfungsauftrag bezogene Grundhaltung und Selbstbestimmung beschrieben werden.

361 362

Dazu 13. Kapitel: A.I.2.a (S. 565) m. w. N. Zum Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe 13. Kapitel: A.IV.3 (S. 603).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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a. Organisation Die berufsrechtlichen Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit des Abschlussprüfers gehen über die aus dem Recht der Interessenwahrung im ZweiPersonen-Verhältnis bekannten Organisationspflichten zur Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten hinaus. Die Eigenverantwortlichkeit ist innerhalb des von § 43 WPO niedergelegten Kanons der Berufspflichten Prima inter Pares. Gesprochen wird von einer „Leitfunktion“ und „Bündelung der Berufspflichten“ nach Maßgabe der öffentlichen Erwartungen.363 Wie von der Europäischen Kommission in ihrer Empfehlung von 2002 betont, sind die insoweit maßgeblichen Eigenschaften der Integrität, Objektivität und moralischen Verantwortung nicht äußerlich beobachtbar und infolgedessen durch die weitere berufsständische Pflichtenausformung bedingt.364 Das allgemein mit Versuchen einer Definition der Unabhängigkeit verbundene Problem einer griffigen Beschreibung tritt in Bezug auf innere Umstände also verschärft auf. Deutlich wird dies etwa an § 12 Abs. 1 BS WP/vBP, wonach die Forderung nach Eigenverantwortlichkeit durch die kaum engere Selbstbestimmtheit bei Beurteilung und Entscheidung Konkretisierung erfahren soll. Erst aus dem gewachsenen Verständnis vom freien Berufsstand der Wirtschaftsprüfer365 und in Zusammenschau mit weiteren Pflichten werden im Wesentlichen drei Komponenten fassbar, die über die externe Weisungsfreiheit hinausreichen:366 An erster Stelle steht die starke Ausformung der Weisungsfreiheit nicht nur gegenüber dem Auftraggeber, sondern nach § 44 Abs. 1 Satz 3 WPO auch gegenüber Anteilseignern, Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, denen Einflussnahmen auf die selbstbestimmte Durchführung der Abschlussprüfung untersagt sind.367 Zweitens sind die materiellen Prüfungshandlungen allein durch den jeweils tätigen Prüfer festzulegen. Wie angesprochen, können auch Abweichungen von den IDW-Prüfungsgrundsätzen erforderlich sein. Drittens genießt der Prüfungsauftrag Vorrang vor eigenen wirtschaftlichen Interessen, so dass es zum selbstbestimmten Zeiteinsatz gehört, gegebenenfalls auch ein Verlustgeschäft in Kauf zu nehmen.368 Häussermann in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 372. 364 Europäische Kommission, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, Empfehlung v. 16. Mai 2002, ABl. EG L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anh. A.1. 365 KommWPO2-Kühl §§ 43 ff. Rn. 132: Eigenverantwortlichkeit grenzt zur Ausübung eines Gewerbes ab. 366 Zu Schwerpunktsetzungen bei KommWPO2-Schleip § 43 Rn. 200. Siehe auch Häussermann in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 372; Plendl / Stanke in: ebd., S. 581, 583. 367 Dazu KommWPO2-Kühl §§ 43 ff. Rn. 149 ff.; Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 216. 368 Z. B. wenn der Prüfer von tatsächlich nicht gegebener Übertragbarkeit früherer Prüfungsgestaltungen ausgegangen ist (Problem der Verfallzeiten). Allgemein Krommes in: Gabler 363

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Bei Rating und Finanzanalyse entsteht im Zuge der erst aufkommenden Beschreibungen von Berufspflichten durch die EG-RatingVO bzw. durch die Vorgaben an Finanzanalysten nach der EU-MarktmissbrauchsVO und der Delegierten VO (EU) 2016/958 sowie § 34b WpHG und FinAnV ein an die Abschlussprüfung in den Strukturen zumindest angenäherter Rechtsrahmen. Die interne Weisungsfreiheit als erste Komponente der Eigenverantwortlichkeit ist beim Bonitätsrating im Verbot der Beeinflussung durch möglicherweise konfliktbefangene Personen nach Anh. I Abschn. C Nr. 2 EG-RatingVO angelegt. Dem vergleichbar verlangt § 5a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FinAnV nach organisatorischen Maßnahmen, die eine unsachgemäße Einflussnahme anderer Personen, also auch solcher derselben Institution, auf die Tätigkeit der Finanzanalysten unterbinden.369 Die weiteren Anforderungen an Informations- und Kommunikationskanäle nach § 5a Abs. 1 FinAnV verpflichten zur Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen (Chinese walls bzw. screens) und sind gerade für die verkaufsseitige Finanzanalyse essentiell. Sie entsprechen weitgehend denen beim Rating.370 In Bezug auf die zweite Komponente, also die eigenverantwortliche Bestimmung der materiellen Prüfungs- bzw. Bewertungshandlungen, zeigt sich sowohl bei Rating als auch Finanzanalyse eine abweichende Ausgangslage. Eine Verantwortungsteilung zwischen Verband (Standardbildung) und einzelnem Handelnden (Konkretisierungsverantwortung), wie sie im Recht der Abschlussprüfung gilt, ist jedenfalls nicht gesetzlich angelegt. Funktional stehen aber die besprochenen Vorgaben zur gewissenshaften Aufgabenerfüllung für eine Trennung der Verantwortungslagen zwischen einzelnem Handelnden und der ihn beschäftigenden Agentur oder dem Finanzinstitut.371 Der drittens geforderte Vorrang der Aufgabenstellung vor wirtschaftlichen Eigeninteressen muss vor dem Hintergrund der nicht primär auf den einzelnen Berufsträger zugeschnittenen Berufspflichten der Rating- und Finanzanalysten anders ausfallen als beim Abschlussprüfer. Die Funktion eines auf die selbstbestimmte Durchführung der Informationsintermediation ausgerichteten Zeiteinsatzes kann letztlich nur durch Vergütungsregeln übernommen werden, die den einzelnen Handelnden von den erwerbswirtschaftlichen Zwängen der anstellenden Unternehmung freistellen. Dahingehende Organisationspflichten finden sich sowohl beim Rating als auch bei der Finanzanalyse und sind im Zusammenhang mit der Vergütung näher zu erörtern.372

Wirtschaftslexikon (online), www.wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/152070/eigenverant wortlichkeit-des-wirtschaftspruefers-v10.html. Siehe auch KommWPO2-Kühl / Oeltze § 43 Rn. 29 (Zeitmangel kein Entschuldigungsgrund). 369 KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 150 zur Weisungsfreiheit. 370 Sogenannte Chinese walls. Siehe 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659). 371 Dazu 13. Kapitel: A.I.1.b (S. 561). 372 Siehe 13. Kapitel: C.II (S. 699 ff.).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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b. Offenlegung Pflichten zur Offenlegung möglicher Beeinträchtigungen der Eigenverantwortlichkeit und insbesondere der Unabhängigkeit ergeben sich bei beauftragten Intermediationsleistungen bereits aus den vertraglichen Interessenwahrungspflichten.373 Für die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität ist entscheidend, ob und inwieweit darüber hinausgegangen wird. Der Abschlussprüfer ist auf Grundlage von §§ 319, 319 a HGB zunächst nur verpflichtet, anfängliche oder nachträglich eintretende Ausschlussgründe von sich aus dem Emittenten mitzuteilen.374 Insbesondere hat der Prüfer zu ergründen, ob Beratungsmandate die Besorgnis der Befangenheit hervorrufen.375 Hieraus ergibt sich der bereits angesprochene (bloß) komplementierende Charakter der an den Aufsichtsrat gerichteten Empfehlung nach Ziff. 7.2.2 DCGK, bereits anfänglich eine Unabhängigkeitserklärung vom Abschlussprüfer einzuholen.376 Eine gegebenenfalls erforderliche gerichtliche Ersetzung nach § 318 Abs. 3 Satz 1 HGB kann jedoch nur durch Vorstand, Aufsichtsrat oder Aktionäre beantragt werden.377 Die weitere Bezugsgruppen schützende Pflichtendurchsetzung ist hingegen im Wege der berufsständischen Aufsicht und Sanktion sicherzustellen.378 Durchsetzungsinstanz ist bei Rating- und Finanzanalyse die Finanzaufsicht. Zu beaufsichtigen ist beim Rating die Einhaltung der Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten nach Anh. I Abschn. A Nr. 3 EG-RatingVO.379 Dem vergleichbar ist bei der der Finanzanalyse zu überwachen, ob Umstände oder Beziehungen, die Interessenkonflikte begründen können, i. S. v. Art. 5 f. Delegierte VO (EU) 2016/958 bzw. § 5 FinAnV pflichtgemäß zusammen mit der Analyse offengelegt werden.380 c. Verbot nachgelagerter Tätigkeiten (Abkühlungsphase?) Die zur Wahrung der Unabhängigkeit vorgesehenen Leistungsverbote richten sich überwiegend auf äußerlich beobachtbare Konfliktlagen. Im Recht der vertraglichen Interessenwahrung käme eine Pflicht zur Abstandnahme von der Leistungserbringung von vornherein nur in Betracht, wenn der Konflikt nicht abgewendet werden kann und auch nicht intern in den Griff zu bekommen Zur vertraglichen Interessenwahrung 13. Kapitel: B.I.1.a (S. 608). Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 12. 375 § 21 Abs. 5 BS WP/vBP mit Pflicht zur schriftlichen Dokumentation. 376 Siehe bereits 13. Kapitel: B.I.2.a (S. 617). 377 Antragsberechtigt sind nur Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals ausmachen oder einen Börsenwert von 500.000 Euro erreichen. 378 Dazu 13. Kapitel: A.I.2.a (S. 565). 379 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 75 ff. zu den offenlegungspflichtigen Umständen. 380 KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 155 zu den Anforderungen. 373 374

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ist.381 Berufsrechtlich oder regulatorisch kann hingegen auch auf Wahrscheinlichkeiten zu inneren Umständen ausgegriffen werden, also auf Sachverhalte, die zwar nicht zu äußerlich beobachtbaren Beeinträchtigungen führen, aber sich erfahrungsgemäß auf die Eigenverantwortlichkeit, also die innere Einstellung des Handelnden zur Erbringung einer ordnungsgemäßen Intermediationsleistung auswirken. Dazu zählt der äußerlich (zumeist) nicht beobachtbare Einsatz der Informationsintermediation mit dem Ziel eines späteren Wechsels in eine andere Position, also eine nachgelagerte Tätigkeit. Selbst im Recht der organschaftlichen Interessenwahrung wird ohne dahingehende Absprache nicht von einer verpflichtenden Abkühlungsphase ausgegangen.382 Auch unterscheidet sich die hier angesprochene Problematik nachgelagerter Tätigkeiten von dem später zu besprechenden strategischen Angebot zurückhaltender Intermediationsleistungen mit dem Ziel der Einwerbung lukrativer Beratungsaufträge (Leistungskombination).383 Zum einen kann es sich um eine außerhalb des Intermediationsgeschäfts anzusiedelnde Tätigkeit, z. B. eine Leitungsfunktion beim Auftraggeber handeln. Zum anderen bietet sich nur für den Einzelnen, nicht für die ihn beschäftigende Institution eine Erwerbschance. Sowohl für den Abschlussprüfer als auch für Ratinganalysten sind Verbote nachgelagerter Tätigkeiten vorgesehen. Nach dem durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 und ihre Umsetzung von 2016 insoweit unveränderten § 43 Abs. 3 Satz 1 WPO darf der Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse innerhalb einer Abkühlungsphase von zwei Jahren nach der Beendigung der Prüfungstätigkeit keine wichtige Führungstätigkeit im geprüften Unternehmen ausüben und seit dem APAReG von 2016 auch nicht Mitglied des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats sein.384 Die Ausweitungen von 2016 mit zugleich kürzerer Abkühlungsphase von nur einem Jahr schließen nach dem neu hinzugefügten Satz 2 der Vorschrift Prüfungen sonstiger Unternehmen ein und erfassen personell auch nicht als verantwortlich firmierende aber auf sonstige Weise unmittelbar an der Prüfung Beteiligte. Eine kürzere Abkühlungsphase gilt nach Anh. I Abschn. C Nr. 7 EG-RatingVO, wonach die für das Rating verantwortlichen Personen für einen Zeitraum von sechs Monaten nach dem Rating keine Schlüsselposition in der Geschäftsführung eines bewerteten Unternehmens annehmen dürfen.385

Näher 13. Kapitel: B.I.1.a (S. 608). Hopt ECFR 2013, 167, 181. 383 Näher 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665). 384 Der Wechsel an sich bleibt aber zulässig. Näher Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 169. 385 Zu teilweise nicht zufriedenstellenden Erfahrungen mit Ziff. 2.17 des IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 301. 381 382

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Die Dauer der Abkühlungsphase ist jeweils gegriffene Größe.386 Beispielsweise ist nach der Empfehlung der Europäischen Kommission zu unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern von 2005 erst nach Ablauf von drei Jahren vom Wiedererstarken der Unabhängigkeit auszugehen.387 Die kürzere Abkühlungsphase von zwei Jahren bei der Abschlussprüfung dürfte sich aus der im Vergleich zur Organstellung schwächeren Bindung an das Unternehmen erklären. Die bloß sechsmonatige Abkühlungsphase beim Rating erscheint demgegenüber auch unter Berücksichtigung der Verfallzeiten von zukunftsbezogenen Kapitalmarktinformationen als recht kurz bemessen, ist aber gleichwohl als ein für die Rollenbildung wichtiger Schritt anzuerkennen.388 Bei der Finanzanalyse besteht kein vergleichbares Verbot. Schon bei den spezielleren Gefahrenlagen ist keine generelle Abstandnahme vom Research erforderlich.389 Nichts anderes kann dann für nachgelagerte Tätigkeiten und das Überwechseln zum bewerteten Emittenten gelten. Insoweit stehen die zu Berufsverständnis und Eigenverantwortlichkeit hinführenden Regelungen der Finanzanalyse hinter denen der anderen Intermediationsbereiche zurück. 2. Unbefangenheit Verwendet wird der Begriff der Unbefangenheit, soweit ersichtlich, nur im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und weist auch dort eine gewisse Unbestimmtheit auf. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP ist unbefangen, „wer sich sein Urteil unbeeinflusst von unsachgemäßen Erwägungen bildet“. Bei Vorliegen der von Satz 2 der Norm konkretisierend genannten Umstände – Eigeninteressen, Selbstprüfung, Interessenvertretung und persönliche Vertrautheit – kommen bereits die später zu besprechenden spezielleren Vorgaben an die Unabhängigkeit zum Einsatz. Nach gewachsenem Berufsverständnis wird gleichwohl unterschieden: Der Wirtschaftsprüfer ist unabhängig, wenn er weder rechtlichen noch wirtschaftlichen Bindungen an die zu prüfende Gesellschaft unterliegt. Er ist unbefangen, wenn er in seiner inneren Einstellung von der zu prüfenden Gesellschaft frei ist. Der Unterscheidung zwischen äußerer Unabhängigkeit (independence in appearance) und innerer Unabhängigkeit, also Unbefangenheit (independence in

Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 237. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- / Aufsichtsrats, Empfehlung v. 15.2.2005, ABl. EU L 52 vom 25.2.2005, S. 51, Anh. II. 388 Dazu im Zusammenhang mit der Offenlegung von Wechseln des Intermediärs 13. Kapitel: B.II.2.b (S. 638). 389 Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 89c. 386 387

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

fact),390 folgte bereits die Empfehlung der Europäischen Kommission von 2002.391 Danach ist die Unbefangenheit als innere Unabhängigkeit definiert. Voraussetzung ist eine innere Einstellung, nach der das Verhalten des Prüfers ausschließlich von der Durchführung seines Auftrags im öffentlichen Interesse angeleitet ist. Gegenbegriff ist die Befangenheit, deren Besorgnis nach § 319 Abs. 2 HGB den Ausschluss begründet.392 Hierfür kommt es gerade nicht auf die innere Unabhängigkeit an,393 sondern auf äußerliche Gründe, deren Vorliegen an einem objektiven Maßstab zu messen ist. Anders als nach den Befangenheitsregeln der Prozessordnungen, insbesondere §§ 41, 42 ZPO, führen allerdings auch schwerwiegende Befangenheitsgründe nicht zum Ausschluss kraft Gesetzes, sondern sind nur im Rahmen des Ersetzungsverfahrens nach § 318 HGB geltend zu machen.394 Systematisch ist die Unbefangenheit im Recht der Abschlussprüfung damit einerseits Unterkategorie des sowohl auf innere wie auch auf äußere Unabhängigkeit setzenden Regelungssystems.395 Andererseits kommt ihr eigenständige Bedeutung zu, weil die für Beeinträchtigungen maßgeblichen inneren Umstände nicht beobachtbar sind. Professionelle Informationsintermediäre sind, wie andere Interessenwahrer, darin geübt, persönliche Befindlichkeiten auszublenden und ihre berufsmäßige Tätigkeit auf das Zahlen- bzw. Datenmaterial auszurichten. Die Forderung nach innerer Unbefangenheit geht deshalb weitgehend in der nach Professionalität, also den bereits besprochenen Komponenten der Berufsausübung, und zusätzlich der eben behandelten Eigenverantwortlichkeit auf.396 Spezifisch auf die Gewährleistung der inneren Unbefangenheit zugeschnitten sind letztlich allein Rotationsregeln, also zeitliche Grenzen der Befassung mit einem bestimmten Intermediationsobjekt. Rotationsregeln finden sich im Recht der Abschlussprüfung und des Bonitätsratings, nicht aber bei der Finanzanalyse. Von den später zu besprechenden Reaktionen auf die fehlende äußerliche Unabhängigkeit unterscheiden sie sich dadurch, dass es nicht auf das Vorliegen einer personellen bzw. finanziellen Verflechtung oder anders gelagerten Abhängigkeit ankommt, die jederzeit und nicht erst bei mehrfacher Prüfung auftreten können. Charakteristisch für Rotationsregeln ist vielmehr, dass sie ohne jeglichen Anhaltspunkt für eine konkrete Beeinträchtigung zum Leistungsabbruch zwingen. 390 Dazu Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 95 f. Eingehend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 28, 139. 391 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, Empfehlung v. 16.5.2002, ABl. EG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anh. Abschn. A Nr. 1. 392 Näher zur Abgrenzung KommWPO2-Bauch / Precht § 43 Rn. 186 f. 393 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 7. 394 RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3421 v. 24.6.2004, S. 37. 395 Allgemein zum Begriffsverständnis 13. Kapitel: B.I.1.b (S. 611). 396 Nur insoweit lässt sich Unbefangenheit „herbeiregulieren“; kritisch Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 138 ff., 157. Im Einzelnen 13. Kapitel: A.I.1.b, B.II.1 (S. 561, 626).

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Rotationsregeln schaffen also einen Rahmen, der dem (auch ungewollten) Verlust der Unbefangenheit vorbeugt. Als per se milderes Mittel gegenüber invasiven Maßnahmen im Einzelfall lässt sich die Rotation aber gleichwohl nicht einordnen, schon weil sie dem Nachweis einer innerlich unbeeinträchtigten Einstellung unzugänglich ist.397 a. Organisation (interne Rotation) Als (bloße) Organisationspflicht ist die interne Rotation einzustufen, denn sie verlangt (lediglich) den Austausch des oder der individuell Verantwortlichen, lässt also zu, dass die Leistung auch weiterhin durch das bisherige Intermediationsunternehmen erbracht wird. Nur aus Sicht des einzelnen Handelnden, nicht aus der des ihn beschäftigenden Intermediärunternehmens stellt sich der Wechsel als Leistungsverbot dar. Infolge einer Anordnung der externen Rotation ist demgegenüber ein Wechsel des Intermediärunternehmens unter Einschluss des einzelnen Handelnden erforderlich. Deshalb kommt für die externe Rotation allein die Einordnung als Leistungsverbot in Betracht, dessen Einzelheiten noch zu besprechen sind.398 Nach der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 ist bei der Prüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse eine interne Rotation nach 7 Jahren verpflichtend. Der Zeitraum bleibt also derselbe wie nach § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a. F. Der verantwortliche Prüfer darf aber neuerdings erst nach 3 Jahren (zuvor 2 Jahre) wieder an der Abschlussprüfung des betreffenden Unternehmens mitwirken.399 Außerdem ist fortan eine gestaffelte Rotation für das beteiligte Führungspersonal vorzusehen, die zumindest die bei der Prüfung beschäftigten Wirtschaftsprüfer erfasst.400 Mit der gestaffelten internen Rotation des Führungspersonals eilt das Recht der Abschlussprüfung nicht voraus, sondern schließt zu den für das Rating bereits geltenden Regeln auf. Vormals bezog sich die Abkühlungsphase für Abschlussprüfer nach § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB a. F. allein auf den durchführungsverantwortlichen Prüfer, also nicht auf die im Team Mitwirkenden.401 Dementsprechend kam ein fortlaufender Einsatz desselben Teams bei (bloßem) Wechsel des durchführungsverantwortlichen Prüfers in Betracht. Der internen Rotation entzog dies Schlagkraft, schützte allerdings auch vor Wissensverlusten.

Tendenziell für Einordnung als milderes Mittel hingegen Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 266. 398 Näher 13. Kapitel: B.II.2.c (S. 638). 399 Dies folgt unmittelbar aus Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO. 400 Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 3 EU-AbschlussprüferVO. 401 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 42 f. Erläuternd auch RegE BilMoG, BT-Drucks 16/10067 v. 30.7.2008, S. 89. Näher MünchKommHGB3-Ebke § 319a Rn. 29 ff., 31. 397

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

An die interne Rotation bei Ratingagenturen stellt Art. 7 Abs. 4 EG-RatingVO im Vergleich zur Abschlussprüfung gleichwohl differenziertere Anforderungen. Auch die dort vorgesehene gestaffelte Rotation betrifft die einzelnen Analysten und nicht das gesamte Ratingteam.402 Die Maximaldauer der Befassung richtet sich gemäß Anh. I Abschn. C Nr. 8 lit. a bis c EG-RatingVO nach der Art der Beteiligung: Führende Ratinganalysten403 dürfen nicht länger als 4 Jahre an Ratingtätigkeiten für das bewertete Unternehmen oder für mit diesem verbundene Dritte beteiligt sein, (einfache) Ratinganalysten nicht länger als 5 Jahre, die Personen, die Ratings genehmigen, nicht länger als 7 Jahre. Nach dem Wortlaut des 2013 geänderten Anh. I Abschn. C Nr. 8 lit. b EGRatingVO beziehen sich die internen Rotationspflichten der einfachen Ratinganalysten und für die Genehmigung verantwortlichen Personen zwar nur noch auf unbeauftragte Ratings und Länderratings. Angesichts des unveränderten Wortlauts von Art. 7 EG-RatingVO und dem in Erwägungsgrund 12 zur Änderung von 2013 bestätigten Ansatz, „Analysten und Mitarbeiter einem Rotationssystem zu unterwerfen, das einen gestaffelten Wechsel in den Analyseteams und Ratingausschüssen sicherstellt“, dürfte aber bloß von einem redaktionellen Versehen auszugehen sein. Übereinstimmend beträgt die maximale Befassung der für die Durchführung von Prüfung oder Rating Verantwortlichen also 7 Jahre. Die Abkühlungsphase (cooling-off), also der Zeitraum, innerhalb dessen keine erneute Befassung erlaubt ist, ist für den Prüfer wie bereits angesprochen auf 3 Jahre verlängert worden, während es für das Rating möglicherweise nur vorerst bei 2 Jahren bleibt. Der übergreifende Nutzen solcher internen Rotationspflichten, noch mehr der von externen Rotationspflichten ist seit jeher umstritten404 und wurde bereits in den Verhandlungen um die Reform der Abschlussprüfung durch das KonTraG von 1998 und die dort gewählte Einführung einer lediglich internen Pflichtrotation intensiv diskutiert.405 Bereits damals sollen interne Prüferwechsel bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften üblich gewesen sein.406 402 Zur praktischen Ausgestaltung z. B. Euler Hermes, Rotationspolitik 2010, www.ehrg. de/seiten/rot.pdf. 403 Gemeint sind „leitende Ratinganalysten“ i. S. v. Art. 3 Abs. 1 lit. e EG-RatingVO, also die Hauptverantwortlichen und für das beurteilte Unternehmen wichtigsten Ansprechpartner. Dazu Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 257. 404 Zusammenfassend GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 319a Rn. 20. Im Vorfeld des KonTraG Seibert WM 1997, 1, 6. Aus den Anfängen Luik BB 1976, 237, 239 („wenig überzeugend“). Mit Vergleich zum österreichischen Recht Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 170. Aus den USA Bergner CPA J. 2013, 36, 38; Spence 87 Q. J. Econ 355 (1973). 405 Zur verabschiedeten internen Rotation RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712 v. 28.1.1998, S. 28. Mit dem Vorschlag der externen Rotation noch der Entwurf der Bundestagsfraktion der SPD; BT-Drucks. 13/367, S. 3, 17. 406 Simons / Zein in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 1070.

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Für die zeitliche Begrenzung der Intermediationsbeziehung spricht der umgangssprachlich als „Betriebsblindheit“ bezeichnete Verlust der kritischen Grundhaltung (unconscious bias).407 Erforscht ist dies allgemeiner als Identifikationseffekt (social bonding), also eine über die Zeit entstehende Wahrnehmung der Fremd- als Eigenziele mit der Folge einer gewissen Nachgiebigkeit gegenüber dem Auftraggeber.408 Mit Rotationsregeln sollen allerdings zahlreichen Studien zufolge Qualitätseinbußen verbunden sein.409 Die wohl meistzitierte Untersuchung der US-amerikanischen Wirtschaftsprüfervereinigung AICPA von 1992 zählte bei Erst- und Zweitabschlussprüfungen dreimal so viele Haftungsfälle wie bei Folgeprüfungen.410 Auch spätere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die externe Rotation mit größeren Einbußen als Zugewinnen verbunden ist.411 Zweifelsohne sind besonders mit externen Intermediärwechseln Wissensverluste verbunden.412 Der Zielkonflikt zwischen Sachnähe und -ferne ist als Kernproblem jedweder Maßnahme zur Steigerung der Unabhängigkeit auch außerhalb der kapitalmarktlichen Informationsintermediation bekannt.413 Bei der Abschlussprüfung dürften aber kaum die einfachen Prüfungstätigkeiten und mehr die Prüfungsplanung und -schwerpunktsetzung betroffen sein. Gerade dazu kann der Abschlussprüfer sein Informationsrecht aus § 320 Abs. 4 HGB 407 Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 97. Näher Bazerman / Loewenstein / Moore 80 Harv. Bus. Rev. 97 ff. (2002) und zu Ergebnissen der experimentellen Forschung Moore /  / Tanlu / Bazerman 5 JDM 37, 39 ff. (2010). Zu Rating und Finanzanalyse Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 17, 48. 408 Bamber / Iyer 26 Auditing: A Journal of Practice & Theory 1 (2007). Nach Alvesson 37 J. Mgmt. Stud. 1101 (2000) ist dieser Effekt bei wissensorientierten Dienstleistungen besonders stark ausgeprägt. Vanstraelen 9 Eur. Acct. Rev. 416, 437 (2009) stellt einen negativen Zusammenhang zwischen Mandatsdauer und Einschränkungen des Bestätigungsvermerks fest. 409 Johnson / Khurana / Reynolds 19 Contemp. Acct. Res. 637 (2002) zur geringeren Prüfungsqualität in den Anfangsjahren. Ähnlich Geiger / Raghunandan 21 Auditing: A Journal of Practice & Theory 67 (2002). Überblick zu betriebswirtschaftlichen Studien bei Böcking / Gros ZGR 2015, 305, 309 ff. 410 AICPA, Statement of Position Regarding Mandatory Audit Rotation of Audit Firms of Publicly Held Companies, 1992, erhältlich als HTML-Dokument bei der AICPA, s. dort Abschn. „Audits Improve with Continuity“. 411 GAO, Public Accounting Firms, Required Study on the Potential Effects of Mandatory Audit Firm Rotation, Report to the Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs and the House Committee on Financial Services, GAO-43-216, November 2003, S. 5. Empirisch Gosh / Moon 80 Acct. Rev. 585 (2005), die einen positiven Zusammenhang zwischen der Dauer des Prüfermandats und der Marktwahrnehmung des Emittenten ermitteln. 412 Gleichwohl befürwortend wegen überwiegenden Unabhängigkeitsinteresses Quick DBW 2004, 487, 499. Abwägend wegen der Gefahr der Unterinvestition und neu hinzutretender Erwartungslücken Weißenberger BB 1997, 2319 f.; dies. in: Dörner u. a. (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Aufl., 2003, S. 923, 953 f. 413 Insbesondere zur Unabhängigkeit organschaftlicher Interessenwahrer 13. Kapitel: B.I.1.c (S. 614).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

gegenüber dem vorherigen Prüfer einsetzen.414 Eine vergleichbare Problematik wird sich beim Rating für den von der EG-RatingVO i. d. F. 2013 in Betracht gezogenen Übergabebericht der zuvor tätigen Agentur stellen, sollte die externe Rotation, wie angedacht, über Wiederverbriefungen hinaus auf andere Ratinggegenstände erstreckt werden.415 Eng verbunden mit dem Einwand der Wissensverluste wird besonders von Vertretern der Berufsstände das Argument unnötig erhöhter Kosten vorgebracht.416 Befürchtet werden auch negative Kurseffekte nach Prüferwechseln, was aber bislang nicht eindeutig nachgewiesen ist.417 Überdehnt werden dürfen diese Argumente nicht. Die Erfahrungen im Fall Enron 2001 zeigen, dass ein kollusives Zusammenwirken zwischen Prüfer und Emittenten durch die Möglichkeit zu Mehrfachprüfungen ohne Gefahr einer Aufdeckung durch einen personenverschiedenen späteren Prüfer begünstigt, wenn nicht erst ermöglicht werden.418 Gleichwohl ist bei der Regelsetzung Augenmaß geboten. Bei zu kurzen Befassungszeiträumen sinkt die Bereitschaft zur Investition in spezifisches Wissen zu diesem Emittenten (hold up). Bei zu langen Perioden kann der Prüfer- oder Mandantenwechsel Ansehensverluste des Unternehmens verursachen (lock in).419 414 Der Bericht ist unverzüglich und trotz des zurückhaltenden Wortlauts („Ergebnis der bisherigen Prüfung“) in Prüfungsberichtsform zu erstatten, muss also auf die für die Folgeprüfung wesentlichen Eckpunkte der vorhergehenden Prüfung eingehen; Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 320 HGB Rn. 4; Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 435. 415 Nach Erwägungsgrund 13 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO wird für den Fall der Erstreckung auf andere Anlageklassen überlegt, die bisherige Ratingagentur bei Ablauf der Vertragsbeziehung dazu zu verpflichten, der nachfolgenden Ratingagentur Informationen über den Emittenten und die bewerteten Finanzinstrumente zur Verfügung zu stellen (Übergabebericht). Zum Übergabebericht bereits 13. Kapitel: A.III.1.a (S. 579). 416 Überblick bei Simons / Zein in: Freidank / Lachnit / Tesch (Hrsg.), Vahlens Großes Auditing Lexikon, 2007, S. 1070. Zu vergleichbaren Einwänden der führenden Ratingagenturen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 258. Siehe auch Mansi /  Maxwell / Miller 42 J. Acct. Res. 755 (2004), die auf Grundlage von 8529 Umfrageergebnissen in den USA im Zeitraum zwischen 1974 und 1998 darauf schließen, dass Investoren Lerneffekte des Prüfers höher bewerten als mögliche Einbußen bei der Unabhängigkeit. 417 Zu dem mit dieser Befürchtung verbundenen Lock-in-Effekt bereits 13. Kapitel: B.II.2.b (S. 638). Empirisch ist die Lage unklar. Nach der Studie von Azizkhani / Monroe /  Shailer 32 Auditing: A Journal of Practice and Theory 183 (2013) ergeben sich bei kurzer Dauer des individuellen Prüfermandats bei einer nicht den big four zugehörigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erhöhte Kapitalkosten (interne Rotation), allerdings keine weiteren Erhöhungen aus einem Wechsel der Prüfungsgesellschaft (externe Rotation). Untersucht wurden 2033 australische Unternehmen im Zeitraum von 1995 bis 2003. 418 Quick DBW 2004, 487, 494. Zum Prüferversagen im Fall Enron 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104). 419 Arruñada / Paz-Ares 17 Int’l Rev. L. & Econ. 42 (1997); Weißenberger BB 1997, 2319 f. Eingehend Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 169 ff., 172. Zu den Folgen sogleich 13. Kapitel: B.II.2.b (S. 638).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Erst in der jüngeren Diskussion um Prüfer- und Ratingoligopol rücken zusätzlich die gegenläufigen Wettbewerbswirkungen von interner und externer Rotation in den Blick.420 Die interne Rotation setzt tendenziell Anreize zur Vergrößerung der Einheit, weil lukrative Geschäfte auf diese Weise im Haus gehalten werden können. Zugleich ergeben sich für den an der Beibehaltung der Prüfungsgesellschaft interessierten Emittenten Anreize zur Mandatierung großer Einheiten. Die in Italien beobachteten Konzentrationswirkungen könnten gleichwohl weniger auf die dort eingeführte externe Rotation und mehr auf globale Konsolidierungen im Prüfermarkt zurückzuführen sein.421 Vom IDW wird für die Jahre 2005 bis 2010 nach freiwilligen Prüferwechseln ein Mandatszuwachs bei den großen Prüfungsgesellschaften i. H. v. 10 Prozent beobachtet.422 Dies dürfte allerdings nicht gegen, sondern für externe Rotationspflichten sprechen. Pflichten zur externen Rotation schaffen Wachstumsgrenzen, weil wegen des obligatorischen Intermediärwechsels keine zusätzlichen Einkünfte aus Anbieterkonsolidierungen zu erwirtschaften sind. Dass sowohl im Prüfungs- als auch im Ratingmarkt hohe Konsolidierungsanreize bestehen, lässt sich an der Entwicklungsgeschichte nachweisen, die zu den heutigen Oligopolen geführt hat.423 Mit der bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating vorgesehenen Kombination aus interner und externer Rotation wird ein Mittelweg eingeschlagen, der für eine sinnvolle Ausbalancierung von Vor- und Nachteilen stehen könnte. Das vollständige Absehen von Rotationsregeln bei der Finanzanalyse ist demgegenüber möglicherweise damit zu rechtfertigen, dass angesichts der zumeist ohne vertragliche Bindung erbrachten Analysen eine geringere Wahrscheinlichkeit von Identifikationseffekten besteht, vom einzelnen Analysten meist eine Vielzahl von Unternehmen betreut wird, die Befassungszeiten mit dem einzelnen Emittenten kürzer sind und die Belastbarkeit der Einschätzungen führender Analysten erst aus der mehrjährigen Beobachtung einer bestimmten Branche erwächst. 420 Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 101 mit Befürwortung schärferer Regeln für die Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen („step-by-step“). Zweifel wegen Markteintrittsbarrieren demgegenüber bei Weißenberger in: Dörner u. a. (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Aufl., 2003, S. 923, 931, 951. Aus Gründen gesteigerten Wettbewerbs für externe Rotationspflichten der Ratingagenturen Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 87. Überblick zur geteilten rechtsökonomischen Debatte bei Freidank / Velte 40 Eur. J.L. & Econ. 225 (2015). 421 Zu Italien Camaran / Di Vincenzo / Merlotti „The Audit Firm Rotation Rule“ (2005), www.papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=825404. Zur hier vorgestellten Erklärung Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 97. 422 IDW, Stellungnahme zu den Vorschlägen der EU-Kommission vom 30.11.2011 zum Europäischen System der Abschlussprüfungen, 27.1.2012, S. 6. 423 Näher 5. Kapitel: C.II (S. 126 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

b. Offenlegung (transparente Rotation?) Über Offenlegungsregeln als Alternative zu der für den Einzelnen Beteiligten durchaus invasiven internen Rotation oder der noch stärker eingreifenden externen Rotation wird derzeit nicht nachgedacht. Eine gesteuerte Transparenz – etwa mit Angaben zur Anzahl bislang geleisteter Prüfungen, zu den Durchführungsverantwortlichen und ggf. auch zu Wechseln im Prüfungsteam – überließe die Bewertung eines freiwilligen Intermediärwechsels dem Markt. Bereits bei Erlass des KonTraG von 1998 ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Herausbildung einer optimalen Prüfungsdauer durch den Markt kaum zu erwarten ist.424 Zum einen ist diese Einschätzung mit den Kostenvorteilen aus Langzeitbeziehungen zu untermauern, die maßgeblich durch den Aufbau spezifischen Wissens über den einzelnen Mandanten entstehen. Die für beide Vertragsparteien aus fortgesetzter Interaktion resultierenden Loslösungsprobleme sind ökonomisch unter dem Begriff der fundamentalen Transformation des anfänglichen Wettbewerbs in ein bilaterales Monopol erschlossen.425 Mit der freiwilligen Auflösung kostensparender Langzeitbindungen ist vor diesem Hintergrund nicht zu rechnen. Zum anderen ergeben sich Zweifel am Signalwert der freiwilligen Rotation. Angesichts der besprochenen Kritikpunkte und Erfahrungen mit Prüfungsfehlern gerade in den Anfangsjahren ist der Signalwert des Prüferwechsels vom Markt nicht eindeutig bestimmbar.426 Eine Herausbildung von Usancen ist deshalb nur eingeschränkt zu erhoffen. Offen angesprochen wurden die faktischen Bindungen an den bisherigen Informationsintermediär von der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit den 2013 erfolgten Änderungen der EG-RatingVO: Ausgegangen wird von einem „Lock-in-Effekt, bei dem ein Emittent von einem Wechsel der Ratingagentur absieht, weil dies bei den Anlegern Bedenken bezüglich seiner Bonität aufkommen lassen könnte“.427 Bei verpflichtender Rotation sind solche Zweifel ausgeschlossen. c. Leistungsverbot (externe Rotation) Sowohl bei der Abschlussprüfung als auch beim Bonitätsrating (dort eingeschränkt) wird auf eine Ergänzung der internen durch die externe Rotation 424 RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712 v. 28.1.98, S. 28: „Eine gesetzliche Regelung erscheint erforderlich, weil entsprechende berufsständische Grundsätze oder Empfehlungen keinen gleich hohen Verbindlichkeitsgrad haben.“ 425 Grundlegend Williamson The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 61. 426 Siehe dazu den vorhergehenden Abschnitt. 427 Erwägungsgrund 12 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 22, 87; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 106. Nachw. zur Beobachtung negativer Kurseffekte nach Wechseln des Abschlussprüfers in Fn. 417.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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gesetzt. Regelungsziele und Ausgestaltung unterscheiden sich. Die ambitionierten Pläne der Europäischen Kommission428 von 2011 zur Einführung strenger Regeln der externen Prüferrotation wurden nur in erheblich abgemilderter Form durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 umgesetzt. In den USA wurden vergleichbare Vorstöße des PCAOB429 zur Einführung externer Rotationspflichten durch den 2013 vom House of Representatives eingebrachten Audit Integrity and Job Protection Act430 sogar gesetzlich unterbunden. Die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 führt eine externe Rotation nach 10 Jahren ein.431 Die Mitgliedstaaten können unter bestimmten Voraussetzungen aber auch Zeiträume bis zu 20 bzw. 24 Jahren vorsehen. Mit der Änderung von § 318 Abs. 1a HGB durch das AReG von 2016 hat sich der deutsche Gesetzgeber wie folgt entschieden: Mandatsverlängerungen sind bis zu 20 Geschäftsjahren zulässig, wenn der Wahl für das elfte Jahr das in Art. 16 Abs. 2 bis 5 EU-AbschlussprüferVO näher geregelte Auswahl- und Vorschlagsverfahren vorausgeht. Werden ab dem elften Jahr mehrere Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gemeinsam zum Abschlussprüfer bestellt (joint audit), verlängert sich die Höchstlaufzeit auf 24 Jahre.432 Angesichts der lang bemessenen Zeiträume sind die unionsrechtlichen Ziele einer Verringerung von Selbstprüfungsgefahren, der Vermeidung schädlicher Identifikationseffekte oder gar eines verstärkten Wettbewerbs kaum zu erreichen.433 Steigerungen des Marktvertrauens in die Prüfung börsennotierter Unternehmen sind jedenfalls bei einer Ausschöpfung der Zeiträume durch die Mitgliedstaaten schon angesichts der Kurzfristorientierung des Kapitalmarkts schlichtweg illusorisch. Durchgesetzt haben sich offenbar die Argumente der Qualität durch Kontinuität und der Vermeidung zusätzlicher Kosten, beides sicher nicht unbeeinflusst durch Interessen des Berufsstands an der Fortführung geübter Praktiken der Mandantenbindung. Für das Rating von Wiederverbriefungen wurde die 2009 eingeführte interne Rotationspflicht durch Änderung der EG-RatingVO bereits 2013 um eine externe Rotationspflicht ergänzt, deren Erstreckung auf sonstige Bonitätsbeurtei428 Nach Art. 33 des Kommissionsvorschlags von 2011 war eine externe Rotation nach 6 Jahren mit darauf folgender Abkühlungsphase von 4 Jahren vorgesehen; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, KOM (2011) 779 endg., 30.11.2011, Art. 33 Abs. 2. 429 PCAOB, Auditor Independence and Audit Firm Rotation, Concept Release, Rel. 201106, 16.8.2011, S. 19 ff. 430 Audit Integrity and Job Protection Act, H.R. 1564, 113th Congress (2013–2014), 9.7.2013. 431 Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 AbschlussprüferVO. 432 Rechtsfolgeeinschätzungen bei Velte KOR 2016, 519. 433 In diese Richtung auch Hopt ZGR 2015, 186, 192. Anders Böcking / Gros ZGR 2015, 305, 318, unter Hinweis auf fehlende empirische Nachweise zu Vorteilen der externen Rotation. Zur Empirik 7. Kapitel: B.II.3 (S. 195).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

lungen weiter geprüft wird.434 Vorgesehen ist eine im Vergleich zur Abschlussprüfung einschneidend kurz bemessene vierjährige Höchstlaufzeit vertraglicher Absprachen zur Beurteilung der Bonität desselben Originators.435 Die Beschränkung auf den Wiederverbriefungsmarkt erklärt sich zum einen aus dem Versagen der Agenturen bei der Bewertung der Verbriefungsrisiken im Vorfeld der Finanzmarktkrise 2008. Zum anderen sind die Bonitätsrisiken von Wiederverbriefungen allein mit mathematischen Modellen zu errechnen. Insoweit besteht ein Methodenrisiko, aber anders als bei Anleiheratings oder bei der Abschlussprüfung kein nennenswertes Risiko des Wissensverlustes.436 Ziel der externen Rotationspflichten der Ratingagenturen ist nicht zuletzt ein verbesserter Wettbewerb im Markt für Bonitätsbewertungen zu Wiederverbriefungen, dies verbunden mit der Hoffnung auf eine Verfestigung der Marktpräsenz neuer Agenturen auch außerhalb dieses spezialisierten Segments.437 Konkret wird davon ausgegangen, dass die Aufnahmefähigkeit für neue Agenturen im Markt für Bonitätsbeurteilungen zu Wiederverbriefungen höher ist als im traditionellen Markt der Anleiheratings. Dazu sollen die aus mehrfacher Interaktion resultierenden Bindungen des Originators an eine bestimmte Agentur (lock in) durchbrochen werden.438 Durch die Anordnung der Höchstlaufzeit des Ratingvertrags wird die Erreichung dieses Ziels unterstützt.439 Nach einer Bestandsaufnahme der Europäischen Kommission von Ende 2016 stärkt die Pflicht zum doppelten Rating strukturierter Finanzinstrumente nach Art. 8c RatingVO die Nachfrage bei kleinen Ratingagenturen, zumal die zweite Agentur nach Art. 8d RatingVO möglichst über einen Marktanteil von nicht mehr als 10 Prozent verfügen soll.440 Wird eine größere Agentur beauftragt, ist dies zu dokumentieren und offenzulegen.

Dazu sogleich in diesem Abschn. Der Begriff des Originators entspricht gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. t EG-RatingVO dem des Art. 4 Nr. 41 der Eigenkapitalrichtlinie (2006/48/EG), betrifft also ein Unternehmen, das an der Begründung der zu verbriefenden Forderungen beteiligt war oder Forderungen eines Dritten erwirbt, diese in seiner Bilanz ausweist und dann verbrieft. Nach Erwägungsgrund 12 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO sind die Regeln auf den Originator, nicht die emittierende Zweckgesellschaft bezogen, weil letztere in aller Regel nicht über eine nennenswerte Fähigkeit zur Schuldenbedienung verfügen. Ein an die Zweckgesellschaft anknüpfendes Rotationssystem wäre daher wirkungslos. 436 Erwägungsgrund 14 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 437 Erwägungsgrund 17 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 438 Erwägungsgrund 12 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Dazu FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 13. 439 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 22, 86 f. 440 Europäische Kommission, Alternativen zu externen Ratings, die Situation am Ratingmarkt, Wettbewerb und Unternehmensführung in der Ratingbranche, die Situation am Markt für Ratings strukturierter Finanzinstrumente und die Realisierbarkeit einer Europäischen Ratingagentur, Bericht, 19.10.2016, COM (2016) 664 fin., S. 19. 434 435

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Nach der in Art. 6b Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO aufgenommenen Ausnahmeregelung wird von der externen Rotation abgesehen, wenn jeweils mindestens vier Agenturen für mehr als 10 Prozent aller zu bewertenden Instrumente ein Rating abgeben. Aus Sicht der Unbefangenheitsproblematik ist diese Ausnahme in dem auf einzelne oder jedenfalls gleichförmige Transaktionen bezogenen Wiederverbriefungsmarkt eher unproblematisch. Im Fall der 2013 angedachten Erstreckung auf die traditionellen Anleiheratings441 steht bereits die interne Rotation für eine Vermeidung von Identifikationseffekten bei einzelnen Ratinganalysten, so dass die Ausnahme auch bei der möglicherweise noch erfolgenden Ausdehnung auf andere Anlageklassen beibehalten werden könnte. Für die Beibehaltung sprächen auch gesteigerte Anreize zur Beauftragung mehrerer Agenturen. Im Januar 2016 hat die Europäische Kommission den von Art. 39 Abs. 4 lit. b EG-RatingVO geforderten Bericht zu den Chancen einer Ausdehnung der externen Rotation auf das Rating von Anleihen vorgelegt.442 In der Literatur wird eine solche Ausdehnung von manchen befürwortet.443 Der Bericht referiert die bekannten Argumente für und gegen die externe Rotatonspflicht, lässt aber noch keine konkrete Gestaltungsaufforderung erkennen. Als Alternative (auch) zur externen Rotation wird ein Ausschreibungserfordernis erwogen, dessen Einhaltung allerdings nicht leicht zu überwachen wäre.444 Nach einem Bericht von Dezember 2016 soll es vorerst nicht zu einer Ausweitung der Rotationspflichten kommen.445 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit bezeichnen innere Umstände, die als Kernelemente einer auf die Marktzugangskontrolle ausgerichteten unabhängigen Intermediationsleistung aufzufassen sind. Angesichts der geringen rechtlichen Steuerbarkeit innerer Umstände kommt dem gewachsenen und gegebenenfalls berufsständisch geprägten Rollenverständnis entscheidende Bedeutung zu. Regulatorische Einzelausprägungen der Unabhängigkeit können zusammen mit der Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit über die Zeit vergleichbare Konturierungen wie eine berufsständische Begleitung hervorbringen. 1. Die Eigenverantwortlichkeit steht im Recht der Abschlussprüfung für eine durch ineinandergreifende Rahmenvorgaben aus Gesetz und Berufsrecht insDazu sogleich. European Commission, Study on the State of the Credit Rating Market, Final Report, MARKT/2014/257/F4/ST/OP, Januar 2016, S. 82. 443 FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 13. 444 European Commission, Study on the State of the Credit Rating Market, Final Report, MARKT/2014/257/F4/ST/OP, Januar 2016, S. 131. 445 Europäische Kommission, Alternativen zu externen Ratings, die Situation am Ratingmarkt, Wettbewerb und Unternehmensführung in der Ratingbranche, die Situation am Markt für Ratings strukturierter Finanzinstrumente und die Realisierbarkeit einer Europäischen Ratingagentur, Bericht, 19.10.2016, COM (2016) 664 fin., S. 25. 441 442

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

gesamt hochentwickelte Form der Informationsintermediation (Abschnitt 1, S. 626 ff.). Die deutlich kürzere Regulierungsgeschichte von Bonitätsrating und Finanzanalyse formen zunehmend dorthin führende Pflichtenstellungen. Diese sind aber von einem vergleichbaren Berufsverständnis wie dem bei der Abschlussprüfung noch weit entfernt. Deshalb kommt es dort maßgeblich auf die Regeln zu den einzelnen Gefährdungslagen an. 2. Die Unbefangenheit, verstanden als innere Einstellung zur unvoreingenommenen Beurteilung des Emittenten, ist nur eingeschränkt durch Rechtsregeln zu steuern (Abschnitt 2, S. 631). Der Unbefangenheit zuzuordnen sind Vorgaben zur internen und externen Rotation, wie sie sich bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating, nicht aber bei der Finanzanalyse finden. Dass die Rotationsregeln zugrunde liegenden Erwägungen auf die Finanzanalyse in geringerem Maße zutreffen, erscheint vertretbar, weil der Analyst in der Regel eine Vielzahl von Finanztiteln untersucht und seine Reputation häufig stärker von Branchenwissen als der Kenntnis einzelner Emittenten abhängen dürfte. 3. Perspektiven für die weitere Diskussion um interne Rotationsregeln bei der Abschlussprüfung bietet die gestaffelte Rotation der am Rating Beteiligten. Die neuen Regeln zur gestaffelten Rotation bei der Abschlussprüfung schließen mit dem Gedanken auf, nach dem sich Beeinträchtigungen infolge zu großer Vertrautheit nicht von der operationellen Ebene auf die des verantwortlichen Prüfers übertragen dürfen. Soll die externe Rotation Wirkung entfalten, kann sie jedenfalls nicht erst nach 20 Jahren erfolgen, wie nach der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 zulässig.

III. Personelle und finanzielle Verflechtung Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit können sich aus personellen oder finanziellen Verflechtungen zwischen Informationsintermediär und Emittenten ergeben. Beide Fallgruppen sind in allen behandelten Einzelbereichen der Informationsintermediation anerkannt. Das Lösungsinstrumentarium kreist schwerpunktmäßig um Offenlegungspflichten und Leistungsverbote und setzt zu deren Einhaltung nur mittelbar auf Organisationspflichten. Wenig durchdrungen sind die unterschiedlichen Ursachen für Einbußen bei der Unabhängigkeit infolge entweder personeller oder finanzieller Verflechtungen. Neben den mit Selbstprüfungen verbundenen konkreten Interessenkonflikten und teilweise unüberwindlichen Pflichtenkollisionen werden abstrakte Beeinträchtigungen der inneren Unbefangenheit und, abhängig von der jeweiligen Rollenerwartung, auch kapitalmarktliche Vertrauensbedürfnisse diskutiert. 1. Personelle Verflechtung Eine personelle Verflechtung besteht, wenn eine an der Erstellung von Intermediationsleistungen beteiligte Person zugleich Mitglied der Verwaltungsorgane

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des bewerteten Emittenten ist oder in einem Anstellungsverhältnis zu diesem steht. Beeinträchtigungen für die Unabhängigkeit ergeben sich in diesen Fällen aus der Gefahr einer Selbstprüfung, also einer Prüfung oder Beurteilung der eigenen Entscheidung. Zu Recht unterscheidet etwa § 23 Abs. 1 BS WP/vBP nach der Bedeutung der Beteiligung für die Entstehung des Selbstprüfungssachverhalts.446 Besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen ergeben sich bei einer gleichzeitigen Organstellung, die im Widerstreit zwischen den Interessen des Emittenten und der Verpflichtung des Intermediärs zur Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zu unauflösbaren Pflichtenkollisionen führen kann.447 Als Ursache der Pflichtenkollision kommt insoweit nicht nur die Mitgliedschaft im Vorstand, sondern auch die im Aufsichtsrat in Betracht. Denn der Aufsichtsrat ist nach modernem Verständnis zur mitunternehmerischen Überwachung verpflichtet und trägt demgemäß eine Mitverantwortung für die Unternehmensführung.448 Im Falle eines (bloßen) Anstellungsverhältnisses beim Emittenten hängt es demgegenüber von der jeweiligen Aufgabenstellung ab, ob es zu einer Prüfung der eigenen Entscheidung kommen kann. Insbesondere bei negativem Intermediationsergebnis ergibt sich aber auch ohne konkrete Selbstprüfung ein nicht auflösbarer Konflikt aus dem Interesse am Erhalt der eigenen Position im beurteilten Unternehmen.449 a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung Kennzeichnend für Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge personeller Verflechtungen ist, dass eine Lösung im Wege intermediärinterner Organisationspflichten nicht in Betracht kommt. Der Interessenwiderstreit tritt in der einzelnen Person auf und ist nicht durch Verantwortungsteilung zu überwinden. Besonders deutlich wird dies in Fällen der Pflichtenkollision oder des positionalen Interessenkonflikts.

