In Gärten: Profile aktueller europäischer Landschaftsarchitektur 9783034608558

A masterly presentation of gardens The past decade has witnessed new interpretations of the great themes of traditiona

172 101 63MB

German Pages 183 [184] Year 2012

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Einleitung. In Gärten lesen
Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries. Eine kosmogene Parklandschaft
Little Sparta in Stonypath. Ein Gartenreich als politischer Erfahrungsraum
Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro. Symbolische Lesarten
Garten der Interpolis-Versicherung in Tilburg. Waldpark mit Computerschnittstelle
Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam. Keine Blumen an Bord
Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese. Spuren in Stahl
Schwarzer Garten in Nordhorn. Heldentod im Tulpenfeld
Invalidenpark in Berlin. Im Koordinatensystem der Stadtgeschichte
Garten der Erinnerung in Duisburg. Weiße Erinnerung auf grünem Grund
Landschaftspark Duisburg-Nord. Kletterer am „Monte Thyssino“
Museumsinsel Hombroich. Kunst in künstlichem Arkadien
Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen. Geschichten vom Wasserdrachen
Quartierparks in Hannover-Kronsberg. Bauminsel und Waldlichtung
Place du Général Leclerc in Tours Eisberg im Fliedermeer
Place de la Bourse in Lyon. Geparkter Buchs am Börsenplatz
Les Jardins de l'Imaginaire in Terrasson. Fragmente der Gartengeschichte
Garten der Gewalt in Murten. Die Utopie vom friedlichen Garten
Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon. Leere Sockel im Buchsparterre
Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich. Ein Stadtgarten jenseits ökologischer Klischees
Oerliker Park in Zürich. Ein Park als Versprechen
MFO Park in Zürich. Grüner Pelz auf Stahlskelett
Garten der Fondation Jeantet de Medicine in Genf. Ein versunkener hortus conclusus
Osservatorio geologico auf der Cardada. Fugen im Panoramablick
Berggarten in Graz. Landschaft in abstrakter Faltung
Jardí Botànic de Barcelona. Naturfragmente in geometrischem Netz
Parc del Clot in Barcelona. Ein junger Klassiker mit zwei Gesichtern
Tarot Garden bei Garavicchio Im Garten der Schicksalskarten
Rock Garden in Chandigarh. Märchenhafte Weltenschöpfung
Dank
Recommend Papers

In Gärten: Profile aktueller europäischer Landschaftsarchitektur
 9783034608558

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

In Gärten

Udo Weilacher

Profile aktueller europäischer Landschaftsarchitektur

Fotografien von Udo und Rita Weilacher

Birkhäuser – Verlag für Architektur Basel • Berlin • Boston

In Gärten

Gestaltung und Herstellung: Atelier Fischer, Berlin Lithografie: LVD GmbH, Berlin Druck: Ruksaldruck, Berlin Bindung: Buchbinderei Helm, Berlin Umschlagbild: Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon Frontispiz: Gelbe Stangen im See

Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen (ISBN-10:3-7643-7078-5, ISBN-13: 978-3-7643-7078-7). Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2005 Birkhäuser – Verlag für Architektur, Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TFC ∞ Printed in Germany ISBN-10: 3-7643-7084-X ISBN-13: 978-3-7643-7084-8 987654321 www.birkhauser.ch

Inhalt 13

Einleitung In Gärten lesen

96

Place de la Bourse in Lyon Geparkter Buchs am Börsenplatz

22

Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries Eine kosmogene Parklandschaft

100

Les Jardins de l’Imaginaire in Terrasson Fragmente der Gartengeschichte

28

Little Sparta in Stonypath Ein Gartenreich als politischer Erfahrungsraum

108

Garten der Gewalt in Murten Die Utopie vom friedlichen Garten

34

Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro Symbolische Lesarten

114

Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon Leere Sockel im Buchsparterre

38

Garten der Interpolis-Versicherung in Tilburg Waldpark mit Computerschnittstelle

123

Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich Ein Stadtgarten jenseits ökologischer Klischees

43

Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam Keine Blumen an Bord

130

Oerliker Park in Zürich Ein Park als Versprechen

137

MFO Park in Zürich

48

Museumspark Varusschlacht in BramscheKalkriese Spuren in Stahl

54

Schwarzer Garten in Nordhorn Heldentod im Tulpenfeld

59

65

70

75

82

87

92

Grüner Pelz auf Stahlskelett 142

Garten der Fondation Jeantet de Médicine in Genf Ein versunkener hortus conclusus

Invalidenpark in Berlin Im Koordinatensystem der Stadtgeschichte

147

Osservatorio geologico auf der Cardada Fugen im Panoramablick

Garten der Erinnerung in Duisburg Weiße Erinnerung auf grünem Grund

152

Berggarten in Graz Landschaft in abstrakter Faltung

Landschaftspark Duisburg-Nord Kletterer am „Monte Thyssino“

158

Jardí Botànic de Barcelona Naturfragmente in geometrischem Netz

Museumsinsel Hombroich Kunst in künstlichem Arkadien

164

Parc del Clot in Barcelona Ein junger Klassiker mit zwei Gesichtern

Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen Geschichten vom Wasserdrachen

168

Tarot Garden bei Garavicchio Im Garten der Schicksalskarten

Quartierparks in Hannover-Kronsberg Bauminsel und Waldlichtung

175

Rock Garden in Chandigarh Märchenhafte Weltenschöpfung

Place du Général Leclerc in Tours Eisberg im Fliedermeer

183

Dank

S. 6/7 Ein Ort der Ruhe, hoch über der quirligen katalanischen Metropole: JardÍ Botànic de Barcelona. S. 8/9 Ein Ort der Geschichten, verschlossen hinter stählernen Pforten, eingebettet in einen grünen Talkessel: Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen. S. 10/11 Ein Ort der Experimente zwischen Natur und Kultur, Chaos und Ordnung, Poesie und Restfläche: Berggarten in Graz.

In Gärten lesen Ein Gartenrendezvous im schottischen November. Es regnete, waagerecht und in Strömen; ein eisiger Wind pfiff uns um die Ohren, als wir an jenem Novemberabend 1999 am Edinburgh Airport eintrafen, die Anreiseskizze nach Portrack in Südschottland in der Tasche. Mit jedem Landstraßenkilometer, der uns in dieser Nacht durch die kargen Pentland Hills in Richtung Dumfries führte, wurde das Wetter garstiger und der Zweifel am Sinn einer winterlichen Gartenbesichtigung in Schottland immer stärker. Doch die Verführungskraft der wenigen Bilder und Berichte vom „Garden of Cosmic Speculation“ war im Laufe dieses Jahres so stark geworden, dass wir – als man uns nach vielen Recherchen und etlichen Telefonaten den Gartenbesuch bewilligt hatte – die Reisegelegenheit einfach unverzüglich nutzen mussten, und sei es auch im November. „Sie werden den Professor vor Ort nicht antreffen, denn er ist ein viel beschäftigter Mann und liebt die Zurückgezogenheit auf seinem Landgut, aber Head Gardener Alistair Clark, seit Jahrzehnten für das gute Gedeihen der Anlage verantwortlich, wird Sie gerne durch den Garten führen“, versprach uns das Londoner Büro von Charles Jencks. „Übernachten Sie am besten im nahe gelegenen Friars Carse Country House Hotel, und kommen Sie am Sonntagmorgen nach Portrack.“ Spät in dieser stürmischen Nacht erreichten wir das Nithsdale, hatten uns in der Finsternis zwar kein rechtes Bild von der Landschaft machen können, entdeckten aber schließlich das gesuchte Forststräßchen, welches uns bis vor die Tore des abgelegenen aber prächtigen ehemaligen Landsitzes aus dem 13. Jahrhundert geleitete. Als die schwere eichene Eingangspforte hinter uns ins Schloss fiel, war schlagartig vom nächtlichen Novembersturm nichts mehr zu spüren. Das Knistern eines lodernden Kaminfeuers in der Eingangshalle und das Plaudern der Gäste, in der Mehrzahl offenbar Sportangler, prägten statt dessen die verführerisch gemütliche Stimmung im Friars Carse. Dieser Atmosphäre gaben auch wir uns hin und machten es uns im schweren Ledermöbel beim Kamin gemütlich. Die Wetterprognose für den nächsten Tag verhieß keine Besserung. Welch’ ein Irrtum! Der Sonntagmorgen zeigte sich zwar eiskalt und windig, überraschte uns aber mit einem wolkenlos blauen Himmel über dem Tal des Nith. Die tief stehende Wintersonne tauchte die arkadisch anmutenden Wald- und Weidelandschaften der Umgebung in intensives, warmes Licht. Kaum waren wir vor dem viktorianischen Herrenhaus des Portrack Gartens angelangt, da kam uns auch schon Landlord Jencks entgegen, begrüßte uns freudig und beglückwünschte uns dazu, dem schottischen November einen derart überraschend schönen Sonnentag abgerungen zu haben. „Exceptional!“ Da er bei diesen außergewöhnlichen Lichtverhältnissen unbedingt ein paar schöne Fotografien von seinem Garten machen müsse, wolle er uns eine Weile auf unserem Rundgang begleiten. Alistair Clark würde uns anschließend führen, solange wir wollten, „aber bitte: seien Sie doch unsere Gäste zum Lunch“. Was sich in den folgenden Stunden vor unseren Augen entwickelte und in unserem Bewusstsein durch die 13

anregenden Gespräche mit den freundlichen Gastgebern beim Mittagsmahl vertiefte, war nicht nur die äußere Erscheinung eines enthusiastisch gestalteten und liebevoll gepflegten Gartens. Vielmehr entfaltete sich sukzessive das Bild einer komplexen Komposition aus Architektur und Landschaft, Wissenschaft, Kunst und Garten, also ein Gesamtkunstwerk, in dem ein individuelles Weltbild zu einer eigenen gestalterischen Sprache gefunden hatte. Diesen Garten zu „lesen“, seine geschichtlich mit Bedeutung angereicherten Motive zu ergründen und aus deren Kombination erweiterte, neue Bedeutungsebenen zu erschließen, ließ uns allmählich begreifen, welche Geschichten er zu erzählen hat. Diese fesselnde Erfahrung ist auch jenen vergönnt, die keine „Gärten für Intellektuelle“ mögen, denn Akademismus ist diesem Garten fremd: Er verwendet seine Sprachelemente, also die Motive seiner Gartengestaltung nicht etwa beliebig oder ohne Rücksicht auf den Inhalt, sondern fügt sie zu nachvollziehbaren, ästhetisch unmittelbar reizvollen Orten von großer verführerischer Anziehungskraft. In solchen reichhaltigen, vielschichtig konzipierten Gärten legt man etwaige Lagepläne rasch zur Seite, denn die geplante Besichtigung gerät wie von selbst zu einem spontanen Rendezvous, welches bereits mit der Anreise beginnt, mit der Erkundung der Umgebung, der Suche nach einem Zugang zur jeweiligen Landeskultur, zur Kulturlandschaft. Bei solchen Gelegenheiten wird besonders deutlich, dass der Garten ein Sinnbild der Beziehung zwischen Natur und Kultur ist. Doch der Garten, so lehren uns renommierte Gartentheoretiker wie Bernard Lassus aus Frankreich, John Dixon Hunt aus den USA, Peter Latz aus Deutschland, Dieter Kienast aus der Schweiz oder Eric de Jong aus den Niederlanden, ist noch mehr: Der Garten ist das komprimierte Wunschbild der Welt. Der Garten ist die Sehnsucht nach dem Paradies. Der Garten ist der Ort ökologischer Erkenntnis. Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage. Der Garten ist der Ort der Erfindungen. Und es wird uns erklärt, dass der Garten Nichts sei, wenn er uns nicht verführt. Gartenkünstler und Landschaftsarchitekten mussten schon immer auch geschickte Verführungskünstler sein, um ihre Auftraggeber, Gäste oder sonstigen Gartennutzer in den Bann ihrer lebendigen, oft kostspieligen, aber leider auch vergänglichen Schöpfungen zu ziehen. Die genialen Gartenkunstwerke des 17. Jahrhunderts wie Vaux-le-Vicomte oder Versailles wären nicht entstanden, hätte sich der Gartenkünstler André le Nôtre (1613 – 1700) nicht auch trefflich auf die Kunst der Verführung verstanden. Die Gartenkunsthistorikerin Marie Luise Gothein erkannte 1926 treffend: „Zwei große Strömungen, die auf allen Gebieten den Geist dieser Zeit beherrschten, wusste Le Nôtre von Anbeginn in seine Gärten einzuführen und miteinander zu verbinden. Die eine repräsentierte den Geist der Disziplin, der festen, klar übersichtlichen Regel, der Proportion […] Demgegenüber aber steht das ungestüme und immer wachsende Verlangen nach ‚variété‘, nach Abwechslung. Diese Gesellschaft […] hätte vor der Zeit alt werden, vor Langeweile sterben müssen, wenn nicht eine für uns oft verblüffende 14

Gothein, Marie Luise: Geschichte der Gartenkunst. Zweiter Band. Jena 1926; S.132

Sucht nach immer neuer Abwechslung sie fortwährend in Atem und Aufregung gehalten hätte.“• Nicht weniger Verführungstalent bewies etwa zweihundert Jahre später Frederick Law Olmsted (1822 – 1903), als er im strengen Stadtraster von New York den knapp 342 Hektar großen Central Park als identitätsstiftende grüne Oase schuf. Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe vertrat Olmsted die Ansicht, dass der damals geläufige Begriff „Landscape Gardening“ den Fokus zu sehr auf den Garten und das Gärtnern beschränken würde. Er prägte statt dessen die Bezeichnung „Landscape Architecture“, die sich als „Landschaftsarchitektur“ knapp einhundert Jahre später auch in Europa etablierte. Richtungweisende Landschaftsarchitektur entwickelt heute im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur, zwischen Chaos und Ordnung, Gärten und Parks als dynamische räumliche Gefüge. Es sind lebendige Räume, Lebenswelten, welche das jeweils vorherrschende Weltbild, ein zeitgenössisches Lebensgefühl widerspiegeln. Bereits der erste Garten, der Paradiesgarten, war nicht nur ein Ort geglückter Verführung, sondern auch ein kultivierender Eingriff ins Chaos der Natur, der der Erschaffung eines Idealbildes kosmischer Ordnung diente. Unser Bild des Kosmos’, unser Weltbild hat sich jedoch gerade in den letzten Jahrzehnten entscheidend verändert, und so sind auch die Interpretationen der Beziehungen zwischen Natur und Kultur vielfältiger und komplexer geworden. Nicht zuletzt in der Bandbreite gartengestalterischer und landschaftsarchitektonischer Ausdrucksweisen spiegelt sich das wider. Nahezu alle in diesem Buch porträtierten Landschaftsarchitekturen, vor allem die privat geschaffenen Gärten, erzählen ihre eigene, teils sehr persönliche Geschichte, reichern die Bedeutung ihrer Entstehungsorte mit individuellen Zügen an und versuchen die Sensibilität der Menschen für ihre gebaute und natürliche Umwelt zu steigern. Nicht alle Anlagen offenbaren ihre Verführungsabsichten auf den ersten Blick und sprechen sofort die Sinne an. Manche geben sich spröde, wollen geduldig angegangen und mühsam dechiffriert werden, bevor sie mit ihrer Erzählung beginnen. Ebenso wenig sind alle Gärten gleichermaßen leicht lesbar, denn jeder spricht seine eigene gestalterische Sprache, mehr oder weniger durchsetzt mit bekannten, teilweise abgewandelten Motiven der Gartenkunstgeschichte. Dieser historisch interessierte Blick der Gegenwart auf Gartenkultur und Gartenkunst war lange keineswegs selbstverständlich, denn zu Zeiten betrachtete man deren Geschichte eher als Chronik des konstanten menschlichen Bemühens, mehr oder minder gewaltsam in die ewigen, unwandelbaren Gesetze der Natur einzugreifen mit dem utilitaristischen Ziel, den natürlichen Wandel in geregelte, für den Menschen nutzbare Bahnen zu lenken. Nach Jahrzehnten der ökologisch geprägten Ideologisierung in den siebziger und achtziger Jahren und der einseitigen Betonung naturschützender und -erhaltender Aufgaben bekennt sich die Landschaftsarchitektur seit etwas mehr als einem Jahrzehnt endlich wieder frei zu ihrem gestalterischen Auftrag und frischt im gleichen Zug ihr Interesse an der Gartenkunstgeschichte auf. In Gärten lesen

15

Motto der 7. Internationalen Architekturbiennale in Venedig 2000

16

„Gartenkunst wohin?“ fragte noch in den achtziger Jahren der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt und beklagte die Verbreitung einer unreflektierten, sinnentleerten Gartengestaltung, die sich ihrer Verantwortung für die Lesbarkeit der Welt nicht mehr bewusst zu sein schien. • Mit der wieder gewonnenen gestalterischen Freiheit ist heute aber auch ein erhebliches Mehr an Verantwortung verbunden, und angesichts der medial verbreiteten Bildflut stellt sich dringlicher denn je die Grundsatzfrage, ob die Landschaftsarchitektur zum belanglosen Hintergrundrauschen austauschbarer Bildwelten, also zu einer Art gestalterischen Sprachverwirrung beitragen wird, oder ob sie sich auch in Zukunft den vermeintlichen Luxus leisten will, die Welt nicht nur beliebig mit Bildern und Vokabeln zu füllen, sondern sie mit inhaltlich sinnvollen Zusammenhängen anzureichern. Nicht zufällig sind die Diskussionen um „less aesthetics, more ethics“• vor wenigen Jahren erneut erwacht, und Dieter Kienasts einstiges Plädoyer gegen die gestalterische Geschwätzigkeit • gilt heute, unter den verschärften Bedingungen im Konkurrenzkampf zahlloser neuer Garten- und Landschaftsbilder, mehr denn je. Die Gegenreaktion zum überbordenden, sinnentleerten Landschaftsdesign, wie sie am heutigen Punkt der Entwicklung wohl gefordert ist, darf selbstverständlich weder in neo-traditionalistischer Provinzialität noch in einem freudlosen, nichts sagenden Minimalismus enden. Die Verführung mit wenigen ausgesuchten Mitteln, mit ausdrucksstarker Einfachheit durch gekonnte Reduktion auf das Wesentliche ist eine der schwierigsten Künste. Überzeugende Beispiele vergangener Zeiten für reichhaltigen, aussagekräftigen Minimalismus in der Landschaftsgestaltung kennen wir aus japanischen Meditationsgärten und aus den faszinierenden Kunstprojekten der amerikanischen Land Art und Minimal Art der späten sechziger Jahre, an denen sich viele erfolgreiche Landschaftsarchitekten im vergangenen Jahrzehnt durchaus orientierten. Die beeindruckenden Erdformationen im Berggarten Graz, dem Garden of Cosmic Speculation, dem Garten des Berufsbildungszentrums in Holstebro oder im Jardí Botànic de Barcelona beziehen ihre Ausdruckskraft aus der intelligenten Setzung einfacher, künstlerisch inspirierter Landschaftszeichen. Manch anderer, der die einseitige Konzentration auf das Minimalistische in den vergangenen Jahren als zu dogmatisch empfand, bekennt sich heute wieder entspannt zu viel üppigerer Gestaltungsvielfalt, die – sofern nicht belanglos angesammelt – von ebenso großer Faszination sein kann. Gerade die individuell künstlerisch geprägten Gartenwelten von Little Sparta in Schottland, dem Tarot Garten in Italien oder dem Rock Garden in Indien zeugen von dieser anderen Qualität jenseits des Minimalismus. Indes sind diese eindrucksvollen Künstlergärten davon geprägt, dass in ihnen die Stringenz des jeweils zugrunde liegenden Weltbildes und die Konsistenz der erzählten Geschichte außerordentlich kraftvoll und nachvollziehbar entwickelt wurden. Mag die gestalterische Sprache dieser Gärten von nahezu überbordender Vielfalt bestimmt sein, so prägen die inneren Bedeu-

vgl. Burckhardt, Lucius: „Gartenkunst wohin?“ in: Andritzky, Michael/ Spitzer, Klaus (Hrsg.): Grün in der Stadt. Von oben, von selbst, für alle, von allen. Hamburg 1986 (1981); S.256 ff

vgl. Kienast, Dieter: „Zwischen Poesie und Geschwätzigkeit“ in: Garten + Landschaft 1/1994; S.13–17

vgl. Weilacher, Udo: „Degeneriert die Kunst beim Gärtnern? Freiräume für Experimentelles“ in: Sprengel Museum Hannover (Hrsg.): KunstGartenKunst. Ausstellungskatalog. Hannover 2003/ Bianchi, Paolo: „Künstlergärtner“ in: Kunstforum International 145/1999

tungszusammenhänge zugleich eindeutig die klare Lesbarkeit dieser Gärten. So oder so, der Trend zur Rückführung auf das Wesentliche hat der Landschaftsarchitektur in den vergangenen Jahren gut getan. Wieder gewonnen hat die Landschaftsarchitektur offenbar auch das Interesse an der Kooperation mit den benachbarten umweltgestaltenden Disziplinen, vor allem mit Architektur und bildender Kunst. Die enorme Komplexität aktueller Problemstellungen in der Umweltgestaltung macht das unvoreingenommene Zusammenwirken mit den Nachbardisziplinen ohnehin zu einer dringenden Notwendigkeit. Heute werden daher kaum noch wichtige Ideen- und Realisierungswettbewerbe für stadtplanerische oder landschaftsarchitektonische Projekte ausgelobt, in denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht gefordert wird. Insbesondere die bildende Kunst hat sich als wichtige Metasprache zur Verständigung zwischen den Disziplinen im vergangenen Jahrzehnt nicht nur bewährt, sondern etabliert. Irrwege sind nur dort eingeschlagen worden, wo auf Seiten der Landschaftsarchitektur aber auch von der Kunst die unverzichtbare kritische Distanz zur Nachbardisziplin auf naive und manchmal fast fahrlässige Weise bis zur Unerträglichkeit unterschritten wurde. Wenn Landschaftsarchitekten zwanghaft „Kunst machen“ wollten und Künstler sich bedenkenlos als die legitimen, im Zweifelsfall sogar als die besseren Erben der Gartenkünstler ausgaben, dann zeugte das von geringem Respekt für die Nachbardisziplin, verhinderte die Horizonterweiterung und schadete am Ende der Glaubwürdigkeit aller Beteiligten. • Die Qualität vieler hier porträtierter Garten-, Park- und Platzanlagen ist zum guten Teil das Ergebnis von gelungenem Teamwork. Die Platzgestaltungen in Lyon, der Museumspark Varusschlacht in BramscheKalkriese oder das Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon sind nur einige Beispiele für solch’ geglückte Kooperationen zwischen den Disziplinen. In vielen Fällen ist nicht einmal mehr entscheidend, wer die Federführung im Projekt oder die Ausschlag gebende Idee für den preisgekrönten Wettbewerbsentwurf hatte, denn idealer Weise haben die unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkte zu einem entscheidenden Perspektivwechsel und damit zu einem offeneren Zugang zu Natur und Landschaft geführt. Stadt und Landschaft, Haus und Garten nicht mehr als getrennte Bauteile, sondern als ein zusammenhängendes Ganzes zu begreifen ist in vielen Fällen der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis von Lebensumwelt. Zugleich liegt hier der richtungweisende Weg zu einer vielschichtigen und aussagekräftigen Gestaltung. In diesem Geist konzipierte Gärten, Parks, Plätze und Anlagen erlauben meist verschiedene, einander überlagerte Lesarten und erzählen Geschichten von reizvoller Komplexität, die einer immer vielfältiger strukturierten Gesellschaft angemessen sind. Denn dabei erfährt die Komplexität der Wirklichkeit ein Maß an ästhetischer Interpretation und Abstraktion, das es den Menschen wieder ermöglicht, sich zu orientieren. Wenn der Garten die Sehnsucht nach dem Paradies versinnbildlicht, dann muss er die Gefühle des Menschen erreichen können. Seit sich In Gärten lesen

17

die Landschaftsarchitektur aus den Fesseln rein rational begründeter Planungsmethodik befreit hat und selbstbewusst zu ihrem gestalterischen Auftrag steht, darf sie wieder Emotionen wecken. Das ist gut so, denn entscheidend für die Identifikation des Menschen mit seiner Umwelt ist, ob er einen emotionalen Zugang zu ihr findet. Wer zu seiner gebauten oder natürlichen Lebensumwelt eine positive emotionale Bindung aufbauen kann, ist im Zweifelsfall auch eher bereit, Verantwortung für die Qualität dieser Umwelt zu übernehmen. Nahezu alle porträtierten Projekte, beispielsweise das Osservatorio geologico bei Locarno, die Museumsinsel Hombroich bei Neuss, der Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen oder auch der Garten der Erinnerung in Duisburg schaffen auf sehr individuelle Weise einen emotionalen Zugang zu unterschiedlichen Landschaften und ermöglichen so eine gefühlte Inbesitznahme des jeweiligen Ortes. Dass dieser Zusammenhang im ausgeprägten Technologieglauben vergangener Jahrzehnte zu lange vernachlässigt wurde, trug unter anderem dazu bei, dass eine rein funktional, naturwissenschaftlich begründete Grünplanung den Kontakt zu ihren „Kunden“ verlor. Wen interessiert es schon, wenn der Grünflächenanteil in der Nachbarschaft den planerisch vorgegebenen Richtwerten entspricht, solange uns diese Flächen emotionslos lassen und qualitativ ohne jeglichen Reiz sind. Mit dem Bekenntnis zur Emotionalität geht eine allmähliche Bejahung von Subjektivität einher. Emotionalität und Subjektivität passen zwar scheinbar nicht in Prozesse, die nach überprüfbaren, wissenschaftlich fundierten Wertmaßstäben, nach glasklaren Beurteilungskriterien verlangen und den Menschen bevorzugt wie einen berechenbaren Faktor behandeln, den es in Schach zu halten gilt. Gerade beim Gestalten von Lebensumwelten kommt es in der heutigen Zeit aber mehr denn je darauf an, die eigene Subjektivität – nicht die Willkür – als Qualität anzuerkennen und in den Entwurfsprozess bewusst in verantwortlicher Weise zu integrieren. Das Geheimnis der besonderen Ausdrucksstärke vieler beliebter Gärten, Parks und Plätze, etwa der Jardins de l’imaginaire in Terrasson, der Place de la Bourse in Lyon oder des Gartens der Fondation Jeantet de Médicine in Genf, liegt im bewusst subjektiv gestalterischen Zugang zum jeweiligen Ort. Dieser in der Öffentlichkeit jedoch zuweilen als elitär gedeutete Ansatz ist in einer Mitbestimmungs- und Wissensgesellschaft mit erheblich höherem Risiko verbunden als der objektiv begründete, wissenschaftlich fundierte und durch mehrheitliche Abstimmung abgesicherte Gestaltungsansatz. Doch das höhere persönliche Risiko des Scheiterns – in der bildenden Kunst selbstverständlich – wird im geglückten Fall durch ein Werk belohnt, dessen Kanten im übertragenen Sinn nicht durch Mehrheitsbeschlüsse rund geschliffen wurden. Solche Werke sind für den Betrachter nicht nur lesbar, sondern sprechen ihn substantiell an. Indiz für die Qualität solch’ „kantiger“ Projekte ist in vielen Fällen, dass sie in der öffentlichen Meinung keineswegs unumstritten sind, denn Emotionalität und Subjektivität lassen nie kalt. Selbstverständlich kann es nicht das Ziel aktueller Landschaftsarchitektur sein, Gärten als emotionsgeladene, verbarrikadierte Fluchtorte 18

vgl. Le Roy, Louis G., Natur ausschalten – Natur einschalten, Stuttgart 1973 Andritzky, Michael/ Spitzer, Klaus (Hrsg.): Grün in der Stadt. Von oben, von selbst, für alle, von allen. Hamburg 1986 (1981) Der Begriff „Ökologie“ wurde erstmals von Ernst Haeckel bereits 1866 im Sinne von „Haushaltslehre“ eingeführt.

vor einer vermeintlich unerbittlichen Realität zu schaffen. Wenn die Flucht in die private Abgeschiedenheit des umzäunten Gartenparadieses noch irgendwie möglich erscheint, lassen öffentliche Räume solche Ausweichmanöver kaum zu, denn die alltägliche Realität erfordert, nicht zuletzt durch die vielfältigen Ansprüche der Nutzer an „ihren“ Raum, ein gewisses Mindestmaß an Robustheit und an Offenheit sogar für manchmal völlig unvorhersehbare Aktivitäten. Öffentliche Anlagen, wie der Landschaftspark Duisburg-Nord, die Place du Général-Leclerc in Tours oder der Parc del Clot in Barcelona beweisen indes, dass es nicht unmöglich ist, öffentliche, vielfältig nutzbare und robuste Orte zu schaffen, die die Sinne berühren und auch ein klein wenig vom Paradies erzählen. Im Grunde wissen wir aber, dass der dauerhaft friedliche, der paradiesische Garten eine Utopie ist. Little Sparta in Stonypath, der Schwarze Garten in Nordhorn aber auch der Garten der Gewalt in Murten widmen sich scharfsinnig diesem strittigen Thema. Und dennoch genießen wir gelegentlich den Rückzug in die scheinbar privaten, vordergründig paradiesischen Refugien, um wenigstens für eine kurze Weile den Traum von einer ewig heilen Welt zu träumen. Natur aber „funktioniert“ so nicht, sondern sie besitzt im Grunde nur eine einzige dauerhafte Eigenschaft: die Permanenz ihres Wandels. Wandel jedoch – das wird nicht erst beim plötzlichen Ausbruch von Naturgewalten deutlich – geht nicht immer harmonisch vonstatten. Vorausgesetzt also, dass der Garten ohne Natur – selbst im metaphorischen Sinn – nicht existieren kann, weder als idealisiertes Abbild unberührter Natur noch als kultivierte Erscheinungsform domestizierter Natur, dann ist der Wandel zwangsläufig eine der wichtigsten systemimmanenten Eigenschaften des Gartens. Ganz egal ob die Nützlichkeit oder die Schönheit der Natur im Mittelpunkt des gartenkulturellen Interesses stand: An der einseitig wachstums- und sicherheitsorientierten Haltung zur Natur, besonders zur domestizierten Gartennatur hat sich seit der Sesshaftwerdung des Menschen bis heute im Grundsatz nicht sehr viel geändert, im Gegenteil. Selbst die Ökologie- und Naturgartenbewegung, die den radikalen Leitspruch „Die Natur wachsen lassen – die Natur ordnet sich schon selbst“• verbreitete, forderte zwar die Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit der Gärten gemäß den Grundsätzen einer ökologischen Ästhetik •, akzeptierte den natürlichen Wandel aber nur innerhalb gewisser, wenn auch relativ weit gesteckter Toleranzgrenzen. • Basierend auf einem physiozentrischen Naturbegriff hielt man es damals für zwingend, auf formale Ästhetik in der Umweltgestaltung zugunsten von Ökologie • völlig zu verzichten. Die Natur sei ohnehin die bessere Gestalterin und werde von selbst für ästhetische Qualität sorgen. Gerade Linien galten als „gottlos“ und „der rechte Winkel, im festen Gefüge einer Renaissanceästhetik einst als richtig und schön empfunden, wurde zum Mittel gedankenloser und somit inhumaner Freiraumplanung“• erklärt. Zugleich aber wurden entfesselte Naturgewalten immer so rasch und wirkungsvoll wie möglich – notfalls auch mit geraden Linien, rechten Winkeln und viel Beton – in ihre Grenzen gewiesen; wie auch anders, denn selbstverständlich ging es dabei In Gärten lesen

Zu einem anderen Verständnis von ökologischer Ästhetik siehe: Strelow, Heike (Hrsg.): Ökologische Ästhetik. Theorie und Praxis künstlerischer Umweltgestaltung. Basel Berlin Boston 2004 Spitzer, Klaus: „Ökologische Ästhetik – Ein Weg zu neuen Gestaltungsprinzipien?“ in: Andritzky, Michael / Spitzer, Klaus (Hrsg.): Grün in der Stadt. Von oben… Hamburg 1986 (1981); S. 168

19

nicht um die Vermeidung „ästhetischer Katastrophen“, sondern darum, der Natur in ihrer lebensbedrohlichen, also inhuman zerstörerischen Wandlungsgewalt Einhalt zu gebieten. Eine junge Generation von Landschaftsarchitekten erkundet nach der Überwindung der fundamentalökologischen Dogmen in Projekten wie dem Oerliker Park und dem MFO-Park aber auch im Vorgarten und Innenhof des Ingenieurbüros Ernst Basler + Partner in Zürich immer neue Gleichgewichtszustände zwischen Komponenten des Wandels und formal strukturierender Statik. Das hat nicht nur etwas mit einem veränderten, offeneren Naturverständnis, sondern auch mit den sich wandelnden Ansprüchen der Gesellschaft an die öffentlichen Freiräume zu tun. Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, vor allem im Zuge des aktuellen Umbruchs von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, haben sich die lebensweltlichen Rahmenbedingungen entscheidend verändert, sind offener und flexibler aber auch unsicherer und unvorhersagbarer geworden. Die Raumgefüge der Zukunft müssen daher komplett genug für den Gebrauch, unvollständig genug für die subjektive Aneignung, auch komplex und damit antizipationsfähig genug sein, um auf den stetigen Wandel reagieren zu können. Neu entstehende „unwandelbare Gärten“ werden in diesen Raumgefügen voraussichtlich zu den immer selteneren Ausnahmeerscheinungen zählen. Während natürlicher Wandel einerseits mit Wachstum und Leben verbunden ist und schon immer als positiv empfunden wurde, zählen andererseits Verfall und Sterben ebenso zu den fundamentalen Wandlungsprozessen in der Natur, werden aber nach wie vor mit überwiegend negativen Bedeutungen in Verbindung gebracht. In der bildenden Kunst, etwa in der Land Art aber auch in neueren künstlerischen Tendenzen, ist man schon lange auf der Suche nach ästhetischen Strategien, um die positiven Energien des Verfalls zu erkunden und zu nutzen. Daraus entstanden Werke von verblüffender Dynamik und Offenheit. • In der Gartengestaltung wurden derlei neuartige Ansätze im Umgang mit Verfall noch nicht ernsthaft erkundet, denn wir haben das Denken und Handeln in offenen Prozessen in Wahrheit noch nicht wirklich begriffen. Immerhin wird besonders in Arbeiten wie dem Landschaftspark Duisburg-Nord und den genannten Zürcher Projekten untersucht, wie die Wachstums- und Wandlungskräfte der Natur bewusst als aktive Partner in den offenen Gestaltungsprozess einbezogen werden können. Das führte zu richtungsweisenden Erkenntnissen. In der Tat hat kaum ein anderes Projekt des vergangenen Jahrzehnts den landschaftsarchitektonischen Umgang mit metamorphen Industriefolgelandschaften so nachhaltig beeinflusst, wie jenes auf dem Gelände des stillgelegten Hüttenwerks in Meiderich bei Duisburg. Den wandlungsfähigen Komponenten, allen voran der Pflanze als zentralem, althergebrachtem Medium der Garten- und Landschaftsarchitektur, wird in jüngster Zeit wieder verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet, und so fallen endlich auch einige jener unsinnigen Schranken, die die Wissenschaft von der Kunst, die „Schützer“ von den „Gestaltern“ trennen. 20

vgl. Projekte von Lois und Franziska Weinberger, Olafur Eliasson, Fischli/Weiss, Roman Signer und anderen

Kienast, Dieter: „Zwischen Poesie und Geschwätzigkeit“ in: Garten + Landschaft 1/1994; S.13–17

Was die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Wandelbarem und Unwandelbarem heute entscheidend erschwert, ist der alltägliche Strom an vorgefertigten, scheinbar unwandelbaren Idealbildern von Natur, Landschaft und Garten, dem das Publikum dauerhaft ausgesetzt ist. Kenntnisreiche garten- und landschaftsarchitektonische Verführungskunst ist deshalb heute mehr denn je gefragt, denn niemals zuvor in der Zivilisationsgeschichte wurden die Menschen täglich mit so vielfältigen, unendlich reproduzierbaren Bildern von Natur bombardiert, wie in der heutigen Informations- und Kommunikationsgesellschaft. In einer ergebnisfixierten und prozessentwöhnten Gesellschaft setzen sich die überwiegend synthetisch geschaffenen Wunschbilder offenbar mit besonderer Hartnäckigkeit fest und nähren den Drang nach sofortiger Erfüllung. Die Fragen nach dem Wesen und dem Wert der wandelbaren „authentischen“ Natur drohen dabei völlig in Vergessenheit zu geraten. Die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen für die differenten Qualitäten seiner Umwelt ist dadurch akut gefährdet. Aber taugt der Garten als Antidot zum Verschleiß der Naturbilder? „Im Garten lernen wir, mit Natur umzugehen, ohne die in uns befindliche schöpferische Kraft zu verleugnen. Damit wird er zum Modell und Testfall unseres Umganges mit der gesamten natürlichen und gebauten Umwelt“, schrieb Dieter Kienast 1994 treffend • und unterstrich damit die zentrale Bedeutung heutigen Gartenschaffens, aktueller Landschaftsarchitektur. Als wir am nächsten Morgen das Nithsdale wieder verließen, regnete es wieder, waagerecht und in Strömen. Der eisige Wind pfiff uns wieder stürmisch um die Ohren, aber die winterlich-herbe Hügellandschaft, die vom Dumfriesshire bis nach Edinburgh an uns vorüber zog, schien seltsam verwandelt. Es war, als hätte uns das Gartenrendezvous im schottischen November nicht nur für eine Weile aus dem Strom der Wahrnehmungsgewohnheiten gerissen. Heute, Jahre später, wissen wir, dass durch diese und viele folgende Gartenlektüren unsere Betrachtungsperspektiven immer wieder ein wenig neu justiert wurden. Die Lektüre eines Buches kann das Lesen in Gärten nicht ersetzen, aber vielleicht verführt es dazu, gewohnte Standpunkte für einen Moment zu hinterfragen. Mehr kann man fast nicht erwarten, aber mit weniger würden wir uns auf Dauer ungern zufrieden geben.

In Gärten lesen

21

Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries

Eine kosmogene Parklandschaft Entwurf: Charles Jencks und Maggie Keswick Privatgarten Größe ca. 120 Hektar Ausführung seit ca. 1988

Rings um den gepflegten Garden of Cosmic Speculation beweiden Schafe die schottische Hügellandschaft.

22

Kann ein Garten die Phantasie fesseln und zugleich das dynamische Wesen des expandierenden Universums offenbaren? Charles Jencks, namhafter Architekturtheoretiker und bekennender Postmodernist, ist davon überzeugt: „Künstler und Architekten müssen, wenn sie die neue Welt in ihrer Dynamik und Fruchtbarkeit darstellen wollen, entweder neue Sprachen suchen oder bestehende Sprachen weiterentwickeln. Das Leben der Formen in der Kunst ist das Maß der Kosmogenese. In diesem Sinne ist eine Ästhetik der Kreativität die letzte Instanz des kosmischen Prozesses.“• Hinter dem Begriff der Kosmogenese steht Jencks’ Auffassung, dass das Universum, entgegen den traditionellen Modellen von Religion und Wissenschaft, nicht etwa ein präziser Mechanismus sei, sondern ein Prozess, dessen Geschichte durch kreative, überraschende Organisationssprünge geprägt werde. In seinem 1995 erschienenen Buch The Architecture of the Jumping Universe erläutert der amerikanische Architekt seine faszinierenden Theorien, die er an renommierten Architekturschulen in England und den USA lehrt. In der rauen Hügellandschaft des südschottischen Dumfriesshire verwirklicht Charles Jencks seit etwa zehn Jahren einen außergewöhnlichen privaten Park, in dem die Erkenntnisse seiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit Komplexitätstheorien in Erdformationen, Skulpturen und Gartenmotiven Gestalt annehmen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1995 wirkte Jencks’ Ehefrau Maggie Keswick, renommierte Expertin der Geschichte chinesischer Gartenkunst und Geomantie, nicht nur wesentlich an der Umgestaltung des etwa 120 Hektar großen Familiensitzes mit, sondern entwickelte zusammen mit ihrem Mann, unterstützt von Wissenschaftlern und Künstlern, neue Formen und Metaphern für die Geschichte des Kosmos. So entstand eine eigentümliche Kombination chinesischer Gestaltungselemente mit Motiven der Chaostheorie und der Kosmologie. Die Symmetry Break Terrace, eine großzügige Geländeterrasse vor dem Herrenhaus, ist eine visuelle Metapher für die wichtigsten Organisationssprünge, die das Universum seit seiner Entstehung vollzogen hat: von der Energie zur Materie, zum Leben und schließlich zum Bewusstsein. Gartenhistorisch ist die Terrasse zudem Teil des Earth Dragon chinesischer Tradition und darüber hinaus eine Neuinterpretation des klassischen Ha-Ha, einer für den Besucher unsichtbaren Geländestufe, mit der schon in den traditionellen englischen Landschaftsgärten der Eindruck erweckt wurde, der Garten ginge grenzenlos in die Wald- und Weidelandschaft über. In Jencks’ Garten bilden zwei wellenförmig miteinander verschnittene Stützmauern aus Naturstein dieses raffinierte Grenzelement. Seine Fortsetzung,

Jencks, Charles: „Die Architektur des springenden Universums“ in: ARCH + 141/1989; S. 26

und damit die Metapher für den letzten Organisationssprung zur Stufe des Bewusstseins, bildet eine geschnittene Eibenhecke, die in weitem Bogen das Herrenhaus auf der Anhöhe umfängt. Folgt man dem Weg vom Herrenhaus hinab in die breite Talsohle des Flusses Nith, erreicht man in der Nähe eines großen Gewächshauses den ummauerten DNA Garden. Diesen Küchengarten, den Maggie Keswick in traditioneller Weise funktional gestaltete, widmet Jencks der menschlichen DNA und den sechs Sinnen – sechs, nicht fünf, denn er fügt als sechsten Sinn des Menschen die Intuition hinzu und reichert den Garten mit Skulpturen und chiffrierten Sinnsprüchen an. Vier große Aluminiumskulpturen versinnbildlichen die DNA-Doppelhelix und repräsentieren den Geschmackssinn, den Gehörsinn, den Tastsinn und eben die Intuition. Der Geruchssinn und das Sehen sind

Die Symmetry Break Terrace, eine ornamentale Geländeterrasse vor dem Herrenhaus, trennt den Garten von der umgebenden Landschaft.

Im Küchengarten, dem DNA Garden, gedeihen nicht nur Kräuter sondern auch Theorien über die menschlichen Sinne.

Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries

23

Die Soliton Wave Gates verdanken ihre außergewöhnliche Gestalt den physikalischen Gesetzen der Wellenausbreitung.

Jumping Bridge: Maggie Keswick, renommierte Expertin in Geschichte chinesischer Gartenkunst und Geomantie, verlieh dem Garten seine chinesischen Akzente.

24

hingegen figürlich als überdimensionale Nase und in Form einer Grotte mit optischen Installationen dargestellt. In den von niedrigen Buchshecken eingefassten Beeten gedeihen Pflanzen, die den jeweiligen Sinn besonders stimulieren. So ist die Skulptur des Tastsinns umgeben von Disteln, Brennnesseln und Eselsohr, während die begehbare Erdmulde um die Nase mit aromatisch duftenden Pflanzen wie Oregano, Lavendel und Thymian bepflanzt ist. Im DNA Garden steht weniger die Kultivierung von Küchenkräutern als vielmehr die ästhetische Verarbeitung umfassenden Wissens im Mittelpunkt, und es verwundert nicht, dass Maggie Keswick gelegentlich bei Ian Hamilton Finlay im wenige Stunden entfernten Little Sparta zu Gast war. Wohltuenden Ausgleich zur gestalterischen und konzeptionellen Fülle des DNA Garden findet man wenige Schritte weiter zwischen atemberaubend elegant geformten Erdhügeln und grandiosen Wasserflächen. In ihrer Komposition erinnern sie an den klassischen englischen Landschaftsgarten Studley Royal aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von der Spitze des etwa 15 Meter hohen Snail Mound, eines mit Rasen begrünten Erdkegels, genießt man einen herrlichen Blick in den von Bäumen und Sträuchern gesäumten Landschaftsgarten und die umliegenden Lowlands. Das Pendant zum Schneckenhügel, den man über zwei spiralförmig geführte, in paradoxer Weise manchmal leicht abfallende Wege besteigt, ist der Snake Mound. Diese über 120 Meter lange S-förmige Erdwelle aus elegant gespannten Erdschleifen fasst räumlich die Slug Lakes, drei Seen, die wie Himmelsspiegel in der Landschaft liegen.

Formal lehnt sich die gestalterische Sprache des Gartens zwar an Erscheinungen aus der Chaosforschung an, doch ob es sich dabei bereits um jene „neue Sprache“ oder um die echte „Weiterentwicklung bestehender Sprachen“ handelt, die Jencks im Hinblick auf das neue Weltbild fordert, ist fraglich. Den spontanen Wachstums- und Alterungsprozessen der Natur lässt der minutiös gepflegte Garten nur wenig freien Lauf, im Gegenteil: Das besondere Maß an gestalterischer Ordnung erfordert einen kontinuierlichen, hohen Einsatz an Energie und unterbindet, dass das natürliche Chaos tatsächlich unerwartete Sprünge macht. Im Garden of Cosmic Speculation verbinden sich aber auf der Basis der Komplexitätstheorie Elemente klassischer englischer Gartenkunst mit gleichsam extraterrestrisch anmutender Land Art zu hybrider Landschaftsarchitektur, die die Sprache der Gartengestaltung weiterentwickelt und formal ein neues, dynamisches Weltbild vermittelt.

Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries

Snake Mound. Die elegante Formensprache von Natur und Kunst im Dialog erinnert an den Landschaftsgarten Studley Royal aus dem 18. Jahrhundert.

25

Eindrucksvolles Schattenspiel im Novemberlicht um den Snail Mound, den ein spiralförmig geführter Weg erschließt.

Im Hintergrund der Gartenpavillon aus dem 18. Jahrhundert, umgebaut zu dem Studienlabor Octagonia von Charles Jencks.

26

Vom 15 Meter hohen Snail Mound genießt man den Ausblick auf die Slug Lakes und in die landschaftliche Umgebung.

Die grandiosen Erdformationen basieren auf chaostheoretischen Erkenntnissen, doch auch für Besucher ohne ausgeprägtes wissenschaftstheoretisches Interesse ist diese Landschaft faszinierend.

Garden of Cosmic Speculation bei Dumfries

27

Little Sparta in Stonypath

Ein Gartenreich als politischer Erfahrungsraum Gestalter: Ian Hamilton Finlay Privater Landschaftsgarten Größe ca. 1,5 Hektar Ausführung seit 1966

Vor seinem Wohnhaus, geschützt von einer Windschutzhecke, sorgt Finlay für seine Topfpflanzen.

28

In der kargen Moorlandschaft nahe den Pentland Hills in den schottischen Lowlands begann vor 33 Jahren die Geschichte eines kleinen Parks, der mittlerweile zu den Klassikern zeitgenössischer Gartengestaltung zählt. An der Entstehung dieses Gesamtkunstwerkes war weder ein genialer Gartenkünstler noch ein Landschaftsarchitekt beteiligt. Der Poet und Künstler Ian Hamilton Finlay, geboren 1925 und vor mehr als 40 Jahren bereits als Vertreter der konkreten Poesie international bekannt, zog 1966 mit Frau und Kind in das verlassene und verfallene Farmhaus von Stonypath. Nahezu mittellos und völlig unerfahren in der Gartengestaltung, aber beseelt von einer Vision, verwandelte er mit primitiven Mitteln das verwilderte, mehr als anderthalb Hektar große Anwesen in einen Dichtergarten. Finlays Liebe zur konkreten Poesie verlangte mehr als einen Nutzgarten zur Versorgung der jungen Familie. Er begann damit, Artefakte im Garten zu platzieren. Wer heute Little Sparta besucht, folgt dem holprigen Feldweg durch die Schafweiden, muss drei Gatter überwinden und gelangt in ein paradiesisch anmutendes Gartenreich mit einer fein abgestimmten Komposition aus Bäumen, Sträuchern, Blütenstauden und Kunstwerken. Genau wie in den frühen Englischen Landschaftsgärten der Dichter, Philosophen und Politiker des 18. Jahrhunderts ist auch in Finlays Little Sparta die Auswahl und Setzung der Skulpturen nicht dem Zufall überlassen, sondern verweist auf ein weltanschauliches Programm gegen die totale Säkularisierung unserer Kultur. Die Erkundung der vielfältig gestalteten Gartenräume mit klingenden Namen wie

Der Garden Temple am Teich, eine umgebaute Scheune, bildet den spirituellen Mittelpunkt des Gartens.

Lauschige Gartenwege, begleitet von Skulpturen in Form von vollen Fruchtkörben, führen durch Finlays Gartenreich.

Roman Garden, Epicurean Garden oder Julie’s Garden ist wie ein Streifzug durch die Sagenwelt des klassischen Altertums, angereichert mit Relikten der gesamten europäischen Kulturgeschichte. Im Baumhain stößt man auf Säulenfragmente und Pyramiden, Steine tragen eingravierte Sinnsprüche, Büsten von Epikur und Hypnos schaffen geweihte Orte und der ehemals profane Geräteschuppen hat sich in einen Gartentempel des Apollon verwandelt. In Finlays Kampf gegen die Oberflächlichkeit der heutigen Zeit hat sein Garten neoklassizistische Züge angenommen. Seiner Rückbesinnung auf klassische Traditionen und Werte liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch im Interesse der kulturellen Weiterentwicklung jederzeit volle Verantwortung für sein Tun tragen muss und sich nicht willenlos der aktuellen Tendenz zur politischen, ökologischen und sozialen „Correctness“ fügen darf. Finlay scheut keine Auseinandersetzung, wenn es gilt, diese Überzeugung zu verLittle Sparta in Stonypath

29

Im Woodland Garden, einem idyllischen Baumhain, bergen klassische Gartenelemente manche historische Anspielung.

30

teidigen. Als sein Gartentempel 1983 als Wirtschaftsgebäude besteuert werden sollte, begann ein Aufsehen erregender Kampf gegen die Finanzbehörde. Das Monument to the First Battle of Little Sparta zeugt vom unerschütterlichen Willen, säkularen Mächten die Stirn zu bieten. In seiner Kunst schöpft der streitbare Poet besonders aus der Französischen Revolution, die er als perfektes Beispiel für die Dialektik zwischen Kultur und Natur betrachtet. Mit den in Stein gehauenen Gedichten, Sinnsprüchen und Zitaten legt Finlay eine eigene Bedeutungsschicht in Landschaft und Garten und provoziert beim Betrachter vielfältige Assoziationen und Interpretationen. So ließ er beispielsweise ein Zitat des französischen Revolutionärs Louis Antoine SaintJust Wort für Wort in einzelne Steinblöcke hauen: THE PRESENT ORDER IS THE DISORDER OF THE FUTURE. SAINT-JUST. Wer in der Lage wäre, die Steine zu vertauschen, könnte das Zitat und seine Bedeutung ständig verändern. Im Sinne eines offenen Kunstwerks gibt dieses Spiel dem Betrachter die Gelegenheit, die Perspektive zu wechseln, neue Aus der arkadischen Weidelandlandschaft der schottischen Lowlands ragt das Nuclear Sail und mahnt an die Bedrohung unter der sichtbaren Oberfläche.

Lochan Eck, ein kleiner aufgestauter See, liegt wunderbar eingebettet in die raue Moorlandschaft.

Little Sparta in Stonypath

31

Bedeutungen zu erfahren, „Revolution“ zu begreifen. Die konventionellen Standpunkte zeitgenössischen Denkens verlieren plötzlich an Stabilität. Finlay hält jedoch nichts von intellektueller Indoktrination und zwingt dem Besucher die Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten nicht auf. Wer jedoch Rat sucht, dem erläutert er geduldig, was es mit der einen oder anderen scheinbar rätselhaften Inschrift im Garten auf sich hat. Dem sehr zurückgezogen lebenden Poeten macht es aber mindestens ebenso viel Freude, wenn sich die Besucher einfach nur von der liebevoll gepflegten Gartenlandschaft und der duftenden Blütenpracht begeistern lassen. Die kriegerische Symbolik, auf die man in Finlays Gartenreich trifft, verstört manchen unvorbereiteten Gast und ist nicht unumstritten. Sie versinnbildlicht mit scharfem Witz die zeitgenössische Interpretation Arkadiens: Eine kleine Flugzeugträger-Skulptur, eine Art aktuelle Übersetzung der römischen Galeere im Garten der Villa d’Este in Tivoli, ruft Erinnerungen an die Kriegsschauplätze dieser Welt wach und dient als Futterplatz für Vögel. Der „Panzerleader“ kriecht aus dem Blumenbeet hervor und ist doch nur eine harmlose Schildkröte aus Bronze, die naturgemäß ihren Panzer mit sich führt. Finlay erinnert daran, dass die arkadisch anmutende Kulturlandschaft ein Resultat des ewigen Kampfes zwischen Mensch und Natur, des dauernden Krieges der Menschen gegeneinander ist. Diese in seinen Augen notwendige gewaltsame Komponente kultureller Entwicklung will Finlay nicht tabuisieren. Er zielt in die Problemzonen einer Gesellschaft, die alles Gewalttätige gerne verdrängen und vergessen möchte. Verständlicherweise stößt diese Art der offenen Kritik auch auf Ablehnung, weil sie das bürgerliche Weltbild zu erschüttern droht, und so kann Finlay von manchem Disput berichten, aus dem er nicht immer als Sieger hervorging. Finlays Garten hat wie sein gesamtes künstlerisches Werk in aller Welt heftige Kritiker und begeisterte Bewunderer gefunden. Little Sparta ist weder ein modischer Skulpturenpark noch eine naiv-skurrile Eremitage. Hier wurde ein Stück Landschaft gärtnerisch kultiviert und zugleich durch minimale poetisch-skulpturale Interventionen in einen sinnlichen und bedeutungsvollen Ort verwandelt, der die kulturell geprägte Wahrnehmung des Betrachters beeinflusst. Dem Garten liegt eine präzise inhaltliche Konzeption zugrunde, und darin unterscheidet er sich von mancher aktuellen Garten- und Landschaftsgestaltung, die sich nur auf Zweckdenken oder formale Geschwätzigkeit stützt.

32

Das Täfelchen mit der Inschrift AD in den Ebereschen spielt auf Albrecht Dürers Naturstudien an.

Einfache, gemähte Wiesenpfade führen vom Garten in die Umgebung, begleitet von begehbaren Skulpturen wie dem Hegel Stile.

Durch die duftende Blütenpracht des intimen Sunken Garden geht der Blick wie durch ein Fenster in die Weite der Landschaft.

Little Sparta in Stonypath

33

Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro

Symbolische Lesarten Landschaftsarchitekt: Torben Schønherr Garten einer kommunalen Einrichtung Größe ca. 3 Hektar Ausgeführt 1993

Landschaft, Architektur und Kunst verbinden sich zu einem einfachen Ensemble.

34

Stets ein wenig reserviert gegen modische Neuerungen aus dem benachbarten Ausland, entwickelten Gartenarchitekten aus Dänemark und Schweden wie Gundmund Nyeland Brandt und Carl Theodor Sørensen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine schlichte, doch kraftvolle und elegante Formensprache in Garten und Landschaft, die – ähnlich wie dänisches Design – als zeitlos modern gilt. Die Natur spielte bei den Schöpfungen der großen Gartenarchitekten des Nordens eine wichtige Rolle. Vor allem gegen die kräftigen Atlantikwinde, die über das sanft gewellte Jütland und die dänischen Inseln fegen, mussten von jeher mit freiwachsenden oder streng geschnittenen Hecken und Baumgruppen windgeschützte Räume geschaffen werden. Als habe der Wind die Ecken und Kanten in den bevorzugt geometrisch konstruierten Gartenplänen der Dänen vollends abgeschliffen, entstanden die bekannten stromlinienförmigen Figuren. Wo der Seewind ungebremst angreifen kann, modelliert er tatsächlich bis heute die Silhouetten von Gehölzgruppen zu markanten, manchmal bizarren Gestalten, die wie ruhelose Geister die Landschaft und die Phantasie der Menschen bevölkern. Das Fragment einer solchen windgeformten Hecke aus Mehlbeerbäumen blieb auch im parkartigen Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro erhalten. Es erzählt noch heute ein Stück ursprünglicher Landschaftsgeschichte, obwohl das Areal längst Teil eines ausgedehnten Gewerbegebietes geworden ist und mittlerweile durch einen Lärmschutzdamm von der angrenzenden Umfahrungsstraße und der freien Landschaft abgeschirmt wird. 1994 erteilte man dem dänischen Landschaftsarchitekten und Poeten Torben Schønherr den Auftrag, den großen Lärmschutzwall zu begrünen und zwischen den flachen Flügelbauten des neuen Ausbildungszentrums einen pflegeleichten Garten zu schaffen. Die Bepflanzung des Lärmschutzwalls löste der Landschaftsarchitekt auf traditionell dänische Weise, indem er über den sanft modellierten Hügel eine präzise kniehoch geschnittene, dichte Matte aus Laubgehölzen legte, die mit ihren organisch geschnittenen Rändern von außen in den Gartenraum hineingreift. Doch damit war der eigentliche Auftrag, einen bedeutungsvollen Ort zu schaffen, noch nicht erfüllt, denn in all seinen Projekten sucht Schønherr nach einer Kombination von Poesie und Garten. „Für mich bestehen Gedichte und Gärten aus dem gleichen Stoff – vom Nichts ins Nichts – und ich liebe diese Verbindung sehr.“ Für Außenstehende hat es allerdings schon etwas Klischeehaftes an sich, dass der Däne auf seiner Suche nach poetischen Landschaftselementen ausgerechnet auf ein Motiv stieß, das nicht nur in Hans Christian Andersens Märchen, sondern auch in Johan Ludvig Heibergs romantischem dänischen Nationalschauspiel „Elverhøj“ von 1828 eine zentrale Rolle spielt: den Elfenhügel, legendärer Sitz des Elfenkönigs

mit seinem Gefolge. In besonderen Nächten, so heißt es, schwebt der Hügel auf Feuersäulen in die Höhe und erlaubt dem Sterblichen einen verlockenden, zuweilen aber verhängnisvollen Blick ins Reich der Elfen, denn wer dieses betritt, kehrt nie wieder zurück. Tatsächlich begegnet man in der dänischen Kulturlandschaft immer wieder oft meterhohen Erdhügeln. Um diese Megalithgräber aus der Frühgeschichte ranken sich zahlreiche Märchen und Legenden. In Holstebro hat Torben Schønherr einen fünf Meter hohen, exakt geometrisch konstruierten Erdhügel mit einem Durchmesser von 30 Metern erschaffen. Er überzog die archetypische Formation mit einer Rasenhaut und teilte die Erdskulptur mit einem messerscharfen, leicht geneigten Schnitt. Die Schnittflächen verkleidete er mit polierten rötlichen Granitplatten, die in der grünen Rasenlandschaft einen markanten Akzent setzen. Den Grundriss der zweiten Hälfte des Erdhügels markiert ein flacher Wasserspiegel, der über einen kurzen Wasserkanal von einer kleinen, streng gefassten Quelle gespeist wird. Vor der rötlichen Wand des angeschnittenen Hügels steht in der Wasserfläche die mehrere Meter hohe rostige Cortenstahl-Skulptur des Bildhauers Erik Heide. Gleich einem Wächter baut sich die Gestalt vor dem Betrachter auf und verwehrt ihm scheinbar den Eintritt ins Reich der Elfen. Inspiriert von diesem Bild meint man auch in der Reihe der knorrig windgeschliffenen Mehlbeerbäume menschliche Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro

Die windgepeitschte Mehlbeerhecke, ein Überbleibsel zahlloser Windschutzhecken in der dänischen Kulturlandschaft, neigt sich der Erdkuppel entgegen.

35

Gestalten zu erkennen, die dem Kommando des Wächters gehorchen. „Die universelle Sekunde“ lautet der Titel des Landschaftsprojekts, mit dem Schønherr mitten im sonst so funktional gestalteten Gewerbegebiet auf formal kraftvolle und dennoch fast spielerisch einfache Weise etwas über den Ursprung der Erde und den anfänglichen Stillstand der Zeit ausdrücken will. Erik Heides Skulptur, so beschreibt es ein Begleittext, stehe als Symbol für den Menschen, denn nur der Mensch sei in der Lage, das Konzept des Universellen zu formulieren. Die archaische Formensprache, derer sich der Gestalter im Garten bediente, die unbändige Kraft alter Legenden und der unwiderstehliche Reiz von Hans Christian Andersens Märchen verlocken den Betrachter aber zu ganz anderen Lesarten, und es ist fast so wie beim verbotenen Blick in den erleuchteten Elfenhügel bei Nacht: Weh dem, der sich darin verliert! Fünf Meter hoch ragt der angeschnittene Erdhügel aus der flachen Umgebung und weist einem schmalen Wasserkanal den Weg Richtung Gebäudeeingang.

36

Wie ein Himmelsspiegel liegt die Wasserfläche im Park des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro.

„Elverhøj“, der Elfenhügel wird von seinem Wächter streng bewacht.

Garten des AMU-Berufsbildungszentrums in Holstebro

37

Garten der Interpolis-Versicherung in Tilburg

Waldpark mit Computerschnittstelle Landschaftsarchitekten: West 8 Private Anlage Größe ca. 2 Hektar Ausgeführt 1997 – 1998

Weithin sichtbares Zeichen der InterpolisVersicherung in Tilburg ist der Neubau von Abe Bonnema.

38

Die niederländische Landschaft ist eine Erfindung ihrer Bewohner. In jahrhundertlangem Kampf trotzten sie systematisch den Naturgewalten des Meeres nutzbares Land ab. Der rational-technologisch geprägte Umgang mit Natur und Landschaft charakterisiert auch die niederländische Landschaftsarchitektur, zu deren renommiertesten Vertretern seit Beginn der neunziger Jahre das Rotterdamer Büro West 8 zählt. Prominenter Kopf und Gründer von West 8, benannt nach der vorherrschenden Windrichtung und -stärke in Rotterdam, ist der 1960 geborene Landschaftsarchitekt Adriaan Geuze. Er erachtet die Grenzen zwischen den umweltgestaltenden Disziplinen längst als irrelevant und zeichnet mit seinem Team aus Landschaftsarchitekten, Architekten, Stadtplanern, Designern und Botanikern verantwortlich für eine Vielzahl von Projekten, die mit ihrer experimentierfreudigen Kombination aus künstlerisch-landschaftsarchitektonischer Radikalität und ökologischer Sensibilität internationales Aufsehen erregten. Für die Zentrale der Interpolis-Versicherung in Tilburg, einem Bürohochhaus des niederländischen Architekturbüros Abe Bonnema, schuf West 8 1998 einen etwa zwei Hektar großen Stadtgarten. Der dreieckige Freiraum spannt sich zwischen dem 170 Meter langen Versicherungsgebäude im Norden, den Neubauten des Tivoli-Parkhauses sowie des Musikzentrums Popcluster im Osten und der Wohnbebauung im Südwesten auf. Stechpalmenhecken und ein dunkelgrün lackierter Stahlzaun bilden die Begrenzung zu den Straßen der Umgebung. Natur und Künstlichkeit in spielerisch formalem Dialog: teilweise zieren stählerne Ilexblätter die Zaunstäbe, teilweise wurden die zackigen Blattformen aus den Stahlplatten ausgestanzt. Unter dem brückenartig aufgeständerten Gebäudetrakt beim monumentalen Zugang zum Bürohaus befindet sich auch der zentrale Eingang zum Park. Eine holzgedeckte Brücke, architektonisch aufgefaltet, spannt den Bogen vom schattigen Vorplatz zum sonnigen Stadtgarten. Sie überquert ein großes, an das Hochhaus grenzendes Plateau, das mit einem schweren Panzer aus bruchrauen norwegischen Schieferplatten verkleidet wurde und an ein trockenes Flussbett erinnert. Nach den Plänen der Architekten sollte hier ein Wasserbecken den Bau mit seinen beiden über 80 Meter hohen Türmen spiegeln und damit optisch nochmals überhöhen. West 8 setzte statt dessen mit einer kargen Felsplattenlandschaft, gegliedert durch lineare Bruchkanten, ein Gegengewicht zur schwergewichtigen Architektur. Ein lichter Hain aus Magnolien, besonders sein weißer Frühlingsflor, nimmt dem schwarzen Schieferplateau die Schwere. Das surreale, kontrastreiche Environment wird durch einen gerichteten Schwarm grünspanfarbener Stellagen ergänzt: ein Kunst-am-Bau Projekt des niederländischen Künstlers Niek Kemps mit dem Titel „A lighter side of gravity, part II“, das auf Drängen des Bauherrn appliziert wurde. Der Schwarm kreuzt die Richtung der Brücke und unter-

streicht die Verbindung zwischen Vorplatz und Park. Man glaubt, bemalte Glasplatten seien hier auf Trocken- oder Transportgestellen vorübergehend abgestellt worden. Tatsächlich tragen die kupfernen Stellagen große grünliche Glasscheiben, bedruckt mit halbtransparenten Bildern von Werkstätten, Arbeits- und Lagerräumen. Vielleicht ein erster Hinweis, dass dieser Park nicht nur dem Freizeitvergnügen gewidmet ist? Am Ende der Brücke betritt man den weichen Bodenbelag aus rotbraunem Rindenmulch. Wege- und Rasenflächen im architektonisch zersplitterten Layout konzipierten die Landschaftsarchitekten in Anlehnung an den Grundriss des Bürogebäudes. Der Freiraum entwickelt sich entlang tektonisch anmutender Verwerfungen, die betonierten Grundrisslinien folgen. Manchmal werden die Betonstreifen zu dunkelgrauen Stütz- und Sitzmauern, die ein räumliches Gefüge bilden. Eingelassene Holzroste sollen zum Verweilen auf den Mauern einladen, während man die bewährte, bequeme Parkbank in der ausgefeilt designten Anlage vergeblich sucht. Zwischen 20 und 85 Meter lange, schmale Wassertische setzen auffallende Akzente, verleihen dem gestalteten Freiraum eine eindeutige Ausrichtung und unterstreichen somit die starken Perspektivwirkungen im Park. Auch die Becken bestehen aus schiefergrauen Betonwannen, deren Querschnitt sich nach oben erweitert und breite Garten der Interpolis-Versicherung in Tilburg

Lange dunkle Wasserbecken, grüne Rasenteppiche, schwarze Schieferplatten und roter Ziegelsplitt prägen das abstrakte Bild des Parks von oben.

Im Geschiebe bruchrauher Schieferplatten setzen Magnolien leuchtende Akzente.

39

Die Schieferlandschaft durchkreuzen grünspanfarbene Stellagen, ein Kunstprojekt von Niek Kemps.

Der Park als Arbeits- und Spiellandschaft, besonders für Kinder im Sommer attraktiv.

Elegant geschnittene Wassertische, wie große Spiegel im Park liegend.

40

Beckenränder ausbildet. Wind fegt über die erhöhten Wasserflächen, kräuselt deren Spiegel und versetzt die zarten Seerosenblüten in Schwingung. Der Wassertisch war schon in den italienischen Gärten der Renaissance ein sehr beliebtes Motiv. In Tilburg, heißt es im Erläuterungstext, bilden die Wasserbecken als Lebensraum für Wasserlilien und Frösche das zentrale Thema des Gartens. Eigentlich braucht die Komposition von West 8 solche pseudo-ökologischen Rechtfertigungen nicht. Das ausgelassene Spiel der Kinder am Wasser, die konzentrierten Boulespieler auf ihrer Sandbahn und die Erholungssuchenden beim Picknick auf den Rasenflächen schätzen den kleinen Park aus ganz anderen, naheliegenderen Beweggründen. Noch ist der locker gepflanzte Nadelwald zu jung, als dass er ausreichend Schatten oder gar dem Bürokomplex, wie vorgesehen, als grünes Baumvolumen die Stirn bieten könnte. Die lockere Douglasien-

Nur mit kraftvollen Akzenten gelingt dem Park ein Dialog mit der Architektur.

Garten der Interpolis-Versicherung in Tilburg

41

Die Kirchtürme von Tilburg wirken in dieser fremdartig anmutenden Landschaft wie aus einer weit entfernten, alten Welt.

42

pflanzung wirkt ein wenig öde, und es braucht Phantasie, sich an diesem Ort den nordisch anmutenden Waldpark in Zukunft vorzustellen. Einen unverwechselbaren, bildhaften Charakter aber hat die Anlage schon heute. Und sie soll nicht nur Erholungsfläche sein: Strom- und Computeranschlüsse werden, sofern die Sicherheitsaspekte einmal geklärt sein werden, den Mitarbeitern den Zugang zum Computernetzwerk von Interpolis ermöglichen und ihnen die Arbeit im Park erlauben. Das Verhalten des Menschen, seine Umweltansprüche, sein Lebensstil und sein Selbstverständnis haben sich so stark gewandelt, dass das alte Leitbild des städtischen Grünraumes, besonders des bürgerlichrepräsentativen Stadtparks des 19. Jahrhunderts, offensichtlich ausgedient hat. Der Mensch des ausgehenden 20. Jahrhunderts, erkennt Adriaan Geuze, ist selbstbewusst, mobil, nutzt die Potenziale neuer Technologien und nimmt erfinderisch alle Arten von Freiräumen auf neue Weisen in Besitz. Ein neues, opportunistisches Verhältnis zur Natur kristallisiert sich allmählich heraus, und es drängt sich die Frage auf, wie leicht sich beliebige Naturbilder als Hintergründe menschlichen Handelns in Zukunft austauschen lassen.

Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam

Keine Blumen an Bord Die Frachtmaschine der israelischen El-Al mit vier Personen und fast 115 Tonnen Ladung an Bord legte auf dem Flug LY 1862 von New York nach Tel Aviv in Amsterdam eine Zwischenlandung ein, um aufzutanken. Kurz nach dem Start vom Flughafen Schiphol verlor der Jumbo nacheinander zwei Triebwerke, war wegen beschädigter Landeklappen kaum mehr zu kontrollieren und stürzte um 18 Uhr 35 südöstlich von Amsterdam in die 11-geschossigen Wohnhochhäuser von Bijlmermeer, wo 47 Menschen getötet und viele verletzt wurden. Gemäß den Grundsätzen des modernen Städtebaus hatte man 1966 die Trabantenstadt in flachem Polderland als „Stadt von morgen“ geplant und realisiert, mit großen Scheibenhochhäusern, die sich um parkartig gestaltete Grünanlagen mit hexagonalen Grundrissen gruppierten. Entgegen den Planungsabsichten mied jedoch die weiße Mittelklasse Amsterdams die neuen Wohnsilos und überließ die Stadtlandschaft Bijlmermeer vor allem den Immigranten aus Surinam sowie den Angehörigen von etwa 90 unterschiedlichen schwarzen Bevölkerungsgruppen aus ehemaligen Kolonien der Niederlande. Als die Boeing 747 am 4. Oktober 1992 wie eine Bombe in die Häuserblocks einschlug, traf sie mitten ins Herz einer sozialen Problemzone, die viele abschätzig als „das größte Ghetto Westeuropas“ bezeichneten. Am Absperrzaun um die Unglücksstelle bekundete schon bald eine wachsende Anzahl von Briefen, Gedichten, Fotos, Blumen, Kränzen und Plüschtieren Trauer und Bestürzung über die unfassbare Katastrophe. Besonders „der Baum, der alles sah“, eine große Pappel in der Nähe der Absturzstelle, wurde spontan zum Treffpunkt und zur Gedenkstätte für die Hinterbliebenen. Der stumme grüne Zeuge wurde zum berührenden Mittelpunkt eines „wachsenden Denkmals“ das vom Genfer Architekten Georges Descombes und vom niederländischen Architekturstudio Herman Hertzberger auf Initiative der Stadtverwaltung in Abstimmung mit den Betroffenen ab Ende 1992 konzipiert wurde. Allen Beteiligten ging es bei diesem heiklen Projekt von Anfang an darum, auf keinen Fall ein traditionelles Mahnmal zu errichten, das nur einer alljährlichen Zeremonie der Kranzniederlegung dienen würde. Vielmehr sollte der besinnliche Ort dem Bedürfnis nach einer gewissen Ruhe und persönlichen Begegnungen dienen. Zugleich aber sollte er ganz pragmatisch zum Ausgangspunkt einer Wohnumfeldverbesserung im Problemviertel werden. Das Gesamtkonzept der Architekten sieht die Planung eines Quartierparks vor, der sich weiterentwickeln soll. Im Zentrum des wachsenden Denkmals stehen vier Hauptbestandteile: der Baum und seine direkte Umgebung, die Spur des verwüsteten Gebäudes, die Markierung der Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam

Landschaftsarchitekt: Georges Descombes, in Zusammenarbeit mit Architekt Herman Hertzberger Öffentliche Anlage Größe ca. 1,2 Hektar Ausgeführt 1994 – 1998

Das „wachsende Denkmal“ von Georges Descombes in Bijlmermeer südöstlich von Amsterdam. Hier stürzte 1992 eine Frachtmaschine in die einstige „Stadt von morgen“.

43

Vereinzelte Betonplatten markieren die Lücken, die die Flugzeugkatastrophe in das öffentliche Wegenetz gerissen hat.

Entlang der Hauptpromenade wurden Sitzplätze geplant, doch tatsächlich sind es die ausgedehnten Rasenflächen, die die Bewohner für ihre Feste bevorzugen.

44

zerstörten Wegverbindungen und eine neue Promenade als Rückgrat einer vielfältig nutzbaren Grünanlage. Wer entlang dieses Hauptwegs, von einer Baumreihe begleitet, auf den Unglücksort zugeht, bewegt sich auf der Trasse, die die Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge damals benutzten. Mit seinem streng linearen Verlauf steht dieser Weg in starkem Kontrast zum Charakter des übrigen Wegnetzes und wird von niedrigen Mauern begleitet, in die Bänke und Tische integriert wurden. Diese sollen zum Aufenthalt im Schatten der neuen Bäume einladen, doch es scheint, dass die Bewohner die weiten, teilweise sanft modellierten Rasenflächen zum Picknick und für Feste bevorzugen. In diesen Rasenflächen findet man immer wieder großformatige Betonplatten als Markierung der offenen Enden jenes Wegnetzes, das die Wohngebäude vor ihrer Zerstörung erschloss. Nach der Vorstellung der Gestalter soll in der Blumenwiese das Muster der Wohnwege durch gezieltes Mähen zwischen den Betonplatten wieder sichtbar werden. Weiter entlang des Wegs kreuzt man, auf einer Brücke, den tiefen Abdruck des zerstörten Wohnblocks. Georges Descombes und seine Partner entschlossen sich, mit einem negativen Volumen, einem streng gefassten Wasserkanal, den Verlust des Gebäudevolumens zu versinnbildlichen. Von Westen senkt sich der Abdruck wie eine Rampe langsam ab und führt hinunter zur Oberfläche des stehenden Gewässers. Erst jetzt bemerkt man die sanfte Kräuselung der Wasseroberfläche, verursacht durch ein Rinnsal an der seitlichen Betonwand des Kanals. Ein winziger Quellbrunnen spendet Wasser und markiert unauffällig den Ort des Einschlags. Unumstritten bildet jedoch der Baum den Schwerpunkt der gesamten Anlage. Hier sammeln sich wie um einen Altar zahllose Blumen und Andenken. Die Grundfläche des quadratischen Platzes um die Pappel ist mit Mosaiken belegt, welche die Anwohner mit Glas- und Keramikstückchen gestalteten. Ein architektonisch entworfenes, überdachtes Wandelement mit Metallgittern und beschrifteten Betonelementen übernimmt die Funktion des ersten provisorischen Zaunes als Träger

Stummer Zeuge der Katastrophe: „Der Baum, der alles sah“ im Zentrum der Gedenkstätte.

Ein kleiner Quellbrunnen am Rande des ehemaligen Gebäudegrundrisses markiert die Absturzstelle der Boing 747.

Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam

45

Der Verlauf eines tiefen Grabens markiert den Grundriss des eingestürzten Häuserblocks, in dem 47 Menschen starben.

In die Gestaltung einzelner Platten für das Bodenmosaik der Gedenkstätte ließen viele Betroffene ihre Trauer einfließen.

46

für Briefe oder Blumen. Wie ein wehender Schleier zieht sich eine strukturierte weiße Betonwand in geschwungener Bewegung um den südlichen Teil des kleinen Platzes, fasst den Raum und bietet Sitzmöglichkeiten im wachsenden Denkmal. Erst kurz nach der Einweihung des Bijlmer-Monuments am 6. Jahrestag des Flugzeugabsturzes erfuhren die Betroffenen, dass die Unglücksmaschine – entgegen jahrelangen Beteuerungen der Verantwortlichen – nicht mit Blumen, Parfüm und Unterhaltungselektronik, sondern mit Giftstoffen und Munition beladen war. Für die Überlebenden der Katastrophe, die seither mit schweren gesundheitlichen Folgeschäden zu kämpfen haben, wird „der Baum, der alles sah“, auch in Zukunft ein besonderer, dezent gestalteter Ort der erbitterten Anklage bleiben.

Die „Wand des Gedenkens“ aus Stahl, Glas und Beton, geschaffen vom Architekturbüro Herman Hertzberger, ein sachlich gestalteter Ort der Klage und Anklage.

Wie ein wehender Schleier umfasst die reliefierte Betonmauer den Raum um den „Baum, der alles sah“.

Quartierparks in Bijlmermeer bei Amsterdam

47

Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese

Spuren in Stahl Entwurf: Architekten Gigon /Guyer und Landschaftsarchitekten Zulauf + Partner Öffentliche Anlage Größe ca. 20 Hektar Ausgeführt 1998 – 2000

Kaum zu glauben, dass in der harmlos anmutenden Wald- und Weidelandschaft vor fast 2000 Jahren ein blutiges Gemetzel stattfand.

48

Archäologen wissen sehr genau um den Wert des Bodens als Gedächtnis der Erde: Mit seismographischer Empfindlichkeit registriert die Landschaft jede Veränderung und reift zur Kulturlandschaft, in der die Spuren der Geschichte einander unsichtbar überlagern. Wäre man geübt im Lesen der Landschaft, würde man viele der friedlichen Landschaftsbilder Mitteleuropas mit anderen Augen sehen. Nicht selten liegt nämlich unter der Oberfläche arkadisch anmutender Wald- und Weidelandschaften ein Schlachtfeld – so auch im Osnabrücker Land nahe der kleinen Ortschaft Bramsche-Kalkriese. Hier fand der britische Oberstleutnant und Hobbyarchäologe Tony Clunn 1987, wonach jahrhundertlang erfolglos gesucht worden war: den fast 30 Quadratkilometer großen Schauplatz der legendären Varusschlacht, in der drei römische Legionen von den Germanen unter der Führung des Cheruskerfürsten Arminius im Jahre 9 nach Christus vernichtend geschlagen wurden. Der römische Versuch einer Expansion ins nördliche Germanien fand damit sein Ende, und der zweifelhafte Heldenmythos um den Befreier Germaniens, im Volksmund Hermann genannt, nahm seinen Anfang. Die archäologischen Grabungen sind noch längst nicht abgeschlossen sondern werden voraussichtlich noch bis 2020 andauern, doch das öffentliche Interesse an der Varusschlacht verlangte nach einem archäologischen Museum mit Park, in dem man den Besuchern einen Blick in die Geschichte bieten kann. Die Zürcher Architekten Gigon / Guyer und die Landschaftsarchitekten Zulauf + Partner aus Baden in der Schweiz gewannen 1998 den Projektwettbewerb mit einem stringenten, abstrakt angelegten Entwurf von überzeugender Ausdruckskraft.

Den Auftakt bildet der mit großformatigen rostroten Stahlplatten verkleidete Museumsbau, der in der Hauptansicht einem liegenden L gleicht. Vom 26 Meter hohen Aussichtsturm bietet sich dem Besucher über die Baumwipfel hinweg ein guter Überblick über den 20 Hektar großen Park, den die Landschaftsarchitekten als ausgedehnte Lichtung im Baumbestand konzipierten. Großflächige Aufforstungs- und Entwässerungsmaßnahmen hatten hier im Lauf der Zeit das Landschaftsbild verändert, das ehemals vom dicht bewaldeten Kalkrieser Bergrücken im Süden und der sumpfigen Moorniederung im Norden geprägt worden war. Auf dem Rückmarsch von einem Sommerlager an der Weser waren die Legionen des Publius Quinctilius Varus mit ihrem Gefolge – 15 000 bis 20000 Männer, Frauen und Kinder – gezwungen, sich auf einem schmalen natürlichen Engpass zwischen Waldrand und Moor nach Westen zu bewegen. Im dichten Wald, verschanzt hinter einem zwei Meter hohen Schutzwall aus Rasensoden, lauerten die Germanenverbände dem kilometerlangen Tross auf und fielen den sonst kampftechnisch überlegenen Römern in die ungeschützte Flanke. Da die ungünstigen Geländeverhältnisse den Römern weder die Flucht noch die Formation von Schlachtordnungen ermöglichte, waren ihre Verluste furchtbar. Den einstigen Verlauf des germanischen Befestigungswalls markieren nun 2,80 Meter hohe Eisenstangen, die in jenen Abschnitten dichter Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese

Feine Linien in der Landschaft markieren schicksalsträchtige Wege und Grenzverläufe.

49

Stählerne Stangen markieren den Verlauf des einstigen germanischen Schutzwalls.

Drei minimalistisch gestaltete Pavillons – im Hintergrund sichtbar – erlauben neue Einblicke in den geschichtsträchtigen Ort.

Archäologen graben nach Zeugnissen der legendären Varusschlacht, verändern den Ort und verlangen nach behutsamer Landschaftsgestaltung.

50

Vom 26 Meter hohen Aussichtsturm des neuen Museums erschließen sich die sichtbar gemachten Spuren in der Landschaft.

Markierungen an den Spundwänden zeigen den ehemaligen Geländeverlauf auf, denn die Landschaft blieb in zwei Jahrtausenden auch ohne menschlichen Einfluss nicht unverändert.

Die Zürcher Architekten Gigon /Guyer entwarfen das neue Museum in Kalkriese und verliehen ihm ein gepanzertes Äußeres.

Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese

51

Die zwei Meter großen, unregelmäßig verlegten Platten rufen Assoziationen an gefallene Schilde, Panzerungen oder Grabplatten wach.

Beschriftete Platten mit aktuellen Kommentaren machen die Landschaft auf direkte Art lesbar.

52

Zitate römischer Geschichtsschreiber in moderner Pixelschrift schildern das dramatische Geschehen im Jahr 9 nach Christus.

gesteckt wurden, wo archäologische Grabungen die Linienführung der Verteidigungsanlage bereits verifiziert haben. Hinter der mäandrierenden Stangenreihe wird – um die noch unerforschten Grabungshorizonte nicht zu zerstören – mit flachwurzelnden Zitterpappeln, Birken und Weiden ein temporärer Waldbestand gemäß historischen Gegebenheiten aufgeforstet. Erst wenn die archäologischen Grabungen auch dort beendet sind, können wieder langlebigere Waldbaumarten gepflanzt werden. So wird der allmähliche Fortschritt der Grabungstätigkeiten am Landschaftsbild deutlich ablesbar. Schmale Waldpfade versinnbildlichen das Wegsystem der Germanen, während der Weg der Römer nördlich des Schutzwalls aus 685 großen Corten-Stahlplatten gebildet wird. Die zwei mal ein Meter großen, unregelmäßig verlegten Platten rufen Assoziationen an gefallene Schilde, Panzerungen oder Grabplatten wach und vermitteln ein eindringliches Gefühl von gebrochener Stärke. 35 Platten wurden mit Inschriften und Zitaten römischer Geschichtsschreiber versehen und sind als unauffällige Bildunterschriften am Ort des Geschehens lesbar. Nur an der sogenannten Zeitinsel, einem 1,5 Meter tiefen Einschnitt ins Gelände, unternahmen die Landschaftsarchitekten in Zusammenarbeit mit fachkundigen Beratern den Versuch, ein Stück der versunkenen Landschaft aus dem Jahre 9 nach Christus mit Schutzwall, Wald und Moorloch zu rekonstruieren. Dem interessierten Laien will man damit eine bessere Vorstellung vom Landschaftsbild der Vergangenheit vermitteln. Eingefasst in einen Rahmen aus Stahlspundwänden steht die Landschaftsrekonstruktion wie in einem Guckkasten und zugleich im Kontrast zu den abstrakten Eingriffen in der Umgebung, die der Phantasie mehr Spielraum lassen. Spielraum für neue Perspektiven und veränderte Wahrnehmungen der Landschaft wollten die Architekten in Zusammenarbeit mit den Designern Ruedi Baur, Philippe Délis und Lars Müller dem Besucher auch in drei minimalistisch gestalteten Pavillons bieten. Die rostroten Kuben, ebenfalls mit Corten-Stahlplatten verkleidet, liegen wie verstreute Ableger des Hauptgebäudes in der Landschaft. Während im Pavillon des Sehens und im Pavillon des Hörens verfremdete visuelle und akustische Erlebnisse geboten werden, die auch in einem anderen Kontext stehen könnten, wird im Pavillon des Verstehens gekonnt eine inhaltliche Brücke zum heutigen Zeitgeschehen geschlagen. Auf einer Seite des Gehäuses blickt man durch Sehschlitze auf das ehemalige Schlachtfeld, während an der gegenüberliegenden Wand auf Videobildschirmen bewegte Bilder aktueller Kriege laufen. Manchem Besucher wird in diesem Pavillon schlagartig bewusst, dass er sich nicht an einer antiken Heldengedenkstätte befindet, sondern an einem Ort, an dem Tausende auf gleiche grausame Weise den Tod fanden, wie es noch heute, fast 2000 Jahre nach der Varusschlacht, überall auf der Welt geschieht.

Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese

Im Pavillon des Sehens wird ein neuer Blick, eine neue Lesart der Landschaft vermittelt.

53

Schwarzer Garten in Nordhorn

Heldentod im Tulpenfeld Entwurf: Jenny Holzer Öffentliche Anlage Größe 3.400 m2 Ausgeführt 1992 – 1994

Der zylindrische Sockel von 1929, Zentrum der alten Heldengedenkstätte in Nordhorn.

54

„Ich denke, wenn man diesen Garten betritt, der zu dunkel und zu schwarz und zu regelmäßig ist, und den Text auf den Bänken dazu liest – da ist es unmöglich misszuverstehen, worum es geht. Das hoffe ich jedenfalls.“• Unmissverständlichkeit zählt zu den charakteristischen Merkmalen der Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer. Doch während sie sich seit Beginn der achtziger Jahre bevorzugt elektronischer Reklamelaufbänder bedient und meist sehr persönliche, gesellschaftspolitisch engagierte, grell leuchtende Botschaften im öffentlichen Raum der Metropolen zur Diskussion stellt, wählte sie Anfang der neunziger Jahre erstmals einen Garten als Medium. Elektronik schien ihr für das Projekt in Nordhorn, einer niedersächsischen Kreisstadt an der deutsch-niederländischen Grenze, zu unsensibel. Deshalb wagte sie sich, fachmännisch beraten vom amerikanischen Landschaftsarchitekten Dee Johnson und dem örtlichen Stadtgärtner, an die Gestaltung eines Stadtparks beim 1929 errichteten Kriegerdenkmal „Am Langemarckplatz“. Als „Nordhorner Ehrenmal“ wurde die Gedenkstätte ursprünglich für die „ruhmreich gefallenen Heldensöhne“ der Kriege 1870/71 und 1914– 1918 errichtet. Im Zentrum der leicht erhöhten, einfach gestalteten Rundanlage liegt eine kreisrunde, mit den Namen getöteter Soldaten versehene Kalksandsteinplatte. Darauf stand mittig ein zylindrischer Sockel mit der Skulptur eines nackten, knienden Jünglings. „Die Gefällten sind es, auf denen das Leben steht“, lautet bis heute die Inschrift des Sockels. Aber die Skulptur des Bildhauers Hermann Scheuernstuhl, stilistisch der Neuen Sachlichkeit verpflichtet, fehlt. Die Nationalsozialisten ließen sie wegen ihrer Nacktheit und angeblich negroider Züge 1933 verschwinden. Sie erkoren den Platz nach seiner Umbenennung in Langemarckplatz 1938 zu ihrer bevorzugten Heldengedenkstätte im Ort. Der neue Name bezog sich auf die verlustreiche Schlacht bei Langemarck in Flandern, wo laut offiziellem Bericht der Obersten Heeresleitung der deutschen Armee im November 1914 kampf- und opferbereite junge Kriegsfreiwillige, das Deutschlandlied auf den Lippen, im Sturm die feindlichen Stellungen eroberten. Was während des Dritten Reiches gezielt mythologisiert und zu Propagandazwecken benutzt wurde, widersprach den tatsächlichen Ereignissen und wurde später von Historikern als absichtliche Falschmeldung zur Kriegsverherrlichung entlarvt. 1959 setzte die Stadt die Gedenkstätte instand. An die Stelle der fehlenden Skulptur kam eine vermeintlich neutrale Feuerschale. An der langen Ziegelsteinstützmauer zum tiefer gelegenen Teil des Parks ergänzte man 23 bronzene Tafeln zum Gedenken an die Nordhorner

Holzer, Jenny zit. nach: Franzen, Brigitte: „The Black Garden: Der Garten als Anti-Memorial“ in: Kunstforum international, Bd. 145/1999; S.89

Gefallenen des Zweiten Weltkrieges; hinzu kam eine Tafel zur Erinnerung an die „politisch und rassisch Verfolgten“. Die Auseinandersetzung mit der umstrittenen Geschichte und der Namensgebung des Platzes begann in Nordhorn jedoch erst 1986 und mündete 1989 in den Auftrag an Jenny Holzer, den Ort umzugestalten. Direkt angrenzend an die alte, erhöhte Rundanlage schuf die Künstlerin im tiefer gelegenen Teil des Parks, inmitten der Lichtung zwischen alten Parkbäumen, eine zweite, im Durchmesser wesentlich größere, kreisrunde Gartenanlage – eine Art Echo auf das Existierende. Der Grundriss der neuen Anlage gleicht dem eines mittelalterlichen Klostergartens, erinnert aber auch absichtlich an eine Zielscheibe. Konzentrisch angelegte, ringförmige Beete werden durch Rundwege voneinander getrennt und durch zwei kreuzförmig auf das mittlere Rundbeet zulaufende Wege in zwölf Teile gegliedert. Die Beeteinfassungen aus rotem Bentheimer Sandstein und die Wegebeläge aus rotem Ziegelsplitt unterstreichen den provozierenden Charakter des Gartens; sie korrespondieren aber auch mit den dunkelroten Ziegelsteinmauern und -treppen der alten Anlage. Fünf einfache Sandsteinbänke, zwei im alten und drei im neuen Bereich platziert, zählen ebenso zu den gestalterischen Gemeinsamkeiten und erinnern auf den ersten Blick an die Originale von 1929. Doch der Schein trügt. Neue Inschriften in Deutsch und Englisch beschreiben drastisch das Grauen des Schwarzer Garten in Nordhorn

Ein Zierapfelbäumchen, gepflanzt 1989, Zentrum des Anti-Denkmals von Jenny Holzer.

Viele Gedenktafeln für die gefallenen Helden der Weltkriege und eine Tafel für die zivilen Opfer des Nationalsozialismus.

55

Krieges und machen es im Grunde unmöglich, die Bänke zu benutzen: „Vollkommen verbrannt, nur die Zähne unversehrt, sitzt er da, an den Panzer angeschmolzen. Das Metall speichert die Sonne und Hitze von der Explosion. Sein Tod ist noch frisch, er verströmt einen angenehmen Geruch. Man muss ihn wegziehen, wobei die Haut zerreißt. Sein Anblick wirkt auf die Leute unterschiedlich.“ In scharfem Kontrast zur schockierenden Wirkung dieser Texte erscheint das schwarzfruchtige Zierapfelbäumchen Arkansas Black in der Mitte des neuen Gartens geradezu grotesk klischeehaft, zynisch – oder doch ironisch? Im „Black Garden“ wird deutlich, wie schwierig es ist, ein Anti-Denkmal zu schaffen, das bei niemandem Begeisterung für den Krieg wecken würde.

Selbst im Frühjahr, wenn die Parknatur ringsum zu erwachen scheint, wirkt der Schwarze Garten melancholisch.

56

Die Verknüpfung unterschiedlichster Bedeutungsebenen und die Gratwanderung zwischen eingängiger Botschaft und überkommener Symbolik ist heikel, und das blieb auch Jenny Holzer nicht verborgen: „Ich habe den Garten wohl etwas mit Symbolen überladen. Aber als ich hörte, dass schwarze Äpfel wirklich existieren, konnte ich mich nicht zurückhalten. Ich dachte, es wäre ein logischer Mittelpunkt. Fast jeder kennt diese Bibelstelle: Sie scheint von der unbezähmbaren Neugier des Menschen zu handeln, das Falsche zu tun. Also fand ich den Baum in der Mitte richtig.“• Was dem Garten im Schatten alter Parkbäume den Namen und seine eigentümlich melancholische Atmosphäre verleiht, ist die flächendekkende Bepflanzung des leicht abgesenkten Areals mit dunkel- bis schwarzlaubigen und dunkelblütigen Pflanzen. Schwarzes Mondo-

Holzer, Jenny zit. nach: Franzen, Brigitte: „The Black Garden: Der Garten als Anti-Memorial“ in: Kunstforum international, Bd. 145/1999; S.89

Gras, dunkellaubiges Geranium und Kriechender Günsel mit dunkelviolettem Blattwerk bedecken den größten Teil der Beete. Blutberberitzen, Blutbuchen und Blutpflaumen mit ihren dunkelrosa Blüten rahmen die Anlage und setzen punktuelle Akzente. Zu den eindrucksvollen Höhepunkten im Blühkalender zählt die Blüte Hunderter schwarzer Tulpen im äußeren Randbereich der Zielscheibe. Nur ein kleines Beet vor der Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus ließ die Künstlerin mit weißen Tulpen bepflanzen. Jahr für Jahr wird der Bepflanzungsplan in Zusammenarbeit mit Jenny Holzer angepasst und erweitert. „Es ist wie das Leben“, erläutert die Künstlerin. „Man muss sich die ganze Zeit um etwas kümmern, und ich denke, dass es gerade das

Holzer, Jenny zit. nach: Franzen, Brigitte: „The Black Garden: Der Garten als Anti-Memorial“ in: Kunstforum international, Bd. 145/1999; S.93 – 96

Schöne an einem Garten ist, dass man sich immer darum kümmern muss, oder er wird katastrophal. […] Der Garten war für mich ein Ausgangspunkt, eine irgendwie neue Art des Handelns, […] ein Lernund Erfahrungsort“, beschreibt die Amerikanerin ihre Erlebnisse mit einem für sie neuen Medium, einem lebendigen. • Auch Bewohner und Besucher in Nordhorn müssen im Umgang mit dieser ungewöhnlichen, neuen Generation von Anti-Gedenkstätten erst ihre Erfahrungen sammeln. Sie lehnen zum Teil Holzers beunruhigende Todesschilderungen im öffentlichen Raum ab, die in Nordhorn ihre besondere Schärfe auch dadurch erhalten, dass sie in direkter Nähe, ja in Konfrontation zu heldenverehrenden Inschriften auftauchen, wie man sie von vielen anderen Gedenkstätten kennt. Jenny Holzer wollte ursprünglich den beschrifteten Sockel aus dem Mahnmal des ersten Weltkrieges Schwarzer Garten in Nordhorn

„Ich habe den Garten wohl etwas mit Symbolen überladen. Aber als ich hörte, dass schwarze Äpfel wirklich existieren, konnte ich mich nicht zurückhalten.“ (Jenny Holzer)

57

Die scheinbar harmlose Parkbank als Stein des Anstoßes: „Vollkommen verbrannt, nur die Zähne unversehrt, sitzt er da, an den Panzer angeschmolzen …“

Schwarz wächst: Mondo-Gras und dazwischen der Austrieb schwarzer Tulpen im Schwarzen Garten.

58

wegen seiner politisch fragwürdigen Botschaft entfernen lassen. Stattdessen war die Pflanzung einer Trauerblutbuche geplant, die in Dialog mit dem schwarzen Apfelbäumchen treten und das Gefühl der Trauer unterstreichen sollte. Diesen Umbau billigten die Verantwortlichen der Nordhorner Bürgerschaft jedoch nicht, und so wurde die konfrontative Schärfe in Holzers Projekt unabsichtlich gesteigert. Jenny Holzer trifft mit ihrem couragierten Projekt mitten in eine Problemzone unserer wachstumsorientierten Gesellschaft, in der der Umgang mit Vergänglichkeit immer schwieriger wird. Für eine Welt, die sich bevorzugt jung, dynamisch und attraktiv in Szene setzt, ist der Tod oft nur ein Störfall, den es plausibel zu erklären gilt, um möglichst rasch wieder zur Normalität zu finden. Nur wenn Helden sterben, deren Heldentum bevorzugt an der täglichen Medienpräsenz gemessen wird, horcht die Welt für einen kurzen Augenblick auf. Courage bewies letztlich aber auch der Stadtrat von Nordhorn, als er 1995 beschloss, die Anlage offiziell in „Schwarzer Garten“ umzubenennen.

Invalidenpark in Berlin

Im Koordinatensystem der Stadtgeschichte

Girot, Christophe: „Über die Landschaft“ in: Auböck, Maria/ Cejka, Andrea (Hrsg.): Freiräume. Stadt.| Open Spaces. The City. Erkenntnisse zeitgenössischer Landschaftsarchitektur. Perceptions in Contemporary Landscape Architecture. Wien 1996; S.34

Gottfriedsen, Hendrik, Geschäftsführer der GRÜN BERLIN GmbH (Hrsg.) in einer Infobroschüre zum Gutachterverfahren. Berlin 1992

„Für mich ist der Garten wirklich einer der seltenen übriggebliebenen Plätze auf dieser Erde, wo Erinnerungen, Emotionen, Leben und Tod sich vermischen“, schrieb 1996 der Pariser Landschaftsarchitekt Christophe Girot. „Er muss immer ein Platz bleiben, der beides, Herz und Geist, signifikant verändert.“• Als Mitte des 18. Jahrhunderts vor den Toren Berlins mit dem Bau des ersten Invalidenhauses begonnen und den preußischen Kriegsversehrten etwa 135 Hektar Land zur gärtnerischen Bewirtschaftung bestimmt wurde, geschah dies nicht allein zum Zweck der Selbstversorgung. Mühselig verwandelten die Invaliden den unfruchtbaren Boden in eine Gartenlandschaft und verarbeiteten dabei ihre schrecklichen Kriegserinnerungen. Fast 100 Jahre später, 1843, wurde auf Anweisung des Kriegsministers ein Teil der Gartenlandschaft in den „Invalidenpark“ umgewandelt. Damit wollte man sechs Hektar vor der drohenden Überbauung durch die wachsende Friedrich-WilhelmStadt sichern und sie den Invaliden zum Aufenthalt im Freien erhalten. Peter Joseph Lenné, der bedeutendste deutsche Gartenkünstler des 19. Jahrhunderts, gestaltete den Park landschaftlich und integrierte ihn in sein umfassendes Konzept der „Schmuck- und Grenzzüge“ für Berlin. Im Mittelpunkt der nun öffentlich zugänglichen Anlage stand von 1854 an die monumentale Invalidensäule mit preußischem Adler, errichtet im Auftrag des preußischen Militärwesens zum Gedenken an die Gefallenen der Revolution von 1848. Der Bau eines Hospitals im nördlichen und der Gnadenkirche im südlichen Teil halbierten die Parkfläche gegen Ende des Jahrhunderts nochmals. In völlige Bedeutungslosigkeit versank der Ort, nachdem der Zweite Weltkrieg ihn verwüstet hatte und die historischen Bauruinen schließlich infolge der Teilung Berlins den Grenzanlagen weichen mussten. Die Wiedervereinigung Deutschlands bot der Stadt die Chance, dem verwahrlosten, teilweise als Lager- und Parkplatz genutzten Areal ein neues Gesicht zu geben. In Kenntnis der Geschichte und unter Wahrung des alten Baumbestandes sowie der historischen Mauerfundamente sollte ein zeitgemäßer städtischer Park entstehen. Dass im angrenzenden früheren Invalidenhospital bald das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen residieren würde, verstärkte den Wunsch nach einer repräsentativen Anlage. Christophe Girot gewann 1992 mit seinem Entwurf den Wettbewerb, weil er auf jegliche Rekonstruktion verzichtete und stattdessen in einem klaren, zweiteiligen Gestaltungskonzept einen städtischen Platz geschickt mit einem landschaftlichen Park verknüpfte.„Sein Vorschlag verbindet Natur und gestaltete Umwelt, Repräsentativität und spielerische Elemente gleichermaßen.“• Den Blickfang der gesamten Anlage bildet eine Granitwand, die als begehbare Skulptur aus einem rechteckigen, 56 x 74 Meter großen Wasserbecken aufragt. Anstatt sich an der einstigen preußischen Invalidenpark in Berlin

Landschaftsarchitekt: Atelier Phusis, Christophe Girot Öffentlicher Park Größe ca. 2,5 Hektar Ausgeführt 1992 – 1997

59

Das Spiegelbild im großen, flachen Wasserbecken lässt die begehbare Skulptur noch eindrucksvoller erscheinen. Im Kontrast zur Horizontalität der angrenzenden Neubauten des Architekten Max Dudler gewinnt die Mauer an gestalterischer Dynamik.

60

Mittelachse des Invalidenparks zu orientieren, richtete Girot das Wasserbecken und die Wandscheibe in Nord-Süd-Richtung aus. Er bezog sie auf diese Weise auf ein universales Koordinatensystem, schloss aber die Erinnerung an die Trennung zwischen Ost und West nicht aus. Die bruchraue Granitoberfläche auf der einen und die glatt geschliffene Wandfläche auf der anderen Seite der Mauer sind subtile Hinweise auf die ehemalige Trennung unterschiedlicher Systeme. Nicht nur das Ausscheren aus ehemals militärischer Ordnung wird im Plan deutlich, sondern ebenso das markante geometrische Spiel von Belag und Vegetation, mit dem die Überblendung vom harten Stadtplatz an der verkehrsreichen Invalidenstrasse zu der nördlich gelegenen ruhigeren Parkhälfte mit ihrem altem Baumbestand, Rhododendren und Liegewiese gemeistert wird. Eigentlich beginnt die Parkwiese bereits mitten im Granitbelag des Platzes, als etwa 50 Zentimeter breite „Rasenfuge“. Nähert man sich dem Park, so verbreitert sie sich stufenweise zu einem Rasenband und schließlich zur Rasenfläche. Oder ist es die Granitfläche, die sich nach Norden hin immer mehr verjüngt und in der letzten Plattenreihe auflöst? Fächerblattbäume und schlichte Parkbänke, in Reihen angeordnet, ergänzen das einfache Spiel der Flächen um ein dreidimensionales,

vom Bodenbelag unabhängiges Liniensystem. Im Gegensatz zur lockeren Stellung der alten Bäume werden die regelmäßig gesetzten Ginkgos zukünftig ihr unverwechselbares, schattenspendendes Blätterdach über dem Platz aufspannen. Was im Plan kaum ersichtlich ist, hat in der Realität besondere Bedeutung: Girots einfühlsame Modellierung des ursprünglich fast ebenen Geländes. Vom Gehweg an der Invalidenstrasse führen vier Stufen hinab zur Platzfläche, während der zentrale Wasserspiegel etwa auf Straßenniveau aufgespannt wird. Der Platz steigt gleichmäßig nach Norden hin an und geht dort in den ebenerdigen Park über. Vier Meter breite, den Platz flankierende Rampen führen die Steigung der Granitfläche fort und enden am Nordrand des Parks in etwa 60 cm Höhe über dem Niveau des Parks. So wird der Park mit einem schützenden Rahmen gegen sein Umfeld abgegrenzt. In Abweichung vom Wettbewerbsentwurf ist der Kinderspielplatz nicht in den waldartigen Baumbestand eingebettet. Das intelligent und farbenfroh gestaltete Kinderparadies befindet sich, mit einer niedrigen Betonmauer vom Park abgetrennt, an dessen Nordrand. Die Kinder halten sich jedoch nicht an diese Grenze und haben längst den gesamten Park erobert, plantschen im flachen Wasserbecken oder kraxeln an der „Sprungschanze“, wie sie Girots Mauerskulptur nennen. Der Landschaftsarchitekt spricht lieber von einer „Spur in die Zukunft“ und erläutert, dass der Aufstieg bereits 20 Meter vor der eigentlichen Mauer, mit einem ins Erdreich gegrabenen Weg, beginnt. In exakter Verlängerung der Mauer ließ Girot einen Streifen der historischen Grundmauern der Gnadenkirche freilegen, öffnete

Invalidenpark in Berlin

„Eine Spur in die Zukunft“, beginnend bei den Fundamenten der Geschichte, um dann schanzenartig in die Weite zu führen.

61

Im Schatten der alten Parkbäume genießen die Stadtbewohner die Nähe zum flachen Wasserspiegel, aus dem die begehbare Skulptur ragt.

Vom platzartigen Teil des Invalidenparks aus betrachtet verbindet sich das Grau des Granits mit dem Grau des Plattenbelags.