446 Eine Selbstprüfung liegt nach § 23 Abs. 1 BS WP/vBP nur vor, „wenn der WP/vBP einen Sachverhalt zu beurteilen hat, an dessen Entstehung er selbst unmittelbar beteiligt und diese Beteiligung nicht von nur untergeordneter Bedeutung war“ (Kursivdruck hinzugefügt). 447 Eine Pflichtenkollision ergibt sich beispielsweise bei einem Aufeinanderprallen von Verschwiegenheitspflicht im Hauptamt und Redepflicht im Nebenamt. Näher 13. Kapitel: B.I.1.b (S. 611). Zum Abschlussprüfer Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 229 ff. 448 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, Juris-Tz. 10 (laufende Beratung des Vorstands) und BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG / Garmenbeck), BGHZ 135, 244, Juris-Tz. 25 (präventive Kontrolle und begleitende Mitgestaltung). Näher Lutter / Krieger / Verse Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl., 2014, Rn. 57 ff. 449 Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 242.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

b. Offenlegung als Mindestverhaltenspflicht Während im Recht von Abschlussprüfung und Bonitätsrating schwerpunktmäßig auf Leistungsverbote gesetzt wird, bleibt es für Finanzanalysten bei Offenlegungspflichten. Im Falle eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmandats oder eines Anstellungsverhältnisses beim analysierten Unternehmen ist nach der Begründung zur FinAnV450 entsprechend der Rechtslage in den USA451 ein erheblicher Interessenkonflikt anzunehmen, der zusammen mit der Finanzanalyse offenzulegen ist.452 Unzweifelhaft liegt dann auch eine nach Art. 5 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/958 offenlegungspflichtige Beeinträchtigung vor. Nach dem Wortlaut der genannten Normen reicht die Offenlegung aus. In der Literatur werden darüber hinausgehende Mitarbeiterleitsätze empfohlen, die personelle Verflechtungen von vornherein unterbinden sollen.453 Insbesondere von Finanzinstituten werden nach Art. 6 Abs. 2 lit. a Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/958 wie schon nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 FinAnV Angaben zu internen organisatorischen und regulativen Vorkehrungen der Prävention und Behandlung von Interessenkonflikten (conflicts of interest policy) gefordert.454 c. Leistungsverbot für unausweichliche Konfliktlagen Demgegenüber ist bei der Abschlussprüfung ein ausdrückliches Leistungsverbot angeordnet, das weitgehend der Rechtslage in den USA455 entspricht.456 Nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB ist von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wer gesetzlicher Vertreter, Mitglied des Aufsichtsrats oder Arbeitnehmer der zu prüfenden Kapitalgesellschaft oder eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Kapitalgesellschaft verbunden ist457 oder von dieser mehr als zwanzig vom HunBaFin, Begründung zur Finanzanalyseverordnung, Dezember 2004, S. 9. FINRA Manual, NASD rule 2711 (h)(3). 452 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 104. 453 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 104. 454 Näher Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 103. 455 SEC, Strengthening the Commission’s Requirements Regarding Auditor Independence, Final Rule, Release No. 33-8183, 28.1.2013. 456 GroßkommStaubHGB5-Habersack / Schürnbrand § 319 Rn. 44. Vergleichend Demme Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nach deutschem, US-amerikanischem und internationalem Recht, 2003, S. 172 ff.; Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 442. 457 ”Verbunden sein” richtet sich nach § 271 Abs. 2 HGB; vgl. BGH, Urt. v. 3.6.2004 – X ZR 104/03 (K. of America), BGHZ 159, 234, 236 ff. Näher GroßkommStaubHGB5Habersack / Schürnbrand § 319 Rn. 48. Für § 15 AktG plädiert MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 51. Siehe bereits ders. / Paal ZGR 2005, 895. 450 451

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dert der Anteile besitzt.458 Einbezogen sind dem Aufsichtsrat funktional vergleichbare Gremien,459 also auch solche bei ausländischen Gesellschaften, die mit der zu prüfenden deutschen Gesellschaft verbunden sind.460 Nach § 44 Abs. 1 WPO fehlt es an der für den Wirtschaftsprüfer geforderten Eigenverantwortlichkeit, wenn eine für Anstellungsverhältnisse typische Weisungsbindung besteht.461 Dementsprechend untersagt Anh. I Abschn. B Nr. 3 lit. c EG-RatingVO die Abgabe der Bonitätsbeurteilung, wenn eine an der Erstellung beteiligte Person Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des bewerteten Unternehmens oder eines verbundenen Dritten ist. Der Personenkreis ist weit gezogen und schließt die Ratinganalysten, Mitarbeiter und andere natürliche Personen ein, deren Dienstleistungen von der Ratingagentur in Anspruch genommen oder von ihr kontrolliert werden und die direkt an der Abgabe von Ratings beteiligt sind, sowie die Personen, die Ratings genehmigen. Das Verbot eines parallelen Anstellungsverhältnisses ergibt sich aus Anh. I Abschn. C Nr. 2 lit. c EG-RatingVO. Durch die Änderung der EG-RatingVO von 2013 kommt ein abgestuftes System aus Offenlegungspflichten und Leistungsverboten hinzu, das an die sogleich zu beschreibenden finanziellen Verflechtungen geknüpft ist. 2. Finanzielle Verflechtungen Finanzielle Verflechtungen ergeben sich aus Beteiligungen und vor allem bei Anteilseignerbeziehungen zwischen Intermediär und zu prüfendem bzw. zu beurteilendem Emittenten. Zu unterscheiden sind zwei Grundkonstellationen und ein dritter Mischtypus, jeweils mit eigenen Problemstellungen: Erstens kommt es bei Anteilseigentum des Intermediärs am zu prüfenden Emittenten zu einer Selbstprüfung (nachfolgend: Eigenbeteiligung des Intermediärs). Die damit verbundene Beeinträchtigung der Unabhängigkeit entspricht im Wesentlichen denen der zuvor beschriebenen personellen Verflechtung. Zweitens können sich Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit aus einer Beteiligung des zu prüfenden Emittenten am Intermediärunternehmen ergeben (nachfolgend: Fremdbeteiligung am Intermediär). Insoweit handelt es sich nicht um eine Selbstprüfungskonstellation. Weder sind eigene Entscheidungen des Intermediärs Gegenstand der Prüfung noch sind eigene wirtschaftliche Positionen des Intermediärs betroffen. Es handelt sich vielmehr entweder um ein Problem der schädlichen Einflussnahme durch den Geprüften oder eine Beeinträchtigung der inneren Unbefangenheit des Intermediärs. Schädliche Einflussnahmen wie insbesondere Weisungen des Geprüften an den Prüfer sind bereits allgemein – Weitreichendes Nebentätigkeitsverbot bereits nach § 43 Abs. 3 WPO. Z. B. fakultative Aufsichtsräte, Beiräte, Verwaltungsräte. Zu vergleichbaren Gremien im Ausland Mülbert / Bux WM 2000, 1665 ff. 460 VG Berlin, Urt. v. 17.9.2010 – 16 K 149/09, Juris-Tz. 32. Näher MünchKommHGB3Ebke § 319 Rn. 53. 461 KommWPO2-Schleip § 43 Rn. 219. 458 459

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also nicht nur für den Fall der finanziellen Verflechtung – weitestgehend verstellt.462 Die dazu vorgesehenen Maßnahmen sind aber gerade nicht auf Beeinträchtigungen der inneren Unbefangenheit zugeschnitten, die sich aus den Folgen eines negativen Ergebnisses für den Anteilseigner des Intermediärunternehmens ergeben können. Drittens kommen Mischformen der zuvor beschriebenen Konstellationen in Betracht (wechselseitige finanzielle Verflechtungen); dies mit der Folge einer Akkumulation der Problemstellungen aus den beiden zuerst genannten Konstellationen. Zur Lösung bieten sich dann Kombinationen der im Folgenden zu beschreibenden Maßnahmen an. Übergreifend gilt, dass finanzielle Verflechtungen nicht per se, sondern nur bei einem gewissen Umfang zu Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit führen. Die zum Teil gleichwohl vorgesehenen Verbote jedweder finanziellen Verflechtung sind letztlich nur aus dem Gesichtspunkt einer von jedem Zweifel an der äußerlichen Unabhängigkeit freien Intermediationsleistung, also der Annahme eines besonderen Vertrauensbedürfnisses des Markts zu rechtfertigen. a. Organisation als mittelbare Compliance-Pflicht In keinem der Intermediationsbereiche wird allein auf eine interne Bewältigung der Gefahren aus finanziellen Verflechtungen im Wege bloßer Organisationsvorgaben gesetzt. Aus Offenlegungspflichten und Leistungsverboten ergibt sich aber faktisch der Zwang zur Errichtung einer internen Compliance-Organisation, die teilweise auch explizit vorgeschrieben ist. Die Organisationspflichten sind also durch die invasiveren Maßnahmen bedingt, liegen im Eigeninteresse des Intermediärs und weisen dementsprechend nur mittelbar materiellen Regelungsgehalt auf.463 Im Recht der Abschlussprüfung sind die Regeln der Unabhängigkeit auf den einzelnen Prüfer zugeschnitten.464 Die allgemeinen Berufspflichten der Wirtschaftsprüfer, darunter das in § 44 Abs. 1 WPO niedergelegte Verbot weisungsgebundener Tätigkeiten, gelten nach § 56 WPO sinngemäß auch für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 WPO geforderte „verantwortliche“ Führung setzt organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Umgangs mit finanziellen Verflechtungen auf Gesellschaftsebene voraus. Nach § 319b Abs. 1 Satz 1 HGB wird der noch zu besprechende Ausschluss von der Abschlussprüfung wegen Eigenbeteiligungen auf Netzwerkangehörige erstreckt.465 Der in § 319b Abs. 1 Satz 3 HGB legaldefinierte Begriff des Netzwerks ist weit gefasst. Ausreichend ist ein Zusammenwirken bei der Berufsausübung mit dem Ziel der Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher InteZu den Rechten des Emittenten, Einfluss auf die Beurteilung zu nehmen, 13. Kapitel: A.IV (S. 597 ff., 603). 463 Allgemein zur Verwobenheit des Lösungsinstrumentariums 13. Kapitel: B.I.1.c (S. 614). 464 Übergreifend etwa KommWPO2-Schleip § 43 Rn. 201. 465 Siehe 13. Kapitel: B.III.2.c (S. 648). 462

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ressen für eine gewisse Dauer. Beteiligungen des geprüften Emittenten an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterliegen einer Anteilseignerkontrolle, deren Einhaltung zugleich Voraussetzung der Anerkennung nach §§ 1 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. 28 WPO ist.466 Die Ursprungsfassung der EG-RatingVO von 2009 nahm zunächst nur personelle Verflechtungen in den Blick. Erst 2013 wurden die in Anh. I Abschn. A – teilweise überlappend – formulierten Organisationspflichten auf finanzielle Verflechtungen erstreckt.467 Nach den unveränderten Vorgaben aus Anh. I Abschn. A Nr. 3, 5 EG-RatingVO sind geeignete Strategien und Verfahren zur Einhaltung der Pflichten aus der EG-RatingVO festzulegen und eine Compliance-Funktion zur Überwachung regelkonformen Verhaltens zu errichten. Bei der von Finanzinstituten angebotenen Finanzanalyse gelten neben den allgemeinen Organisationspflichten des § 33 WpHG nach § 5a Abs. 2 Nr. 1 FinAnV insbesondere Pflichten zur Überwachung von Mitarbeitergeschäften.468 b. Offenlegung wesentlicher Eigenbeteiligungen Abweichend vom Recht der anderen Informationsintermediäre ergibt sich für Finanzanalysten (lediglich) eine Offenlegungspflicht aus § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FinAnV, und dies auch nur bei wesentlichen Beteiligungen. Als wesentlich gilt wie nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 eine Beteiligung in Höhe von 5 Prozent, gemessen am gesamten emittierten Aktienkapital.469 In der Literatur wurde nicht der Rückgriff auf bloße Offenlegungspflichten, sondern mehr ihr begrenzter Anwendungsbereich kritisiert, unter anderem die Ausnahme für das Halten einer Nettoverkaufsposition in den Aktien, die Gegenstand der Finanzanalyse sind.470 Durch Art. 6 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2016/958 wird dieser Kritik Rechnung getragen. Unter der Angabe, ob es sich um eine Nettoverkaufs- oder Kaufposition handelt, sind Positionen oberhalb einer Schwelle von 0,5 Prozent des Aktienkapitals offenzulegen.

Näher KommWPO2-Timmer § 28 Rn. 48 ff. Instruktiv Erwägungsgrund 20 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 468 Übergreifend zu den Compliance-Pflichten Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte /  Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 156 ff. 469 Siehe § 5 Abs. 3 Satz 2 FinAnV. Dies im Gegensatz zu einer früheren Fassung des § 34b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG, nach der bereits 1 Prozent ausreichte. Näher Assmann /  SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 60; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 106. 470 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 118. Kritisch dazu ders. Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten, 2004, S. 261 ff. 466 467

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c. Leistungsverbot bei Eigenbeteiligung Bei der Abschlussprüfung sind für den Fall der Eigenbeteiligung nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB Leistungsverbote vorgesehen. Nicht zum Abschlussprüfer bestellt werden darf, wer Anteile (Anteilseigentumsverbot) oder andere nicht nur unwesentliche finanzielle Interessen an der zu prüfenden Kapitalgesellschaft (Wesentlichkeitsschwelle) oder eine Beteiligung an einem Unternehmen besitzt, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist oder von dieser mehr als zwanzig vom Hundert der Anteile besitzt (Zwanzig-Prozent-Schranke).471 Anteilsbesitz i. S. d. Vorschrift ist auch die kleinste direkte Beteiligung, denn die Wesentlichkeitsschwelle gilt allein für „andere nicht nur unwesentliche finanzielle Interessen“ und die Zwanzig-Prozent-Schranke allein für die gesetzlich aufgeführten Fälle indirekter Beteiligungen.472 Anteilseigentum am zu prüfenden Unternehmen führt also stets zur Inhabilität des Prüfers, während andere Eigenbeteiligungen graduellen Leistungsverboten unterliegen. Ein Bonitätsrating darf nach Anh. I Abschn. B Nr. 3 lit. a EG-RatingVO nicht abgegeben werden, wenn die Ratingagentur oder am Rating beteiligte Personen direkt oder indirekt Finanzinstrumente des bewerteten Unternehmens oder eines verbundenen Dritten besitzen oder direkt oder indirekt Eigentumsanteile an diesem Unternehmen oder verbundenen Dritten halten. Dies entspricht weitestgehend dem Anteilseigentumsverbot des Abschlussprüfers nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB.473 Die Regeln der EG-RatingVO sind aber strenger, weil auch indirekte Beteiligungen zum Leistungsverbot führen, während beim Abschlussprüfer insofern (erst) das Vorliegen anderer, nicht nur unwesentlicher wirtschaftlicher Interessen die Besorgnis der Befangenheit hervorruft.474 Unterschiede ergeben sich sowohl bei Eigen- als auch Fremdbeteiligung in den Rechtsfolgen von Verstößen. Bei der Abschlussprüfung führt der Verstoß zwar im Umkehrschluss zu § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Auf Antrag von Vorstand, Aufsichtsrat oder Aktionären kann aber das (öffentlichkeitswirksame) Verfahren zur Ersetzung des Prüfers nach § 318 Abs. 3 HGB eingeleitet werden.475 Beim Rating besteht nach Anh. I Abschn. B Nr. 3 EG-RatingVO demgegenüber (lediglich) die Pflicht zur Mitteilung der von dem Verstoß betroffenen Ratings und zur unverzüglichen Bewertung, ob Gründe für die Änderung eines Ratings oder den Widerruf eines Ratings vorliegen. In ihrer Wirkung dürften diese Offenlegungspflichten – soweit sie eingehalten werden – nicht weit hinter einer Einleitung des Verfahrens zur Ersetzung des Abschlussprüfers zurückstehen. Zum Begriff der Verbundenheit Fn. 457. Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 17. 473 MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 50. 474 In Betracht kommt z. B. ein mittelbarer Besitz über Investmentfonds; Baumbach /  HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 17. 475 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 Rn. 30 f. 471 472

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d. Leistungsverbot bei Fremdbeteiligung Deutlichere Unterschiede zeigen sich bei Fremdbeteiligungen, also finanziellen Beteiligungen des Emittenten am Intermediärunternehmen. Während sich an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur Berufsstandszugehörige oder dem Berufsstand nahestehende Personen beteiligen dürfen (Anteilseignerkontrolle),476 ergibt sich nach der EG-RatingVO i. d. F. von 2013 ein abgestuftes System aus Offenlegungspflichten und Leistungsverboten. Die in Anh. I Abschn. B Nr. 3 EG-RatingVO eingefügten Regeln zielen darauf ab, Interessenkonflikte zu unterbinden, die durch Anteilseigner oder Mitglieder entstehen, denen innerhalb der Ratingagentur eine bedeutende Stellung zukommt. Nach den Erwägungsgründen geht es um die „Förderung der Wahrnehmung der Unabhängigkeit von Ratingagenturen gegenüber den bewerteten Unternehmen“.477 Hierin angelegt ist eine Rollenausformung nicht unter dem (engen) Selbstprüfungsverbot, sondern unter dem (weitergehenden) Gesichtspunkt des besonderen Marktvertrauens.478 Gemeinsames Merkmal der (unnötig redundant gestalteten) Tatbestände ist der „erhebliche Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Ratingagentur“. Dieser Einfluss kann sich insbesondere aus dem Halten von Anteilen oder Stimmrechten der Agentur ergeben. Weitere Voraussetzung ist, dass gleichzeitig Kapital oder Stimmrechte des bewerteten Unternehmens, eines mit diesem verbundenen Dritten oder andere Eigentumsanteile an diesem bewerteten Unternehmen oder diesem Dritten gehalten werden. Beim Erreichen der Fünf-Prozent-Schwelle sowohl hinsichtlich des Einflusses auf die Ratingagentur als auch auf das bewerte Unternehmen besteht eine Offenlegungspflicht, beim Erreichen der ZehnProzent-Schwelle ein Leistungsverbot.479 Derselben Systematik folgend und unter denselben Schwellenwerten besteht eine Offenlegungspflicht bzw. ein Leistungsverbot, wenn der Anteilseigner oder das Mitglied der Ratingagentur zugleich Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsgremiums des bewerteten Unternehmens oder eines mit diesem verbundenen Dritten ist.480

KommWPO2-Timmer § 28 Rn. 51 ff. Erwägungsgrund 20 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO (Kursivdruck hinzugefügt). 478 Erwägungsgrund 23 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO nennt als Regelungsziele die Unabhängigkeit und die Wahrnehmung der Agenturen als unabhängig. 479 Anh. I Abschn. B Nr. 3a lit. a (Offenlegungspflicht), 3 lit. a, aa (Leistungsverbot) EGRatingVO. 480 Anh. I Abschn. B Nr. 3a lit. b (Offenlegungspflicht), 3 lit. b, ba (Leistungsverbot) EGRatingVO. 476 477

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Personelle und finanzielle Verflechtungen werden in allen behandelten Bereichen der Informationsintermediation als schwerwiegende Gefährdungen der Unabhängigkeit erfasst. 1. In beiden Konstellationen besteht gleichwohl nur eine Offenlegungspflicht des Finanzanalysten, während bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating auf Leistungsverbote gesetzt wird (Abschnitt 1 b, S. 644 und Abschnitt 2 b, S. 647). Erklären lässt sich dies aus der weniger prüfenden und mehr subjektiv bewertenden Natur der Finanzanalyse. 2. Verstöße führen bei Abschlussprüfung und Rating zu unterschiedlichen Rechtsfolgen (Abschnitt 2 c, S. 648). Das zeigt sich insbesondere am Fortbestand des Jahresabschlusses trotz Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Prüfers. Vermieden werden soll ein Informationsvakuum. Allein Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären des geprüften Unternehmens sind zur Einleitung eines Verfahrens der Prüferersetzung befugt. Außenstehenden fehlten schon die Anreize zur Verfahrensführung. Daraus erklärt sich die beim Rating vorgesehene Pflicht zur sofortigen Offenlegung des Verstoßes. Die Pflicht zur Überprüfung bereits abgegebener Ratings erfordert implizit einen internen Wechsel des Verantwortlichen. Im Unterschied zur erneuten Abschlussprüfung ist aber nicht zwingend eine vollständige Analyse erforderlich, sondern lediglich die Verantwortungsübernahme für das erteilte Rating durch einen nicht in einer Verflechtungssituation befindlichen Ratinganalysten. 3. Festzuhalten ist eine Annäherung des Rechts der Ratingagenturen an das der Abschlussprüfer. Auch beim Rating sind mittlerweile nicht nur personelle, sondern auch finanzielle Verflechtungen als Beeinträchtigung der Unabhängigkeit anerkannt. Das (enge) Selbstprüfungsverbot vermag die weitreichenden Verbote der Leistungserbringung allerdings nur eingeschränkt zu stützen. Die Verbote der Leistungserbringung selbst bei eher geringen finanziellen Verflechtungen sind in ihrer Gesamtheit vielmehr als Ausdruck einer auf die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität ausgerichteten Rolle der Ratingagenturen aufzufassen, wie sie für die Abschlussprüfung lang anerkannt ist. Deutlich wird dies insbesondere im Umgang mit Fremdbeteiligungen, die bei der Abschlussprüfung der Anteilseignerkontrolle und beim Rating neuerdings komplexen Verbotstatbeständen unterliegen (Abschnitt 2 d, S. 649).

IV. Geschäftliche Beziehungen Eine geschäftliche Beziehung zum geprüften oder beurteilten Emittenten ergibt sich bereits aus der Vereinbarung einer entgeltlichen Intermediationsleistung, also stets bei der Abschlussprüfung, ebenfalls beim emittentenfinanzierten Bonitätsrating und (seltener) bei vom Emittenten beauftragten Finanzanalysen. Bereits dieses für die Abschlussprüfung vorgeschriebene und beim Rating übliche

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Modell der Finanzierung durch den Emittenten (issuer pay) birgt Gefahren für die Unabhängigkeit, ist aber zugleich Voraussetzung eines auf den Preismechanismus bauenden Qualitätswettbewerbs. Schwächen des Qualitätswettbewerbs sind vor allem durch spezifisch vergütungsbezogene Regeln abzumildern, die gesondert zu besprechen sind.481 Gegenstand der hier zunächst zu erfassenden Problematik sind Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge geschäftlicher Beziehungen, die zur finanziellen Abhängigkeit des Intermediärs führen oder vermittelt durch das Angebot ertragreicher Zusatzleistungen systematische Anreize zur Absenkung der Intermediationsqualität setzen.482 Finanzielle Abhängigkeiten und Leistungskombinationen werden in allen Einzelbereichen als Gefahren für die Unabhängigkeit des Intermediärs erkannt. Die gesetzlichen Regeln bilden gleichwohl das gesamte Spektrum ab, von der Organisations- über die Offenlegungspflicht bis hin zum Leistungsverbot. Im Einzelnen gehören zu den Regelungsaufgaben die Bestimmung der Schwellenwerte von Einkünften, bei deren Überschreiten eine finanzielle Abhängigkeit anzunehmen ist, sowie die Beschreibung konfliktgeeigneter Leistungskombinationen. Aus zu niedrig bemessenen Schwellenwerten oder zu engen Grenzen zulässiger Leistungskombinationen können erhebliche Markteintrittsbarrieren für neu hinzutretende Informationsintermediäre entstehen. Gerade für diese bedeuten die Erträge aus den für große Emittenten erbrachten Leistungen einen vergleichsweise hohen Anteil der Gesamteinkünfte. Ähnlich wie bei anderen Maßnahmen zur Steigerung der Unabhängigkeit, z. B. den internen Rotationsregeln,483 sind mögliche Eingriffe also gegen daraus entstehende Anreize zur Bildung größerer Einheiten oder Verfestigungen der bestehenden Anbieterkonzentrationen abzuwägen. 1. Finanzielle Abhängigkeit Die finanzielle Abhängigkeit vom Emittenten legt schon begrifflich eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Intermediärs nahe. Von den zuvor behandelten Konstellationen finanzieller Verflechtungen unterscheidet sich die Fallgruppe, weil es nicht zu einer (gegebenenfalls wechselseitigen) Beteiligung kommen muss. Die finanzielle Abhängigkeit kann vielmehr bereits aus einer zu großen Orientierung des Geschäfts auf einen oder wenige Kunden resultieren.484

Dazu 13. Kapitel: C.I.1.b (S. 688). Zur finanziellen Abhängigkeit der folgende Abschn. 1, zu Leistungskombinationen Abschn. 2 (S. 657). 483 Näher 13. Kapitel: B.II.2.a (S. 633). 484 Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 191. 481 482

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Ab einem bestimmten Ausmaß der finanziellen Abhängigkeit ist allein die Auflösung des Interessengegensatzes zulasten der kapitalmarktlichen Informationsintegrität zu erwarten. Das Problem kann beim Intermediärunternehmen, vor allem aber bei dem für dieses Handelnden auftreten, wie am Beispiel der Abschlussprüfung zu illustrieren ist: Die exklusive Betreuung nur eines Prüfungsmandats (one client practice) ist zwar nicht zulässig. Selbst bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind aber individuelle finanzielle Abhängigkeiten durchaus denkbar, wie der Fall Enron belegt.485 Zwar lag die Honorarhöhe für Arthur Anderson als seinerzeitige Big-five-Prüfungsgesellschaft nicht in einer als kritisch zu beurteilenden Größenordnung. Für den verantwortlichen Abschlussprüfer und seine individuelle Kalkulation war sie demgegen substantiell.486 a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung Bei individueller finanzieller Abhängigkeit scheidet eine Lösung der Konflikte durch den Einzelnen schon denklogisch aus. Ab Überschreiten eines gewissen Grads an finanzieller Abhängigkeit der Institution erweisen sich organisatorische Maßnahmen als ungeeignet.487 Die unterhalb dieser Schwelle anzusiedelnden Konflikte sind durch interne Organisation zu bewältigen. Leistungsfähigkeit und -grenzen dazu einzurichtender Vertraulichkeitsbereiche werden vor allem im Zusammenhang mit dem komplexeren Problem der Leistungskombinationen diskutiert und dort besprochen.488 b. Offenlegung der Einnahmen Der Abschlussprüfer ist verpflichtet, dem Emittenten Informationen zu liefern, die dieser als sonstige Pflichtangaben in seinen Jahresabschluss aufzunehmen hat. Dazu gehören nach § 285 Nr. 17 HGB das von dem Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr berechnete Gesamthonorar, aufgeschlüsselt in das Honorar für die Abschlussprüfung, andere Bestätigungs- und Steuerberatungsleistungen sowie sonstige Leistungen.489 Dadurch werden Struktur und absolutes Ausmaß der geschäftlichen Beziehungen zum betreffenden Emittenten beurteilbar, nicht aber der Grad finanzieller Abhängigkeit. Der Grad finanzieller Abhängigkeit wird erst bestimmbar, wenn die bei diesem Emittenten erzielten Einnahmen mit denen bei allen Auftraggebern erzielten Erlösen ins Verhältnis gesetzt werden können. Neuerdings sind nach Art. 13

485 486 487 488 489

Zur Bedeutung des Falls Enron 5. Kapitel: B.II.3 (S. 104) m. w. N. Coffee Gatekeepers, 2006, S. 32. Müller Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2006, S. 117. Siehe 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659). Simon-Heckroth / Lüdders WPg 2017, 248 zu Praxisfragen.

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Abs. 2 lit. k EU-AbschlussprüferVO (in Erweiterung zum früheren § 55c WPO)490 in den jährlichen Transparenzbericht Angaben zum Gesamtumsatz aufzunehmen und zwar aufgeschlüsselt nach solchen aus Abschlusssprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und sonstigen Unternehmen, zusätzlich nach Nichtprüfungsleistungen bei der jeweiligen Unternehmensart. Entbehrlich sind die Angaben, wenn sie sich bereits im Jahresabschluss finden. Ein Rückschluss auf den Grad der finanziellen Abhängigkeit des einzelnen Handelnden ist auch nach der Neuregelung nicht möglich. In Anlehnung an das sogleich zu besprechende Recht der Ratingagenturen wäre an eine Pflicht zur Offenlegung nicht nur gegenüber dem emittenteninternen Prüfungsausschuss, sondern dem Markt zu denken, wenn die Einnahmen des Prüfers von einem Emittenten fünf Prozent der Gesamteinnahmen überschreiten.491 Bei entsprechend gefassten Leistungsverboten schlägt die aufgezeigte Lücke der Offenlegung allerdings gar nicht erst durch. Invasive Leistungsverbote ergeben sich für den Abschlussprüfer aus der im nächsten Abschnitt zu besprechenden Umsatzabhängigkeitsgrenze.492 Beim Rating fehlt demgegenüber ein vergleichbares Leistungsverbot, so dass den Offenlegungspflichten entscheidende Bedeutung zukommt. In den jährlichen Transparenzbericht sind nach Anh. I Abschn. E Unterabschn. III Nr. 7 EG-RatingVO i. d. F. von 2013 „Finanzinformationen über die Einnahmen der Ratingagentur einschließlich des Gesamtumsatzes“493 aufzunehmen. Die Informationen „müssen auch die geografische Verteilung des Umsatzes auf in der Union erzielte Einnahmen und weltweit erzielte Einnahmen umfassen“. Aufzuschlüsseln ist „nach Gebühren für Rating- und Nebendienstleistungen, die ausführlich zu beschreiben sind“. Im Unterschied zur Abschlussprüfung beziehen sich diese Angaben nicht auf die Erlöse aus dem einzelnen Auftrag, sondern auf das Gesamtgeschäft. Dem Markt werden also allein strukturelle Abhängigkeiten von Umsatzarten bekannt, nicht aber solche vom einzelnen Auftraggeber. Allerdings haben die Agenturen nach Anh. I Abschn. E Unterabschn. II Nr. 2 Abs. 1 lit. a, aa EG-RatingVO von 2013 der ESMA jährlich „eine Liste der Gebühren, die den einzelnen Kunden für individuelle Ratings und Nebendienstleistungen in Rechnung gestellt wurden“,494 sowie „ihre Preispolitik einschließlich der Gebührenstruktur und der Preiskriterien für Ratings in den verschiedenen Anlageklassen“ zu übermitteln. Erst auf dieser Grundlage sind die Einnahmen ins Verhältnis zu setzen und AbhängigkeiDazu KommWPO2-Schnepel § 55c Rn. 22. Zur Vergütungstransparenz noch 13. Kapitel: C.II.2.b (S. 705). 491 Mit diesem Vorschlag Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 91, 96 (Vorschlag 6). Zur Offenlegung gegenüber dem Prüfungsausschuss 13. Kapitel: C.II.1.a (S. 700). 492 Zur Umsatzabhängigkeitsgrenze 13. Kapitel: B.IV.1.c (S. 655). 493 Kursivdruck hinzugefügt. 494 Kursivdruck hinzugefügt. 490

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ten vom einzelnen Auftraggeber zu erkennen. Der maßgebliche Unterschied zur Offenlegung der Gesamteinnahmen gegenüber dem Markt besteht darin, dass die Bewertung der Abhängigkeit vom einzelnen Auftraggeber der Finanzaufsicht übertragen ist.495 Schwächen der Informationsauswertung durch den Markt werden also durch einen aufsichtsrechtlichen Mechanismus aufgefangen. Dem Markt gegenüber werden nach Anh. I Abschn. B Nr. 2 EG-RatingVO die Namen der bewerteten Unternehmen oder verbundenen Dritten mitgeteilt, von denen die Agentur mehr als 5 Prozent ihrer Jahreseinnahmen erhält. Aus dieser Auflistung der Großkunden lässt sich jedoch wie aus den zuvor beschriebenen Angaben kein Aufschluss darüber gewinnen, ob die einzelne Bonitätsbeurteilung in finanzieller Abhängigkeit erbracht wurde. Schon gegen die nach Ziff. 2.8(b) IOSCO Code of Conduct Fundamentals i. d. F. von 2008 vorgesehene Offenlegung bei Jahreseinnahmen i. H. v. 10 Prozent wurden von kleinen Agenturen Vertraulichkeitsbedenken vorgebracht, weil die Angaben zu einer Rückverfolgbarkeit der absoluten Einnahmen vom einzelnen Kunden führen können.496 Bei den im Fokus der Regulierungsdiskussion stehenden großen Agenturen und ihren zahlreichen Mandanten ist eine solche Rückverfolgbarkeit nicht zu befürchten (oder zu erhoffen). Die Einwände der kleineren Agenturen sind, wie die jetzt geltenden niedrigeren Schwellen zeigen, aus überwiegenden Gründen des Schutzes der Informationsintegrität überwindbar. Auf Gefahren neuer Marktzutrittsbarrieren ist gleichwohl zu reagieren. Dies betrifft vor allem die im folgenden Abschnitt aufzunehmende Diskussion um die Einführung einer dem Recht der Abschlussprüfung vergleichbaren Umsatzabhängigkeitsgrenze. Bei der Finanzanalyse sind weder spezifisch auf die finanzielle Abhängigkeit zugeschnittene Offenlegungspflichten wie beim Rating noch Leistungsverbote wie bei der Abschlussprüfung vorgesehen. Soll trotz erheblicher Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit eine Finanzanalyse veröffentlicht werden, kommt nach § 5a Abs. 4 FinAnV nur die Kennzeichnung als Werbemitteilung in Betracht. Durch diese Kennzeichnung wird der Finanzanalyse der Signalwert als unabhängiges Intermediärurteil entzogen.497 Es handelt sich dann um eine in Abhängigkeit vom Emittenten erstellte Leistung, die nicht anders zu behandeln ist als eine direkt von diesem bereitgestellte Information. Ob eine finanzielle Abhängigkeit zu Beeinträchtigungen geführt hat, ist dann nicht mehr von Bedeutung.

495 Anders Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 353 bereits zur EG-RatingVO i. d. F. von 2009. 496 IOSCO, Review of Implementation of the IOSCO Code of Conduct Fundamentals, März 2009, S. 11. 497 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 60 zu den dann geltenden Verhaltenspflichten aus § 4 WpDVerOV.

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c. Leistungsverbot bei Umsatzabhängigkeit Für den Abschlussprüfer gelten ab Überschreiten bestimmter Umsatzschwellen Leistungsverbote (Umsatzabhängigkeitsgrenze).498 Durch das KonTraG von 1998 wurde die allgemeine Grenze von international indiskutablen 50 auf 30 Prozent gesenkt und in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 verankert.499 Bei Kapitalmarktorientierung des geprüften Unternehmens galt seit dem BilReG von 2004 nach § 319a Abs. 1 Nr. 1 HGB a. F. die strengere Grenze von 15 Prozent der Gesamteinnahmen, deren Überschreiten in 5 aufeinanderfolgenden Jahren bei Erwartung einer erneuten Überschreitung im laufenden Geschäftsjahr zum Ausschluss des Prüfers führte. Nach Art. 4 Abs. 3 EU-AbschlussprüferVO bleibt es bei der Grenze von 15 Prozent. Der Bemessungszeitraum verringert sich aber auf 3 Jahre. Als Rechtsfolge ist nicht der unbedingte Ausschluss, sondern zunächst nur die Pflicht zur Mitteilung an den Prüfungsausschuss des Emittenten vorgesehen, der sodann über die Möglichkeit einer Auftragsverlängerung von maximal 2 Jahren zu entscheiden hat. Erst das Überschreiten der Grenze von 30 Prozent führt zum Ausschluss. Der als moderat zu bezeichnende Ansatz dient dazu, Markteintrittsbarrieren kleiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Bezug auf börsennotierte Unternehmen zu verhindern.500 Dass aber bei Ausreizen der 15-Prozent-Grenze keine starken Abhängigkeiten bestünden, wird vielerorts mit überzeugenden Argumenten bezweifelt.501 Aus Sicht des Marktfunktionsschutzes lässt sich dem nur eingeschränkt die nach wie vor mögliche und berufsständisch geforderte Einzelfallbetrachtung entgegenhalten, die trotz Unterschreiten der Schwellenwerte zu einem Leistungsverbot führen kann.502 Überlegt werden niedrigere Schwellenwerte,503 wobei allerdings auch in den USA eine Umsatzabhängigkeitsgrenze von 15 Prozent vorgesehen ist. Für Ratingagenturen wird auf die Verhinderung schädlicher Einflussnahmen im Wege der bereits im Zusammenhang mit finanziellen Verflechtungen beschriebenen Regeln gesetzt.504 Ausgelegt sind die Vorschriften auf die Unterbindung des Betriebs einer Ratingagentur zu Zwecken der Selbstprüfung von einzelnen oder gruppenförmig zusammenarbeitenden Emittenten, zu denen die Agentur in finanzieller Abhängigkeit stünde. Unter Wahrung der Zehn-Prozent498 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 41. Näher Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319a HGB Rn. 2. 499 Das wurde auch berufsständisch begrüßt; vgl. die Stellungnahme der WPK, WPK-Mitteilungen 1997, S. 100, 102. Näher Forster WPg 1998, 41, 47, allerdings gegen gesetzliche Regeln. 500 So bereits RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 41. 501 Böcking / Orth WPg 1998, 351, 357 (10 Prozent); Dörner / Schwegler DB 1997, 285, 288 (5 Prozent). 502 Näher KommWPO2-Bauch / Precht § 43 Rn. 7. 503 Bazerman / Loewenstein / Moore 80 Harv. Bus. Rev. 97 ff. (2002). 504 Dazu 13. Kapitel: B.III.2 (S. 645 ff.).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Schwelle wäre der Betrieb einer Agentur im Konsortium aus mindestens elf Mitgliedern denkbar. Dieses Vorgehen wäre allerdings aus den Angaben des Transparenzberichts ersichtlich.505 Auf Grundlage des Transparenzberichts wären gegebenenfalls weitere aufsichtsrechtliche (oder auch legislatorische) Maßnahmen zu ergreifen. Der Vorschlag einer allgemeinen Umsatzabhängigkeitsgrenze wurde zwar bereits bei Erlass der EG-RatingVO diskutiert, konnte sich aber nicht durchsetzen.506 Noch die früheren Grundsätze des Unternehmensratings des BdRA hatten einen Ausschluss des Analysten analog zur Abschlussprüfung angeregt.507 In den Vordergrund der rechtspolitischen Diskussion rückte sodann aber das Ziel eines gesteigerten Wettbewerbs im Ratingmarkt, mit der Folge des beschriebenen und allein auf Offenlegung setzenden Regelungsmodells.508 Von einer Ausgestaltung der für die Offenlegung maßgeblichen 5-Prozent-Schwelle als Umsatzabhängigkeitsgrenze wurde abgesehen. Zutreffend wird betont, dass ein bereits anfänglicher Kundenstamm von mindestens zwanzig Auftraggebern für Branchenneulinge kaum erreichbar sein dürfte.509 Wie schon aus der Anlehnung des BdRA an das Recht der Abschlussprüfung deutlich wird, wären aber auch höhere Grenzen denkbar gewesen. Auch hätten Erleichterungen für kleine und neue Agenturen aufgenommen werden können.510 Die Überlegung des CESR,511 dass der Markt durch das gewählte Offenlegungsmodell in die Lage versetzt würde, graduelle finanzielle Abhängigkeiten einzuschätzen, ist mit Zweifeln zu versehen.512 In der gewählten Art und Weise der Offenlegung scheitert die graduelle Erfassung finanzieller Abhängigkeiten im Einzelfall ohnehin aus den beschriebenen Gründen.513 Die Aufsichtsbehörde kann zwar auf Grundlage der ihr gegenüber offengelegten Gesamt- und Einzeleinnahmen eine Beurteilung der Abhängigkeit vornehmen. Sie wird aber nur

Zum Transparenzbericht 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652). Dagegen Möllers JZ 2009, 861, 865; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 350 ff. Dafür aber Schroeter Ratings, 2014, S. 726. 507 BdRA, Grundsätze des Unternehmensratings, Stand: 1.9.2004, Punkt IV.7 zum Ausschluss des Analysten analog § 319 Abs. 2 und 3 HGB. 508 Erwägungsgrund 55 zur EG-RatingVO. 509 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 351. Allgemeiner Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Ratingagenturen und ihrer möglichen Regulierung, 14.8.2003, S. 10. 510 Blaurock ZGR 2007, 603, 644; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 196. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 726 ff., 728. 511 CESR, CESR’s Second Report to the European Commission on the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code, CESR/08-277, Mai 2008, Rn. 201. 512 Befürwortend wegen Vermeidung von Marktzutrittsbarrieren Möllers JZ 2009, 861, 865; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 353. Berechtigte Zweifel bei Schroeter Ratings, 2014, S. 728 f. 513 Siehe dazu die Überlegungen im vorhergehenden Abschnitt. 505 506

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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unter den für hoheitliche Eingriffe allgemein hohen Anforderungen tätig werden können, darf also letztlich nur bei deutlicher finanzieller Abhängigkeit reagieren. Die verschiedentlichen Forderungen nach Einführung einer Umsatzabhängigkeitsgrenze für Ratingagenturen überzeugen.514 Gerade bei starker finanzieller Abhängigkeit ist mit einer Auflösung des Konflikts zwischen dem eigenen Ertragsinteresse und der kapitalmarktlichen Informationsintegrität nicht zu rechnen. Dieser Problematik stellt sich die in den USA vorgesehene Zehn-ProzentSchwelle.515 Für das klassische Anleiherating hat diese Schwelle in der Vergangenheit kaum rechtstatsächliche Bedeutung erlangt, offenbar aber in spezialisierten Segmenten wie dem Rating strukturierter Finanzprodukte.516 Dementsprechend stört sie den Marktzutritt neuer Agenturen nur in Konstellationen (dort zu Recht), in denen besondere finanzielle Abhängigkeiten zu befürchten sind.517 Dass die in solchen Konstellationen entstehenden Gefahren für die kapitalmarktliche Informationsintegrität anders als bei der Abschlussprüfung zu behandeln sein könnten, ist kaum überzeugend darzulegen. In Rückkopplung der Regelsetzung zur Abschlussprüfung wäre auch dort über die Einführung einer Zehn-Prozent-Umsatzschwelle nachzudenken. 2. Leistungskombinationen Leistungskombinationen betreffen geschäftliche Beziehungen zum Emittenten, bei denen zusätzlich zur Informationsintermediation weitere Leistungen erbracht werden, ohne dass zwingend eine direkte Absprache zur Verknüpfung getroffen sein muss. Schon aus dieser Beschreibung deutet sich an, dass die aus Leistungskombinationen resultierenden Herausforderungen für die Regelsetzung den im Vergleich mit vorher behandelten Fallgruppen höchsten Komplexitätsgrad aufweisen. Vor allem muss aus Leistungskombinationen keine finanzielle Abhängigkeit erwachsen, die durch Schwellenwerte erfassbar und zu unterbinden wäre. In den Fokus der Diskussion gerieten zunächst parallel oder nachgelagert zur Abschlussprüfung angebotene Beratungsleistungen der Wirtschaftsprüfer. Das Full-Service-Konzept erstarkte Anfang der 1990er-Jahre zum Geschäftsmodell der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.518 Ratingagenturen lieferten nach 514 Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F136; Habersack ZHR 169 (2005) 185, 196. Mit Ausgestaltungsvorschlägen Schroeter Ratings, 2014, S. 726 ff. Zurückhaltend Blaurock ZGR 2007, 603, 644. A. A. Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 351 ff., 353. 515 17 CFR § 240.17g-5(c)(1). 516 SEC, Annual Report on Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, Juni 2008, S. 28. 517 In diese Richtung Schroeter Ratings, 2014, S. 728. 518 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 31 ff., 35. Vergleichend Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 39.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

verbreiteter Auffassung im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008 aus Beurteilung und Beratung zusammengesetzte Leistungsangebote in Bezug auf strukturierte Finanzprodukte (one stop shopping).519 Bereits zu Anfang des neuen Jahrtausends war bei den durch Verkaufsaktivitäten der Banken querfinanzierten Finanzanalysen eine Häufung von Fehlleistungen beobachtet worden, die in den USA zu einem auf die Finanzierung unabhängiger Analysen gerichteten Maßnahmenkatalog führten (Spitzer-Vergleich 2004).520 In allen Einzelbereichen der Informationsintermediation werden schädliche Anreize aus Leistungskombinationen als eine der wichtigsten Ursachen für Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit und für die Nichtaufdeckung von Unregelmäßigkeiten gewertet, ohne dass Ursachenforschung und Suche nach einem belastbaren Lösungsinstrumentarium abgeschlossen wären.521 Anerkannt ist, dass die Möglichkeit zu Leistungskombinationen geeignet ist, den Druck des Emittenten auf den Intermediär zu erhöhen.522 Die rechtspolitische Grundsatzfrage betrifft die Eingriffsintensität: In Betracht kommt, unabhängigkeitsgefährdende Konstellationen Organisations-, Offenlegungspflichten und spezifischen Leistungsverboten zu unterwerfen, die Kombination von Intermediation und zusätzlicher Leistung aber im Übrigen nicht zu verstellen (Kombinationsmodell). Am anderen Ende der Skala läge ein vollständiges Verbot zusätzlicher Leistungen (Trennungsmodell). Die Abwägung zwischen diesen beiden Modellen und ihren möglichen Mischformen ist eine entscheidende Stellschraube einerseits für die Ertragsmöglichkeiten innerhalb des einzelnen Intermediationssegments, andererseits für die Fortbildung der Rolle der Intermediäre als im öffentlichen Interesse tätige Kontrolleure des Marktzugangs. Vom Ergebnis der Abwägung hängt die Reichweite der privaten Marktzugangskontrolle ab: Einschränkungen der wirtschaftlich ertragreichen Leistungskombinationen stehen zwar für Konfliktfreiheit. Sie verstellen aber auch Synergieeffekte, die für ein der behördlichen Überwachung überlegenes Informationsniveau von privaten Dienstleistern gerade ausschlaggebend sind.523 Je nach Segment und weiterem regulatorischem Umfeld ist das Geschäft des InformationsStatt vieler Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E36; Möllers JZ 2009, 861, 863. Zweifel bei Schroeter Ratings, 2014, S. 730 ff. m. w. N. 520 Näher im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang 5. Kapitel: B.III.3 (S. 114). 521 Umfassend Coffee Gatekeepers, 2006, S. 55 ff. Speziell zum Abschlussprüferversagen im Fall Enron Peemöller / Krehl / Hofmann Bilanzskandale, 2. Aufl., 2017, S. 33. Zum Rating Hellwig Gutachten E, 68. DJT 2010, S. E24. Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 730 ff. m. w. N. 522 Zum Abschlussprüfer zuletzt Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 93 f. Im Zusammenhang mit weiteren Erklärungsansätzen Coffee Gatekeepers, 2006, S. 62. 523 Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 259, 266. Zur Finanzanalyse Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 26. 519

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intermediärs zudem saisonal, insbesondere bei der nur einmal jährlich stattfindenden Abschlussprüfung. Wie dort gilt auch in anderen Bereichen, dass eine hohe Informationsqualität im Einzelfall nur bei kontinuierlicher Themenbefassung der Verantwortlichen zu erzielen ist (knowledge spillovers).524 Insbesondere die zwischen den Prüfungsphasen erbrachten Beratungsleistungen dienen der Vorhaltung und Ausbildung von Fähigkeiten zur Informationssuche und -verarbeitung als Grundvoraussetzungen einer sachnahen privaten Informationsintermediation.525 Maßgeblich für die Abwägung ist die durch Berufsrecht und Regulierung zu formende öffentliche Erwartung an die einzelne Intermediationsleistung. Von Abschlussprüfern wird nicht zuletzt die Verhinderung von Bilanzbetrug erwartet. Die Abschlussprüfung ist aber nicht bloße Buchprüfung, wie spätestens seit der durch das KonTraG 1998 eingeführten Prüfung unternehmerischer Einschätzungen zur künftigen Lage der Gesellschaft entschieden ist.526 Von Ratingagenturen wird die Entwicklung verlässlicher Beurteilungsparameter auch zu neuartigen Finanzprodukten erwartet.527 Die Finanzanalyse ist per se auf Einschätzungen zur (unsicheren) künftigen Entwicklung ausgerichtet. Diese Erwartungen spiegeln sich im Umgang mit der herkömmlich zur Maßnahmenbegründung herangezogenen Gefahr der Selbstprüfung, besonderen Vertrauensbedürfnissen des Markts und – bislang weniger beachtet – systematischen Fehlanreizen infolge lukrativer Zusatzleistungen. Nach der Gewichtung dieser Beeinträchtigungen entscheidet sich der im Folgenden zu besprechende Einsatz (bloßer) Organisations- und Offenlegungspflichten oder (invasiver) Leistungsverbote. a. Organisation der Informationsflüsse (Chinese walls bzw. screens) Die verbreiteten verkäuferseitigen Finanzanalysen sind durch andere Geschäftsaktivitäten querfinanziert, wären also ohne diese nicht in bekanntem Umfang vorstellbar. Anders als bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating wird wohl auch deshalb nicht vorrangig auf Leistungsverbote, sondern auf bloße Organisationspflichten gesetzt, die sich nur im Einzelfall zum Leistungsverbot verdichten. Den Kern der Organisationsverantwortung formuliert § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FinAnV als Erfordernis der „wirksame(n) Verhinderung oder Kontrolle“ des Informationsaustauschs zwischen Analysten und anderen Mitarbeitern, deren Tätigkeiten einen Interessenskonflikt nach sich ziehen könnten. Umzusetzen ist diese Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 94. 525 Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 255 mit formaler Darstellung. 526 Zur „Zweischneidigkeit“ des KonTraG Marx ZGR 2002, 292, 306. 527 Allgemeine Grenzen setzen insoweit die Regeln zum Umgang mit Zweifeln. Dazu 13. Kapitel: A.III.3.a (S. 591). Siehe Erwägungsgrund 34 zur EG-RatingVO: in Bezug auf neuartige Finanzinstrumente sollte auf die Beurteilung verzichtet werden, wenn „zweifelhaft ist, ob die Ratingagentur ein verlässliches Rating abgeben kann“ (Kursivdruck hinzugefügt). 524

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Pflicht durch eine Aufbauorganisation, zu deren integralen Bestandteilen Vertraulichkeitsbereiche gehören, zwischen denen kein Informationsaustausch erfolgen darf (Chinese walls bzw. screens).528 Für Finanzinstitute werden die Anforderungen an Vertraulichkeitsbereiche durch das Rundschreiben der BaFin zu Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG (MaComp) konkretisiert.529 Die Durchleitung von Informationen (wall crossing) ist danach nur zur Sicherstellung der sachgerechten Aufgabenerfüllung möglich (need to know).530 Zulässig bleibt eine bereichsübergreifende Kommunikation etwa zur Aufnahme des Emittenten oder Finanzprodukts in die Analyseliste (watch list).531 Im Übrigen ist der Informationsaustausch zwischen Analyseabteilung und Finance-Abteilung zu unterbinden.532 Ohne Hinzutreten weiterer (offenlegungspflichtiger) Umstände ermöglicht dies eine fortlaufende Kombination von einerseits Leistungen der Informationsintermediation und andererseits potentiell konfliktgeeigneten Leistungen aus dem Kerngeschäft des Finanzinstituts. Die Einbußen bei Synergieeffekten werden also gering gehalten und sind in diesem Maße auch von den Betroffenen in Kauf zu nehmen.533 Organisatorische Lösungen bleiben der öffentlichen Wahrnehmung allerdings weitgehend entzogen. Geradezu unausweichlich kommt es deshalb zu Enttäuschungen des Anlegervertrauens aus nicht abgestimmtem Verhalten, also etwa beim Verkauf im Eigenhandel und gleichzeitiger Kaufempfehlung. Prominentes Beispiel ist die (aus Sicht der Compliance unberechtigte) Anlegerempörung über den Paketverkauf der Telekom-Aktie durch die Deutsche Bank im Jahr 2001 bei gleichzeitiger Kaufempfehlung an die Öffentlichkeit.534 Der Preis für die Konfliktbewältigung durch organisatorische Maßnahmen ist also eine gewisse Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und rechtlicher Ausgangslage, wie sie auch bei den anderen Intermediationsformen als Erwartungslücke bekannt ist. Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 114 ff., 116, 157; FuchsWpHG2-Fuchs § 34b Rn. 42, 55; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 161. International Tuch 39 J. Corp. L. 101, 119 (2014). 529 AT 6.2 Nr. 3a MaComp. Dazu Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 115. 530 AT 6.2 Nr. 3b MaComp. Dazu Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 161. 531 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 165. Übergreifend Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 314. 532 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 161. 533 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 13, 26. 534 Die Folge war ein Kurssturz um 20 Prozent. Näher Hopt ZGR 2002, 333, 368 f. 528

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dFunktionstüchtige Informationsschranken verhindern die Selbstprüfung und vermögen im Zusammenspiel insbesondere mit einer adäquaten Organisation von Vergütungsverhandlung und -gestaltung auch ein systematisches Aufkommen von Fehlanreizen zu unterbinden. Einschätzungen der Praxis folgend, bieten Vertraulichkeitsbereiche allerdings eine bloß unvollkommene Lösung.535 Unterbunden wird nur der standardmäßige Austausch, nicht die häufig wichtigere Informationsweitergabe im Einzelfall. Daraus erklärt sich, dass allein aus der Einrichtung der Vertraulichkeitsbereiche nach deutschem, aber auch z. B. englischem Recht noch keine Haftungsentlastung folgen muss.536 Die Organisationspflichten aus § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FinAnV können sich zum Leistungsverbot verdichten, wenn die Anforderungen an die Unabhängigkeit sonst nicht zu wahren wären.537 Das betrifft vor allem die verstärkt in den 1990er-Jahren beobachteten Formen der Einbindung von Finanzanalysten in die Einwerbung von Mandaten zu Emissionsbegleitungen (underwriting) durch die anstellenden Investmentbanken.538 Darauf reagieren die IOSCO Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest von 2003539 in Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Recht540 mit Informationsunterbrechungen. Eine Finanzanalyse darf danach später nicht als objektiv und unabhängig präsentiert werden, wenn die Analysten zuvor an Sitzungen von Emittenten und Investmentabteilung bei einer Mandatswerbung (pitch) der eigenen Bank teilgenommen haben.541 Bereits beschrieben sind die Auswüchse bei auktionsgleicher Mandatsvergabe an Finanzinstitute, die sich mit einem vollständigen Bewertungsangebot unter Einschluss von Vorabanalysen (pre-deal research) um die Begleitung eines Börsengangs bewarben (competitive IPO).542 Verbotsgeeignet ist auch die Teilnahme des Analysten an transaktionsbezogenen Werbeveranstaltungen des Emittenten (deal related road shows), wie sie im Vorfeld von IPOs und Kapitalerhöhungen stattfinden.543 Leistungsverbote für die genannten Tätigkeiten ließen Zu Wirkungsschwächen Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankrechtsHdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 32. 536 Hopt ZGR 2002, 333, 368; ders. in: FS Heinsius 1991, S. 289, 319 ff.; Buck Wissen und juristische Person, 2001, S. 499 f. Zum englischen Recht Hollander / Salzedo, Conflicts of Interest & Chinese Walls, 2000, S. 4-15, 7-01, 7-17 ff. 537 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 164. 538 Näher Fisch 55 UCLA L Rev 39, 54 (2007) m. w. N. 539 IOSCO, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, 25.9.2003, Principle 2.2, core measure. 540 FINRA Manual, NASD rule 2711 (c)(4) f. 541 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 163 ff., 165. 542 Dazu Jenkinson / Jones 15 Eur. Fin. Mgt. 733, 739 (2009) mit Fallstudien. 543 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 167. 535

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

sich ähnlich wie bei der Abschlussprüfung bereits mit dem (engen) Selbstprüfungsverbot rechtfertigen. Denn angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Interessen des eigenen Hauses sind objektive (also ggf. negative) Äußerungen selbst zu Branchenrisiken nicht zu erwarten und die einmal getroffene Bewertung wird in der abschließenden Analyse kaum öffentlich revidiert werden.544 b. Offenlegung von Zusatzleistungen Bei Abschlussprüfung und Rating wird komplementierend zu Leistungsverboten auf Offenlegungspflichten gesetzt. Die Pflicht zur Aufschlüsselung der Einnahmen aus Prüfungs- und Zusatzleistungen des Abschlussprüfers nach §§ 285 Nr. 17, 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB bezieht sich auf das jeweilige Prüfungsmandat.545 Mit dieser Form der Offenlegung verbindet sich zwar das beschriebene Rückschlussproblem in Bezug auf eine finanzielle Abhängigkeit von diesem Mandanten. Aus dem Verhältnis der Umsatzarten ist aber die wirtschaftliche Bedeutung der erbrachten Zusatzleistungen erkennbar. Die Offenlegungspflicht ist also spezifisch auf die Vermeidung von Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge einer (möglicherweise) höheren Ertragskraft der betreffenden Zusatzleistungen zugeschnitten. Dies ermöglicht nicht zuletzt die private Durchsetzung der noch darzustellenden Leistungsverbote.546 Ohne Offenlegung bliebe es dem Zufall überlassen, ob die zum Antrag auf gerichtliche Ersetzung des Prüfers nach § 318 Abs. 3 Satz 1 HGB Berechtigten von der Überschreitung der für Zusatzleistungen erlaubten Schwellenwerte erführen.547 Ratingagenturen haben nach Anh. I Abschn. B Nr. 4 Abs. 3 EG-RatingVO zwar im Abschlussbericht zur Bonitätsbeurteilung offenzulegen, welche Nebendienstleistungen für das bewertete Unternehmen oder für mit diesem verbundene Dritte erbracht wurden. Die aus der einzelnen Beurteilung und möglichen Nebenleistungen erzielten Einkünfte sind aber nicht offenlegungspflichtig, können also vom Informationsempfänger nicht ins Verhältnis gesetzt werden. Mögliche Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge lukrativer Nebenleistungen sind also – anders als bei der Abschlussprüfung – nicht zu ermitteln. Ermöglicht wird die Einschätzung auch nicht durch die beschriebene Aufschlüsselung der Gesamteinnahmen im jährlichen Transparenzbericht oder durch die Angabe der wichtigsten Kunden.548 Erkennbar werden allein strukturelle Abhängigkeiten der Agentur von einzelnen Umsatzarten, nicht aber Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge der Zusammensetzung des Honorars. Letzteres wäre für einen durch Offenlegung gesteuerten Umgang mit Leistungskombinationen entscheidend. 544 So im Ergebnis Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 167, der die mangelnde Objektivität in den Sitzungen betont. 545 Dazu 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652). 546 Dazu 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665). 547 Marx ZGR 2002, 292, 303 noch zur Anfechtung durch die Aktionäre. 548 Dazu 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652).

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Für die typischerweise querfinanzierte Finanzanalyse formuliert § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a bis d FinAnV einen detaillierten Katalog an Offenlegungspflichten, der teilweise Art. 6 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/958 entspricht.549 Zu den Gegenständen gehören das parallele Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen, die Beteiligung an einem Konsortium für eine Emission im Wege des öffentlichen Angebots innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate, die Bindung an Vereinbarungen aus Investmentbanking-Geschäften oder der Erhalt von Leistungen bzw. Leistungsversprechen aus solchen Vereinbarungen (allerdings mit Ausnahme vertraulicher Geschäftsinformationen), Vereinbarungen zur Erstellung der Finanzanalyse oder sonstige bedeutende finanzielle Interessen. Vierteljährlich ist außerdem eine Übersicht über die in Finanzanalysen enthaltenen Empfehlungen in Bezug auf Emittenten zu veröffentlichen, für die in den vorausgegangenen zwölf Monaten wesentliche Investmentbanking-Dienstleistungen erbracht wurden. Im Vergleich zur Abschlussprüfung fällt auf, dass eine auf die einzelne Analyseleistung bezogene Pflicht zur Aufschlüsselung der Einkünfte fehlt. Die Nichtaufdeckung von Interessenkonflikten aus vorangegangener Beratung des Emittenten, wie sie vor der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise beim Rating zu beobachten war, müsste bei der Finanzanalyse als Verstoß gegen die Pflichten aus Art. 20 MarktmissbrauchsVO zu werten sein.550 Gegen die Lösungstauglichkeit einer Offenlegung der Einnahmen des Instituts aus dem Investmentgeschäft mit dem analysierten Emittenten spricht allerdings, dass die Angabe der regelmäßig sehr hohen Einnahmen des Instituts kaum Rückschlüsse in Bezug auf die Unabhängigkeit des (ohne entsprechende Absprache) an diesen Erträgen nicht partizipierenden Finanzanalysten zuließen. Hinzu kämen wohl auch, wenn nicht praktische Umsetzungsprobleme, so doch Probleme der Informationsverarbeitung im Falle der Bezifferung von Einnahmen aus der Abwicklung einer Vielzahl von Kauf- und Verkaufsaufträgen.551 Als zielgenauer erweist sich insoweit die auf den einzelnen Analysten bezogene Pflicht, nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 FinAnV offenzulegen und nach Art. 6 Abs. 2 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 eine Stellungnahme dazu abzugeben, wenn seine Vergütung von Geschäften aus dem Investmentbanking abhängt.552 Das bei der Finanzanalyse gewählte Offenlegungsmodell stößt vor allem in Bezug auf die für Preisfindungsprozesse besonders relevanten Angebotsbewertungen (fairness opinions) auf Kritik. Für den Fall einer gleichzeitigen Trans549 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 64 ff., 72; Göres in: Kümpel / Hammen /  Ekkenga (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Losebl., Lfg. 1/06, Kennz. 634 b/3, Rn. 78 ff., 85. 550 So GroßkommStaubHGB5-BankvertragsR 11/1-Grundmann Teil 6 Rn. 541. 551 Zum Rückschlussproblem und der deshalb angezeigten Offenlegung von Koppelungen der Individualvergütung 13. Kapitel: B.IV.2.b (S. 662). 552 Näher Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 75 f. Kritisch, weil mit der Angabe der Vergütungsverknüpfung nicht zwingend ein Interessenkonflikt verbunden sein soll, Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 197.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

aktionsbetreuung fordert die DVFA die Offenlegung erfolgsabhängiger Vergütungen.553 Das ist wenig einschneidend, zumal eine erfolgsabhängige Vergütung der die Analyse querfinanzierenden Transaktionsbegleitung möglich bleibt. Weiter ginge das von manchen erwogene Verbot der Kombination mit der Transaktionsbegleitung.554 Dies entspräche dem für die Abschlussprüfung nach US-amerikanischem Recht ausdrücklich, nach deutschem Recht durch § 319 Abs. 3 HGB implizit gewählten Ansatz.555 Die zur Informationsabsicherung in Betracht kommende Pflicht zur Einholung einer im eigentlichen Sinne unabhängigen Angebotsbewertung liefe auf eine zweifache Erstellung, also eine Verdoppelung der Kosten hinaus.556 Die Einholung einer unabhängigen Beurteilung kann schon daran scheitern, dass außerhalb des transaktionsbegleitenden Bankenkonsortiums keine Anbieter mit geeigneter Reputation zu finden sind.557 Maßgeblich aus Gründen des Verlusts transaktionsspezifischen Wissens und auch in Ermangelung eines Belegs für per se schlechtere Qualität von im Haus des Emissionsbegleiters erstellten fairness opinions wird ein Rückgriff auf das im Recht der Abschlussprüfung vorgesehene Kombinationsverbot abgelehnt.558 An der Belastbarkeit der zuletzt genannten Argumente bestehen Zweifel, zumal das Institutsinteresse am Erfolg der einträglichen Transaktionsbegleitung in aller Regel für den einzelnen Analysten erkennbar ist, er davon beeinflusst ist und kaum eine Möglichkeit hat, daraus entstehende Interessenkonflikte aufzulösen. Die eigentliche Begründung für die Wahl bloß einer Offenlegungspflicht dürfte darin liegen, dass der Grad an (fehlender) Unabhängigkeit aus den nach Art. 5 f. Delegierte VO (EU) 2016/958 und § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a bis d FinAnV vorzunehmenden Kennzeichnungen der Rolle des Instituts äußerlich erkennbar ist. Nicht von den Offenlegungspflichten erfasste und schwerwiegendere Konflikte können sich insbesondere bei finanzieller Abhängigkeit des Instituts vom Gelingen einer bestimmten Transaktion ergeben. Dann kommt nach den Vorgaben der IOSCO zum Umgang mit Interessenkonflikten bei IPOs von 2007559 allerdings nicht ein Verbot bloß unterstützender Informationsleistungen, sondern eine Pflicht zur Abstandnahme von der Transaktionsbegleitung selbst in Betracht.560 553 DVFA, Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions, DVFA-Finanzschriften 7/2008, Abschn. B.6. Befürwortend Fleischer in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2753, 2769. 554 Befürwortend Schwetzler / Aders / Salcher / Bornemann FB 2005, 106, 116. 555 Eingeführt durch Sarbanes-Oxley Act section 201. Zum deutschem Recht Westhoff Die Fairness Opinion, 2006, S. 141 f. 556 Kritisch deshalb Schiessl ZGR 2003, 814, 850. 557 Schiessl ZGR 2003, 814, 850. 558 Fleischer in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2753, 2768 m. w. N. auch zur internationalen Literatur. 559 IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Final Report, November 2007, S. 14 f., 22.