62

Über die Stirnseite der Wand rauscht das Wasser ins große Becken und verbreitet einen beruhigenden Klangteppich.

Dreiergrüppchen von Ginkgobäumen markieren Schatten- und Aufenthaltsinseln im Streifenmuster der offenen Platzfläche.

Auch von den stillen Nischen des Parks aus gesehen zieht die Mauer die Aufmerksamkeit auf sich.

Invalidenpark in Berlin

63

Vom höchsten Punkt der Mauer aus gleitet der Blick die Rampe hinunter in den üppig begrünten Parkteil

64

somit ein begehbares Fenster in die Vergangenheit. Die rampenartig angelegte „Spur in die Zukunft“ führt von hier direkt zum höchsten Punkt der Mauer, 3,20 Meter über dem Wasserspiegel. Von hier aus stürzt ein rauschender Wasserschleier über die strukturierte Stirnseite der Mauer hinunter in das Becken. Man überblickt noch einmal den dialektisch gestalteten Invalidenpark. Girot ahnte bereits zu Beginn der Projektarbeit, dass seine Skulptur nach der Einweihung am Tag der deutschen Einheit 1997 eines der vielen Symbole deutscher Wiedervereinigung in Berlin werden würde. Tatsächlich erschwert die mittlerweile in Berlin allzu oft bemühte Wiedervereinigungs- und Politsymbolik die unbefangene Begegnung mit Girots Mauerobjekt, das zudem mit seinem Untergangsgestus fast etwas zu pathetisch aufgeladen wirkt. Nicht immer ist es dem Berlinbesucher vergönnt, das Wasserbecken gefüllt zu erleben und stellenweise zehrt Vandalismus an der Substanz des Projektes. In manchen Nächten aber verwandelt sich die Skulptur im Wasserspiegel zum glanzvollen Mittelpunkt des Parks und vertreibt die Gedanken an vordergründige Symbolik. Dann wird der über die Stirnseite der Wand ins Becken rauschende Wasserschleier von Bodenstrahlern effektvoll illuminiert, und die polierte Granitverkleidung reflektiert die Lichter der Stadt. Ein zeitweise vergessener, brachgefallener Ort ist unter altem Namen mit neuem Gesicht ins öffentliche Leben einer Stadt mit Zukunft zurückgekehrt.

Garten der Erinnerung in Duisburg

Weiße Erinnerung auf grünem Grund

Karavan, Dani im Erläuterungsbericht zu seinem Projekt „Garten der Erinnerung“ 1999

Die klare, geometrische Formensprache des israelischen Künstlers Dani Karavan wird gerne mit dem Kunstverständnis der Renaissance verglichen. Strahlend weiße Betonskulpturen, meist in Form wohlproportionierter platonischer Körper, eindrucksvoll im Kontext von Stadt und Landschaft in Szene gesetzt, haben dem 1930 geborenen Bildhauer zu internationalem Ansehen verholfen. Am Duisburger Innenhafen sucht man Karavans künstlerische Handschrift jedoch vergeblich. Dort verwandelte er die Reste banaler Büround Lagerhausbauten in eine skulpturale Landschaft aus Natur- und Architekturelementen, in einen „Garten der Erinnerung“, der den konventionellen Vorstellungen von einem Park auf den ersten Blick völlig widerspricht. „Es ist richtig, dass die Gebäude im Großen und Ganzen keinen besonderen architektonischen Wert haben, aber sie sind von einer gewissen Schönheit und enthalten architektonische Elemente wie Säulen, Wände, Eingänge, Türen und Treppen, die, wenn freigelegt und so vom praktischen Aspekt abgegrenzt, eine neue Bedeutung und emotionsgeladene, plastische und ästhetische Werte gewinnen“, erklärt der Künstler. • Mit der Strukturkrise des Ruhrgebietes in den achtziger Jahren geriet auch der größte Binnenhafen Europas in einen unaufhaltsamen Abwärtstrend. Zahlreiche Unternehmen wanderten aus dem Duisburger Innenhafen ab, und es stellte sich wie überall im Ruhrpott die Frage nach der künftigen Nutzung des großen, citynahen Areals. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, die 1999 zu Ende ging, sollte der einstige Getreideumschlagplatz mitsamt seiner Infrastruktur in einen 89 Hektar großen, multifunktionalen Dienstleistungspark umgewandelt werden. Ein Stadtpark war als grünes Herzstück geplant. Nach der Erstellung eines Masterplanes sowie umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten an erhaltenswerten Speichern, Mühlen, Lagergebäuden durch renommierte Architekten wie Sir Norman Foster und Herzog & de Meuron avancierte das Hafengebiet in kürzester Zeit zur begehrten Firmen- und Wohnadresse und zu einem beliebten Ort für Kunst, Kultur und Freizeit. Zvi Heckers neues Jüdisches Gemeindezentrum, ein bemerkenswertes Exempel expressiver Sakralarchitektur, bildet den identitätsstiftenden Kern in Karavans Garten der Erinnerung und ist in der physischen und metaphysischen Struktur des Ortes fest verankert. Fast scheint es, als habe Dani Karavan angesichts der tonangebenden skulpturalen Architektur in der Form eines aufgeschlagenen Buches darauf verzichtet, der Stadtlandschaft seine klassischen Betonskulpturen hinzuzufügen. Darüber hinaus ging es dem Künstler bei seiner ungewöhnlichen Garten der Erinnerung in Duisburg

Entwurf: Dani Karavan Öffentliche Anlage Größe ca. 3 Hektar Ausgeführt 1996 – 1999

Am Rand des Hafenbeckens vom alten Duisburger Innenhafen reihen sich die Fassaden ungenutzter Gewerbebauten.

65

Dialog architektonischer Welten 1: Zvi Heckers Jüdisches Gemeindezentrum links und das in Weiß getauchte Relikt eines anonymen Zweckbauwerks.

Dialog architektonischer Welten 2: Die Ruine eines Treppenturms im Hintergrund und Reste der historischen Stadtmauer im Vordergrund.

Vor dem Skelett einer ehemaligen Lagerhalle legte Dani Karavan einfache, rechteckige Pflanzfelder an.

66

Hinter der weiß gestrichenen Betonrahmenkonstruktion deutet sich die Rasenwelle an.

Robinien, neu gepflanzt im Inneren der Hallenkonstruktion.

Auch die Rasenwelle zählt zu den neuen, fremdartigen Elementen im Garten der Erinnerung.

Garten der Erinnerung in Duisburg

67

Grobe Fundamentbrocken im Vordergrund und ein mit einer Kiefer bepflanzter Treppenturm.

Die „Antennen“ im Park sind in Wahrheit Relikte alter Lagerhallen, bewacht von einem zweiten Treppenturm.

Durch die Einfügung neuer architektonischer Elemente entstand ein Vexierbild aus Alt und Neu, vermeintlich Wertlosem und vermeintlich Wertvollem.

68

Strategie darum, Neues auf der Erinnerung an Gewesenes zu errichten und sein Werk am spezifischen Ort inhaltlich und formal zu verwurzeln. Alle Elemente im Park – mit Ausnahme der neu gepflanzten Bäume, die frei verteilt gesetzt wurden – richten sich im Sinn dieser Strategie nach den Grundrisslinien abgerissener Bauten oder aber sie reagieren auf die gefächerte Grundkonfiguration des jüdischen Gemeindezentrums. In weißen Betonbändern und niedrigen Stützmauern zeichnete Karavan die Umrisse ehemaliger Gebäude nach, um dann in dieses Liniensystem Verbindungswege einzuschneiden, deren Bodenbeläge in einigen Fällen wiederum aus vorgefundenem Abbruchmaterial hergestellt wurden. Zwei isolierte Treppentürme, die mit ihren abgespreizten Armierungseisen noch immer die Verbindung zu ihren abgerissenen Anschlussbauten zu suchen scheinen, verfremdete er bis zur Grenze des Grotesken, indem er sie weiß kalken ließ und auf einem der Türme – man denkt unwillkürlich an den mittelalterlichen Torre Guinigi in Lucca – eine Kiefer pflanzte. Bekannte Bilder überlagern einander im Kopf. Die ebenfalls geweißten Fragmente eines stählernen Fachwerksystems ragen gleich filigranen Antennen aus der Wiesenfläche und deuten die ehemalige räumliche Dimension einer Halle an, während am Ufer des Hafenbeckens die weiß gestrichene Betonrahmenkonstruktion einer Lagerhalle samt Oberlichter stehen blieb – und im Inneren mit Robinien bepflanzt wurde. Davor liegen drei Getreidefelder, ein historischer Querverweis. Das

Karavan, Dani zit. aus: Weilacher, Udo: Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art. Basel Berlin Boston 1996; S. 78

surrealistisch anmutende Ensemble aus weißen Architekturfragmenten auf grünem Teppich wird nach einem Konzept von Uwe Belzner und Stefan Hofmann nachts effektvoll illuminiert. Mit drei gesonderten Elementen ergänzte Karavan die bizarre Szenerie: eine in weißen Beton gefasste Rasenwelle, ein Steingarten als Trockenbiotop aus großen Betonbrocken mit einem „Bewuchs“ aus Armierungseisen und eine große Industriewaage, die podestartig das Zentrum des Parks akzentuiert. Die Parkbesucher werden von diesem rostigen Industrie-Relikt angezogen und dazu verlockt, auf die Waage zu steigen. „Meine Arbeiten entstehen in der Regel, um von Menschen benutzt zu werden. Ohne Menschen existiert meine Kunst nicht. Meine Arbeiten sind nicht zum Betrachten, sondern zum Erleben da,“ sagt Dani Karavan. • Hier manifestiert sich die Geschichte des Ortes besonders deutlich und es drängt sich jene Frage auf, die dem ganzen Park zugrunde liegt: die Grundsatzfrage nach dem rechten Maß, der Gewichtung, der Bewertung von Geschichte und Erinnerung, Unrecht und Gerechtigkeit.

Garten der Erinnerung in Duisburg

Den Reiz der artifiziellen Wellenbewegung auskosten – am liebsten mit dem Fahrrad.

Am Hafenbecken des Duisburger Innenhafens ist neues Leben in alte Bauten eingekehrt: Ein multifunktionaler Dienstleistungspark entstand.

69

Landschaftspark Duisburg-Nord

Kletterer am „Monte Thyssino“ Landschaftsarchitekten: Latz + Partner Öffentliche Anlage Größe ca. 230 Hektar Ausgeführt 1991 – 2002

Die Sinterbunker nach Stillegung des Hüttenbetriebes auf Meiderich: gähnend leere Betonbehälter.

70

Der Gipfel des „Monte Thyssino“ verdankt seinen Namen dem deutschen Stahlmagnaten August Thyssen und ist auf keiner Landkarte verzeichnet. Als der 1842 geborene Fabrikant, der als 28jähriger sein erstes Stahlwerk im Ruhrgebiet errichten ließ, in der Hochindustrialisierungsphase 1902 das Hüttenwerk Meiderich bei Duisburg gründete, zählte Thyssen längst zu den mächtigsten Großindustriellen im „Pott“. Bis zur Stilllegung produzierte das Meidericher Werk, zuletzt in fünf Hochöfen, 37 Millionen Tonnen Roheisen. Wer nicht mit Stahl sein Brot verdiente, dem blieben die Werkstore mehr als acht Jahrzehnte lang verschlossen. August Thyssen, der 1926 starb, hätte sicher nie gedacht, dass dereinst Freizeitkletterer eine 14 Meter hohe Kohlebunkerwand mit Gipfelkreuz nach ihm benennen würden und auf der Industriefläche seines Hüttenwerkes einmal der größte Landschaftspark des Ruhrgebietes entstehen würde. Der weltweite Strukturwandel in der Schwerindustrie degradierte das Ruhrgebiet zur Krisenregion. 1985 legte man Duisburg-Meiderich still und entließ rund 8000 Stahlarbeiter. Übrig blieben verzweifelte Arbeiterfamilien und 230 Hektar postindustrielle, zerstörte Landschaft, deren Bild bis heute von zahllosen Industrieruinen, riesigen Maschinenhallen, Hochöfen, Kühltürmen und anderen Landmarken geprägt wird. 1991 integrierte man das Sanierungsprojekt Landschaftspark Duisburg-Nord in die Projektliste der Internationalen Bauausstellung Emscher Park und initiierte ein Wettbewerbsverfahren mit fünf internationalen Planungsteams. Der preisgekrönte „syntaktische Entwurf“ der deutschen Landschaftsarchitekten Latz + Partner basiert auf der Idee, die Spuren der Industriekultur nicht zu verwischen, sondern durch gezielte Eingriffe neu zu interpretieren. Die Brüche und Narben in der geschundenen Landschaft sollten nicht repariert, sondern als Erinnerungsstücke aus dem Schutt herauskristallisiert werden. Die Landschaftsarchitekten entwarfen keinen gestalterischen Gesamtplan, sondern legten fast archäologisch eine landschaftlich-konzeptionelle Schicht nach der anderen frei, entwickelten vier verschiedene Parkkonzepte und ließen diese einander anschließend überlagern. Der Wasserpark besteht aus dem Geflecht der Kanäle, Klär- und Sammelbecken, während der Bahnpark die alten Gleisanlagen nutzt. Strassen, Transportwege und Brücken bilden als Verbindungspromenaden ebenso eine eigene Ebene wie die Vielzahl verschiedener Nutzungsfelder und Gärten. Mit speziellen Verknüpfungselementen, Rampen, Treppen, Terrassen oder Gärten werden die vier Ebenen des Parks visuell, funktional, ideell oder symbolisch miteinander verknüpft.

Vom Hochofen 5, einem 80 Meter hohen Moloch aus Stahl, durch dessen Eingeweide man nach oben steigt, genießt man einen herrlichen Ausblick über Park und Ruhrgebiet. Im Schatten des Hochofens liegt der Cowperplatz, benannt nach den großen Winderhitzern. Die Fläche wurde rasterartig mit Obstbäumen bepflanzt, was Denkmalschützer angesichts der industriellen Vergangenheit zunächst als völlig unpassend empfanden. Ebenso experimentell und provokativ sind die Bunkergärten in den Erzbunkern der ehemaligen Sinteranlage. Mit Spezialsägen schnitt man Zugänge in die massiven Betonkammern und gestaltete darin unterschiedlichste Gärten und Kinderspielbereiche. Von einem langen blauen Steg aus sind die Gartenkammern auch von oben einsehbar. Nicht nur gepflegte, domestizierte Natur kommt im Park zu ihrem Recht. Auf dem gesamten Areal entwickelte sich neben reizvoller Alltagsnatur auch eine spezielle, teilweise sehr seltene Vegetation, die ihre Existenz den aussergewöhnlichen Umweltbedingungen verdankt. Mit Zuschlagstoffen aus Übersee reisten exotische Pflanzen nach Duisburg und fanden hier ihre neue Heimat. Die Industrienatur avancierte zum wichtigen Gestaltungselement und erforderte ein Umdenken, nicht nur im gärtnerischen Management. Das traditionelle Naturverständnis hinterfragt Peter Latz auch mit der Piazza Metallica, die aus 49 jeweils acht Tonnen schweren Stahlplatten komponiert ist. Die 2,20 x 2,20 Meter großen Elemente dienten ursprünglich als Gießbettauskleidung und mussten den Erosionskräften von flüssigem, mehr als 1300 Grad heißem Eisen standhalten. „Dabei entstanden fluviatile Systeme, die einem Gletscherschliff sehr ähnlich sind, also urtümliche Formationen, die durch die Gewalt flüssiger Elemente entstanden sind. Das finde ich als Natursymbol wesentlich interessanter als irgendeine dusselige Birke!“ sagt Peter Latz. Landschaftspark Duisburg-Nord

Kletterer am „Monte Thyssino“.

Die Sinterbunker heute: üppig begrünte Gartenkabinette, geheime Gärten?

71

Vor zehn Jahren und heute: Zarte gartenkünstlerische Elemente halten Einzug in die monumentale Industriearchitektur.

Manchmal wirkt Umbau wie erneute Zerstörung. Was wird bleiben?

72

Ornamentales Grün gedeiht heute im Schutz schwer armierter Betonmauern und macht sie zu Gartenmauern.

Knapp ein Jahrzehnt später wird das Resultat des Umbaus sichtbar: lebendige Symbiose aus Alt und Neu.

Landschaftspark Duisburg-Nord

73

Die Emscher revitalisiert: seit Mitte der neunziger Jahre Teil eines weit verzweigten Klarwassersystems.

Industrielle Landmarken lichtgestalterisch inszeniert von Jonathan Park.

74

2001 wurde der Landschaftspark Duisburg-Nord bei der Vergabe des Deutschen Landschaftsarchitekturpreises vom Bund Deutscher Landschaftsarchitekten besonders gewürdigt, doch international zählt der Park längst zu den wichtigsten Landschaftsarchitekturprojekten der Jahrtausendwende und hat weltweit höchste Anerkennung erfahren. Zu Recht, denn am Ende des Industriezeitalters gilt es vielerorts, den Strukturwandel auch umweltgestalterisch zu bewältigen, ohne den industriellen Teil der Landschaftsgeschichte zu verdrängen. Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen und andere Kulturereignisse beleben die Open-airBühnen vor imposanter Industriekulisse und füllen die ehemalige Gebläsehalle, die Gießhalle des Hochofens 2 oder die eindrucksvolle Kraftzentrale, eine Art Kathedrale der Arbeit. Nach Sonnenuntergang lädt der Park, illuminiert vom englischen Lichtkünstler Jonathan Park, zu nächtlichen Erkundungstouren ein. Eine neue Kulturlandschaft ist entstanden, welche die traditionellen Idealvorstellungen von schöner Landschaft intelligent in Frage stellt.

Museumsinsel Hombroich

Kunst in künstlichem Arkadien

Korte, Bernhard: „Museumspark Insel Hombroich“, in: Garten + Landschaft, 1/1988; S.34

Es scheint, als hätten die biomorphen Skulpturen von Hans Arp beim Schnitt der bizarren Buchsheckenlandschaft Modell gestanden. Tatsächlich aber war diese ursprünglich in exakte geometrische Formen geschnitten und gehörte zum streng geometrisch gegliederten Teil der Gartenanlage der Wuppertaler Industriellenfamilie de Weerth. Die ließ in der einst sumpfigen Flussauenlandschaft der Erft, südwestlich von Düsseldorf, zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Landsitz erbauen. Längst verschwunden sind die markanten Blickachsen des alten Parks, die gemäß dem damals geltenden Ideal der Gartenkunst bis weit in die Umgebung reichten, um Einfluss und Weltoffenheit zu signalisieren. Die alten Parkbäume aber, darunter viele Exoten, sind zu stattlichen Baumgestalten gewachsen und umstellen die Industriellenvilla aus dem Jahr 1816, die um 1900 durch eine Flussumleitung endgültig in Insellage geriet. Hätte sich die Gartendenkmalpflege des historischen Parks Hombroich angenommen, würde der Buchs wohl heute wieder in geometrischem Formschnitt das kultivierte Wesen des einstigen Gartenkunstwerks betonen und damit den Kontrast zur umgebenden, funktional geprägten Agrarlandschaft verdeutlichen. Doch Bernhard Korte, den man Mitte der achtziger Jahre mit der Neugestaltung des Parks und seiner Umgebung beauftragte, wandte sich gegen die Rekonstruktion des architektonischen Gartenstils – ganz im Sinn der damaligen Naturgartenbewegung und in Übereinstimmung mit seinem Auftraggeber: „Herrschaft über die Natur durch Schneiden, Hacken, Brechen und ästhetisches Frömmeln sind nicht mehr unbedingt angesagt“, befand der Landschaftsgestalter und entschied sich für den Erhalt der „natürlichen“ Formen der ausgewucherten Buchspflanzen. • Der einflussreiche Immobilienmakler und Kunstsammler KarlHeinrich Müller hatte schon seit Mitte der siebziger Jahre von einem privaten Museum auf dem Lande geträumt, in dem er abseits von der Großstadt seinen umfangreichen Schatz an Kunstwerken ausstellen wollte. Der Bildhauer Erwin Heerich, der Maler Gotthard Graubner und der Kunsthändler Sami Tarica berieten Müller beim Ausbau seiner Kunstsammlung und entwickelten gemeinsam Pläne für neue Ausstellungspavillons, in denen nach den Wünschen des Initiators „Kunst parallel zur Natur“ zu präsentieren war. Doch wo gibt es noch unberührte Natur in Europa? 1982 erwarb der Kunstmäzen das etwa 20 Hektar große Gelände bei Hombroich, aber die intensiv genutzte Ackerlandschaft – Nutzlandschaft modernster Prägung – ,die den größten Teil der zukünftigen Parkfläche prägte, widersprach offensichtlich der gängigen Idealvorstellung von arkadischer Naturlandschaft. Stattdessen wünschte sich Müller einen Garten wie ein impressionistisches Gemälde von Claude Monet, und Bernhard Korte komponierte dieses Landschaftsgemälde, jedoch Museumsinsel Hombroich

Landschaftsarchitekt: Bernhard Korte Öffentliche Anlage Größe Museuminsel: ca. 20 Hektar Größe Raketenstation: ca. 13 Hektar Ausführung seit 1982

Der Turm, 1989 erbaut von Erwin Heerich, ragt monolithisch aus der Auenlandschaft hervor.

75

In nächster Nähe zu Anatol Herzfelds Atelier im Park ist eine Sammlung von Skulpturen entstanden, wie hier der mit Blei ummantelte Baumstamm.

76

„nicht aus irgendeinem Designrausch“, wie er betonte, sondern naturnah, resultierend „aus dem Sinnkreis Pflanze“. • Anders als beim historischen Park erachtete der Landschaftsgestalter die Rekonstruktion der ehemaligen Auenlandschaft weder als unzeitgemäß noch als „ästhetisches Frömmeln“. Das Studium alter Karten, archäologische Auswertung von Luftbildaufnahmen, Pollenanalysen in Humusproben und Grabungen vor Ort lieferten Basisinformationen über eine Zeit, in der die Erft noch weitgehend unbeeinflusst von menschlichem Wirken die Flussniederung prägte. Als Vorbild für die Rekonstruktion der Landschaft diente eine Karte von 1807, als vorindustrielle bäuerliche Mischstrukturen eine scheinbar bukolische, vielfältige Kulturlandschaft formten. Folglich wurden die Altwasserarme der Erft wieder freigelegt, wurde der Wasserspiegel zur Vernässung des Areals wieder angehoben, wurden Teiche und neue Inseln angelegt. Um das landschaftsästhetische Idealbild perfekt zu inszenieren, pflanzte man neben typischen Auengehölzen wie Schwarzpappeln und Erlen auch zahlreiche 30- bis 40-jährige Kopfweiden, Zeugen traditioneller Kulturtechnik und früher landschaftsbestimmende Baumgestalten, wie man sie heute meist nur noch aus romantischen Landschaftsgemälden kennt. Glücklicherweise entschlossen sich die Initiatoren des Kunstprojekts nicht dazu, das neo-arkadische Landschaftsbild auch noch mit traditionell bäuerlicher Architektur des frühen 19. Jahrhunderts zu vervollkommnen; sonst wäre Hombroich womöglich unter Stadtflüchtigen als illusionistisches Bauernhaus- oder Kulturlandschaftsmuseum bekannt geworden, nicht aber als Kunstlandschaftsprojekt. Zwar blieb die historische Industriellenvilla, das „Rosa Haus“ erhalten, wurde restauriert und umgenutzt als Ausstellungsgebäude für Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen alter Meister, und in einer ehemaligen Scheune richtete der Künstler Anatol Herzfeld sein Atelier ein. Doch zwischen 1982 und 1994 schuf der Düsseldorfer Bildhauer Erwin Heerich elf Ausstellungspavillons, „Kapellen in der Landschaft“, wie Karl-Heinrich Müller sie nennt, die an Kunstobjekte der Minimal Art erinnern und mit großer Sensibilität in die harmonisierend gestaltete Landschaft eingebettet wurden. Im Sinn der Ideologie der klassischen Moderne wurden die skulpturalen Bauwerke wie kunstvolle Preziosen in die „fließende“, vermeintlich ursprüngliche Landschaft gesetzt, die durch ein weitläufiges, verschlungenes Wegnetz erschlossen wird. Das Verlassen dieser Wege ist laut Landschaftsschutzbehörde nicht gestattet, und so bewegt man sich teils auf Kieswegen, teils auf schmalen Waldpfaden durch eine Kunstlandschaft aus Architektur und Landschaftsgestaltung, um im Inneren der meist fensterlosen, jedoch von oben belichteten Pavillons vielfältige Kunst- und Kulturgegenstände sowie Gemälde aus verschiedensten Zeiträumen und Kulturkreisen zu besichtigen. Ein beson-

Korte, Bernhard: „Museumspark Insel Hombroich“ in: Garten + Landschaft, 1/1988; S.33

ders intensiver Dialog zwischen Architektur und Landschaft, zwischen Innen- und Außenraum entsteht im sogenannten Turm, einem kompakten Backsteingebilde auf quadratischem Grundriss, welches formal an eine minimalistische Skulptur von Sol LeWitt erinnert und plötzlich mitten im Weg steht. Im weißen Inneren des Turms sucht man vergeblich nach Kunst. Durch vier hohe, schmale Fenster, die zunächst wie Gemälde im leeren Raum wirken, genießt man gerahmte Blicke in den Park: Die Farben intensivieren sich scheinbar, man nimmt die Geräusche der Umgebung deutlicher wahr, fühlt, wie die Sinne geschärft werden. Der Kulturraum Hombroich, seit 1997 Stiftung Insel Hombroich, ist ein Prozess, und so gedeiht nicht nur die naturnah gepflegte Auenvegetation prächtig, sondern auch das Projekt entwickelt sich ambitioniert

Über eine Brücke, gesäumt von Hortensien, erreicht man die Hohe Galerie von Erwin Heerich.

Der Turm ist im Grunde – wie alle anderen Bauten von Erwin Heerich im Park – eine architektonische Skulptur mit minimalistischen Zügen.

Museumsinsel Hombroich

77

Das Parlament, eine weitere Stahlskulptur von Anatol Herzfeld in Hombroich.

Eingebettet in eine bizarre Gartenlandschaft aus Buchs und Birken: der elegante Graubner Pavillon mit seinem runden Glaserker.

78

vgl. Wang, Wilfried: „Metamorphose – Strukturwandel“ in: www.inselhombroich.de (2004)

weiter, verbindet kulturelle und wissenschaftliche Initiativen miteinander und erobert neuen Raum: 1994 erwarb Karl-Heinrich Müller unweit vom Museumspark, auf einer windexponierten Anhöhe gelegen, das etwa 13 Hektar große Gelände einer stillgelegten NATO-Raketenstation mit dem Ziel, ein zukunftweisendes „Raumortlabor“ zu schaffen: In Zukunft soll auf dem Stationsareal und im umgebenden Gelände auf experimentelle Weise eine neue Art von Stadtlandschaft entstehen, ein Ensemble aus 14 sogenannten Quartieren, gestaltet von Daniel Libeskind, Krischanitz Frank Architekten, Alvaro Siza, Frei Otto, Raimund Abraham, Per Kirkeby, Hoidn Wang Partner und anderen renommierten Architekten und Künstlern. Nur 10 Prozent der Gesamtfläche, die auf ersten Plänen gestalterisch einer Bauausstellung ähnelt, soll nach dem Willen der Initiatoren bebaut werden. Aus dem Erläuterungstext von Wilfried Wang zu dem utopischen Stadtlandschaftsprojekt geht hervor, dass man nach den Gartenstadtbewegungen am Ende des 19. Jahrhunderts und den Experimenten der Werkbundsiedlungen im frühen 20. Jahrhundert wieder einmal auf der Suche nach einer glücklicheren Verbindung zwischen Stadt und Land, auf der Flucht vor der Unwirtlichkeit der modernen Städte ist. • Doch welche zukunftweisende Rolle hat die Museumsinsel Hombroich

Garten am Eingang der Langen Foundation: Entlang des flachen Reflexionsbeckens, begleitet von Kirschbäumen, führt der Weg in eleganter Linie direkt durch das Fenster zur Landschaft.

79

Landschaft zwischen den gesammelten architektonisch-städtebauliche Kostbarkeiten noch zu spielen? 90 Prozent sollen „Wald und Wildwiesen, Obst- und Kräutergärten“ sein, heißt es. Also wieder die modernistische Idee vom „neutralen Grün“und „frei fließender“ Landschaft, von bäuerlich-klösterlicher Gartenidylle, von einem neuen Arkadien? 2004 errichtete Tadao Ando das neue Museum für die Langen Foundation auf der Gelände der Raketenstation Hombroich, eingebettet in die skulptural überformte Landschaft.

Auch die Raketenstation besetzte Erwin Heerich mit skulpturaler Architektur, genutzt als Forschungsinstitute. Hier das Institut für Biophysik.

80

Auf dem NATO-Konversionsgelände stellte sich unmittelbar nach dem Kauf die Frage nach einem zeitgemäßen Umgang mit Natur und Landschaft, und man erkannte treffend, dass das Ausradieren aktueller Geschichtsspuren sowie das Zitieren traditioneller, idyllischer Leitbilder aus längst vergangenen Jahrhunderten als Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart keine taugliche Strategie mehr sein kann. Müller sorgte stattdessen zunächst für eine rasche „Abrüstung“ des Areals und ließ die einfachen Militärbauten gekonnt renovieren, um sie für künstlerisch-wissenschaftliche Zwecke umnutzen zu können. Erwin Heerich reicherte den Ort mit vier ikonenhaften Backsteinbauten an, Katsuhito Nishikawa verwandelte einen Teil des Raketendepots in eine begehbare Skulptur und Eduardo Chilida setzte im Jahr 2000 mit seiner 14 Meter hohen Betonskulptur „Begiari“, korrespondierend mit einem ehemaligen Militärwachturm, ein weithin sichtbares Symbol für die ästhetisch-moralische Konversion des Ortes. Den landschaftlichen Charakter der gesamten Anlage hingegen bestimmten ausschließlich das vorhandene, reizvolle Gefüge aus meterhohen, extensiv begrünten Splitterschützwällen – nunmehr an amerikanische Land Art erinnernd – sowie ein lockerer, teilweise spontan entstandener Baum- und Strauchbestand. Dem tendenziell kargen Landschaftscharakter fühlte sich auch Tadao Ando verpflichtet, als er 2001 den Kunstsammlern Marianne und Viktor Langen seine ersten Pläne für den neuen Museumsbau der Langen Foundation auf der Raketenstation unterbreitete. Im September 2004 wurde das Museum für moderne westliche und traditionelle japanische Kunst eröffnet. Geschützt liegend zwischen einem vorhandenen

südlichen und einem neuen nördlichen Erdwall, fügt sich der zweiteilige, lang gestreckte Gebäudekomplex aus Sichtbeton, Glas und Stahl dem genius loci und ragt über die Erdbauwerke kaum hinaus. Was die Besucher als erstes entdecken, ist das nördliche Ende des 43 Meter langen Japanraums, ausgebildet als gläserne, knapp 3,50 Meter hohe Lounge, die über einem eleganten flachen Spiegelteich zu schweben scheint. Der Zugang zur Lounge, zum Eingang des Museums führt von der Straße zunächst durch das Tor in einer langen, konkav gebogenen Sichtbetonwand und dann der Kante des Wasserspiegels entlang, begleitet von einer Reihe japanischer Zierkirschen, bis zum Japanbau. Er liegt parallel zum nördlichen Erdwall in der Landschaft und wurde konzipiert als langer, fensterloser Betonkern, umlaufend erschlossen sowie nach außen ringsum von einer Glashaut eingehüllt. Der zweite Teil des Museums, in dem moderne westliche Kunst präsentiert wird, ist ein niedrigerer, ins Gelände abgesenkter Betonbau in U-Form, welcher im 45 Grad Winkel vom prominenteren Japanbau abzweigt. Erdskulptur und Bauskulptur verbinden sich in der Langen Foundation zu einem reizvollen, unaufdringlichen Ensemble mit überraschenden Außenraum- und Innenraumerlebnissen, die sich gelungen in den bislang noch nicht überfrachteten Kulturraum Hombroich einfügen.

Museumsinsel Hombroich

Wie große Parabolspiegel fügte Katsuhito Nishikawa zwei Metallschalen zwischen die Betonwände der Raketenabschussrampen, die in den Himmel horchen und Schutz bieten.

Aus den Hinterlassenschaften des Kalten Krieges entstehen begehbare Skulpturen, wie hier von Katsuhito Nishikawa zwischen den ehemaligen Raketenbunkern.

81

Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen

Geschichten vom Wasserdrachen Landschaftsarchitekten: Agence Ter Öffentliche Anlage Größe ca. 35 Hektar Ausgeführt zur Landesgartenschau 2000

Im Sommer begrünt sich der Grund des Kraters und das niedrige Blätterdach sorgt für ein ungewöhnliches Raumgefühl.

82

Die Warnungen vor dem Abstieg in den geheimnisvollen grünen Krater und vor dem Eindringen in die scheinbar unendliche Tiefe des steinernen Schlundes waren eindringlich. Aber der Drang, den Ursachen der rätselhaften Eruptionen auf den Grund zu gehen, war einfach unwiderstehlich. Als die Kinder den versunkenen Kratergarten durchquert hatten und schließlich 18 Meter unter der Erde auf einen rätselhaften, kreisrunden, ruhigen Wasserspiegel trafen, war es schon zu spät. Unheimliches Donnern aus der Unterwelt, Lichtblitze, und plötzlich begann die Wasseroberfläche zu brodeln – das verhieß nichts Gutes. Doch der Weg zurück ans Tageslicht war einfach zu lang. Die Geschichte von Aqua Magica, dem Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen, begann vor Tausenden von Jahren, als tektonische Kräfte die Erdoberfläche und damit nicht nur das Gesicht der Landschaft formten. In der Tiefe entstanden jene Verwerfungslinien, aus denen bis heute salzhaltiges Wasser an die Oberfläche dringt, das als Nährlösung für das wirtschaftliche Wachstum der Region diente. 1745 wurde in Bad Oeynhausen die erste Salzquelle entdeckt, was den Anstoß zum Bau von Salzwerken und zur Entwicklung einer prosperierenden Salzindustrie gab. Nachdem die therapeutische Heilwirkung des Thermalsolewassers entdeckt worden war, setzte Mitte des 19. Jahrhunderts die Entwicklung der Kurbetriebe in der Region Ostwestfalen-Lippe ein. Nach der Blüte des Kurbetriebes sanken am Ende des 20. Jahrhunderts, mit der Strukturkrise des Gesundheitswesens, die Besucherzahlen in den Kurorten; die Auslastung der zahlreichen Gesundheitszentren und Kurkliniken nahm stark ab, und man beschloss, der Region mit einer Landesgartenschau im Jahr 2000 neue Impulse zu geben. Als Sieger aus einem 1997 durchgeführten freiraumplanerischen Werkstattverfahren ging das Pariser Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter hervor. Henri Bava und Olivier Philippe verfolgten mit ihrem Entwurf „Aqua Magica“ für das 35 Hektar große Gelände zwischen den Städten Bad Oeynhausen und Löhne das Ziel, die zwei unsichtbaren Verwerfungslinien und die unterirdischen Wasserkräfte sinnlich erlebbar zu machen – mit vernebelten Steinbändern, einer Allee des Weltklimas, heimischen Blütengärten, Sprüh- und Wassergärten. Ein zentraler Teil der Parkanlage ist der Wasserkrater, der selbst Jahre nach dem Ende der Gartenschau die Besucherinnen und Besucher noch immer in seinen Bann zieht. Auf ihrem Weg über eine baumlose Wiese stehen sie unvermittelt am Rand des kreisrunden Kraters, der geschickt auf einer Anhöhe positioniert ist; seine Wände sind mit niedrigwüchsigen Weidenarten unterschiedlicher Grünschattierungen bepflanzt. Die strauchartig

wachsenden, drei Meter hohen Kupferfelsenbirnen, die den Grund der Senke einheitlich bewalden, ragen mit ihren Kronen nicht über den Kraterrand hinaus, wodurch das Maßstabsempfinden gezielt verändert wird. Unweigerlich hat man den Eindruck, über die Kronen großer Bäume hinweg einen weitläufigen Kratergrund zu überblicken. In der Mitte wird das Kronendach von einem riesig anmutenden Kratertopf überragt, dessen rostrote Corten-Stahlwände sich kontrastreich von der grünen Umgebung abheben. Zwei schmale Eingänge, von schweren Stahltoren verschlossen, versprechen den Zutritt zum Topf. Im Inneren ist er mit Drahtschotterkörben ausgekleidet, die an die isolierende Schamottverkleidung in Brennöfen erinnern. Die Neugierde ist geweckt:Welcher bedrohliche Saurier wird hinter diesen dicken Mauern am Grunde der verlorenen Welt im Krater wohl gefangen gehalten? Über eine steile Treppe oder eine versteckt angelegte Rampe erreicht man den Kraterboden und taucht zunächst in eine versunkene, stille Gartenwelt ein. Die Felsenbirnen wachsen zwischen langen schmalen Betonbändern, die in der Formation schwimmender Baumstämme den Kratertopf umkreisen. Abwechslungsreiche Farn- und Schattenstaudenpflanzungen bilden einen sattgrünen Teppich, den man auf den Betonstreifen fast balancierend durchquert, Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen

Nur zwei schmale Zugänge erlauben einen Blick ins Innere des Quelltopfes.

83

Noch herrscht Ruhe im Quelltopf am Grunde des Kraters im Park der Magischen Wasser.

Das Laubdach eines Hains aus Kupferfelsenbirnen wird überragt durch das stählerne Rund, dessen Inneres mit Gabionenwänden ausgekleidet ist.

84

bis man schließlich eines der großen Stahltore durchschreitet und die stählerne Plattform betritt, die das zentrale Bohrloch fasst. Wasser tropft von den Gabionenwänden des Schachtes auf die stählerne Wendeltreppe bis hinunter in das Schattenreich der Schachtsohle. Der Klang tropfenden Wassers hallt aus der Tiefe. Dort unten, auf der untersten Plattform, stehen die Kinder am Geländer. Gebannt starren sie auf den kreisrunden schwarzen Wasserspiegel, der plötzlich zu explodieren scheint: 35 Meter hoch schießt eine eineinhalb Meter breite, schäumende Wassersäule brodelnd durch den Schacht dem Licht entgegen, über den Kraterrand hinaus in den Himmel. Plötzlich fällt sie wieder in sich zusammen, hüllt die Kinder und alles um sie herum in einen dichten Wassernebel, den die Sonnenstrahlen mystisch durchdringen und zum Leuchten bringen. Immer wieder, in unerwarteten Abständen und unterschiedlichen Intensitäten und Rhythmen, wiederholt sich das wasser-, licht- und klangtechnisch perfekt inszenierte Spektakel in der Tiefe. Es begeistert die verblüfften Zuschauer und setzt bildgewaltige Assoziationen frei: Rund um den Wasserkrater, im ruhigen Schatten des idyllischen Felsenbirnenhains, der gelegentlich von einem Wasserhauch durchweht wird, erzählt man sich Geschichten von Geysiren in entlegenen Weltregionen, von Vulkaneruptionen, von Drachenfon-

tänen in berühmten Barockgärten, von blasenden Walen, Tiefbrunnen in der Wüste und magischen Quellen in zahllosen Märchen. „Gärten, Parkanlagen und Plätze sollen von ihrer Geschichte erzählen, sie sollen aber auch neue Geschichten erzählen. Sie sind poetische Orte unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, schrieb der Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast einmal und formulierte damit eines der wichtigsten Kriterien zur Gestaltung guter Gärten. Der versunkene Garten mit Wasserkrater von Agence Ter in Bad Oeynhausen erzählt auf ästhetische, landschafts- und gartenarchitektonisch versierte Weise auf begrenztem Raum nicht nur eine Geschichte von der Magie des unterirdischen Wassers, dem eine ganze Region ihre Identität verdankt. Mit archetypischen Garten- und Landschaftselementen wie dem kreisrunden Kraterkessel, dem verschwiegenen Hain, dem Schattengarten, dem hortus conclusus, dem Höllenschlund und tiefen Brunnenschacht oder der wilden Fontäne knüpfen die Landschaftsarchitekten an uralte Idealbilder an und verführen die Besucher, die Gedanken schweifen zu lassen, zurück in die Gärten, in denen die Geschichtenerzähler die Zuhörer in ihren Bann schlugen.

Park der Magischen Wasser in Bad Oeynhausen

Doch kurz darauf schießt eine kräftige Wasserfontäne 35 Meter hoch aus dem Cortenstahl-Topf.

85

Wo Sonnenlicht auf den Wassernebel aus der Tiefe trifft, schillert er in allen Regenbogenfarben.

Tropfnasse Wände zeugen noch vom letzten Ausbruch.

Blätter und Blüten leuchten vor der dunkelroten Cortenstahlwand.

86

Quartierparks in Hannover-Kronsberg

Bauminsel und Waldlichtung Im London des 18. Jahrhunderts sowie in anderen Städten in England und Schottland zählten die Squares zu den wichtigsten öffentlichen Grünanlagen inmitten wohlhabender Stadtquartiere. Die schmucken Garteninseln entstanden bereits im späten 17. Jahrhundert und waren mit ausgewählten Baum- und Straucharten bepflanzt, die von den Anwohnern liebevoll gepflegt wurden. Diese repräsentative „grüne Mitte“, eine Mischung aus Platz und Park, fand schon bald in Europa und Nordamerika Verbreitung und wird noch heute gerne als planerisches Vorbild für Quartierparks zitiert, so auch in der neuen, rasterartig angelegten EXPO-Siedlung am 106 Meter hohen Kronsberg bei Hannover. Aber taugen die jahrhundertealten, auf Repräsentationszwecke angelegten Vorbilder tatsächlich noch für das 21. Jahrhundert? Die Landschaftsarchitekten Irene Lohaus und Peter Carl aus Hannover bezogen sich 1996 bei ihrer Planung der neuen Quartierparks Nord und Mitte auf das englische Vorbild, weil sie die knapp 1 und 1,4 Hektar großen Flächen für Plätze als zu groß und für Parks zu klein erachteten. Zudem sollten die neuen Parks – genau wie die alten englischen Vorbilder – eine gewisse Intimität ausstrahlen und mit ihrem Eigencharakter den Anwohnern als identitätsstiftende Orte dienen. Zwei gegensätzliche Konzepte charakterisieren die beiden Anlagen. Eine große rundliche Waldlinse, eingelagert in eine steinerne, annähernd quadratische Platzfläche, kennzeichnet den Quartierpark Nord. Im Gegensatz dazu präsentiert sich der etwas größere Quartierpark Mitte als Lichtung mit leicht verdrehtem quadratischem Grundriss, ausgestanzt aus einem dicht gepflanzten Hain aus Mehlbeerbäumen. Was die Planungsaufgabe erschwerte, aber die realisierten Projekte umso spannender macht, ist die um fünf Prozent nach Westen geneigte Hanglage, in der beide Anlagen entstanden. Hier erweist sich die mit Kiefern und Rasen bepflanzte, 1,50 Meter hohe Erdlinse des

Landschaftsarchitekten: Irene Lohaus und Peter Carl Öffentliche Parks Größe 1 und 1,4 Hektar Ausgeführt 1996 – 2000

Ein kreisrundes Kiefernwäldchen, eingelagert in eine geneigte, annähernd quadratische Platzfläche kennzeichnet den Quartierpark Nord in Hannover-Kronsberg.

Quartierparks in Hannover-Kronsberg

87

Von der mit Glyzinien berankten Stahlpergola am oberen Rand des Parks blickt man der Abendsonne entgegen in das Kiefernwäldchen.

An den horizontal eingelassenen Betonquadern im Platz, gliedernde Elemente und Sitzmöglichkeiten, wird die Neigung der Anlage deutlich.

88

mittleren Parks als intelligenter Kunstgriff. Anstatt die gesamte Fläche zwanghaft zu nivellieren, erzeugt der uhrglasförmig aufgewölbte Erdkörper eine Vielfalt unterschiedlicher Geländedispositionen und Nutzungsmöglichkeiten. Wo der Kiefernhain auf fast ebener Fläche stockt, wurde ein langes „Spielband“ geschaffen, auf dessen Sandfläche die Kinder eine Sammlung gängiger Spielgeräte finden. Auch der Platzfläche, die wegen der zentral eingefügten Rundform in den Eckbereichen zwangsläufig ein wenig zu großzügig geraten ist, widmeten die Landschaftsarchitekten besondere Aufmerksamkeit. Dem Gefälle folgend, ist die spärlich mit Kleingehölzen und Ölweiden bepflanzte Fläche mit unterschiedlich breiten Bändern aus großformatigen Betonplatten belegt, zwischen denen in Längsrichtung drei Zentimeter breite Grünfugen zur Regenwasserversickerung ausgebildet wurden.

Einzig der lang gestreckte Spielplatz durchquert die Kiefernpflanzung, gliedert das kreisrunde Grün, schafft Spielräume.

Auch in seinen stringenten Detaillösungen zeichnet sich der reizvolle Charakter der Parkgestaltung ab.

Einfache Rampen führen vom erhöhten Rahmen auf die zentrale Rasenfläche des Quartierparks Mitte.

Zuweilen schieben sich aus den Plattenbändern massive Betonbalken horizontal aus dem Hang und dienen vordergründig als Sitzmöglichkeiten. Vor allem aber akzentuieren sie die Topographie und hinterlassen breite Spuren aus Kalkschotter, in denen sich ebenso wie in den Grünfugen eine abwechslungsreiche Spontanvegetation eingefunden hat. Das Regenwasser wird am Hangfuß in Rigolen aufgefangen und anschließend in einen unterirdischen „Klangraum“ getropft. Im Unterschied zu diesem einfühlsamen akustischen Experiment am Westrand wirkt die östliche Platzbegrenzung, eine lange Corten-Stahl-Pergola, die mit Glyzinien berankt werden soll, eher modisch. Die Begrenzung des Quartierparks Mitte mit einer geschnittenen Hainbuchenhecke ist zwar weniger Aufsehen erregend, dafür umso überzeugender. Ebenso kraftvoll wirkt der Hain aus Mehlbeeren, die im engen Raster mit etwa vier Meter Abstand gepflanzt wurden. Quartierparks in Hannover-Kronsberg

89

Umlaufende Treppenanlagen dienen als Sitztribünen.

Ein transparenter Zaun im unteren Teil des Parks trennt die Flächen des angrenzenden Kindergartens ab.

Dieter Froelichs „(4x) 28 Worte“ kommentieren den Blick quer durch die terrassierte Parkfläche.

90

Geschwungene Cortenstahlbänder stützen die flachen Rasenterrassen ab, die immer wieder sanft ineinander übergehen.

Das 1999 eingefügte Kunstwerk – „(4x) 28 Worte“ – von Dieter Froelich, eine Serie von beschrifteten Steintafeln, die im Schatten des Hains verlegt wurden, tritt räumlich nicht in Erscheinung, akzentuiert aber den Ort unauffällig. Die Grenze zwischen dichtem Hain und zentraler Lichtung wird zusätzlich durch die Absenkung der inneren Rasenfläche um einen Meter verstärkt. Über umlaufende Treppenstufen und fünf eingefügte Rampen gelangt man von der wassergebundenen Rahmenfläche in das Innere des Parks. Hier schaffen Stahlbänder entlang den Höhenlinien ebene, nutzbare Rasenterrassen, die mit einzelnen Zierapfelbäumen, Spielgeräten und mobilen Sitzgelegenheiten bestückt sind. Im Wettbewerbsentwurf für den Park hatte man am nördlichen Rand der Lichtung ursprünglich eine Kindertagesstätte integriert, die die gesamte Parkfläche mitbenutzen sollte. Diese Idee fand jedoch nicht die Akzeptanz der verantwortlichen Behörden. Die Architekten Heerwagen Lohmann Uffelmann errichteten zwar eine schlichte zweigeschossige Kindertagesstätte am Nordwestrand der Lichtung, grenzten aber mit einem Zaun einen augenscheinlich besser kontrollierbaren Bereich für die Kinder ab, was der Großzügigkeit der Gesamtkonzeption des Parks jedoch kaum Abbruch tut. Anders als die englischen Squares sind die beiden Parks in HannoverKronsberg nicht nur hübsche grüne Oasen, sondern nutzbare städtische Freiräume. In ihnen begegnet man zweien der wichtigsten Archetypen in der Geschichte der Kulturlandschaft: Bauminsel und Waldlichtung. Die Kraft dieser Landschaftsarchetypen, gepaart mit einer qualitätvollen freiraumgestalterischen Sprache der heutigen Zeit, prägt die unverwechselbaren, fast poetischen Charaktere der beiden neuen Parks.

Quartierparks in Hannover-Kronsberg

91

Place du Général Leclerc in Tours

Eisberg im Fliedermeer Landschaftsarchitekt: Yves Brunier Öffentlicher Platz Größe ca. 4000 m2 Ausgeführt 1989 – 1992

Das Centre international des Congrès Le Vinci von Jean Nouvel kreuzt wie eine schnittige Luxusjacht hinter dem Brunnen von Yves Brunier zwischen den Kreppmyrten auf.

92

Wenn die Kreppmyrte in heißen Sommern ihrem Ruf als „Flieder des Südens“ alle Ehre macht und mehr als 50 Lagerstroemia indica über der Place du Général Leclerc ihren violett-rosa Blütenschirm aufspannen, vergisst man fast, dass man sich auf dem Bahnhofsplatz in Tours befindet. Im Zentrum des Platzes rauscht Wasser, der Klangteppich überlagert den Lärm der Autos, die nicht nur den Platz umkreisen, sondern auch unter ihm geparkt werden. Lässt man sich auf einer der vielen Bänke im Schatten der kleinen, malerischen Blütenbäume nieder, dann blendet der dichte, etwa eineinhalb Meter hohe Heckenrahmen aus streng geschnittenen Eiben an den Rändern des Platzes den umgebenden Straßenverkehr auch visuell aus. Selbst die Lüftungsschächte der Tiefgarage verschwinden im dunklen Grün der Eiben. Die Illusion eines Fliedergartens inmitten der Stadt könnte perfekt sein, wenn sich am Boden ein Teppich aus Gräsern oder Stauden ausbreiten würde. Statt dessen wachsen die kleinen knorrigen Baumstämme mit ihrer glatten grauen Borke aus einer homogenen Granitfläche und diagonal durch den rasterförmig gepflanzten Hain zieht sich eine breite Schneise, die sich zwischen den zwei großen städtebaulichen Brennpunkten aufspannt: dem alten, stattlichen Bahnhofsgebäude im Süden und dem futuristischen, stromlinienförmigen Kongressgebäude Le Vinci im Norden.

Ihre Neugestaltung verdankt die Place du Général Leclerc einem Architekturwettbewerb zum Bau des neuen Centre international des Congrès Le Vinci und einer Tiefgarage unter dem angrenzenden Platz aus dem Jahr 1989. Der junge französische Landschaftsarchitekt Yves Brunier, Mitarbeiter im erfolgreichen Wettbewerbsteam von Jean Nouvel, entwickelte die neue, urbane Identität des Platzes. Nachdem Nouvel den Wettbewerb gewonnen hatte und mit dem Bau des Kongressgebäudes beauftragt worden war, beschloss die Stadt, die Platzgestaltung als gesonderten Auftrag an Yves Brunier und seine Partnerin, die Landschaftsarchitektin Isabelle Auricoste, zu vergeben. Nach drei Jahren Planungs- und Bauzeit wurde das bemerkenswerte Projekt 1992 fertig gestellt, zu spät für Yves Brunier: Er starb 1991 im Alter von 29 Jahren an Aids. Brunier, der nach seinem Studium in Paris zunächst bei Rem Koolhaas gearbeitet und in dessen Büro OMA seine Blitzkarriere begonnen hatte, suchte nicht nach harmonischen Naturbildern in der Stadt. Er kultivierte in seinen Entwürfen vielmehr eine schöpferische Strategie, in der das scheinbar Widersprüchliche des urbanen Alltags, die Brüche zwischen Natur und Kultur zu neuen Sinnzusammenhängen verschmolzen. Nirgendwo kam diese Methode deutlicher zum Ausdruck als in Bruniers künstlerischen Bildcollagen, mit denen er den Charakter seiner geplanten landschaftsarchitektonischen Interventionen treffsicher ausdrückte. Analog zu seinen Collagen, wenn auch nicht immer in gleicher Virtuosität wie bei seinen Experimenten auf Papier, setzten sich Bruniers Projekte konzeptionell meist aus Fragmenten unterschiedlicher Bilder, Situationen oder Ideen zusammen, die er zu erfrischend unkonventionellen Kompositionen verband, ohne dass die Einzelelemente ihre Identität verloren. Bruniers Arbeiten spiegelten damit eine Zerrissenheit und einen Schwebezustand wieder, die nicht nur für sein Leben prägend waren, sondern auch das aktuelle Lebensgefühl der modernen Gesellschaft charakterisieren. Die Place du Général Leclerc ist sowohl Vexierbild als auch Collage. In einer rasterförmigen Grundstruktur sind von den Bäumen bis zu den Bänken alle Elemente fest im flächendeckenden Granitbelag verankert. Auch der direkte seitliche Verbindungsweg zwischen dem Bahnhof und dem nahe gelegenen Park ist durch eine Eibenhecke vom eigentlichen Platz getrennt und mit linear aufgereihten Magnolien gesäumt. Zum Hybrid zwischen öffentlichem Platz und Garten wird die Anlage erst durch die Kombination zwischen kontrollierter urbaner Härte und verschwenderischer Blütenpracht. Beim zentralen Gestaltungselement, dem Brunnen, kommt hingegen deutlich das Collagenhafte des Projektes zum Ausdruck. In die diagoPlace du Général Leclerc in Tours

Streng geschnittene, dunkle Heckenkörper aus Eiben fassen den Platz an den Rändern kraftvoll ein.

Vor dem „Flieder des Südens“ wirkt der wassergekühlte Glaskörper des Brunnens fast eisig.

93

nale Schneise, eingespannt zwischen den gläsernen Fassaden des Kongressgebäudes und des Kopfbahnhofes, setzte Brunier einen großen, etwa 23 Meter langen Brunnen, dessen mandelförmiger Grundriss im Plan wie ein eigenwilliger, aus der Ordnung ausscherender Fremdkörper wirkt. Der Brunnen ist zugleich eine große Lichtöffnung für die unterirdische Parkgarage. Über dieser Öffnung liegt ein auffallender bläulich-grünlicher Glaskörper, der wie ein umgekippter Schiffsrumpf das Oberlicht schließt. Aus einer ganzen Batterie von Düsen spritzen kräftige Wasserstrahlen rundum auf den Glaskörper, spülen und kühlen ihn. Aus der Tiefgarage betrachtet meint man, ein Fluss ströme über das Dach hinweg. Ein eindrucksvolles Schauspiel, wäre da nicht die massive Tragkonstruktion des Glaskörpers, die die Wirkung erheblich beeinträchtigt. „Glacis d’eau“ vermerkte Yves Brunier unter seiner Aquarellskizze zum Projekt und wünschte sich einen großen Eisberg mitten im Platz. Die eisige Farbe des Glaskörpers, die kühle Luft und das kräftige Rauschen bestimmen die Atmosphäre rund um den Brunnen. Mitten im rötlich glühenden Blütenmeer der sonnenhungrigen Lagerstroemia wirkt der bläuliche Wasserkörper noch eisiger, sein Kontrast zur Umgebung noch schärfer. Im Hintergrund der Gischt gleicht Jean Nouvels Bauwerk plötzlich der Brücke eines modernen Luxusliners, welcher sich in den Platz schiebt. Nachts prägt eine sanfte, indirekte Lichtführung den fließenden Charakter der Place du Général Leclerc. Dann wird der Brunnen von innen beleuchtet und liegt wie eine schwere fluoreszierende Kreatur mitten im Platz, lockt mit seinem magischen Licht urbane Nachtschwärmer an. Nur die bunten Neonreklamen über den Baumkronen signalisieren das pulsierende nächtliche Leben der Stadt.

Im Gegenlicht ergießt sich ein funkelnder Wasserteppich über die Wölbung der Glaskuppel.

94

Der dichte Bestand kleinwüchsiger Lagerstroemia indica mit ihren knorrigen Stämmen verleiht dem Stadtplatz eine intime Atmosphäre.

Zwischen den gläsernen Fassaden des neuen Kongressgebäudes und des alten Kopfbahnhofes von Lyon entfaltete Yves Brunier neue Raum- und Aufenthaltsqualitäten.

Nachts von innen beleuchtet, liegt der Brunnen wie ein fluoreszierender Riesenorganismus mitten auf dem Platz.

Place du Général Leclerc in Tours

95

Place de la Bourse in Lyon

Geparkter Buchs am Börsenplatz Landschaftsarchitekt: Alexandre Chemetoff Öffentlicher Platz Größe 2.100 m2 Ausgeführt 1993

Schon wenige Jahre nach der Realisierung wirkte der Börsenplatz in Lyon mehr als üppig begrünt.

96

Als in Lyon das Palais du Commerce, erbaut von René Dardel, im August 1860 von Napoleon III. feierlich eröffnet wurde, galt der Prunkbau als Sinnbild für den erhofften Erfolg kaiserlich-liberaler Wirtschaftspolitik. Damit die opulent verzierte Nordfassade des Bauwerks richtig zur Geltung kommen konnte, schuf man im dicht bebauten Stadtgefüge einen kleinen Vorplatz, die Place de la Bourse, der Börsenplatz. Als die Handels- und Bankenstadt mehr als 100 Jahre später infolge des Golfkrieges von 1991 wieder einmal in eine wirtschaftliche Stagnationsphase geriet, hatte das nicht nur für die Place de la Bourse, sondern für das gesamte Stadtbild von Lyon gravierende Folgen: Man nutzte die Pause im Bauboom, um 1992 den Entwicklungsplan „Lyon 2010“ zu beschließen. Mit ihm sollte die Attraktivität der Stadt gesteigert werden, ohne dabei jedoch die vorhandenen städtebaulichen und architektonischen Qualitäten zu gefährden. Die Um- und Neugestaltung der innerstädtischen Freiflächen zählte neben dem Plan zur Behandlung der Flussufer und dem Beleuchtungsplan zu den wichtigsten Maßnahmen. Viele der einst so attraktiven städtischen Plätze, wie die Place de la République, die Place Antonin Poncet, die Place des Terreaux oder die Place de Célestine, sowie die Fußgängerzone Rue de la République waren mittlerweile – wie in den meisten Großstädten Europas – zu tristen Parkplatzflächen verkommen. Keiner der heute so attraktiven Plätze in der historischen Stadtmitte von Lyon wäre ansprechend zu gestalten gewesen, hätte man den ruhenden Verkehr nicht konsequent in unterirdische Parkgaragen verbannt. Für mehr als 3000 Autos mussten deshalb zentrumsnahe Tiefgaragenplätze geschaffen werden, und selbst dabei legte man noch auf architektonische Gestaltung großen Wert. An der Place de Célestine, anspruchsvoll umgewandelt von den Landschaftsarchitekten Michel Desvigne und Christine Dalnoky, kann der Besucher heute durch ein Periskop des Künstlers Daniel Buren einen interessanten Blick in die Unterwelt werfen und sieht keineswegs nur zweckmäßig beleuchtete Stellplätze. Auch unter der neu gestalteten Place de la Bourse, einem Projekt des französischen Landschaftsarchitekten Alexandre Chemetoff, befinden sich 560 unterirdische Stellplätze. An der Oberfläche „parken“ hingegen, in sieben parallelen Reihen zwischen der Rue de la Bourse und der Rue de la République, 126 kugelig geschnittene Buchsbäume in überproportionierten Tontöpfen. Die Töpfe werden über Öffnungen im Boden automatisch bewässert und signalisieren deutlich, dass sich unter der Oberfläche des innerstädtischen Platzes kein gewachsenes Erdreich befindet.

126 Buchsbäume in übergroßen Tontöpfen erzeugen ein eigenartiges Proportionsgefühl.

Opulente Topfpflanzen vor der Prachtfassade des Palais du Commerce.

„Buchsparade“, am Boden gegliedert durch die Lüftungsschlitze der Tiefgarage.

Place de la Bourse in Lyon

97

Ein einfacher Natursteinblock als Brunnen und leise plätschernder Auftakt zum begrünten Stadtplatz.

1994 wirkte die Place de la Bourse noch relativ offen.

98

Dies Bekenntnis zum städtischen Charakter der Freiräume und die Ablehnung vordergründig dekorativer Naturimitationen zur Kaschierung technischer Bauten im Untergrund kennzeichnet alle neuen Plätze in Lyon. Mit Ausnahme der Place de la Bourse wurde zudem auf die intensive Begrünung der erneuerten Stadträume weitgehend verzichtet. Dadurch kommen die charakteristischen Raumproportionen und die prächtigen Gebäudefassaden besonders gut zur Geltung. Im Kontrast zu den dichten Stadträumen erlebt man die Grünflächen der Stadt, die Baumkulissen entlang der Flussläufe und die Parklandschaft am Fuß der Kathedrale, besonders intensiv. In gleicher Weise wirkt auch die Place de la Bourse im Gefüge der zurückhaltend begrünten Umgebung wie eine wertvolle, überraschend grüne Ruheinsel mitten in der Stadt. Ein leise sprudelnder Brunnen, ausgeführt als einfacher massiver Granitblock, wurde am Rand der ruhigeren Rue de la Bourse auf die Granitplattenfläche des Platzes gesetzt. Er spiegelt mit seiner quadratischen Wasseroberfläche bewegte Lichtreflexe in die Baumkronen der Ahorne. Bäume wachsen nur am Nordrand des Platzes, wo beim Bau der Tiefgarage entsprechend dimensionierte Pflanztröge integriert wurden. Chemetoff legte Wert darauf, die Pflanzen der Höhe nach gestaffelt so zu setzen, dass sie die Fassade der Handelskammer nicht verdecken. An dieser Schaufassade wurden niedrigwüchsige Felsenbirnen und geschnittene Kirschlorbeerhecken in lineare Pflanzbeete gesetzt. Die frei wachsenden Baumkronen stehen in lockerem Kontrast zu den streng geschnittenen Buchsbäumen und Heckenbändern. In diese wurden immer wieder Nischen eingefügt, in denen Parkbänke die Passanten zum Sitzen einladen. Wenn es Nacht wird in Lyon, zeigt sich, mit welchem Erfolg der Beleuchtungsplan umgesetzt wurde: An den schönsten Plätzen der Stadt verzichtete man auf grelle Schaufensterbeleuchtungen zugunsten

Die geschnittenen Buchskugeln haben im Alter an Präzision, vor allem aber an Charakter gewonnen.

einer unaufdringlichen, gezielten Illumination der prächtigen Gebäudefassaden. An der Place de la Bourse erstrahlt die Schauseite von René Dardels Prachtbau in gedämpftem Licht und Bodenstrahler auf dem Platz sorgen für stimmungsvolle Beleuchtung des Grüns. Der gelungenen Zusammenarbeit von Architekten, Landschaftsarchitekten, Künstlern und Ingenieuren ist es zu verdanken, dass die innerstädtische „Mission presqu’île“ für das historische Stadtzentrum so erfolgreich war. Heute gilt Lyon international als Vorbild für gekonnte innerstädtische Freiraumgestaltung.

Place de la Bourse in Lyon

Knapp zehn Jahre nach Eröffnung scheint der Stadtplatz fast im Grün zu versinken.

99

Les Jardins de l’Imaginaire in Terrasson

Fragmente der Gartengeschichte Landschaftsarchitektin: Kathryn Gustafson Öffentliche Anlage Größe ca. 6 Hektar Ausgeführt 1995

Vom Städtchen Terrasson-la-Villedieu führt der Weg aus dem Tal hinauf in die Jardins de l’imaginaire.

Über sanfte, mit Lavendel bepflanzte Rasenwellen hinweg blickt man vom Garten hinunter ins Tal der Vézère.

100

Das französische Städtchen Terrasson-la-Villedieu im Périgord, malerisch im Tal der Vézère gelegen, wurde Mitte der neunziger Jahre mit einer neuen gartenkünstlerischen Attraktion ins Licht des touristischen Interesses gerückt. Les Jardins de l’Imaginaire zählen laut regionalem Tourismusverband neben drei klassischen Gärten zu den „quatre jardins exceptionnels en Dordogne“. Die amerikanische Landschaftsarchitektin Kathryn Gustafson schöpfte bei der Konzeption des Parks aus dem reichen Gartenrepertoire früherer Jahrhunderte. Denn als Terrasson zu Beginn der neunziger Jahre den Wettbewerb für einen Landschaftspark in Hanglage oberhalb der Stadt auslobte, hatten die Initiatoren einen Garten vor Augen, der die Finesse berühmter italienischer Renaissancegärten mit der Grandezza legendärer französischer Barockanlagen und der zeitlosen Eleganz japanischer Meditationsgärten verbinden sollte. Bereits im Wettbewerbsplan mit seinen eleganten, wie im textilen Faltenwurf fließenden Grundformen wurde deutlich, dass Gustafson nicht danach strebte, historische Einzelmotive seriell aneinanderzureihen. Sie entwarf vielmehr eine Art Gesamtkunstwerk, das sie in die teilweise skulptural modellierte Topographie einbettete. Den Steilhang ließ sie mit sanft gewellten Terrassen überziehen und diese monochrom mit Stauden und Gräsern bepflanzen. Von weitem erinnert das Relief an die Spuren eines Pfluges und damit auch an die ehemalige landwirtschaftliche Nutzung des Terrains. Wie ein erzählerischer Faden zieht sich der Hauptweg des Parks durch einen Eichenwald und offene Wiesenflächen den Hang hinauf. Ein Potpourri designerischer Accessoires, vom goldenen Ariadnefaden Fil d’or in den Bäumen bis zu großen Windspielen entlang der Axe des vents oder Glöckchen in den Eichen des Bois sacré, soll die Bedeutung der Garten- und Bildsequenzen unterstreichen.

Wasser – das Lebenselixier eines jeden Gartens – spielt im gesamten Park eine tragende Rolle und erzählt Geschichten aus allen Epochen der Gartenkunst. Mal füllt es eine scheinbar endlose, barock anmutende Wasserachse, dann wieder – am südlichsten Punkt des Parks – belebt es ein Wasserparterre, das an die klassischen Renaissancegärten erinnert, in denen der Wasserlauf als Sinnbild des Lebens im Mittelpunkt stand. Während im historischen Vorbild das lebenspendende Element bevorzugt in einer geheimnisvollen Quellgrotte entsprang, beginnt der Fluss in den Jardins de l’Imaginaire irgendwo am Waldrand und fließt über eine architektonisch gestaltete Wassertreppe zwischen blauen Duft- und Blütensträuchern hinunter in den Fôrets des jets. Hier schießt aus einem gepflasterten Tableau ein ganzer Wald aus Wasserfontänen in die Höhe; ein zauberhaftes Motiv, das vor allem in den manieristischen Gärten der Renaissance meisterhaft in Szene gesetzt wurde. In den berühmten Gärten des 16. und 17. Jahrhunderts fand der Lauf des Wassers sein Ende meist in einem prachtvollen Wasserparterre oder einem großen ruhigen Wasserspiegel, der das Meer und zugleich das Ende des Lebensweges versinnbildlichte. In Gustafsons Garten endet der Lauf unvermittelt in einem Rückhaltebecken aus Beton auf der untersten Gartenterrasse. Nur wenige Schritte weiter gelangt man zur stählernen Pergola der Roseraie, einem von Rosen umrankten Raum auf etwa 1000 Quadratmetern Grundfläche. Auch diese Struktur ist der Topographie angepasst und wirkt von weitem wie ein fliegender Blütenteppich, unter dem die Besucher den duftenden Schatten genießen können. Les Jardins de l’Imaginaire in Terrasson

Die Erdformationen erinnern auch an die ehemalige landwirtschaftliche Nutzung der Kulturlandschaft.

Eine mit Windspielen abgesteckte Achse verknüpft den Garten visuell mit Terrasson.

101

Durch den Eichenwald wandert man entlang des goldenen Ariadnefadens Fil d’or in den nächsten, offeneren Gartenraum.

Das Théâtre de verdure, ein Freilichttheater empfängt den Besucher in einer halbmondförmigen Waldlichtung.

Einfache, elegant geschwungene Bänke aus schwarz lackiertem Stahl spiegeln das Tageslicht ebenso wie der rätselhafte halbmondförmige Stausee, den man zu erkennen glaubt.

102

Aus dieser Perspektive betrachtet gibt sich die Spiegelfläche als Glasdach zu erkennen.

Im Inneren des Wintergartens befinden sich lichtdurchflutete Ausstellungs- und Veranstaltungsräume.

Wie eine gewaltige Bastion, errichtet aus Gabionen, thront der Wintergarten von Ian Ritchie am Oberhang des Gartens.

Folgende Doppelseite: Im Wassergarten mit seinem Fôret des jets schießt ein ganzer Wald von Wasserfontänen in die Höhe, umspült von aromatischem Blütenduft.

Les Jardins de l’Imaginaire in Terrasson

103

Auf etwa 1000 Quadratmetern Fläche schmiegt sich an den Hang im Tal die Roseraie, das Rosarium an.

106

Noch einmal taucht das Motiv des Flusslaufes auf, diesmal jedoch auch für jene lesbar, die in der Gartenkunstgeschichte weniger bewandert sind. Den fünf großen Strömen der Erde, Euphrat, Nil, Ganges, Mississippi und Amazonas, widmet die Landschaftsarchitektin je einen kleinen Brunnen, aufgereiht entlang des Weges durch den Bois sacré. In fünf Steinplatten wurde jeweils das Delta eines Flusses eingraviert. Ein wenig Wasser rinnt auch hier durch die Gravuren und belebt die verästelte Grafik. Verblüfft glaubt man am Hang des Parks von weitem einen zu Eis erstarrten, halbmondförmigen Stausee zu erkennen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um das weitgespannte Glasdach des Wintergartens, der vom Architekten Ian Ritchie entworfen wurde. Würden nicht Wasserkanal und Geländer vom Betreten des Daches abhalten, wäre die Illusion perfekt. Die massiven Wände des Bauwerks wurden aus Gabionen errichtet, die einerseits an das traditionelle Trockenmauerwerk in terrassierten Rebhängen erinnern und den Bau zugleich wie einen gewaltigen Findling wirken lassen. Sein massiges, aus dem Hang hervortretendes Äußeres steht in reizvollem Kontrast zum lichtdurchfluteten Inneren der Orangerie, in der Zitrusgewächse ihren Duft verströmen. Die Form des Dachs spiegelt sich oberhalb des Gebäudes im Théâtre de verdure, dem Freilichttheater, das als halbmondförmige Lichtung in den Hang modelliert und mit einfachen, elegant geschwungenen Bänken aus schwarz lackiertem Stahl möbliert wurde. „Die Gärten der Welt lassen sich nicht kaufen. Aber erklären können wir sie“, erläutert Kathryn Gustafson ihren ehrgeizigen Entwurf. Doch am Ende erklären die Jardins de l’Imaginaire nur sich selbst. Der Rest bleibt Imagination, und das ist gut so.