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c. Verbot einzelner Zusatzleistungen Im Recht der Abschlussprüfung setzt der heutige Art. 5 EU-AbschlussprüferVO zusammen mit §§ 319, 319a HGB und berufsrechtlichen Vorgaben auf ein Kombinationsmodell.561 Leistungskombinationen sind also nicht generell verstellt, sondern nur mit einzelnen Verboten belegt.562 International standen Verbote von Leistungskombinationen spätestens seit dem Aufkommen des FullService-Konzepts bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in den 1990er-Jahren im Diskussionsfokus.563 Zweifel an einer allein auf berufsständische Selbstregulierung gestützten Konfliktbewältigung waren bereits im Zuge der deutschen Umsetzung der 7. Richtlinie über den konsolidierten Jahresabschluss von 1985 aufgekommen, zumal gerade in Lagen möglicher Inhabilität von Beobachtungs- und Durchsetzungsproblemen auszugehen ist.564 Maßgeblich durch die Rechtsprechung des BGH in den Fällen Allweiler von 1997 und HypoVereinsbank von 2002 wurde sodann das Fundament des heutigen Umgangs mit dem Selbstprüfungsverbot ausgeformt (dazu sogleich). Anlass der durch das BilReG565 von 2004 vorgenommenen Verschärfungen für die Prüfung kapitalmarktorientierter Gesellschaften gaben der US-amerikanische Sarbanes-Oxley Act von 2002, mit dem auf das Prüferversagen im Fall Enron reagiert wurde, die daraufhin veröffentlichte Empfehlung der Europäischen Kommission zur Abschlussprüferunabhängigkeit aus demselben Jahr566 und die für 2006 in Aussicht genommene Modernisierung der EGAbschlussprüferrichtlinie.567 Das heutige Regelungssystem aus Art. 5 EU-AbschlussprüferVO zusammen mit §§ 319, 319a HGB setzt neben dem durch Berufsrecht und berufsständische Normsetzung konkretisierten allgemeinen Ausschlussgrund im Falle der „Besorgnis der Befangenheit“ auf besondere Ausschlussgründe, bei deren Vorliegen

Näher Kumpan / Leyens ECFR 2008, 72, 90, 95. Zu den Vorgaben der IOSCO im Zusammenhang mit der Interessenwahrung bereits 13. Kapitel: B.I.1.a (S. 608). 561 Aktuelle Praxisfragen diskutieren Hennrichs / Bode WM 2016, 1281. 562 So ausdrücklich RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 39, 41. 563 Vergleichend Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 39; dies. ZGR 2002, 292. Zu Österreich Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 254 ff. 564 Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 10/4268 v. 18.11.1985, S. 118. 565 Dort etwa zur funktionalen Entscheidungskompetenz Abschn. 7.1 Nr. 1 lit. a.; Europäische Kommission, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU: Grundprinzipien, Empfehlung v. 16.5.2002, K(2002) 1873, ABl. EG L 191 v. 19.7.2002, S. 22. 566 Zur Beeinflussung durch das US-amerikanische Recht die gegenüberstellende Gesetzesbegründung; RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 39 ff. Zur Rezeption Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 487 ff. 567 Siehe jetzt Art. 22 EG-Abschlussprüferrichtlinie i. d. F. 2014. 560

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

die Wahl zum Abschlussprüfer nicht in Betracht kommt (Inhabilität).568 Unerheblich ist, ob der Prüfer tatsächlich befangen ist (independence in fact). Es kommt vielmehr darauf an, dass eine „unabhängige, vernünftige und sachkundige dritte Partei unter Beachtung der angewandten Schutzmaßnahmen zu dem Schluss käme, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft gefährdet ist“569 (independence in appearance).570 Zu den besonderen Ausschlussgründen zählen nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB bestimmte Nichtprüfungsleistungen im zu prüfenden Geschäftsjahr oder bis zur Erteilung des Bestätigungsvermerks, sofern diese Leistungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind (Bagatellgrenze). Zu den betroffenen Leistungen zählen die Mitwirkung bei der Buchführung oder der Aufstellung des Jahresabschlusses, bei der Durchführung der internen Revision in verantwortlicher Position sowie, Unternehmensleitungs- oder Finanzdienstleistungen. Zum Ausschluss führen auch eigenständige versicherungsmathematische Leistungen oder Bewertungsleistungen, die sich auf den zu prüfenden Jahresabschluss nicht nur unwesentlich auswirken (Auswirkungskriterium). Besonders an diesem, nur die genannten versicherungsmathematischen Leistungen oder Bewertungsleistungen betreffenden Auswirkungskriterium wird das Ziel einer Vermeidung von Selbstprüfungen deutlich.571 Höhere Anforderungen gelten nach Art. 4 und 5 EU-AbschlussprüferVO sowie § 319a Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB für die Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie neuerdings auch von Kreditinstituten und Versicherungen. Noch nach dem Willen des BilReG-Gesetzgebers von 2004 sollten Rechts- und Steuerberatungsleistungen sowie Leistungen in Bezug auf das Rechnungslegungsinformationssystem „im weitaus überwiegenden Umfang […] zulässig“ sein.572 Nach der EU-AbschlussprüferVO ist demgegenüber bereits die „allgemeine“ Rechtsberatung verbotene Nichtprüfungsleistungen.573 Noch ungeklärt ist, ob aus der englischen Fassung („provisions of general counsel“) herausgelesen werden muss, dass lediglich in einer unternehmensinternen Funktion erbrachte Rechtsberatungsleistungen untersagt sind.574 Ebenfalls ungeklärt ist die Im Überblick KommWPO2-Schnepel Vor 43 ff. Rn. 1 ff., 4. Zum Selbstprüfungsverbot Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 4 letzter Halbs. EG-Abschlussprüferrichtlinie i. d. F. vom 2014. Siehe auch RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 38: „aus der Sicht eines vernünftigen und verständigen Dritten genügend objektive Gründe vorliegen, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln.“ 570 Zur Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Unabhängigkeit 13. Kapitel: B.I.1.b (S. 611). 571 Aus der Kommentarliteratur Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 19; MünchKommHGB3-Ebke § 319 Rn. 56. Siehe weiter Peemöller / Oehler BB 2004, 539, 541 (international unumstrittener Grundsatz). 572 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 41 zu Rechts- und Steuerberatungsleistungen. 573 Art. 5 Abs. 1 Unterabs 2 lit. g EU-AbschlussprüferVO. 574 So Beck BilanzKomm10-Schmidt / Nagel HGB § 319a Rn. 55. 568 569

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Fortgeltung des Ausmaßkriteriums, nach der Rechtsberatungs- und weitere Beratungsleistungen erst bei einer über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgehenden Leistung, bei der eigene Verantwortung übernommen wird, unzulässig sind.575 Zu den nach der EU-AbschlussprüferVO verbotenen Leistungen zählt desweiteren die Gestaltung und Umsetzung von Kontroll- und Risikomanagementverfahren, die bei der Erstellung und/oder Kontrolle von Finanzinformationen oder Finanzinformationstechnologiesystemen zum Einsatz kommen.576 Eine Verschärfung wird hierin nicht gesehen, zumal solche Leistungen bereits nach zuvor geltendem Recht zum Ausschluss geführt hätten. Vielmehr ergibt sich aus der allgemein für verbotene Nichtprüfungsleistungen geltenden Karenzzeit von einem Geschäftsjahr eine Klartstellung dahingehend, dass nach Ablauf eines Jahres die Prüfung aufgenommen werden darf.577 Für die international als besonders kritisch erachteten Kombinationen der Prüfung mit Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen macht der deutsche Gesetzgeber von dem Mitgliedstaatenwahlrecht Gebrauch und unterstellt die Zulässigkeit wie nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 lit. d HGB dem Auswirkungskriterium.578 Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen sind nur unzulässig, wenn sie sich einzeln oder zusammen auf den zu prüfenden Jahresabschluss unmittelbar und nicht nur unwesentlich auswirken. In Bezug auf die Steuerberatung wird der ergibt sich aus der Erläuterung des Begriffs der Wesentlichkeit, dass es vorrangig um die Unterbindung einer aggressiven Steuerplanung geht, bei der die Steuerlast erheblich verkürzt oder Gewinne in das Ausland verlagert werden, ohne dass eine über die steuerliche Vorteilserlangung hinausgehende wirtschaftliche Notwendigkeit besteht.579 Verschärfte Anforderungen werden durch Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO an die zulässigen Nichtprüfungsleistungen gestellt. Bislang waren die beim geprüften Emittenten erzielten Gesamteinnahmen Gegenstand der Umsatzabhängigkeitsgrenze (wie auch der in Bezug auf Leistungskombinationen komplementierend vorgesehenen Offenlegung).580 Neuerdings gilt: Werden erlaubte Nichtprüfungsleistungen für einen Zeitraum von mindestens 3 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren durchgeführt, darf das Gesamthonorar für diese Leis-

Art. 5 Abs. 1 Unterabs 2 lit. g EU-AbschlussprüferVO. 575 Zum Stand Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319a HGB Rn. 3; Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 105 ff. 576 Art. 5 Abs. 1 Unterabs 2 lit. e EU-AbschlussprüferVO. 577 Art. 5 Abs. 1 Unterabs 1 lit. b EU-AbschlussprüferVO. 578 RegE AReG, BT-Drucks. 18/7219 v. 11.01.2016, S. 41 f. 579 § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2. Siehe Erwägungsgrund 9 zur EU-AbschlussprüferVO sowie RegE AReG, BT-Drucks. 18/7219 v. 11.01.2016, S. 41 f. 580 Zur Umsatzabhängigkeitsgrenze 13. Kapitel: B.IV.1.c (S. 655). Zur komplementierenden Offenlegung 13. Kapitel: B.IV.1.b, 2.b (S. 652, 662).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

tungen maximal 70 Prozent im Verhältnis zum Durchschnitt der in den letzten 3 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren entrichteten Prüfungshonorare betragen. Insgesamt nähert sich das europäische Recht an das US-amerikanische Recht und die dort stärker ausgeprägten Merkmale eines Trennungsmodells an.581 In den USA sind alle aus ertragswirtschaftlicher Sicht des Prüfers wesentlichen Zusatzleistungen verboten, insbesondere die Rechtsberatung.582 Die wenigen zulässigen Steuerberatungsleistungen sind dort mit dem unabhängigen Prüfungsausschuss (audit committee) des Emittenten abzustimmen.583 Diesen Ansatz greift Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO auf und verlangt, dass andere als die verbotenen Nichtprüfungsleistungen, in Deutschland also auch Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen, vom Prüfungsausschuss unter Abwägung der Gefährdungen für die Unabhängigkeit gebilligt sein müssen.584 In den USA stießen die Leistungsverbote wegen der damit verbundenen Mehrkosten, zu denen hohe Schätzungen vorgetragen werden, auf harsche Kritik.585 Den Kosten wurde wurde der Rollenkonflikt des Prüfers entgegengehalten, der daraus entsteht, dass der Prüfer bei Angebot der untersagten Zusatzleistungen zum Interessenvertreter des Unternehmens wird.586 Hierin klingt die Begründung aus einem besonderen Vertrauensbedürfnis des Markts an, während in der Entwicklung des deutschen Rechts, wie beschrieben, das (engere) Verbot der Selbstprüfung im Vordergrund stand.587 Diesen Unterschieden und der Tragfähigkeit der Begründungen ist im Folgenden weiter nachzugehen. d. Verbot zum Schutz des Marktvertrauens In den Erwägungsgründen zu Richtlinie und Verordnung der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 erfolgt keine vertiefte Auseinandersetzung mit den Gründen für die Unterbindung von Leistungskombinationen. Als instruktiv erweist sich die früheren Reformen von §§ 319, 319a HGB vorausgegangene Gesetzgebungsgeschichte speziell zum Verbot der Kombination von Prüfung

581 Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt Überbl. vor § 316 HGB Rn. 12, § 319 HGB Rn. 5 unter Verweis auf 64. DJT 2002, Abt. Wirtschaftsrecht, Beschl. 1.14. 582 17 CFR § 210.2-01(c)(4)(x). 583 PCAOB rules 3522 ff. (tax transactions, tax services), 3524 (audit committee preapproval). 584 Näher 13. Kapitel: C.II.1.a (S. 700). 585 Statt vieler Macey Corporate Governance, 2008, S. 162 m. w. N. zur Steigerung der Prüfungskosten von 3,5 Millionen auf 5,8 Millionen US-Dollar. 586 Zu den SEC-Erlassen Schmidt BB 2003, 779 ff. Im Überblick mit den Erlassen des PCAOB Ring WPg 2002, 1345, 1346 ff. 587 Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, 136. Sitzung, 29.10.2004, Plenarprotokoll 15/136, S. 12521 (Hartenbach).

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und Rechtsberatung, die auch nach neuem Recht für Streit sorgen könnte.588 Der Einsatzradius einer Begründung aus dem verhältnismäßig unbestimmten besonderen Vertrauensbedürfnis des Markts wurde im Vorfeld des BilReG mit Blick auf die Rechtsberatung durch den Prüfer diskutiert: Nach dem Regierungsentwurf war ein unbedingter Ausschluss für den Fall der gerichtlichen Vertretung des Emittenten vorgesehen (§ 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB-E 2004). Bei gerichtlicher Vertretung entstehe ein Interessenwahrungsverhältnis, das den Intermediär zumindest äußerlich dem „Lager“589 des Emittenten zuordne, so dass der Eindruck einer unbefangenen Prüfung kaum zu wahren sei. Umschrieben ist damit ein eigener (und wichtiger) Ausschlussgrund aus einem besonderen Marktvertrauen, das auch in den USA betont wird. Der Bundesrat wollte noch darüber hinausgehen und meinte, auf die Außenwirkung komme es bei der Frage nach dem Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht an. Der Prüfer setze sich „für die Interessen seines Mandanten bei Auseinandersetzungen etwa mit der Finanzverwaltung ebenso stark ein wie vor Gericht“.590 Danach hätte auch die außergerichtliche Vertetung untersagt werden müssen. Nach der Argumentation des Bundesrats blieben die für den Aufbau von Marktvertrauen maßgeblichen Mechanismen unberücksichtigt. Die für das Marktvertrauen maßgeblichen Reputationswerte verändern sich nur bei äußerlicher Beobachtbarkeit.591 Deshalb ist durchaus ein Unterschied zwischen außergerichtlicher und gerichtler Vertretung zu erkennen. Gerade mit Blick auf gesamtwirtschaftliche Kostenvorteile aus der Inanspruchnahme privater Informationsintermediäre ist ein nach Gefahrenlagen differenzierender Umgang mit dem Verbot von Leistungskombinationen geboten. Die Bundesregierung fasste diesen Gedanken zumindest im Ergebnis wie folgt: Es führe zu unverhältnismäßigen Kosten, „sich auch für Zwecke der Auseinandersetzung z. B. mit der Finanzverwaltung, insbesondere im Rahmen der Betriebsprüfung, mit einem gesondert zu beauftragenden und zu vergütenden Beistand zu versehen“.592 In der sodann verabschiedeten Fassung wurde das vollständige Verbot gerichtlicher Vertretung gestrichen. In der Folge führte die gerichtliche Vertretung wie die außergerichtliche nur nach Maßgabe von Ausmaß- und Auswirkungskriterium zum Prüferausschluss. Das möglicherweise weitergehende Verbot der Kombination von Prüfung und Rechtsberatung nach der EU-AbschlussprüferVO zeigt die fortwährende Aktualität der Fragestellung auf. Die beschriebenen Erfahrungen in der deutschen Gesetzgebungsgeschichte geben Anlass, ein besonderes Vertrauensbedürfnis des Markts nicht zur Begründung eines flächendeckenden Verbots zusätzlicher Leistungen des Prüfers heranzuziehen.593 Siehe dazu im vorherigen Abschn. c (S. 665 ff.) RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 42. 590 Siehe die Stellungnahme des Bundesrats und die Gegenäußerung der Bundesregierung; RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 60, 62. 591 Instruktiv Quick DBW 2004, 487, 494. 592 RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 42. 588 589

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

e. Verbot der Selbstprüfung Die besonders in der Gesetzgebungsgeschichte zu § 319a HGB bemühte Rechtfertigung der Ausschlussgründe aus dem engeren Selbstprüfungsverbot wird sowohl im Recht der vertraglichen Interessenwahrung als auch im Kontext der kapitalmarktlichen Informationsintermediation (etwa bei der Finanzanalyse)594 zur Verdichtung von bloßen Organisationspflichten zum Leistungsverbot herangezogen.595 Nach der Allweiler-Rechtsprechung596 des BGH von 1997 kommt es zu einer beachtlichen Selbstprüfung, wenn die vorhergehende Beratung über das Aufzeigen von Alternativen hinausgeht und dem Beratenen die Entscheidung entzogen ist, ob er dem Vorschlag folgt oder nicht (funktionale Entscheidungskompetenz, Ausmaßkriterium des § 319a Abs. 1 Nr. 2 HGB a. F.).597 Für den Fall, dass allein das aufgezeigte Vorgehen rechtlich zulässig ist, soll es sich hingegen um eine nicht zu beanstandende Teilprüfungsentscheidung im Sinne einer prüfungsvorbereitenden Beratung handeln, die aus Sicht des Selbstprüfungsverbots unproblematisch ist.598 In der bestätigenden HypoVereinsbank-Entscheidung von 2002 wurde ein Befangenheitsgrund in der „natürlichen Selbstrechtfertigungstendenz“ eines Prüfers erkannt, der bei einem vorausgegangenen Verschmelzungswertgutachten mit -wertrelation Risiken in Milliardenhöhe unberücksichtigt gelassen hatte.599 Später verdeutlichte das Urteil des BGH im Fall Kirch/Deutsche Bank von 2009, dass die Gefahren der Selbstprüfung besonders schwer wiegen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensersatzansprüche drohen.600 Zwischenzeitlich waren die vom BGH entwickelten und von Literatur601 und Berufs593 Tendenziell weitergehend Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 255 ff., 266. 594 Näher 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659). 595 Zum Ganzen Hopt ZGR 2004, 1, 37 (Stimmrechtsverbot); Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 423. 596 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 317/95 (Allweiler), BGHZ 135, 260, Juris-Tz. 9 bestätigt durch BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank), BGHZ 153, 32, Juris-Tz. 24. 597 Kritisch zur Allweiler-Rechtsprechung Hommelhoff ZGR 1997, 550, 560. Eingehend Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 172 ff., 177. 598 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 317/95 (Allweiler), BGHZ 135, 260, Juris-Tz. 9. 599 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank), BGHZ 153, 32, JurisTz. 34. Zum Verdeckungsrisiko Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 104. 600 BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch / Deutsche Bank), BGHZ 180, 9 Tz. 47. Dazu Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 319 HGB Rn. 10; GroßkommStaubHGB5Habersack / Schürnbrand § 319 Rn. 22, ebd. § 319a Rn. 13 ff., 17; MünchKommHGB3-Ebke § 319a Rn. 14. Näher Knorr in: FS Röhricht 2005, S. 935. 601 Maßgeblich Baetge / Lutter (Hrsg.), Abschlussprüfung und Corporate Governance, 2003, S. 9.

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stand602 weiter ausgeformten Kriterien in die Neufassung der §§ 319, 319a HGB durch das BilReG von 2004 eingeflossen.603 In der Zusammenschau legen diese, durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 nicht überholten Gedankengänge der Gesetzesgeschichte nahe, Selbstprüfungsgefahren nur in solchen Konstellationen zur Begründung eines Ausschlusses des Intermediärs heranzuziehen, in denen davon auszugehen ist, dass die Beratungsleistung später zum Gegenstand der Prüfungs- oder Bewertungsleistung wird. Das ist keineswegs zwingend der Fall. Die Enge des Verbots einer Selbstprüfung verstellt aber keineswegs den Ausschluss des Intermediärs aus anderen Gründen, insbesondere aus einem in der ökonomischen Theorie anerkannten Marktversagen, wie im Folgenden zu besprechen. f. Verbot strategischer Kombinationen (low-balling) Die in der rechtsökonomischen Forschung bereits in den 1980er-Jahren herausgearbeiteten Gefahren systematischer Fehlanreize infolge von Leistungskombinationen werden zwar international diskutiert, haben in der beschriebenen Entwicklung des Normbestands aber kaum Widerhall gefunden. Bei der Abschlussprüfung führen durch das Angebot von Leistungskombinationen vermittelte systematische Fehlanreize nach Stand der Forschung zu einer strategischen Unterproduktion qualitativ hochwertiger Prüfungsleistungen mit dem Ziel, (lukrativere) Mandate aus Nichtprüfungsleistungen einzuwerben (low balling).604 Dem muss keine Kollusion zugrunde liegen, wenn auch gerade die Zulässigkeit von Leistungskombinationen Möglichkeiten zu einer solchen eröffnet. Der einzelne Prüfer kann sich vielmehr dem Marktdruck auf die Absenkung der Prüfungsqualität nicht widersetzen, will er nicht von Konkurrenten verdrängt werden (race to the bottom).605 Der maßgebliche Unterschied zu den zuvor genannten Begründungsansätzen besteht darin, dass die erbrachten Leistungen anders als etwa die gerichtliche Vertretung nicht nach außen in Erscheinung treten müssen, also nicht unmittelbare Ursache eines spezifischen Verlusts von Marktvertrauen in die folgende Prüfung dieses Emittenten werden und anders als bestimmte Steuerberatungs- oder Bewertungsleistungen auch nicht zwingend Gegenstand der späteren Prüfung sind, also nicht unbedingt die Gefahr einer Selbstprüfung begründen.

Siehe etwa § 49 WPO i. V. m. § 23 Abs. 2 Nr. 2 BS WP/vBP zum Kriterium der Wahrscheinlichkeit eines Rechtsstreits als Anlass zur Besorgnis der Befangenheit. Näher KommWPO2-Hennig / Precht § 49 Rn. 43. 603 Zum Rezeptionsprozess RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419 v. 24.6.2004, S. 27, 36 ff. 604 Grundlegend De Angelo 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). 605 Bei Bestehen qualitätssichernder Institutionen kommt es nicht zum Marktzusammenbruch, sondern zu der niedrigsten möglichen Produktqualität. Näher Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 257. 602

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Regelungstechnisch sind die problematischen Konstellationen innerhalb eines Kombinationsmodells, das Nichtprüfungsleistungen zulässt, nur schwer fassbar. Insbesondere die besprochenen Maßnahmen zur Verhinderung finanzieller Abhängigkeiten606 können dem systematischen Absinken der Prüfungsqualität unterhalb der Umsatzabhängigkeitsgrenze wenig entgegensetzen. Wie nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO für Unternehmen von öffentlichem Interesse geregelt und allgemein von § 55 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 3 WPO vorgesehen darf die Vergütung des Prüfers nicht von der Erbringung zusätzlicher Leistungen für das geprüfte Unternehmen beeinflusst oder bestimmt sein.607 Die WPK ist verpflichtet, den mit einer besonders niedrigen Honorarvereinbarung verbundenen Bedenken nachzugehen.608 Im Falle eines erheblichen Missverhältnisses ist nach bisheriger Praxis vom Prüfer aber lediglich ein angemessener Zeitaufwand und der Einsatz qualifizierten Personals nachzuweisen, dass „eine angemessene Zeit aufgewandt und qualifiziertes Personal eingesetzt wurde“ (§ 55 Abs. 1 Satz 5 WPO).609 Schon die Feststellung des erheblichen Missverhältnisses (Aufgreifkriterium) ist nicht leicht.610 Angesichts der einschneidenden Sanktion, also der in Betracht kommenden Nichtigkeit der Honorarvereinbarung nach § 134 BGB,611 wird nur in krassen Fällen eine Unterschreitung der Mindestqualität angenommen werden.612 Im Vorfeld der nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO jetzt auf 70 Prozent der Gesamteinnahmen begrenzten Nichtprüfungsleistungen war (einschneidender) einer Begrenzung der Zusatzeinnahmen auf die Höhe der Einnahmen aus der Abschlussprüfung vorgeschlagen worden.613 Ziel, gleich welcher Grenze, ist die Unterbindung von in den Dienst lukrativer Zusatzleistungen gestellter Prüfungsleistungen. Durch den invasiven Eingriff in das Preisgefüge sind alledings auch die im Einzelfall durchaus sinnvollen Beratungsleistungen verstellt. Die Möglichkeit zur auf ein Jahr begrenzten behördlichen Ausnahmegenehmigung durch die APAS bei Überschreitung der Bermessungsgrenze nach § 319a Abs. 1a HGB soll diesem Einwand Rechnung tragen. Die Kostenvorteile des bestehenden Kombinationsmodells sind vor allem durch Maßnahmen auf der Seite des Emittenten zu wahren. In Betracht kommt 606 Einordnend Marx ZGR 2002, 292, 295. Weitergehend Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 260 ff., 266, der Leistungsverbote aus (drohender) wirtschaftlicher Abhängigkeit herleiten will. 607 Zu Anwendungsfällen Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 229. 608 § 27 Abs. 1 Satz 3 BS WP/vBP mit Erläuterung S. 79. 609 Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 229. 610 So auch die Erläuterung der WPK zu § 27 Abs. 1 Satz 3 BS WP/vBP, S. 80. 611 Dazu 13. Kapitel: B.I.2.a (S. 617). 612 KommWPO2-Goltz § 55 Rn. 32 ff. 613 Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 91, 95 (Vorschlag 4).

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eine gestärkte Überwachung durch den Aufsichtsrat.614 Wie besprochen müssen nach Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO Mandate zu Steuerberatungsleistungen (soweit überhaupt zulässig) im Vorfeld vom Prüfungsausschuss (audit committee) des Emittenten gebilligt werden.615 Zwar ist die Einrichtung eines Prüfungsausschusses nach wie vor nur für Gesellschaften verpflichtend, die nicht über einen Aufsichtrat verfügen. Für das deutsche Recht wurde ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats jedoch bereits vom 61. Deutschen Juristentag 1996 vorgeschlagen.616 Eine Verpflichtung zur Einrichtung in Analogie zu § 114 AktG würde schon an der mangelnden Vergleichbarkeit von Beratungsverträgen mit Organmitgliedern und externem Prüfer scheitern.617 Das stellte die Aufsichtsräte, insbesondere die Aufsichtsräte kapitalmarktorientierter Gesellschaften, aber schon bislang nicht von ihrer Verantwortung aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG frei, nach pflichtgemäßem Ermessen einen solchen Zustimmungsvorbehalt zu erlassen. Dass auf die für Gesellschaften ohne Aufsichtsrat verpflichtende Gestaltung bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften verzichtet werden könnte, wäre kaum zu begründen. In aller Regel wird schon wegen der Empfehlung nach Ziff. 5.3.2 Satz 1 DCGK ein Prüfungsausschuss eingerichtet werden. Flankierend wären Transparenz und Verhaltenssteuerung über eine nach § 161 AktG erklärungspflichtige Empfehlung des DCGK zur Billigung von Nichtprüfungsleistungen durch den Prüfungsausschuss zu steigern. Im Einzelnen sind diese Regelungsmöglichkeiten auch mit Blick auf andere Intermediationsleistungen noch im Zusammenhang mit der Gestaltung der Vergütungsverhandlung zu diskutieren.618 g. Vollständiges Beratungsverbot Auf höchster Eingriffsstufe steht ein vollständiges Verbot der Kombination von Intermediations- und Zusatzleistungen (Trennungsmodell). Vor allem ein Verbot von Beratungsleistungen könnte bei stringenter Durchsetzung sämtliche Gefahrenlagen, also solche aus Selbstprüfung, Vertrauensverlusten und systematischen Fehlanreizen unterbinden oder erheblich abmildern. In Reinform ist das Trennungsmodell bislang in keinem der Intermediationsbereiche vorzufinden. Ansätze einer vollständigen Unterbindung von BeratungsMarx ZGR 2002, 292, 313 f. mit Vergleich zum US-amerikanischen Recht. Befürwortend Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 91, 96 (Vorschlag 5). 616 Beschluss 18a, Abteilung Wirtschaftsrecht, 61. DJT 1996, abgedr. in Verhandlungen des 61. DJT, Bd. 2/2 (Sitzungsberichte), S. N212 ff. Siehe auch Götz AG 1997, 38, 40. Nach Hellwig ZIP 1999, 2117, 2125 Fn. 92 wurde der Vorschlag vom BMJ trotz anerkannter Überzeugungskraft nicht aufgegriffen. 617 Für die Analogiefähigkeit Hellwig ZIP 1999, 2117, 2125. 618 Näher 13. Kapitel: C.II.1.a (S. 700). 614 615

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

leistungen finden sich wie angesprochen im US-amerikanischen Recht der Abschlussprüfung, das vermittelt über die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 weiter an Einfluss gewinnt. Der noch im Grünbuch der Europäischen Kommission von 2010 vorgesehene generelle Ausschluss eines Angebots von Nichtprüfungsleistungen, also die ausschließliche Orientierung auf die Abschlussprüfung (pure audit firms),619 konnte sich aber nicht durchsetzen.620 Der Ausschluss hätte (realistischerweise) erst ab einer bestimten Größe der Prüfungsgesellschaft greifen können und indirekt eine Zerschlagung der big four zur Folge gehabt.621 Demgegenüber sieht die EG-RatingVO ein Verbot der Kombination von Bonitätsbeurteilung und Beratung vor, das nachfolgend Anlass zur Auseinandersetzung mit den Chancen des Trennungsmodells bietet. Während in anderen Rechtsordnungen (noch) auf Offenlegungspflichten gesetzt wird,622 folgt die EG-RatingVO dem US-amerikanischen Recht und untersagt Beratungsleistungen.623 Von der SEC wird das Verbot von Beratungsleistungen mit dem Selbstprüfungsverbot begründet: „in simple terms, the rule prohibits an NRSRO from rating its own work“.624 Die Erwägungsgründe zur EG-RatingVO sprechen zwar ohne weitere Differenzierung von Interessenkonflikten.625 Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich aber, dass auch insoweit Gefahren der Selbstprüfung ausschlaggebend waren.626 Die im Jahr 2013 neu aufgenommenen Formulierungen erstrecken das Verbot auf Anteilseigner und Mitglieder von Ratingagenturen.627 Das weitgefasste Verbot nach Anh. I Abschn. B Nr. 4 Abs. 1 EG-RatingVO untersagt es, „dem bewerteten Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Dritten Beratungsleistungen (zu erbringen), die die Unternehmens- oder Rechtsstruktur, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Tätigkeiten des bewerteten Unternehmens oder des mit ihm verbundenen Dritten betreffen“.628 Sicherzustellen ist dazu, dass die Ratinganalysten oder Personen, die Ratings genehmigen, weder formell noch informell Vorschläge unterbreiten oder Empfehlungen zur Konzeption strukturierter Finanzinstrumente abgeben, zu denen von der Agentur ein Rating erwartet wird.629 Möglich bleiben allerdings so bezeichnete 619 Europäische Kommission, Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise, Grünbuch v. 13.10.2010, KOM (2010) 561 endg., S. 14. 620 Hintergründe bei Hopt ZGR 2015, 186, 194 f. 621 Schüppen NZG 2016, 247, 248; Velte StuB 2014, 324, 325. 622 Vergleichend Schroeter Ratings, 2014, S. 737 ff. m. w. N. 623 17 CFR § 240.17g-5(c)(5). 624 SEC, Amendments to Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, Final Rule, Release No. 34-59342 v. 2.2.2009, S. 38. 625 Erwägungsgrund 22 zur EG-RatingVO. 626 The High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), Report, 25.2.2009, Rn. 21; Financial Stability Forum, Report of the Financial Stability Forum on Enhancing Market and Institutional Resilience, 7.4.2008, S. 33. 627 Erwägungsgrund 20 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 628 Kursivdruck hinzugefügt. 629 Anh. I Abschn. B Nr. 5 EG-RatingVO.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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„Nebendienstleistungen“, also „Marktprognosen, Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung, Preisanalysen und andere Analysen allgemeiner Daten sowie damit zusammenhängende Verteilungsdienste“.630 Insgesamt ist der Ansatz strenger als der für die Abschlussprüfung gewählte, denn Beratungsleistungen aus dem auf die Intermediationsleistung bezogenen Kerngeschäft unterliegen nicht nur graduellen Verboten, sondern sind vollständig untersagt. In der Literatur finden sich überwiegend befürwortende Stellungnahmen, aber auch ernstzunehmende Kritik, derzufolge das Beratungsverbot als überschießend zu bewerten ist.631 Bezweifelt wird vor allem, ob es sich bei den einem Rating vorgelagerten Tätigkeiten überhaupt um Beratungsleistungen handelt. Die in der Schweiz beobachtete Abgabe von Ratings durch die emissionsbegleitenden Banken jedenfalls ist – vergleichbar der Finanzanalyse durch emissionsbegleitende Banken632 – anerkanntermaßen eine problematische Leistungskombination.633 Zu Recht anders beurteilt werden aber bloße Erläuterungen der Ratingmethoden und -kriterien, die anderenfalls nicht eingeschätzt werden könnten (Blackbox).634 Ohne Individualisierung auf bestimmte Maßnahmen dieses Emittenten können solche Erläuterungen nicht als Beratung im eigentlichen Sinne gelten.635 Nicht zu folgen ist hingegen der Überlegung, nach der es sich von vornherein nicht um Beratung handeln kann, weil Ratingagenturen anders als Abschlussprüfer eine Beurteilung nach eigenen Methoden erbringen.636 Das Problem der Vorabfestlegung auf ein späteres Beurteilungsergebnis besteht unabhängig von der Methodenverantwortung und der -urheberschaft.637 Ein gewisses Indiz für die ertragswirtschaftliche Relevanz des Verbots ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass führende Agenturen die 2004 von der IOSCO veröffentlichte Empfehlung zur Abstandnahme von Beratungsleistungen (no-advise rule) nicht in ihre hausinternen Verhaltenskodices übernahmen.638 Soweit bei Anleiheratings regelmäAnh. I Abschn. B Nr. 4 Abs. 2 Halbs. 2 EG-RatingVO. Kritisch Kübler in: FS Schwark 2009, S. 499, 509. Ebenso Möllers JZ 2009, 861, 864; Schroeter Ratings, 2014, S. 730 ff. m. w. N. Vor Erlass der EG-RatingVO bereits Fleischer Gutachten F, 64. DJT 2002, S. F137; Morkötter / Westerfeld ZfgK 2008, 393, 396. 632 Zum Sonderproblem paralleler Angebotsbewertungen (fairness opinions) 13. Kapitel: B.IV.2.b (S. 662). 633 Emmenegger in: Wiegand (Hrsg.), Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56, 90; Schroeter Ratings, 2014, S. 731 f. 634 Blaurock ZGR 2007, 603, 645. Zur Unzugänglichkeit der rating manuals bereits Palyi 11 J. Bus. 70, 81 (1938) („extremely secretive“). 635 Darcy Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 649. Ebenso Schroeter Ratings, 2014, S. 730 ff.; Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 266. 636 Schroeter Ratings, 2014, S. 731 ff., 732. 637 Zur Methodenverantwortung 13. Kapitel: A.III.1.b (S. 583). 638 CESR, Report by CESR on compliance of EU based Credit Rating Agencies with the 2008 IOSCO Code of Conduct, CESR/09-417, Mai 2009, Ziff. 61, 12. Siehe bereits Blaurock ZGR 2007, 603, 649. 630 631

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

ßig keine vorangestellte (entgeltliche) Beratung erfolgt, kann sich das Kombinationsverbot kaum als schädlich erweisen.639 Wenn demgegenüber Beratungsleistungen erbracht werden, können sich aus der Kombination von Rating und Beratung die bei der Abschlussprüfung diskutierten Beeinträchtigungen des Marktvertrauens, Verletzungen des Selbstprüfungsverbots und systematische Fehlanreize ergeben. Bereits bei Einführung des Beratungsverbots in den USA bemängelten die Ratingagenturen, dass die Trennlinie zwischen den zulässigen allgemeinen Erläuterungen und der unzulässigen Beratung schwer zu ziehen sei.640 Das gilt auch für den von der EG-RatingVO gewählten Begriff der (zulässigen) „Nebendienstleistung“.641 Allerdings wird der Begriff von der EG-RatingVO durch die soeben zitierte Auflistung der in Betracht kommenden Tätigkeiten konkretisiert. Ohnehin unterfallen Nebenleistungen dem allgemeinen Verbot konfliktbefangener Ratingerstellung.642 Im Vergleich dürften die Leistungsverbote des Abschlussprüfers kaum leichter zu erfassen sein, zumal sich auch ohne Verbot einer bestimmten Nichtprüfungsleistung ein allgemeiner Ausschlussgrund aus Befangenheit ergeben kann.643 Bei der Finanzanalyse sind zahlreiche Fälle, in denen sich die Organisationspflichten zum Leistungsverbot verdichten (sollen) dem Normbestand nicht unmittelbar zu entnehmen.644 Für sämtliche und besonders für das in diesem Abschnitt schwerpunktmäßig behandelte Rating bleibt es bei der Forderung nach einer Vergewisserung der Problemlagen unter funktional vergleichbaren Begrifflichkeiten.645 Bis sich auf diesem Wege Sicherheit im Umgang mit Zweifelsfragen einstellt, sind konkretisierende Einzelregelungen gerade in Bezug auf die komplexen Konfliktlagen bei Leistungskombinationen unerlässlich.

Ob entgeltliche Beratungsleistungen angeboten werden, ist nicht klar. Dies behauptend Strier 113 Bus. & Soc. Rev. 533, 537 (2008). Zweifel bei Darcy Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 649; Schroeter Ratings, 2014, S. 731. 640 SEC, Amendments to Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, Final Rule, Release No. 34-59342 v. 2.2.2009, S. 42. 641 Möllers JZ 2009, 861, 865. Ebenso Haar ZBB 2010, 185, 190; Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G73. Eingehend Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 272. 642 Erwägungsgrund 22 zur EG-RatingVO. 643 Siehe nur die Hypovereinsbank-Rechtsprechung zu Verschmelzungsgutachten und -wertrelationen, die zwar nicht Rechts- oder Steuerberatung sind, aber gleichwohl zur Befangenheit führen können; BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank), BGHZ 153, 32, Juris-Tz. 36. Dazu im Zusammenhang 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665). 644 Dazu 13. Kapitel: B.IV.2.a (S. 659). 645 Siehe die mit römischen Zahlen versehenen Überschriften in diesem und dem folgenden Kapitel. 639

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h. Fortbestehende Probleme beim Rating Für das Rating sei exemplarisch auf drei eng miteinander verwobene Problemfelder innerhalb des geltenden Trennungsmodells hingewiesen: Das erste betrifft Umgehungsmöglichkeiten.646 Während bereits die Ursprungsfassung der EG-RatingVO dem bewerteten Unternehmen mit ihm verbundene Dritte zurechnete, fehlte eine solche Regelung zunächst für die Seite des Ratingerstellers. Ohne direkten Verstoß gegen das Leistungsverbot konnten Rating- und Beratungsleistungen also durch Schwesterunternehmen unter dem Dach einer Holding erbracht werden.647 Es lag nahe, dass diese im US-amerikanischen Recht648 ausdrücklich verstellte Umgehungsmöglichkeit durch die Änderung der EGRatingVO von 2013 unterbunden wurde.649 Das zweite Problem betrifft die im Vorfeld der Emission strukturierter Finanzprodukte erbrachten Leistungen. Nach Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anh. I Abschn. B Nr. 5 EG-RatingVO dürfen die Agenturen „weder formell noch informell Vorschläge unterbreiten oder Empfehlungen abgeben, die die Konzeption strukturierter Finanzinstrumente betreffen, zu denen von der Ratingagentur ein Rating erwartet wird“. Strukturierte Finanzprodukte sind (oder waren) durch einen gleichsam umgekehrten Ratingprozess getrieben.650 Der wirtschaftliche Nutzen von Forderungsbündelung und Tranchierung des Endprodukts ist ohne vorherige Kenntnis der künftigen Bonitätsbeurteilung nicht zu erzielen. Die dementsprechend unerlässlichen Vorabeinschätzungen bedingen die Struktur des Produkts. Sie sind nach sogleich weiterzuverfolgenden Überlegungen selbst unter dem von der Rechtsprechung zur Abschlussprüfung bekannten Kriterium der funktionalen Entscheidungskompetenz des Informationsempfängers als Beratung einzuordnen.651 Unter die von der EG-RatingVO als Nebendienstleistungen bezeichneten und erlaubten Tätigkeiten lässt sich die Praxis der vorgelagerten Abstimmung mit der Agentur aber nicht fassen. Zu überlegen ist, ob von einer bloßen Erläu646 Zu den Umgehungsmöglichkeiten Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 264. 647 Zur Ausgliederung der nichtratingbezogenen Leistungen bei der Agentur Fitch siehe CESR, CESR’s Second Report to the European Commission on the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code and The role of credit rating agencies in structured finance, CESR/08-277, Mai 2008, Rn. 77. 648 Nach 17 CFR § 240.17g-5(c)(5) erstreckt sich das Beratungsverbot auf „a person associated with the nationally recognized statistical rating organization“. Konkretisierend SEC, Amendments to Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, Final Rule, Release No. 34-59342 v. 2.2.2009, S. 38. 649 So zu finanziellen Verflechtungen 13. Kapitel: B.III.2 (S. 645 ff., 649). 650 Financial Stability Forum, Report of the Financial Stability Forum on Enhancing Market and Institutional Resilience, 7.4.2008, S. 34: „inverted“ ratings process (Anführungszeichen im Original). 651 Tendenziell anders Schroeter Ratings, 2014, S. 288 ff., 730 ff.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

terung ausgegangen werden kann, wenn die Eigenschaften der zur Bündelung in Betracht kommenden Einzeltitel und die Tranchenbildung lediglich abstrakt beschrieben werden. Nach Entstehungsgeschichte und Erwägungsgründen der EG-RatingVO kommt auch dieses Verständnis kaum in Betracht.652 Die Aufteilung von Beratung und Rating auf zwei Agenturen ist theoretisch denkbar, praktisch aber kaum umzusetzen, weil sich die Agenturen bereits im Vorfeld auf Methoden und Kriterien einigen müssten. Auch dies wäre mit Sinn und Zweck der auf Unabhängigkeit der abschließenden Bonitätsbeurteilung zielenden EGRatingVO nicht zu vereinbaren. In der Konsequenz ist eine jedenfalls bei einmaliger (nicht mehrmaliger)653 Bündelung zur Risikodiversifikation sinnvolle Transaktionsform nicht mehr auf Grundlage externer Ratings umzusetzen. Es bleibt dann nur die interne Bewertung, die bei ihrer Veröffentlichung durch den Emittenten oder seine Absatzhelfer keine unabhängige Information ist und bei Durchführung durch die aufnehmenden Institutionen den Anreizproblemen interner Bonitätsbeurteilungen unterliegt.654 Drittens weist die EG-RatingVO im Umgang mit rating assessment services Lücken auf. Auch hierbei handelt es sich um zunächst unveröffentlichte Bonitätseinschätzungen, die auf Grundlage von pro forma erteilten Einschätzungen zu den Folgen bestimmter Maßnahmen, z. B. zu Unternehmenszusammenschlüssen, erstellt werden.655 Denkbar ist eine Einordnung von rating assessment services als unzulässige Beratung oder auch als zulässiges Rating.656 Nach den für die Abschlussprüfung geltenden Grundsätzen wären sie auch bei späterem Ereigniseintritt als (zulässige) Teilprüfungsleistung zu qualifizieren, so dass sich kein Verbot ergäbe.657

Erwägungsgrund 22 zur EG-RatingVO formuliert einerseits: „Insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung strukturierter Finanzinstrumente sollten Ratingagenturen keine Vorschläge oder Empfehlungen unterbreiten dürfen.“ Andererseits im Folgesatz: „Nebendienstleistungen sollten allerdings gestattet sein, soweit sie keine Interessenkonflikte mit der Abgabe von Ratings nach sich ziehen.“ 653 Hellwig Gutachten E, 64. DJT 2004, S. E22: Für eine „zweite Stufe der Verbriefung – wie auch für alle weiteren Stufen, die Schaffung von MBS CDO2, MBS CDO3 usw. – gibt es aus ökonomischer Sicht keinen Grund“. 654 Kraakman 2 J.L. Econ. & Org. 53, 77 (1986) zu der Gefahr, risikoreiche Transaktionen gerade nicht der Beurteilung durch einen gatekeeper zu unterstellen, sondern inhouse erledigen zu lassen. Anders aber Coffee Gatekeepers, 2006, S. 352 ff. Diskussion bei Fox 109 Colum. L. Rev. 237, 300 (2009). 655 Eingehend Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 267. 656 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 268. 657 Zur Abschlussprüfung BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 317/95 (Allweiler), BGHZ 135, 260, Juris-Tz. 9. Näher 13. Kapitel: B.IV.2.e (S. 670). 652

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Vom CESR wurde für das Rating die gegenteilige Auffassung vertreten.658 Die wesentlichen Gründe ergeben sich aus den bereits im Zusammenhang mit einer nachträglichen Umstufung der privat beauftragten zur öffentlichen Bonitätsbeurteilung vorgestellten Überlegungen:659 Ihre Rolle als unabhängige Informationsintermediärs mit Funktionen der Marktzugangskontrolle können die Agenturen nicht ausfüllen, wenn es ihrer Entscheidung überlassen bleibt, ob die jeweilige Leistung den Vorgaben der EG-RatingVO unterfällt. Das spricht für die Einordnung als unzulässige Beratung.660 Wie bei der Abschlussprüfung sind mit der Trennung von Beratung und Beurteilung zusätzliche Kosten verbunden. Aus Sicht des informationssuchenden Emittenten ergibt sich eine nicht zu unterschätzende Kostenkomponente aus der Unsicherheit über den Ausgang der von einer anderen Agentur zu erbringenden Bonitätsbeurteilung. Mit solchen Kostensteigerungen vertraut ist etwa die Trennung von (unabhängiger) Finanzanalyse und Investmentgeschäft. Besonders die zuletzt genannten Argumente leiten hin zu einem übergreifenden und die Diskussion des Beratungsverbots abschließenden Punkt: Zur Begründung und zum sachgerechten Umgang mit dem Beratungsverbot sollen nach vereinzelter Ansicht Übertragungsversuche aus dem Recht anderer Intermediationsleistungen, insbesondere dem der Abschlussprüfung, von vornherein nicht in Betracht kommen.661 Bei funktionaler Betrachtung der Wirkung von Leistungen der Informationsintermediation und der damit verbundenen Verantwortung für die Marktzugangskontrolle ist die Annahme einer Sonderrolle des Bonitätsratings zwar nicht haltbar. Gleichwohl stoßen Versuche der direkten Übertragung an enge Grenzen. Überlegt wird etwa eine (wohl) als teleologische Reduktion des Beratungsverbots zu verstehende Anwendung des Kriteriums der funktionalen Entscheidungskompetenz aus der Rechtsprechung zur Abschlussprüfung im Fall Allweiler 662 von 1997.663 Danach wäre das Selbstprüfungsverbot trotz individualisierter Information nicht verletzt, wenn lediglich Entscheidungsalternativen aufgezeigt werden, dem Emittenten aber die Letztentscheidung überlassen bleibt. Für den CESR, CESR’s Second Report to the European Commission on the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code and The role of credit rating agencies in structured finance, CESR/08-277, Mai 2008, Rn. 102, 210. 659 Auch der umgekehrte Weg ist denkbar, insbesondere wenn im Einvernehmen von Agentur und Emittenten die Veröffentlichung einer Negativbeurteilung unterbunden werden soll. Näher 13. Kapitel: A.III.3.b (S. 592). 660 Im Ergebnis ebenso Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 269. 661 So Schroeter Ratings, 2014, S. 732. Offen hingegen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 265 f. 662 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 317/95 (Allweiler), BGHZ 135, 260, Juris-Tz. 9. 663 Zur Parallelwertung für das Rating Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 266. 658

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Fall der Alternativlosigkeit hatte der BGH ausdrücklich keine Verletzung des Selbstprüfungsverbots, sondern eine (zulässige) Teilprüfungsentscheidung im Sinne einer prüfungsvorbereitenden Beratung angenommen.664 Für das Rating müsste dies bedeuten, dass die Mitteilung einer „nur so, aber nicht anders“ zu erreichenden Bonitätsnote nicht zum Verbot der nachgelagerten Bonitätsbewertung führen würde. Letztlich wäre damit der Agentur die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beratungsleistung übertragen, denn kraft ihrer Methodenautonomie kann sie selbst darüber befinden, welche Entscheidung des Emittenten die Vergabe einer bestimmten Bonitätsnote rechtfertigt.665 Den übermittelten Gestaltungsvorgaben könnte der Emittent sich nur unter (gegebenenfalls hohen) finanziellen Einbußen widersetzen. Das Kriterium der funktionalen Entscheidungskompetenz erweist sich vor diesem Hintergrund beim Rating jedenfalls in der vom BGH für die Abschlussprüfung gewählten Form als nur eingeschränkt weiterführend. Bei auf den individuellen Emittenten zugeschnittenen Erläuterungen von Modellen und Kriterien zur Erreichung einer bestimmten Bonitätsnote, insbesondere bei Verbindung mit Hinweisen zu denkbaren Tranchierungen, ist deshalb eine das spätere Rating verstellende Beratung anzunehmen. Für einen in diesem Sinne eng beim Wortlaut der EG-RatingVO verbleibenden Umgang mit dem Beratungsverbot spricht nicht zuletzt das Fehlen wesentlicher Rahmengebungen, wie sie im Recht der Abschlussprüfung gegeben sind. Zu nennen sind die Aufteilung der Methodenverantwortung zwischen Berufsstand und Prüfer sowie Mechanismen der berufsständischen Überwachung und Qualitätskontrolle (peer review). Von Ratingagenturen wurden schon die nach dem IOSCO-Kodex empfohlenen Vertraulichkeitsbereiche (Chinese walls bzw. screens) nicht zufriedenstellend umgesetzt.666 Ein vergleichsweise invasiveres Beratungsverbot kann beim Bonitätsrating auch vor diesem Hintergrund durchaus angezeigt sein.667 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Geschäftliche Beziehungen zum Emittenten beeinträchtigen die Unabhängigkeit bei finanzieller Abhängigkeit des Intermediärs und bei Einsatz der Informationsintermediation zur Einwerbung lukrativer Zusatzleistungen.

BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 317/95 (Allweiler), BGHZ 135, 260, Juris-Tz. 9. Dazu im Zusammenhang 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665 ff.). 665 Zur Methodenautonomie 13. Kapitel: A.III.1.b (S. 583). 666 CESR, Report by CESR on compliance of EU based Credit Rating Agencies with the 2008 IOSCO Code of Conduct, CESR/09-417, Mai 2009, Ziff. 67 ff. Im Zusammenhang Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 158 f. Zum Einsatz von Chinese walls bei Ratingagenturen Volk ZBB 2005, 273, 279. 667 Zur Abwägung von Eingriffsintensitäten 9. Kapitel: C (S. 307 ff.). 664

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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1. Finanzielle Abhängigkeiten (Abschnitt 1, S. 651 ff.) führen bei der Abschlussprüfung zum Leistungsverbot (Umsatzabhängigkeitsgrenze bei 30 Prozent) bzw. zur Mitteilung an den Prüfungsausschuss des Emittenten und zum Ausschluss nach maximal zwei weiteren Jahren (bei 15 Prozent). Eine niedrigere, aber bloß zu Offenlegungspflichten führende Schwelle ist für das Rating vorgesehenen (bei 5 Prozent). Das für Ratingagenturen allein auf Offenlegung setzende Regelungsmodell lässt in Bezug auf die einzelne Bonitätsbeurteilung kaum Rückschlüsse auf den Grad finanzieller Abhängigkeit zu, und die Finanzaufsicht kann nur auf krasse Fälle reagieren. Geboten erscheint eine zum Leistungsverbot führende Umsatzabhängigkeitsgrenze, die nicht zwingend an der derzeitigen Fünf-Prozent-Schwelle ansetzen müsste. Markteintrittsbarrieren können etwa im Wege zunächst höherer Schwellenwerte für kleine Agenturen vermieden werden. Die verfestigten Informationskanäle dürfen für in finanzieller Abhängigkeit erstellte Prüfungs- oder Beurteilungsleistungen nicht genutzt werden. Sicherzustellen ist, dass sie vom Markt nicht anders als die unmittelbar vom Emittenten bereitgestellte Information behandelt werden. Folgerichtig sind unter Verzicht auf Unabhängigkeitsanforderungen erstellte Finanzanalysen nur als Werbemitteilungen zu veröffentlichen. 2. Leistungskombinationen (Abschnitt 2, S. 657) sind der privaten Marktzugangskontrolle nicht per se abträglich, sondern tragen zur Informationsüberlegenheit der privaten Dienstleister gegenüber einer staatlichen Wahrnehmung der Intermediationsaufgabe bei. Der Gefahr von Selbstprüfungen wird im Recht der Abschlussprüfung durch Verbote einzelner Zusatzleistungen bei grundsätzlicher Zulässigkeit von Beratungsleistungen entgegengetreten (Kombinationsmodell). Das Recht der Ratingagenturen setzt auf den vollständigen Ausschluss von Beratungsleistungen (Trennungsmodell), dessen Reichweite allerdings nicht abschließend geklärt ist. Stärker als beim Rating kann bei der Abschlussprüfung vermittelt über den Prüfungsausschuss mit emittenteninterner Überwachung reagiert werden. Den in diese Richtung weisenden Ansatz des US-amerikanischen Rechts greift die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 auf. Bei der (zumeist) querfinanzierten Finanzanalyse kommen Kombinationsverbote ohne größere Einbußen bei der Menge im Markt verfügbarer Analysen nicht in Betracht. Mit der Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen (Chinese walls bzw. screens) und noch weiter auszuformenden Betätigungsverboten des einzelnen Analysten sollten einem Trennungsmodell vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können. 3. Übergreifend hängt die Leistungsfähigkeit der in Betracht kommenden Regelungsmodelle davon ab, inwieweit sie geeignet sind, die spezifischen Beeinträchtigungen infolge von finanziellen Abhängigkeiten und Leistungskombinationen zu unterbinden. Die besonders im Recht der Abschlussprüfung betonten Gefahren der Selbstprüfung müssen nicht oder jedenfalls nicht zwingend in einem die Prüfung beeinträchtigenden Maße auftreten, so dass ein Auswirkungskriterium geboten ist. Die gesetzgeberisch zu bestimmende Rollenvorgabe entscheidet darüber, ob und inwieweit invasive Maßnahmen aus Gründen eines

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

besonderen Marktvertrauens zu rechtfertigen sind. Systematische Fehlanreize infolge einer in den Dienst lukrativer Zusatzleistungen gestellten Intermediation bieten eine Begründung von Eingriffen auch bei fehlender Selbstprüfungsgefahr und dienen der Funktionsfähigkeit des privaten Informationsmarkts. Zur Unterbindung systematischer Fehlanreize und zur Vermeidung eines Wettbewerbs um Positivbeurteilungen kommt ein vollständiges Verbot von Leistungskombinationen wegen der damit verbundenen Informations- und Kostennachteile nur in Betracht, wenn keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung stehen. Als solche bieten sich zumindest partiell die nach Zusammenführung der Ergebnisse zur Unabhängigkeit zu besprechenden vergütungsbezogenen Regeln an.668

V. Zusammenführung der Ergebnisse Die Unabhängigkeit des Intermediärs ist Grundvoraussetzung einer funktionstüchtigen privaten Marktzugangskontrolle. Berufsrechtliche und regulatorische Vorgaben können besonders insoweit zu einem im privaten Austausch nicht zu erzielenden Grad an Verlässlichkeit der Intermediärleistungen beitragen. Für die weitere Rollenausformung der Intermediäre kommt ihrer Fortentwicklung zentrale Bedeutung zu. 1. Unter dem Oberbegriff der Unabhängigkeit werden unterschiedlichste Problemstellungen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Informationsintegrität diskutiert (Abschnitt I.1 ff., S. 608 ff.). Zu erfassen sind Beeinträchtigungen infolge gegebenenfalls bloß abstrakter Gefahren für die innere Unbefangenheit (independence in fact) und die äußere Unabhängigkeit (independence in appearance) sowie konkrete Gefährdungen infolge von Interessenkonflikten und Pflichtenkollisionen (conflicts of interest). Die sich zunehmend verfestigende Typologie möglicher Beeinträchtigungen betrifft die Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit, personelle und finanzielle Verflechtungen sowie geschäftliche Beziehungen. Auf die Begründungsmuster der vertraglichen Interessenwahrung ist im Marktkontext nur eingeschränkt zurückzugreifen. Der aus Organisation (conflict management), Offenlegung (conflict disclosure) und Leistungsverboten (duty to abstain) bestehende Pflichtenkanon der vertraglichen Interessenwahrung wird aber auch zur berufsrechtlichen und regulatorischen Bindung der Intermediäre an die kapitalmarktliche Informationsintegrität eingesetzt. Grundsatzproblem ist die gegenläufige Zielfunktion von einerseits Sachnähe (fehlende Unabhängigkeit) und andererseits Sachferne (bestehende Unabhängigkeit). Maßnahmen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit sind infolgedessen gegen die damit verbundenen Informations- und Kostennachteile abzuwägen. Der Regelungsbestand zu den einzelnen Intermediationsformen lässt unterschiedliche Gewichtungen erkennen: Im Recht der Abschlussprüfung wird auf invasive Leis668

Dazu 13. Kapitel: C (S. 684 ff.).