Die stählerne Pergola wird von einem Blütenteppich überwuchert, der duftenden Schatten spendet.

Ein scheinbar endloser, barock anmutender Wassertisch zieht eine harte Horizontallinie in die Gartenlandschaft.

Im Schatten duftender Rosen wird der Aufenthalt im Rosarium zum besonderen Genuss.

Les Jardins de l’Imaginaire in Terrasson

107

Garten der Gewalt in Murten

Die Utopie vom friedlichen Garten Landschaftsarchitekten: Vogt Landschaftsarchitekten Temporäre öffentliche Anlage Größe ca. 5.000 m2 Ausführung zur Schweizer Landesausstellung EXPO.02 in 2002

Eine Holzbrücke, mit Blick auf den Lac de Morat im Hintergrund, führt vom Garten in den oberen Stock der alten Mühle.

108

„Gewalt tun und erleiden. Offen oder verdeckt, verschwiegen gar. Als Irritation, Verstörung, Misshandlung, Unterdrückung. Es gibt, gerade im Alltag, unzählige Formen, Ursachen und Auswirkungen von Gewalt. In einem aber sind sie gleich – ihre Bilanz kennt erst einmal Opfer. Selbst dort, wo wir meinen, Gewalt mit Zwangsläufigkeiten zu erklären, als Abschreckung oder Verteidigung rechtfertigen zu können. Ist es möglich, diese Problematik bewusst zu machen, auszustellen gar? Wie lassen sich jene Momente der Berührung herbeiführen, die sich der Gewöhnung widersetzen? Viele Bilder haben sich abgenutzt.“• Ausstellungsleiterin Eva Afuhs und Martin Heller, künstlerischer Direktor der Schweizer Landesausstellung EXPO.02, ahnten, wie schwierig es werden würde, dem omnipräsenten Phänomen der Gewalt im Rahmen eines temporären Gartens am Rande der Altstadt von Murten einen markanten Ausdruck zu verleihen, und doch entschlossen sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und das Schweizerische Rote Kreuz sowie die Stiftung Avina zur Realisierung dieses EXPO-Projektes. Auch dem Landschaftsarchitektenteam unter der Leitung von Günther Vogt wurde in intensiven Diskussionen im Vorfeld der spektakulären Landesausstellung 2002 rasch klar, dass jeder Versuch, einen Garten mit symbolischen Gewaltdarstellungen auszustatten, angesichts realer Gewaltszenarien, deren Bilder alltäglich präsent sind, unweigerlich zum Scheitern verurteilt sein würde. Und so schufen Vogt Landschaftsarchitekten in der attraktiven Hanglage rund um das Ortsmuseum, einem restaurierten historischen Mühlengebäude, eine anspruchsvoll gestaltete, terrassierte Parkanlage. Die eigentliche Auseinandersetzung mit dem gestellten Thema der Gewalt überließen sie augenscheinlich einer Gruppe von bildenden Künstlern, die sich in einzelnen Installationen, darunter Klang- und Lichtinstallationen, Plakatwände, Glasvitrinen und eine Art „Aggressionsparcours“ mit Anweisungen zu gestischen Gewaltprovokationen, angestrengt darum bemühten, den Schrecken von Gewalt wirkungsvoll zu vermitteln. Um dem tatsächlichen Schrecken globaler Gewalt jedoch auch nur annähernd Ausdruck zu verleihen, hätte es wohl anderer, vielleicht entschiedenerer Interventionen bedurft, die aber – man denke etwa an die schockierenden Exponate des englischen Künstlers Damien Hirst – den EXPO-Besuchern die heitere Ausstellungslaune wahrscheinlich gründlich verdorben hätten. „Der Garten, der sich als heile Welt ausgibt, ist eine Utopie, ein Ort, den es nicht gibt“, stellte Günter Vogt treffend fest und hinterfragte damit die Idealvorstellungen vom Garten als Abbild des einst verlorenen

Afuhs, Eva, Heller, Martin: „Spuren der Gewalt“ in: SRK – Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.): Garten der Gewalt. Jardin de la violence. Giardino della violenza. Bern 2002; S.7

Vogt, Günther: „Der Garten der Gewalt“ in: SRK Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.): Garten der Gewalt. Jardin de la violence. Giardino della violenza. Bern 2002; S.30

Paradieses auf Erden, • an die sich viele Gartenliebhaber hartnäckig klammern. In seinem temporären Projekt am Neuenburger See ließ sich die skeptische Haltung gegenüber idealisierten Gartenbildern an zahlreichen feinen Unstimmigkeiten ablesen, die die Parkanlage konsequent durchsetzten. So erschien die Hanglage mit ihren Rasenstufen, vom höchsten Punkt des Geländes aus betrachtet, wie ein sanfter grüner Teppich. Vom Hangfuß aus gesehen dominierten jedoch pechschwarze Industrieförderbänder das Bild, denn die Stützmauern der zahlreichen Stufen waren mit diesem künstlichen Hartgummimaterial verkleidet worden und zwängten die Terrassen scheinbar in robuste, unnachgiebige Fesseln. Ebenso irritierend wirkten zwei kleine cremefarbene Pavillons in den dicht bewaldeten Teilen des Parks. Was von Weitem leicht und einla-

Temporär wurde die Hanglage hinter dem Ortsmuseum in Murten in eine ausdrucksstarke Terrassenlandschaft verwandelt.

Seltsam exotisch, aber auch reizvoll wirkte das Gartenensemble aus Rasenterrassen, Baumfarnen und Olivenbäumen.

Garten der Gewalt in Murten

109

Der kalte Eisblock im Garten entpuppt sich als Häuschen aus Wachs, undurchsichtig, unbegehbar, unergründbar.

Die traditionelle Gartenlaube lieferte das Vorbild für die monolithisch wirkenden Wachshäuschen, eingeschmolzen in den Birkenhain.

110

dend wirkte, stellte sich bei näherer Betrachtung als massive Wachsblöcke heraus, in die empfindliche Naturmaterialien, darunter zarte Pfauenfedern, frische Farnwedel und zerbrechliche Schneckenhäuser, eingeschmolzen und damit in fragwürdiger, ewig jugendlicher Schönheit konserviert worden waren. Selbst die Stämme junger Birkenbäume im frisch gepflanzten, dichten, viel zu dichten Hain östlich der alten Mühle waren offensichtlich in Wachsblöcke eingegossen worden und schienen wie gewaltsam in ein Korsett geschnürt. Wachs bildete zudem das Grundmaterial, mit dem ein Brunnen und ein kleiner

Bachlauf, gestaltet als Wassertreppe, ausgebildet worden waren. Ob sich das wärmeempfindliche Material, sobald das kühlende Wasser nicht mehr fließen würde, wohl in der heißen Sommerhitze verformen, Bachlauf und Brunnen womöglich schmelzen und damit zerstört würden? Fest und formbar zugleich, setzte das Wachs ebenso ambivalente wie attraktive Akzente im Garten der Gewalt. Zusätzliche Irritationen wollten die Landschaftsarchitekten durch die Pflanzung fremdartiger Gehölze erzeugen, die das Gefühl heimatlicher Vertrautheit stören sollten: knorrige Olivenbäume in traditionell bäuerlich geprägten Gemüse- und Kräuterbeeten, oder exotische Baumfarne inmitten teppichartiger Bestände aus heimischen Farnarten. Den meisten Parkbesuchern fielen diese subtilen Irritationen allerdings in ihrer EXPO-Begeisterung kaum auf. Hingegen erregte ein

Scharfe Kontraste zwischen dem Weiß der dicht gepflanzten Birkenstämmchen und dem schwarzen Gummi der Stützmauern prägten das Bild.

Auch die Wassertreppe, hier die Hanglage gliedernd, hat ihre traditionellen Vorbilder in der klassischen Gartenkunstgeschichte.

Weiches Wachs, mit Hartgummi bandagiert, bildet einen kleinen Wasserlauf.

Garten der Gewalt in Murten

111

Der alte Brunnen bei der Mühle, ertränkt im eigenen Wasser, seltsam morbide wirkend und dennoch schön.

112

historischer Brunnen bei der Mühle, den man mit einem neuen Beckenrand eingefasst hatte, spürbar die Verwunderung des Publikums: Der alte Brunnen ertrank scheinbar im eigenen Wasser und war unter der neu geschaffenen Wasseroberfläche manchmal nur noch geisterhaft fahl erkennbar. Wo die landschaftsarchitektonisch ausgeklügelten Bilder subtiler Gewalt allzu raffiniert angelegt waren, um den generellen Eindruck ungestörter Gartenschönheit nennenswert zu stören, wirkten künstlerisch inszenierte Aggressionsschreie aus dem Blumenbeet, per Lichtschranke ausgelöst, nicht nur austauschbar sondern auch penetrant überinszeniert und letztlich geradezu lächerlich. Der Garten der Gewalt wollte sich weder als Spektakel noch als Plädoyer präsentieren, sondern vielmehr das Bewusstsein dafür schärfen, dass Gewalt ein alltäglicher Bestandteil unserer Lebensumwelt ist, der nur durch sensible Aufmerksamkeit auszumachen und auf diesem Wege vielleicht zu beherrschen ist. Diese konzeptionelle Gratwanderung war kaum erfolgreich zu bewältigen. Jeder noch so paradiesisch anmutende Garten, jede augenblicklich noch arkadisch wirkende Landschaft kann im Handumdrehen zum Schauplatz brutaler Gewalt werden. Gerade diese urplötzlich auftretenden Brüche im scheinbar heilen Weltbild sind es, die so verstörend wirken. Viele der heute als reizvoll betrachteten Kulturlandschaften, wie etwa die vietnamesi-

Aus dem schattigen Tälchen wagt sich der Farn zögernd ans grelle Sonnenlicht.

schen Reisfelder, waren nicht nur Schauplatz blutiger Kriegsgeschehnisse, sondern sind teilweise sogar – wie am Beispiel der von Zwangsarbeitern kultivierten deutschen Moorlandschaften nachzuvollziehen – das direkte Ergebnis brutaler Gewaltherrschaft von Menschen über Menschen. Einem wirksamen menschlichen Verdrängungsmechanismus ist es zu verdanken, dass Gärten und Landschaften nach wie vor als Symbole für friedfertiges Leben und kultivierte Natur gelten. Der Garten als heile Welt ist – rational betrachtet – tatsächlich eine Utopie, und doch lieben wir die Vorstellung vom irdischen Paradiesgarten, in dem Gewalt keine Macht besitzt.

Ein Hauch von betont subtropischer Exotik mitten in der Schweiz umgab den Wald aus Baumfarnen.

Garten der Gewalt in Murten

113

Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon

Leere Sockel im Buchsparterre Landschaftsarchitekten: Kienast Vogt Partner/Vogt Landschaftsarchitekten Private Parkanlage Größe 2,3 Hektar Ausgeführt 1996 – 2000

Wie vor 80 Jahren prägt noch heute die Villa des Bodmergutes das Zentrum der Parkanlage in Rüschlikon. Im Vordergrund eine Skulptur von Ulrich Rückriem.

114

Besuchte man Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Industriemagnaten Carl Martin Leonhard Bodmer und seine Frau Anna Vogel auf ihrem Landsitz in Rüschlikon, bog man von der Landstrasse in eine Allee und ließ sich von den Linden hangabwärts in den üppig von Koniferen gefassten, schattigen Ehrenhof vor das Portal der großbürgerlichen, neobarocken Villa geleiten. Wem sich die Eingangspforte und schließlich sogar die großen Türen vom schönen Salon zur sonnigen Gartenterrasse öffneten, der konnte zwischen zwei Bäumen hindurch über das flankierende Buchsparterre mit Rosen hinweg in den zentralen Gartenraum blicken: auf einen großzügigen quadratischen Rasenteppich, seitlich gefasst von zwei Kastanienalleen und mit einem Brunnen in der Zentralachse, hinter dem sich am Horizont im Süden das malerische Alpenpanorama aufspannte. Bis heute ist das baumgerahmte Rasenquadrat aus den zwanziger Jahren das Herz der gesamten Anlage, doch der Brunnen ist ebenso verschwunden wie der Blick in die Alpen, den eine Kulisse aus großen Ahornbäumen verschließt. Wer heute das neue, großzügig konzipierte Centre for Global Dialogue der Swiss Re aufsucht, fährt an der Allee zum ehemaligen Bodmergut eher achtlos vorüber und verlässt die Straße erst da, wo kleine Baumgruppen und formgeschnittene Hecken die Vorfahrt zum eleganten Seminargebäude der Architekten Meili & Peter markieren. Es könnte in seiner stilistischen Zurückhaltung kaum in größerem Kontrast zur nahe gelegenen Villa stehen, welche die Architekten Richard von Sinner und Hans Beyeler 1926/27 historisierend im Stil bernischer Landschlösser des 18. Jahrhunderts errichteten. Gerahmt von neuen architektonischen Setzungen wirkt die historische Villa wie eine wertvolle Schmuckschatulle, deren Kostbarkeit durch die Veredelung der Fensterrahmen mit Blattgold ostentativ unterstrichen wird. Was Alt und Neu jedoch am deutlichsten verknüpft, ist der vermutlich vom Gartenarchitekten Vivell entworfene Villengarten, in dem sich von jeher architektonisch formale, „französische“ Gestaltungselemente mit landschaftlich freien, „englisch“ gestalteten Gartenteilen in reizvollem Kontrast verbanden. Diesem Gartenensemble wurden im Zuge der Neu- und Umbauten aktuelle gestalterische Gesichtszüge gekonnt hinzugefügt, zwischen 1996 und 1998 geplant von den Zürcher Landschaftsarchitekten Kienast Vogt Partner und bis zum Jahr 2000 realisiert von Vogt Landschaftsarchitekten. Kennzeichnend für die neue Gartengestaltung ist der Respekt vor dem historischen Gestaltungskonzept, eine dezente Akzentuierung vorhandener Parkelemente und eine taktvolle Neuinterpretation jener

Oberhalb des Zürichsees gelegen, profitiert die Parkanlage von jeher vom herrlichen landschaftlichen Ausblick, hier zum Nordufer des Sees.

Auf der Sonnenterrasse genießt man den Blick zum Zürichsee und bei klarer Sicht aufs nahe gelegene Alpenpanorama.

Folgende Doppelseite: Über das Buchsparterre hinweg blickt man aus der Villa zwischen alte Kastanienreihen, deren Mitte ein rechteckiger Wasserspiegel akzentuiert.

Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon

115

Am neu gestalteten Buchsparterre vorbei verbindet der Schattengang die alte Villa und das neuen Seminarzentrum.

118

Gartenteile, die den Lauf der Zeit oder die jüngsten Baumaßnahmen nicht überstanden. Mit Neupflanzungen verstärkt wurde etwa die pittoreske Kieferngruppe auf dem Rasenhügel beim neuen Haupteingang, den ein schmaler, gewundener Parkweg erschließt. Auf der Kuppe des Hügels, den das Tagungszentrum waagrecht durchkreuzt wie ein großer Luxusliner eine Ozeanwelle, ahnt man noch nichts vom tiefer gelegenen zentralen Gartenraum. Eine minimalistische Betonskulptur von Sol LeWitt hat sich kammförmig im Hügel verankert und lenkt den Blick hinunter zum Zürichsee. Erst an der meterhohen Stützmauer weiter unten überblickt man die beiden Buchsparterres mit ihren leeren Sockeln im Zentrum. Die schlecht erhaltenen Statuetten konnten nicht wiederhergestellt werden, doch anstatt sie zu rekonstruieren, ließ man die Sockel leer und verlieh den rechteckigen Parterres einen neuen, unarchitektonischen Ausdruck. Unterschiedliche Buchsarten in differenten Grüntönen zeichnen rätselhafte amorphe Formen, deren Bezüge zur ehemals neobarocken Anlage man vergeblich sucht. Das reizvoll ungewohnte Spiel mit Farben und Formen um die leeren Sockel zieht den Betrachter in seinen Bann. Die ungezwungen aktuelle Interpretation historischer Gartenkunstelemente setzt auf intelligente Weise neue, attraktive Akzente.

Auf überlieferten Grundrissen entstanden auch zwei lange Reflektionsbecken, moderne, scheinbar rahmenlos in den Boden eingelegte Spiegelflächen, die ins schattige Grün der beiden alten Kastanienalleen stimmungsvolle Lichtreflexe werfen und in der Spiegelung die irritierende Leere der Sockel in den Buchsparterres verdoppeln. Das westliche Wasserbecken führt an jene Schlüsselstelle, wo sich das Seminargebäude durch die Kastanien an den zentralen Grünraum schiebt, um wie in einem Raumgelenk den Anschluss an das Herz des Parks zu finden. Vom großen, verglasten Seminarraum im weit auskragenden Obergeschoss genießt man den Blick in die Baumkronen und auf die Rasenfläche, die im Frühling von 400 000 Krokussen in einen farbenfrohen Blütenteppich verwandelt werden soll – eine willkommene Abwechslung inmitten der überwiegend monochromen Inszenierung aus fein abgestuften Grüntönen und unterschiedlichen Blatttexturen. Im Erdgeschoss gelingt an der Schnittstelle zwischen Alt und Neu die genussvolle Zuwendung zum Garten nur an der Glasfront der Bibliothek, die sich nach Osten jener Baumhalle öffnet, wo früher der Brunnen den Blickpunkt bildete. Ulrich Rückriem akzentuierte diesen Ort mit einer flach in den Boden eingelassenen, kraftvollen und farbig dezent vom Kiesbelag abgesetzten Natursteinskulptur. Dem Zürichsee entgegen gelangt man auf die große Aussichtsterrasse, die die Hangkante topographisch betont. Den großartigen Ausblick in die Landschaft an den Ufern des Zürichsees werden auch in

Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon

Große Fensterflächen holen das üppige Grün der Baumkronen ins Innere des modernen Seminargebäudes.

Wie große, rahmenlose Spiegel liegen die Wasserbecken zwischen den Kastanienreihen, flankiert von neuen architektonischen Einbauten.

119

Etwas unterhalb des Parks führt ein hangparalleler Weg durch artenreiche Pflanzungen zum Teehaus, betont durch drei Pyramidenpappeln.

Unterschiedliche Buchsarten in variierenden Grüntönen, Linden im Kastenschnitt und alte Rosskastanien fügen sich zu einem neuen Gartenensemble

120

Das neue Seminargebäude der Architekten Meili & Peter kragt in den alten Park aus und erlaubt einen wunderbaren Blick in die Baumkulissen.

Über eine breite Treppenanlage, flankiert von geschnittenen Linden, erreicht man von der Villa aus das Zentrum der Parkanlage.

Gestern wie heute beherrscht eine großzügige, von mächtigen Baumkulissen gerahmte Rasenfläche das Herz der alten Parkanlage.

Die minimalistische Betonskulptur von Sol LeWitt gräbt sich kammförmig in den Hügel und weist mit der Spitze in die Weite der Alpenlandschaft.

Centre for Global Dialogue der Swiss Re in Rüschlikon

121

Die alte Zufahrt zur Villa Bodmer, gesäumt von einer Lindenallee, spielt heute nur noch eine Nebenrolle.

Zukunft zwei markante Dreiergruppen von Säulenpappeln rahmen. Gehölze, die den Blick versperrten, ließ man roden und bepflanzte den Hang statt dessen mit einer ausgeklügelten Komposition aus Blütensträuchern und Stauden, die zu jeder Jahreszeit einen abwechslungsreichen Anblick bieten sollen. In den südostexponierten Geländevorsprung, dem Zürichsee zugewandt, bauten die Architekten ein von der Terrasse aus kaum sichtbares Teehaus mit Aussichtsterrasse, das man über eine schmale Treppe oder über den hangparallelen Panoramaweg durch die Blütensträucher erreicht. Vom Teehaus führt einen der Weg zurück und hinauf zum ehemaligen Gärtnerhaus an der Landstrasse. Hier begegnen sich nochmals architektonische Vergangenheit und Gegenwart auf engstem Raum, treffend prononciert durch ausdrucksvolle Baumgruppen. Das respektvolle, fein austarierte Zusammenspiel zwischen historischer Bausubstanz und neuer Architektur, zwischen alter Gartenkunst und aktueller Landschaftsarchitektur, vor allem aber das einfühlsame Gespräch zwischen Architektur, Landschaftsarchitektur und bildender Kunst lassen das Centre for Global Dialogue in Rüschlikon zu einem gelungenen architektonisch-landschaftlichen Ensemble werden. Scheinbar mühelos und mit der gebotenen Großzügigkeit wurden die vielfältigen funktionalen Ansprüche an ein modernes Seminarzentrum in das prestigeträchtige Gesamtprojekt integriert. In gewachsenen Kulturlandschaften neue Akzente zu setzen, ohne die vorhandenen Identitäten des Ortes zu zerstören, zählt mittlerweile zu den häufigsten aber auch schwierigsten Aufgabenstellungen in aktueller Architektur und Landschaftsarchitektur. Gelungene Interventionen zeichnen sich in vielen Fällen vornehmlich dadurch aus, dass sich Altes und Neues zu neuen Bedeutungszusammenhängen verbinden, ohne sich gegenseitig in ihrer Aussagekraft zu zerstören.

122

Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich

Ein Stadtgarten jenseits ökologischer Klischees

Hofmannsthal, Hugo von: „Lob des Gartens“ in: Killy, Walther (Hrsg.): Die Deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse. Band 7. München 1988; S.286

Kienast, Dieter: „10 Thesen zur Landschaftsarchitektur“ (1989) in: Professur für Landschaftsarchitektur ETH Zürich (Hrsg.): Dieter Kienast – Die Poetik des Gartens. Über Chaos und Ordnung in der Landschaftsarchitektur. Basel Berlin Boston 2002; S. 207

Einer der Großen in der jüngeren Geschichte europäischer Landschaftsarchitektur, Dieter Kienast, war sich nie zu schade, auch ganz kleine Gärten zu gestalten, und er hielt sich dabei an die Maxime von Hugo von Hofmannsthal: „Es ist ganz gleich, ob ein Garten klein oder groß ist. Was die Möglichkeiten seiner Schönheit betrifft, so ist seine Ausdehnung so gleichgültig, wie es gleichgültig ist, ob eine Bild groß oder klein, ob ein Gedicht zehn oder hundert Zeilen lang ist. Die Möglichkeiten der Schönheit, die sich in einem Geviert, umgeben von vier Mauern, entfalten können, sind einfach unmessbar.“• Es ist allerdings ebenso schwer, einem Gedicht mit wenigen Zeilen, einem Bild mit wenigen Pinselstrichen Ausdruckskraft und Sinngehalt zu verleihen, wie einen Garten mit einfachen Formen und wenigen Medien in einen besonderen Ort zu verwandeln – erst recht, wenn er nicht in der intimen Atmosphäre privater Abgeschiedenheit, sondern im öffentlichen Stadtraum entsteht und nach einer gewissen Robustheit verlangt. Immer wieder wird Einfachheit mit bloß zweckrationaler Gestaltung verwechselt und endet mit der Banalisierung von Freiräumen. Diese ist ebenso irreführend wie die gestalterische Überfrachtung im Interesse vermeintlicher „Gemütlichkeit“ oder „Belebung“. Vereinfachung und Reduktion bedeuten nicht nur Verzicht auf das Unnötige, sondern auch die Suche nach dem Allgemeingültigen, die Kultivierung des Selbstverständlichen. Dieter Kienast folgte in seinem umfangreichen Œuvre einer ganzen Reihe solcher wichtiger Grundsätze, vor allem was den Umgang mit städtischem Grün anbelangte: „Unsere Arbeit ist die Suche nach einer Natur in der Stadt, deren Farbe nicht nur grün, sondern auch grau ist“, lautete die erste seiner 10 Thesen zur Landschaftsarchitektur. • Ausgeprägtes Interesse am Städtebau und besonderes Gespür für Architektur zeichneten die Arbeit des 1998 verstorbenen Zürcher Landschaftsarchitekten besonders aus. Auch der kleine Garten des Ingenieurbüros Ernst Basler + Partner mitten in Zürich ist das Ergebnis gelungener interdisziplinärer Zusammenarbeit, in diesem Fall mit den Zürcher Architekten Romero und Schaefle, die ein ehemaliges Wohnhaus gekonnt in ein Bürohaus umwandelten. Sechsgeschossige Wohn- und Bürogebäude charakterisieren den vorderen Teil der Mühlebachstraße in der Nähe des Bahnhofs Stadelhofen. Wo früher Vorgärten die Erdgeschosszone nobler Stadthäuser prägten, befinden sich heute überwiegend Parkplätze. Die Idee, wieder einen Vorgarten in den Straßenraum zu bauen, war im Grunde also nicht neu und dennoch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation außergewöhnlich. Der bemerkenswerte Charakter des kleinen Gartens ergibt sich zudem aus der gelungenen Kombination von stringenter Gestaltung und klugem Umweltbewusstsein, ohne dass dabei rustikales Ökodesign entstand.

Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich

Landschaftsarchitekten: Kienast Vogt Partner Privatgarten an Bürogebäude Größe 300 m2 Ausführung 1995 – 1996

Die Mühlebachstrasse in Zürich: Der kleine aber feine Schirm aus geschnittenen Linden auf der linken Straßenseite signalisiert eine ungewöhnliche Gestaltungsidee.

123

Das Wasserbecken am Gehweg: Regenrückhaltebecken und urbanes Gestaltungselement in einem.

Für Kinder schier unwiderstehlich: Wasser im öffentlichen Stadtraum.

124

Der gesamte Vorgartenbereich ist nach seiner Erneuerung als etwa 50 Zentimeter hohe, stählerne Schublade ausgebildet, die sich von der Fassade bis an den Gehweg schiebt. Sie enthält ein Wasserbecken, einen Pflanzstreifen und eine Zone mit grobem, grünem AndeerSchotter, der eine Lindenpflanzung von der großzügigen Fensterfront im Erdgeschoss trennt. Die straßenseitige Begrenzung des Vorgartens bildet das Becken, das der Regenwassersammlung dient. Das gesamte Projekt stand unter der Prämisse, das anfallende Oberflächenwasser an Ort und Stelle zu verdunsten oder zu versickern, das heißt, in den Naturkreislauf zurückzuführen, anstatt es im städtischen Abwassersystem verschwinden zu lassen. Nahezu über die gesamte Länge der Gebäudefront spannt das Rückhaltebecken einen präzisen Wasserspiegel. Überschüssiges Dachwasser wird zunächst in den direkt angrenzenden Versickerungsstreifen eingeleitet, und erst wenn dieser die Wassermenge nicht mehr aufnehmen kann, muss ins städtische Entwässerungssystem abgeleitet werden. Eine unregelmäßige Reihe dicht gepflanzter Linden bilden mit ihren streng geschnittenen Baumkronen in der Höhe des ersten Gesimses ein dichtes Blätterdach, das an die Überdachung des Eingangsbereiches anschließt. Der Raum wird dadurch präzise formuliert und vermittelt ein neues Gefühl menschlicher Maßstäblichkeit. Bodenleuchten strahlen das Blätterdach nachts von unten an. Wie im Baukastensystem verbinden sich Stahl,Wasser, Stein und Bäume zu einem abstrakten, gut funktionierenden Gefüge städtischer Natur, das gartenidyllischen Klischeevorstellungen jedoch widerspricht. Passanten,

besonders Kinder, schätzen das Wasserelement im Straßenraum. Zugleich registriert der Wasserspiegel jeden Windhauch, der die Stadt durchzieht, reflektiert das Sonnenlicht in die Kronen der Bäume oder ins Innere der angrenzenden Büroräume. Bei der kürzlich erfolgten Erweiterung des Vorgartenbereichs wurde dieses attraktive Element leider nicht fortgeführt. Auch im engen, rückwärtigen Hof des Gebäudes spielt Wasser in unterschiedlichsten Erscheinungsformen die tragende Rolle. Vom zentralen Büroraum im Erdgeschoss blickt man wie auf eine surrealistische Schaubühne, deren Mittelpunkt ein überdimensionierter Betontopf akzentuiert. Er wurde von der Typologie des Ziehbrunnens abgeleitet und wird unterirdisch über ein speziell abgedichtetes Rohrsystem mit Dachwasser gespeist. Bei starkem Regen quillt der Topf über, und das Wasser versickert in der Hoffläche – im Prinzip eine mächtige Sickerpackung. Die Raumbegrenzung in der Tiefe bildet eine helle Tuffsteinwand, die von oben herab mit Regenwasser berieselt wird. Moose und Flechten siedeln sich auf der porösen Wand an und überziehen sie allmählich mit einem grünlichen Pelz, dessen aufmerksame Betrachtung sich lohnt. Stellenweise haben feine Gräser und Storchschnabelgewächse in den Ritzen und Spalten des Tuffs Wurzeln geschlagen. Sie ergänzen die pflanzensoziologisch interessante, kalkreiche Quellflur, und es entwickelt sich mit der Zeit in streng architektonischem Rahmen spontan ein vertikales Feuchtbiotop, mitten in der Stadt. Ein schmales Beet mit Sumpfiris trennte noch bis vor kurzem den kleinen Wasserkanal am Fuß der Wand von der wassergebundenen Decke aus grünlichem Kies.

Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich

Folgende Doppelseite: Vom Konferenzzimmer aus gesehen, beherrscht der überdimensionale Quelltopf den kleinen Lichthof.

Das kleine Vordach am Hauseingang und das geschnittene Laubdach der Linden ergänzen einander zu einem Ensemble.

125

Links die mit wildem Wein überwucherte Betonwand, rechts die spontan begrünte Kalktuffwand. Bei starkem Regen quillt der Brunnen über.

Von oben betrachtet wird deutlich, wie klein der Hof des Zürcher Bürogebäudes tatsächlich ist.

128

Das einfache Konzept der sich spontan begrünenden Wasserwand erinnert formal an die Minimal Art eines Donald Judd, konzeptionell aber auch an den höchst umstrittenen Brunnen der 1985 verstorbenen surrealistischen Künstlerin Meret Oppenheim auf dem Berner Waisenhausplatz. Dort wird eine acht Meter hohe, einfache Betonsäule mit Wasser berieselt und verwandelt sich seit 1983 zu einem ökologisch wertvollen „hängenden Garten“, dessen Bild den bürgerlichen Vorstellungen von Naturschönheit nicht entspricht. Auch im diesem, wie in vielen anderen Projekten von Dieter Kienast verbinden sich architektonische Form und natürliche Prozesse in enger Symbiose zu neuen Gärten jenseits überkommender Klischeevorstellungen. Die Natur in der Stadt kommt neu zur Sprache.

Vorgarten und Innenhof Geschäftshaus Basler + Partner in Zürich

Üblichen Klischeevorstellungen von Natur in der Stadt widerspricht der Moos-, Flechten- und Algenbewuchs. Von Zeit zu Zeit löst sich der schwere Pflanzenteppich und dann beginnt der Wachstumskreislauf erneut.

129

Oerliker Park in Zürich

Ein Park als Versprechen Entwurf: Zulauf, Seippel und Schweingruber Landschaftsarchitekten in Zusammenarbeit mit Hubacher und Härle Architekten Öffentliche Anlage Größe ca. 1,75 Hektar Ausführung 1999 – 2001

Die Liquidambarbäume im Vordergrund und die Eschen im Hintergrund wachsen allmählich zu einem dichten Hain heran.

130

Wohlwollende Kommentatoren charakterisieren den größten der vier neuen Quartierparks in Zürich-Oerlikon als „spröde“, doch all jene, die von einem Stadtpark malerische Baumgruppen auf grünem Rasenteppich erwarten, bezeichnen den Oerliker Park als Zumutung: Etwa 1000 Bäumchen, auf knapp zwei Hektar größtenteils unbegrünter Kiesfläche gepflanzt, stehen wie in einer Baumschule in strengem Raster und spenden kaum Schatten. Auf den Entwurfsplänen, mit denen sich die Landschaftsarchitekten Zulauf Seippel und Schweingruber 1996 im Wettbewerb gegen die Konkurrenz durchsetzten, sah „Wohnen am Park“ noch etwas anders aus: Computergenerierte Bilder versprachen eine grüne, schattige Baumhalle, wie man sie aus Pariser Stadtgärten oder vom zauberhaften Petersplatz in Basel kennt. Doch die Einlösung dieses verführerischen gestalterischen Versprechens hatten sich die Parkanwohner und -nutzer viel schneller erhofft. Warum auch nicht; schließlich lebt ein ganzer Zweig der Gartenindustrie vom Verkauf lieferfertiger Naturbilder, Instant-Grün mit Anwachsgarantie, das um so häufiger nachgefragt wird, je perfekter die Computersimulationen der Landschaftsarchitekten werden. In der Realität aber lässt sich das ideale Garten- und Landschaftsbild – sofern es überhaupt jemals wie geplant zustande kommt – weder per Mausklick beschleunigt erzeugen noch anschließend auf ewig konservieren, denn die einzige dauerhafte Eigenschaft der Natur ist ihr permanenter Wandel, sind Wachstum und Vergänglichkeit. In einem Land, dessen Perfektionismus in der Produktentwicklung und -fertigung unter dem Label „Made in Switzerland“ Weltruhm erlangte, fühlt sich der Landschaftsarchitekt Rainer Zulauf zunehmend von fertigten Bildern bedroht: „Architekten sprechen im Gegensatz zu uns Landschaftsarchitekten oft von fertigen Stimmungsbildern, die man wie in einem Bilderbuch aufklappen kann und die eine bestimmte Palette von Farben enthalten, aber sie sprechen nicht über die Veränderung. [...] Ich fühle mich von fertigen Bildern, von fixierten Bildern massiv betroffen. Je länger ich lebe, desto deutlicher merke ich, dass das Dazwischen viel wichtiger ist.“• Der Oerliker Park ist ein umstrittenes Dazwischen, in dem der kontinuierliche Prozess und weniger das fertige Produkt im Mittelpunkt stehen soll. Zürich-Oerlikon war seit Mitte des 19. Jahrhunderts einer der wichtigsten Industriestandorte der Schweiz und geriet in den achtziger Jahren in einen tief greifenden Strukturwandel, der die alten Maschinenindustriebetriebe verschwinden ließ. Auf 72 Hektar Fläche entsteht an der nördlichen Peripherie Zürichs seit Beginn der neunziger Jahre ein neuer Stadtteil, der von knapp sechs Hektar Freiflächen durchsetzt

Zulauf, Rainer in einem Interview mit dem Autor im Februar 2002

Einen kleinen Teil des Oerliker Parks prägt ein Bodenrelief aus grobem Kies mit eingefädelten Asphaltpfaden.

wird, die bestens an die umgebende Kulturlandschaft angebunden sind. Dass man die vergifteten Industrieböden nicht entsorgen konnte, sondern mit einer Asphaltdecke abdichten musste, auf der der Oerliker Park wie auf einem Tablett überlebt, war nur ein Teil der gravierenden Planungsprobleme. Darüber hinaus war zu Beginn des Projektes unklar, wie schnell der neue Stadtteil entstehen und sich mit Leben füllen würde. Was, wenn der Stadtpark nie von Stadt umschlossen werden würde? In Anbetracht dieser Unwägbarkeiten entwickelten Zulauf, Seippel und Schweingruber in Zusammenarbeit mit den Architekten eine verblüffend einfache Projektidee: Aus rasterartig eng gepflanzten Jungbäumen sollte allmählich ein von der Umgebung unabhängiges, dichtes Baumvolumen erwachsen, das wie eine große grüne Halle vielfältige Nutzungen aufzunehmen vermag.