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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tungsverbote gesetzt. Das vormals ebenfalls auf Organisation und Offenlegung setzende Recht des Bonitätsratings nähert sich seit der EG-RatingVO von 2009 zunehmend dem der Abschlussprüfung an. Demgegenüber bleibt es für die Finanzanalyse bei Organisations- und Offenlegungspflichten, die allerdings zunehmend gestärkt werden. 2. Der Umgang des Rechts mit einzelnen Konfliktlagen untermauert den Befund einer Konvergenzbewegung (Abschnitt II., S. 626 ff.). Zur Gewährleistung von Unbefangenheit ist bei der Abschlussprüfung neuerdings eine Form der beim Bonitätsrating bereits früher eingeführten gestaffelten internen Rotation vorgesehen. Auf personelle und finanzielle Verflechtungen wird jeweils mit Leistungsverboten reagiert, während im Recht der Finanzanalyse auf Offenlegungspflichten gesetzt wird. Umgekehrt wird den besonders schwerwiegenden Gefahren aus finanziellen Abhängigkeiten beim Rating bislang nicht überzeugend entgegengetreten, weil die vorgesehenen Offenlegungspflichten keine Einschätzungen zu möglichen Beeinträchtigungen einzelner Bonitätsbeurteilungen zulassen. Überzeugender wäre eine allgemeine Umsatzabhängigkeitsgrenze, wie sie für den Abschlussprüfer gilt. Das vollständige Verbot der Erbringung von Beratungsleistungen neben dem Rating (Trennungsmodell) geht wiederum weiter als die für den Abschlussprüfer geltenden Einzelverbote (Kombinationsmodell). Konvergenzbewegungen hierzu sind in beide Richtungen denkbar. Das zeigen etwa die Vorschläge eines vollständigen Beratungsverbots für den Abschlussprüfer (pure audit firms) im Vorfeld der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 und die Überlegung, künftig auch für Ratingagenturen allgemein eine externe Rotation vorzusehen. 3. Unabhängigkeit und Berufsbild hängen untrennbar zusammen und bedingen sich wechselseitig. Auf die freie Meinung und wirtschaftliche Betätigung der Ratingagenturen bauende Argumentationslinien gehen zunehmend in der durch Unabhängigkeitsanforderungen zum Ausdruck kommenden Erwartung an die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität auf. Auch Finanzanalysen können heute kaum noch zu Zwecken der Förderung von Bankgeschäften instrumentalisiert werden. Parallelen zu dem am weitesten entwickelten Normbestand der Abschlussprüfung sind unverkennbar. Gleichwohl kommt eine direkte Übertragung der für die Abschlussprüfung gewählten Lösungsstrategien nur in engen Grenzen in Betracht: Das von der Rechtsprechung zur Abgrenzung unzulässiger Zusatzleistungen des Abschlussprüfers entwickelte Kriterium der funktionalen Entscheidungskompetenz des Informationsempfängers griffe beim Rating nicht auf gleiche Weise, weil der Entscheidungsradius des Beratenen dort von der Agentur kraft ihrer Methodenautonomie selbst gezogen werden kann.669 Insgesamt zeigt sich, dass Unterschiede im Lösungsinstrumentarium nicht zwingend auf Regelungsschwächen hindeuten.

669

Siehe 13. Kapitel: B.IV.2.g (S. 673).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die künftigen Herausforderungen betreffen zum einen die Überprüfung der Leistungsfähigkeit des zur Bewältigung einzelner Gefahrenlagen gewählten Regelungsinstrumentariums. Funktionsunterschiede und -zusammenhänge können unterschiedliche Ergebnisse der Abwägung zwischen Organisations-, Offenlegungspflicht und Leistungsverbot anleiten. Zum anderen ist eine übersteuernde Regulierung zu vermeiden, infolge derer die etablierten Kanäle nichtobligatorischer Informationsintermediation austrocknen oder wertvolles Bewertungswissen etwa aus Zusatzleistungen nicht mehr eingebracht werden kann. Offene Fragen betreffen die Wirkungen von Unabhängigkeitsanforderungen auf den Wettbewerb der Intermediäre. Insoweit im Spannungsverhältnis stehen etwa die bei Abschlussprüfung und Rating geltenden internen Rotationsregeln, die ohne (ernstzunehmende) externe Rotationspflichten Anreize zur Bildung großer Einheiten setzen.

C. Vergütung Die private Vergütungsabsprache zwischen Informationsintermediär und (häufig) dem Emittenten ist Ursache der meisten Gefahrenlagen bei der Sicherstellung der Unabhängigkeit ursächlich. Im Nachgang zur Finanzmarktkrise von 2008 rückte vor allem die Finanzierung von externen Bonitätsbewertungen durch den Emittenten in den Diskussionsfokus.670 Ein die Funktionsschutzziele wahrendes Finanzierungsmodell ist bislang weder dort noch für die anderen Informationsintermediäre gefunden. Es handelt sich um das wohl grundsätzlichste Problem der privaten Marktzugangskontrolle. Zurückzuführen ist es auf die Zielkonflikte zwischen der Marktmechanismen unterliegenden privaten Entscheidung zur Einholung bzw. Erbringung der Informationsdienstleistung und dem übergeordneten Ziel kapitalmarktlicher Informationsintegrität.671 Die zur Auflösung oder zumindest Abmilderung dieser Zielkonflikte eingesetzten Maßnahmen richten sich auf die Konfliktprävention bzw. -lösung bereits im Rahmen der Vergütungsverhandlung und -gestaltung.672 Zu rechtfertigen sind Eingriffe, wenn die Inhalte der Vergütungsabsprache auf die missbräuchliche Nutzung eines kapitalmarktlich verfestigten Informationskanals abzielen.673 Soweit die jeweilige Problematik vergleichbar ist und die Maßnahmen auch im anderen Intermediationsbereich Wirkung entfalten könnten, kommen wechselseitige Er-

670 Ausdrücklich Erwägungsgrund 10 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO: „Die Auswahl und Vergütung der Ratingagentur durch das bewertete Unternehmen (das Modell des zahlenden Emittenten) bringt inhärente Interessenkonflikte mit sich.“ 671 Abschn. I. 672 Abschn. II (S. 699). 673 Abschn. III (S. 711).

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gänzungen der Regelungsbestände zu Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse in Betracht.674

I. Regelungsprobleme, -bestand und Strukturfragen Die Entgeltlichkeit der privaten Informationsintermediation steht im Spannungsverhältnis zum Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität. In den Einzelbereichen der Informationsintermediation ist ein beachtlicher Regelungsbestand erwachsen, dessen Funktionstauglichkeit unter Berücksichtigung der gemeinsamen Problemstellungen und Strukturfragen zu beurteilen ist. 1. Regelungsprobleme In Austauschverhältnissen dient die Vergütung dem Ausgleich von Anbieterund Abnehmerinteresse, ohne entsprechende Vereinbarung aber nicht Drittinteressen. Demzufolge wohnt der privat vergüteten Informationsintermediation die Gefahr einer Außerachtlassung des Marktfunktionsschutzes inne. a. Vergütung, Reputation und Interessenkonflikte Die Vergütung durch den Emittenten wird auch über den hier behandelten Zusammenhang hinaus als Grundsatzproblem einer die Informationsintegrität wahrenden Informationsintermediation erachtet.675 Die Einschätzungen reichen von unbewussten Fehlanreizen aus einem Geschäftsmodell, das auf die Mandatseinwerbung beim Emittenten angelegt ist, bis hin zur Annahme unüberwindlicher Interessenkonflikte, schließen aber auch zurückhaltendere Bewertungen einer bloß in bestimmten Konfliktlagen beeinträchtigten Intermediation ein. Erwartungsgemäß finden sich Stellungnahmen dieser Art sowohl zur Abschlussprüfung676 als auch zum Bonitätsrating677 und auch zur Finanzanalyse.678 Abschn. IV (S. 721). Übergreifend Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 283 ff. (2003) zu Abschlussprüfern, Finanzanalysten, Stimmrechtsberatern; Coffee Gatekeepers, 2006, S. 56, 318 ff. auch zu Transaktionsaktionsanwälten. Mit Fokus wie hier Leyens JCLS 2011, 33, 50 ff. m. w. N. 676 Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 291 ff. (2003) zu Leistungskombinationen. Zum dadurch verstärkten „unconscious bias“, der bereits im Zusammenhang mit der Unbefangenheit angesprochen wurde 13. Kapitel: B.II.2.a (S. 633), Bazerman / Loewenstein / Moore 80 Harv. Bus. Rev. 97 ff. (2002); mit Darstellung verschiedener Experimente Moore /  / Tanlu / Bazerman 5 JDM 37, 39 ff. (2010); Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 97. Eingehend Gelter Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, 2004, S. 41; Marx Unabhängige Abschlussprüfung und Beratung, 2002, S. 81 ff. 677 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), 25.2.2009, Rn. 68. Aus der Literatur Merkt in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2207, 2237; Spindler AG 2010, 601, 610 („Sollbruchstelle“). Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 707 ff., 717 (nur bestimmte Gefährdungslagen). 674 675

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Nach ökonomischer Modellvorstellung sorgt der Preismechanismus auf Informationsmärkten, vermittelt über das Investitionsgut der Reputation, für eine natürliche Selektion der Anbieter. Dauerhaft können sich nur glaubwürdige, also unabhängig erbrachte Intermediationsleistungen durchsetzen. Der Aufbau des dazu erforderlichen Reputationskapitals ist aber schon in der Theorie Anreizschwächen ausgesetzt. Vor allem unterliegt der Reputationsmechanismus Funktionsschwankungen. Besonders bei von den Fundamentalwerten abgekoppelten Kursentwicklungen wie Marktblasen ist von einer geschwächten Nachfrage für zutreffende Intermediärleistungen auszugehen.679 Hinzu kommt, dass kollektive Vertrauensverluste nicht zu Einbußen des einzelnen Intermediärs führen, wenn auch die Konkurrenten ihr Verhalten an das niedrigere Vertrauensniveau anpassen. Im Weiteren ist die Differenzierung zwischen den Anreizen des einzelnen Handelnden und des ihn beschäftigenden Intermediärunternehmens von zentraler Bedeutung: Unterschiede in Risiko- und Zeitwahl können sich in zu hoher Risikobereitschaft des Einzelnen und im Einsatz langfristiger Ertragschancen des Intermediärunternehmens zur kurzfristigen Maximierung individueller Gewinne niederschlagen. Die Kurzsichtigkeit der Kapitalmärkte (Myopia) verstärkt diesen Effekt.680 Verhaltenswissenschaftliche Belege etwa zur Verankerungsheuristik (anchoring) und Vergangenheitsorientierung (hindsight bias) zeigen weitere Fehlanreize auf.681 Vor ungeprüften Verallgemeinerungen der Befunde zu Rationalitätsschwächen ist allerdings zu warnen. Systematische Fehlanreize können aus den Eigenheiten des einzelnen Segments der Informationsintermediation zu erklären sein. Zu nennen ist beispielsweise die im Vergleich zu Kaufempfehlungen der Finanzanalysten geringere Größe des Markts für Verkaufsempfehlungen, die sich unmittelbar nur an bereits investierte Anleger und Leerverkäufer richten können. Studien zufolge unterbleiben Verkaufsempfehlungen wohl schon wegen dieser eingeschränkten Absatzmöglichkeit.682 Zur Finanzanalyse durch Banken Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 14; Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 56 (2007). Zur Beauftragung durch (kleine) Emittenten Pfüller / Wagner WM 2004, 253, 258 ff.; v. KoppColomb WM 2003, 609, 613. Übergreifend Hellgardt Kapitalmarktdeliktsrecht S. 305 ff., 308 („Grundinteressenkonflikt“). Eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 113 ff. 679 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 17; Francis / Chen / Philbrick / Willis (Hrsg.), Security Analyst Independence, 2004, S. 75, 81. 680 Näher Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 215 ff.; Ruffner Die ökonomischen Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 349 ff. Grundlagen bei Shleifer Inefficient Markets, 2000, S. 1 ff. 681 Siehe 9. Kapitel: A.I (S. 284). 682 Nur 0,8 Prozent von 26.000 bis zum 1.3.2000 beobachteten Empfehlungen waren Verkaufsempfehlungen (sell oder strong sell). Dazu der Chief Accountant der SEC Turner The State of Financial Reporting Today: An Unfinished Chapter II, Vortrag zur 3rd Annual SEC 678

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Der Reputationsmechanismus ist auf heutigem Kenntnisstand als fragil einzuschätzen. Seine Leistungsfähigkeit ist nur unter bestimmten Umständen gegeben (soft-powered incentive), tritt also sowieso hinter den vergleichsweise stärkeren Anreizen aus Vergütung oder Haftung (high-powered incentives) zurück.683 Die Schwächen sind auch aus der Eigenschaft der Information als hybrid privatöffentliches Gut und damit verbundenen Trittbrettfahrerproblemen zu erklären, infolge derer die Vergütungsbereitschaft für Leistungen der Informationsintermediation ebenso wie Anreize zum Reputationsaufbau unvollständig bleiben.684 Strukturgebend für den Reputationsmechanismus sind Marktusancen und regulatorische Rahmenbedingen. Infolge der verfestigten Zwei-plus-Usance des Anleiheratings685 bestehen Anreize zum Reputationsaufbau aus der direkten Vergleichbarkeit der Treffgenauigkeit und, soweit vorhanden, der Möglichkeit des mandatierenden Emittenten zur Abwanderung.686 Dies betrifft das Rating von Industrieanleihen, deren Nachfrage sich zu etwa gleichen Anteilen zwischen Emittenten und Banken aufteilt.687 Beim Rating von strukturierten Finanzprodukten reichte im Vorfeld der Finanzmarktkrise von 2008 demgegenüber eine einzige Bonitätsbeurteilung aus. An der direkten Vergleichbarkeit fehlte es also.688 Verschärfte Anreize zum Erhalt des Auftraggebers ergaben sich zudem daraus, dass 92 Prozent der Ratingaufträge von nur zwölf Investmentbanken vergeben wurden und sich bloß zwei bis drei Ratingagenturen den Markt teilten.689 Hieraus erklären sich die 2013 in die EG-RatingVO eingebrachten Regeln zur zweifachen Bonitätsbewertung strukturierter Finanzprodukte.690 Die Stärken der privaten Informationsintermediation sind nur zu entfalten, wenn die Anreize zur Erbringung zutreffender Intermediationsleistungen dem Marktdruck, also dem privatem Wettbewerb, unterliegen. Die private VergüDisclosure & Accounting Conference, 21.6.2001, www.sec.gov/news/speech/spch508.htm. Zum Ganzen Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 56 (2007). 683 Armour / Hansmann / Kraakman in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl., 2017, S. 29, 35. 684 Differenzierend Schroeter Ratings, 2014, S. 717 ff. 685 ESME, Role of Credit Rating Agencies, Juni 2008, S. 3; IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structurd Finance Markets, Consultation Report, Mai 2008, S. 13. 686 Eingehend Schroeter Ratings, 2014, S. 718. 687 Nach der Umfrage von Baker / Mansi 29 J. Bus. Fin. & Acct. 1367, 1378 (2002) zu 50,5 Prozent vom Emittenten und zu 40,2 Prozent von den finanzierenden Banken. 688 Schroeter Ratings, 2014, S. 720. 689 SEC, Summary Report of Issues Identified in the Commission Staff’s Examinations of Select Credit Rating Agencies, Juli 2008, S. 32: „for 368 CDOs of RMBS deals […] 11 arrangers accounted for 92% of the deals […] 12 of the largest 13 RMBS underwriters were also the 12 largest CDO underwriters […].“ Ähnlich IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets, Final Report, Mai 2008, S. 13. Siehe auch Hurst 30 Co. Law. 61, 62 (2009). 690 Erwägungsgrund 28 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO (zu Art. 8c EG-RatingVO i. d. F. von 2013).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

tungsabsprache ist Voraussetzung für die Entstehung dieses Marktdrucks. Deshalb darf die Einordnung des bezahlten Auftragsratings als Interessenkonflikt691 durch die US-amerikanische SEC nicht missverstanden werden. Die Vergütung dient dem Ausgleich von Leistungs- und Gegenleistungsinteresse, liegt also im gemeinsamen Interesse der Parteien und begründet im Verhältnis zwischen Auftraggeber und -nehmer keinen Interessenkonflikt im regulatorisch bedeutsamen Sinne.692 Eine Marktmechanismen folgende Vergütungsabsprache ist auch grundsätzlich geeignet, die Qualität der vom Intermediär vermittelten Informationen zu stärken. Regulatorisch in den Griff zu nehmen sind nur über die Vergütungsabsprache vermittelte Anreize, die unausweichlich oder typischerweise zu Beeinträchtigungen der Informationsintegrität führen. b. Vergütungsmodelle (issuer pay v. investor pay) Nicht erst seit der Finanzmarktkrise von 2008 bildet die Abwägung zwischen den zwei entgegengesetzten Vergütungsmodellen, entweder der emittenten- oder der investorenfinanzierten Informationsintermediation, einen Fokus der Diskussion (issuer pay v. investor pay).693 Historisch sind für beide Gestaltungen Vorbilder zu finden, die zum Teil als Mischformen fortbestehen. Die Abschlussprüfung wurde in Deutschland zunächst durch Banken finanziert. Erst seit der Notverordnung von 1931 obliegt die Vergütung dem Emittenten. Die Finanzierungslast trifft damit die in diesen Emittenten investierten Aktionäre, also einen Ausschnitt des von der Intermediationsleistung profitierenden Investorenpublikums. Die ebenfalls profitierenden Gläubiger sind in diesem Modell nicht oder nur mittelbar zahlungspflichtig. Bei Bonitätsratings hatte sich ursprünglich ein Modell des zahlenden Investors herausgebildet. Der Übergang auf die heute vorherrschende Finanzierung durch den Emittenten erfolgte in den 1970er-Jahren, als sich Abonnementratings im Zuge verbesserter Vervielfältigungs- und Informationstechnologien als nicht mehr tragfähig erwiesen und zugleich der Druck auf die Emittenten zur Einholung von externen Bonitätsbeurteilungen wuchs.694 Als konkreter Auslöser wird der Zusammenbruch der US-amerikanischen Eisenbahngesellschaft Penn Central 1970 gesehen, die zwar über positive Beurteilungen durch eine Kreditauskunftei, nicht aber über ein öffentliches Rating verfügte.695 Zwar bieten einzelne Marktteilnehmer, wie die 1995 in den USA gegründete Agentur Egan Zum Begriff 13. Kapitel: B.I.1.b (S. 611). Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 21 ff., 24. 693 Zu Diskussionslinien Choi 1 Berkeley Bus. L.J. 45, 75 (2004). Zum Rating Schwarcz in: Ferran / Goodhart (Hrsg.), Regulating Financial Services and Markets in the 21st Century, 2001, S. 297, 304. Überblick bei Leyens JCLS 2011, 33, 50. 694 Darcy Colum Bus. L. Rev. 605, 622 (2009). 695 Cantor / Packer 19 FRBNY Q. Rev. 1, 4 (Summer / Fall 1994). 691 692

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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Jones investorenfinanzierte Ratings an.696 Mit ca. fünf Prozent sind die Marktanteile solcher Ratings aber zu gering, als dass von einer Rückkehr zum investorenfinanzierten Rating gesprochen werden könnte.697 Für die heutigen Formen der Querfinanzierung von Finanzanalysen durch das Bankgeschäft (sell-side analysis) wird in den USA die Freigabe der Brokerage-Gebühren im Jahr 1975 als maßgeblich erachtet.698 Die fortbestehende Querfinanzierung durch Brokerage-Gebühren wird heute offenbar aus erhöhten Sätzen allein oder vornehmlich gegenüber institutionellen Investoren bestritten. Die Zahlungsbereitschaft der Fondsmanager wird daraus erklärt, dass die Kosten auf diese Weise vom Fonds und nicht vom Berater getragen werden (soft dollars).699 Gegenüber der breiten Masse lässt sich diese Finanzierungsmöglichkeit nicht durchsetzen. Zum einen konvergiert der Wert der Finanzanalyse bei ichrem öffentlichen Bekanntwerden wegen der modernen Kommunikationstechnologie schnell gegen null, zum anderen kann trotz Inanspruchnahme der Empfehlung mit einem anderen Anbieter (zu geringeren Gebühren) kontrahiert werden. Neben der Querfinanzierung durch Finanzinstitute sind investorenfinanzierte Abonnements und auch emittentenfinanzierte Analysen beobachtbar. Insgesamt zeigt schon der kurze Überblick, dass die jeweils bestehenden Finanzierungsstrukturen keineswegs alternativlos sind und auch, dass Entwicklungen regulatorisch angestoßen werden können. Die Vor- und Nachteile der sich gegenüberstehenden Vergütungsmodelle sind in umfangreicher Literatur erörtert.700 Bislang ist weder zu begründen gewesen, dass die emittentenfinanzierte Intermediation – bei regulatorischer Ingriffnahme spezifischer Gefährdungen der Unabhängigkeit – zur Gewährleistung einer privaten Marktzugangskontrollfunktion per se ungeeignet wäre, noch dass alternative Finanzierungsformen eine hinreichende Informationsmenge und -qualität hervorbringen könnten.701 Zum einen kommt dem Emittenten die Rolle einer die Interessen an der Informationsversorgung (teil-)kollektivierenden Institution zu, die Koordinationsprobleme der Marktteilnehmer überwindet.702 Zum anderen ergeben sich bei der Beauftragung durch den Emittenten schon mit Blick auf die Informationsqualität Dazu Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G75. Zu den Marktanteilen 5. Kapitel: C.III.1 (S. 134). 698 Wegen der festgelegten Gebühren waren zuvor nur durch Erhöhung der Auftragseingänge zusätzliche Gewinne möglich. Einzuwerben waren Kunden aber durch das zusätzliche Angebot von Finanzanalysen. Nach der Freigabe konnte sich der Wettbewerb demgegenüber auch über die Höhe der Brokerage-Gebühren entfalten. Zur Entwicklung Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 286 f. (2003). 699 Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 49 ff., 52 (2007). 700 Nachw. Fn. 693. 701 Zur Abschlussprüfung Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.) EBOR 89, 93 f. (2012). Zum Rating Schroeter Ratings, 2014, S. 717. Zur Finanzanalyse Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 84 (2007) und eingehend Vogler Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, 2005, S. 118. 702 Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 278, 288 (2003). 696 697

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(nicht zuletzt rechtspraktische) Vorteile bei der Sicherstellung eines adäquaten Informationszugangs des Intermediärs.703 Für das Bonitätsrating wird seit der Finanzmarktkrise 2008 europäisch wie international verstärkt ein Übergang von der emittenten- auf die investorenfinanzierte Vergütung diskutiert.704 Überlegt wurde gar ein Verbot emittentenfinanzierter Ratings.705 Zugrunde liegt die Vermutung, dass Investoren über stärkere Anreize an der ordnungsgemäßen Informationsintermediation verfügen, weil die Bewertung vorrangig ihrem Informationsinteresse dient.706 Die offensichtlichen (und teilweise eingeräumten)707 Grenzen dieser Vermutung werden angesichts der heterogenen Präferenzen und Interessen innerhalb der Investorenschaft deutlich: Bei institutionellen Investoren können sich aus positiven Bonitätsbeurteilungen über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Beschränkungen der Anlagemöglichkeiten ergeben, so dass selbst im Vorfeld der Investition eine Präferenz für tendenziell beschönigende Bewertungen bestehen kann.708 Interesse an einer beschönigenden Bewertung erworbener Titel können auch Fondsmanager haben, die ihre Portfolioauswahl – letztlich zum Erhalt der eigenen Stellung – fortlaufend zu rechtfertigen haben. Ein vollends diffuses Bild der Anreizstrukturen ergibt sich, wenn Leerverkäufe, Surrogate und Finanzinnovationen einbezogen werden. Die Annahme homogener Anreize nach Maßgabe eines Bilds vom durchschnittlichen Anleger erweist sich damit als Schwachpunkt der Diskussion.709 Für die Ebene der Anlageberatung mag dieses Bild zu Recht maßgeblich sein, regulatorische Zuweisungen von Finanzierungsverantwortung für die Informationsintermediation kann es demgegenüber nicht anleiten. Ihren vergleichsweise vielschichtigen Finanzierungsformen entsprechend ist die Diskussion bei der Finanzanalyse weiter aufgefächert: Die vorherrschende Finanzierung durch Finanzinstitute (sell-side analysis) ist mit inhärenten Interessenkonflikten aus Investmentbanking, dem Anteilshandel auf fremde Rechnung oder anderen Geschäftstätigkeiten verbunden. Die emittentenfinanzierte Finanzanalyse zählt ebenfalls zur verkäuferseitigen Informationsintermediation, vermeidet aber (Teile) dieser Konflikte. An deren Stelle tritt jedoch das Interesse Dazu 13. Kapitel: A.III.1.a (S. 579). High-Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), 25.2.2009, Rn. 68. Ebenso G30, Financial Reform: A Framework for Financial Stability (VolckerReport), Washington DC, 15.1.2009, S. 51, Empfehlung 14 c). Ergebnisoffen aber Erwägungsgrund 72 und Art. 39 EG-RatingVO. 705 Für Verbot Kindler NJW 2010, 2465, 2469 („alternativlos“); ähnlich Spindler AG 2010, 601, 610. Abwägend Manns 87 N.C. L. Rev. 1011, 1059 ff. (2009) 706 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G75. In diese Richtung auch G30, Financial Reform: A Framework for Financial Stability (Volcker-Report), Washington DC, 15.1.2009, S. 50 f. 707 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G75. 708 High-Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), 25.2.2009, Rn. 22, 72. Instruktiv Lucas / Goodman / Fabozzi 14 J. Struct. Fin. 21, 23 (Fall 2008). 709 Zur Heterogeniät der Präferenzen Fisch 58 Ala. L. Rev. 1083, 1093 ff., 1093 (2007). 703 704

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der Analysten an der Einwerbung neuer Aufträge.710 Dabei fällt ins Gewicht, dass vorwiegend Emittenten ohne hinreichende Analyseabdeckung als Mandanten zur Verfügung stehen und in besonderem Maße auf Positivbeurteilungen angewiesen sind (pay to play).711 Die daneben existierende Form der investorenfinanzierten Analyse (buy-side analysis) führt zu einer Multiplikation der Suchkosten. Empirischen Untersuchungen zufolge ergibt sich auch keine geringere Anfälligkeit für ungerechtfertigte Positivbeurteilungen.712 Die Gründe hierfür können in fehlenden Möglichkeiten zur Erzielung von Synergien, der Verfügbarkeit bloß öffentlich-zugänglicher Informationen oder auch den schwächeren Anreizen im internen Wettbewerb um die Stellung als Topanalyst einer führenden Institution mit darauf gründenden externen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten liegen (tournament).713 Nur dem ersten Anschein nach besteht neben den diskutierten Finanzierungsmodellen eine weitere Form der vom Informationsintermediär eigenfinanzierten Leistungserbringung. Unbeauftragte Bonitätsbeurteilungen (unsolicited ratings) in diesem Sinne werden z. B. in Bezug auf Staatsanleihen erbracht und sind als solche (häufig) nicht vergütet. Jede Bonitätsbewertung verursacht aber eigene Kosten und ist damit – wie die zuvor diskutierte Quersubventionierung der Finanzanalyse durch das Investmentgeschäft – von der Einwerbung entsprechender Mittel abhängig, beim Rating insbesondere in Form von Aufträgen zur Erstellung bezahlter Beurteilungen. Mit den zugrunde liegenden Mischrechnungen verbinden sich eigene Probleme der Unabhängigkeit. Auf Bonitätsratings von Staatsanleihen, die als Vergleichswert für andere Beurteilungen (benchmark) zumindest intern ohnehin zu erstellen sind, mögen diese Probleme nicht zwingend durchschlagen. Aus der Möglichkeit zur Ankündigung unbeauftragter Ratings ergeben sich aber unter Hinzutreten weiterer Umstände Opportunismusgefahren auf der Seite des Intermediärs. Konkret besteht die noch zu besprechende Möglichkeit einer Mandatserzwingung durch Ankündigung von unbeauftragten Bonitätsbeurteilungen.714 Überlegungen zu einem „Informationsmix“, bei dem sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Finanzierungsformen wechselseitig ausgleichen, finden sich in Bezug auf das Rating715 und – erwartungsgemäß stärker ausgeprägt – bei der Finanzanalyse.716 Durch den öffentlichkeitswirksamen Spitzer-Vergleich von 2003 wurden führende US-Investmentbanken zur Finanzierung unabhängiger

Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 81 f. (2007). Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 82 (2007) m. w. N. 712 Groysberg / Healy / Chapman 64 Fin. Analyst J. 25 (2008). 713 Überblick bei Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 64 ff. (2007). Zur Empirik Clarke / Khorana /  Patel / Rau 84 J. Fin. Econ 713 (2007). 714 Dazu 13. Kapitel: C.III.2 (S. 715). 715 Kumpan in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2157, 2172. 716 Seibt ZGR 2006, 501, 515 zu Finanzanalysten. 710 711

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Analysen verpflichtet.717 Bezweckt war eine Anreicherung des Informationsbestands mit besseren Chancen auf Interessenausgleich. Die Verpflichtung zur Inanspruchnahme von mindestens drei unabhängigen Analysten führte aber zum Rückgang der eigenen Analysetätigkeiten der am Vergleich beteiligten Banken.718 Der Verlust der Bankenkontrolle über die Analyseleistungen soll sich für Informationsmenge und -qualität negativ ausgewirkt haben.719 Schon wegen der Beschränkung auf die am Spitzer-Vergleich teilnehmenden Großbanken und zusätzlich der Laufzeit von (kurzen) 5 Jahren waren keine nachhaltigen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Der Gedanke eines ausgeglichenen Informationsbestands ist aber jedenfalls insoweit weiterzuverfolgen, als dass dem Aufkommen investorenfinanzierter Informationsintermediation nicht durch Publizitätspflichten regulatorische Entwicklungsschranken gesetzt werden sollten. Nach Art. 10 Unterabs. 1 EGRatingVO sind Bonitätsratings „unterschiedslos und rechtzeitig“ bekannt zu geben, auch wenn die Beurteilung von Abonnenten finanziert wurde.720 Ausgeschlossen sind nach Art. 2 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO lediglich private Ratings, also im Einzelauftrag erstellte Beurteilungen, die nicht an Abonnenten weitergegeben werden sollen. Durch die unterschiedslose und rechtzeitige Offenlegung aller für die Öffentlichkeit geeigneter Ratings werden die Anreize zum Abschluss eines Abonnements als wichtigster Form breitflächig investorenfinanzierter Ratings weiter gesenkt (Trittbrettfahrerproblem).721 c. Markt oder Regulierung? Die jeweiligen Rollen von Markt und Regulierung bei der Gewährleistung funktionswahrender Vergütungsabsprachen sind vor dem beschriebenen Hintergrund nicht einseitig zu gewichten. Die Informationsüberlegenheit der Teilnehmer des Informationsmarkts spricht nur für die Beibehaltung der heute üblichen Vergütungsstrukturen, soweit diese Strukturen nicht Ergebnis der Regulierung sind: Für die Abschlussprüfung ist die Vergütung durch den Emittenten seit 1931 gesetzlich vorgegeben. Die Eigenkapitalbemessung der Banken auf Grundlage von beauftragten Bonitätsratings seit Basel II führte zu einem faktischen Zwang der kreditsuchenden Emittenten zur Vergabe von Ratingmandaten. Für die Querfinanzierung von Finanzanalysen durch das Investmentgeschäft war der

Näher 5. Kapitel: B.III.3 (S. 114). Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 26. 719 Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 41 ff., 43 (2007). 720 Dazu im Zusammenhang mit unbedingten Veröffentlichungspflichten 13. Kapitel: A.III.3.b (S. 592). 721 Zimmer Gutachten G, 68. DJT 2010, S. G76 f.; begleitend Leyens AnwBl. 2010, 584, 587. 717 718

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Wegfall gesetzlicher Gebührenfestlegungen für den Wertpapierhandel auf fremde Rechnung (brokerage) ursächlich.722 Für Bonitätsratings (seltener für Abschlussprüfungen)723 wird die Übertragung der Kompetenz zur Durchführung der Vergütungsabsprache auf eine staatliche Stelle erwogen. Im besonders stark grenzüberschreitend geprägten Ratingmarkt wären damit schon angesichts der einzelstaatlichen Interessen Koordinationsprobleme verbunden. Vor allem führte eine staatliche Verantwortung für die Vergütungsabsprache nicht zum vollständigen Wegfall, sondern zur teilweisen Verlagerung der Interessenkonflikte.724 In Erinnerung zu rufen ist die deutlich vernehmbare Kritik der Regierungen einzelner Staaten an der Herabstufung ihrer Bonität durch führende Ratingagenturen während der Staatsschuldenkrise. Angeprangert wurde vornehmlich das negative Ergebnis, nicht die Methode oder eine etwaige Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der jeweiligen Agentur. Bei staatlicher Steuerung der Vergütungsabsprachen wären bewusste oder unbewusste Beeinflussungsversuche kaum zu unterbinden. Den Erkenntnissen der Public-choice-Forschung folgend fände das Problem unterschiedlicher Risikound Zeitwahlpräferenzen privatwirtschaftlich Handelnder seine Entsprechung in den Anreizstrukturen korporatistisch besetzter Gremien und der durch den Wahlturnus bedingten Zyklik politischer Entscheidungen nach Opportunität des einzelnen Mandatsträgers.725 Kaum vermeidbare Konfliktlagen entstünden in Situationen, in denen gleichzeitig Mandate zur Beurteilung von einerseits staatlichen Unternehmen, solchen mit staatlicher Beteiligung oder auch von Unternehmen im nationalen Interesse (national champions) zu vergeben wären.726 Durchaus komplexe Vorschläge zur Verbesserung der Finanzierungsstrukturen etwa im Wege der Koordination erfolgsorientierter Vergütungen727 oder der kollektivierten Vorfinanzierung der Informationsintermediation, insbesondere von Bonitätsratings, liegen vor.728 Einzurichten wären dazu staatliche oder halbstaatliche Stellen mit der Berechtigung zur Mandatierung von Intermediationsleistungen.729 Denkbar sind dann Rückvergütungen durch Aufschläge beim ErstSiehe 13. Kapitel: C.I.1.b (S. 688). Ablehnend im Vorfeld der EU-Abschlussprüfungsreform 2014 Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 94. 724 Max Planck Institute Working Group on Auditor Independence (Doralt, Koord.), EBOR 2012, 89, 94 m. w. N. 725 Näher 8. Kapitel: A.I.1 (S. 206). 726 Zu Erfahrungen mit protektionistischen Maßnahmen zum Schutz der national führenden Unternehmen Hopt in: FS v. Rosen 2008, S. 537, 543. 727 Kumpan in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2157, 2171 in Anlehnung an Mathis / McAndrews /  Rochet 56 J. Monetary Econ. 657, 669 (2009). 728 Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 314 (2003) mit dem Vorschlag eines Gutscheinsystems. Kritisch dazu Coffee Gatekeepers, 2006, S. 343. 729 Kritisch zu diesem von Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 314 (2003) eingebrachten Vorschlag Coffee Gatekeepers, 2006, S. 343. 722 723

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

erwerb730 oder breiter durch eine entsprechend ausgestaltete Transaktionssteuer.731 Dahingehende Vorschläge wurden zu Recht nicht weiterverfolgt.732 Preisfindungsprozesse sind in aller Regel besser durch den Markt als die Politik zu steuern. Aufzugreifen sind die Überlegungen zu äußeren Vorgaben der Finanzstrukturen demnach am ehesten bei der prozeduralen (aber ergebnisoffenen) Gestaltung der privaten Vergütungsverhandlung zwischen Intermediär und Emittent.733 Soweit die Vorschläge darauf abzielen, das Kollektivhandlungsproblem des Markts gleichsam durch eine Vergemeinschaftung der Finanzierung von Leistungen der Informationsintermediation zu lösen, bestehen grundsätzliche Zweifel.734 Aus der ökonomischen Theorie sind keine abschließenden Antworten zu einer im Zeichen der unabhängigen Informationsintermediation optimalen Allokation der Finanzierungsverantwortung zwischen den werbenden Emittenten, der informationssuchenden Anlegerschaft insgesamt oder allein den bereits investierten Anlegern zu gewinnen. Viel spricht aber dafür, dass sich bei nicht hinreichender Informationsqualität von sich aus eine weitere Nachfrage herausbildet, die auch auf Angebote stößt. Vor der Notverordnung von 1931 entwickelte sich die bankenseitig kontrollierte Prüfung aus dem privaten Bedürfnis zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Finanzberichterstattung (vor allem ausländischer Unternehmen).735 Aus jüngerer Zeit ist die Ergänzung des Angebots von emittenten- durch investorenfinanzierte Ratings zu nennen, die zwar nicht zu größeren Verschiebungen der Marktanteile, wohl aber zu einer Anreicherung des Informationsbestands führt. Wo die marktlichen Mechanismen solche Ergänzungen nicht oder nicht im hinreichenden Umfang hervorbringen, kann wie bei der Abschlussprüfung mit prozeduraler Steuerung der Vergütungsverhandlung, umgebendem Berufsrecht und nicht zuletzt mit einer berufsständischen Aufsicht ein Gesamtgefüge errichtet werden, das einer Mandatierung und Vergütungsabsprache durch staatliche Stellen überlegen sein sollte. Beispiel für das Scheitern ungesteuerter marktlicher Bemühungen ist das 2005 von Reuters zusammen mit der NASDAQ errichtete Independent Research Network (IRN).736 Das Modell der Bezahlung durch den Emittenten bei unabhängiger Analystenauswahl durch das IRN hätte Drucksituationen infolge der Vergütung durch das Management des Emittenten vermieden, ver-

Manns 87 N.C. L. Rev. 1011, 1062 (2009). Bolton / Freixas / Shapiro 67 J. Fin. 85, 110 (2012) zu up-front fees. 732 Überzeugend Schroeter Ratings, 2014, S. 710 ff. 733 Näher 13. Kapitel: C.II.1 (S. 699). 734 Übergreifend Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 83. 735 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 28. 736 Zum Ganzen Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 83 (2007). 730 731

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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mochte sich aber im Markt nicht durchzusetzen. In Ermangelung hinreichender Nachfrage wurde der Betrieb nach nur rund zwei Jahren wieder eingestellt. Eingriffe in die Inhalte von Vergütungsabsprachen, also staatliche Bestimmungen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung, sind nach alledem kaum angezeigt. Überlegungen zu einer am gerechten Preis (iustum pretium) ausgerichteten Wirtschaftsordnung sind allenfalls geeignet, einzelne Ausreißer in Frage zu stellen.737 Ein Qualitätswettbewerb, wie er im polypolistischen System aus der Konkurrenz um leistungsangemessenes Entgelt entsteht, ist damit nicht zu schaffen.738 Jedenfalls im Geschäftsverkehr ist jede der Vertragsparteien selbst dafür verantwortlich zu beurteilen, ob das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ihren Interessen entspricht.739 Mit gewissen Zweifeln zu versehen ist vor diesem Hintergrund die 2013 aufgenommene Vorgabe an Ratingagenturen nach Anh. I Abschn. B Nr. 3c EG-RatingVO, diskriminierungsfreie Gebühren, die auf den tatsächlichen Kosten beruhen, sicherzustellen.740 2. Regelungsbestand Der mittlerweile beachtliche Regelungsbestand zu den Rahmenbedingungen der Vergütung ergänzt die auf typische Gefährdungslagen zugeschnittenen Anforderungen an die Unabhängigkeit der Informationsintermediäre. Bereits diskutiert wurden Offenlegungspflichten und Angebotsschranken im Zusammenhang mit Leistungskombinationen aus Prüfung und Beratung.741 Speziell zu Vergütungsabsprachen finden sich darüber hinaus in allen Einzelbereichen Lösungsansätze, deren Eckpunkte vor der Durchdringung des Umgangs mit spezifischen Gefährdungslagen zu nennen sind. a. Abschlussprüfung Das Honorar des Abschlussprüfers darf innerhalb der allgemeinen Grenzen frei bestimmt werden.742 Wettbewerbsrechtlich ergeben sich – wie bei anderen Informationsdienstleistungen – aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG keine Einwände gegen die einfache Preisunterbietung.743 Besondere Grenzen für sogenannte Lockvogelangebote i. S. v. §§ 3, 5 UWG bestehen bei der Abschlussprüfung nach § 43 Abs. 2 Satz 3 WPO sowie bei Werbecharakter nach § 52 WPO.

Zum „iustum pretium“ der Managergehälter Thüsing ZGR 2003, 457. Schroeter Ratings, 2014, S. 712. Zur Finanzanalyse Fisch 55 UCLA L. Rev. 39, 84 (2007). 739 Siehe nur Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 347 Rn. 23 m. w. N. 740 Dazu sogleich 13. Kapitel: C.I.2.b (S. 697). 741 Siehe 13. Kapitel: B.IV.2.c (S. 665 ff., 673). 742 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 1, 5 ff. 743 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 10. 737 738

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die engeren berufsrechtlichen Grenzen sind durch die im Jahr 2006 modernisierte EG-Abschlussprüferrichtlinie von 2006 geprägt. Nach § 55 Abs. 1 Satz 5 WPO darf die Höhe der Vergütung, wie angesprochen, nicht in einem erheblichen Missverhältnis zum Aufwand stehen.744 Sie darf auch nicht vom Ergebnis der Prüfung oder von sonstigen Bedingungen abhängig gemacht werden oder von zusätzlichen Leistungen beeinflusst sein. Unterbunden werden damit eigene wirtschaftliche Interessen des Prüfers an einem bestimmten Ausgang der Prüfung und damit zusammenhängender Erfolge wie etwa dem Börsengang oder der Sanierung des geprüften Emittenten.745 Die Regelung ist gesetzliches Verbot i. S. v. § 134 BGB mit der Folge der Nichtigkeit abweichender Vergütungsvereinbarungen und wegen der Verbotsadressaten (Berufsträger, nicht Mandant) auch dem Ausschluss der Rückforderung bereits gewährter Zahlungen nach § 817 Satz 2 BGB.746 Positive Regelungen zur Vergütungshöhe bestehen nicht. Durch das Fehlen einer Gebührenordnung unterscheidet sich das Recht der Wirtschaftsprüfer von dem anderer freier Berufe wie z. B. dem der Rechtsanwälte.747 Zwar bestand nach dem Erlass des Reichswirtschaftsministeriums von 1939748 eine Gebührenordnung für Pflichtprüfungen, die auch in der Folgezeit nicht formell außer Kraft gesetzt wurde. Sie wurde aber bereits bei ihrem Inkrafttreten als veraltet angesehen. Die 1961 in § 55 WPO a. F. aufgenommene Ermächtigung zum Erlass einer Gebührenordnung belegte schließlich, dass der Gesetzgeber an dem Erlass des Reichswirtschaftsministeriums nicht festhalten wollte.749 Von der Ermächtigung wurde in der Folgezeit kein Gebrauch gemacht. Im Zuge der Berufsaufsichtsreform von 2006 wurde sie beseitigt, auch um Verwechslungsgefahren mit der Gebührenordnung der WPK nach § 61 Abs. 2 WPO entgegenzutreten.750 Die früher verwendeten privaten Gebührentabellen und Gebührenempfehlungen sind aus kartellrechtlichen Gründen nicht mehr in Gebrauch.751 In Umsetzung der im Jahr 2006 modernisierten EG-Abschlussprüferrichtlinie von 2006 wurde in § 55c WPO a. F. die heute in Art. 13 EU-AbschlussprüferVO geregelte Pflicht zur Erstellung eines Transparenzberichts verankert. Die darin offenzulegenden Kriterien für die Bemessung der Vergütung von Partnern (nicht der absoluten Vergütungshöhen) sollen der Öffentlichkeit ein Urteil über die Siehe 13. Kapitel: C.I.1.c (S. 692). Näher KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 22. 746 KommWPO2-Goltz § 55 Rn. 57. 747 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 2. 748 Erlass des Reichswirtschaftsministeriums vom 11.4.1939; zuletzt abgedr. in: WP-Hdb., Bd. 1, 9. Aufl., 1985/86, S. 137. 749 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 2. 750 RegE Gesetz zur Stärkung der Berufsaufsicht und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen in der Wirtschaftsprüferordnung (Berufsaufsichtsreformgesetz – BARefG), BT-Drucks. 16/2858 v. 4.1.2006, S. 28. 751 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 3. 744 745

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persönlichen Interessen ermöglichen.752 Die weiteren Einzelheiten der Aufschlüsselung von Einnahmen aus Prüfung und anderen Leistungen im Transparenzbericht des Prüfers sowie im Jahresabschluss des Emittenten wurden bereits im Zusammenhang mit finanziellen Abhängigkeiten besprochen.753 b. Bonitätsrating Neuerdings gilt für Ratingagenturen eine (milde) Form der Preiskontrolle: Nach Anh. I Abschn. B Ziff. 3c EG-RatingVO i. d. F. von 2013 hat die Agentur ihre Gebühren diskriminierungsfrei und auf Grundlage der tatsächlichen Kosten zu berechnen.754 Zur Überwachung durch die ESMA sind dieser wie beschrieben nicht nur die gegenüber dem Markt offenzulegenden Gesamteinnahmen und Umsatzstrukturen, sondern auch die beim einzelnen Auftraggeber erzielten Einnahmen mitzuteilen.755 Bezweckt ist die Vermeidung von Interessenkonflikten.756 Letztlich zielt die Regelung darauf ab, interessengeleitete Bonitätsbeurteilungen gegen hohe Vergütungsversprechen zu unterbinden.757 Inwieweit es dadurch zu einer für den Wettbewerbsmechanismus schädlichen Beeinträchtigung des Preismechanismus kommt, hängt maßgeblich davon ab, welche Spielräume die Finanzaufsicht den Agenturen bei der Begründung tatsächlicher Kosten und der sachlichen Rechtfertigung von Gebührenunterschieden gewährt. Die neuen Pflichten unterstützen das in Anh. I Abschn. B Nr. 3c EG-RatingVO vorgesehene Verbot, die Gebühren von der Höhe des abgegebenen Ratings oder von einem anderen Ergebnis oder Erfolg der erbrachten Leistungen abhängig zu machen. Weiter ist nach Art. 7 Abs. 5 EG-RatingVO untersagt, die Vergütung des einzelnen Ratinganalysten an Einnahmen zu koppeln, die von der Agentur bei den bewerteten Unternehmen oder den mit diesen verbundenen Dritten erzielt werden. Hinzu kommt nach Art. 7. Abs. 2 EG-RatingVO ein Teilnahmeverbot, das dem einzelnen Mitarbeiter die Anwesenheit bei der Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten untersagt.758 Vergleichbar der Vergütungstransparenz beim Abschlussprüfer hat die Agentur nach Anh. I Abschn. E Unterabschn. I Nr. 4 EG-RatingVO außerdem im Abschlussbericht zum Rating die allgemeinen Grundsätze für die Vergütung ihrer Mitarbeiter offenzulegen. Die EinzelregeArt. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. i EU-AbschlussprüferVO. Zur Vorgängerregelung RegE BARefG, BT-Drucks. 16/2858 v. 4.10.2006, S. 30. 753 Siehe 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652). 754 Zu ersten Zweifeln bereits 13. Kapitel: C.I.1.c (S. 692). 755 Im Einzelnen 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652). 756 Erwägungsgrund 38 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 757 European Commission, Impact Assessment, Proposal for a Regulation amending Regulation (EC) No 1060/2009 on credit rating, Staff Working Paper, SEC (2011) 1354 final, 15.11.2011, S. 44. 758 Dazu FuchsWpHG2-Fuchs § 17 Rn. 15. 752

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

lungen sind zu weiten Teilen durch den IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies geprägt.759 Insgesamt bleibt die Diskussion um die Emittentenfinanzierung des Bonitätsratings im Fluss.760 Zu einer grundsätzlichen Abkehr von den vorherrschenden Finanzierungsstrukturen kam es auch deshalb nicht, weil bislang keine umsetzbaren Alternativen erkennbar sind. c. Finanzanalyse Auch die Höhe der Vergütung für Finanzanalysen ist frei bestimmbar. Soweit es die Empfehlungen durch Analyseabteilungen von Finanzinstituten anbelangt, ergibt sich aber aus der Querfinanzierung durch andere Geschäftsbereiche ein Strukturunterschied zur direkten Vergütung der Intermediationsleistung bei Abschlussprüfung und Bonitätsrating. Bei der verkaufsseitigen Finanzanalyse kommt es nicht zu Außen-, sondern nur zu Innenvergütungen des Analysten. Der Regelungsbestand ist deshalb vorwiegend auf Gefahren aus der Koppelung der Analystenvergütung an die Erträge aus anderen Bereichen, insbesondere des Investmentgeschäfts ausgerichtet. Während auch nach den erhöhten Anforderungen von Art. 6 Abs. 2 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 ebenso wie nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 lit. c FinAnV eine (bloße) Offenlegungspflicht insbesondere für Kreditinstitute761 vorgesehen ist, untersagt § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FinAnV den Wertpapierhandelsunternehmen die Koppelung an die Vergütungen anderer Mitarbeiter und an die von diesen erwirtschafteten Unternehmenserlöse oder Prämien, sofern die Verknüpfung einen Interessenskonflikt auslösen könnte. 3. Strukturfragen Aus den eingangs beschriebenen Regelungsproblemen762 ergibt sich, dass Vergütungsabsprachen zu einer Verschärfung der ohnehin bestehenden Schwächen des Reputationsmechanismus und insgesamt zu beachtlichen Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit beitragen können. Gleichzeitig sind mit Eingriffen in Vergütungsabsprachen aber Einbußen des Wettbewerbs um zutreffende Intermediationsleistungen verbunden. Die vor diesem Hintergrund erforderliche Ingriffnahme spezifischer Beeinträchtigungen wirft im Wesentlichen zwei Strukturfragen auf: Zum einen ist zu prüfen, ob durch Vorgaben zur VergütungsverhandNäher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 291 ff. Für den Übergang auf das investorenfinanzierte Rating The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière), 25.2.2009, Rn. 68. Ebenso aus den USA G30, Financial Reform: A Framework for Financial Stability (Volcker-Report), 15.1.2009, S. 51, Empfehlung 14 c). 761 Betroffen sind gemäß § 2 Abs. 2 FinAnV Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen oder Zweigniederlassungen i. S. d. § 53b des Kreditwesengesetzes. 762 Siehe 13. Kapitel: C.I (S. 685 ff.). 759 760

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lung und -gestaltung Beeinträchtigungen der Informationsintegrität vermieden werden können.763 Zum anderen stellt sich die Frage, ob durch eine Grenzziehung zulässiger Vergütungsregeln Geschäftspraktiken zu unterbinden sind, die zu einem systematischen Absinken der Informationsqualität führen.764

II. Vergütungsverhandlung und -gestaltung Bei der Auftrags- und Vergütungsverhandlung müssen wechselseitige Erwartungen zwischen Intermediär und Emittenten ausgetauscht werden können. Im Rahmen dieses Austauschs kommt es jedoch zu den aus Sicht der Unabhängigkeit der Informationsintermediation problematischen Vergütungsabsprachen. Zur Abmilderung der damit verbundenen Gefahren sind zuerst Maßnahmen auf der Seite des Emittenten und auch der des Intermediärs zu erörtern. Im nächsten Schritt ist die intermediärinterne Umsetzung der Absprache und Individualvergütung des einzelnen Handelnden zu durchleuchten. 1. Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten Die Vergütungsverhandlung sollte so ausgestaltet sein, dass auch indirekte Einflussnahmen des Emittenten auf das Ergebnis der Intermediationsleistung verstellt sind. Beurteilungen zur Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung, Bonität oder künftigen Entwicklung des Emittenten sind allerdings zugleich Bewertungen der individuellen Leistungen seiner Geschäftsleiter. Mit der Vergütungsabsprache durch die Geschäftsleiter verbindet sich infolgedessen eine dem größeren Problemkreis der Selbstprüfung zuzuordnende Gefahr der Einflussnahme des Geprüften auf das Prüfungsergebnis.765 Anreize, durch entsprechende Gestaltungen auf positive Beurteilungen hinzuwirken, sind für den Geprüften praktisch unausweichlich.766 Abzumildern sind die damit verbundenen Gefahren, indem die Durchführung der Vergütungsabsprache im Wege einer Neuzuordnung der Verhandlungsrechte auf Abstand zu den für das Unternehmensergebnis primär verantwortlichen Geschäftsleitern gebracht wird.767 Umgekehrt bestehen auf der Seite des Intermediärs Anreize, durch Inaussichtstellung einer vorteilhaften Leistung auf ein hohes Vergütungs-

Abschn. II (S. 699). Abschn. III (S. 711). 765 Zur Selbstprüfung 13. Kapitel: B.I.1.a (S. 608). 766 Exemplarisch aus der Diskussion um das KonTraG von 1998 Seibert WM 1997, 1, 6. 767 Organisatorische Lösungen zu den hier behandelten Intermediären Leyens JCLS 2011, 33, 50. Finanzierungsbezogener Ansatz (voucher finance) bei Choi / Fisch 113 Yale L.J. 269, 314 ff. (2003) mit Einschränkungen bei der Abschlussprüfung (ebd. S. 336). Ansätze zur Abschlussprüfung bei Weißenberger in: Dörner u. a. (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Aufl., 2003, S. 923, 956. 763 764

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versprechen hinzuwirken. Auch insoweit kommt eine Aufgabentrennung in Betracht, deren Funktionsweise aber anders gelagert ist. a. Organisation auf Emittentenseite (audit committee, financial expert) Bereits in den 1990er-Jahren häuften sich bei der Abschlussprüfung die Beobachtungen eines zu großen Einflusses des Geprüften auf den Prüfer.768 Durch das KonTraG von 1998 wurde die heute in § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG verankerte Kompetenz zur Erteilung des Prüfungsauftrags und damit auch zum Abschluss der Honorarvereinbarung auf den Aufsichtsrat übertragen. Zum Treiber der weiteren Entwicklung wurde der infolge des Enron-Zusammenbruchs erlassene US-amerikanische Sarbanes-Oxley Act von 2002.769 Danach sind die Erteilung des Prüfungsauftrags und die nachfolgende Kommunikation mit dem Abschlussprüfer einem mit nichtgeschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern besetzten Prüfungsausschuss (audit committee) zu übertragen, dessen Mitglieder zusätzlichen Unabhängigkeitsanforderungen unterworfen sind und über besondere Sachkenntnisse verfügen müssen. Die Rezeption schlug sich zunächst in der Empfehlung der Europäischen Kommission „Zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“770 von 2005 nieder. In der ein Jahr später modernisierten EG-Abschlussprüferrichtlinie wurde sodann die Pflicht börsennotierter Unternehmen zur Bildung eines Prüfungsausschusses (sofern kein Aufsichtsrat besteht) und zur Mitgliedschaft eines Finanzexperten (financial expert) in diesem Ausschuss bzw. im Aufsichtsrat verankert. Durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 wird nun auch die aus dem US-amerikanischen Recht bekannte Verantwortung des Prüfungsausschusses für die Genehmigung sämtlicher Nichtprüfungsleistungen des Abschlussprüfers aufgenommen. Erforderlich sein kann die Verabschiedung von Leitlinien durch den Aufsichtsrat.771 Dem

Statt vieler aus der Diskussion um das KonTraG Seibert WM 1997, 1, 6. International O’Connor 81 Wash. L. Rev. 525, 546 (2006); Moloney EBOR 223, 240 (2004). Instruktiv Turnbull How audit practices got muddled in the US and UK, European Financial Management Association, 10th Annual Meeting, 30.6.2005 Mailand, www.ssrn.com/abstract= 717021. 769 Überblick bei Bainbridge The Complete Guide to Sarbanes-Oxley, 2007, S. 175. Aus deutscher Sicht Nicklisch Die Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act auf die deutsche Corporate Governance, 2007, S. 100 770 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Empfehlung vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51, Ziff. 5, Anh. I Ziff. 4. Zur Bedeutung für die Auslegung von Aktienrecht und Kodexregeln GroßkommAktG4-Hopt / Roth § 95 Rn. 27; GroßkommAktG4Leyens § 161 Rn. 112 ff., 114. 771 Merkt ZHR 179 (2015) 601, 621 f. 768

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Aufsichtsrat fällt heute eine auch kapitalmarktbezogene unternehmerische Mitverantwortung zu.772 Für deutsche kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften finden sich die Erträge dieser internationalen Konvergenzbewegung, insoweit unverändert durch die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014, in der bereits seit 2003 vorgesehenen Empfehlung nach Ziff. 5.3.2 Satz 1 DCGK, einen Prüfungsausschuss einzurichten,773 der auch zuvor bei großen börsennotierten Gesellschaften üblich war.774 Nach § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG ist gegebenenfalls zu erklären, dass und warum dies nicht geschehen ist (comply or explain).775 Die Kann-Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG untermauert die Ausschussverantwortung für die Sicherstellung der Unabhängigkeit des Prüfers insbesondere in Bezug auf Nichtprüfungsleistungen. Verpflichtend ist seit dem BilMoG von 2009 außerdem die in § 100 Abs. 5 AktG verankerte Besetzung mit einem Mitglied des Aufsichtsrats, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt (Bilanzexperte, financial expert).776 Das noch nach dem BilMoG bestehende Erfordernis der Unabhängigkeit des Bilanzexperten ist durch das AReG von 2016 entfallen. Die Begründung des Wegfalls mit der Zweistufigkeit der Verwaltung durch Vorstand und Aufsichtsrat setzt die Inkompatibilität der Ämter mit den weitergehenden Anforderungen an die Unabhängigkeit gleich und kann deshalb nicht überzeugen.777 Im internationalen Vergleich steht das deutsche Recht dadurch bei dem aus Investorensicht wichtigen Thema einer unabhängigen Überwachung der Finanzberichterstattung zurück.778 Nach Ziff. 5.3.2 Satz 3 DCGK wird immerhin empfohlen, ein ehemaliges Vorstandsmitglieder innerhalb einer Karenzzeit von 2 Jahren nicht zum Ausschussvorsitzenden zu bestellen. Infolge der EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 steigt die Bedeutung des Prüfungsausschusses weiter an.779 Das zeigt sich insbesondere an der Übertragung der Entscheidung über eine Verlängerung des Prüfermandats trotz Überschreitung der Umsatzunabhängigkeitsgrenze sowie der Vorabbilligung erlaubter Nichtprüfungsleistungen durch den Ausschuss.780 Mit Blick auf die Vergütung Merkt ZHR 179 (2015) 601, 610, 637. Näher KommDCGK6-Kremer Rn. 1286 ff. 774 Zum Stand Gesell ZGR 2011, 361; Hopt / Roth in: FS Nobel 2005, S. 417; Vetter ZGR 2010, 751. Aus den Anfängen Goerdeler ZGR 1987, 219. Vergleichend zu den USA Leyens RabelsZ 67 (2003) 57, 98. 775 Zur selbstregulativen Durchsetzung GroßkommAktG-Leyens § 161 Rn. 24 ff., 36. 776 Zum Bilanzexperten Staake ZIP 2010, 1013. 777 RegE AReG, BT-Drucks. 18/7219 v. 11.01.2016, S. 56. 778 Leyens ZEuP 2016, 388, 407; Roth ZHR 175 (2011) 605, 636. 779 Kritisch Hommelhoff NZG 2015, 1329, 1331 („Verselbständigung des Prüfungsausschusses“). 780 Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2, Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO. Näher dazu 13. Kapitel: B.IV.1.c, 2.c (S. 655, 665). 772 773

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

des Abschlussprüfers besteht die Rolle des Prüfungsausschusses erstens darin, eine Vergütungsverhandlung zu gewährleisten, die frei von schädlichen Einflussnahmen der Geschäftsleiter ist. Zweitens wird durch die Beteiligung des Bilanzexperten Augenhöhe mit dem Prüfer sichergestellt.781 Insgesamt sind die Entwicklungen in das (lange) Ringen um geeignete Strukturen einer verbesserten internen Unternehmensüberwachung, also im zweistufigen Modell der Unternehmensverfassung um eine gestärkte Aufsichtsratsüberwachung einzuordnen. Alternative Konzepte wie der Vorschlag einer Einrichtung von Aktionärsausschüssen hätten sich an Kollektivhandlungsproblemen oder neuen Agenturproblemen infolge des zu erwartenden Einsatzes von Stimmrechtsberatern (proxy advisors) zu messen.782 Ob oder wie sich der so beschriebene Trend einer Stärkung der internen Überwachungsstrukturen auch in Bezug auf die Leistungen von Ratingagenturen und Finanzanalysten durchsetzt, ist nicht abzusehen. Angesichts der Mitverantwortung des Aufsichtsrats für die Finanzberichterstattung und die Kapitalmarktinformation ist aber kaum zu erwarten, dass sich kompetenzrechtliche Bedenken gegen einen Zustimmungskatalog für Nebenleistungen etwa von Ratingagenturen durchsetzen könnten. Der auf börsennotierte Unternehmen zugeschnittene DCGK leitet die Rolle des Aufsichtsrats in Bezug auf die kapitalmarktliche Informationsintermediation außerhalb der Abschlussprüfung bislang zu wenig an.783 Dass dauerhaft ohne Kodexregeln zur Überwachung der Kontakte zwischen Geschäftsleitung und Intermediären durch den Aufsichtsrat auszukommen ist, wird kaum angenommen werden können. Aus Emittentensicht besteht ein Interesse an Marktvertrauen in den ordnungsgemäßen Ablauf der Vergütungsverhandlung nicht nur mit dem Abschlussprüfer, sondern auch mit weiteren Intermediären.784 Es bietet sich deshalb die Aufnahme einer Empfehlung, gegebenenfalls zunächst einer Anregung in den DCGK an, nach der bedeutsame Nebenleistungen von Ratingagenturen und Finanzanalysten unter Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gestellt werden.785 Praktische Schwierigkeiten ergeben sich nicht, wenn Betragshöhen festgelegt und bei vorhersehbarer Notwendigkeit von Nebenleistungen die Zustimmung bzw. das Einverständnis des Aufsichtsrats bereits im Vorfeld eingeholt wird.

781 782

Recht.

Leyens JCLS 2011, 33, 51, 54. Zum Ganzen Marx ZGR 2002, 292, 313 f. mit Vergleich zum US-amerikanischen

Zu den Grenzen der Aufsichtsratsbefassung mit Fragen der investor relations Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 261, 385. 784 GroßkommAktG4-Leyens § 161 Rn. 92. 785 Zum Abschlussprüfer Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014, S. 432 (ohne Forderung nach Kodexregeln). 783

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b. Offenlegung der Aufsichtsratsbeteiligung Eine Verpflichtung zur Offenlegung der Verhandlungsergebnisse wirkt positiv auf die Verhandlungsführung zurück. Bereits besprochen sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Offenlegung der Vergütung aus geschäftlichen Beziehungen des Intermediärs zum jeweiligen Emittenten.786 Davon zu unterscheiden ist die später zu erörternde Offenlegung von Individualvergütungen, weil insoweit allein intermediärinterne Verteilungsfragen angesprochen sind, die nicht Gegenstand der Verhandlung mit dem Emittenten werden.787 Spezifisch auf die hier zunächst zu besprechende Vergütungsverhandlung zugeschnittene Offenlegungsregeln beziehen sich auf die Entscheidungsstrukturen. Dazu gehören vor allem Informationen zur Beteiligung des Aufsichtsrats an der Vergütungsabsprache. In die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB ist der Katalog nicht gesetzlich geregelter Zustimmungsvorbehalte bislang nicht zwingend aufzunehmen.788 Eine dahingehende Kodexempfehlung böte sich an. Insoweit handelt es sich um ein allgemeines Petitum transparenter Überwachung, das anderswo erörtert ist.789 c. Teilnahmeverbote auf Intermediärseite Während bei der Abschlussprüfung auf organisatorische Maßnahmen des Emittenten gesetzt wird, werden bei Rating und Finanzanalyse intermediärbezogene Verbote der Teilnahme an der Vergütungsverhandlung vorgesehen oder gefordert. Ausdrücklich vorgesehen ist ein Verbot der Teilnahme an Verhandlungen über Entgelte oder Zahlungen bislang nur nach Art 7. Abs. 2 EG-RatingVO für die unmittelbar an den Ratingtätigkeiten beteiligten Ratinganalysten, Mitarbeitern und sonstigen Personen, deren Leistungen sie in Anspruch nehmen oder die sie kontrollieren können.790 Der dahingehenden Empfehlung nach Ziff. 2.12 IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies i. d. F. von Insbesondere 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652) im Zusammenhang mit finanziellen Abhängigkeiten. 787 Dazu 13. Kapitel: C.II.2.b (S. 705). 788 Die dort aufzunehmenden Erläuterungen zur Arbeitsweise betreffen vor allem die Sitzungshäufigkeit (§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG), die Angabe des Vorsitzenden (§ 285 Nr. 10 HGB) und den Umgang mit den Empfehlungen Europäischen Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- / Aufsichtsrats (Empfehlung v. 15.2.2005, ABl. EU L 52
v. 25.2.2005, S. 51, Ziff. 9 zur Transparenz von interner Organisation und Verfahren); Baumbach / HoptHGB37-Hopt / Merkt § 289a Rn. 4; MünchKommHGB3-Lange § 289a Rn. 13. 789 Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 347 ff., 366. 790 Näher Schroeter Ratings, 2014, S. 721. 786

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

2004 waren nicht alle Agenturen gefolgt.791 Das jetzige Verbot entspricht der für die als NRSRO tätigen US-amerikanischen Agenturen geltenden Rechtslage.792 Das Verbot kann allerdings bloß eine gewisse Entfernung des Ratinganalysten von der Absprache über den Wert seiner Leistung bewirken. Standardleistungen (z. B. Anleiheratings) wird ein mehr oder weniger fester Gebührensatz zugrunde gelegt. Dem Ratinganalysten bleibt nicht verborgen, wenn es sich um eine besonders profitable Form der Bonitätsbeurteilung handelt (z. B. Rating strukturierter Finanzprodukte). Der Inhalt der im Einzelfall getroffenen Absprachen darf ihm zwar nicht zugetragen werden. Zweifel an der Wirksamkeit von Vertraulichkeitsbereichen (Chinese walls bzw. screens) bestehen aber gerade in den vom Standardgeschäft abweichenden Konstellationen (z. B. bei Neu-, Prestigeoder Großaufträgen).793 Das Teilnahmeverbot trägt also letztlich nur ein Stück weit zur Wahrung der Unbefangenheit bei, während die wichtigere Verhaltenssteuerung durch die noch zu besprechenden Verbote der Koppelung von Individualvergütung und Geschäftserfolg geleistet wird.794 Bei der Finanzanalyse fehlt ein ausdrückliches Teilnahmeverbot. Die Organisationsvorgaben nach § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FinAnV fordern bloß allgemein, eine unsachgemäße Einflussnahme auf den Finanzanalysten zu unterbinden.795 Diskutiert werden Teilnahmeverbote für die der Mandatseinwerbung vorangehende Phase (pitch period). Negativerfahrungen in den USA zu Anfang der 2000er-Jahre zeigen, dass es in dieser Phase zum Versprechen vorteilhafter Finanzanalysen kommen kann, in deren Folge vor allem die Unternehmensgründer Möglichkeiten erhalten, zu hohen Preisen zu verkaufen und die weiteren Zeichner zu übervorteilen.796 Im UK reagierte die Finanzaufsicht 2005 auf den aggressiven Einsatz von Vorabanalysen zur Einwerbung von Mandaten der Begleitung von Börsengängen (competitive IPO) mit dem Verbot, die Analysen als unabhängig zu kennzeichnen.797 Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur von einer Verdichtung der allgemeinen Organisationspflichten zu einem Verbot der Teilnahme des Analysten an den Verhandlungen des Finanzinstituts mit dem Emittenten ausgegangen.798 791 CESR, CESR’s Report to the European Commission on the compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code, CESR/06-545, Dezember 2006, Rn. 51. Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 290 f. 792 17 CFR § 240.17g-5(c)(6). 793 Lynch 59 Case W. Res. L. Rev. 227, 255 (2009). 794 Dazu 13. Kapitel: C.II.2.c (S. 706). 795 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 164 zu Teilnahmeverboten. Allgemein KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 246. 796 Zu den einzelnen Fällen Göres die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 35 ff. 797 FSA, UKLA Publications, Issue No. 11, Supplementary Edition, November 2005, S. 2. 798 Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 159; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 165.

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2. Intermediärinterne Vergütungsgestaltung Die besprochenen Probleme der Vergütungsabsprache zwischen Intermediärunternehmen und Emittenten (Außenvergütung) spiegeln sich wider in der internen Vergütungsvereinbarung des Intermediärunternehmens mit den von ihm beschäftigten Prüfern, Rating- oder Finanzanalysten (Innenvergütung). Die Innenvergütung ist unerlässliches Mittel zur Angleichung der Anreize des einzelnen Mitarbeiters an die Ziele des Unternehmens.799 Regulatorisch sind deshalb nur solche Innenvergütungen in den Blick zu nehmen, in deren Folge sich systematische Anreize ergeben, die kapitalmarktliche Informationsintegrität den eigenen Ertragsinteressen hintan zu stellen. a. Organisation interner Vergütungsverhandlungen (remuneration committe) So wie auf der Seite des Emittenten mit der Einrichtung eines Prüfungsausschusses (audit committee) eine verfahrensmäßige Absicherung herzustellen ist, kann auf der Seite des Intermediärs ein Vergütungsausschuss (remuneration committee) eingesetzt werden. In der Corporate Governance börsennotierter Unternehmen, noch stärker bei beaufsichtigten Finanzinstituten und Versicherern, ist der Nutzen von Vergütungsausschüssen allgemein anerkannt. Für die kapitalmarktliche Informationsintermediation zeigen sich bislang nur Ansätze. Bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind Vergütungsausschüsse durchaus üblich.800 Ratingagenturen haben nach Anh. I Abschn. A Nr. 1 lit. a EG-RatingVO ein Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgan einzurichten, zu dessen Hauptaufgaben es gehört, die Unabhängigkeit der Ratingtätigkeit sicherzustellen. Angesichts ihrer Bedeutung für die Unabhängigkeit zählt dazu auch die Vergütungsgestaltung, die regelmäßig zu überprüfen ist.801 Im Recht der Finanzanalyse finden sich bislang keine vergleichbaren allgemeinen Regeln. Soweit es die bankenseitige Analyse anbelangt, bestehen aber engmaschige aufsichtsrechtliche Organisations- und daneben Offenlegungspflichten.802 b. Offenlegung der Vergütungsstrukturen Eine Offenlegung individueller Vergütungen ist in keinem der betrachteten Intermediationsbereiche vorgesehen. Prüfungsgesellschaften haben nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. i EU-AbschlussprüferVO im jährlichen Transparenzbe799 Grundlagen bei Kräkel Organisation und Management, 6. Aufl., 2015, S. 24. Zur Finanzanalyse auch Hax Informationsintermediation durch Finanzanalysten, 1998, S. 110. 800 Z.B. KPMG Europe LLP, Annual Report 2012, S. 33. 801 Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 300. Zur Vergütung als Kernaufgabe der Überwachung Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 30. 802 Siehe etwa Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 92 ff., 113.

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

richt lediglich die Kriterien zu veröffentlichen, nach denen sich die Vergütung der Partner bemisst. Nach dem konkretisierenden § 15 BS WP/vBP ist nach festen und variablen Bestandteilen der Organmitglieder und leitenden Angestellten einschließlich erfolgsabhängiger Komponenten aufzuschlüsseln.803 Vergleichbare Angaben hat die Ratingagentur bei ihrer Registrierung einzureichen.804 Zu den fortlaufend zu aktualisierenden Angaben zählen nach Art. 11 Abs. 1 i. V. m. Anh. I Abschn. E Unterabschn. I Nr. 4 EG-RatingVO die Grundsätze für die Vergütung ihrer Mitarbeiter.805 Bei der Finanzanalyse fehlen dahingehende Offenlegungspflichten. Kreditinstitute haben aber nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 FinAnV offenzulegen, wenn die Vergütung des Analysten von Erträgen aus bestimmten oder allen InvestmentbankingGeschäften abhängt und müssen dann nach Art. 6 Abs. 2 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 eine Stellungnahme abgeben. Die Höhe der mit dem Emittenten abgesprochenen Vergütung muss ausweislich der Begründung zur FinAnV nicht offengelegt werden.806 Auch besteht keine Pflicht zur Offenlegung der Partizipation am Unternehmenserfolg insgesamt, an der Summe der Erträge aus dem Investmentbanking oder aus anderen Geschäftsbereichen.807 Konfligierende Anreize sind durch diese losen Offenlegungspflichten kaum zu unterbinden.808 c. Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen Mit dem Ziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität unvereinbar sind Vergütungsgestaltungen, die dem Intermediär Anreize vermitteln, das Ergebnis seiner Leistung auf bestimmte Erfolge auszurichten. Im Verhältnis zwischen Emittent und Intermediär (Außenvergütung) kommt der Einsatz von Bedingungen i. S. v. § 158 BGB in Betracht, also der Aufschub des Vergütungsanspruchs bis zum Eintritt bestimmter Umstände (contingent fees). Im Verhältnis zwischen Intermediärunternehmen und dem von ihm beschäftigten Ersteller der Leistung spiegeln sich diese Absprachen in Bonusmodellen wider (Innenvergütung). Verbote oder zumindest Einschränkungen erfolgsabhängiger Vergütungsabsprachen sind in allen hier behandelten Bereichen der kapitalmarktlichen Informationsintermediation vorgesehen. Sie komplementieren das bereits behandelte KommWPO2-Schnepel § 55c Rn. 23. Anh. II. Nr. 13 EG-RatingVO. 805 Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 300. 806 BaFin, Begründung zur Finanzanalyseverordnung, Dezember 2004, S. 11. Zum Ganzen Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 115. 807 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 76; KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 185; Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 122. 808 Eingehend Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 99. 803 804

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Verbot der Leistungserstellung unter Ergebnisvorgabe, haben aber einen größeren Funktionsradius.809 Während es bei der Ergebnisvorgabe zu einem direkten Reputationsverkauf kommt, ist bei erfolgsabhängigen Vergütungen zumindest (theoretisch) denkbar, dass sich ein Wettbewerb um Treffgenauigkeit entwickelt. Dem Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen liegt dementsprechend die (wohl zutreffende) Vermutung eines Marktversagens zugrunde. Ein vergleichsweise umfassendes Verbot der erfolgsabhängigen Vergütung gilt bei der Abschlussprüfung nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EU-AbschlussprüferVO und §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 3, 55a Abs. 1 WPO sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis. Erfolgshonorare, also Vergütungen, die durch den Eintritt weiterer, von der Erbringung der Intermediationsleistung losgelöster Umstände bedingt sind, werden als schlechthin unvereinbar mit Prüfungsleistungen angesehen.810 Nach § 55 Abs. 1 Satz 3 WPO ist deshalb eine durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 BS WP/vBP und weitere Satzungsregeln konkretisierte Bedingungsfeindlichkeit der Vergütungsabsprache angeordnet.811 Die Vereinbarung einer Beteiligung an positiven wirtschaftlichen Folgen der Prüfung (quota litis) ist nach § 134 BGB nichtig.812 Begründet wird dies aus dem Charakter der Abschlussprüfung als „Gemeinschaftsgut“;813 dies mit deutlichen Parallelen zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Erfolgshonoraren für Rechtsanwälte.814 Eine gewisse Anfälligkeit für Umgehungen ist nicht auszuschließen.815 Eine nach Abschluss der Prüfungsleistung vereinbarte Vergütung für eine Zusatzleistung (Honorarium) etwa begründet keinen Verstoß.816 Sofern die Vergütung für die Prüfungsleistung niedrig bemessen war, muss zur Widerlegung des groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Vergütung nach § 55 Abs. 1 Satz 5 WPO lediglich ein hinreichender Zeitaufwand und der Einsatz qualifizierten Personals nachgewiesen werden.817

Dazu 13. Kapitel: A.IV.3 (S. 603). Henssler BB 2006, H. 5 („Die erste Seite“). 811 Dazu KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 13. 812 BGH, Urt. v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, Juris-Tz. 12. Näher KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 14 mit Unterscheidung zwischen Erfolgshonoraren im engeren Sinne (durch Ereigniseintritt bedingte Vergütung) und im weiteren Sinne (Beteiligung an den Früchten der Prüfung). 813 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 1, 14. 814 Zum Wirtschaftsprüfer BVerfG, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 Tz. 66 („kein Erfolg um jeden Preis“). Zu den Auswirkungen auf die Wirtschaftsprüfung KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 16. 815 Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 229 („schwer umzusetzen“). 816 KommWPO2-Goltz § 55a Rn. 18. 817 Näher KommWPO2-Goltz 33 ff.; Naumann in: IDW (Hrsg.), WP Hdb., 15. Aufl., 2017, Abschn. A Rn. 229. 809 810

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Die EG-RatingVO sah zunächst kein ausdrückliches Verbot erfolgsabhängiger Außenvergütungen vor, ebenso wenig wie ein ausdrückliches Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe. Offenbar wurde von einem mit den Pflichten zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit per se unvereinbaren Konflikt ausgegangen, so dass eine spezifische Regelung entbehrlich erschien.818 Nach Anh. I Abschn. B Nr. 3c EG-RatingVO ist seit 2013 die Bedingungsfeindlichkeit vorgesehen. Die für Ratingdienstleistungen in Rechnung gestellten Gebühren dürfen danach nicht von der Höhe des abgegebenen Ratings oder von einem anderen Ergebnis oder Erfolg der erbrachten Leistungen abhängen. Bereits zuvor war nach Art. 7 Abs. 5 EG-RatingVO untersagt, Innenvergütung und Leistungsbewertung der am Rating Beteiligten von Einnahmen abhängig zu machen, die die Ratingagentur mit den bewerteten Unternehmen oder den mit ihnen verbundenen Dritten erzielt.819 Da es nach wie vor nicht auf den Anlass der Zahlung ankommt, sind sämtliche Koppelungen an Erfolge oder Umstände ausgeschlossen, die auf Seiten des Emittenten eintreten. Hinzu kommt das international anerkannte Zuwendungsverbot, nach dem es dem einzelnen Analysten untersagt ist, Leistungen vom Emittenten oder von vergleichbar am Beurteilungsergebnis interessierten Personen anzunehmen. Dieses Verbot findet sich sowohl im Recht des Bonitätsratings820 als auch der Finanzanalyse.821 Verhindert wird dadurch die Umgehung der Vergütungsregeln im Wege von Direktzahlungen an den einzelnen Mitarbeiter als Belohnung für Positivbewertungen.822 Der Begriff der Zuwendung ist weiter als derjenige der Honorarzahlung und erfasst insbesondere, aber nicht nur, finanzielle Leistungen an den einzelnen Analysten, die zwar nicht zu seiner Abhängigkeit führen müssen, jedoch vor allem auf Dauer beachtliche Bindungen hervorrufen können. Bei der Finanzanalyse bestehen Unsicherheiten darüber, unter welchen Umständen sich die Organisations- und Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit erfolgsabhängigen Vergütungen zu Leistungsverboten verdichten. Einerseits sieht § 5 Abs. 4 Nr. 2 FinAnV eine bloße Offenlegungspflicht etwa für die von Kreditinstituten erbrachten Finanzanalysen vor. Anzugeben ist, wenn die Vergütung von Investmentbanking-Geschäften „des eigenen oder mit diesem verbundener Unternehmen abhängt und zu welchen Zeitpunkten und Preisen Anteile des Emittenten, der selbst oder dessen Finanzinstrumente Gegenstand der Finanzanalyse sind“, erworben werden. Erfolgsabhängige Vergütungen sind also ebensowenig wie nach Art. 6 Abs. 2 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/958 unterSchroeter Ratings, 2014, S. 721. Dazu Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 300. 820 Art. 7 Abs. 3 i. V. m. Anh. I Abschn. C Nr. 4 EG-RatingVO. Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 298 mit Vergleichung zum US-amerikanischen Recht. 821 § 5a Abs. 2 Nr. 2 FinAnV. Näher KölnKommWpHG2-Möllers § 34b Rn. 270. 822 Einordnend zur Finanzanalyse Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 49. 818 819

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sagt. Sie können aber Anlass für den Schluss auf eine konkrete Gefährdung mit der Folge eines Leistungsverbots bieten.823 Andererseits wurde Wertpapierhandelsunternehmen im Zuge der MiFIDUmsetzung824 durch § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FinAnV verboten, „die Vergütung von der anderer Mitarbeiter oder den von diesen erwirtschafteten Unternehmenserlösen oder Prämien“ abhängig zu machen, „sofern die Verknüpfung einen Interessenskonflikt auslösen könnte“.825 Es sind also Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten zu ergreifen, insbesondere um eine „unsachgemäße Einflussnahme“ derjenigen Mitarbeiter zu unterbinden, deren Einkommen Referenzgröße der erfolgsabhängigen Analystenvergütung ist (ebd., Nr. 3). Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Belastbarkeit dazu in Betracht kommender Vertraulichkeitsbereiche (Chinese walls bzw. screens) wird von Teilen der Literatur überzeugend ein Verbot erfolgsabhängiger Vergütungen überlegt.826 Nur wird man ein solches Verbot aus dem auf Fälle konkreter Gefährdungen beschränkten Gesetzeswortlaut kaum begründen können.827 Zur Vermeidung von Zweifeln an der Einhaltung der für Finanzanalysen vorgesehenen Compliance-Pflichten – wie sie sich geradezu zwangsläufig mit erfolgsabhängigen Vergütungen verbinden müssen – wird vorgeschlagen, die individuelle Vergütung an die Treffgenauigkeit der ausgesprochenen Empfehlung zu binden.828 Damit würde der Analyst für die Verlässlichkeit seiner Kauf-, aber auch seiner Verkaufsempfehlungen belohnt. Der ohnehin im größeren Abnehmerkreis von Kaufempfehlungen angelegte systematische Anreiz zur Abgabe von Positivbewertungen würde durch diese Vergütungsgestaltung abgemildert. Zugrunde liegt ein allgemeiner und auch auf Ratingagenturen übertragbarer Gedanke: Der einzelne Handelnde sollte nicht für das Einwerben von Geschäften des Intermediärunternehmens und deren Ausgang, sondern für die Integrität seiner Intermediationsleistung (unproblematisch auch abhängig von der Integrität) entlohnt werden. Paradigmatisches Problem ist insoweit die Mandats- und Vergütungserzwingung beim Emittenten im Wege der Ankündigung unbeauftragter Bonitätsbeurteilungen, auf die in folgenden Abschnitten einzugehen ist.829 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 49. Art. 25 Abs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 lit. c MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG. 825 Kursivdruck hinzugefügt. Zur Abgrenzung von der abstrakten Gefährdung Assmann /  SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 48 ff., 59 ff. 826 Einsele / Faust in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., 2011, § 109 Rn. 157. Etwas zurückhaltender Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 122. Eingehend ders. Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 95. 827 Assmann / SchneiderWpHG6-Koller § 34b Rn. 49. 828 Göres Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004, S. 96 mit Beispielen zu Vergütungssystemen führender Banken. 829 Siehe 13. Kapitel: C.III.2 (S. 715 ff., 718). 823 824

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Vergütungsverhandlung und -gestaltung bieten Ansatzpunkte für Rechtsregeln, die Versuche zur Beeinflussung des Intermediärunternehmens und der für die Erstellung der Intermediationsleistung verantwortlichen Einzelpersonen unterbinden. 1. In Bezug auf die Vergütungsverhandlung zwischen Emittent und Intermediär, also die Außenvergütung, finden sich unterschiedliche Lösungsansätze (Abschnitt 1, S. 699): Bei der Abschlussprüfung wird die Vergütungsverhandlung dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats übertragen und so ein größerer Abstand zum potentiell konfliktbefangenen Vorstand geschaffen. Im Recht von Bonitätsrating und Finanzanalyse wird demgegenüber auf eine organisatorische Trennung gesetzt, infolge derer für die Erstellung der Beurteilung verantwortliche Mitarbeiter von der Teilnahme an der Vergütungsverhandlung ausgeschlossen sind. In Anlehnung an das Recht der Abschlussprüfung könnte die Überwachung der Beziehungen zu Ratingagenturen und Finanzanalysten durch den Aufsichtsrat mit Kodexregeln gestärkt werden. Insbesondere kommt die Aufnahme einer Empfehlung in Betracht, nach der ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für Zusatzleistungen vorzusehen ist. 2. Über die Gestaltung der Vergütung des einzelnen Prüfers, Rating- oder Finanzanalysten, also die Innenvergütung, sind die wirtschaftlichen Interessen des Intermediärunternehmens und die privaten Ertragsinteressen des einzelnen Mitarbeiters einander anzunähern (Abschnitt 2, S. 705). Durchweg zulässig ist eine Koppelung an den unternehmerischen Gesamterfolg des Intermediärs. Die Vergütungsstrukturen, also insbesondere die Vereinbarung von mit dem Unternehmenserfolg verknüpften Vergütungsbestandteilen sind aber offenlegungspflichtig. Der Bedingungsfeindlichkeit des Abschlussprüferhonorars entspricht das Verbot, die Vergütung einzelner Ratinganalysten an die vom beurteilten Emittenten erhaltenen Einnahmen zu koppeln. Bei der Finanzanalyse fehlt eine vergleichbar eindeutige Regelung, wenngleich die bestehenden Organisationspflichten als Verbot einer Koppelung der Vergütung an Transaktionserfolge ausgelegt werden. 3. In der Zusammenschau zeigen die (bloß teilweise) unterschiedlichen Regelungen eine gemeinsame Zielrichtung auf, die in der Unterbindung gezielter Beeinflussungen des jeweils verantwortlichen Prüfers, Rating- oder Finanzanalysten gesehen werden kann. Fortentwicklungen kommen, wie aufgezeigt, in Betracht. Vereinheitlichungen des Regelungsbestands sind hingegen nicht, jedenfalls nicht zwingend geboten, wenn wegen funktionaler Vergleichbarkeit der Lösungsansätze oder wegen der Eigenheiten ihrer Einbindung in emittenteninterne Überwachungsstrukturen zu insgesamt vergleichbaren Ergebnissen zu kommen ist.

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III. Missbräuchliche Vergütungsabsprachen Die grundsätzlich inhaltlich freie Vergütungsabsprache darf nicht zu einer systematischen Aushöhlung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität führen. Dahingehende Absprachen sind rechtsmissbräuchlich, wenn sie zur opportunistischen Nutzung eines verfestigten kapitalmarktlichen Informationskanals aufrufen und damit – allen Beteiligten bekannt – die Gefahr von Schäden für unbeteiligte Dritte erhöhen. Vor allem zwei Konstellationen, die vorwiegend das Bonitätsrating betreffen, verdeutlichen die Herausforderungen für Berufsrecht und Regulierung: Erstens kann die wirtschaftliche Abhängigkeit des Informationsintermediärs von der privaten Vergütungsvereinbarung durch den Emittenten als Druckmittel zur Erzielung eines Wettbewerbs der Intermediäre um Positivbeurteilungen eingesetzt werden (Provisionsmodell). Zweitens kann der Intermediär die Abhängigkeit des Emittenten von positiven Beurteilungen unter Ankündigung unbeauftragter Leistungen als Druckmittel zur Erzwingung einer vergüteten Leistung einsetzen (Vergütungserzwingung). 1. Provisionsorientierte Vorableistungen (opinion shopping) Infolge nicht vergüteter Vorabbewertungen entstehen äußerlich nur schwer beobachtbare Gefahren eines Wettbewerbs um Positivbewertungen. In Abgrenzung von Ergebnisvorgabe und Erfolgshonorar wird im Wege der Vorabbewertung bloß eine der abschließenden Beurteilung vorgelagerte Einschätzung vermittelt. Die Vergütungsabsprache wird sodann auf Grundlage der Vorabbewertung getroffen. Die Vorabbewertung hat kaum übersehbar einen faktischen Zwang des Intermediärs zur Folge, seine abschließende Beurteilung auf das in Aussicht gestellte Ergebnis auszurichten. Die unentgeltliche Vorabbewertung wird also mit dem alleinigen Ziel der Einwerbung des Intermediationsauftrags erbracht (Provisionsmodell). Ohne dass es expliziter Absprachen bedürfte, werden die Ziele des Auftraggebers, vermittelt über die Ergebnisse der Vorabbewertung, zum Gegenstand der folgenden Beauftragung und bestimmen das Intermediationsergebnis. a. Organisationspflichten als ungeeignete Lösung Das Provisionsmodell birgt die Gefahr einer systematischen Beeinträchtigung der Informationsintegrität. Durch interne Organisationspflichten ist diese Gefahr nicht abzuwenden, weil sich das auf die Mandatseinwerbung angewiesene Intermediärunternehmen ebenso wenig wie der von ihm beschäftigte Durchführungsverantwortliche den Zielen des Emittenten zu entziehen vermag. Der Emittent wird angesichts der Unentgeltlichkeit mehrere Vorabbeurteilungen (prospective assessments) einholen. Bei der Auftragserteilung wird er sich für diejenige entscheiden, die seinen Zielen entspricht und (noch gerade) innerhalb

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

der Vertretbarkeitsgrenzen liegt, also nicht die Glaubwürdigkeitsgrenze unterschreitet (opinion shopping). Angestoßen ist hierdurch ein Wettbewerb um Positivbeurteilungen und damit verbunden ein durch Marktdruck vermittelter Rückgang der Informationsintegrität (race to the bottom). Die Teilnahme an diesem Wettbewerb ist für den auf die Mandatierung angewiesenen Intermediär unausweichlich. Die daraus folgenden Gefahren für die Informationsintegrität verschärfen sich, wenn sich die Glaubwürdigkeitsgrenzen infolge von Marktüberhitzungen verschieben und sich dadurch der Spielraum für Positivbewertungen vergrößert.830 b. Offenlegungspflichten als unvollständiger Ansatz Anders als beim sogleich zu besprechenden Rating sind provisionstaugliche Vorabbewertungen bei der Abschlussprüfung schon aus tatsächlichen Gründen weitestgehend verstellt. Vor Fertigstellung des Jahresabschlusses kann dieser nicht geprüft werden. Andere vorab erbrachte Leistungen, insbesondere solche, die in den Jahresabschluss einfließen, können einen Grund für den Ausschluss des Prüfers nach Art. 5 EU-AbschlussprüferVO und §§ 319, 319a HGB begründen.831 Vor allem wäre eine Mandatierung schon deshalb nicht sicher, weil nach § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG nicht die Verwaltungsorgane die Bestellungsentscheidung treffen, sondern die Hauptversammlung. Nach Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-AbschlussprüferVO sind der Hauptversammlung für die Erstprüfung zwei Vorschläge zu unterbreiten.832 Bei der Finanzanalyse wurden unentgeltliche Vorabbewertungen vor allem im Vorfeld der Einwerbung lukrativer Emissionsbegleitungen beobachtet (competitive IPOs). Eine Besonderheit gegenüber den ebenfalls auf eigene Rechnung erbrachten unbeauftragten Bonitätsbeurteilungen ergibt sich daraus, dass das Finanzinstitut ohne interne Vorabeinschätzung zum voraussichtlichen Erfolg des Börsengangs nicht auskommen kann. In Vorbereitung eines Angebots zur Emissionsbegleitung müssen also die Geschäftsleiter des Finanzinstituts schon zur Haftungsvermeidung (business judgment rule) Analysen zur voraussichtlichen Entwicklung erstellen lassen. Den bei Finanzinstituten beschäftigten Finanzanalysten ist es nach § 5a Abs. 2 Nr. 4 FinAnV aber verboten, Entwürfe der Analyse, die bereits eine Empfehlung oder einen Zielpreis enthalten, vor deren Weitergabe oder Veröffentlichung dem Emittenten, Mitarbeitern, die nicht an der Erstellung der Analyse beteiligt sind, oder Dritten zugänglich zu machen. In den 830 Zu den ökonomischen Grundlagen des Informations- und Reputationsmarkts 6. Kapitel: D.III (S. 173), zur Mechanismusinstabilität 9. Kapitel: A.III (S. 292). 831 Hennrichs / Bode NZG 2016, 1282, 1284 mit Überblick zum Meinungsstand nach der EU-Abschlussprüfungsreform. 832 VO (EU) 537/2014 v. 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, ABl. EU L 158 v. 27.5.2014, S. 77, Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2.

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bislang zu Art. 20 MarktmissbrauchsVO vorgelegten Technischen Regulierungsstandards der Delegierten VO (EU) 2016/958 findet sich das Verbot nicht. Maßgebliches Ziel ist die Unterbindung schädlicher Einflussnahmen im vorliegend behandelten Sinne.833 Zur Mandatseinwerbung erstellte Finanzanalysen dürfen nur als Werbemitteilung veröffentlicht werden, sind also als nichtunabhängige Analyse zu kennzeichnen. Außerdem ist eine etwaige Koppelung der Analystenvergütung an den Transaktionserfolg offenzulegen.834 Bei Ratingagenturen hatte sich das Provisionsmodell vor der Finanzmarktkrise von 2008 für Bonitätsbeurteilungen von strukturierten Finanzprodukten durchgesetzt.835 Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, dass es anders als im Anleihemarkt (Zwei-plus-Usance) nur einer einzigen Bonitätsbeurteilung bedurfte, die Agenturen also in einem verschärften Wettbewerb standen. Die Beurteilung strukturierter Finanzprodukte war zudem hochprofitabel, wahrscheinlich am profitabelsten.836 Zur Vereinbarung von Honoraren für den Fall der Nichtmandatierung (break-up fees) kam es offenbar nur selten.837 Der maßgebliche Vergütungsanreiz bestand demnach in der Einwerbung des Ratingmandats.838 Die dazu erstellten Vorabbewertungen wurden den Emittenten also unter den soeben beschriebenen Bedingungen eines Wettbewerbs um Positivbewertungen angeboten.839 Die EG-RatingVO sah zunächst eine auf strukturierte Finanzprodukte beschränkte Offenlegungspflicht vor.840 Erst 2013 wurde erkannt, dass es sich um ein Problem handelt, das zumindest dem Grunde nach sektorenunabhängig auftreten kann. Nach Anh. I Abschn. D Unterabschn. I Nr. 6. EG-RatingVO haben die Agenturen auf ihrer Internetseite seitdem fortlaufend Informationen über alle Unternehmen und Schuldinstrumente zu veröffentlichen, mit deren Erstkontrolle oder Vorabbewertung sie beauftragt wurden, und zwar unabhängig davon, ob sie auch den Auftrag zum abschließenden Rating erhielten.

Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 24 Rn. 91, 171. 834 Zur Kennzeichnung als Werbemitteilung 13. Kapitel: B.IV.1.b (S. 652) und zur erfolgsabhängigen Vergütung 13. Kapitel: C.II.2.c (S. 706). 835 IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structurd Finance Markets, Consultation Report, Mai 2008, S. 14. Näher Kumpan in: FS Hopt 2010, Bd. 2, S. 2157, 2162. Zum Ganzen Schroeter Ratings, 2014, S. 721. m. w. N. 836 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience, 2008, S. 32. Siehe auch Lupica 28 Rev. Banking & Fin. L. 639 (2008). 837 Aus der EU: Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience, 2008, S. 32. Zu den USA: SEC, Summary Report of Issues Identified in the Commission Staff’s Examinations of Select Credit Rating Agencies, Juli 2008, S. 9. 838 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience, 2008, S. 32. 839 Siehe 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711). 840 Anh. I Abschn. D Unterabschn. II Nr. 4 E-RatingVO i. d. F. von 2009. 833

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Angelegt war dieser Regelungsansatz bereits im 2008 zustande gekommenen New Yorker Cuomo-Vergleich.841 Die dort vereinbarten Offenlegungspflichten waren sektoral beschränkt auf den Markt für residential mortgage backed securities, betrafen nur die am Vergleich beteiligten drei großen Agenturen und hatten zudem eine Laufzeit von nur 3 Jahren.842 Mit dem darüber hinaus vorgesehenen Vergütungsobligatorium für Vorabeinschätzungen (fee for service) ging der Cuomo-Vergleich allerdings, wie im folgenden Abschnitt zu erörtern, an entscheidender Stelle über die derzeitige Fassung der EG-RatingVO hinaus. c. Vergütungszwang für Vorabbewertungen (fee for service) Noch vor der Finanzmarktkrise von 2008 wurde betont, dass die Absprache der Vergütung vor Erstellung der Bonitätsbeurteilung erfolge, es also nicht zu Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit komme.843 Mit den beschriebenen Beobachtungen zum Einsatz von Vorabbewertungen als provisionstaugliche Leistungen hat sich die Einschätzung gewahrter Unabhängigkeit erledigt. Die Aufnahme eines Vergütungszwangs für Vorabbewertungen in die EG-RatingVO – gegebenenfalls nach Vorbild des Cuomo-Vergleichs – könnte die besprochenen Probleme abmildern. Mit allgemeinen Regeln wie der Teilvergütung des Werkunternehmers bei vorzeitiger Kündigung des Bestellers nach § 649 BGB ist das Problem nicht zu lösen, weil die Vorabbewertung gerade ohne Ratingvertrag und im Einverständnis der Parteien vergütungsfrei erbracht wird. Auch das Wettbewerbsrecht hilft nicht weiter, weil das Verbot von Lockvogelangeboten nach §§ 3, 5 UWG die Vereinbarung einer Vergütung, wenn auch einer zu geringen, voraussetzt. Die vor diesem Hintergrund gestellte Forderung nach einem Vergütungszwang für Vorabbewertungen ist in der Sache richtig.844 Sie ist aber Gestaltungs- und Durchsetzungsproblemen ausgesetzt, die im Ergebnis eine bloße – deshalb aber nicht unwichtige – Missbrauchskontrolle erwarten lassen, mit der zumindest größere Ausreißer zu unterbinden sind. Die eigentliche Schwierigkeit eines spezialgesetzlichen Vergütungszwangs besteht – neben der Überwachung seiner Einhaltung – in der Ausgestaltung: Eine Gebührenordnung mit Festlegung von Vergütungsuntergrenzen (nicht zwingend Höchstgrenzen) ist selbst für die Abschlussprüfung nicht vorgesehen. Ohne die Festlegung auf Untergrenzen erwiese sich der Vergütungszwang aber als zahnlos, weil durch deklaratorische oder symbolische Vergütungen alle Verbote zu umgehen wären. Ein Angemessenheitsgebot, etwa nach Vorbild von § 55 Abs. 1 Satz 5

841 842 843 844

Leyens in: Beiträge für Hopt 2008, S. 423, 448. Deshalb kritisch Schroeter Ratings, 2014, S. 724. Rodríguez in: Niskanen (Hrsg.), After Enron, 2007, S. 218, 226. Schroeter Ratings, 2014, S. 725 f.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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WPO, wäre den bekannten Schwächen aus der Unbestimmtheit des „erheblichen Missverhältnisses“ zwischen erbrachter Leistung und Vergütung ausgesetzt.845 Stattdessen verpflichtet Anh. I Abschn. B Nr. 3c EG-RatingVO seit 2013 die Ratingagentur, ihre Gebühren diskriminierungsfrei und auf Grundlage der tatsächlichen Kosten zu berechnen. An diese Regelung könnte ein Vergütungszwang anknüpfen. Mit dem Kriterium der tatsächlichen Kosten dürften sich zwar einem Angemessenheitskriterium vergleichbare Bestimmbarkeitsprobleme verbinden. Die Mitteilung der tatsächlichen Einnahmen versetzt die Finanzaufsicht aber in die Lage, über die Zeit ein erhebliches Preiswissen zu sammeln. Die verpflichtende Mitteilung der tatsächlichen Einnahmen gibt ihr verlässlicheren Aufschluss als die zuvor erwogene Orientierung an den freiwillig offengelegten Gebührensätzen für Anleiheratings, deren Anwendung im Einzelfall äußerlich nicht feststellbar wäre.846 Ein behördliches Einschreiten wird gleichwohl nur bei einem augenfällig unrealistischen Kostenansatz in Betracht kommen. Dementsprechend ist auch von einem im Grundsatz richtigen Vergütungszwang für Vorabbewertungen nur eine Missbrauchskontrolle zu erhoffen. 2. Vergütungserzwingung durch unbeauftragte Leistungen (unsolicited rating) Vom Informationsintermediär kann die für integre Informationsleistungen bürgende Reputation gezielt zur Erzwingung einer Mandatierung durch den Emittenten eingesetzt werden. Entsprechendes Drohpotential ergibt sich allerdings nur, wenn auch ohne Mitwirkung des Emittenten glaubwürdige Informationssignale an den Markt gegeben werden können. Dies betrifft letztlich nur unbeauftragte Bonitätsbeurteilungen (unsolicited ratings). Wirtschaftsprüfern fehlt demgegenüber ohne Mitwirkung des Emittenten der Zugriff auf die prüfungserheblichen Daten. Negativbeurteilungen durch einen Finanzanalysten kommt theoretisch ein gewisses Drohpotential zu. Es handelt sich aber zumeist nur um eine Meinung unter vielen. Bei der durch das Investmentgeschäft querfinanzierten Finanzanalyse sind die Ertragsmöglichkeiten zudem von vornherein anders gelagert. Zwar gehört die Reputation der Analyseabteilung zu den Schlüsselfaktoren bei der Auswahl des Emissionsbegleiters.847 Durch die Ankündigung einer tendenziell ungünstigen Analyse wird aber Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Verbot strategischer Leistungskombinationen im 13. Kapitel: B.IV.2.f (S. 671). 846 Noch 2005 hatte sich CESR zurückhaltend gegenüber den Vorteilen einer verpflichtenden Offenlegung von Gebührentabellen durch die Agenturen geäußert, weil dadurch die Verhandlungsposition des Emittenten geschwächt würde; CESR, CESR’s technical advice to the European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, CESR/ 05-139b, März 2005, Rn. 68. Zum Ganzen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 290, insbesondere Fn. 1153. 847 Crockett / Harris / Mishkin / White Conflicts of Interest in the Financial Services Industry, 2003, S. 15. 845

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

kaum die Aufnahme in ein Emissionskonsortium zu erzwingen sein. Gehört das Institut voraussichtlich selbst dem Konsortium an, hat es an Negativbeurteilungen von vornherein kein Interesse. Bekannt geworden sind demgegenüber Kontaktaufnahmen der Ratingagenturen mit Emittenten, im Rahmen derer für den Fall der Nichtmandatierung eine potentiell schlechte Bonitätsbeurteilung auf Grundlage öffentlicher Informationen in Aussicht gestellt wurde.848 a. Organisationspflichten als unzureichende Lösung Durch interne Organisation der Ratingagenturen ist auf die Verhinderung einer Vergütungserzwingung im Wege der Ankündigung unbeauftragter Bewertungen kaum verlässlich hinzuwirken. In den Anfängen der Debatte wurden schon die (zwangsläufig) anekdotischen Belege aus der Praxis einzelner Geschäftsleiter auf Emittentenseite angezweifelt: Mit jedwedem Eindruck der Käuflichkeit des Ratings verbinde sich eine Reputationseinbuße der Agentur, so dass kaum Anreize zum gezielten Angebot von Positivbewertungen anzunehmen seien.849 Solchen Zweifeln liegt die zutreffende Annahme kollektiver Reputationseinbußen zugrunde, also gesamtmarktlicher Vertrauensverluste. Nur entsteht hieraus für die einzelne Agentur kein unmittelbarer Nachteil im Wettbewerb um Mandate. Zum einen liegt es nahe, dass sich die Konkurrenten gleichförmig verhalten, so dass die einzelne Agentur gezwungen ist, sich der Marktpraxis anzupassen, will sie nicht vom Markt verdrängt werden. Zum anderen werden zweifelhafte Geschäftspraktiken nur selten öffentlich bekannt.850 Vor der Beauftragung ist eine Druckausübung der Agentur auf den Abschluss des Ratingvertrags nur schwer nachweisbar und nach Beauftragung besteht in aller Regel kein Interesse an diesem Nachweis. Emittenten, die sich dem Abschlussdruck nicht beugen, stehen kaum Verhinderungsmöglichkeiten offen. Die gerichtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen unbeauftragt negativer Beurteilungen scheiterte etwa im USamerikanischen Fall Jefferson County School District v. Moody’s am Beleg einer

848 CESR, CESR’s technical advice to the European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, CESR/05-139b, März 2005, Rn. 73 ff., 75. Mit eingehender Diskussion Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 383. 849 Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 486 unter Bezugnahme auf die Praxisbeobachtungen bei v. Randow ZBB 1995, 85, 88. 850 Außergewöhnlich offen aber die Stellungnahme gegenüber der SEC von James I. Kaplan, Associate General Counsel des US-amerikanischen Finanzdienstleisters Northern Trust: „Secondly, Northern has been sent bills by rating agencies for ratings that were not requested by Northern, and for which Northern had not previously agreed to pay. On occasion, we have paid such invoices in order to preserve goodwill with the rating agency, but we feel that this practice […] is prone to abuse“; vgl. SEC, 28.7.2003, File No. 57-12-03.

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wissentlich zu negativen Beurteilung, obwohl positive Bewertungen der beauftragten Agenturen Standard & Poor’s und Fitch vorlagen.851 Gleichwohl ist zu unterscheiden: An der Kontaktaufnahme mit dem Emittenten und der Aufforderung zur Teilnahme am Ratingprozess besteht schon wegen der Chance auf eine verbesserte Informationsgrundlage ein auch von der EGRatingVO erkanntes Interesse des Markts. Zudem ist der abstrakte Hinweis darauf, dass unbeauftragte Bonitätsbeurteilungen tendenziell schlechter ausfallen als beauftragte, schon wegen der dahingehenden (und bekannten) Erfahrungswerte nicht unangebracht.852 Erst aus der (impliziten) Inaussichtstellung einer besseren Beurteilung bei Auftragserteilung erschließt sich das tieferliegende Regelungsproblem: Aus Sicht der kapitalmarktlichen Informationsintegrität ist schon die bloße Möglichkeit zur Mandatserzwingung im Wege der Ankündigung (übermäßig) negativer Beurteilungen problematisch. Zwangsläufig entsteht daraus ein Anreiz, unter opportunistischem Einsatz der Reputation zunächst gegen und sodann für den Emittenten zu arbeiten. Im Wettbewerb um Mandate ist die Befolgung dieses Anreizes – ähnlich wie das Angebot von Leistungskombinationen oder die Bereitstellung von Vorabbewertungen853 – unausweichlich. Die Folge ist eine flächendeckende Beeinträchtigung der Informationsintegrität von Bonitätsratings.854 b. Offenlegung unbeauftragter Leistungen Die rechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung dieser Gefahren sind begrenzt. Die mögliche Leistungsfähigkeit von Offenlegungspflichten, wie nach der von Art. 10 Abs. 5 Unterabs. 2 EG-RatingVO vorgesehenen Kennzeichnung als unbeauftragtes Rating, erschließt sich erst auf den zweiten Blick: Erhofft werden Anreize der Agentur, angesichts der öffentlich verfügbaren Information über die fehlende Beauftragung von einer zu niedrigen Erstbewertung abzusehen.855 Dahingehende Anreize können allerdings nur entstehen, wenn das Grundsatzproblem der nur kollektiv, aber eben nicht individuell wirkenden Vertrauensverluste angegangen wird. Leistungsfähig ist die Offenlegungspflicht dementsprechend erst dann, wenn sie zu einer Steigerung der Beobachtbarkeit des Individualverhaltens führt und damit die Reputationsanreize der einzelnen Agentur anspricht. Jefferson County School District (Colorado) No. R-1 v. Moody’s Investors Services 175 F. 3d 848 (10th Cir. 1999). Dazu Emmenegger SZW/RSDA 2006, 32, 36. Zum Ganzen Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 383. 852 Überblick bei Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 51 m. w. N. Siehe auch Xia / Strobl The Issuer-Pays Rating Model and Ratings Inflation, Februar 2012, www.ssrn.com/abstract=2002186. 853 Näher 13. Kapitel: B.IV.2, C.2 (S. 657 ff., 711 ff.). 854 Noch stärker auf den Reputationsmechanismus vertrauend Merkt Unternehmenspublizität, 2001, S. 486. 855 Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 51 m. w. N. 851

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Die Kennzeichnung als unbeauftragtes Erstrating ermöglicht lediglich den Vergleich mit den Ergebnissen des beauftragten Folgeratings. Erforderlich sind also Mehrperiodenbetrachtungen. Abgeglichen werden dabei die Bonitätseinstufungen. Dass darüber hinaus Nebeninformationen, wie solche zu möglichen Interessenkonflikten, treffsicher einfließen, mag schon im Ansatz bezweifelt werden.856 Hoffnungen auf ein durch Offenlegung gesteuertes Verhalten werden zudem durch ein Rückschlussproblem relativiert: Beauftragte Ratings fallen erfahrungsgemäß besser als unbeauftragte aus. Im Einzelfall ist also nicht zwingend von einem Reputationsverkauf auszugehen. Kaum fernliegend ist die Überlegung, die Kennzeichnungspflicht käme vornehmlich den großen, also den zumeist bereits mandatierten Agenturen zugute. Denkbar ist eine Beeinflussung der Regelsetzung durch diese, die großen Marktteilnehmer (rent seeking).857 c. Leistungsverbot bei Missbrauch Ein grundsätzliches Verbot unbeauftragter Ratings, also letztlich eine Untersagung entgeltfreier Bonitätsbeurteilungen, hätte voraussichtlich ungünstige Folgen für den Informationsbestand des Markts. Betroffen wären nicht nur Beurteilungen zu Emissionen am Rand des Produktangebots, also in Segmenten, für die ohnehin ein lückenhafter Informationsbestand charakteristisch ist. Auch und gerade im Marktzentrum bieten unbeauftragte Ratings ein Gegengewicht zu den beauftragten Leistungen und mildern damit die Gefahren eines Wettbewerbs um Positivbewertungen ab (opinion shopping).858 Nicht zuletzt entstünden weitere Markteintrittsbarrieren für neue Agenturen, die zu ihrer (marktlichen) Anerkennung die Reputation treffsicherer Beurteilungen aufzubauen haben.859 In Betracht kommen zwei auch kumulativ einsetzbare Maßnahmen: erstens die Nichtanerkennung unbeauftragter Ratings für Regulierungszwecke, zweitens der Entzug der Registrierung. Bereits der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht überlegte 2006 (Basel II), unbeauftragte Ratings nicht für Regulierungszwecke anzuerkennen, wenn diese nachweislich zur Erzwingung von Ratingmandaten eingesetzt werden.860 Dadurch würde das Drohpotential (threat value) der Agentur gegenüber dem Emittenten verringert. Denn der sogenannte Aneignungswert 856 So schon im Zusammenhang mit der direkten Offenlegung konfliktgeeigneter Umstände durch Finanzanalysten Fazley Regulierung von Finanzanalysten und Behavioral Finance, 2008, S. 175. 857 Schroeter Ratings, 2014, S. 762 f. 858 IOSCO, The Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets, Final Report, Mai 2008, S. 13. Näher Stemper Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010, S. 385. Zum Markt für Positivbewertungen 13. Kapitel: C.III.1 (S. 711). 859 Göres in: Habersack u. a. (Hrsg.), Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., 2013, § 31 Rn. 57. 860 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen (Basel II), Mai 2006, Abs. 108.

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(quasi rent) opportunistischer Intermediärleistungen bestimmt sich nach dem Einfluss auf den Marktzugang des Emittenten. Besonders hoch ist dieser Einfluss bei regulatorisch vorgesehener Rechtsfolgeanknüpfung (regulatory license). Dieser Einfluss soll nach Art. 5c EG-RatingVO bis zum Jahr 2020 durch Streichung aller Vorschriften des Unionsrechts, die die Nutzung oder Abgabe von Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken erfordern oder gestatten, zurückgefahren werden (sofern geeignete Alternativen für die Bewertung des Kreditrisikos gefunden und umgesetzt werden). Bis dahin und für die verbleibenden Fälle käme der Nichtanerkennung unbeauftragter Bewertungen für regulatorische Zwecke mit Blick auf das hier behandelte Problem der Vergütungserzwingung unverkennbar Schlagkraft zu.861 Die zweitens zu überlegende Androhung eines Entzugs der Registrierung eignet sich angesichts ihrer Eingriffsintensität nur als Ultima Ratio. Als Vergütungserzwingung einzuordnendes Fehlverhalten lässt sich ohnehin nur selten nachweisen. Selbst bei Beobachtung stets abweichender Ergebnisse von unbeauftragten Erstratings und beauftragten Folgebeurteilungen wäre angesichts der jeweils unterschiedlichen Verfügbarkeit von Informationsquellen kaum mit der für individuell-konkrete hoheitliche Eingriffe erforderlichen Sicherheit auf ein Fehlverhalten zu schließen. Der eigentliche Nutzen der Offenlegung nach der EG-RatingVO dürfte vor diesem Hintergrund – wie in Bezug auf die Einführung des zuvor besprochenen Vergütungszwangs für Vorabbewertungen – mehr in den daraus entstehenden Möglichkeiten einer behördlichen Missbrauchskontrolle zu sehen sein. Diese Überlegungen führen zur bereits behandelten Innenvergütung der Ratinganalysten zurück.862 Aus den hier beschriebenen Gründen kommt eine Pflicht der Agentur in Betracht, die Vergütung des einzelnen Ratinganalysten und sonstiger Mitarbeiter nicht an die Einwerbung von Mandaten bei Emittenten zu koppeln, zu denen unbeauftragt Ratings abgegeben wurden. Verstöße werden aber auch dann nur im Sinne einer Missbrauchskontrolle zu ahnden sein. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Freie Vergütungsabsprachen sind Voraussetzung einer durch Qualitätswettbewerb gesteuerten Verlässlichkeit der privaten Informationsintermediation. Grenzziehungen sind erforderlich, um einen missbräuchlichen Einsatz dieser Freiheit zur Vergütungserzwingung zu unterbinden. Übergreifendes Ziel berufsrechtlicher oder regulatorischer Maßnahmen ist demnach, auf die Honorierung allein zutreffender Bewertungen hinzuwirken. Im Verhältnis zwischen Emittenten und Intermediär lässt sich dies nur eingeschränkt festschreiben. Erfolgshonorare, infolge derer die Vergütung von einem bestimmten Intermediationsergebnis 861 862

Schroeter Ratings, 2014, S. 763 mit Rechtsvergleichung. Dazu 13. Kapitel: C.II.2.c (S. 706).