Oerliker Park in Zürich

Das holzbeplankte Deck ragt in die östliche, etwas tiefer gelegene Hälfte des Parks.

131

Im Kontrast zur Westhälfte des Parks breitet sich in der Osthälfte ein Rasenteppich unter der Baumpflanzung aus.

Vom Turm aus betrachtet wirkt die Westhälfte des Parks mit Holzdeck und rotem Follie noch recht karg.

132

Das rote „Parkhaus“ im Zentrum des Parks steht als Symbol für die öffentliche gemeinsame Nutzung durch die Quartierbewohner.

Frisches Grün auf schwarzem Ziegelsplitt – für viele Besucher als Park nicht identifizierbar.

Noch erinnern einzelne Bauwerke, wie der Industrieschlot im Hintergrund, an die ehemalige Industrienutzung, während sich neue Bauten, Brunnen, Pavillon und Turm in den Vordergrund schieben.

Oerliker Park in Zürich

133

Eine solche Baumhalle fix und fertig zu installieren widersprach dem prozessbetonten Planungsansatz der Landschaftsarchitekten. Statt teurer Großbäume wurden deshalb 800 junge Bäumchen, Gemeine Eschen aus verschiedensten Baumschulen der Schweiz sowie aus den Niederlanden, Italien und Deutschland gepflanzt. 200 Amberbäume, Schwarzbirken, Vogelkirschen und Blauglockenbäume sollen zudem differenzierende, blühende Akzente setzen. Anstatt der von manchem ersehnten Rasenfläche breitet sich unter dem größten Teil der Baumpflanzung eine wassergebundene Decke aus. So wirken die eigens entwickelten hölzernen Liegeroste und Parkbänke derzeit noch etwas ver-

Schon nach wenigen Jahren haben die Eschen an grünem Volumen gewonnen und beginnen den Charakter zu prägen.

loren. Dieser Park ist ein Versprechen. „Es ist, wie wenn ich jemandem eine Blumenzwiebel in die Hand gebe oder einen Blumentopf mit dem Sprössling einer Hyazinthe“, erklärt der Landschaftsarchitekt. „Ich zwinge niemandem, auf das fertige Produkt zu verzichten, aber ich gebe ihm etwas, das wachsen kann, an dem er selbst wachsen kann. Ich nehme ihm also nicht das fertige Bild, sondern biete ihm das Erleben der Entstehung des Bildes.“• Markante Betonelemente sind wie versteinerte Organe in die wachsende Anlage eingebettet: ein roter Pavillon, ein hellgrüner Brunnentisch und ein 33 Meter hoher, blauer Aussichtsturm. Ähnlich wie die knallroten Folies im Pariser Parc de la Villette aus den frühen achtziger Jahren bietet der rote Pavillon in Oerlikon am Rande des großen Holzdecks verschiedene Nutzungsoptionen. Er akzentuiert zusammen mit einem 20 Meter langen Wassertisch, der an ein klassisches Gartenelement der Renaissance erinnert, die zentrale Bedeutung der Lichtung. Als Aktionsfläche verklammert sie die beiden Parkbereiche, die von einer Anliegerstraße getrennt werden. Als Ausguck und vertikales Erschließungselement der zukünftigen Baumhalle dient der Turm. Dessen stählerne Wendeltreppe soll später einmal den Aufstieg durch das Blätterdach der Baumhalle und den Ausblick über die Dächer Oerlikons in die umgebende Kultur- und Stadtlandschaft ermöglichen. Als starrer Gradmesser, an dem das Wachstum des Baumkörpers ablesbar 134

Zulauf, Rainer in einem Interview mit dem Autor im Februar 2002

o.V.: „Neue Grünflächen für altes Industriequartier“ in: Schweizer Baublatt Nr. 24 24. März 2000; S. 5

Zulauf, Rainer in einem Interview mit dem Autor im Februar 2002

wird, funktioniert das blaue Bauwerk, doch als ein Stück „Erinnerung an die Hochkamine im ehemaligen Industriequartier“• muss es sich mit jenen authentischen, eleganten Backsteinschloten in rußigem Rot vergleichen lassen, die noch bis vor kurzem als echte Zeitzeugen der Industriegeschichte in nächster Nähe standen. Die Stadt Zürich ließ sich von der Idee des wachsenden Parks überzeugen, und die Anwohner, die viel früher als erwartet in den neuen Stadtteil zogen, werden in Zukunft mehr oder weniger geduldig miterleben, wie sich die jungen Eschen, um Licht konkurrierend, in die Höhe treiben und schließlich eine Halle mit schlanken, nahezu astfreien Stämmen bilden, deren Blätterdach sich wie ein grüner Baldachin aufspannt. Mit forstwirtschaftlichen Methoden wird der dichte Baumbestand nach und nach bis zum Jahr 2025 ausgedünnt. Frühzeitig absterbende Bäume sollen um der Dynamik des Raumes Willen nicht nachgepflanzt werden. So lauten die Spielregeln. Hört man den Landschaftsarchitekten aufmerksam zu, hat man das Bild des fertigen Parks schnell im Kopf, aber „vielleicht erlebt man es auch nicht“, wie Rainer Zulauf bemerkt, was dann? „Der Oerliker Park ist ein Teil von vier Anlagen, nur ein Teil von einem Puzzle und darin ist etwas Spezielles erlebbar“•: ein Naturprozess mit offenem Ausgang.

Oerliker Park in Zürich

Zwischen den jungen Eschenbäumchen wirken die einfachen Beleuchtungselemente noch allzu kräftig. Erst mit der Zeit wird sich dieses Ungleichgewicht verändern.

135

Dieser Park ist noch nicht fertig, wird es vielleicht nie wirklich werden – und das hat Prinzip.

Vor den neuen, rot verputzen Wohnungsbauten am Südrand des Parks wirkt der rote Pavillon im Einklang mit seiner Umgebung.

136

MFO Park in Zürich

Grüner Pelz auf Stahlskelett

Herzog, Jacques zit. aus: ARCH+ 142, Juli 1998; S. 34

„Ich kann mir vorstellen, dass wir einen Punkt erreicht haben, an dem der Umgang mit Natur und das Einbeziehen von Landschaft in die Urbanisation unumgänglich geworden sind. Jeder Eingriff durch Architektur bedingt immer auch eine Arbeit mit der Natur: Zerstörung und Reparatur. Es wird eine explosionsartige Zunahme von Landschafts- und Gartenarchitektur geben.“• Dies prophezeite der Basler Architekt Jacques Herzog vor wenigen Jahren. Viele Baumeister suchen seither unter Stichwörtern wie „Verlandschaftlichung“, „Inversion“, „Dekontextualisierung“ oder „Hybridisierung“ nach gelungenen Symbiosen zwischen Landschaft und Stadt, Garten und Haus, Pflanze und Bauwerk – mit oder ohne landschaftsarchitektonische Beihilfe. Ein solcher Versuch, im Herzen des neu entstehenden Stadtteils Zürich Nord ein hybrides Bauwerk aus Natur und Architektur zu schaffen, ist die riesige, 100 Meter lange, 34 Meter breite und 17 Meter hohe „grüne Oper“ in Zürich-Oerlikon. Bei der Ausschreibung des Wettbewerbes 1997 ging es dem zuständigen Amt „Grün Stadt Zürich“ eigentlich um landschaftsgestalterische Ideen für den MFO Park, benannt nach der Maschinenfabrik Oerlikon. Als einer von vier neuen Quartierparks sollte er im ehemals industriell genutzten Areal und zukünftig dicht bebauten Wohn- und Arbeitsquartier nutzbare Freifläche und Erholungsraum schaffen. Die verantwortlichen Architekten bei Burckhardt + Partner, Heinz Moser und Roger Nussbaumer, waren dagegen aus städtebaulichen Überlegungen der Ansicht, dass es an dieser Stelle keiner grünen Freifläche bedurfte, sondern eines baulichen Volumens, das die Urbanität des Ortes intensivieren sollte. Die Konzeption eines Park-Hauses als „größte Gartenlaube der Welt“, wie es im Informationsblatt der Architekten heißt, drängte sich als Ausweg aus diesem Zielkonflikt auf. Während die Landschaftsarchitekten des nahe gelegenen Oerliker Parks absichtlich kein fertiges Grünobjekt herstellten und statt dessen darauf vertrauen, dass in einem jahrelangen natürlichen Prozess aus dicht gepflanzten Baumfeldern dereinst ein eindrucksvolles, lebendiges Baumvolumen als grüne Halle entstehen wird, wie sie ähnlich im Jardin du Luxembourg in Paris zu finden ist, griffen Burckhardt + Partner zu probaten architektonischen Mitteln, um schneller ihr gewünschtes Ziel zu erreichen. Sie platzierten auf der Freifläche mit ausgefeilter Technologie aus 290 000 Kilogramm Stahl, 32 Kilometern Stahlseilen und Litzen sowie 870 Quadratmetern Holz- und Gitterrosten ein mächtiges, raumhaltiges Gittergerüst, das wie ein Möbelstück auf eine artifiziell erhöhte Bodenplatte in der leicht geneigten Fläche des Grundstücks gestellt wurde. MFO Park in Zürich

Entwurf Architekturbüro Burckhardt + Partner in Zusammenarbeit mit Raderschall Landschaftsarchitekten Öffentliche Anlage Größe 8.500 m2 Ausführung 2001 – 2002

Von den Füßen des großen Stahlgerüstes wächst ein artenreicher Kletterpflanzenteppich langsam an Stahlseilen in die Höhe.

137

In den Innenraum der „größten Gartenlaube der Welt“ ragen balkonartige Tribünen, bilden Ausblicksund Spielorte gleichermaßen.

Treppenanlagen gleichen den Höhenunterschied im Gelände aus und schaffen einen ebenen Sockel.

Einfaches Stadtmobiliar auf einem Teppich aus grünem Recyclingglas: Holzbänke, ein rundes Wasserbecken und säulenartig gezogene Pfeifenwinden.

138

Das Stahlskelett soll nebenbei an die verloren gegangene industrielle Identität des Quartiers erinnern und bietet wie ein überdimensionales Klettergerüst verblüffende Raumerlebnisse. Vor allem nachts, wenn der transparente Innenraum von Neonleuchten und hellen Strahlern in fahlgrünes Licht getaucht wird, kommt der kulissenartige, an Lagerhallen erinnernde Charakter des Bauwerks zum Tragen. Der Eindruck eines Bühnenraums wird verstärkt durch die balkonartig in die Halle ragenden Aussichtsplattformen, besonders jedoch durch ein rechteckiges, leicht abgesenktes und mit grünem Glassplitt ausgelegtes Feld im hinteren Teil der Halle. Mit dem dekorativ aufgestellten Sitzmobiliar im Stil hölzerner Loungechairs und einem kleinen kreisrunden Wassertrog wirkt dieses Feld im grellen Licht der Strahler wie die absurde, sinnentleerte Hotellobby aus einem Bühnenstück von Samuel Beckett. Aus 17 Metern Höhe schaut man vom holzbeplankten Aussichtsdeck auf dem Dach der „grünen Oper“ tief hinunter in die grüne Lobby und wartet darauf, dass die ersten Besucher unwissentlich zu Darstellern im skurrilen Bühnenbild werden und sich in Szene setzen. Die Zuschauer auf dem Dach der Halle genießen den Eindruck, sie befänden sich an Deck eines Containerschiffes, das in der Stadt gestrandet ist, und suchen nach markanten Orientierungspunkten in der näheren Umgebung. Schon jetzt zählt das Holzdeck in luftiger Höhe zu den beliebtesten Treffpunkten der Jugendlichen aus der Umgebung, und manchen fasziniert das kribbelige Gefühl beim Blick durch die lichten Gitterroste in die Tiefe, während sich andere mit Blick auf die leicht zugänglichen Stahlkonstruktion schon erste Mutproben ausdenken. Und die Natur? Abgesehen von einem guten Dutzend schmaler Hecken, die am Boden den Innen- mit dem Außenraum verbinden, sollen 1200 Rank- und Kletterpflanzen in 100 verschiedenen Arten im Lauf der kommenden Jahre an der mit Stahlseilen bespannten äußeren Fassade der „grünen Oper“ haushoch wuchern und das riesige, auf kleinen Füßchen stehende Bauwerk mit einem dichten grünen Pelz überziehen. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem und eine Batterie von Pflanztrögen in der obersten Etage müssen sicherstellen, dass die Natur angesichts der anspruchsvollen Vision der Erfinder und der harten Lebensbedingungen in luftiger Höhe nicht einfach ihren Geist aufgibt und der grüne Tarnanzug am Ende nicht womöglich löchrig wird. Der Mut und die Experimentierfreudigkeit der Stadt Zürich auf der Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen in der Landschaftsarchitektur waren in den letzten Jahren beeindruckend und sind in MFO Park in Zürich

Wie an Deck eines in der Stadt gestrandeten Containerschiffes fühlt sich der Besucher auf der Aussichtsplattform mit Blick Richtung Zürichberg.

Eine Galerie aus großen Pflanztrögen in luftiger Höhe sorgt dafür, dass auch das Dach des Stahlskeletts vom grünen Pelz überwuchert wird.

139

Ein ausgeklügeltes Bewässerungs- und Pflegesystem ist erforderlich, um das 17 Meter hohe Raumgitter in eine „grüne Oper“ zu verwandeln.

140

Zukunft notwendig; denn ausdrucksvolle urbane Freiräume – bevorzugt unverbaut und unverstellt – zählen zu den Luxusgütern der Städte von morgen. Zwar wurde das Projekt bereits einige Male ausgezeichnet, darunter 2003 mit dem Public Design-Preis und im gleichen Jahr mit einer Würdigung bei der Vergabe des Deutschen Landschaftsarchitekturpreises, doch noch ist es nicht abgeschlossen. Erst wenn ein Verwaltungsgebäude am südlichen, offenen Ende der Halle einmal abgerissen ist, kann mit dem Bau eines begrünten, 17 Meter hohen Stangenwaldes fortgefahren werden. Noch formt die gelbliche Ziegelfassade des alten Verwaltungsbaus die eine fehlende Innenwand und wirkt wie die konsequente, geradezu irritierend authentische Fortführung der ausgedehnten, ebenfalls gelblichen Bodenfläche aus wassergebundenem Kalkmergel im Inneren der Halle. Doch bald wird auch dieser Bau fallen, und man darf gespannt sein, welches neue, an das Alte erinnernde Industriedenkmal – begrünt oder unbegrünt – an seiner Stelle entstehen wird.

In Zukunft wird man die Räume zwischen den Innen- und Außenwänden als schattige Tunnel erleben.

Dunkelgrüne Eibenhecken verknüpfen den Glasteppich der Lobby mit der Außenseite des Bauwerks.

Wie schlanke grüne Trichter verknüpfen die berankten Stahlseilkonstruktionen den grünlichen Glasteppich am Boden mit dem Dach.

MFO Park in Zürich

141

Garten der Fondation Jeantet de Médicine in Genf

Ein versunkener hortus conclusus Landschaftsarchitekten: Agence Ter, in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Domino Anlage in privater Stiftung Größe ca. 1300 m2 Ausgeführt 1993

Die Straßenfront des hortus conclusus an der Route de Florissant in Genf wirkt auf den ersten Blick wenig einladend.

Eine Rampe führt hinunter in den Garten der Fondation Jeantet.

142

Jeder Garten repräsentiert in gewisser Weise das Wunschbild vom Garten Eden. In dem Maße, wie der Mensch sich den Naturmächten hilflos ausgesetzt fühlte, grenzte er sich ab, zog er sich hinter schützende Mauern in sein irdisches Paradies zurück. In den Gartenoasen ägyptischer Gottkönige ebenso wie im mittelalterlichen hortus conclusus entfaltete sich die kultivierte, die gute Natur. Das Wasser, Quell des Lebens, stand als Teich oder Brunnen im Mittelpunkt schattiger Baum- und Blütenpracht. Wer vor dem südlichen Eingangstor der Fondation Louis Jeantet de Médicine an der verkehrsreichen Route de Florissant in Genf steht, vermutet hinter der massiven Betonwand zunächst keinen Garten. Erst ein Blick durch die schmale Fensteröffnung des Edelstahltores lässt eine versunkene Gartenoase erahnen. Wem das wehrhafte Schiebetor Einlass gewährt, den führt ein schiefergedeckter Steg zwei Meter hinunter in einen kleinen quadratischen Patio, den viereinhalb Meter hohe Mauern umgeben. Das Tor schließt sich wieder und scheint das Eindringen der Außenwelt zu verhindern. Ein Klostergarten? Dezentes Geplätscher erfüllt den 15 mal 15 Meter großen Hof. Der Boden ist mit rechteckigen schwarzen Schieferplatten belegt, zwischen denen sattgrünes Sternmoos wächst. Das bewegte, geordnete Gefüge der Schieferplatten erinnert an geflößte

Baumstämme, die die Strömung eines Flusses am Stauwehr zusammengetrieben hat. Der Boden scheint zu fließen; nur wo der Bauherr aus funktionalen Erwägungen nachträglich Platten einfügen ließ, ist jegliche Bewegung erstarrt. Der Moosteppich zwischen den Platten verstärkt den Eindruck eines kühlen Wassergartens inmitten der Hitze der Stadt. Ringsum verläuft ein Wasserkanal von einem Meter Breite. Gleich einer Schattenfuge trennt er die mit Stahlkanten gefasste Bodenplatte von den Betonwänden. Aus regelmäßig eingefügten Aussparungen der Wände fließt Wasser glitzernd über geriffelte Edelstahleinlagen in den Wasserkanal. Kleine Scharlachkirschbäume breiten ihre aufrecht trichterförmig wachsenden Äste aus und entfalten in etwa vier Metern Höhe ihr sommergrünes Schattendach. Im April, wenn die Kirschbäume ihre verschwenderischen rosa Blüten zeigen, glaubt man einen japanischen Meditationsgarten zu betreten. Im Herbst kontrastiert das orange bis scharlachrote Herbstlaub mit dem Grau des schlichten béton brut. Das Fehlen von Sitzgelegenheiten im Patio lässt darauf schließen, dass der Garten nicht als Ort des Verweilens geplant war. Vielmehr bildet er einen Verbindungs- und Empfangsraum für ein neues, unterirdisches Auditorium im benachbarten Wohngebäude, das man vom Patio aus ebenerdig durch eine Schwingtür erreicht. Ebenso wie das Auditorium entstand der Garten aus einem Architekturwettbewerb, den die Fondation Jeantet 1993 mit dem Ziel ausschrieb, Konzepte für den Umbau der Villa Edelstein zum neuen Stiftungsgebäude zu entwickeln. Das Genfer Architekturbüro Domino gewann den Wettbewerb und schloss sich für die Gestaltung der Außenanlagen mit dem Pariser Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter von Henri Bava, Michel Hoessler und Olivier Philippe zusammen. Da sich die Villa im städtebaulichen Kontext kaum gegen die hohen Wohngebäude der Umgebung behaupten konnte und vom ursprünglichen Villengarten offenbar nur ein kleiner Rest geblieben war, entschloss sich das Architektenteam, den Bau im Stil der italienischen Neorenaissance mit einem großen Garten der Fondation Jeantet de Médicine in Genf

Unten angelangt, beschatten kleine Scharlach-Kirschbäume den engen Raum.

143

Über dem Blätterdach der Zierkirschen thront die alte Stadtvilla Edelstein.

Zwischen den dunklen Schieferplatten breitet sich sattgrünes Sternmoos aus.

144

monolithischen Sockel zu umgeben, sie visuell auf diesen Sockel zu setzen, der die gesamte Grundstückstiefe einnimmt. Nur ein Saum von bestehenden und neu gepflanzten Bäumen sowie ein schmales Beet mit Bambus schirmen die so entstandene Terrasse teilweise gegen angrenzende Wohngebäude ab. Der Unterbau bildet nicht nur die neue Referenzebene, auf der sich die Villa selbstbewusst präsentiert. Er übernimmt auch die Funktion einer grenzbildenden Terrasse, die sich aus dem nach Süden um etwa zweieinhalb Meter abfallenden Gelände wie eine Schublade herausschiebt und auf das neue Auditorium hinweist. Ursprünglich sollten alle Oberflächen des Betonsockels mit schwarzem Schiefer verkleidet werden. Aus Kostengründen wählte man schließlich für die Seitenmauern Sichtbeton und versah nur die Bodenflächen mit einer Schieferabdeckung. Der Einblick von der Route de Florissant ins Innere des Grundstücks und in den Garten wird durch die gebaute Topographie verwehrt. Ziel der Landschaftsarchitekten war es, den Garten nicht als grüne Dekoration, sondern als zentralen Bestandteil der neuen Gebäudekonstellation zu entwickeln. Der Patio wurde daher aus dem Gebäudesockel ausgestanzt. Sein Negativvolumen bezieht sich direkt auf die Proportionen der Villa: Es übernimmt im Grundriss die Außenmaße des Stiftungsgebäudes. Betritt man von der Villa aus die Terrasse, hat man das Gefühl, auf einer erhöhten Bühne inmitten der Stadt zu stehen. Von hier oben gesehen wirkt der Garten wie eine minimalistische Installation, eine abstrakte Intarsie im Bühnenboden. Er wird umrandet von zwei U-förmigen, ebenerdig eingelassenen Wasserbecken, die den Himmel reflektieren und den Rand des Patios eindrucksvoll inszenieren. Der grün-schwarze Bodenbelag schimmert durch den halbtransparenten Schleier der Baumkronen.

Aus schmalen Schlitzen an den seitlichen Wänden plätschert das Wasser in einen schmalen Wassergraben.

Anstelle eines Geländers begrenzt ein Wassergraben den inneren Rand zum 4,50 Meter tief gelegenen Gartenhof.

Enge Treppenläufe führen hinaus aus dem Patio.

Garten der Fondation Jeantet de Médicine in Genf

145

Vom ebenerdigen Eingang der alten Villa aus ahnt man kaum die Existenz des versunkenen Gartens.

146

Zu Beginn war geplant, die Wasserbecken als großvolumige, viereinhalb Meter tiefe und ein Meter breite Wasserreservoirs auszubilden. Durch deren perforierte Innenwände wäre das Wasser in den Innenhof geflossen. Man verzichtete dann auf dieses kostspielige Konzept und legte statt dessen anderthalb Meter tiefe Becken an, aus denen das Wasser durch Einkerbungen ebenfalls in das Innere des Senkgartens strömt. An der Stelle, wo die Wasserbecken einander überschneiden, führen zwei sehr schmale Treppen hinunter in den Garten. Zu diesen markanten Abgängen hat sich der Landschaftsarchitekt Henri Bava von den Ufertreppen auf der Ile de la Cité in Paris inspirieren lassen. Man wollte erreichen, dass immer nur eine Person die Treppe benutzen und den Garten betreten würde. Tatsächlich bieten die Treppen gerade genügend Raum, dass man allein hinabsteigen kann. Begleitet wird man dabei von zwei schmalen Wasserrinnen, deren Auskleidung mit strukturiertem Edelstahl ein lebendig glitzerndes Muster des fließenden Wassers erzeugt – ein Motiv, das auch von den Chadars, den Kaskaden der indischen Mogulgärten, bekannt ist. Nachts, wenn Bodenleuchten die Bäume und Wände von unten anstrahlen und das Wasser illuminieren, glaubt man in eine geheimnisvolle, stille Unterwasserwelt einzutauchen. Diese zeitgenössische, urbane Variation eines hortus conclusus stellt unter Beweis, dass der Paradiesgarten von seiner ursprünglichen Kraft als Archetypus bis heute nichts eingebüßt hat.

Osservatorio geologico auf der Cardada

Fugen im Panoramablick

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Erster Band. Leipzig 1779; S. 33

Für die alpenländische Bergwelt hätte man den Kieler Philosophieprofessor und Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld kaum begeistern können. „Wenn die Natur ein Land gebildet hat, das mit einer erstaunlichen Größe und Mannigfaltigkeit heroischer Gegenstände eine vorzügliche Annehmlichkeit der Aussichten vereinigt, so ist es die Schweiz“, schrieb der Verfasser der Theorie der Gartenkunst 1779, jedoch: „Ich rede nicht von den wilden Gegenden, wo die Natur nichts als ihre Schrecknisse und Schauer gehäuft hat, sondern von den milden Strichen, die sich durch eine Sammlung aller landschaftliche Reize auszeichnen, die von dem Anblick jener fürchterlichen Gebirge entweder entlegen sind oder nur in der Ferne ihre schimmernden Gipfel sich erheben und vom äußersten Horizont her eine gewisse feierliche Majestät verbreiten sehen.“• Hirschfeld ahnte nicht, dass kaum 50 Jahre nach Erscheinen seiner zum Standardwerk gewordenen Überlegungen eine romantische Naturbegeisterung am Erhabenen die Menschen massenhaft in die Berge treiben und die rasante Entwicklung des Alpentourismus in Gang setzen würde. Diesem Ansturm fiel vielerorts nicht nur der Landschaftscharakter zum Opfer, sondern auch die Sensibilität der Menschen für die unterschiedlichen Qualitäten der Natur, die Hirschfeld beschwört. Der Tessiner Landschaftsarchitekt Paolo Bürgi verfolgt mit einem ungewöhnlichen Landschaftsprojekt auf der Cardada bei Locarno das ehrgeizige Ziel, unsere in dieser Beziehung verkümmerte Wahrnehmung wieder zu schärfen. Den Anlass zum Projekt bot der Neubau der Luftseilbahn von Orselina zur Cardada. Bereits 1952 wurde die erste Seilbahn auf dieser Strecke in Betrieb genommen. Nach mehrfacher Erhöhung der Transportkapazität beschloss man 1996, die Anlage komplett zu erneuern, und erteilte dem Tessiner Architekten Mario Botta den Auftrag für das Großprojekt. Im Juni 2000 wurde die neue Bahn offiziell eingeweiht, und sie schafft seither noch effizienter die Menschen auf 1340 Meter Höhe. Dort erwartet die Besucher nicht nur das übliche Programm aus Wintersporteinrichtungen, Gastronomie, Spazier- und Wanderwegen. Paolo Bürgi stellte sich die Frage, wie er die Sensibilität der Besucher ansprechen und steigern könne, ohne einfach nur weitere Attraktionen zu liefern. Er schuf ein Ensemble aus einem Spielspazierweg, einem Aussichtssteg, einer geologischen Beobachtungsstation und einem musikalischen Wald. Beim Verlassen der in ihrer Architektursprache futuristisch anmutenden Bergstation betritt man unvermutet einen streng gestalteten Teppich aus Granit. Großformatige Platten, ein traditionelles Baumaterial in Tessiner Gärten, wurden hier in einem präzisen Fischgrätenmuster Osservatorio geologico auf der Cardada

Landschaftsarchitekt: Paolo Bürgi Öffentliche Anlage Ausgeführt 1996 – 2000

Schwebend über den Wipfeln der Bäume von Orselina hinauf zur Cardada auf 1340 Meter.

147

Durch die Wipfel der Fichten führt der Aussichtssteg ans Licht.

Der Weg durch die Baumwipfel verspricht einen herrlichen Blick in die Tessiner Berglandschaft.

148

ausgelegt, dessen Rasenfugen sich zur Hangkante hin mehr und mehr verbreitern. Aus einem Baumstamm ließ Bürgi einen schlichten Brunnen schneiden, dessen kantige Grundform auf die strenge Einfachheit des Bodenbelags reagiert. Den Abschluss des attraktiven Teppichs bildet eine lange, breite Holzbank, deren Grundform ebenso winklig geometrisch ist wie die des Plattenbelages. Ihre abgewinkelte Form deutet die Teilung des Weges an. Nach links führt er in hinunter Richtung Promontorio paesaggistico, nach rechts hinauf zum Osservatorio geologico. Nach wenigen hundert Metern verbreitert sich der Weg zum Promontorio paesaggistico, zu einem geometrisch geformten Platz. Er bildet das visuelle Widerlager für einen sehr langen schmalen Aussichtssteg aus Stahl, der durch die dunklen Wipfel der Fichten ragt. Auf Granitplatten führt der Weg ins Licht. Kleine Zeichen im Plattenbelag begleiten den Besucher, bis er unter eleganten Pylonen hindurch das trichterartig verbreiterte Ende des Steges erreicht: Die Aussicht über den Lago Maggiore im Tal ist überwältigend. Kleine Erläuterungstafeln am Geländer des Aussichtssteges erklären die rätselhaften Symbole, die einem auf dem Weg hierher begegneten: Sie erzählen von der Entstehung des Lebens. Wem das zu didaktisch ist, der genießt einfach nur die atemberaubende Aussicht oder hört auf das Lachen der Kinder, die sich auf dem entfernten Spielspazierweg vergnügen. Dieser kreuzt unterhalb des Steges den bewaldeten Hang und ist mit allerlei Spielgeräten bestückt, die die Sinne der Kinder anregen sollen, in einer Landschaft, die kaum anregender sein könnte. Wer den Steg verlässt und nach anstrengendem Aufstieg schließlich den Gipfel der Cimetta erreicht, gelangt in 1670 Meter Höhe zum Osservatorio geologico, der wohl interessantesten landschaftlichen

Intervention in Bürgis Konzeption. Hier hat der Landschaftsarchitekt eine große, kreisrunde Plattform eingelassen, in die sich Felsbänder seitlich hineinfressen. Der Fels wird durch diesen einfachen Eingriff aus seiner Umgebung hervorgehoben, er wirkt skulptural: bizarre Fundstücke auf einem randlosen Präsentierteller. Die Oberfläche der Plattform ist mit einem feinen, grauen Sandbelag in zwei unterschiedliche Helligkeitsstufen unterteilt. Auf beiden Kreissegmenten liegen polierte Gesteinsproben aufgereiht, die sich in Anzahl und Färbung voneinander unterscheiden. Eine rote Linie trennt die Kreissegmente: Sie symbolisiert die insubrische Linie, auch periadriatische Naht genannt, die große südliche Alpenlängstalung, eine Art geologische Trennungsfuge, die vor etwa 200 Millionen Jahren zwischen den Zentral- und den Südalpen entstand. Dort treffen jene unterschiedlichen Gesteine aufeinander, von denen Proben auf der Observationsplattform präsentiert werden. Auch an diesem durch seine archaische und zugleich abstrakte Form meditativ anmutenden Ort wird der Besucher mit seinen Gedanken nicht alleine gelassen, sondern belehrt, denn auch hier liefern kleine

Pylon und Baum, Architektur und Natur in elegantem Dialog.

Auf 1670 Meter Höhe liegt das Osservatorio geologico von Paolo Bürgi.

Anstehender Fels scheint sich in die makellose Oberfläche der kreisrunden Aussichtsplattform zu fressen.

Osservatorio geologico auf der Cardada

149

Zuweilen verliert sich der Blick von der Plattform in der Wolkenlandschaft.

Das Ginkgoblatt als Symbol für erdgeschichtlich bedeutsame Dimensionen, die für den Laien unsichtbar in der Landschaft liegen.

Natur in rohem und bearbeitetem Zustand: Erst in geschnittener und geschliffener Form offenbart sich die ganze Schönheit der Natursteinfarben.

150

Eine rote Linie, die Plattform querend, markiert die insubrische Linie, „Trennungsfuge“ zwischen Zentralund Südalpen.

Informationstafeln am Geländer der Plattform geologische Informationen, um etwas sichtbar zu machen, was für den Laien unsichtbar ist, gleichsam den Bauplan dieser grandiosen Landschaft, die in Zeiträumen geformt wurde – und noch immer geformt wird –, die sich dem touristischen Blick entziehen. Bürgi bedient sich der traditionellen Darbietungsform des Alpenpanoramas und verbindet den Blick in die geologische Tiefe mit der Sicht in die landschaftliche Weite, den wissenschaftlich-rationalen Forscherblick mit dem romantisch-sentimentalen Naturgenuss. Beide einander oftmals widersprechende Sichtweisen bestimmen seit etwa 200 Jahren das Verhältnis des Menschen zur Natur.

Osservatorio geologico auf der Cardada

Blick vom Osservatorio geologico hinunter zum Lago Maggiore mit seinen kleinen Inseln im Nebel.

151

Berggarten in Graz

Landschaft in abstrakter Faltung Landschaftsarchitekten: Kienast Vogt und Partner Öffentliche Anlage Größe ca. 5 Hektar Ausführung zur Internationalen Gartenschau 2000

Vom Aussichtsturm aus betrachtet wird das abstrakte Faltungsmuster im Grazer Berggarten deutlich erkennbar.