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

abhängt, sind aber in allen Einzelbereichen der Informationsintermediation verboten. Bei Rating und Finanzanalyse bestehen noch gewisse Unsicherheiten in Bezug auf die Behandlung von Absprachen, nach denen die Vergütung vom Eintritt weiterer, von der Erbringung der Intermediationsleistung losgelöster Umstände abhängig gemacht wird, z. B. von dem Ausgang einer Transaktion. Durch klarstellende Regelungen zum Verbot solcher Verknüpfungen wären diese Unsicherheiten zu vermeiden. 1. Ein Vergütungszwang für provisionsorientierte Vorabbewertungen ist bislang nicht vorgesehen (Abschnitt 1, S. 711 ff.). Überlegenswert ist er, weil dadurch dem Wettbewerb um Positivbewertungen (opinion shopping) entgegengewirkt werden könnte. Die zu unterbindende Gefahr eines Verschlechterungswettbewerbs tritt praktisch allein in Ratingmärkten ohne Zwei-plusUsance auf. Das Verbot einer Leistungserbringung im erheblichen Missverhältnis zur Vergütung, wie im Recht der Abschlussprüfung für die anders gelagerten Fälle des § 55 Abs. 1 Satz 5 WPO vorgesehen, setzte voraus, dass die Angemessenheit der Ratingvergütung bestimmbar wäre. Durch die behördliche und nachgelagert die gerichtliche Kontrolle sind, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Expertenrat, allenfalls besonders krasse Gestaltungen zu unterbinden. 2. Die Ankündigung eines unbeauftragten Bonitätsratings kann vom Intermediär zur Mandats- und Vergütungserzwingung eingesetzt werden (Abschnitt 2, S. 715 ff.). Sofern es sich um einen noch nicht mit Bonitätsbewertungen ausgestatteten Emittenten handelt, ist die Kenntnis des einzelnen Ratinganalysten vom Ausgang der Auftragsverhandlung auch durch Vertraulichkeitsbereiche nur sehr eingeschränkt zu unterbinden. Die geltende Pflicht zur Kennzeichnung unbeauftragter Ratings ist zwar zu befürworten. Sie löst das Problem aber nicht zufriedenstellend, weil mit treffsicheren Mehrperiodenvergleichen zu Nebeninformationen, wie den Angaben zu möglichen Interessenkonflikten, kaum zu rechnen ist. Verbote des unbeauftragten Ratings führten zu Vergrößerungen der Lücken in der Informationsabdeckung des Markts. Sinnvoll erschiene das Verbot, die Vergütung des einzelnen Ratinganalysten und sonstiger an der Ratingerstellung beteiligter Mitarbeiter nicht an die Einwerbung von Mandaten bei Emittenten zu koppeln, zu denen unbeauftragt Ratings abgegeben wurden. 3. Die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen in die Vergütungsabsprache ein. Sie stehen im Spannungsverhältnis von einerseits freier Vergütungsgestaltung, die Grundvoraussetzung der privaten Marktzugangskontrolle ist, und andererseits der Verhinderung einer im Sinne der Informationsintegrität missbräuchlichen Nutzung von verfestigten Informationskanälen des Kapitalmarkts. Im Ergebnis ist dieses Spannungsverhältnis nur mit Vorsicht zulasten von Möglichkeiten der Herstellung von Anreizkompatibilität zwischen individuellen Zielen der Mitarbeiter und den eigenen Zielen als Intermediärorganisation aufzulösen. Soweit wie in den behandelten Konstellationen der Provisionsorientierung und der Vergütungserzwingung mit systematischen Fehlanreizen zu rechnen ist, sind Eingriffe gerechtfertigt.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten

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IV. Zusammenführung der Ergebnisse In der Zusammenschau ergeben sich folgende Möglichkeiten, die Integrität von Intermediärleistungen durch Vergütungsregeln zu unterstützen: 1. Privatautonome Vergütungsabsprachen sind Voraussetzung einer fortlaufenden Anpassung der Intermediationsleistungen an den Stand der Methodik, den Wandel der Eigenschaften von Finanzprodukten und insgesamt für den Qualitätswettbewerb (Abschnitt I, S. 685 ff.). Die Vergütung dient dem Ausgleich von Leistungs- und Gegenleistungsinteresse und begründet insoweit keinen berufsrechtlich oder regulatorisch in den Griff zu nehmenden Interessenkonflikt. Zu unterbinden sind allein solche Absprachen, die zu einer systematischen Unterordnung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität unter private Ertragsinteressen führen. Die Diskussion der Vor- und Nachteile von emittenten- gegenüber investorenfinanzierter Informationsintermediation (issuer pay v. investor pay) ist weiter im Fluss. Ein „Informationsmix“, bei dem sich die Vorund Nachteile der verschiedenen Finanzierungsformen wechselseitig ausgleichen, sollte gestärkt und nicht beim Rating durch eine Pflicht zur Offenlegung der Ergebnisse von im Abonnement erbrachten Beurteilungen geschwächt werden. Private Vorstöße zur Erhöhung des Anteils unabhängiger, also nicht durch Ertragsinteressen von Finanzinstituten quersubventionierter Finanzanalysen konnten sich nicht durchsetzen. Dahingehende Verpflichtungen der Finanzinstitute (Spitzer-Vergleich) waren mit einem merklichen Rückgang der Analyseabdeckung und dem Wegfall wichtigen Bewertungswissens verbunden. Auf dem Stand der Kenntnis erscheint die Ingriffnahme spezifischer Problemstellungen der Vergütungsabsprache sinnvoller als eine grundsätzliche Abkehr von den gewachsenen Finanzierungsstrukturen. 2. Ansatzpunkte für berufsrechtliche und regulatorische Pflichten bieten die Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten und die intermediärinterne Vergütungsgestaltung (Abschnitt II, S. 699 ff.). Entscheidend ist zunächst die Gewährleistung einer von den Interessen der geprüften oder beurteilten Geschäftsleiter des Emittenten losgelösten Vergütungsverhandlung (Außenvergütung). Bei der Abschlussprüfung wird auf den Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats gesetzt, der die Beziehungen zum Abschlussprüfer, insbesondere die Prüfung der Unabhängigkeit und die Vergütungsabsprachen betreut. Funktional vergleichbare Lösungen wären in Bezug auf die Überwachung der Beziehungen zu anderen Informationsintermediären wie insbesondere zu Ratingagenturen und Finanzanalysten durchaus denkbar. Angesichts der zweifelsohne bestehenden Verantwortung des Aufsichtsrats für die Überwachung der Unternehmenspublizität erscheinen dahingehende Anleitungen durch Empfehlungen – vorsichtiger: durch Anregungen – des DCGK ratsam. Die Gestaltung der individuellen Vergütung von Abschlussprüfern, Ratingund Finanzanalysten (Innenvergütung) darf nicht an ein bestimmtes Intermediationsergebnis gekoppelt sein. Spiegelbildlich zur Vergütungsverhandlung mit dem

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Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Emittenten könnte intermediärintern stärker auf Vergütungsausschüsse gesetzt werden. Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile bei der Finanzanalyse wären an der Treffgenauigkeit von Positiv- wie Negativempfehlungen auszurichten. 3. Missbräuchliche Vergütungsabsprachen sind zu unterbinden (Abschnitt III, S. 711 ff.). Insoweit ergeben sich bislang nicht vollständig gelöste Probleme aus den auf Mandatseinwerbungen gerichteten vergütungsfreien Leistungen von Ratingagenturen (Provisionsmodell). Bei der Abschlussprüfung stellt sich dieses Problem nicht oder nicht so, weil der Jahresabschlusses erst nach seiner Erstellung geprüft werden kann. Bei der Finanzanalyse kommt es bildhaft zu einem Wechsel des Informationskanals, weil die Analyse nach Mandatseinwerbung als (bloße) Werbemitteilung zu veröffentlichen ist. Beim Bonitätsrating ist die gezielte Außerachtlassung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität aus eigenem Ertragsinteresse als missbräuchliche Verwendung eines etablierten Informationskanals einzustufen. Zur Unterbindung bietet sich nicht der Erlass einer Gebührenordnung an, weil damit Wettbewerbseffekte verstellt würden. Geboten wäre ein Vergütungszwang für Vorabbewertungen nach Vorbild des USamerikanischen Cuomo-Vergleichs. Zu verhindern ist damit allerdings nur offensichtlicher Missbrauch. Vergleichbare Probleme bereitet der Einsatz unbeauftragter Leistungen zur Ausübung faktischen Zwangs auf die Erteilung des Mandats (Vergütungserzwingung). Auch insoweit steht maßgeblich das Rating in der Kritik. Die Nichtanerkennung unbeauftragter Ratings kann wegen des ohnehin erfolgenden Rückbaus regulatorischer Inbezugnahmen von Bonitätsbeurteilungen wenig ausrichten. Der Entzug der Registrierung ist nur in Ausnahmefällen verhältnismäßig. Sinnvoll erschiene eine vergütungsbezogene Regelung, konkret das Verbot der Koppelung von Individualvergütungen an die Einwerbung von Mandaten bei Emittenten, zu denen vormals unbeauftragte Beurteilungen erbracht wurden. Auch damit wird nicht über eine Missbrauchskontrolle hinauszukommen sein. 4. In der Zusammenschau werden die funktional vergleichbaren Problemstellungen und auch die Potentiale einer Angleichung des Lösungsinstrumentariums erkennbar. Das gilt besonders für die Stärkung der Überwachung von Außenvergütungen durch den Aufsichtsrat bzw. von Innenvergütungen durch Ausschüsse des Verwaltungsorgans des Intermediärs. Die bislang fehlende allgemeingesellschaftsrechtliche Vergewisserung wäre zur Vermeidung weitergehender Maßnahmen durch Regeln des DCGK zu unterstützen.

Zusammenfassung Zusammenfassung

Die Kernaussagen der Schrift sind in wenigen Sätzen zusammenzufassen:1 Private Informationsintermediäre wie Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten können Aufgaben einer die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts stützenden privaten Marktzugangskontrolle übernehmen (gatekeeping). Aller Voraussicht nach sind dadurch die mit dem Wandel des Finanzsystems, der Globalisierung des Kapitalmarkts und Internationalisierung der Marktteilnahmebedingungen verbundenen Änderungen der Informationsprozesse besser zu begleiten als durch staatliche Institutionen. Erforderlich ist aber die Sicherstellung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität, für die der Staat Gewährleistungsverantwortung trägt. Dies gilt besonders bei regulatorischer Indienstnahme von Intermediationsleistungen, also für die gesetzlich angeordnete Abschlussprüfung, die (noch) partiell zu regulatorischen Zwecken einsetzbaren Bonitätsratings, aber auch für faktisch auf die Kosten der Marktteilnahme einwirkende Informationsleistungen wie Finanzanalysen. Die Anforderungen an den Regelungsbestand werden erst durch eine wirkungsbezogene Theorie der kapitalmarktlichen Informationsintermediation beschreibbar. Daraus sind Grundstrukturen eines funktionstauglichen Rechts der Informationsintermediation abzuleiten. Die weitere Ausformung hängt maßgeblich von der durch Gesetzgeber, Gerichte und Marktteilnehmer bestimmten Rolle der jeweiligen Intermediationsleistung und der Zuweisung funktional öffentlicher Verantwortung für die Informationsintegrität ab. Intermediationsleistungen werden von einzelnen Marktteilnehmern initiiert, meist von den Emittenten. Von den Wirkungen sind unbeteiligte Investoren, also Dritte betroffen. Vertragsrechtliche Regeln, die Partei- und Dritthaftung sowie die berufsrechtlichen und regulatorischen Pflichten sind auf den Ausgleich der Interessen von Intermediären, Emittenten und Investorenpublikum auszurichten, dürfen die private Leistungsabsprache aber nicht verstellen. Die Zusammenschau von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse legt die Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs einer offenen Wirtschaftsordnung nahe. Dies ist das wichtigste Anliegen der hier vorgelegten Schrift: Verfestigungen privater Informationskanäle sind zuzulassen. Sie können regulatorisch eingebunden werden. Private Intermediäre müssen aber angesichts Die Zivilrechtslehrervereinigung hat dankenswerterweise den Abdruck der wesentlichen Erträge für die privatrechtliche Forschung in AcP 216 (2016) 361 ermöglicht. 1

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Zusammenfassung

der faktischen oder regulatorischen Wirkungen ihrer Leistungen auf die Einhaltung des Ziels der kapitalmarktlichen Informationsintegrität verpflichtet werden.

Einführung: Forschungsfeld, Begriff, Funktionen

Einführung: Forschungsfeld, Begriff, Funktionen

1. Kapitel: Forschungsfeld 1. Das Forschungsfeld der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation und der privaten Marktzugangskontrolle durch Intermediäre wird von der deutschsprachigen Grundlagenforschung erst neuerdings erschlossen (Abschnitt A, S. 3). Abschlussprüfer, Ratingagenturen und Finanzanalysten zählen aus Sicht des Kapitalmarkts zu den wichtigsten Informationsintermediären. Ihre Leistungen fließen in kapitalmarktliche Informationsprozesse ein und wirken sich auf die Kosten der Marktteilnahme von Emittenten aus. Aus dieser Beobachtung erwuchs die international und interdisziplinär geführte Diskussion um die Informationsintermediation als Mechanismus der privaten Marktzugangskontrolle (gatekeeping). 2. Die offene Wirtschaftsgesellschaft lässt das Entstehen privater Informations- und Intermediationskanäle richtigerweise zu, hat sich aber mit den Gefahren einer Akkumulation von Entscheidungsmacht kleiner Gruppen auseinanderzusetzen (Abschnitt B, S. 4). In den durch enge Oligopole geprägten Märkten von Abschlussprüfung und Bonitätsrating oder bei der durch Banken dominierten verkaufsseitigen Finanzanalyse vermag der Wettbewerbsmechanismus die für einen funktionierenden Kapitalienaustausch erforderliche Informationsintegrität nicht zu gewährleisten. Invasive Maßnahmen wie Abspaltungsanordnungen kämen einer Rückkehr zur staatlichen Entscheidung über die Unternehmensgröße gleich. Sie sind jedenfalls nicht flächendeckend in Betracht zu ziehen. Stattdessen ist auf die Fortentwicklung der privaten Verantwortung durch geeignete Rechtsregeln zu setzen. 3. Änderungen der Marktstrukturen und die zunehmende Internationalisierung der Marktteilnahmebedingungen führen zu Bedeutungszuwächsen der privaten Informationsintermediation und lassen auch neue Intermediationsfelder entstehen (Abschnitt C, S. 6). Zu erklären sind diese Bedeutungszuwächse aus Änderungen der kapitalmarktlichen Informationsprozesse infolge der Auflösung der sogenannten Deutschland AG und der zunehmenden Präsenz ausländischer Investoren. Die Gefahr schädlicher Folgen einer übermäßigen Inanspruchnahme von Informationsintermediären ist aus der Diskussion um Ratingagenturen bekannt. Sie wird sich in abgewandelter Form auch bei neu aufkommenden Intermediationsfeldern wie der Stimmrechts- und Vergütungsberatung stellen. 4. Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse bilden die – mit oder ohne Intermediation – bestehende informationelle Grundstruktur kapitalmarktbezogener Entscheidungsmuster ab (Abschnitt D, S. 9): Funktionstüchtigkeit

Einführung: Forschungsfeld, Begriff, Funktionen

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der Geschäftsleitung in Bezug auf die Kernfunktion der Rechnungslegung, Fortbestand sowie künftige Entwicklungsperspektiven des Emittenten. Die jeweiligen Ergebnisse richten sich an den Markt als Ganzen, verbleiben in ihren Wirkungen also anders als etwa die Vergütungsberatung nicht bei der unternehmensinternen Entscheidungsbildung, leiten anders als die Stimmrechtsberatung nicht allein die Entscheidung einzelner Aktionärsgruppen an und sind anders als die Anlageberatung nicht auf individuelle Investitionsziele abzustimmen. Das vorrangige Regelungsziel besteht infolgedessen nicht im Schutz der Interessen einzelner Vertragspartner oder identifizierbarer Gruppen, sondern in der Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität.

2. Kapitel: Begriff 1. Der Begriff der Informationsintermediation wird vornehmlich im kapitalmarktbezogenen Kontext verwendet (Abschnitt A, S. 11). Er ist bislang rechtlich nicht belegt. Übergreifende vertragstypologische Einordnungen stehen aus. Wirtschaftlich handelt es sich um eine Teilfunktion der Finanzintermediation, die aber anders als diese keine Transformationsleistungen umfasst und auch spezalisiert, also losgelöst von der Finanzintermediation auftritt. Allgemein dienen Intermediationsleistungen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage. Infolge der Einbringung in den Informationsbestand des Markts entfalten sie Wirkungen einer abgeleiteten Überwachung der Geschäftsleitung, die Funktion einer privaten Marktzugangskontrolle ist. 2. Informationssammlung, -verarbeitung und -vermittlung beschreiben den in jeweils unterschiedlichem Maße durch professionelle Wertungen geprägten Intermediationsprozess (Abschnitt B, S. 15). Die Abschlussprüfung wird durch (internationale) berufsständische Regeln strukturiert, ist in ihrem Ergebnis aber entscheidend durch die Festlegung von Prüfungsschwerpunkten durch den einzelnen Prüfer geprägt. Die Modelle und Kriterien der Bonitätsprüfung werden hingegen von den Ratingagenturen selbst entwickelt. Dem vergleichbar befinden Finanzanalysten über den Einsatz von technischer und fundamentaler Analyse oder möglicher Kombinationen selbst. 3. Zertifizierende, substituierende und evaluierende Elemente finden sich bei jeder der Leistungen (Abschnitt C, S. 21). Die vorrangig zertifizierende Prüfung weist mit Blick auf die Fortbestehensprognose (going concern) Ähnlichkeiten zur Bonitätsbeurteilung auf, legt aber die Rechnungslegung des Emittenten zugrunde. Die Bonitätsprüfung substituiert hingegen eine im Rahmen der Unternehmenspublizität nicht oder jedenfalls nicht so verfügbare Information (z. B. investment grade). Zertifizierende Elemente weisen Bonitätsratings und die vorrangig evaluierende Finanzanalyse (buy, hold, sell) insoweit auf, als implizit Aussagen zur Verlässlichkeit öffentlich verfügbarer Daten, darunter auch anderer Intermediationsleistungen wie insbesondere der Abschlussprüfung, getroffen werden.

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3. Kapitel: Funktionen 1. Zur Vertragsermöglichung (contract governance) trägt die Informationsintermediation bei, indem sie anfängliche Informationsunsicherheiten und Beschreibungsprobleme der Parteien überwindet (Abschnitt A, S. 25). Zum Einsatz kommen unterjährige Bestätigungen der ordnungsgemäßen Rechnungslegung durch Wirtschaftsprüfer (comfort letters) und transaktionsbezogene Finanzanalysen (deal related research). An Bonitätsbeurteilungen werden aufschiebende oder auflösende Bedingungen i. S. d. § 158 BGB geknüpft (rating triggers). Die Synchronisierung der Mindestbonität auf hoher Stufe (investment grade) kann bei einer Vielzahl darauf ausgerichteter Verträge zu Klippen- und Kaskadeneffekten führen, also Abwärtsspiralen, die nicht nur den einzelnen Schuldner, sondern auch unverbundene Vertragsverhältnisse erfasst. 2. Aus Sicht der Geschäftsleiterüberwachung (Corporate Governance) ist die Informationsintermediation zwischen unternehmensinterner und -externer Überwachung durch den Markt einzuordnen (Abschnitt B, S. 29). Durch den an den Markt gerichteten Bestätigungsvermerk und den an den Aufsichtsrat gerichteten Prüfungsbericht entsteht eine Doppelrolle des Abschlussprüfers. Rating und Finanzanalyse kommen der unternehmensexternen wie -internen Überwachung zuzuordnende Funktionen demgegenüber nur zu, wenn schädliche Einflussnahmen der beurteilten Geschäftsleiter unterbunden werden. Zur Überwachung dieser auf zeitnahe Auftragsvergaben angewiesenen Agenturbeziehungen erweist sich der nebenamtlich tätige Aufsichtsrat als nur eingeschränkt geeignet. 3. Zum Marktfunktionsschutz (market governance) tragen die Informationsintermediäre angesichts ihrer im Grundsatz unbestrittenen Fähigkeit zur Unterbindung von Fehlinformationen der Emittenten bei (Abschnitt C, S. 33). Durch einen Rückbau regulatorischer Inbezugnahmen, wie er derzeit beim Rating erwogen wird, soll Systemgefährdungen insbesondere aus Abwärtsspiralen entgegengetreten werden. Zusammen mit Abschlussprüfung und Finanzanalyse gehören Bonitätsbeurteilungen allerdings zum strukturell unerlässlichen Informationsbestand. Durch den Rückbau entstehende Informationslücken werden vom Markt auf anderer Ebene geschlossen. Angesichts verfestigter Informationsgefüge ist mit der zeitnahen Herausbildung alternativer Beurteilungsmechanismen nicht zu rechnen. Ohnehin bleiben Geschäftsleiter zur Einholung unabhängiger Informationen verpflichtet (business judgment rule, § 93 AktG). Für Rating und weitere Informationsintermediäre ist schon vor diesem Hintergrund vorrangig auf Maßnahmen zur Unterbindung systematischer Fehlanreize zu setzen.

4. Kapitel: Forschungsprogramm 1. Das Forschungsprogramm „Informationsintermediation“ kann trotz zahlreicher weiterführender Untersuchungen zu einzelnen Intermediationsleistungen

Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

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noch nicht auf verfestigte Konturen zurückgreifen. Geboten ist deshalb die Durchleuchtung der Diskussionsstände zu Entwicklung, Ökonomik und Empirik von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse als maßgebliche Intermediationsleistungen des Kapitalmarkts (Abschnitt A, S. 39, sodann erster Teil, S. 47). 2. Erträge für Verständnis und Fortbildung der privaten Marktzugangskontrolle versprechen vor allem die Untersuchung regulatorischer Indienstnahmen der Intermediäre, der sich damit verbindenden Regelungsfolgepflichten und die Suche nach Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation (Abschnitt B, S. 40 und sodann zweiter Teil (S. 203). 3. Eingebunden sind die privaten Leistungen in einen Rechtsrahmen, der maßgeblich durch Vertragsrecht, Regeln der Partei- und Dritthaftung sowie berufsrechtliche und regulatorische Vorgaben bestimmt ist (Abschnitt C, S. 42 und sodann dritter Teil, S. 343). Hier sind die maßgeblichen Rechtsfragen zu verorten.

Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

5. Kapitel: Entwicklungen 1. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer formierte sich zuerst in Großbritannien (Abschnitt A, S. 50). Anstoß gab die Einführung der Pflichtprüfung durch die Gladstone Legislation der 1840er-Jahre. Im Zuge der wachsenden Auslandsinvestitionen in US-amerikanische Infrastrukturprojekte wurde die Prüfung nach britischen Standards zum Exportprodukt. Die von Banken gegründete Deutsch-Amerikanische Treuhand nahm ab 1902 ihre allgemeine Revisionstätigkeit auf. National wie international wuchs die Unübersichtlichkeit des Kapitalmarkts. Dies stärkte die Nachfrage insbesondere nach externen Bonitätsbeurteilungen und auch das Interesse an der Finanzpresse als Vorläufer der Finanzanalyse. Die Entwicklung der berufsständischen Aufgabenwahrnehmung bei der Wirtschaftsprüfung schritt in den USA und in Deutschland verstärkt ab den 1930er-Jahren voran, wies aber Schwächen auf. Unter transatlantischem Wettbewerbsdruck wurde sie zunehmend in gesetzliche und aufsichtsbehördliche Strukturen eingebettet. Zu nennen sind die 2004 errichtete berufsstandsunabhängige Abschlussprüferaufsichtskommission sowie das zweistufige Enforcement-Verfahren mit der privaten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung auf erster und der Bundesanstalt für Finanzaufsicht auf zweiter Stufe. Der Wirtschaftsprüferkammer verbleiben die wichtigen Aufgaben von Berufszulassung und -entzug bei Fehlverhalten und dem Institut der Wirtschaftsprüfer die Formulierung der Prüfungsstandards.Vergleichbare hybrid hoheitlich-privatrechtliche Aufsichtsstrukturen sind bei dem allein der behördlichen Aufsicht unterworfenen Rating nicht und ebenso wenig bei der Finanzanalyse entstanden. Fach-

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verbände bieten zwar Eignungsprüfungen an, ihnen kommt aber keine durchgreifende Aufsichtsbefugnis zu. 2. Die Regulierung der Informationsintermediation nahm in Deutschland mit der Einführung der Pflichtprüfung durch die Notverordnung von 1931 ihren Anfang (Abschnitt B, S. 78). Anstoß hatte die Weltwirtschaftskrise gegeben. Nahezu zeitgleich verankerte die US-amerikanische Securities Legislation der 1930er-Jahre das heute international anerkannte Informationsmodell, also die Verhaltenssteuerung der Emittenten durch (geprüfte) Publizität. Das 1973 in den USA eingeführte Erfordernis, zu regulatorischen Zwecken allein die Bonitätsratings der als Nationally Recognized Statistical Rating Organization registrierten Agenturen einzusetzen, wurde von der Europäischen Union erst durch die EG-RatingVO von 2009 aufgegriffen. Anstoß hierfür gab die Finanzmarktkrise von 2008. Abschlussprüfung und Finanzanalyse waren bereits nach dem plötzlichen Untergang des US-amerikanischen Energiedienstleisters Enron 2001 international in den Blick der Regelgeber geraten. Insgesamt ist ein starker Einfluss des US-amerikanischen Rechts auf die Pflichtengerüste, Aufsichtsstrukturen und Sanktionsregeln zu verzeichnen, der sich derzeit im Rückbau von regulatorischen Indienstnahmen des Bonitätsratings fortsetzt. Als Ertrag dieser Entwicklungen ist das Verständnis der Rolle von Informationsintermediären als Wahrer nicht nur der Interessen von Anteilseignern, sondern des gesamten Markts (public watchdogs) festzuhalten. 3. Der Markt für Informationsintermediation, also die Bedingungen, unter denen sich Angebot und Nachfrage der privaten Intermediationsleistungen entfalten können, ist durch die regulatorische Steuerung der Erwartungen, aber auch durch tatsächliche Umstände beeinflusst (Abschnitt C, S. 117). Die zum heutigen Oligopol aus vier internationalen Prüfungsgesellschaften führenden Aufkäufe und Zusammenschlüsse fanden ihren Anfang in der zunächst überlegenen Prüfungskompetenz britischer Anbieter. Die Entstehung des maßgeblich durch drei große US-amerikanische Agenturen bestellten Markts für Bonitätsratings ist durch die zunächst zurückhaltende Anerkennungspraxis der USamerikanischen Finanzaufsicht ab 1973 mitbedingt. Bei der Finanzanalyse wird die Dominanz der verkaufsseitig tätigen Analysten auf Hoffnungen einer Bereitstellung nichtöffentlich verfügbarer Informationen zurückgeführt. Insgesamt wurde die Komplexität der Intermediationsaufgaben durch marktbedingte wie regulatorische Rahmenbedingungen kontinuierlich gesteigert. In der Summe deuten die Erfahrungen jedoch auf eine nicht allein regulatorisch bedingte Anfälligkeit der Informationsintermediation für oligopole Marktstrukturen hin. 4. Die gesammelten Erfahrungen helfen bei der Eingrenzung der regulatorischen Herausforderungen, zeigen aber auch Erklärungslücken und offene Fragen auf (Abschnitt D, S. 143). Das Erstarken von Kanälen der Informationsintermediation aus privater Nachfrage ist für Deutschland und für die USA aus dem Rückzug staatlicher Steuerung und der Unübersichtlichkeit eines wachsenden und zunehmend globalisierten bzw. internationalisierten Markts zu erklären.

Erster Teil: Informationsintermediation am Kapitalmarkt

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Die essentielle Forderung nach Wahrung der Informationsintegrität erfuhr zumeist erst infolge von Krisen Ausformung. Diese Erfahrungen legen nahe, dass die Chancen der privaten Marktzugangskontrolle nur bei aufsichtsrechtlicher Rahmengebung zu verwirklichen sind. Auch angesichts des Aufkommens neuer Felder der Informationsintermediation sind die künftigen Herausforderungen aber nicht allein auf Erfahrung gestützt anzunehmen. Deshalb bietet sich eine Anreicherung des Kenntnisstands durch ökonomische und empirische Forschungsstände an.

6. Kapitel: Ökonomik 1. Zur Effizienz des Kapitalmarkts trägt die Informationsintermediation aus Sicht der Ökonomik bei, indem sie die Kosten der Informationssammlung und -auswertung senkt (Abschnitt A, S. 148). Sie reichert den Bestand öffentlich verfügbarer Informationen an, trägt zur Beschleunigung von Lerneffekten bei und bietet Investoren Entscheidungshilfen. Austauschprozesse unterliegen jedoch Friktionen, aus denen sich die bloß relative Informationseffizienz des Kapitalmarkts erklärt. Der neben dem Austauschmarkt stehende Informationsmarkt weist damit verbundene, aber auch eigene Friktionen auf, infolge derer sich gegenläufige Entwicklungen von Informations- und Austauschwerten einstellen können. Erwartungen an eine allein durch die Informationseffizienz des Markts zu gewährleistende Integrität privater Intermediationsleistungen sind deshalb einzuschränken. 2. Informationsintermediation und Finanzsystem sind zwei untrennbar miteinander verbundene Größen (Abschnitt B, S. 157). Der traditionell als informationsinternalisierendes System und auf den Informationszugang durch kleine Gruppen setzende deutsche Kapitalmarkt (Insidermodell) wandelt sich angesichts der Auflösung von Überkreuzbeteiligungen der Großunternehmen, des Rückzugs der Banken aus den Aufsichtsräten und der gesteigerten Präsenz ausländischer, insbesondere institutioneller Investoren. Zunehmend werden Merkmale eines informationsexternalisierenden Systems erkennbar, für dessen Funktionsweise die Informationsauswertung durch eine Vielzahl von Marktteilnehmern kennzeichnend ist (Outsidermodell). Mit dem Systemwandel verbinden sich Änderungen der Informationsprozesse, auf die private Informationsintermediäre flexibel reagieren können. Die Informationsintermediation eignet sich deshalb zur Begleitung eines Systemwechsels und ebenso zur Begleitung von bloß graduellen Systemschwankungen. 3. Finanz- und Informationsintermediation kommen Funktionen einer abgeleiteten Überwachung zu (Abschnitt C, S. 163). Für die Finanzintermediation durch Banken ist dies seit den 1980er-Jahren erforscht. Auf die Informationsintermediation durch spezialisierte Anbieter sind die Ergebnisse übertragbar, weil auch sie zur Bündelung von Informationssuche und -auswertung beitragen. Damit verbundene Funktionen der Geschäftsleiterüberwachung unterliegen aber

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den allgemein in mehrstufigen Überwachungsbeziehungen auftretenden Agenturproblemen. Für das übergreifende Ziel der Informationsintegrität erweisen sich Koalitionsbildungen als besonders schädlich, infolge derer die Intermediationsleistung an den Interessen des Überwachten ausgerichtet wird. 4. Information, Reputation und Markt sind entscheidende Determinanten privater Intermediationsangebote (Abschnitt D, S. 169): Die Intermediation wird zwar auf Grundlage einer privaten Absprache erbracht, fließt aber sodann in den öffentlichen Informationsbestand ein (hybrid privat-öffentliches Wirtschaftsgut). Erklärungen der Informationsproduktion aus Skalenerträgen legen eine natürliche Tendenz zur Herausbildung oligopolistischer Anbieterstrukturen nahe. Außerhalb regulatorischer Aufgabenzuweisungen ist der Informationsabsatz durch Glaubwürdigkeit bedingt. Bei der hierfür maßgeblichen Reputation handelt es sich trotz der nur über die Zeit zu erzielenden Erträge (langfristiges Investitionsgut) um einen unvollständigen Steuerungsmechanismus. Neben dem äußerlich selten erkennbaren gezielten Reputationsverkauf kann der Einsatz etwa von Zertifizierungsreputation zur Erzielung abgeleiteter und höherer Gewinne aus zusätzlichen Beratungsleistungen lohnen. Die für den Wert der Reputationsinvestition, also für die ordnungsgemäße Kundgabe auch von Negativinformationen maßgeblichen Zahlungsbereitschaften gehen in Aufwärtsmärkten zurück. Verbleibende Absatzmöglichkeiten erklären sich aus Intermediationsobligatorien oder regulatorischen Inbezugnahmen der Intermediationsleistung, die dementsprechend grundsätzlich zu hinterfragen sind oder jedenfalls weitere Regelsetzung erfordern können. 5. Die Erträge der theoretischen Ökonomik (Abschnitt E, S. 175) liegen vor allem in der Erkenntnis der Bedeutung von privaten Zahlungsbereitschaften, für die Investition in Reputation. Diese Zahlungsbereitschaften bestimmen den Wert der Intermediationsleistung und damit Anreize der Informationsintermediäre. Entscheidend sind Bezugspunkt der Information, Aussagegehalt und Marktphase. Weitere Differenzierungen ergeben sich in Bezug auf bekannte und neue Emittenten sowie solche im Zentrum des Produktangebots und an dessen Rand. Absetzbar sind „schlechte“ Nachrichten nur bei bereits investierten Marktteilnehmern, also einem Teilausschnitt des Investorenpublikums. In überhitzten Märkten können die Zahlungsbereitschaften für Positivinformationen gegen null konvergieren. Verbleibende Absatzmöglichkeiten erklären sich dann allein aus Intermediationsobligatorien oder regulatorischen Inbezugnahmen der Intermediationsleistung.

7. Kapitel: Empirik 1. Empirisch sind Systemvorteile aus der Existenz der privaten Informationsintermediation oder ihrer regulatorischen Indienstnahme nicht verlässlich belegbar (Abschnitt A, S. 178). Positive Korrelationen finden sich demgegenüber zum Einfluss der Leistungen von Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanz-

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

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analysten auf Investitionsentscheidungen. Die Informationsintermediation erweist sich hiernach als grundsätzlich geeignet für eine informationsgestützte Marktzugangskontrolle. 2. Zum Versagen der privaten Informationsintermediation liefert die Empirik unterschiedlich stark belastbare Erklärungen (Abschnitt B, S. 189). Die durch Regelsetzung aufzufangenden Integritätsschwächen treten insbesondere infolge von Absatzdruck, schädlichen Vergütungsabsprachen und Leistungskombinationen auf. Nicht abschließend geklärt sind die Gründe für die fehlende Korrektur extremer Fehleinschätzungen durch Finanzanalysten. 3. Disziplinierende Wirkung kommt dem Reputationsmechanismus zu, der aber allein, also ohne Haftung und Regulierung, nicht zur Gewährleistung integrer Intermediationsleistungen ausreicht (Abschnitt C, S. 198). Die für die Regelsetzung entscheidende Frage nach Ausbalancierung der marktlichen und regulatorischen Steuerungsmechanismen ist auf Grundlage der empirischanalytischen Forschung nicht abschließend anzuleiten. 4. Offen ist die relative Gewichtung der für die Steuerungsfaktoren erklärenden Variablen (Abschnitt D, S. 201). Nach Stand der Empirik liegt es nahe, von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Mechanismen Markt und Reputation auszugehen. Forderungen nach einer durch Pflichtensetzung und Sanktionen begleiteten Marktzugangskontrolle der Informationsintermediäre werden durch diesen Befund gestützt.

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

8. Kapitel: Regulatorische Indienstnahme privater Informationsintermediäre 1. Die Grundsatzfragen einer auf private Informationsintermediäre gestützten Marktzugangskontrolle werden in den interdisziplinären Diskursen von soziologisch geprägter Steuerungstheorie, stärker ökonomisch ausgerichteter Governance-Forschung und Neuer Verwaltungsrechtswissenschaft erschlossen (Abschnitt A, S. 205). Ausgangsbeobachtung ist die transnationale Konstitutionalisierung der Marktteilnahmebedingungen, also die länderübergreifende Inanspruchnahme strukturell vergleichbarer Intermediationsleistungen. Modernen Regulierungskonzeptionen zufolge liegen die Vorteile einer hybrid hoheitlich-privaten Steuerung und Standardbildung in der gesteigerten Kompatibilität von Verhaltensanreizen der Steuerungssubjekte und -ziele (anreizkompatible Regulierung), der größeren Sachnähe Privater bei der Konkretisierung übergreifend formulierter Regelungsziele (Metaregulierung) und einer an private Zahlungsbereitschaften geknüpften Pflichtenausfüllung (Markt- und Risikoorientierung). Grenzen ergeben sich bei Möglichkeiten der Internalisierung von Erträgen bei gleichzeitiger Externalisierung von Verlusten aus Fehlleistungen, einer Eigeninteressen der Berufsgruppen folgenden Selbstregulierung (rent see-

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king), der Einflussnahme einzelner Berufsgruppen auf die Regelsetzer (regulatory capture) sowie übergreifender aus Schwächen des Markts bei der Bewertung der Informationsintegrität (relative Informationseffizienz). Verfassungsrechtlich tritt die Integrität kapitalmarktbezogener Informationsdienstleistungen als nicht im Einzelnen bestimmbare Gewährleistungsaufgabe an die Stelle der Erfüllungsverantwortung des Staats. Die Wahl hybrid hoheitlich-privat organisierter Regulierungsstrukturen unterliegt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, verlangt aber nach prozeduraler Steuerung (Vorwirkung). Schon die faktische Zuweisung von Regulierungs- oder auch Regelsetzungskompetenzen an Private wirft Legitimationsfragen auf. Völkervertragsrechtliche Unterlegungen schaffen kaum eine verbesserte Legitimation der von internationalen Organisationen erstellten Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards. Wenig erfolgversprechend sind Überlegungen zur staatlichen Eigenwahrnehmung, etwa zur Errichtung einer (europäischen) Ratingagentur. 2. Drei Typen der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre sind zu unterscheiden (Abschnitt B, S. 249): Bereits aus der Zuweisung von Verhaltenspflichten ergeben sich Chancen auf die Verhinderung von Fehlverhalten des für die Unternehmenspublizität primär verantwortlichen Emittenten (thirdparty policing). Rechtsfolgeanknüpfungen (regulatory licenses), infolge derer die Marktteilnahme von einzelnen Intermediationsleistungen abhängt, verstärken diese Wirkung. Elemente dieser Typen können zu einem selbstdurchsetzenden System der fortlaufenden Marktzugangskontrolle (gatekeeping) ausgebaut werden. 3. Die Gestaltungsfaktoren sind herzuleiten aus erstens den Grenzen der Abschreckung des primärverantwortlichen Emittenten, zweitens den Anreizen zum privaten Selbst- oder Fremdschutz, drittens den Möglichkeiten des Intermediärs zur Unterbindung von Fehlverhalten sowie viertens der Verhältnismäßigkeit der Kosten (Abschnitt C, S. 269). Die Korridore möglicher Gestaltungen werden eingeengt durch gewachsene Prozesse der Einbeziehung von Intermediärinformationen in Transaktionsabläufe. 4. Folgeproblem der regulatorischen Indienstnahme ist die Verfestigung von Transaktionspraktiken (Abschnitt D, S. 280). Ein späterer Rückbau regulatorischer Indienstnahmen oder Änderungen des regulatorischen Zugriffs auf Leistungen der Informationsintermediäre wirkt sich aller Voraussicht nach erst über die Zeit aus.

9. Kapitel: Grenzen der privaten Informationsintermediation und Regelungsfolgepflichten 1. Funktionsgrenzen der privaten Informationsintermediation schränken die Möglichkeiten der regulatorischen Indienstnahme ein und können angesichts der faktischen Wirkungszusammenhänge auch bei freier Intermediation zur Regelsetzung aufrufen (Abschnitt A, S. 283). Auf dem Stand der fortentwickelten Rationalitätsannahme sind Überoptimismus und Herdenverhalten weitest-

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

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gehend aus der gezielten Ausnutzung von Ineffizienzen des Markts oder dem Rückgang von Zahlungsbereitschaften für integre Intermediationsleistungen erklärbar: Kollektive Fehleinschätzungen etwa der Finanzanalysten wirken sich anders als individuelle Fehlleistungen nur mittelbar auf die Reputation des Einzelnen aus. Außerdem können Vergütungssysteme ein schädliches gleichgerichtete Verhalten anreizen. 2. Die Typologie des Intermediärversagens, also Ausbleiben, Fehlerhaftigkeit oder schädliche Folgewirkungen verursachende Informationen, zeigt den Regelungsbedarf auf (Abschnitt B, S. 294): Nachfrageausfälle infolge mangelnder Verlässlichkeit ergeben sich bei strategischer Unterproduktion qualitativ hochwertiger Informationen. Mögliche Gründe sind die Vereinnahmung von Erträgen aus zusätzlichen Informationsleistungen (low balling), aus Rechtsgewährungen zur Verschaffung des Marktzutritts (regulatory licence) oder Markteintrittsbarrieren, die den Kreis der in Betracht kommenden Anbieter auf die vorhandenen Intermediäre verengen (legal entitlement). Die Gefahr fehlerhafter Intermediationsleistungen infolge suboptimaler Anstrengungen kann durch eine einseitige haftungsrechtliche Sorgfaltssteuerung entstehen. Aus dem Auseinanderfallen der Risiko- und Zeitwahlpräferenzen erklärt sich die mangelnde Ertragskraft individueller Aufwendungen in langfristig wirkende Reputationszuwächse des Intermediärunternehmens. Unüberwindliche Interessenkonflikte beeinträchtigen die Herstellung kapitalmarktlicher Informationsintegrität. Übergreifendes Problem ist das Fehlen marktlicher Sanktionsmechanismen in konzentrierten Intermediationsmärkten. Der langfristige Erfolg invasiver Abspaltungsanordnungen ist angesichts der natürlichen Tendenzen des Informationsmarkts zur Herausbildung oligopoler Strukturen zweifelhaft. Vorrangig sind die Maßnahmen zur Herstellung von Wohlverhaltensanreizen auszuschöpfen. 3. Als schädliche Folgewirkungen werden prozyklische Effekte der Rechnungslegung und ihrer Prüfung, Verschärfungen von Schuldenkrisen durch Herabstufungen der Bonität von Staaten oder auch das Aufrechterhalten von Anlagestimmungen durch Finanzanalysen diskutiert (Abschnitt C, S. 307). Die Ordnungsmäßigkeit der Leistung vorausgesetzt, ergibt sich aus politisch unerwünschten Marktreaktionen keine Schädlichkeit der Informationsintermediation. Anbieten können sich antizyklische Eigenkapitalanforderungen an Finanzinstitute (countercyclical capital buffer), wie sie Basel III vorsieht. Mit erheblichen Bedenken zu versehen sind demgegenüber die 2013 in die EG-RatingVO aufgenommenen zeitlichen Beschränkungen der Bonitätsbewertung von Staaten, weil dadurch die Governance-Funktionen der Informationsintermediation beeinträchtigt werden. 4. Die Regelungsebenen der privaten Steuerung, berufsrechtlichen Pflichtenkonkretisierung und regulatorischen Verhaltensvorgabe sollten ausbalanciert zum Einsatz kommen (Abschnitt D, S. 316). Disziplinierende Netzwerkeffekte aus privaten Absprachen sind denkbar, setzen aber zum Interessenausgleich eine Vielzahl von Verträgen mit einerseits der Kapitalanbieter- und andererseits der

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Nachfrageseite voraus, zu denen es innerhalb gewachsener Marktstrukturen nicht kommt. Verlässliche Selbstverpflichtungen auf das Ziel kapitalmarktlicher Informationsintegrität (Kodexregeln) sind nur bei Ausweichmöglichkeiten der Informationsnachfrager zu erwarten, also eher nicht im oligopolen Markt für Abschlussprüfung und Rating. Berufsrechtliche Vorgaben vermögen langfristige Interessen der Teilnehmer des Informationsmarkts einzubringen, unterliegen aber bekannten Gefahren der Zuweisung von Regelungsmacht an kleine private Gruppen (rent seeking, regulatory capture).

10. Kapitel: Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktlichen Informationsintermediation 1. Grundstrukturen eines Rechts der kapitalmarktbezogenen Informationsintermediation dienen der Ordnung von vorhandenem Regelungsbestand und vorausschauender Regulierungsdiskussion (Abschnitt A, S. 320). Grundstrukturen in diesem Sinne sind in der internationalen Literatur für das Recht der großen börsennotierten Unternehmung, bislang aber noch nicht für die kapitalmarktliche Informationsintermediation entwickelt worden. Zu unterscheiden ist zwischen regulatorischen Rahmenbedingungen der Leistungserbringung (regulatory strategies) und Strukturvorgaben zur Ausgestaltung der privaten Leistungsbeziehung (governance strategies). 2. Regulatorische Rahmenbedingungen werden erstens durch Regeln zum Wie der Intermediation gesetzt (Abschnitt B, S. 322). Die Pflichten des einzelnen auf Seiten des Intermediärs Handelnden (agent constraints) sind direkten Vorgaben (rules) zu unterstellen, wenn leistungsfähige Institutionen zur fortlaufenden Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe wie etwa zu Berufsverbände fehlen und es auf die mechanische Überprüfbarkeit ankommt. Im vorhandenen Regelungsbestand betrifft dies etwa die Anforderungen an Qualifikation (z. B. Eignungsprüfung) und Unabhängigkeit (z. B. Umsatzabhängigkeitsgrenzen). Demgegenüber ist mit unbestimmteren Verhaltensstandards (standards) wie der von Art. 20 Abs. 1 EU-MarktmissbrauchsVO geforderten objektiven Darstellung auf anfängliche Beschreibungsprobleme zu reagieren, allerdings zum Preis erst nachträglicher Rechtssicherheit. Zweitens können Regeln zum Ob der Informationsintermediation bei (De-)Investitionsentscheidungen (affiliation terms) eingesetzt werden, um anfängliche oder systematisch auftretende Informationsunsicherheiten und Unterscheidungsschwächen abzumildern. Intermediationsobligatorien können bereits das Zustandekommen der Investitionsbeziehung erfassen (entry), also beispielsweise Prüfung oder Rating von primärmarktlichen Transaktionen vorschreiben. Zusätzlich oder alternativ können sie im sekundärmarktlichen Zusammenhang zur Begleitung von Fortbestand oder auch Abbruch der Investitionsbeziehung (exit) eingerichtet werden. Prototyp hierfür ist die jährliche Abschlussprüfung. Unterschiede ergeben sich aus den Durchsetzungsmodi (enforcement) der privatrechtlichen, berufsrechtlichen oder regu-

Zweiter Teil: Marktzugangskontrolle durch private Dritte

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latorischen Regelungsebene. Mit steigender Spezifikation der Durchsetzungsmechanismen sinkt die Drohung einer gerichtlichen Nachprüfung selbstregulativ erarbeiteter Verhaltensstandards und, damit verbunden, auch die Gefahr einer Einschränkung privater Standardsetzung durch direkte hoheitliche Verhaltensvorgaben. 3. Strukturen privater Ausgestaltung kommen im Zeichen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität als Rahmengebung für die im Ausgangspunkt freie Intermediationsabsprache in Betracht (Abschnitt C, S. 330). Ansatzpunkte bilden die Bestellungsrechte (appointment rights), Einwirkungsmöglichkeiten (decision rights) und Anreizgestaltungen (agent incentives). In sämtlichen Intermediationssegmenten findet sich das dazu jeweils einsetzbare Instrumentarium aus Organisations- und Offenlegungsregeln sowie Leistungsverboten, allerdings mit durchaus beachtlichen Unterschieden in Bezugspunkten und Eingriffsintensitäten. Zur Verdeutlichung: Während die Auswahl des Abschlussprüfers (selection) in den USA gesetzlich einem unabhängigen Prüfungsausschuss zugewiesen ist, also dem Einfluss des Kontrollaktionärs entzogen ist, wird in Deutschland noch auf bloße Kodexvorgaben gesetzt. Eine mit offensichtlichen Gefahren der Ergebnisbeeinflussung verbundene Androhung der Abbestellung (removal) wird bei der Abschlussprüfung durch das Verfahren der gerichtlichen Ersetzung unterbunden. Beim Rating ist die Beendigung der Agenturbeziehung hingegen bloß offenlegungspflichtig. Anfängliche Ergebnisvorgaben (initiation) sind zwar allerorts untersagt. Die Beeinflussungen unterbindenden organisatorischen Regeln etwa zu Informationsunterbrechungen zwischen Finanzanalyse- und Verkaufsabteilung eines Finanzinstituts (Chinese walls bzw. screens) unterliegen aber praktischen Funktionszweifeln. Die nachträglich angedrohte Untersagung der Veröffentlichung (veto) ist bei der Abschlussprüfung ausgeschlossen. Beim Rating wird noch um Lösungen der Probleme aus dem Wettbewerb um Positivbewertungen gerungen. Schwächen des Reputationsmechanismus bei der Wahrung des Interesses an der kapitalmarktlichen Informationsintegrität (trusteeship) werden durch zunehmend konvergente Unabhängigkeitsregeln aufgefangen, insbesondere Verbote von Leistungskombinationen. Die insoweit gleichermaßen bedeutsamen Vergütungsabsprachen (reward) sind durch innerorganisatorische Zuweisungen der Verhandlungsrechte bei Intermediärorganisation wie Emittent durch Offenlegungspflichten und Verbote auszubauen. 4. Dem Strukturwandel sind sämtliche hier beschriebenen Regelungsmöglichkeiten unterworfen (Abschnitt D, S. 339). Dementsprechend können und werden sich die Bedeutung einzelner Intermediationsleistungen und das zur Sicherung ihrer Integrität ergriffene Regelungsinstrumentarium über die Zeit ändern. Der internationalen Forschung zufolge bieten Anteilseignerstrukturen zusammen mit der Internationalisierung der Marktteilnahmebedingungen Erklärungen für Entwicklungsunterschiede. Die funktionsschützende Rolle der Informationsintermediation hat sich allerdings nicht zuletzt durch kriseninduzierte Reaktionen der Politik auf aufsehenerregende Krisen herausgeformt. Die den Regelungs-

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bestand prägenden Wertentscheidungen wurden nur punktuell und jeweils nur zu einzelnen Intermediären fortentwickelt. Für die Beurteilung von Gemeinsamkeiten, Unterschieden und in Betracht kommenden Angleichungen bieten die hier vorgestellten Grundstrukturen ein heuristisches Messwerk, das im Zeichen struktureller Regelungskohärenz auch in Bezug auf neue Intermediationsleistungen ordnenden Ertrag verspricht.

Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

Dritter Teil: Recht der kapitalmarktlichen Informationsintermediation

11. Kapitel: Vertrag 1. Die Vertragsfreiheit ist Ausgangspunkt der privaten Informationsintermediation (Abschnitt A, S. 345). Offensichtliche Sollbruchstelle für die Informationsintegrität ist die Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Auftraggeber. Von den Wirkungen der häufig von Emittent und Intermediär vereinbarten Leistung sind Dritte, also nicht an der Absprache Beteiligte betroffen. Risikotragung und Kontrolle fallen auseinander. 2. Intermediationsabsprachen verpflichten zur verkehrsüblichen Sorgfalt und Einhaltung von Vertretbarkeitsgrenzen (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung, Abschnitt B, S. 358). Davon abweichende Klauseln sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nichtig. Selbstbindungen etwa durch Befolgungserklärungen zu Kodexwerken kommt ohne Weiteres keine Durchsetzbarkeit zu. Mögliche Selbstbindungen kann der Intermediär einschränken (Discount-Broker-Rechtsprechung 1999). 3. Nebenabreden werden in der Regel vom Intermediär formularmäßig vorgegeben und begrenzen die Verantwortung gegenüber Dritten (Abschnitt C, S. 380). Die Leistungsgrenzen der im Grundsatz zu Zielen des Marktfunktionsschutzes einsetzbaren richterlichen Klauselkontrolle sind am Beispiel der typischerweise Drittinteressen ausschließenden Bonitätsbewertungen zu belegen: Während Zinsanpassungen infolge einer Ratingherabstufung bloß graduell erfolgen, verbindet sich mit ratingakzessorischen Nachbesicherungspflichten nicht nur die Gefahr eines Ausfalls des Vertragspartners, sondern auch die des simultanen Ausfalls einer Vielzahl von Schuldnern (Klippen- und Kaskadeneffekte). Aus der Unzulässigkeit unangemessener Benachteiligungen oder intransparenter Gestaltungen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist aber kaum ein Schutz der Drittbetroffenen herzuleiten. Dem vergleichbar kommen nur in den (wenigen) für vertragliche Schutzwirkungen geeigneten Fällen eine Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses „zulasten“ drittgeschädigter Anleger oder die Verweigerung des Einwendungsdurchgriffs nach § 334 BGB zugunsten des Dritten in Betracht. 4. Absprachegrenzen, die für das Vertragsrecht allgemeine Geltung beanspruchen, sind nicht auf die Unterbindung marktschädigender Absprachen ausgelegt (Abschnitt D, S. 392). Das Sittenwidrigkeitsverdikt nach § 138 BGB erfasst nur

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Abreden, die auf die Schädigung zumindest bestimmbarer Anlegergruppen gerichtet sind. Der wettbewerbsrechtliche Verbotstatbestand des § 3 UWG führt erst bei unvertretbaren Ergebnissen zu lauterkeitsrechtlichen Sanktionen, die zudem vom Mitbewerber einzuleiten wären. Die Nichtigkeit wegen Unlauterkeit nach § 134 BGB ist weder für das Erwerbsgeschäft des Anlegers noch den Intermediationsvertrag zwischen Auftraggeber und Intermediär zu begründen. Zum Ausbau des Schutzes eignen sich letztlich nur auf die Verletzung von Marktvertrauen angelegte Sanktionsandrohungen wie etwa die (behördliche) Ahndung von Marktmanipulationen. 5. In der Zusammenschau ist festzuhalten, dass die bis hierher behandelten Regeln des Vertragsrechts nur eingeschränkt zur Überwindung von Problemen aus dem Auseinanderfallen von Risikotragung und -kontrolle geeignet sind (Abschnitt E, S. 402). Direkten oder zumindest reflexartigen Schutz von Drittinteressen vermögen das Haftungsrecht (folgendes Kapitel 12) und berufsrechtliche oder regulatorische Pflichten zu leisten (Kapitel 13).

12. Kapitel: Partei- und Dritthaftung 1. Grundsatzfragen der Intermediärhaftung stellen sich maßgeblich aus drei Gründen (Abschnitt A, S. 407): Erstens ist nur durch die Dritthaftung eine einseitige Ausrichtung der Schadensvermeidung auf die Interessen des Auftraggebers zu unterbinden. Zu begründen ist die Haftung für sekundärmarktliche Verluste des Anlegerpublikums mit Ressourcenschäden infolge der fehlenden Verlässlichkeit von Vertrauensinstitutionen. Zweitens ist eine Übermaßhaftung zu vermeiden, durch die Vorteile der Arbeitsteilung verstellt werden. Die vornehmlich in den USA diskutierte verschuldensunabhängige Haftung ist angesichts des aus einer Vielzahl von Einzelleistungen zusammengesetzten Informationsgefüges abzulehnen. Drittens sind die gewandelten Vorstellungen von der haftungsrechtlichen Verantwortung der Informationsintermediäre, insbesondere der Ratingagenturen, aufzunehmen. Auf noch verbreitete Überlegungen der Haftungsabschirmung aus Gründen eines (überzogenen) Institutionenschutzes werden sich die Agenturen künftig ebenso wenig wie die weiteren Intermediäre zurückziehen können. Einbußen der haftungsrechtlichen Steuerung infolge abweichender Schutzniveaus ausländischer Rechte wären durch Bestimmung des anwendbaren Rechts nach dem Hauptsitz des Emittenten zu verringern. 2. Der Parteihaftung gegenüber dem Emittenten kommt ein reflexartiger Schutz der Informationsintegrität zu, allerdings nur vor zu negativen Beurteilungen (Abschnitt B, S. 462). Pflichtverletzungen ergeben sich aus der Nichtbeachtung der vom Markt erwarteten prozeduralen Erstellungspflichten oder der mangelnden Vertretbarkeit des Beurteilungsergebnisses. 3. Zur Dritthaftung gegenüber einem durch unbeauftragte Leistungen geschädigten Emittenten kommt es nur im engen Ausnahmefall (Abschnitt C, S. 472), etwa bei unzutreffender Anprangerung oder Schmähkritik und dadurch verur-

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sachter Kreditgefährdung, einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, des Unternehmenspersönlichkeitsrechts oder der wettbewerblichen Stellung (§§ 823 Abs. 1, 824 BGB, §§ 8 ff. UWG). Die gezielte Desinformation durch Finanzanalysten im Zusammenwirken mit einzelnen Investoren führen aber zur Deliktshaftung (§ 826 BGB). Die Dritthaftung gegenüber dem Investorenpublikum aus der Prospekthaftung i. e. S. weist geeignete Anlagen zum vertraglichen Schutz typisierten Vertrauens auf, müsste aber mit spezialgesetzlichen Haftungsregeln abgestimmt werden. Der für die primärmarktbezogene Dritthaftung des Abschlussprüfers herangezogene Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist konzeptionellen Bedenken ausgesetzt, wurde bislang aber anders als in Österreich ohnehin nicht für sekundärmarktliche Haftungssachverhalte eingesetzt. Die stattdessen in Betracht kommende deliktische Haftung aus § 826 BGB bietet auf Grundlage der Rechtsprechung zur Einbeziehung leichtfertigen Verhaltens, der Vermögensgefährdung anonymer Teilnehmer des Markts und der groben Außerachtlassung berufsrechtlicher Pflichten einen gemeinsamen Ansatzpunkt für beauftragte wie nichtbeauftragte Leistungen der hier behandelten Intermediäre. Bei Überspannung führt die Vorsatzhaftung nach § 826 BGB zur Überabschreckung, insbesondere weil vorsätzlich rechtswidrig herbeigeführte Schäden nach § 103 VVG nicht versicherbar sind. 4. Schaden, Kausalität und Beweislast sind entscheidende Stellgrößen für sachgerechte Haftungsregeln zu Sachverhalten, die durch eine Beeinträchtigung der Informationsintegrität des Markts und nur im Ausnahmefall durch direkte Beeinflussung des einzelnen Anlegers gekennzeichnet sind (Abschnitt D, S. 511). Der nicht individualisierenden Natur der jeweils vermittelten Information entsprechend ist der ersatzfähige Schaden auf die Kursdifferenz zu beschränken. Daraus folgt, dass nicht eine Verletzung des Vertrauens in die einzelne Information, sondern in die Informationsintegrität des Markts darzulegen und zu beweisen ist. Der Anscheinsbeweis kommt bei einer zeitnah auf die Information folgenden Kursbewegung in Betracht. Erleichterungen bereits der Darlegung unter dem Gesichtspunkt der Beweisnot sind in Bezug auf die vom Intermediär zugrunde gelegte Informationsbasis und seinen Zeiteinsatz, nicht aber zur Erzwingung der Offenlegung der verwendeten Methode „auf Verdacht“ denkbar. 5. Haftungshöchstsummen zur Vermeidung einer Übermaßhaftung sollten gesetzlich festgelegt werden (Abschnitt E, S. 526). In Betracht kommt die Orientierung an den versicherbaren Grenzen der Produkthaftung (85 Millionen Euro), für die Finanzanalyse wohl an niedrigeren Grenzen. Vertragliche Lösungen haben sich nicht bewährt (Abschlussprüferhaftung in Großbritannien). Sie schaffen auch bei gerichtlicher Angemessenheitskontrolle (Art. 35a EG-RatingVO) kein hinreichendes Maß an Rechtssicherheit. Als zwingendes Korrelat der Haftungshöchstsumme ist ein Selbstbehalt anzuordnen. 6. Haftungsausschluss und -minderung sind auf den spezifischen Verantwortungskreis des Intermediärs abzustimmen (Abschnitt F, S. 539). Beauftragung und widerspruchslose Entgegennahme der Leistung durch den Emittent kann

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der Intermediär seiner Haftung nicht als Einwilligung in die Vermögensschädigung (volenti non fit iniuria) entgegenhalten. Die Berufung auf ein Mitverschulden der Organmitglieder des Emittenten sollte dem Intermediär versagt sein, weil anderenfalls Anreize zur Begleitung von Fehlverhalten entstehen. Übersteigerte Anlegererwartungen (Erwartungslücken) können den Mitverschuldenseinwand hingegen begründen. 7. Gesamtschuld und Rückgriff sind zur Steigerung der wechselseitigen Kontrolle im arbeitsteiligen Zusammenwirken einsetzbar (Abschnitt G, S. 548). Nach zutreffender Ansicht steht dem Intermediär zwar bei der Parteihaftung der Einwand eines Mitverschuldens von Organmitgliedern des Emittenten nicht zu. Bei Inanspruchnahme durch Dritte kann er den allgemeinen Regeln folgend aber einen Ausgleich vom Emittenten verlangen, auch wenn dieser nicht selbst haftet. Untereinander stehen den Intermediären keine Rückgriffsansprüche zu. Einbußen bei der Verhaltenssteuerung sind durch die haftungsrechtliche Berücksichtigung von berufsrechtlichen oder regulatorischen Pflichten zur Plausibilitätsprüfung von Fremdleistungen abzumildern. 8. Perspektiven einer spezialgesetzlichen Dritthaftung ergeben sich stichpunktartig wie folgt (Abschnitt H, S. 552): Der Anwendungsbereich sollte sowohl Primär- wie Sekundärmarkt erfassen und bei grober Fahrlässigkeit ansetzen, zumal Intermediationsfehler unterhalb dieser Verschuldensschwelle kaum nachweisbar sind. Ersatzfähig ist bei marktbezogener und nicht individualisierender Intermediationsleistung nur der Kursdifferenzschaden. Ein Anscheinsbeweis ist bei feststellbaren Reaktionen des Markts auf die Intermediationsleistung möglich. Vorzusehen sind Haftungshöchstsummen und Selbstbehalte. Verbleibende Schutzlücken sind durch berufsrechtliche und regulatorische Regeln (folgendes Kapitel 13) zu schließen.

13. Kapitel: Berufsrechtliche und regulatorische Pflichten A. Berufszugang und Verhaltenspflichten 1. Grundsatzproblem berufsrechtlicher- und regulatorischer Eingriffe ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Regelungsziel der kapitalmarktlichen Informationsintegrität und der Wahrung des Angebot-und-Nachfrage-Mechanismus (Abschnitt I, S. 558). Der Marktmechanismus ist für die möglichen Vorteile der Inanspruchnahme privater Dritter zu Regulierungszwecken entscheidend. Durch Zuweisung funktional-öffentlicher Verantwortung ist die Rolle der Intermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs regulatorisch auszubauen. Von übergreifender Bedeutung hierfür ist die bei allen Intermediären vorzufindende Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Die weitere Ausformung ergibt sich aus den Regeln zu Berufszugang und Verhaltenspflichten, Unabhängigkeit und eng damit verbunden zur Vergütungsabsprache. Zum Einsatz kommen jeweils Organisations-, Offenlegungs- und Abstandnahme-

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pflichten. Innerhalb dieser nach Eingriffsintensität steigenden Stufen sind Differenzierungen nach Art der jeweiligen Intermediationsleistung, insbesondere ihrer probabilistischen Natur angezeigt. Die Nachbildung des am weitesten entwickelten Rechts der Abschlussprüfung in den anderen Intermediationsbereichen ist nicht zwingend geboten. 2. Berufszugangsregeln weisen die größten Unterschiede auf (Abschnitt II, S. 572). Am vorhandenen Bestand ist die Funktionsweise der Regelungsmodelle aufzuzeigen: Im Organisationsmodell, wie es für das Bonitätsrating gewählt ist, richten sich die Auswahl- und Überwachungspflichten an die den einzelnen Handelnden beschäftigende Institution, also in der Sache an deren Geschäftsleiter und interne Aufsichtsgremien. Das für die Finanzanalyse gewählte Offenlegungsmodell sieht hingegen Anzeige- und Kennzeichnungspflichten vor, setzt also auf eine reputationsgestützte Verhaltenssteuerung des Einzelnen durch die marktliche Beurteilung der unter der Bezeichnung als Finanzanalyse veröffentlichten Leistung. Im Verbotsmodell kommt die Marktteilnahme nur bei Zulassung in Betracht, wie sie beim Rating im Falle der Verwendung der Bonitätsbeurteilung zu regulatorischen Zwecken vorgesehen ist. Allein bei der Abschlussprüfung besteht eine auf den einzelnen Handelnden bezogene Zulassungspflicht, die an eine Eignungsprüfung geknüpft ist. 3. Verhaltenspflichten, insbesondere zur Prüfung der Informationsgrundlage, sind auf die jeweils verfügbaren Informationsquellen abzustimmen (Abschnitt III, S. 578). Umfassende Nachforschungspflichten wie die des Abschlussprüfers kommen nur bei Einräumung von Auskunftsrechten gegenüber dem Emittenten in Betracht. Für beauftragte Ratings und Finanzanalysen ist an regulatorische oder gegebenenfalls berufsständische Anstöße zum Ausbau der Nachforschungsmöglichkeiten etwa nach Vorbild von § 3 Abs. 1 Satz 1 AAB-WP zu denken. Bei auftragslosen Leistungen ist über (durchaus leistungsfähige) Plausibilisierungspflichten nicht hinauszukommen. Zur Gewährleistung eines ausgeglichenen Informationsbestands sollten auftragslose Ratings und Finanzanalysen gleichwohl möglich bleiben. Bei der Methodenverantwortung findet sich allein für den Abschlussprüfer ein mehrschichtiges System aus einerseits Eigenverantwortlichkeit und andererseits vorgegebenen Prüfungsgrundsätzen. Die regulierungstheoretisch erschlossenen Steuerungsvorteile wären bei Rating und Finanzanalyse wohl nur auf Grundlage einer gestärkten Rolle der Fachverbände zu erzielen. Verbote der öffentlichen Bonitätsbeurteilung bei ernsthaften Zweifeln oder der Investitionsempfehlung „ins Blaue“ schaffen eine Grundlage, die im Vorfeld von Krisen beobachteten achtlosen Fehleinschätzungen zu sanktionieren. Bei Rating und Finanzanalyse führt allerdings bereits das Fehlen der Pflicht zur Veröffentlichung erbrachter Beurteilungen zum Problem der opportunistischen Unterbindung von Negativbeurteilungen durch den Emittenten. Gegen ein Veröffentlichungsobligatorium sprechen die Pflichten der Geschäftsleiter von Emittenten nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (business judgment rule), im Vorfeld von Transaktionen vertraulich Informationen einzuholen. Sinnvoll ist

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die Pflicht zur Bekanntgabe des Abbruchs eines Auftragsratings nach Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO. Bei der Finanzanalyse fehlt sie bislang. 4. Rechte des Emittenten zur Stellungnahme tragen zur Korrektur oder schon zur Vermeidung von Fehleinschätzungen bei (Abschnitt IV, S. 597). Als problematisch erweisen sich Möglichkeiten des Intermediärs, die Zahlungsbereitschaft für Besserbewertungen auszuloten, etwa indem eine als privat in Auftrag gegebene intern zu einer öffentlichen Bonitätsbeurteilung „umgestuft“ wird. Dahingehende Absprachen sind bei der Abschlussprüfung nach § 43 WPO untersagt und im Weiteren durch Maßnahmen der internen Corporate Governance des Emittenten, insbesondere durch die Zuleitung des management letter an den Aufsichtsrat, zu unterbinden. Beim unbeauftragten Rating wäre eine verbesserte (behördliche) Beobachtbarkeit herzustellen durch erstens die Pflicht, an den Emittenten gerichtete Konsultationsanfragen auch der Finanzaufsicht zu übermitteln. Zweitens wäre eine Pflicht zur Mitteilung von Auftragseingängen vorzusehen. Bei gehäuften Beobachtungen von Konsultationsanfrage, Nichtveröffentlichung der unbeauftragten, wohl aber Veröffentlichung einer beauftragten Bonitätsbeurteilung wären Sachgründe für eine Intensivierung der Aufsicht gegeben. Zweifelsohne richtig ist das Verbot der Erstellung öffentlich zugänglicher Intermediationsleistungen unter Ergebnisvorgabe für sämtliche Intermediäre, darunter auch Finanzanalysten. 5. In der Zusammenschau zeigt sich, dass für die weitere Rollenausformung auf unterschiedliche Maßnahmen zu setzen ist (Abschnitt V, S. 605). Während für eine an Zielen der kapitalmarktlichen Informationsintegrität orientierte Abschlussprüfung (auch) eine gestärkte Überwachung durch den Emittentenaufsichtsrat in Betracht kommt, sind Steuerungserfolge bei Rating und Finanzanalyse vorrangig durch behördliche Aufsicht zu erzielen. Denkbar sind insbesondere Pflichten zur Meldung der Art des eingegangenen Auftrags, also dazu, ob ein privates oder öffentliches Rating gewollt war. Nachträgliche Umstufungen in Absprachen mit dem Auftraggeber werden dadurch besser erkennbar. Der Vorschlag zielt auf die Sicherstellung der Unabhängigkeit des Informationsintermediärs, die Thema des folgenden Abschnitts B ist. B. Unabhängigkeit 1. Zielkonflikte ergeben sich aus der Gegenläufigkeit von einerseits fehlender Unabhängigkeit (aber Sachnähe) und andererseits Unabhängigkeit (aber Sachferne): Abschnitt I, S. 607. Ein Mindestmaß an Unabhängigkeit ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des auf Glaubwürdigkeit angewiesenen Informationsmarkts und liegt im Interesse aller Beteiligten. Beeinträchtigungen ergeben sich infolge gegebenenfalls bloß abstrakter Gefahren für die innere Unbefangenheit (independence in fact) und die äußere Unabhängigkeit (independence in appearance) sowie aus konkreten Gefährdungen infolge von Interessenkonflikten (conflicts of interest). Frühere Überlegungen, nach denen in Bezug auf Bonitäts-

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bewertungen die freie Meinung der kommerziell tätigen Agenturen im Vordergrund stand, sind der maßgeblich in Unabhängigkeitsanforderungen zum Ausdruck kommenden Erwartung an die Wahrung der kapitalmarktlichen Informationsintegrität gewichen. 2. Eigenverantwortlichkeit und Unbefangenheit betreffen die innere Einstellung des Intermediärs und werden insbesondere durch das berufsständische Rollenverständnis ausgeformt (Abschnitt II, S. 626). Dem Abschlussprüfer kann die Eigenverantwortlichkeit die Inkaufnahme eines Verlustgeschäfts abfordern. Vergleichbare Verdichtungen zum Vorrang der Aufgabenstellung vor wirtschaftlichen Eigeninteressen stehen bei Rating und Finanzanalyse aus. In Betracht kommen Verbote wie die aus dem Recht der Abschlussprüfung bekannte Untersagung nachgelagerter Tätigkeiten, deren Inaussichtnahme zur Orientierung der Leistung an Eigeninteressen führen müsste. Eine Abkühlungsphase, also das Verbot der Aufnahme einer Tätigkeit beim Emittenten ist sowohl für Abschlussprüfer (2 Jahre) als auch Ratinganalysten (6 Monate), aber bislang nicht für Finanzanalysten vorgesehen. Rotationspflichten stärken die Unbefangenheit. Für die Abschlussprüfung ist neuerdings eine gestaffelte Rotation vorgesehen. Die bereits zuvor für das Rating vorgesehene Staffelung unterscheidet nach Durchführungs-, Analyse- und Genehmigungsverantwortung und zeigt einen besonders hohen Durchdringungsgrad der Problematik auf. Pflichten zur internen Rotation setzen ohne eine komplementierende externe Rotation Anreize zur Bildung großer Einheiten. Die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 führt eine externe Rotation ein, allerdings zu zurückhaltend, nach Wahl des Mitgliedstaats, gegebenenfalls erst nach 20 Jahren. Beim Rating gelten externe Rotationspflichten bislang nur für die Beurteilung von Wiederverbriefungen, könnten aber künftig auf andere Anlageklassen erstreckt werden. 3. Personelle und finanzielle Verflechtungen mit dem geprüften oder beurteilten Emittenten führen bei Abschlussprüfung und Rating wegen der Gefahr unausweichlicher Pflichtenkollisionen zu Leistungsverboten, im Recht der Finanzanalyse hingegen nur zu Offenlegungspflichten (Abschnitt III, S. 642). In Bezug auf Eigenbeteiligungen gelten bei Abschlussprüfung und Rating weitgehend entsprechende Verbote. In Bezug auf Fremdbeteiligungen zeigen sich Unterschiede. Die Beteiligung an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterliegt einer Anteilseignerkontrolle, nach der Gesellschafterstellungen von nicht dem Berufsstand zugehörenden oder berufsstandsnahen Personen untersagt sind. Demgegenüber errichtet die EG-RatingVO ein abgestuftes System aus Offenlegungspflichten und Leistungsverboten. Nach Anh. I Abschnitt B Nr. 2 und 3 EGRatingVO besteht bei Überschreiten der Fünf-Prozent-Schwelle sowohl hinsichtlich des Einflusses auf die Ratingagentur als auch auf das bewertete Unternehmen eine Offenlegungspflicht, bei Überschreiten der Zehn-Prozent-Schwelle ein Leistungsverbot. Die allein auf Offenlegungspflichten setzenden Regeln zur Finanzanalyse sind aus der stärker subjektiv bewertenden Natur der Leistung zu erklären.

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4. Finanzielle Abhängigkeiten können aus geschäftlichen Beziehungen zum Emittenten entstehen (Abschnitt IV.1, S. 650). Auf Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit infolge der Bezahlung durch das beurteilte Unternehmen (issuer pay) ist mit speziellen Vergütungsregeln zu reagieren. Finanzielle Abhängigkeiten sind demgegenüber von vornherein zu unterbinden. Erforderlich ist ein Regelungsansatz, durch den der Markteintritt neuer Anbieter nicht verstellt wird. Auch unter diesem Gesichtspunkt gerät die für Abschlussprüfungen kapitalmarktorientierter Unternehmen vorgesehene Umsatzabhängigkeitsgrenze i. H. v. 15 Prozent zu weit, zumal ihr Überschreiten lediglich zur Mitteilung an den Prüfungsausschuss des Emittenten verpflichtet, der dann über eine Mandatsverlängerung zu entscheiden hat. Erst ein Überschreiten der (zu hohen) 30Prozent-Schwelle führt zum unbedingten Ausschluss des Prüfers. Für Ratingagenturen besteht zwar, wie soeben besprochen, das finanziellen Verflechtungen entgegentretende Leistungsverbot bei Überschreiten der Zehn-ProzentEinflussschwelle. Aus der verpflichtenden Offenlegung des Gesamtumsatzes sind finanzielle Abhängigkeiten vom einzelnen Auftraggeber hingegen nicht zu erkennen. Zwar bestehen weitergehende Offenlegungspflichten gegenüber der ESMA. Aufsichtsbehördlich ist aber nur bei erheblichen finanziellen Abhängigkeiten einzuschreiten. Diese vom Recht der Abschlussprüfung abweichende Behandlung von Umsatzabhängigkeiten ist nicht zu rechtfertigen. Die in den USA vorgesehene Umsatzabhängigkeitsgrenze i. H. v. zehn Prozent hat beim Anleiherating kaum rechtstatsächliche Bedeutung erlangt, wohl aber beim Rating strukturierter Finanzprodukte. Markteintrittsbarrieren entstehen also nur in Konstellationen (dort zu Recht), in denen besondere Abhängigkeiten zu befürchten sind. In Rückkopplung zur Abschlussprüfung wäre über eine Absenkung der Schwellenwerte auf zehn Prozent nachzudenken. 5. Leistungskombinationen, also die Verbindung der Intermediation mit gegebenenfalls lukrativeren Zusatzangeboten, erweisen sich als das am schwersten zu lösende Problem (Abschnitt V.2, S. 657). Beeinträchtigungen ergeben sich insbesondere aus Kombinationen der Abschlussprüfung mit der Beratung (full service), der Bonitätsbeurteilung nach vorab übermittelter Strukturierungsempfehlung (one stop shopping) und dem Einsatz der bankseitigen Finanzanalyse zur Einwerbung von Transaktionsbegleitungen (competitive IPO). Bei der Finanzanalyse wird unter dem Gesichtspunkt der Flächenabdeckung des Markts zutreffend auf Organisationspflichten, also die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen (Chinese walls bzw. screens), und teilweise auf Offenlegungspflichten, also die Kennzeichnung als nichtunabhängige Analyse gesetzt. Eingriffsintensiver sind die in den anderen Intermediationsbereichen vorgesehenen Einschränkungen von Zusatzleistungen (Kombinationsmodell) oder ihr vollständiger Ausschluss (Trennungsmodell). Ein partielles Leistungsverbot des Abschlussprüfers erkannte der BGH (Allweiler 1997) bei Gefahren der Selbstprüfung, die entstehen, wenn dem Beratenen infolge der Zusatzleistung die funktionale Entscheidungskompetenz entzogen wird (Ausmaßkriterium). Ökonomisch sind Fehlan-

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reize aus einer strategischen Unterproduktion qualitativ hochwertiger Prüfungsleistungen zu erklären, die schon angesichts der bloßen Möglichkeit zur Einwerbung lukrativer Nichtprüfungsleistungen entstehen. Dem Marktdruck auf die Absenkung der Prüfungsqualität (low balling) kann sich der einzelne Intermediär nicht widersetzen, will er nicht von Konkurrenten verdrängt werden (race to the bottom). Hierin liegt eine entscheidende Konkretisierung der in der Rechtsprechung zu findenden Begründungen aus dem (zu engen) Selbstprüfungsverbot und dem (zu unbestimmten) Vertrauensbedürfnis des Markts: Fehlanreize aus der bloßen Möglichkeit des Angebots von Zusatzleistungen ergeben sich, ohne dass die Leistung zwingend Gegenstand der späteren Prüfung dieses Emittenten wird und ohne dass ein spezifischer Verlust von Marktvertrauen in die folgende Prüfung dieses Emittenten eintreten muss. Gleichwohl sprechen Vorteile bei der Informationsqualität für eine gezielte, also bloß partielle Untersagung (bloß) einzelner Nebenleistungen. 6. Als übergreifende Erträge gilt es festzuhalten (Abschnitt V, S. 682): Dem US-amerikanischen Recht folgend kann bei der Abschlussprüfung auf die Überwachung durch einen (unabhängigen) Prüfungsausschuss des Emittentenaufsichtsrats gesetzt werden, der zulässige Beratungsleistungen zu genehmigen hat. Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit von Ratingagenturen sind demgegenüber wegen der Nebenamtlichkeit des Aufsichtsrats und der Notwendigkeit zeitnaher Beauftragungen nicht auf diese Weise zu lösen. Entgegen mancher Auffassung in der Literatur liegt in der Inaussichtstellung einer bestimmten Bonitätsnote bei Befolgung konkreter Strukturierungshinweise eine von der EGRatingVO untersagte Leistungskombination. In der Folge wird ein Rückgriff des Emittenten auf intern erstellte Strukturierungsempfehlungen unausweichlich. Auf die Integrität interner Beurteilungen ist regulatorisch nicht oder nur eingeschränkt hinzuwirken. Das entzieht der Regulierung Wirkungskraft. Stattdessen wären durch eine Trennung von Methoden- und Durchführungsverantwortung etwa auch im Wege gestärkter Verbandstätigkeit Bedenken gegen eine den Agenturen übertragene Abgrenzung zwischen Rating und Beratung abzumildern. Bis es realistisch dazu komen kann, ist das von der EG-RatingVO gewählte invasive Trennungsmodell aufrechtzuerhalten. C. Vergütung 1. Die freie Vergütungsabsprache ist Voraussetzung einer fortlaufenden Anpassung der Intermediationsleistungen an methodische Fortentwicklungen, den Wandel der Eigenschaften von Finanzprodukten und insgesamt für den Qualitätswettbewerb (Abschnitt I, S. 685). Aus dem durch die Vergütungsabsprache bewirkten Ausgleich von Leistungs- und Gegenleistungsinteresse ergibt sich kein berufsrechtlich oder regulatorisch in den Griff zu nehmender Interessenkonflikt. Entgegenzutreten ist aber Vergütungsabsprachen, infolge derer die Ziele der kapitalmarktlichen Informationsintegrität systematisch privaten Ertragsinteres-

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sen untergeordnet werden. Im Vergleich zu anderen Intermediationsleistungen sind die 2013 in die EG-RatingVO neu aufgenommenen Pflichten der Ratingagenturen zur diskriminierungsfreien und an den tatsächlichen Kosten orientierten Gebührenberechnung zu weitgehend. Ein „Informationsmix“, bei dem sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Finanzierungsformen (issuer pay v. investor pay) wechselseitig ausgleichen, ist bei der Abschlussprüfung wohl nicht denkbar. Beim Rating wird dieser Ausgleich durch die Pflicht zur Offenlegung der Ergebnisse von im Abonnement erbrachten Beurteilungen beeinträchtigt. Private Vorstöße zur Erhöhung des Anteils unabhängiger, also nicht durch Ertragsinteressen von Finanzinstituten querfinanzierte Finanzanalysen sind gescheitert. Dahingehende Verpflichtungen (Spitzer-Vergleich 2003) hatten einem merklichen Rückgang der Analyseabdeckung zur Folge. Statt einer grundsätzlichen Abkehr von den gewachsenen Finanzierungstrukturen bietet sich die Ingriffnahme spezifischer Problemstellungen der Vergütungsabsprache an. 2. Ansatzpunkte sind die Vergütungsverhandlung mit dem Emittenten und die intermediärinterne Vergütungsgestaltung (Abschnitt II, S. 699 ff.). Die Vergütung der Intermediationsleistung (Außenvergütung) darf nicht an den Interessen der geprüften oder beurteilten Geschäftsleiter des Emittenten ausgerichtet sein. Die Betrauung eines (unabhängig besetzten) Prüfungsausschusses des Emittentenaufsichtsrats mit der Vergütungsverhandlung oder ihrer Überwachung ist aus dem Recht der Abschlussprüfung bekannt und könnte sich für Rating und Finanzanalyse ebenfalls als zielführend erweisen. Die intermediärinterne Verhandlung der Individualvergütung von Prüfern, Rating- oder Finanzanalysten (Innenvergütung) darf nicht zur Kopplung der Vergütung an das Intermediationsergebnis führen. Einzusetzen sind Vergütungsausschüsse, die etwa bei der Finanzanalyse der Vergütung die Treffgenauigkeit (von Positiv- wie Negativempfehlungen) zugrunde legen könnten. 3. Mit Rechtsregeln ist im Übrigen nur offensichtlich missbräuchlichen Vergütungsabsprachen wirksam entgegenzutreten. Ungelöste Probleme betreffen die Mandatseinwerbung durch vergütungsfreie Bereitstellungen von Bonitätsbeurteilungen (Provisionsmodell) sowie den Einsatz unbeauftragter Leistungen zur Ausübung faktischen Zwangs auf die Erteilung des Mandats (Vergütungserzwingung). In beiden Fällen handelt es sich um eine missbräuchliche Verwendung des etablierten Informationskanals Bonitätsrating, die rechtlich aber nur schwer zu fassen ist. Bei der Abschlussprüfung können diese Probleme nicht in vergleichbarem Ausmaß auftreten. Bei der Finanzanalyse besteht die bildhaft als Wechsel des Informationskanals beschreibbare Pflicht zur Veröffentlichung der Analyse als Werbemitteilung. 4. Die als Perspektive aufgezeigte Stärkung der emittenten- bzw. intermediärinternen Überwachung (Prüfungs- bzw. Vergütungsausschuss) bedeutet auch für den nebenamtlich tätigen Aufsichtsrat keine Überforderung (Abschnitt IV, S. 721). Zwar vermag er die Vergabe von Rating- und Analyseaufträgen nicht mit der erforderlichen Zeitnähe zu überwachen. Er kann aber vom Vorstand

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einzuhaltende Grundsätze und Strukturen der Vergütung von Informationsintermediären festlegen und die vom Vorstand getroffenen Absprachen daran überprüfen. Angesichts der zweifelsohne bestehenden Verantwortung des Aufsichtsrats für die Überwachung der Unternehmenspublizität erscheinen dahingehende Anleitungen des DCGK ratsam; dies möglicherweise zunächst in Form von Anregungen, später in der erklärungspflichtiger Empfehlungen (§ 161 Abs. 1 AktG).

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Rechtsprechungsverzeichnis

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BGH, Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 120/10 (Bonitätsindex 500; auch: Bonitätsbeurteilungen), WM 2011, 1187: 451, 476 f. BGH, Urt. v. 17.11.2011 – III ZR 103/10, BGHZ 191, 310: 485 BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90: 448 f., 504 f., 509, 512 f., 516–519, 521–524, 548 BGH, Urt. v. 4.12.2012 – VI ZR 378/11, WM 2013, 306: 509, 521 BGH, Beschl. v. 13.12.2012 – III ZR 282/11, NJW 2013, 386: 441 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 139/12, WM 2013, 689: 484, 507 BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, WM 2014, 17: 447, 509 BGH, Urt. v. 28.1.2014 – VI ZR 156/13, BGHZ 200, 38: 526 BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935: 425, 446 f., 479, 489–491, 495, 498 BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 (Lüth), BVerfGE 7, 198: 366 BVerfG, Urt. v. 31.7.1973 – 2 BvF 1/73 (Grundlagenvertrag), BVerfGE 36, 1: 233 BVerfG, Urt. v. 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1: 364 f. BVerfG, Beschl. v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, BVerfGE 76, 171: 563 BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, BVerfGE 84, 34: 465 BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87, BVerfGE 84, 59: 365 BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 – 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40: 365 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214: 346 BVerfG, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163: 591, 707 BVerfG, Beschl. v. 9.6.2010 – 1 BvR 1198/10, NJW 2010, 3705: 69 BVerwG, Urt. v. 24.4.1959 – VII C 104.58, BVerwGE 8, 272: 365 OLG Hamburg, Urt. v. 12.7.1967 – 5 U 59/67, NJW 1968, 302: 362 OLG Frankfurt, Urt. v. 25.4.2002 – 16 U 136/01 (Finanztest), NJW-RR 2002, 1697: 364 f. OLG Schleswig, Urt. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143: 614 KG, Urt. v. 12.5.2006 – 9 U 127/05 (Scope Rating), WM 2006, 1432: 364 f., 451, 478 f. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2009 – I-24 U 27/08, WM 2009, 1907: 362 OLG Frankfurt, Urt. v. 7.4.2015 – 24 U 82/14, ZD 2015, 335: 368, 451, 477 LG Bremen, Urt. v. 17.8.1966 – 8 O 512/66 (Schwarzfahrt), NJW 1966, 2360: 377 RG, Urt. v. 16.10.1903 – VII 228/03, RGZ 55, 375: 373 RG, Urt. v. 4.11.1903 – I 228/03, RGZ 56, 104: 379, 610 RG, Urt. v. 20.3.1908 – II 586/07, RGZ 68, 172: 379 RG, Beschl. v. 27.1.1938 – V B 13/37, RGZ 157, 24: 379 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03 (Bruderhilfe), WM 2004, 2157: 101 VG Berlin, Urt. v. 17.9.2010 – 16 K 149/09: 645 VGH Kassel, Urt. v. 31.5.2006 – 6 UE 3256/05, WM 2007, 392: 315

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III. USA Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 651 F. Supp. 2d 155 (SDNY 2009): 452, 454 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 888 F. Supp. 2d 431 (SDNY 2012): 548 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. 2013 WL 2468559 (SDNY 2013): 454 Arthur Andersen LLP v. United States 544 US 696 (2005): 107, 265 Basic v. Levinson 485 US 224, 243 (1988): 448 f., 519 Cal. Pub. Employees’ Ret. Sys. v. Moody’s Corp. et al. (Cal. Super. Ct., SF County, 2009): 454 f. Central Bank of Denver v. First Interstate Bank of Denver 511 US 164, 185 (1994): 450 Compuware Corporation vs. Moody’s Investors Services 499 F. 3d 520, 530 (6 th Cir. 2007): 452 Dirks v. SEC 463 US 646 (1983): 24, 102–104 Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders 472 US 749, 762, 05 S. Ct. 2939 (1985): 453 f. Erica P. John Fund v. Halliburton (Halliburton I) 131 S. Ct. 2179 (2011): 449, 519 Halliburton v. Erica P. John Fund (Halliburton II) 134 S. Ct. 2398 (2014), auch in: AG 2014, 828: 449, 519 f., 522 f. In re Bartol 38 A. 527 (Pa. 1897): 54 In re Del Monte Foods Co. Shareholder Litig. 25 A.3d 813 (Del. Ch. 2011): 261 In re Enron Corp. Securities, Derivative & ERISA Litig. 511 F. Supp. 2d 742 (SD Tex. 2005): 452, 454 In re Fitch 330 F. 3d 104, 107 (2nd Cir. 2003): 454 In re Lehman Brothers Securities & ERISA Litig. 684 F. Supp. 2d 485, 492 (SDNY 2010): 452 In re Merrill Lynch & Co. Inc. Research Reports Sec. Litig. 272 F. Supp. 2d 243 (SDNY 2003): 458 In re Winburn’s Will 249 NY Supp. 758, 765 (1931): 465 In re WorldCom Inc. Sec. Litig. 294 F. Supp. 2d 424 (SDNY 2003): 417, 459, 465 In re Worlds of Wonder Securities Litig. CA, 9 th Cir., 1994, 35 F. 3d 1407: 467 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services Inc. 175 F. 3d 848 (1999): 186, 454, 480, 716 f. King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank 916 F. Supp. 2d 442, 452 (SDNY 2013): 548 Lentell v. Merill Lynch & Co. 396 F. Supp. 3d 161, 170 (2d Cir. 2005): 458 f. Podany v. Robertson Stephens 318 F. Supp. 2D 146 (SDNY 2004): 458 f. Rosenblum v. Adler 461 A.2d 138, 154 (N.J. 1983): 448 Salman v. United States 580 US (2016): 103 Smith v. Van Gorkom 488 A. 2d 858, 874–77 (Del. 1985): 559 Spitzer v. Merrill Lynch & Co. Index No. 02/401522 (NY Sup. Ct. Apr. 8, 2002): 116 Ultramares Corp. v. Touche 174 NE 441 (NY 1931): 101, 448–450, 456, 491 United States v. Arthur Young & Co. 465 US 805, 817 f. (1984): 101 United States v. McGraw-Hill Companies 2013 WL 3762259 (CD Cal. 2013): 122, 454 f.

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IV. Weitere 1. Australien ABN AMRO Bank v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65, 6.6.2014: 101, 455 f., 510 Bathurst Regional Council v. Local Government Financial Services (No. 5), [2012] FCA 1200, 5.11.2012: 455 f.

2. Frankreich Cour de Cassation, Urt. v. 31.3.2011 – 09–13975 u. a : 545

3. Österreich OGH, Entscheidung v. 23.10.2000 – 8 Ob 141/991 u. a., ÖBA 2001, 560: 545 OGH, Entscheidung v. 27.11.2001 – 5 Ob 262/01t, ÖBA 2002, 820: 101, 425, 447 f., 491 f., 508 f. OGH, Entscheidung v. 15.3.2012 – 6 Ob 28/12d u. a., GesRZ 2012, 252: 505, 515 OGH, Entscheidung v. 29.4.2013 – 1 Ob 238/12z, RdW 2013, 599: 491 f.

4. Vereinigtes Königreich Caparo Industries v. Dickman [1990] 1 All E.R. 568: 99, 447, 491 Moore Stephens v. Stone Rolls [2009] UKHL 39: 545 Re Kingston Cotton Mill Co. (No. 2) [1896] 2. Ch. 279 CA: 99, 544 Re London and General Bank (No. 2) [1895] 2. Ch. 673, 683 CA: 99, 544

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis Sachverzeichnis 1st Amendment (USA) siehe Recht auf freie Meinung Abschlussprüfer – Informationsrechte und -pflichten 16 f., 425, 580, 582 – Teilnahme an der Bilanzsitzung 31, 599 – Rede- und Berichtspflicht gegenüber Aufsichtsrat 31, 268 – Gehilfe des Aufsichtsrats 81, 100, 617 – gerichtliche Ersetzung 629, 648 – Wahl durch die Hauptversammlung 114 Abschlussprüferhaftung – anwendbares Recht 434–438 – Auskunftsvertrag 378, 388, 446, 532 – Begrenzung der Dritthaftung 389–391, 445–446, 532 f., 537 f. – Empirik 200 – EU 426 f., 432 f., 528, 536 f. – Frankreich 411, 545 – gegenüber Auftraggebern 445, 475, 498, 527 – gegenüber Dritten 389 f., 473–511 – Haftungsbegrenzung durch Höchstsummen siehe dort – Haftungsbegründung 445–450 – Intermediärhaftung siehe dort – Jahresabschluss 446, 490 f., 503, 509 – Österreich 445, 447 f., 491, 508 f. – Prospekthaftung siehe dort – UK 447, 491, 534 – USA 448–450, 456 f., 491 Abschlussprüferunabhängigkeit 565, 617– 621 – Befangenheit 397, 618–620, 632, 648, 665, 670 – Bestätigung im Prüfungsbericht 619 – Einfluss der Stimmrechtsberatung 140 – Entwicklungen 62, 76, 79, 85 f., 127, 196

– EU-Abschlussprüfungsreform (2014) 617, 618 f., 630, 668 – Full-Service-Konzept siehe dort – Funktion 236, 295 – Information des Aufsichtsrats 31 – Inhabilität 648, 665 f. – Intermediärunabhängigkeit siehe dort – Kardinaltugend 617 – Sarbanes-Oxley Act 2002 (USA) siehe dort – Unabhängigkeitserklärung (DCGK) 332, 619, 629, 673 Abschlussprüfervergütung 695–697 – DCGK 701 – EU 696, 700–702 – Gebührenordnung 696, 714 – gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) 696, 707 – Missverhältnis zum Aufwand 672, 696, 707, 714 f. – nachträgliche (Honorarium) 707 – Offenlegung 705 f. – Transparenzbericht 652, 696, 705 f. – Unlauterkeit 695 – USA 700 – Verbot erfolgsabhängiger Vergütung 706 f. Abschlussprüfung – Aufsicht siehe Aufsicht über Wirtschaftsprüfer – Bestätigungsvermerk siehe dort – Buchhaltung 51–54, 127, 139 – Doppelrolle für die Corporate Governance 30 f., 598 f. – Empirik 186 – Entwicklung siehe Entwicklung der Abschlussprüfung – Erwartungslücke 17, 77, 304

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Sachverzeichnis

– EU-Abschlussprüfungsreform (2014) siehe dort – Full-Service-Konzept siehe dort – joint audit 639 – Marktkonzentration (Oligopol) 5, 114, 126–128, 433 – Ordnungsmäßigkeits-, nicht Opportunitätsbeurteilung 17 – Prüfungsauftrag 79–81, 100 – Prüfungsbericht siehe dort – Prüfungsstandards 16, 74 f. – Prüfungsgegenstände 16–21 – Regulierungskonzeption 225 – Revisionswesen 51, 54, 80, 120, 272 – Rolle 26, 30 f., 34 f., 81, 98–100 – Vorbehaltsaufgabe 67, 94, 565, 573, 575 – Wirtschaftsprüfungsgesellschaften siehe dort Abschlussprüfungsvertrag 352–353 – AAB-WP 361, 389–391, 445, 580–581, 589 – anwendbares Recht 351 – Intermediationsvertrag siehe dort – Nichtigkeit 394 f. – Sorgfaltspflichten 363 f. – stillschweigender Auskunftsvertrag 378, 388, 446, 532 – Treuepflichten (Vertraulichkeit) 368 f. – Unlauterkeit 397 – Vertragstyp 352 Ad-hoc-Publizitätshaftung 398, 474 – Finanzanalyse 398, 474 – IKB-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Rating 398, 474 – Spezialgesetze 362, 509 f., 518, 524 – Unlauterkeit 396–398 ADHGB 59, 80 Admati, Anat R. 167 Agenturbeziehung – Agenturprobleme siehe Intermediationsversagen – bilaterale (dyadische) 9, 26–28, 168, 298 – Corporate Governance siehe dort – multilaterale 164, 168 f., 322 – Prinzipal-Agenten-Problem 168 f. – regulatorische Rahmenbedingungen 322–330 – relationale 262 f. – Strategien der Steuerung 330–339

– trilaterale 25, 208, 262, 269, 298, 325 Ahold 106 AIG 28, 111 Aktionspläne (EU) 90–92, 106 Allen, Franklin 167 Allgemeines Preußisches Landrecht 426 Allokationseffizienz – Finanzierung der Informationsinformation 694 – Finanzmittel 589, 148 – Haftungsrecht 421, 425, 553 – Kapitalmarkteffizienz siehe dort – Regelgeberressourcen 237–239, 279 Allweiler-Rechtsprechung (BGH) 665, 670 Altersvorsorge 122 f., 230 Anfechtung siehe Beschlussanfechtung Anleger 587 f. – Anlegerleitbild 587 – Anlegerpublikum 119 – Banken 119–121 – institutionelle Investoren 122–126 – Intermediärpflichten 571, 671 Anteilseignerkontrolle 247, 647, 649 APAK 71, 567 APAReG (2016) 70, 579, 630 APAS 71 f., 566 f., 672 AReG (2016) 70, 114, 598, 617, 639 Arrow, Kenneth J. 173 Arthur Andersen 60, 139, 652 – Accenture 139 – Enron siehe dort – Zusammenbruch 107 f., 114, 127, 265, 433 Aufsicht – Berufsvereinigungen und Fachverbände siehe dort – Finanzmarktarchitektur 70, 94, 311 – funktionale Finanzaufsicht 234 – öffentliche Anprangerung (public shaming) 478, 601 – Schwächen (USA) 85 f. Aufsicht über Finanzanalysten – BaFin 70, 401, 526, 570, 623 – FINRA (USA) 70, 86, 89, 222 Aufsicht über Ratingagenturen 70, 568 – BaFin 568 – ESMA siehe dort – NRSRO-Konzept (USA) siehe dort

Sachverzeichnis – Registrierung von Ratingagenturen (EU) siehe dort Aufsicht über Wirtschaftsprüfer 70 f. – Enforcement-Verfahren (Rechnungslegung) 71, 241, 563, 580, 618 – extraterritoriale (USA) 72 f. – golden era, great treaty (USA) 75, 86, 223 Aufsichtsrat – Corporate Governance siehe dort – Entwicklung 52, 82 – Rolle 80–83 – Selbstprüfungsgefahr 79–81, 98, 332 – Vergabe des Prüfungsauftrags 79–81, 100 Aufsichtsratsausschuss – EU-Abschlussprüfungsreform (2014) 701 – Prüfungsausschuss (audit committee) 332, 701 – Vergütungsausschuss 338, 701, 705 Aufsichtsratsbesetzung – Abkühlungsphase unabhängiger Mitglieder 631 – Aufsichtsrat der Ratingagentur 705 – Aufsichtsratsältester (senior independent director) 33 – Bankenvertreter 120, 162, 294 – Bilanzexperte (financial expert) 701 – Unabhängigkeit 332, 336 f., 615–616 Aufsichtsratsinformation – Abschlussprüfer 31, 81, 100, 268, 617 – Investoren 33 – Teilnahme des Abschlussprüfers an Bilanzsitzung 31, 599 Aufsichtsratspflichten – bilanzpolitische Entscheidungen 17 – investor relations 33 – Kodexregeln 722 – Prüfung der Unabhängigkeit des Intermediärs 705 – Zustimmungsvorbehalt für Intermediärleistungen 702 Bachof, Otto 365 BaFin 87 – Aufsicht über Finanzanalysten 70, 401, 526, 570, 623 – Aufsicht über Ratingagenturen 568 – Emittentenleitfaden 401

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– Enforcement-Verfahren (Rechnungslegung) 71, 563 – MaComp 660 – Richtlinie zu Fondskategorien (institutionelle Investoren) 124 – Rundschreiben und Merkblätter 315, 660 Banken – Angebot von Ratings 141 f., 675 – Aufsicht 244–246 – Bankenvertreter im Aufsichtsrat 120, 162, 294 – Corporate Governance 30, 338, – Eigenkapital der Banken siehe dort – Einfluss auf Entwicklung 6, 55, 60 – Einlagensicherung 226 f., 434 – Emissionsbegleitung durch Banken siehe dort – Finanzanalyse durch Banken siehe dort – Finanzintermediation siehe dort – Finanzmarktkrise 2008 siehe dort – gatekeeper 101, 261, 273 – Global Settlement (USA) siehe dort – Nachfrage nach Intermediationsleistungen 35, 119–121 – Organisationspflichten 197, 334, 705 – Regulierungsziele 340 – Revisionswesen 56, 62 – Rolle im Finanzsystem 160 f., 223 – Schattenbanken 452 – Universal- und Trennbanksystem 115 – Zusammenbruch von Lehman Bros. siehe Lehman Bros. – Zusammenbrüche 83, 94, 105 bank run 83, 434 Bayern LB 111 BCBS 244 f. BdRA 68 f., 362, 568, 573, 656 Bear Sterns 28 Behavioural Economics siehe Methoden (Verhaltensforschung) Benston, George J. 89 Beratung und Prüfung siehe Leistungskombinationen, Full-Service-Konzept Berger, Roland 131 Berle, Adolf A. 52 Berufsaufsichtsreformgesetz (2007) 73 Berufsbezeichnungen – certified international investment analyst 570

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Sachverzeichnis

certified public accountant 68 f., 85 certified rating analyst 568 chartered accountant 57, 69 chartered financial analyst 66, 69 f. Finanzanalyst 69, 570 Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 67–69, 565 Berufspflichten 557–571, 578 f. – Abschlussprüfer 565–567, 579 f. – Finanzanalyst 569–571, 582 f. – Ratinganalyst 567–569, 580–583 – Rollenausformung 97–104, 558–560 – Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit 110, 561–564 Berufsrecht und Regulierung 563 f. – Haftungsrelevanz 101 – Innen- und Außenrecht 564 – Oligopolbildung 560 – Organisations-, Offenlegungs-, Verbotsmodell 572 – rent seeking, regulatory capture 563 – Rollenausformung der Intermediäre 558 f. – Selbstregulierung siehe dort Berufsstand 50, 63–78 – Finanzanalyse 55, 66 – Kritik an Aufgabenwahrnehmung 73–78 – Rating 64 – Standesregeln 310, 570, 574 f. – Wirtschaftsprüfung 53, 56–58, 68–73, 99 Berufsvereinigungen und Fachverbände – Aufsicht 16, 69–73, 565, 575, 584, 672 – BdRA (Rating) 68 f., 362, 568, 573, 656 – DVFA (Finanzanalyse, Rating) 309 f., 315, 362, 569–571, 581, 624, 664 – Entwicklung 63–66, 73–78 – IDW 16, 63, 75, 315, 371 – Regelsetzung 16, 75, 314 f., 371, 565– 566 – Verkammerung 310 – WPK 16, 70–73, 565, 567 – Zwangsmitgliedschaft 570 Berufszugang 67, 557–577 – Abschlussprüfung 67, 94, 565, 573, 575 – faktische Beschränkung und Rechtsgewährung 69, 256, 560 – Finanzanalyst 93, 104, 310, 569–571 – Marktakzeptanz 69, 94

– Offenlegung und Organisation (Finanzanalyse) 93, 104, 310, 569–574 – Ratingagentur siehe NRSRO-Konzept (USA), Registrierung von Ratingagenturen (EU) – Ratinganalyst 93, 568 f. – Regulation Analyst Certification 2003 (USA) 89, 93, 104, 109 – Strukturfragen 572 – WiPrPrüfV 326, 566 – Zulässigkeit der Beschränkung 96 f. Beschlussanfechtung 374, 536 Bestätigungsvermerk 16 f., 21, 468, 591 f. Beweisrecht siehe Haftungsnachweis Bhattacharya, Sudipto 167 BilKoG (2004) 71, 618 BilReG (2004) 71, 617–621, 655, 665– 669, 671 Bishop, William 422 BIZ 244 Blodget, Henry 116 blue sky laws (USA) 60, 84 Börsendienst-Rechtsprechung (BGH) 102, 355 f., 458, 469–472, 527, 562 Börsenregeln siehe Selbstregulierung Börsengang siehe IPO Bradstreet, John 54 Brandeis, Louis D. 89 Breuer, Wolfgang 164 f. Buchanan, James M. 211 business judgment rule – comfort letter 26, 35, 213, 255 f. – fairness opinion 255 f., 329, 559 f., 663 – Finanzanalysen 592 f., 663 f., 712 – Inklusionsnorm 255, 559, 314 – Ratings 36, 113, 592 f. – Übernahmeangebote 329, 559 f. – Üblichkeit der Informationsquelle 35, 213, 256 – Unabhängigkeit der Information 36, 559 f., 593, 712 CalPERS 125, 454 Cardozo, Benjamin N. 448 CESR 95 Chinese walls, screens 37, 116, 314, 614, 659–662 Coase, Ronald H. 25, 157, 208, 209 Coffee, John C. 3, 75, 260, 594

Sachverzeichnis Combined Code 1998 (UK) 698 comfort letter 26, 35, 213, 255 f. Commerzbank 111 Companies Act 2006 (UK) 84, 534, 536 Companies Clauses Consolidation Act 1845 (UK) 56 f. Corporate Governance 29–33, 87 – Abschlussprüfer in Doppelrolle 30–31, 598 f. – Agenturproblem 168, 298–301 – Aufsichtsrat siehe dort – Board-Modelle 30, 33, 120, 336, 701 – checks and balances 82 – Deutschland AG 87, 162 – Empirik 182–183 – Erwartungslücke 17 – Gatekeeping siehe Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre – Governance siehe dort – Indices 179 – Informationsintermediäre 30–33, 165– 167, 260 – Insider- und Outsidermodelle 30, 87 f., 157, 160 – Reorientierung des Abschlussprüfers auf den Aufsichtsrat 617 – Shareholder- oder StakeholderAnsatz 160 – Übernahmemarkt 160 – Vorstand siehe dort Credit Rating Agencies Reform Act 2006 (USA) 132, 544 Credit Rating Agency Duopoly Relief Act (USA) 132 Cuomo, Andrew (Cuomo-Vergleich) 581, 714, 722 Danat Bank 83 Darlegung und Beweis siehe Haftungsnachweis DCGK – Entsprechenserklärung (§ 161 AktG) 17, 374 – Erklärung zur Unternehmensführung 703 – Haftungsrelevanz 242, 523 – Intermediärvergütung und Aufsichtsratszustimmung 702 f.

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– keine Haftungsentlastung bei Befolgung 242 – Lücken in Bezug auf die Informationsintermediation 33, 702 – Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats 701 – Regierungskommission Corporate Governance 71, 107 – Regierungskommission DCGK 242 – Selbstbehalt 538 – Selbstregulierung siehe dort – Unabhängigkeit des Aufsichtsrats 701 – Unabhängigkeitserklärung des Abschlussprüfers 332, 619, 629, 673 Deloitte 126, 128 Demsetz, Harold 223 Deregulierung 315 Deutsch-Amerikanische Treuhand 61 f. Deutsche Bank 62, 121, 374, 670 Dewing, Arthur S. 65 Diamond, Douglas W. 89, 166 Dirks, Ray 102 f. Disintermediation siehe Finanzintermediation Dodd-Frank Act 2010 (USA) 110–114, 144 – Haftungsverschärfung für Beihilfe zum Kapitalanlagebetrug 450, 456 f. – Haftungsverschärfung für Ratingagenturen 296, 457, 524 – Ratingagenturen als gatekeeper 261 – Rückbau regulatorischer Ratingindienstnahmen 92, 94, 113, 144 – Untersagung von Zusatzleistungen der Ratingagenturen 140 – Zulassungserfordernis für Ratingagenturen 95 Dodd, David 65 Douglas, William O. 88 Dow, Charles H. 20 DPR 71, 241, 246, 563 DRSC 75, 241 f., 246 Drucker, Peter F. 232 Dun, Robert 54 DVFA 309–310, 315, 362, 569–571, 581, 624, 664 Dybvig, Philip H. 89 effet utile 523

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Sachverzeichnis

Effizienz des Kapitalmarkts siehe Kapitalmarkteffizienz EG-Abschlussprüferrichtlinie (2006) – externe Qualitätssicherung 71 f. – Komitologieverfahren (ISA) 16 – Prüfungsausschuss 700 – Rezeption US-amerikanischen Rechts 72, 665, 83 f. – Unabhängigkeitsregeln 613, 618 – Vergütungsregeln 696 – Vorgriff durch das BilReG (2004) 71 EG-RatingVO 8, 110, 246, 456, 567 Egan Jones 132, 135, 191 Eigenkapital der Banken 7, 93–95 – Aufsicht 244 f. – Basel 7, 35, 91, 112, 244 f., 303 – Berechnung 91 f. – EG-RatingVO 576 – faktischer Zwang zum externen Rating 31 f., 329, 692 – Finanzmarktkrise 2008 siehe dort – internal rating based approach 91, 306 f., 384 – Ökonomik 149, 167, 172 – Rating als Regulierungssubstitut 4, 32, 35 f., 567 f., 718 – Regulierungskonzeption 111, 225, 254, 303, 329 – Verbriefung 112 – Zeitwertprinzip (mark to market) 28, 111 f., 303 Einlagensicherung 226 f., 434 Eisenbahnspekulation (railroad mania) 56, 61 Emissionsbegleitung durch Banken – comfort letter 35 – Empirik 188 f. – fairness opinion 213, 256, 664 – Finanzanalysen 136 f. – Interessenwahrung 610, 661 – IPO siehe dort – Prospektverantwortung 257 f., 497 – Unternehmenspublizität 60 – Zusammenwirken mit Informationsintermediären 266 f. Emittentenrechte – Kollusion 298, 394 f., 601 f. – öffentlicher Widerspruch 601 f. – Stellungnahme 598–601

– Verbot von Ergebnisvorgaben 603 f. – Vorabinformation durch Intermediär 598–601 Enforcement-Verfahren (Rechnungslegung) 71, 241, 563, 580, 618 FINRA (USA) 70, 86, 89, 222 Eigenverantwortlichkeit 626–631 – Abkühlungsphase 629–631 – Abschlussprüfer 627, 629 – Finanzanalyst 628 f., 631 – IDW-Vorbehaltsklausel 626 – Offenlegung 629 – Organisation 627 f. – Ratinganalyst 628 f., 631 – Verbot nachgelagerter Tätigkeiten 629– 631 Enron 104–109 – Abschlussprüfung 107, 109 – Arthur Andersen siehe dort – Bilanzberichtigungen 75, 196 – Finanzanalyse 108 f. – High Level Group of Company Law Experts (EU) 106 – Post-Enron Initiatives (UK) 107 – Rating 27, 108 f. – Sarbanes-Oxley Act 2002 (USA) siehe dort Entwicklung der Abschlussprüfung – Aufsichtsrat oder Abschlussprüfer 81 f. – Aufsichtsstrukturen 70 – Bankeninitiiertes Revisionswesen 56, 61 f. – Deutsch-Amerikanische Treuhand 61 f. – Fallitenbuchhalter 51 – freiwillige Prüfung 61 f., 85 – Gründungspublizität (Aktienrechtsnovelle 1884) 59 – Informationsintermediation siehe Entwicklung der Informationsintermediation – Pflichtprüfung siehe dort – Staatskommissare 58, 85 – Wanderrevision und Buchhaltung 51 Entwicklung der Abschlussprüfung in der EU und im Ausland – EG-Abschlussprüferrichtlinie (2006) siehe dort – EU-Abschlussprüfungsreform (2014) siehe dort – Frankreich 53

Sachverzeichnis – – – –

Gladstone Legislation (UK) siehe dort Italien 51 Niederlande 52 staatliche Prüfstelle (corps of government auditors, USA) 85 – UK 51, 56 f., 59, 68 – USA 56, 60, 68, 85 Entwicklung der Finanzanalyse 55 – Aufsichtsstrukturen 69 f. – Brokerage-Gebühren (May Day 1975) 132 – Enron als Reformtreiber 109 – EU 92 – Informationsintermediation siehe Entwicklung der Informationsintermediation – Securities Legislation (USA) siehe dort – USA 55, 89, 109 Entwicklung der Informationsintermediation – Ansatz der Periodisierung 49 – Frühformen 50–55 – Internationalisierung 55–66 – Marktstrukturen 117–142 – Professionalisierung 66–78 – Regulierung siehe Entwicklung der Regulierung – Rollenausformungen 97–104 – Rückbau regulatorischer Indienstnahmen (Rating) 35 f., 92, 110–113, 124, 306 – Transnationalisierung 213, 218, 243– 247, 255, 308, 376 – Weichenstellungen 109–116 Entwicklung der Informationsintermediation nach Faktoren – Auslandsinvestitionen 56, 61 – Banken 56 – Deutschland AG 87, 162 – Eisenbahngesellschaften 54, 56–58, 62 – Finanzsystem siehe dort – Forderungsverbriefungen 64 f. – Gründerzeit und Gründerkrach 53 f., 59, 127 – Haftungsgefahren 57 – Handelskompagnien 53, 98 – Handelsvolumina 87 – Industrialisierung 56 f., 61 – Regulierung zur Krisenbewältigung 34– 36, 83, 104–109 – Staatsaufgaben siehe dort – Unternehmenszusammenbrüche 83, 104

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Entwicklung des Kapitalmarktrechts 78– 117 – EG-RatingVO siehe dort – EU 90–93 – Finanzmarktkrise 2008 siehe dort – Krisenbewältigung 34–36, 54, 81, 104– 109 – kriseninduzierte Regulierung 4, 81, 88, 104–106 – Prospekthaftung (UK) 60 – Securities Regulation (USA) siehe dort – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 37, 110, 623 Entwicklung des Ratings 54 f., 64 – Aufsichtsstrukturen 69 f. – Bankenzusammenbrüche 94 – Dodd-Frank Act 2010 (USA) siehe dort – Enron-Zusammenbruch 109 – EU 91–92 – faktischer Zwang zum externen Rating 64 – Informationsintermediation siehe Entwicklung der Informationsintermediation – Kreditauskunft und Schiffsklassifikation 54–56, 64, 135, 477 – NRSRO-Konzept (USA) siehe dort – Ratingskala 55, 65 – Rückbau regulatorischer Indienstnahmen 35 f., 92, 110–113, 124, 306 – UK 54 – USA 54 f., 89, 93–95, 109 – Zwei-Plus-Usance siehe dort Empirische Forschung 177–180, 183, 516, 551 – Abschlussprüfung 186 – Finanzanalyse 188 f. – gatekeeping 201 – Global Settlement 194 f. – Haftung der Informationsintermediäre 198–200 – Herdenverhalten 193 f. – IPO 187 f. – Leistungskombinationen 195–197 – Prognosefehler 191 f. – Qualität 197 f. – Ratinganpassung, -herabstufung 186, 190 f. – ratingorientierte Vertragsgestaltung 189 – Regulierung 200 f.

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Sachverzeichnis

– Reputation 198–200 – Überoptimismus 192 f. – unbeauftragte Ratings 184 – Vergütung 194 f. Ereignisstudien 177, 183, 516, 551 Erklärung zur Unternehmensführung 703 Ernst & Young 108, 126, 128, 432 Erwartungslücke 17 – Abschlussprüfer 17, 77, 304 – Corporate Governance 17 – Finanzanalyse 660, 185 – Rating 188, 190 ETF 162 ESFS (EU) 90 ESMA (EU) – Aufsicht über Ratingagenturen 70, 501, 526, 586 – Aufsicht über Ratingvergütung 653, 697 – Aufsicht über Stimmrechtsberater 8 – Grundsätze zur Überprüfung von Ratings 367 f., 584, 586 – jährlicher Bericht über Marktanteile der Ratingagenturen 129 – Registrierung von Ratingagenturen (EU) siehe dort ESME (EU) 581 EU-Abschlussprüfungsreform (2014) – behördliche Aufsicht (APAS) 71 f., 566 f., 672 – EU-AbschlussprüferVO 619 – Prüfungsbericht 161, 598 – Rezeption US-amerikanischen Rechts 620, 674, 701 – Rotation siehe dort – Umsetzung durch das APAReG (2016) 70, 579, 630 – Umsetzung durch das AReG (2016) 70, 114, 598, 617, 639 – Unabhängigkeit und Wahl des Abschlussprüfers 114, 617–619, 630 EU-MarktmissbrauchsVO (2016) 92 f., 110, 133, 156, 400–402 Europäische Ratingagentur 102, 131 Ewert, Ralf 432 Fachverbände siehe Berufsvereinigungen und Fachverbände fairness opinion 213, 255 f., 329, 559 f., 663

Falliten-Ordnung (Hamburg) 51 Fama, Eugene F. 77, 89, 148, 150–153, 285 FAVAG 81, 83, 105 FIMALAC 141 FinAnV 70, 93, 97, 144, 469 Finanzanalyse – Abgrenzung zur Anlageberatung 24 – Arten 28 f., 32, 135 – Aufsicht siehe Aufsicht über Finanzanalysten – Empfehlung (buy, hold, sell) 24, 66 – Empirik 188 f. – Entwicklung siehe Entwicklung der Finanzanalyse – Full-Service-Konzept siehe dort – Inhalt (buy, hold, sell) 24, 66 – Marktkonzentration 133 f. – Meinung 364, 401, 590 – Methoden 19 f. – Rolle 28 f., 32 f., 36 f., 102–104 – Wertpapiernebendienstleistung 11, 92, 469, 570 Finanzanalyse durch Banken – Empirik 188 f. – Entwicklung 55, 103 f., 133 f., 136 f. – Global Settlement siehe dort – Interessenkonflikte 610, 661 – Offenlegungspflichten für Kreditinstitute 698, 706, 708 f., 712 – Organisationspflichten 37, 116, 314, 614, 659–662 Finanzanalysevertrag 356 – Abonnement 356, 463, 479 f., 692 – anwendbares Recht 351 – Börsendienst-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Intermediationsvertrag siehe dort – Nichtigkeit 394, 395, 397–399, 401 – Sorgfaltspflichten 363, 365 – Stiftung-Warentest-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Treuepflichten (insbesondere Vertraulichkeit) 369 Finanzanalysten siehe Blodget, Grubman, Independent Research Network Finanzanalystenhaftung 457–461 – Anwendbares Recht 434 f. – Börsendienst-Rechtsprechung (BGH) siehe dort

Sachverzeichnis – Empirik 200 – gegenüber Abonnenten 469 f. – gegenüber Auftraggebern 475, 479 – gegenüber Dritten 469 f., 473–511 – Intermediärhaftung siehe dort – Marktmanipulation 479 – Prospekthaftung siehe dort – road show 509 – USA 458 f. – Wettbewerbsverstoß 481 Finanzanalystenunabhängigkeit 116, 195, 623–625 – Bedeutung wegen Methodenverantwortung 585 – blackout period 29, 623 – EU 624 f., 662, 663 – Global Settlement siehe dort – Going-Public-Grundsätze 29, 623 – Intermediärunabhängigkeit siehe dort – IOSCO 610, 624, 661, 664 – IPO siehe dort – Kennzeichnung als Werbemitteilung 471, 654, 704 – Pflicht zur Beauftragung weiterer Analysen 692 – Reise- und Unterbringungskosten 623 – road show 661 – Sarbanes-Oxley Act 2002 (USA) siehe dort – Trennung vom Investmentgeschäft 679 – UK 29, 624, 704 Finanzanalystenvergütung 698 – Kauf- und Verkaufsempfehlungen 686 – Kopplungsverbot für Wertpapierhandelsunternehmen 698 – Offenlegungspflichten für Kreditinstitute 698, 706, 708 f., 712 – Reise- und Unterbringungskosten 623 – Verbot der Teilnahme an Vergütungsverhandlungen 704 – Verbot erfolgsabhängiger Vergütung 698, 708 f. – Zuwendungsverbote 708 Finanzintermediation 163–165 – Abgeleitete Überwachung 166 – Bedeutung für das Finanzsystem 161 – Informationsintermediation siehe dort – Banken 166 – Disintermediation 162 f.

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– ETF 162 Finanzmarktkrise (2008) – Dodd-Frank Act 2010 (USA) siehe dort – Eigenkapital der Banken siehe dort – Empirik 199 – Lehman Bros. als Auslöser 28, 110 f., 144, 432 f. – Rating strukturierter Finanzprodukte siehe dort – Reaktionen UK 222 – Regulierungsversagen 111, 208, 226 – Staatsschuldenkrise siehe dort – Universal- und Trennbanksystem 115 – Zeitwertprinzip (mark to market) 111, 144 Finanzmarktkrise (2008) in der Diskussion – Dodd-Frank Act 2010 (USA) siehe dort – Errichtung einer europäischen Ratingagentur 131 – Intermediärhaftung 406, 444, 450–453 – Intermediärvergütung 684, 688–692, 713 f. – Kapitalmarkteffizienz 157 – Komplexitätsminderungen 237 – Prozyklik 111, 303, 329 f. – Regulierungstheorie 226 – Rolle der Intermediäre 104, 111, 210, 340 Finanzsystem 157–163 – Anteilseignerstrukturen 87, 138–142, 162, 339 – Deutschland AG 87, 162 – Empirik 178–182 – Entwicklung des Kapitalmarkts siehe dort – Informationsintermediation als Systemdeterminante 159–162 – informationsinternalisierendes und externalisierendes 158 f. – Insider- und Outsidersystem 157, 160 f. – institutionelle Investoren siehe dort – Wandel 162–163 Fitch 64, 130 f., 140 f. – Cuomo-Vergleich 581, 717 – Haftungsfälle 454 – tie breaker 194 Fitch, John 65, 129 Fleischer, Holger 110 Forsthof, Ernst 228 fraud on the market siehe Marktbetrug

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Sachverzeichnis

Friedman, Thomas L. 5 Full-Service-Konzept – Abschlussprüfung 138–140, 657, 665 – Finanzanalyse 135–138 – Interessenkonflikte 138, 658 – Rating 140–142, 657 f. – Unabhängigkeitsbeeinträchtigungen siehe dort gatekeeping siehe Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre Geldwäschebekämpfung 252 f. Gesamtschuld, Rückgriff siehe Haftungsaufteilung Gesellschaftsrechtliche Richtlinien (EU) 83 f., 447 Gilson, Ronald J. 152 Gladstone, William E. (Gladstone Legislation, UK) 56, 68, 84 Global Settlement (Spitzer-Vergleich) – Empirik 194 f. – Hintergründe und Gegenstand 115 f., 658 – vorübergehende Lösung 460 f., 692 Goerdeler, Reinhard 128 Going-Public-Grundsätze 29, 623 Governance – bilaterale (dyadische) 9, 26–28, 168, 298 – multilaterale 164, 168 f., 322 – regulatorische Rahmenbedingungen 322–330 – relationale 262 f. – Strategien 330–339 – trilaterale 25, 208, 262, 269, 298, 325 Governance-Funktionen 25–36 – Geschäftsleiterüberwachung (Corporate Governance) 29–33 – Marktfunktionsschutz (market governance) 33–37 – ratingorientierte Vertragsgestaltung 32 – Vertragsermöglichung (contract governance) 25–29 Graham, Benjamin 65 Grossman, Sanford J. 154 Grossman/Stiglitz-Paradoxon 154 Grubman, Jack 137, 459 Grundrechte – Anteilseignerkontrolle siehe dort – Berufsfreiheit 247

– Drittwirkung 249 – eingerichteter und ausgeübter Gewerbetrieb 451 – Meinungsfreiheit siehe Recht auf freie Meinung – Persönlichkeitsrecht des Unternehmens siehe dort – Pressefreiheit 37, 90, 96, 103, 452 – Schutz der Informationsintermediäre 247–249 – Vereinigungsfreiheit 247 Haftungsaufteilung (Gesamtschuld, Rückgriff) 548–552 – Gesamtschuldnerinnenausgleich 543 – Intermediär und Emittent 549 f. – Intermediäre untereinander 550–552 Haftungsausschluss 539–548 – Abschlussprüfer 389 f. – Einwilligung Auftraggeber 540 f. – Haftungsminderung (Mitverschulden) siehe dort – Rating 390 f. – USA (Rating) 350, 360 Haftungsbegrenzung – Abschluss- und Wirtschaftsprüfer 389– 391, 426 f., 432 f., 528, 536 f. – einseitige Pflichtenentlastung (bespeaks doctrine) 459, 464, 466 f., 545 – gegenüber Dritten 388–392 – Gründe 271 – Haftungsausschluss siehe dort – Kardinalpflichten 360 f. – Pflichtversicherung 434 – Verbote 537 – Versicherbarkeit 527–530 Haftungsbegrenzung durch Höchstsummen 526–539 – Angemessenheitskontrolle 535 – Bemessung 530–532 – EU 426 f., 432 f., 528, 536 f. – Frankreich 537 – gesetzliche 527–533 – Haftungsausschluss siehe dort – Ökonomik 430–434, 527–530 – Selbstbehalt 538, 539 – UK 534–536 – vertragliche 533–538

Sachverzeichnis – Wertentscheidung des Gesetzgebers 532, 533 Haftungsbegründung (Pflichtverletzung) – Abschlussprüferhaftung siehe dort – deep pocket liability 407, 428, 542 – Eigeninteresse 479, 497, 510 – Eingerichteter und ausgeübter Gewerbetrieb 451 – Finanzanalystenhaftung siehe dort – Kreditgefährdung 419, 476–479 – Marktmanipulation 503 – Persönlichkeitsrecht des Unternehmens siehe dort – Prognosehaftung 464–466, 477, 478 – Prospekthaftung siehe dort – Rat und Auskunft 378, 446 f., 484 f. – Ratinghaftung siehe dort – Sachwalterstellung 410, 482, 493–496 – Schutzgesetze 496, 503–507, 516 – Schutzwirkung zugunsten Dritter 487– 493, 495 – Sorgfaltspflichten siehe dort – Vertrauenshaftung 482–486 – Wettbewerbsverstoß 481 Haftung für Ad-hoc-Mitteilungen siehe Adhoc-Publizitätshaftung Haftungsminderung (Mitverschulden) 539–548 – Auskunftspflichtverletzung 542 – Mitverschulden des Drittgeschädigten 547, 548 – Mitverschulden des Emittenten 541–546 – Pflichtprüfung 542 Haftungsnachweis (Darlegung und Beweis) 511–526 – Anscheinsbeweis 521–523 – Beweislast 520–524 – Beweisnot 502 f., 509, 523 f. – Darlegungslast 524–526 – EG-RatingVO 502 f., 523 f., 547 Haftungsumfang (Schaden) 511–526 – IKB-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Kursdifferenzschaden 512–517 – Naturalrestitution 512, 513, 516 – Ökonomik 514 f. – Vertragsabschlussschaden 513–516 – Vorteilsausgleichung 516 Haftungsursache (Kausalität) 511–526 – Alles-oder-nichts-Prinzip 426, 428, 537

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– Marktbetrug (fraud on the market) siehe dort – Österreich 515 – Preiskausalität 517–520 – Reserveursache 514 – UK 515 – Versicherung gegen Marktrisiken 513 – Vertragsabschluss 513–515 – Vertrauen 517 Handelskompagnien 52 f., 98, 119 Hansemann, David J. L. 59 Haupt, Günter 376 Hayek, Friedrich A v. 148, 156 f., 179 Hearst 141 Heberger-Rechtsprechung (BGH) 478 Heck, Philipp 542 Herstatt Bank 244 Höllenfeuer-Rechtsprechung (BGH) 478 Holmström, Bengt 167 Hommelhoff, Peter 71 Hopt, Klaus J. 100, 230 HypoVereinsbank-Rechtsprechung (BGH) 620, 665, 670 IASB 243, 245 IDW 63 – Prüfungsstandards 16, 75, 315, 363, 565 – Vorbehaltsklausel 566, 626 f. IFAC (ISA) 16, 75, 371, 565, 583 IFRS 63, 161, 243 f., 589 IKB 111 IKB-Rechtsprechung (BGH) – Beweis 448, 509, 521, 524 – Schaden 512, 516 f. – Schutzgesetzhaftung 504 f. Information 169–175 – Empirik der Informationsauswertung 184 – freiwillige Offenlegung (Revelationsprinzip) 158 – Glaubwürdigkeit und Reputation 171 f. – hybrid-privat-öffentliches Wirtschaftsgut 169 f., 560 – Informations- und Austauschmarkt 153– 157 – Informations- und Reputationsmarkt 173 f. – Informationskosten (Stigler, Stiglitz /  Radner) 154, 171

828

Sachverzeichnis

– Informationsparadoxon (Grossman / Stiglitz) 154 – Informationsverkauf 170 f. – produktive 172 – Reputationsintermediär siehe dort – Risikoentscheidungen (Knight) 224 – Überflutung 170 – Unsicherheit 149, 152, 283 – Unteilbarkeit (Arrow) 173 f. Informationsintermediation – abgeleitete Überwachung 166 – Ablauf 15 – Angebot und Nachfrage 117, 126, 169– 173 – business judgment rule siehe dort – Corporate Governance siehe dort – Empirik 177 – Finanzsystem 159–163 – Information siehe dort – Interdependenzen 417, 581, 618 – Intermediationsversagen siehe dort – Intermediationsobligatorium siehe dort – Kapitalmarkteffizienz 154–157 – Mehrebenensystem 265–267, 328, 408– 413 – Ökonomik 147, 172 f. – regulatorische Indienstnahme Privater siehe dort – Überwindung von Informationsunsicherheit 149, 152, 283 – Zertifizierung, Substituierung, Evaluation 21 Informationsintegrität siehe kapitalmarktliche Informationsintegrität Informationsintermediation zum Marktfunktionsschutz 97–109 – Abschlussprüfung 98–100 – Finanzanalyse 24, 102–104 – Funktionsgrenzen siehe Intermediationsversagen – Governance-Funktion 33–37 – Individual- und Funktionsschutz 100 – kapitalmarktliche Informationsintegrität (als Ziel) siehe dort – Rating 102 – Schutz der Anteilseigner (shareholders’ watchdog) 98–100, 127 – Schutz des Investorenpublikums (public watchdog) 100–102

– Schutz nur von Eigeninteressen (private salesman) 102 Institutionelle Investoren 122–125 – Altersvorsorgesystem 122 – Anlageleitlinien 124–125, 185, 329, 586, 690 – BaFin-Richtlinie zu Fondskategorien (KAGB) 124 – Beeinflussung der Regelsetzung 340, 451, 534 – Eignerstrukturen 6, 123 – Einfluss 123, 140 – Finanzanalysenachfrage 135–136, 689 – Investitionsverhalten 122–123 – Pflicht zur eigenständigen Bonitätsbeurteilung 499, 514 – Ratingnachfrage 124, 185, 213, 329 – regulatorische Vorgaben 31, 35, 117 – synchronisierte Investitionen (Kettenreaktionen) 112 f., 334, 387, 547, 586 – Verbot selektiver Informationsweitergabe durch Finanzanalysten (USA) 137 Intermediärpflichten – Anzeige von Methodenänderung (Rating) 586 – Auswertung (Methodenverantwortung) 583–585 – Berichtigung und Aktualisierung (Nachverfolgung) 585–587 – Berufspflichten siehe dort – kapitalmarktliche Informationsintegrität siehe dort – Kennzeichnung (Verlässlichkeit) 589 f., 717 f. – Pflichtentrias (Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit) 110, 561–564 – Plausibilitätsprüfung 22, 112, 401, 546, 580 f. – Quellenprüfung (Nachforschung) 579– 583 – Sorgfaltspflichten siehe dort – Standardangaben (Informationsquellen und Methoden) 589 f. – Treuepflichten 368 f. – Umgang mit Zweifeln 591 f. – unternehmensinterne Informationen 589 – Verbot der Erstellung unter Ergebnisvorgabe 603 f.

Sachverzeichnis – Verbot des stillen Leistungsabbruchs 593–595 – Veröffentlichungsgebote und –verbote 591–595 Intermediationsfehler 297–302 – Agenturprobleme 298–301 – kollusive Absprachen 298, 394–395, 601 f. – Oligopole 301 f. Intermediationsgrenzen 283–294 – Agenturbeziehung siehe dort – Empirik 189–198 – Heterogenität der Präferenzen 290 f. – Informationskosten 285 f. – Professionalisierung 288–290 – systematische Fehlanreize 290–292 – Verhaltensanomalien 285, 287 f. Intermediationsversagen 294–297 – ausbleibende Intermediation 294–297 – Intermediationsfehler siehe dort – Markteintrittsbarrieren 296–297 – Nachfragestörungen 295–296 – Mechanismusinstabilität 150, 292–294 Intermediationsvertrag 358–370 – Absprachegrenzen 392–402 – allgemeine Geschäftsbedingungen 380– 392 – anwendbares Recht 349–351 – Drittbindung 375–380 – Externalitäten 348 – gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) 400–402 – Leistungsumfang 358–362 – Selbstbindung 370–375 – Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) 393–395 – Sorgfaltspflicht 363–368 – Treuepflicht 368–370 – Unlauterkeit 395–400 – Vertragsautonomie 346 Intermediationswirkungen 302–307 – Folgewirkung 303 f. – Pfadabhängigkeit 305–307 – Schädlichkeit 304 f. internationales Privatrecht – freie Rechtswahl 349–351 – Haftungsstatut 434–438 – internationale Ratingagenturen 438–441 – reine Vermögensschäden 441–444 Interessenkonflikte 193–197

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– Interessenkollision 300 f., 610, 614 f., 643 – Intermediärunabhängigkeit siehe dort – IPO (Finanzanalyse) 28 f., 116, 661, 704, 712 – Mehrfachvertretung (§ 181 BGB) 379, 611 – Ökonomik 192 – Pflichtenkollision 300 – Preisinteresse 301 – regulatorische Ursachen 268 – Selbstprüfungsverbot siehe dort – strategische Leistungskombination (low balling) 671–676 – Vergütung 142, 291, 611 – Vergütungsmodelle siehe dort Interessenwahrung – Informationsintegrität 608–611 – Interessenkonflikte siehe dort – Intermediärunabhängigkeit siehe dort – IOSCO 610 – Kapitalmarktverhalten 609–611 – organschaftliche Pflichten 616 – Prioritätsgrundsatz 610 – vertragliche Pflichten 608 Intermediärhaftung – Abschlussprüferhaftung siehe dort – Alles-oder-nichts-Prinzip 426, 428, 537 – anwendbares Recht 434 f. – Berufshaftung 408–413, 466, 474 f., 489 – Beweisrecht siehe Haftungsnachweis – Darlegung und Beweis siehe Haftungsnachweis – Dritthaftung als Marktlösung 273 – Empirik 198–200 – Finanzanalystenhaftung siehe dort – Gesamtschuld, Rückgriff siehe Haftungsaufteilung – Haftungsbegrenzung 430–434 – Haftungsbegründung siehe dort – Individual- und Funktionsschutz 413– 418, 468, 474, 503, 529 – Kausalität siehe Haftungsursache – Mehrebenensystem 408–413 – Mitverschulden siehe Haftungsminderung – Ratinghaftung siehe dort

830

Sachverzeichnis

– reine Vermögensschäden 419–424, 482, 496 – rule 10b-5 (USA) 449 f., 456, 459, 519, 524 – Schaden siehe Haftungsumfang – Sorgfalt siehe dort – Steuerungsausfall 467, 468 – Strukturfragen 461 f. – Verantwortungsteilung 425–430 – Verschuldensmaßstab 361, 362, 424 f., 463 – verschuldensunabhängige Haftung (strict liability) 414 f., 491 – Vertrag oder Delikt 524 – Wandel der Diskussion (Rating) 473– 475, 453–457 Intermediärunabhängigkeit – Abschlussprüferunabhängigkeit siehe dort – Aufsichtsratspflichten 618 – Finanzanalystenunabhängigkeit siehe dort – Full-Service-Konzept siehe dort – Haftungsrelevanz 490, 495, 540 – Interessenkonflikte siehe dort – Konvergenz 110, 320 – Leistungsverbote 629, 638–641, 644 f., 648 f., 655–657, 669–676 – Nichtprüfungsleistungen 701 – Offenlegungspflichten 629, 638, 644, 647, 652 f., 662–665 – öffentliche Wahrnehmung 649 – Organisationspflichten 627, 633–637, 643, 646 f., 652, 659–662 – Ratingunabhängigkeit siehe dort – Strukturfragen 625 f. – Unabhängigkeitsbegriff siehe dort – Vergütung siehe dort – Verhältnis zu Sorgfaltspflichten 561 – Vertragspflicht 359, 380, 385 Intermediärvergütung – Abschlussprüfervergütung siehe dort – Empirik 194 f. – Finanzanalystenvergütung siehe dort – Full-Service Konzept siehe dort – Leistungsverbote 706–709, 714 f., 718 f. – Missbrauch der Vergütungsabsprache 672, 711–715, 718 f. – Myopia-Problem 293, 686 – Nichtprüfungsleistungen 701 – Offenlegungspflichten Auftraggeber 703

– Offenlegungspflichten Intermediär 705 f., 712–714, 717 f. – Ökonomik 173–175, 686–688 – Organisationspflichten Emittent 700– 702 – Organisationspflichten Intermediär 705, 711 f., 716 f. – Provisionsorientierung 711–715 – Ratingvergütung siehe dort – Strukturfragen 698 f. – Unabhängigkeitsbeeinträchtigungen 688–692 – USA 688 – Vergütung siehe dort – Vorabbewertungen 593, 711–714 Intermediationsobligatorium – Abschlussprüfung 34 f., 233, 320 – explizites und implizites 329 – Finanzanalyse 233 – Governance-Strategie 329, 333 – Nachbildung der Marktlösung (market mimicking) 327, 291 – Rating 233, 278, 297, 329 – Regelungsfolgepflichten 221 f., 297, 559 – regulatorische Indienstnahme Privater siehe dort – Rolle des Intermediärs 559 – Steuerung der Informationsmenge 297 Interne Revision 80, 666 invitatio ad incertas personas 377 IOSCO 245 f. IOSCO Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies 622, 697 f. – comply or explain siehe Selbstregulierungsmechanismen – Offenlegungsregeln 589 f. – Selbstregulierung siehe dort – Selbstverpflichtung der Ratingagenturen gegenüber CESR 8, 95, 309, 374, 567 – Teilnahmeverbote an Vergütungsverhandlung 703 – Übergang auf EG-RatingVO 95, 622, 697 f. – Unabhängigkeitsanforderungen 622 – Vergütungstransparenz 694 – Vertraulichkeitsbereiche 680 IPO – Empirik 187–188

Sachverzeichnis – Finanzanalysen zur Mandatseinwerbung (competitive IPO) 29, 661, 704 – Kennzeichnung von Vorabanalysen 29 – Werbeveranstaltungen (deal related road shows) 28 Ipsen, Hans P. 235, 248 Irrelevanz-Theorem (Modigliani/Miller) 149 ISA (IFAC) 16, 75, 371, 565, 583 issuer pay vs. investor pay siehe Vergütungsmodelle J. P. Morgan 60 Jensen, Michael C. 89, 148 Joint Stock Companies Act 1844 (UK) 56 f. Kahneman, Daniel 285 Kapitalmarkteffizienz 148–157 – Abbildung von Fundamentalwerten 152 – anonymer Austausch- und Informationsmarkt 153, 172 – Einfluss auf die Regulierung 77 f. – Empirik 180–182, 184 – Friktionen 152 – Informationsinternalisierung und externalisierung 158 f. – Informationsparadoxon (Grossman / Stiglitz) 154 – irrationale Übersteigerung (Shiller) 151, 192, 285–290 – Kapitalmarkteffizienzhypothese (Fama) 148–152 – Kapitalmarktumfeld als Faktor 156 – kohärente Marktentwicklung (Vaga) 151 – Kommunikationssystem (v. Hayek) 156– 158 – Markt für Informationsintermediation 154–157 – Marktblasen 151 – Mechanismusinstabilität (Minsky) 150, 292–294 – relative (Gilson/Kraakman) 152 f. – Schweinezyklus 150 kapitalmarktliche Informationsintegrität – Informationsintermediation zum Marktfunktionsschutz siehe dort – Intermediärpflichten 559 – Regelungsziel 33–38, 228–230, 608– 611, 688

831

– Sozialstaatsprinzip 230 – Staatsaufgabe 229 Kaplow, Louis 323, 324 Kausalität siehe Haftungsursache Keynes, John M. 150, 287 Klassifikationsgesellschaft 54 Knight, Frank H. 224, 285 Kollusion 298, 394 f., 601 f. Köndgen, Johannes 376 KonTraG (1998) 31, 75, 79 – Entwicklung 105 – Erhöhung der Haftungssummen des Abschlussprüfers 445, 527, 655 – Errichtung des DRSC 75 – Erweiterung des Prüfungsumfangs auf künftige Lage 659 – Reorientierung Abschlussprüfung auf Aufsichtsrat 31, 79, 100, 332 – Teilnahme des Abschlussprüfers an Bilanzsitzung 31, 599 Kodexregulierung siehe Selbstregulierung durch Kodexwerke Konzessionssystem 56, 58 Kötz, Hein 381 KPMG 126, 128 Kraakman, Reinier H. 4, 152, 259, 269 Kreditauskunftei 54–56, 135, 477 Kreditgefährdung 476–479 La Porta, Rafael 175, 180 LACE Financial 130 legal origins hypothesis 179 Lehman Bros. 28, 110 f., 144, 432 f. Lewin, Kurt 259 Littleton, Ananias C. 65 low balling 671–676 Luhmann, Niklas 207 Mackay, Charles 287 Malkiel, Burton G. 20, 151 management letter 599, 604 Manne, Henry G. 89 Markowitz, Harry M. 149 Marktdisziplin 33, 36 Marktmanipulation
400–402 Marktbetrug (fraud on the market theory) 292, 518–520 – Basic v. Levinson (USA) 518 f., 522

832

Sachverzeichnis

– Haftungsbegründung (Pflichtverletzung) 413, 449, 486 – Haftungsnachweis (Darlegung und Beweis) 522, 524 – Haftungsursache (Kausalität) 518–520 – Halliburton (USA) 449, 519 f., 522 – IKB-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Investorenbetrug (fraud on the investor) 292, 413 – Vertrauenshaftung 486 Marktzugangskontrolle durch Private – Gestaltungsfaktoren 269–281 – Konzessionssystem 56, 58 – regulatorische Indienstnahme Privater siehe dort – staatliche Marktzugangskontrolle 59–61 – Untersuchungsfokus 9 Marktzugangskontrolle durch private Informationsintermediäre (gatekeeping) 3 f., 258–269 – Abschlussprüfung, Rating und Finanzanalyse 260, 268 f. – Empirik 201 – Haftung (gatekeeper liability) 260, 413– 418 – Informationsintermediation siehe dort – Interdependenzen 15, 417, 549, 618 – Mehrebenensystem 265–268 – multiple gatekeepers 226, 266, 412, 417, 549–552 – relationale, selbstdurchsetzende Überwachung 262 f. Mayntz, Renate 207 McGraw-Hill 130, 141, 455 Means, Gardiner C. 52 Meckling, William H. 89 Methoden – Agenturtheorie 168, 298–301 – Empirik 178 f. – Governance-Forschung 208–210 – Kapitalmarkteffizienzhypothese 77, 148– 152, 180, 285, 520 – Laborexperimente 286 – methodologischer Individualismus 198, 208, 284 – Neue Ökonomie des Staats (public choice) 25, 209 f., 693 – Neue Verwaltungsrechtswissenschaft 209, 229, 731

– Ökonometrie 178 – ökonomische Analyse des Rechts 208 – ökonomische Modelltheorie 148 f., 166– 167 – Regulierungstheorie siehe dort – Transaktionskostenökonomik 208 – Verhaltensforschung 151, 192, 284–290 Miller, Merton 149 Minsky, Hyman P. 150 Mirabeau, Comte de 90 Mises, Ludwig v. 218 f. Mitverschulden siehe Haftungsminderung Modigliani, Franco 149 Montgomery, Robert H. 60 Moody, John 55 Moody’s 5, 129–131, 350 – Cuomo-Vergleich 581, 717 – Haftungsfälle 454, 480, 498, 581, 716 – Interessenkonflikte 140, 194 – Ratingskala 65 – Registrierung (EU) 439 – Vertragsgestaltung 350, 438 Morgan Stanley 454 Myopia-Problem 293, 686 NASDAQ 134, 694 Nordwolle 83 Notverordnung 1931 (Pflichtprüfung) 79– 86 – Geburtsstunde Wirtschaftsprüferberuf 67, 69 – Entwicklung 67, 81–83 – kriseninduzierte Regulierung 81, 213 – Zusammenbruch Danat Bank 83 Negligent misrepresentation – Australien 455 f., 510, 554 – UK 447, 491, 534 – USA 454, 491 Normsetzung durch den Staat – dynamische Verweisungen 240 – Eigenkapital der Banken 244 f. – Finanzaufsicht 245 f. – Gesetze, Verordnungen 239 – Inklusion privater Rechtssetzung 240 – Staatsaufgaben siehe dort Normsetzung durch Private 238–240 – Anwendungszwang 242 – Corporate Governance siehe DCGK – Finanzierung (IFRS Foundation) 245

Sachverzeichnis – Legitimation 238–247 – Rechnungslegung siehe DPR, DRSC, IASB, IFAC, IFRS – selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft 238–241 – staatliche Steuerungsverantwortung 241–244, 247 – technische Normierung (DIN) 242 – transnationale 243–247 – Vermutungswirkung 242 NRSRO-Konzept (USA) 69, 93–95, 109 Persönlichkeitsrecht des Unternehmens 476, 479 – anwendbares Recht 441 – Erzwingung eines Ratingmandats 479 – Schutzverlust wegen Beauftragung 541 – Unterbindung negativer Informationen 335 Oligopol 301 f. – Abschlussprüferoligopol 5, 126–128 – Finanzanalystenoligopol 133 f. – natürliche Tendenz zur Oligopolbildung 40, 171, 297, 301, 316 – Oligopolbildung durch Berufsrecht und Regulierung 560 – Ratingoligopol 5, 128–131 – Wettbewerb siehe dort Pacioli, Luca 51 Parmalat 106, 548 Partnoy, Frank 253, 265 Paton, Andrew 65 PCAOB (USA) 72 f., 101, 563, 567, 639 Pecora, Ferdinand 94 Pfadabhängigkeit 305–307 Pfleiderer, Paul 167 Pflichtenkollision siehe Interessenkonflikt Pflichtprüfung 56–59, 63, 79–86 – Entwicklung der Abschlussprüfung siehe dort – EU 83 – Geburtsstunde des Wirtschaftsprüferberufs 67 – Gladstone Legislation (UK) siehe dort – Informationsintermediation siehe Entwicklung der Informationsintermediation – Notverordnung (1931) 34, 63, 79–83, 105

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– Primär- und Sekundärmarktpublizität 85, 224 f. – Prospektpflichten und -inhalte siehe dort – Securities Legislation (USA) siehe dort – Überforderung des Aufsichtsrats 82 – USA 57 f., 60, 84 Poor, Henry Varnum 54 Portfolio-Theorie (Markowitz) 149 Pressefreiheit siehe Recht auf freie Presse Preußisches Aktiengesetz (1843) 58 Preußisches Eisenbahngesetz (1838) 58 Private Securities Litigation Reform Act 1995 (USA) 427, 449, 466 PwC 108, 126–128, 433 Prinzipal-Agenten-Problem siehe Agenturbeziehung, Intermediationsversagen Prospekthaftung 257 f., 411, 416 – anwendbares Recht 437 – Entwicklung (UK) 60 – im engeren und weiteren Sinne 474, 482–487, 521 – Prospektverantwortung Banken 257 f. – Prospektverantwortung Intermediär 550 – Spezialgesetze 497, 498, 522, 537, 549 – Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 496 – Wirtschaftsprüfer 490–492, 509 Prospektpflichten und -inhalte – EU 91, 118 – Finanzanalysen 492 – formal verification meetings 267 – Gewinnprognose 446 – Maßstab des durchschnittlichen Anlegers 587 – Prüfertestat 313, 327 f., 444–446, 490– 492, 509 – Rahmenregistrierung (shelf registration) 271 – Ratingangabe 388, 451, 492, 576 – UK 60, 88 – USA 88, 118, 257, 444, 451 protestatio facto contraria 377, 467 Prüfung und Beratung siehe Leistungskombinationen, Full-Service-Konzept Prüfungsbericht 30–31, 598–599 – Anforderungsbericht (Vorjahresprüfer) 580 – EU-Abschlussprüfungsreform (2014) 161, 598

834 – – – –

Sachverzeichnis

Fehlerberichterstattung 421 management letter 599, 604 Problemorientierung 107 Vorlage an den Aufsichtsrat 598

Quassowksi, Leo 98 Radner, Roy 171 Rat und Auskunft 378, 446 f., 484 f. Rating – Arten 119, 141 f., 602 – Blackbox 19, 227, 675 – Eigenkapital der Banken siehe dort – Empirik 184, 186, 190–192 – Entwicklung siehe Entwicklung des Ratings – Grundsätze zur Überprüfung von Ratings (ESMA) 367–368, 584, 586 – Länderrating 142, 335, 501, 586, 604 – Mandatsvergabe durch den Vorstand 353 – Meinung 358, 364 f., 401, 590 – Methoden 18–19, 586 – rating assessment services 678 – Ratingkürzel (rating grade) 23, 65 – Regulierungs- und Informationsfunktion 96 f., 225 – Rolle 26 f., 31 f., 35 f., 65, 102 – strukturiere Finanzprodukte siehe Rating strukturierter Finanzprodukte – Zwei-plus-Usance siehe dort Rating strukturierter Finanzprodukte 141, 227, 453, 657 – Bedeutung für Finanzmarktkrise (2008) 36, 121, 199 f. – Blackbox 227 – EG-RatingVO 592, 640, 674, 677, 713 – Eigenkapital der Banken siehe dort – Hinzuziehung eines Wirtschaftsprüfers 581 – Leistungskombinationen 677 f. – Mehrfachverbriefungen 237 – opinion shopping 276, 333 – Pflicht zum zweifachen Rating 640, 687, 713 – Ratingoligopol 276 – Umsatz der Ratingagenturen 121, 141, 657 – Versagen der Finanzanalyse 24 – Zwei-Plus-Usance siehe dort

Ratingagentur – Aufsicht siehe Aufsicht über Ratingagenturen – Europäische Ratingagentur 131 – Leistungsspektrum siehe Full-ServiceKonzept – Marktführer siehe Fitch, Moody’s, Standard & Poor’s – Marktkonzentration (Oligopol) 5, 128– 131, 32 – NRSRO-Konzept (USA) siehe dort – Registrierung von Ratingagenturen (EU) siehe dort ratingbasierte Vertragsanpassung 26–28 – Empirik 189 – Klippen- und Kaskadeneffekte 27 f., 113, 381, 387, 422 – Leistungsbestimmung (durch Dritte) 383, 385 – Nachbesicherungspflichten 386 – Synchronisierungseffekt 28, 112 Ratinghaftung – anwendbares Recht 438–441 – Australien 455, 456 – Cuomo (Cuomo-Vergleich) siehe dort – EG-RatingVO 450, 456, 475, 498–503, 523 – Empirik 200 – Erzwingung von Ratingmandaten 479, 480 – gegenüber Abonnenten 470–472 – gegenüber Auftraggebern 475, 479 – gegenüber Dritten 388–391, 469, 470, 473–511 – Haftungsbegründung 450–457 – Intermediärhaftung siehe dort – Prospekthaftung siehe dort – USA 296, 451–457, 524 – Wandel der Diskussion 453–457 – Wettbewerbsverstoß 481 Ratingunabhängigkeit 621–623 – Bedeutung wegen Methodenverantwortung 584 – Beratungsverbot 677–680 – Entwicklungen 109, 118, 131, 621 – EU 621, 662, 678 – Europäische Ratingagentur 131 – Full-Service-Konzept siehe dort – Intermediärunabhängigkeit siehe dort

Sachverzeichnis – IOSCO 610, 622, 654, 675, 680 – Kennzeichnung unbeauftragter Leistungen 589 f., 717 f. – Nebenleistungen 677–680, 702 – politische Einflussnahme (Länderratings) 604, 693 – USA 622 Ratingvergütung 697–698 – Abonnementrating 692 – Aufsicht 653, 697 – Diskriminierungsverbot 697, 715 – EG-RatingVO 695, 697 f., 703 f., 708, 717, 719 – IOSCO 703, 698 – Kopplungsverbot 697 – Mandatserzwingung 715–719 – Offenlegungspflichten 717 – USA 704 – Verbot der Teilnahme an Vergütungsverhandlung 703 f. – Verbot entgeltfreier Ratings 718 – Verbot erfolgsabhängiger Vergütung 697, 708 – Vergütungszwang für Vorabbewertungen (opinion shopping) 711, 714 f., 718 Ratingvertrag 353–355 – Abonnement 355, 438, 463, 470–472, 593–595 – allgemeine Geschäftsbedingungen 358– 361, 383–385, 471 – anwendbares Recht 350, 382 – Börsendienst-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Intermediationsvertrag siehe dort – Nichtigkeit 394, 395, 399, 401 – Sorgfaltspflichten 363–367 – Stiftung-Warentest-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – Treuepflichten 369 f. – Unlauterkeit 397–399 – Vertragstyp 353 Rechnungslegungsgrundsätze 74 – HGB 589 – IFRS 63, 161, 243 f., 589 – Konvergenz 161 – Maßgeblichkeit 74 – matching principle 65 – true and fair view 66, 75 – US GAAP 161

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– Wesentlichkeit 16 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb 451 Recht auf freie Meinung 5, 335, 364–366 – EG-RatingVO 590 – Meinung 358, 364 f., 401, 590 – Schutz vor richterlicher Kontrolle 350, 355, 364–367, 401 – Stiftung-Warentest-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – USA (1st Amendment) 96, 350, 355, 441, 452–455 – Watergate-Affäre (USA) 103 Recht auf freie Presse 37, 90, 96, 103, 452 Recht auf freien Beruf 247 Rechtsanwälte – Erfolgshonorare 707 – Gebührenordnung 696 – Geldwäschebekämpfung 252 – Prospektverantwortung 257 – Transaktionsanwälte als gatekeeper 101, 165, 312 – whistleblowing (USA) 252 Registrierung von Ratingagenturen (EU) 95–97 – Berufszugang siehe dort – Haftungsrelevanz 97, 487 – Registrierungspraxis der ESMA 133, 439, 568 Regulation Analyst Certification 2003 (USA) 89, 93, 104, 109 Regulation Fair Disclosure 2000 (USA) – Empirik 201, 296 – Entwicklung 33, 89, 103 – Verbot selektiver Informationsweitergabe an Finanzanalysten 37, 137 regulatorische Indienstnahme Privater 235, 249–269 – Arbeitgeber (Lohnabzugsverfahren) 235 – Banken 257 f. – explizite und implizite 254–255 – Folgeprobleme und Regelungspflichten 227, 280 f. – Gründe 215, 221 – Intermediationsobligatorium siehe dort – Marktzugangskontrolle (gatekeeping) 258–269 
 – private Ausübung von Hoheitsgewalt 235, 248 f.

836

Sachverzeichnis

– Rating 35 f., 253–255 – Rechtsfolgenanknüpfung (regulatory licence) 253–256 – Staatsaufgaben siehe dort – Verantwortungszuweisung (third-party policing) 250–253, 258 Regulierung der kapitalmarktlichen Informationsintermediation – Anreizkonformität, Reputation und Vergütung 336–339 – Berufsrecht und Regulierung siehe dort – Bestellungs- und Abbestellungsrechte 331–333 – Deregulierung 315 – Durchsetzung 330 – Einbindungsregeln, Eintritt und Austritt 326–329 – Einwirkung, Ergebnisvorgabe und -beeinflussung 333–335 – Empirik 200 f. – Funktionsschutz siehe Informationsintermediation zum Marktfunktionsschutz – Grundstrukturen 320–322, 339–341 – kriseninduzierte 4, 81, 88, 104–106, 144, 213 – Mehrebenensystem 265–267, 328, 408– 413 – Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot 334 f., 614–616 – private Ausgestaltung 330–339 – regulatorische Rahmenbedingungen 322–330 – Regulierungskonzeption 225 f. – Rückbau regulatorischer Indienstnahmen (Rating) 35 f., 92, 110–113, 124, 306 – Selbstregulierung siehe dort – verfassungsrechtliche Grenzen 247–249 – Vergleichbarkeitsziel 73, 86, 170, 687 – Verhaltenspflichten, -vorgaben, -standards 323–330 Regulierungsebenen 307–315 – Berufsrecht 310–313 – Berufsrecht und Regulierung siehe dort – Deregulierung 315 – Kodexregeln 308 f. – private Steuerung 307–310 – Selbstregulierung siehe dort – staatliche Regulierung 313–315 – Vertragspraxis 308

Regulierungskonzeptionen – Anreizsteuerung 215–219 – Governance siehe dort – hybrid hoheitlich-private 71, 207–209, 220, 234–236, 239 – konventionelle (command and control) 207, 215, 228, 313 f. – kooperative 212, 235 f. – markt- und risikoorientierte 224–226 – marktbeschränkende und -ermöglichende 206, 211 – Metaregulierung 219–224 – Nachbildung der Marktlösung (market mimicking) 26, 211, 216, 262, 327 – regulatorische Indienstnahme Privater siehe dort – regulierte (eingebettete) Selbstregulierung 220–222 – staatliche Aufgabenerfüllung 237 – Wahl (regulatory choice, mechanism choice) 209, 228 – Zahlungsbereitschaften als Anknüpfungspunkt 225 f. Regulierungstheorie – Entscheidungsdelegation unter Unsicherheit (veil of uncertainty) 211 – Governance-Forschung 208–210 – komparativer Institutionenansatz 223– 224 – Komplexität und kooperative Regulierung 210 – Methoden siehe dort – methodologischer Individualismus 208 – Neue Ökonomie des Staats (public choice) 209 – Neue Verwaltungsrechtswissenschaft 209, 229 – Ölflecktheorem 218 f. – Ordnungswissen 233 f. – Rechtsbefehl und sozialer Ordnung 206 f., 238 – soziale, sozietale Koordination 208 – Steuerungstheorie 206–208, 210 – Systemtheorie 207 – Transformation der Steuerungsaufgaben (Transformationshypothese) 206 f. – transnationale Konstitutionalisierung 212–214, 218 Regulierungsversagen

Sachverzeichnis – – – – –

Beobachtungsschwächen 221, 226 f. Marktkonzentrationen (Oligopole) 218 Marktversagen 211 f. Rating 226 f., 718 Regulierungsparadoxon (Ölflecktheorem) 218 f. – Staatsversagen 223 – systematische Fehleinschätzungen 224 – Überkomplexität des Steuerungssystems 210, 237 f. – Unter- und Überregulierung (type one/type two errors) 214, 240 – Vereinnahmung durch Regelungssubjekt (rent seeking, regulatory capture) 243– 246, 296, 311, 563, 718 – Wirtschaftsprüfung (USA) 75, 223, 448 Reputation 167, 171–175, 292–294 – Informations- und Reputationsmarkt 173 f. – langfristiges Investitionsgut 173, 263 – unvollständige Anreizstruktur 173, 336, 687 – Versagen siehe Intermediationsversagen – Vertrauensgut 171 f. – Voraussetzung für Informationsabsatz 171 f. – Zahlungsbereitschaften 174, 225 Reputationsintermediär 259–264 – Empirik 198–200 – Entwicklung (USA) 264 f. – Reputationskauf beim Intermediär 173 – Reputationsverkauf durch den Intermediär 301, 338 f., 598, 707, 718 Reuters 134, 694 Revelationsprinzip 158 Risikomanagement 16, 221, 226, 667 Roosevelt, Theodore 87 Rotation 631–632, 635 – EG-RatingVO 634, 636, 639–641 – Enron 636 – EU-Abschlussprüfungsreform (2014) 109, 619, 633, 639 – externe 638–641 – interne 633–638 – Italien 637 – Lock-in-Effekt 636, 638 – transparente 638 – USA 639

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Samuelson, Paul A. 149 Sarbanes-Oxley Act 2002 (USA) – Abkehr von der Selbstverwaltung der Wirtschaftsprüfer 567 – Enron-Zusammenbruch als Anlass 72, 109 – Erlass der Regulation Analyst Certification (2003) 104 – Errichtung des PCAOB 72, 76 – kriseninduzierte Regelsetzung 106 – Rezeption 665, 700 – Securities Legislation (USA) siehe dort – Verschärfung der Abschlussprüferunabhängigkeit 86, 109, 139, 620, 665 – whistleblowing von Rechtsanwälten gegenüber der Aufsicht 252 Schaden siehe Haftungsumfang Schlegelberger, Franz 98 Schmalenbach, Eugen 74 Schmidt, Fritz 74 Schroeter, Ulrich G. 365 Schufa-Rechtsprechung (BGH) 526 Scope-Rating-Rechtsprechung (KG Berlin) 364, 451, 478 Securities Legislation (USA) 87–89 – Abschlussprüfung 68, 85 – Dodd-Frank Act 2010 siehe dort – Informationsmodell 88–89 – NRSRO-Konzept (USA) siehe dort – Private Securities Litigation Reform Act (1995) 427, 449, 466 – Regulation Analyst Certification (2003) 89, 93, 104, 109 – Regulation Fair Disclosure siehe dort – Rezeption 88, 90–93 – Sarbanes-Oxley Act 2002 (USA) siehe dort Selbstbindung siehe Selbstregulierungsmechanismen Selbstprüfungsverbot 670 f. – Beratungsverbot 663 – Empirik 195–197 – EU 665–668 – IOSCO 661, 664, 675 – Kombinations- oder Trennungsmodell 658 – Offenlegungspflichten 662–664 – Organisationspflichten 659–662 – USA 661, 668, 674

838

Sachverzeichnis

Selbstprüfungsverbote für Intermediäre – Abschlussprüfer 79, 620, 639, 643, 665– 668, 670 f. – Finanzanalyse 654, 659–661, 663 f. – Rating 649, 655–658, 662, 674–680 – weitere Anwendungsfälle siehe Aufsichtsrat, Vorstand Selbstprüfungsverbot nach Konfliktlagen – Beratung 673–676 – Emittentenbeteiligung am Intermediär 649 – finanzielle Verflechtung 645 – Informationsintegrität 611 – Leistungskombinationen (low balling) 659, 661, 665–668, 671–676 – Marktvertrauen 668 f. – Umsatzabhängigkeit 655–657 – Vergütungsabsprache 699 – Zusatzleistungen 665–668 Selbstregulierung 220–222, 307–313 – Berufsrecht und Regulierung siehe dort – Fortentwicklung bei Finanzanalyse und Rating 312 f., 564, 558–560 – im Schatten der Gesetzgebung 76 f. – Lauterkeitsrecht 398 f. – Netzwerkeffekte 266 – regulierte (eingebettete) Selbstregulierung 201, 212, 220–222, 238 f., 564 – Regulierung der kapitalmarktlichen Informationsintermediation siehe dort – Schwächen 73–78, 311 – selbstdurchsetzende 263–265 – Selbstverwaltung(-skörperschaften) 234, 310 – verfassungsrechtliche Beurteilung 228, 234–238 – Versagen bei der Wirtschaftsprüfung (USA) 75–77 – Völkerrechtliche Absicherung 244 Selbstregulierung der Informationsintermediäre – Abschlussprüfer 371 f. – Finanzanalyse 69, 309 – Rating 69, 97, 309, 372 – Selbstverpflichtung der Ratingagenturen gegenüber CESR 8, 95, 309, 374, 567 Selbstregulierung durch Kodexwerke – Cadbury Report (Corporate Governance, UK) 105, 612

– CFA Institute (Finanzanalyse) 70 – City Code on Takeovers and Mergers (UK) 217, 222, 329 – DCGK siehe dort – DVFA (Finanzanalyse) 69, 309 f., 315, 371, 624, 664 – DVFA (Finanzanalyse), Anerkennung durch die BaFin 570 – DVFA (Rating) 69, 309 f., 315, 362, 371, 570, 581 – IFAC (Wirtschaftsprüfer) 371 – IOSCO Code of Conduct (Rating) siehe dort – IOSCO Principles (Finanzanalyse) 624, 661 – Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission 218 – UK Corporate Governance Code 613 – UK Stewardship Code (institutionelle Investoren) 125 Selbstregulierungsmechanismen – Anlageleitlinien siehe institutionelle Investoren – aufsichtsrechtliche Anzeigepflicht (Finanzanalyse) 574 f. – Berufs- und Fachverbände siehe dort – Börsenzulassung 31, 29, 623 – business judgment rule siehe dort – comply or explain 8, 308, 337, 374, 567, 619, 701 – Ethikgrundsätze 66, 240, 311, 371 – Handelsbrauch, -gewohnheitsrecht 371, 373 – Inklusionsnormen 240, 255, 314, 373, 559 – Kodexregeln siehe Selbstregulierung durch Kodexregeln – Konvention 238 – Markt (Preismechanismus, Reputation) 169–175, 686 – Offenlegung 337 – öffentliche Anprangerung (public shaming) 478, 601 – Selbstverpflichtung (Unterwerfung) 69, 97, 234, 359, 374, 575 – soziale, sozietale Koordination 206 f., 238 – Standesregeln 570, 574 f. – Titelvergabe und -entzug 70, 309, 568

Sachverzeichnis – Transaktionsabläufe und Üblichkeit 35, 213, 256 – Zwei-plus-Usance siehe dort Selbstregulierungsphänomene – Börsenregeln (Rating) 31 – City of London 57, 68, 217, 222, 329 – Mikrogesellschaften 217 f., 223, 226 – New York Diamond Dealers 217 – Pfandbriefbanken 118 – Unternehmensübernahmen (UK) 217, 222, 329 – Zwei-plus-Usance (Rating) siehe dort Sharpe, William F. 149 Shavell, Steven M. 418 Shiller, Robert J. 151, 285 Shleifer, Andrei 151 Sittenwidrigkeit – Ausschluss der Rückgewähr 393, 400, 621, 696 – Haftungsbegründung 507–511 – Kollusion 298, 394 f., 601 f. – Machtpositionen 394 – Standeswidrigkeit 394 – Unlauterkeit 399 f. Smith, Edgar Lawrence 65 Smith, Vernon L. 285 Sorgfaltspflichten – berufsrechtliche und regulatorische Pflichten 561–563 – Bestimmbarkeit 367 f. – Inklusionsnormen 240, 255, 314, 373, 559 – Meinungsfreiheit 364 – Neutralität, Sachkunde und Objektivität 364–367 – Stiftung-Warentest-Rechtsprechung (BGH) siehe dort – verkehrsübliche Sorgfalt 363 f. spezifische Investition 209, 275 Spitzer, Eliot (Global Settlement) 115, 116, 195, 560, 658, 691 f. Staatsaufgaben 231 – Erfüllungsverantwortung 228 – Gewährleistungsverantwortung 228, 230, 232 f. – Institutionenschutz 231 – kapitalmarktliche Informationsintegrität 228–230 – Kapitalmarktrecht, Privatrecht 230 f.

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– Komplexitätsminderung 237, 246 – öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen 238 f. – Staatsaufgabenlehre 229, 231 – Systemgarantie der Marktwirtschaft 231 – Verantwortungsmarginalisierung 237 – Wandel 215, 251 Staatsaufgaben bei Indienstnahme Privater 234–238 – Abschlussprüfer 235 – blindes Vertrauen 239 – Finanzanalyse 235 – funktionales Kooperationsverhältnis 235 f. – Gestaltungsentscheidung 232, 269–279 – Gewährleistungsverantwortung 234 f. – hybride Regulierung 234 – Indienstnahme für Verwaltungsaufgaben 235 – Kontrollverantwortung 236 – Kostenvorteile 239, 276–279 – Legitimationsverantwortung 235, 238– 247 – Lohnabzugsverfahren 235 – Normsetzung durch Private siehe dort – Privatisierung von Staatsaufgaben 235– 237, 248 – Rating 235 – regulatorische Indienstnahme Privater siehe dort – Schutzpflichten 248 – Steuerungsverantwortung 236, 239, 241–243 – Verpflichtung auf öffentlich-rechtliche Entscheidungsprinzipien 247 – Vorwirkung 236 Staatsschuldenkrise (2009) 111, 246, 303, 305, 693 Standard & Poor’s 64, 129–131, 141, 142, 350 – Cuomo-Vergleich 581, 717 – Haftungsfälle 454, 498, 548, 581, 717 – Interessenkonflikte 140, 194, – Registrierung (EU) 439 – Thyssen Krupp-Anleihe 187, 548, 614 – Vertragsgestaltung 350, 438, 439 Steuerberaterhaftung 446 Stigler, George J. 89, 154, 223, 270, 285 Stiglitz, Joseph E. 154, 171

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Sachverzeichnis

Stimmrechtsberater (proxy advisor) 7 – gatekeeper 165 – Einfluss 19, 125, 140, 183, 535 – Marktkonzentration 7 – Verhaltenskodex 8 Stiftung-Warentest-Rechtsprechung (BGH) 363–368 Stoughton, Neil M. 167 strukturierte Finanzprodukte siehe Rating strukturierter Finanzprodukte Strukturrichtlinie siehe gesellschaftsrechtliche Richtlinien (EU) Südseespekulation 56 Swiss Rating Agency 131 Tappen, Louis 54 Teubner, Gunther 393 Thyssen Krupp 187, 548, 614 Tirole, Jean 167 Treu und Glauben 393 Tullock, Gordon 211, 223 Tulpenspekulation (Tulpenmanie) 287 Unabhängigkeitsbeeinträchtigungen – Eigenverantwortlichkeitsschwächen 626– 631 – finanzielle Abhängigkeit 651–657 – finanzielle Verflechtung 645–649 – Interessenkonflikte siehe dort – Leistungskombinationen siehe dort – personelle Verflechtung 642–645 – Unbefangenheitsschwächen 631–641 Unabhängigkeitsbegriff 611 f., 617 f. – äußerliche und innerliche (independence in appearance, independence in fact) 85, 326, 612, 629 – Befangenheit 632, 618–620, 632 – Betriebsblindheit 635 – Eigenverantwortlichkeit 626 – Negativkriterien 612–614 – Unbefangenheit 326, 608, 611 f., 626, 631–633 – Unparteilichkeit 490, 610 Unabhängigkeitserfordernisse 626–684 – Entwicklungstreiber 616 – Funktionen 5, 173, 324, 326 f., 334 – Individual- und Funktionsschutz 608– 611 – Intermediärunabhängigkeit siehe dort

– – – –

Korrelat der Marktteilnahme 475, 609 Ökonomik 173, 686 Optimum, nicht Maximum 616 Organisation, Offenlegung und Leistungsverbot 614–616 – Rotation siehe dort – Sachnähe und Sachferne 337, 616, 635 Unbefangenheit siehe Unabhängigkeitsbegriff, Rotation Universal Credit Rating Group 132 Vaga, Tonis 151 Verfassungsrecht siehe Staatsaufgaben Vergütung – Interessenkonflikte 685 – Intermediärvergütung siehe dort – Kollektivhandlungsproblem des Markts 694 – Reputation 687 – Transaktionssteuer 694 – Unabhängigkeit und Vergütungsmodelle 688–692 Vergütungsmodelle (issuer pay v. investor pay) 134–142, 688–692 – Abschlussprüfung 134 f., 140 – Anteilseignerstrukturen 138–142 – Bankenfinanzierung (Abschlussprüfung) 61 f., 688 – Effizienz der Kostenteilung 694 – Finanzanalyse 135–138 – Full-Service-Konzept siehe dort – Informationsmix 691 f. – Provisionsmodell 711 – Querfinanzierung (Finanzanalyse) 689– 691 – Rating 134 f., 140–142, 471 – Unabhängigkeit und Vergütungsmodelle 688–692 – unentgeltliche Ratings 691, 711, 714 Vergütungsregeln – Angemessenheitskriterium 672, 696, 707, 714 f. – Aufsicht 672, 714 f., 719 – Diskriminierungsverbot 697, 715 – Gebührenordnung 696, 714 – Informationsintegrität 688 – Interessenkonflikte siehe dort – Intermediärvergütung siehe dort – staatliche Steuerung 693–695

Sachverzeichnis – Verbot emittentenfinanzierter Ratings 690 – Verbot erfolgsabhängiger Vergütung 603, 706–709 – Verbot vergütungsfreier Vorabbewertungen 714 f. – Vergütungszwang 339, 714 f., 719 – Wettbewerbsrecht 695 Vergütungstransparenz 652, 696, 705 f. Vergütungsverhandlung 699–704 – Abschlussprüfung 700–702 – Emittentenpflichten 699, 703 – Teilnahmeverbote 703 f. – Verbot der Einflussnahme auf Intermediationsergebnis 699 Vereinigte Ostindische Kompagnie 52, 98 Vereinigungsfreiheit siehe Recht auf freie Vereinigung verschuldensunabhängige Haftung (strict liability) siehe Intermediärhaftung Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 37, 110, 623 volenti non fit iniuria 540 Vorstand – Bilanzeid 104 – business judgment rule siehe dort – Eigenverantwortlichkeit 333 – Entwicklung 80 – Mitverschulden 428 – Risikomanagement siehe dort – Selbstbehalt 538

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– Selbstprüfungsgefahr 331 – Vorabinformation durch Abschlussprüfer 588 – Zusammenarbeit mit Informationsintermediären 17, 33 Weber, Max 206, 238 Wertgutachten 26, 670 West LB 111 Wettbewerb 114–116 – Abspaltungsanordnung 115, 144, 302 – Oligopol siehe dort – unlauterer 395–400 whistleblowing 251 f., 258, 262, 263 White, Manning 259 Williamson, Oliver E. 25, 209 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften siehe Arthur Andersen, Deloitte, Ernst & Young, KPMG, PwC Wolffson 80 Worldcom 196, 459, 548 WPK 16, 70–73, 565, 567 Zimmer, Daniel 593 Zwei-plus-Usance (Rating) – Anleiherating 6, 130, 328 – Drittbeurteilung (tie breaker) 65 – Entwicklung 94–95 – Qualitäts- und Reputationswettbewerb 199, 264 f., 309, 687 – Rating strukturierter Finanzprodukte 112, 121, 279, 687, 713