152

Die Szenerie ist surreal: Traumwandlerisch bewegt sich das Publikum durch ein landschaftsarchitektonisch konzipiertes Bühnenbild aus langgestreckten, bis zu acht Meter hohen Rasenpyramiden. Aus Zuschauern werden Protagonisten, die zwischen geometrisch geformten Erdfaltungen verschwinden, Stufenpyramiden erkunden oder den Schatten kleiner Baumgruppen genießen, um von dort die bewegte Verdoppelung der abstrakten Szenerie auf dem Wasserspiegel des Waldweihers zu beobachten. Über allem liegt der Klangteppich des 21. Jahrhunderts: das Geplauder der Besucher, zuweilen die heulenden Turbinen eines startenden Flugzeugs und sphärische Musik. „Sie […] bringen eine vollkommen neue Landschaft, Sie erzeugen ein Raumgefühl, das ich bisher unter freiem Himmel noch nie empfunden habe. Sie beweisen, dass mit klugem Geist und genauer Handhabe des Handwerkes mit dem kostbaren Material Erde nicht unbedingt so geschaffen werden muss, wie dies die Kräfte der Naturelemente tun. Sie schaffen nicht die Imitation einer natürlichen Gegebenheit, sondern Sie erzeugen ein Werk, wie wir abstrakten Maler und Bildhauer dies mit konkreten Mitteln seit Jahren versuchen.“• Der Brief von Hans Fischli, dem diese begeisterte Schilderung entstammt, hätte dem Landschaftsarchitekten des Berggarten an der Internationalen Gartenschau 2000 in Graz gelten können. Doch der renommierte Architekt, Maler, Bildhauer und damalige Direktor der Kunstgewerbeschule und des Kunstgewerbemuseums Zürich würdigte 1959 ein kongeniales Werk des visionären Gartenarchitekten Ernst Cramer an der Ersten Schweizerischen Gartenbau-Ausstellung an den Ufern des Zürichsees. Der temporäre Garten des Poeten an der G|59 in Zürich, eine abstrakte Komposition aus vier Rasenpyramiden, einem gestuften Erdkegel und einem orthogonalen Wasserspiegel mit einer Eisenplastik von Bernhard Luginbühl, gilt als Vorläufer des Berggartens von Kienast Vogt und Partner. Der Zürcher Ernst Cramer war mit den kultur- und gartenhistorischen Vorbildern seiner Erdbauwerke, den altägyptischen Pyramiden und den Tumili des Fürsten Hermann Pückler-Muskau, vertraut. Während die PücklerPyramiden sich in Form und Funktion noch eng an die altägyptischen Grabbauten anlehnten, bestand sein Garten aus pyramidalen Körpern mit drei ungleichen Seitenflächen. Sie sollten als zweckfreie Kunstbauwerke verstanden werden, denn Cramers primäres Interesse galt der Entwicklung einer modernen gestalterischen Sprache im Garten. Sein radikales Werk wurde 1964 vom Museum of Modern Art in New York als Pionierleistung moderner Gartenarchitektur gewürdigt. • Dieter Kienast schätzte Cramers moderne Landschaften und entwick-

Fischli, Hans: Brief an Ernst Cramer vom 26. August 1959; Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur, Rapperswil, Dossier 01.03.013. in Weilacher, Udo: Visionäre Gärten, Die modernen Landschaften von Enrst Cramer, Basel Berlin Boston 2001

vgl. Kassler, Elizabeth B.: Modern gardens and the landscape. New York 1964

elte dessen radikale Gestaltungsansätze konsequent weiter. 40 Jahre nach der G|59 konnte Kienast zusätzlich von der Kenntnis der Land Art profitieren, die seit Ende der sechziger Jahre mit spektakulären Earthworks in den amerikanischen Wüstengebieten Furore gemacht hatte. Waren Cramers Erdkörper noch freistehende Einzelbauwerke, wurde in Graz aus 29 000 Kubikmetern Erdmasse eine begehbare Bodenskulptur geschaffen. Ein etwa fünf Meter hoher, steiler Rasenwall umfasst diesen hortus conclusus wie eine Klostermauer, in die mit Sichtbetonscheiben zwei markante Öffnungen geschnitten wurden. Zwischen den 26 großen Erdformationen, die von einem Netz geometrisch geschnittener Wege erschlossen werden, finden sich Reste einer monotonen Fichtenkultur, die auf dem Grundstück bereits existierte. Anstatt den ökologisch minderwertigen Bewuchs zu roden, wurden Lichtungen geschaffen und die Bäume aufgeastet. Durch den schattigen Filter der schlanken Fichtenstämme betrachtet, kommen die sonnigen Hänge der Erdpyramiden besonders gut zur Geltung. Große Einzelbäume, teilweise neu gepflanzt, viele vorgefunden, bilden die natürliche Staffage des nördlichen Gartenbereiches und akzentuieren dort die verschiedenen Raumsequenzen. Der Dialog zwischen architektonischer Grundkonzeption und Natürlichkeit, der zu einem Stilmerkmal der Projekte von Kienast Vogt und Partner geworden ist, kommt auch am zentral gelegenen Waldweiher zustande. Er wurde in eine geometrische Grundform gefügt, ist Reflektionsbecken und Berggarten in Graz

Zwischen den Erdpyramiden entstehen Raumsequenzen von besonderem Reiz.

153

Besucher erkunden die ungewöhnliche Szenerie. Mühelos scheint der kleine Baum die Erdmassen zu teilen: Grafische Pflanzmuster betonen die Künstlichkeit des Berggartens.

154

Lebensraum und ergänzt die Komposition aus Kunst und Natur. Zwei Pyramiden, deren abgetreppte Seitenflächen als Sitztribüne für Besucher ausgebildet wurden, bieten einen Ausblick über die futuristische Landschaftsinszenierung. Um die Lust der Gartenschaubesucher auf Duft und Farbe zu stillen und um eine Monotonie der Rasenflächen zu vermeiden, bepflanzten die Landschaftsarchitekten einzelne Pyramidenseiten einheitlich mit jeweils unterschiedlichen Sträuchern, Blüten- und Blattschmuckstauden. Blausterne, Lavendel, Frauenmantel, Efeu und Zwergbambus, teilweise in Mustern gesetzt, sollen das ganze Jahr über für unterschiedlichste Blühereignisse sorgen. An anderer Stelle entstand aus großen bruchrauhen Kalkblöcken eine fast 1000 Quadratmeter große,

Kienast, Dieter: „Zwischen Poesie und Geschwätzigkeit“ in: Garten und Landschaft 1/1994; S. 17

leicht geneigte Fläche, auf der viele trockenheitsresistente und wärmeliebende Pflanzen ihren bevorzugten Standort gefunden haben. Die traditionelle Form des Alpinums fand so zu einer zeitgemäßen Interpretation. Dieter Kienast war sich darüber im Klaren, dass Strenge allein in der Gartengestaltung sehr dogmatisch werden kann und liebte daher das Wechselspiel zwischen formal-architektonischer Ordnung sowie natürlicher Blüh- und Wachstumsdynamik der Vegetation. Anstatt jedoch das traditionelle Gartengestaltungsrepertoire der Barock- und Landschaftsgärten wahllos zu plündern, lag ihm an der Entwicklung einer eigenständigen gestalterischen Sprache des 21. Jahrhunderts, die er gezielt in der Gartenkunst als auch in der Gartenkultur verankert wissen wollte. Anders als der temporäre Garten des Poeten, den die Gärtnerzunft der fünfziger Jahre als reine Provokation empfand, wurde der Berggarten nach dem Ende der Ausstellung als öffentliche Parkanlage erhalten, die wegen ihrer Präzision ebenso anspruchsvolle und fachgerechte Pflege erfordert, wie so manch’ historisches Meisterstück. In einer Streitschrift gegen die weit verbreitete gestalterische Geschwätzigkeit der Gartenschauen wünschte sich Dieter Kienast „alltägliche, intellektuelle, sinnliche, stimmungsvolle, grüne und farbige, große und kleine, helle und dunkle, offene und geschlossene, geordnete und wilde Gärten voller Poesie“. • In Graz hat er sich diesen Wunsch erfüllt.

Berggarten in Graz

Noch blühen die Lavendelstreifen im Vordergrund nicht, aber schon bald wird aromatischer Duft die surreale Szene untermalen.

155

Große bruchrauhe Kalkblöcke schaffen ein fast 1000 Quadratmeter großes Alpinum, in dem trockenheitsresistente und wärmeliebende Pflanzen gedeihen.

Gestufte Pyramidenflächen dienen als Sitztribünen am Rand des Waldweihers.

Die blühenden Streifen des Frauenmantels setzen leuchtende Akzente vor der dunklen Waldkulisse.

Zwischen dunklen Fichtenbeständen legt sich die Landschaft zum Waldweiher hin, in elegante Falten.

156

Die Spiegelung der Erdbauwerke auf der Wasseroberfläche des Waldsees intensiviert das Landschaftskunsterlebnis.

Das abstrakte landschaftliche Bühnenbild reizt zu künstlerischen Inszenierungen.

Ein fünf Meter hoher Wall fasst den Garten ein.

Berggarten in Graz

157

Jardí Botànic de Barcelona

Naturfragmente in geometrischem Netz Landschaftsarchitektin: Bet Figueras, in Zusammenarbeit mit dem Architekten Carlos Ferrater Botanischer Garten Größe 15 Hektar Ausführung 1999

Im Zickzack führen die Betonwege den Hang hinunter zum Eingangsgebäude von Carlos Ferrater.

158

In der Anlage der ersten Botanischen Gärten, lange bevor sich die Botanik im 18. und 19. Jahrhundert zu einer eigenständigen Disziplin entwickelte, manifestierte sich das wissenschaftliche Interesse universitärer Forscher an Arzneipflanzen und ihrer Heilwirkung. Die Grundrisse der horti medici aus dem 16. Jahrhundert erinnerten in ihrer formalen Ästhetik aber auch an klösterliche Kräuter- und Heilpflanzengärten und folgten in ihrer Aufteilung nicht nur funktionalen Kriterien. In ihrer klaren geometrischen Gliederung spiegelten sie ideale, meist aus der klassischen Antike hergeleitete Weltbilder wider. Der Botanische Garten von Padua, entstanden 1545, zählt zu den frühesten Anlagen seiner Art und gilt als Vorbild für viele andere in Europa. Sein kreisrunder, hierarchisch gestufter Grundriss, dem ein viergeteiltes, exakt quadratisches Beet eingeschrieben ist, stand sinnbildlich für die mikrokosmische Versammlung der ganzen Natur unter der ordnenden Herrschaft des Menschen im Zeitalter der Renaissance. Das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur hat sich ebenso wie das ehemals geschlossene Weltbild in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend verändert. Das schlägt sich auch im Erscheinungsbild der wenigen Botanischen Gärten nieder, die heute neu entstehen. Der 1999 fertig gestellte Jardí Botànic de Barcelona, am Südwesthang des Montjuïc mit herrlichem Blick auf die katalanische Metropole gelegen, ist wie seine Vorgänger in erster Linie ein Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Wesen der – in diesem Fall mediterranen – Pflanzenwelt. Doch seine Gestaltung, entwickelt von der Landschaftsarchitektin Bet Figueras in Zusammenarbeit mit dem Architekten Carlos Ferrater, spricht unverkennbar die Sprache des beginnenden 21. Jahrhunderts, geprägt von komplexen, unregelmäßigen Geometrien in der Flächenaufteilung und einer vorbehaltlosen Verwendung großer Sichtbeton- und Rohstahlelemente als Weg- und

Vorhandene Vegetation, wie die große Schirmpinie im Hintergrund, wurde in den neuen Botanischen Garten selbstverständlich integriert.

Formen, Farben und Strukturen, natürlich oder künstlich, setzen einander in Szene.

Mauerflächen in der Landschaft. Bereits auf dem breiten, durch ein komplexes Fugenbild gegliederten Betonweg zum Eingang des Botanischen Gartens durchschreitet man im Schatten von Schirmpinien zum ersten Mal im übertragenen Sinne die acht Landschaftszonen, in denen rund um den Globus ähnliche mediterran geprägte Klimaverhältnisse mit langen, trockenen Sommermonaten und milden, regnerischen Wintermonaten herrschen. Die katalanischen Bezeichnungen für Australien, Kalifornien, Chile, Südafrika sowie für die Mittelmeerregionen Kanarische Inseln, östliches Mittelmeer, Nordafrika und Iberische Halbinsel sind in großen stählernen Lettern in den Boden eingelassen. Der Erforschung, dem Schutz und der Präsentation der typischen Pflanzengemeinschaften aus diesen Zonen ist der Botanische Garten gewidmet. Ist man durch das große stählerne Eingangstor mit der Beschriftung JBB eingetreten und hat das flache, in die Topographie eingefügte Jardí Botànic de Barcelona

Folgende Doppelseite: Ein hölzerner Steg überquert den See und führt geradewegs in die Tiefe des Gartenraumes.

159

Die Schönheit mediterraner Pflanzen kommt im strengen Rahmen der landschaftsarchitektonischen Gestaltung besonders gut zur Geltung.

Feingliedriges Laub des peruanischen Pfeffers und starre Blätter der Hanfpalme flankieren den Weg zu beiden Seiten.

Schon bald wird der Ort zwischen großen Palmen in der spanischen Hitze wie eine Oase wirken.

162

Eingangsgebäude hinter sich gelassen, eröffnet sich ein beeindruckender Blick über den geometrisch geformten See hinweg in die frisch bepflanzte Hanglage. Diese baut sich mit vielen Wegen, dreieckigen, zackigen Stützmauern aus rostrotem Cortenstahl und hellgrauem Sichtbeton wie eine Terrassenlandschaft vor dem Betrachter auf. Es ging den Gestaltern tatsächlich darum, mit den Mauern die Hanglage zu sichern und auf abstrahierte Weise an die kunstvoll terrassierten, heute gefährdeten Kulturlandschaften des Mittelmeerraumes zu erinnern. Die ungewöhnliche Aufteilung des gesamten Areals in unterschiedlich bepflanzte Dreiecksflächen resultiert aus dem Grundkonzept, über die Topographie des Ortes ein Netz aus Dreiecken zu spannen. Dieses passt sich – analog zu trigonometrischen Vermessungsnetzen – flexibel der Geländesituation an. So entstand ein neuartiges, hybrid wirkendes Landschaftsbild aus künstlicher, computergenerierter Gitterstruktur und darin verwobenen Naturfragmenten. Das ausgedehnte Netz aus breiten Betonwegen bildet im Wesentlichen dieses Dreiecksnetz im Gelände ab und gewährleistet zugleich eine bequeme Erschließung, ergänzt durch kurze, steile Treppen. Speziell entworfene Sitzmöglichkeiten aus gefalztem Stahl bieten zwar nicht gerade den maximalen Sitzkomfort, untermauern aber das ausgefallene Styling der Anlage. Ein langer Holzsteg über das große, expressiv geformte Wasserbecken bildet den stimmungsvollen Auftakt zum Rundgang durch die verschiedenen mediterranen Vegetationszonen. Hangseitig ragen spitzwinklige Stahlwände in die Wasserfläche, die wie ein Spiegel das angrenzende Landschaftsbild mit den markanten nordafrikanischen Dattelpalmen optisch verdoppelt. Vor den rostroten Flächen des Cortenstahls kommen die frischgrünen Teichbinsen- und Rohrkolbengewächse besonders schön zur Geltung. Der Weg führt sodann aus der Geländemulde den Hang hinauf, von wo aus sich der Blick über die olympischen Sportanlagen hinweg in die umgebende Landschaft, nach Süden auf das Meer, das Mündungsgebiet des Llobregat und die Bergketten am Horizont immer mehr öffnet. Hoch über der lebendigen Mittelmeermetropole Barcelona gelegen, ist der Botanische Garten ein Ort der Ruhe und Entspannung. Noch sind die Stauden und Sträucher auf vielen Flächen erst spärlich entwickelt, und die Wege wirken daher etwas überdimensioniert. Doch das wird sich in den kommenden Jahren mit dem Wuchs der Vegetation ändern. Die Besucher sollen erleben, wie sich die Pflanzengemeinschaften mit der Zeit verändern. Schon jetzt ist es ein besonderes Erlebnis, die verschiedenen Vegetationsbilder zu durchwandeln, begleitet von aromatischen Düften und dem Geschrei grüner Papageien, die sich in Schwärmen über die ersten Früchte des Gartens hermachen. Jardí Botànic de Barcelona

Die quirlige Stadt zu Füßen, wird der Garten zum Zufluchtsort für Ruhesuchende.

163

Parc del Clot in Barcelona

Ein junger Klassiker mit zwei Gesichtern Landschaftsarchitekten: Dani Freixes und Vicente Miranda Öffentliche Anlage Größe ca. 2,7 Hektar Ausgeführt 1985 – 1986

Der harte Kern des Parks, erfinderisch uminterpretierte Industrieruinen, überwuchert von Efeu.

164

Den kleinen städtischen Parc del Clot, inmitten eines dichten Wohnund Gewerbequartiers aus den sechziger und siebziger Jahren in Barcelona gelegen, darf man schon nach kaum 20 Jahren seiner Existenz als einen Klassiker der Landschaftsarchitektur des späten 20. Jahrhunderts bezeichnen. Aktuelle und geschichtliche Strukturen überlagern sich in ihm komplex und fügen sich zu neuen Bildern. Es ist nicht recht klar, ob es sich eigentlich um einen Park oder um einen Platz handelt. Doch vielleicht ist es gerade diese Mehrdeutigkeit, die ihn in jüngster Zeit wieder in den Mittelpunkt der Diskussion um die Gestaltung zukünftiger Stadtparks gerückt hat. Die Olympischen Spiele 1992 vor Augen, investierte Barcelona Mitte der achtziger Jahre enorme Energie und Kreativität in ein Programm zur Schaffung von Parks, Plätzen und anderen öffentlichen Einrichtungen zum Wohl der Stadtbevölkerung und zur Unterhaltung der Touristen. In erster Linie waren es der sorgsame Umgang mit innerstädtischen öffentlichen Räumen, die markante architektonische Gestaltung von Parks und Plätzen sowie die intelligente Integration von bildender Kunst in den öffentlichen Raum, die als beispielhaft galten und die katalanische Metropole zum international anerkannten Modell für innerstädtische Freiraumgestaltung avancieren ließen. Eine der wichtigsten Strategien zur Schaffung von neuen Freiräumen, die auch für andere europäische Städte vorbildlich wurde, basierte auf einer Bestimmung aus dem Generalplan für Barcelona aus dem Jahr 1976. Diese sah vor, dass einstige Industrieflächen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Schließung alter Schlachthöfe, Fabriken, Werkstätten und Steinbrüche oder die Stilllegung von Eisenbahnanlagen setzten Räume frei, die in der dichten Stadt zu Parks und Plätzen umgewandelt werden konnten. Häufig bezog man Teile alter Industrieanlagen in die Gestaltung ein und integrierte darin teilweise öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Bibliotheken. Der Parc del Clot entstand zwischen 1985 und 1986 nach den Plänen der Architekten Dani Freixes und Vicente Miranda auf dem ehemaligen Werkstattgelände der spanischen Eisenbahngesellschaft Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles (Renfe). Das 27 000 Quadratmeter große Areal der staatlichen Eisenbahngesellschaft Spaniens war noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt worden; es hatte sich ursprünglich am Rand eines nordöstlich vor der Stadt gelegenen Dorfes befunden, das im Lauf der Zeit vom rasanten Stadtwachstum eingeholt wurde. An die ehemalige Kulisse des Werksgeländes mit seinen Industriehallen und -schloten aus rotem Backstein erinnern heute noch jener Teil der erhaltenen Fassaden, der – romantischen Ruinen im klassischen Landschaftspark gleichend – die nördliche Parkhälfte einfasst, sowie ein imposanter Industriekamin. Er markiert als weithin sichtbares Wahrzeichen die nordöstliche Ecke des Parks, wo eine breite Treppe

aus dem tiefer liegenden Stadtquartier durch die alten Torbogen des Fabrikgebäudes in den Park hinaufsteigt. Ein hochgelegter Steg und eine lange Pergola-Passerelle führen von den gegenüberliegenden Seiten des Parks und aus dem angrenzenden Wohnquartier diagonal auf den Schlot zu und durchqueren dabei die beiden unterschiedlich charakterisierten Hälften der Parkanlage: parkartig gestaltet der nördliche Teil, platzartig konzipiert der südliche. Als ein Zitat von Landschaft ist der Nordteil der Anlage zu lesen, den ein großer, naturalistisch geformter Rasenhügel akzentuiert. An seinen Flanken breitet sich mediterrane Blütenpracht aus, während der Fuß des Hangs an drei Seiten von einer Art kleinem Waldgürtel, einem dichten Pinienbestand, gefasst wird.

Eine breite Treppenanlage, flankiert vom Wahrzeichen des Quartierparks, dem Industrieschlot, führt hinauf in den landschaftlichen Teil.

Vom Landschaftshügel im Park blickt man über die Dachlandschaft des umgebenden dichten Stadtquartiers.

Parc del Clot in Barcelona

165

Die Skulptur „Rites of Spring“ akzentuiert das Zentrum eines mediterranen Schattengartens, ehemals Werkhalle der spanischen Eisenbahngesellschaft Renfe.

Die Grenze zwischen Parkteil und Platzteil, überquert von einer Fußgängerbrücke.

Stringente axiale Wegeführungen gliedern den Park und sorgen für Orientierung.

166

Versteckt hinter dem Waldsaum, in der nördlichen Ecke des Parks, ist ein Teil des alten Gewölbeskeletts der Werkshalle zu entdecken. Vom Dach befreit, wirkt es wie ein uralter Pavillon. Im schattigen Zentrum der mit Efeu berankten Konstruktion, mitten in einem quadratischen Reflektionsbecken, verbreitet die große, expressive Bronzeskulptur „Rites of Spring“ des amerikanischen Künstlers Bryan Hunt eine meditative Stimmung. Nur vom nahe gelegenen Kinderspielplatz, auch er von Pinien umfasst, dringt immer wieder das Gejauchze ausgelassen spielender Kinder in den Meditationsraum. Am östlichen Fuß des Hügels, der seine Existenz dem Aushub des Bauschutts verdankt, bestimmt eine kleine Wasserfläche mit stilisiertem Strand die Szene. Einem kleinen Aquädukt gleichend, schiebt sich die alte Backsteinfassade mit ihren Segmentbogenfenstern zwischen den Hügel und die von Bäumen flankierte angrenzende Quartierstrasse. Tatsächlich rinnt entlang der Mauerkrone ein kleiner Wasserlauf; er gießt in das Becken einen 25 Meter breiten Wasservorhang, der für eine erfrischende Geräuschkulisse sorgt und für spürbare Abkühlung in der Hitze. In formalem Kontrast zur abwechslungsreichen Miniaturlandschaft präsentiert sich die architektonisch gestaltete südliche Hälfte des Parks; sie besteht aus einem tiefer gelegenen Platz, gefasst von zwei großen Sitztreppenanlagen. Das um etwa drei Meter abgesenkte Parc del Clot in Barcelona

Die alte Backsteinfassade der Industriearchitektur mit ihren Segmentbogenfenstern begrenzt den Park im Norden und wird zuweilen von einem Wasservorhang verschlossen.

167

Vom Rand des abgesenkten Platzes lässt sich das spielerische Treiben wie von einer Tribüne aus beobachten.

168

Niveau entstand, nachdem man die Werkhalle bis auf die Ebene des Untergeschosses abgetragen hatte. Von den Sitztreppen aus, vor allem aber auch von der Pergola-Passerelle, die den Platz in der Höhe überquert, kann man bequem dem Treiben der Jugendlichen auf dem Platz zusehen. Vier große Lichtstelen sorgen dafür, dass ihr unermüdliches Ballspiel auch nach Einbruch der Dunkelheit noch lange nicht zu Ende geht. Im gesamten Park sorgt gezielte Illumination für die stimmungsvolle Inszenierung der landschaftlichen und der baulichen Kulissen im Parc del Clot. Der Park hat bei den Anwohnern von Anfang an großen Anklang gefunden. Sie schätzen die vielfältige Nutzbarkeit der unterschiedlichen Park- und Platzbereiche, wo nahezu jede Altersgruppe ihre Nische findet. Die Faszination der Menschen für „ihren“ Park ist aber auch den einprägsam komponierten Bildern zu verdanken, die besonders im Parkteil an romantische Impressionen aus englischen Landschaftsgärten anknüpfen. Malerische Ruinen, eingebettet in ein arkadisches Ambiente, waren schon im 18. Jahrhundert ein beliebtes Motiv gewesen. Gerade wegen des ideenreichen Umgangs mit den vorgefundenen Resten des Industriezeitalters und aufgrund der gelungenen Uminterpretation und Umnutzung der Fabrikruinen avancierte der Park in der internationalen Landschaftsarchitektur zum vielzitierten Vorbild. Die Multioptionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts schätzt an ihm den hybriden Charakter, der beides verspricht: das Idealbild schöner Natur als Zitat von „Landschaft“ in der Stadt als auch das Zitat von „Platz“, das gutes, kulturell reichhaltiges städtisches Leben verheißt.

Tarot Garden bei Garavicchio

Im Garten der Schicksalskarten

Saint-Phalle, Niki de: Der Tarot-Garten. Wabern-Bern 2000; S.2

Sie war gerade erst 25 Jahre alt, Fotomodell, eine zornige junge Frau aus gutem Hause, die man, wie sie später gestand, in dunkleren Zeiten wegen ihrer psychischen Labilität wohl für immer in eine Irrenanstalt gesperrt hätte. Damals, 1955, begegnete sie einem gartenarchitektonischen Meisterwerk, das sie tief berührte: dem Parc Güell, geschaffen vom katalanischen Architekten Antoni Gaudí in Barcelona. Angesichts der beseelten Expressivität, die das um 1900 begonnene Werk von Gaudí mit seiner naturalistischen Formensprache, den farbenfrohen Keramikmosaiken und der üppigen Mittelmeervegetation noch heute ausstrahlt, flammte in ihr das unbändige Verlangen auf, eines Tages ihren eigenen Paradiesgarten zu erschaffen. „Twenty-four years later I would embark on the biggest adventure of my life, the Tarot Garden.“• Wer heute den ehemaligen Steinbruch bei Garavicchio in der Toskana besucht, kann sich der vitalen Ausdruckskraft des Ortes unmöglich entziehen und spürt die intensive Präsenz von Niki de Saint-Phalle, die in ihrem Paradiesgarten ab 1979 über ein Jahrzehnt lang arbeitete und phasenweise dort auch lebte, bis sie schließlich im Jahr 2002 an den Spätfolgen ihrer exzessiven künstlerischen Arbeit mit dem gesundheitsschädlichen Material Polyester starb. Stets interessiert an den metaphysischen Dimensionen des Lebens, wählte Niki de Saint-Phalle als Leitmotiv für das bedeutendste Werk ihres Lebens die 22 Bilder der Großen Arkana, also die Trümpfe des Tarot, eines uralten Kartenspiels, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts in esoterischen Kreisen als Mittel der Selbsterkenntnis und Wahrsagekunst genutzt wird und seither auf viele Künstlerpersönlichkeiten eine ungebrochene Faszination ausübt. Die Figuren der Großen Arkana sind symbolischer Natur und stehen für archetypische Grundcharaktere. So repräsentiert etwa der Narr den Archetypen des Kindes oder des reinen Tors, der sich zwar naiv aber dafür offen und unvoreingenommen auf das Leben einlässt, während der Herrscher den Archetyp des Vaters verkörpert und für die Macht des rationalen Geistes über die chaotische Natur steht. Niki de Saint-Phalle transformierte die 22 Schicksalskarten in äußerst ausdrucksstarke, farbenfrohe Skulpturen unterschiedlicher Größe und Komplexität, welche sie selbstbewußt in die Macchia, die hügelige Garrigue-Landschaft einfügte. Bis auf Eingriffe in die Topografie, die Anlage von verschlungenen Wegen und die Schaffung von Blickbezügen waren gartengestalterische Maßnahmen im eigentlichen Sinn nicht das zentrale Ziel der Künstlerin, denn es ging ihr primär um die Schaffung eines Skulpturengartens. Die mediterrane Spontanvegetation, das „Naturbelassene“, bildet daher den mehr oder minder neutralen Grund, auf den die Figuren gesetzt wurden. Tarot Garden bei Garavicchio

Entwurf: Niki de Saint-Phalle Private Anlage Größe ca. 1,6 Hektar Ausführung 1979 – 1998

Schon von Weitem grüßen fröhlich glitzernde Figuren aus den grünen Hügeln des Küstengebirges in die Ebene und locken den Reisenden in den Tarotgarten.

169

Furchtlos tritt die weiße Frau dem grünen Drachen entgegen und beweist Stärke .

Weit in die entfernte Landschaft grüßt der Magier mit erhobener Hand, während unter ihm die Hohepriesterin Wasser spendet und für Jean Tinguelys Rad des Schicksals die Bühne bereitet.

170

Analog zum freien Spiel mit den Tarot-Karten sind die Wege zwischen den Skulpturen im Bestand von Stecheichen, Flaumeichen, Olivenbäumen und vielen mediterranen Sträuchern frei wählbar, der Schicksalsweg im übertragenen Sinn also weder eindeutig festgelegt noch zwingend vorhersehbar. Dennoch lassen sich Schwerpunkte ausmachen, an denen sich mehrere Großskulpturen zu eindrucksvollen Ensembles konzentrieren oder wo bestimmte Karten, wie etwa der Herrscher, von Niki de Saint-Phalle und ihren zahlreichen Helfern zu einem regelrechten Gebäudekomplex ausgebaut wurden. Seit 1998 ist der Garten auch offiziell der Öffentlichkeit zugänglich. Von weitem locken rätselhafte bunte Lichtreflexe die Besucher aus der Küstenebene in die bewaldete Hügellandschaft, in eine Welt voll komplexer Bedeutungsebenen, die – auch nach dem Willen ihrer Schöpferin – jedoch keineswegs minutiös dechiffriert werden müssen:„Sollte unser Leben ein Kartenspiel sein, so werden wir geboren, ohne die Regeln zu kennen. Dennoch müssen wir mit den Karten in unserer Hand zurechtkommen. Ist Tarot nichts weiter als ein Kartenspiel, oder steckt eine Philosophie dahinter?“• Vor dem kreisrunden Eingangsportal des festungsartigen Eingangsgebäudes von Mario Botta ist kaum zu erahnen, welche Geheimnisse, welches Feuerwerk an Farben und Formen etwas weiter hangaufwärts auf den Besucher warten. Dort findet man sich plötzlich in einer Art Arena wieder, dem zentralen Ort im Garten, welche vom Magier, der

Saint-Phalle, Niki: Der Tarot-Garten. Wabern-Bern 2000; Umschlag

Hohepriesterin und der Herrscherin, begleitet von sechs weiteren Figuren, beherrscht wird. Der verspiegelte Turm des Magiers grüßt mit erhobener Hand in die Ferne. Darunter ergießt sich aus dem weit aufgerissenen Maul der blauen Hohepriesterin – eine Hommage an das Höllenmaul von Bomarzo – Wasser über eine breite Wassertreppe in ein Bassin, durch das der Narr, eine hagere Skinny-Skulptur, watet. Das Glücksrad, eine der typischen kinetischen Stahlskulpturen von Jean Tinguely, verleiht der Szene zusätzlich Bewegung. Tinguely, den Niki schon Ende der fünfziger Jahre kennen lernte, führte die junge Künstlerin nicht nur in den Künstlerkreis der Nouveaux Réalistes ein. Bis zu seinem Tod 1991 war er ihr Lebensgefährte und der kongeniale Künstler, ohne dessen Einfluss, Mitarbeit und künstlerische Interventionen der Tarot-Garten nicht zu einem solch’ eindrucksvollen Gesamtkunstwerk gewachsen wäre. Tinguelys rostige Stahlskulpturen setzen überall dort wichtige, fein ausbalancierte Akzente, wo die Üppigkeit der Keramik-, Glas- und Spiegelskulpturen fast überzuborden droht. In der großen Skulptur der Herrscherin, die den Archetypus der Mutter symbolisiert und sphinxartig mit roter Krone geschmückt am Rande der zentralen Arena lagert, richtete Niki de Saint-Phalle 1980 ihr Studio und ihr Zuhause ein. In den mosaikartig verspiegelten Innenräumen der großen Skulptur, belichtet durch kreisrunde Fenster in den Brustspitzen der üppigen Frauengestalt, wurde damals nicht nur gekocht, gegessen, geschlafen und gewohnt, sondern wurden auch mit Jean Tinguely, vielen Künstlerfreunden und kreativen Handwerkern die Baupläne für die großen, stahlarmierten Betonskulpturen entwickelt. Im Unterschied zu den Skinnies, filigranen durchsichtigen Skulpturen, erinnern die üppig geformten Großskulpturen an die berühmten Nanas und sind meist begehbare Bauten. Von der Dachterrasse mit Dusche auf dem Rücken der Herrscherin genießt man einen der Tarot Garden bei Garavicchio

Wie eine bunte Sphinx thront die Herrscherin im Tarotgarten von Niki de Saint-Phalle und diente ihr lange Zeit als Behausung.

Zum Herrscher, der komplexen Karte der männlichen Macht, gehört auch dieses Turmgebilde, Sinnbild für das Patriarchat.

171

Im Zentrum des Herrschers – die vierte Tarotkarte – steht ein Hof mit 22 verschieden gestalteten Säulen, die zwei Olivenbäume umstellen.

Durch ein zauberhaftes Tor, flankiert von einem Olivenbaum, betritt man den magischen Burghof des Herrschers.

172

schönsten Ausblicke in die mediterrane Kulturlandschaft, die in den vergangenen Jahrzehnten indes nicht unverändert blieb. Der Tarot-Garten wurde während der Bauzeit wesentlich größer als erwartet und verschlang mehr Finanzmittel als ursprünglich vorgesehen. So entschloss sich Niki de Saint-Phalle am Beginn der achtziger Jahre, eine eigene Parfümserie zu kreieren und investierte den erwirtschafteten Gewinn in den weiteren Ausbau ihres geliebten Gartens. Wie aufwändig das Werk werden konnte, ist an der Skulptur des Herrschers am deutlichsten ablesbar, denn er trägt die Gestalt eines Schlosses mit prächtigem, kreisrundem Innenhof, begehbarer Schlossmauer und großen Wehrtürmen. Im Innenhof, dem zwei Bäume Schatten spenden, wird der Bezug zum Park Güell besonders deutlich ablesbar: Die 22 individuell gestalteten Skulptursäulen und der Wehrgang mit seinem geschwungenen Mauerabschluss sind dem Meisterwerk von Gaudí formal sehr ähnlich, werden aber von einer wesentlich expressiveren Farb- und Oberflächengestaltung geprägt, die von der Biografie der Künstlerin durchwoben wird: Im Arkadengang – aber keineswegs nur hier – verewigte Niki de Saint-Phalle entscheidende Momente ihres ungestümen Lebens, das sie nur mit Hilfe der Kunst zu meistern verstand. Daraus entsprang ihr Lebenskunstwerk, der Tarot-Garten, ein Skulpturengarten als individuelle Deutung der Welt.

Tarot Garden bei Garavicchio

Aus der abbrechenden Spitze des verspiegelten Turmes quillt eine von Tinguelys Höllenmaschinen hervor, den strafenden göttlichen Blitz symbolisierend.

Auch die rote Rakete ist Teil jenes männlichen Machtgefüges, in dessen Mittelpunkt der Herrscher steht.

173

Der Mond kann große imaginative Kraft verleihen, aber auch dunkle, gefährliche Kräfte wecken, ganz so wie das Kraftwerk in Blickweite des Tarot-Gartens.

Gleich einem glitzernden Mantel ließ Niki de Saint-Phalle die verspiegelte Außenhaut ihrer Skulptur um einen bestehenden Olivenbaum legen.

174

Der Hohepriester steht für den Glauben, für Subjektivität und die Suche nach dem persönlichen Glück, nach Erlösung.

Rock Garden in Chandigarh

Märchenhafte Weltenschöpfung „Lasst dies eine neue Stadt sein, ein Symbol für die Freiheit Indiens. Unbeirrt von den Traditionen der Vergangenheit […] ein Ausdruck für den Glauben der Nation an die Zukunft“, so forderte es der erste Premierminister des unabhängigen Indien, Jawaharlal Nehru, für die neue Provinzhauptstadt des Punjab. Chandigarh, eine der wenigen realisierten Planstädte des 20. Jahrhunderts, entwickelte sich unter der Federführung von Le Corbusier in den fünfziger und sechziger Jahren wahrhaftig zu einem eindrucksvollen städtebaulichen Monument für das moderne Indien. Im funktional gegliederten Stadtraster mit den Ikonen moderner Stahlbetonarchitektur und den großzügigen Grünräumen ist das Wesen des traditionellen indischen Lebens nur mit Mühe zu erkennen. Und doch existiert es in hochkonzentrierter Form im rätselhaften Rock Garden am nordwestlichen Rand der Verwaltungsstadt. Zur gleichen Zeit, als Le Corbusiers grandiose Visionen gebaute Realität wurden, begann Nek Chand, ein bescheidener Straßeninspektor des Chandigarh Public Works Department, mit der Verwirklichung seines Traumes von einem märchenhaften Königreich im verwilderten Buschwerk der Peripherie. In der Planstadt, wo im Unterschied zu anderen indischen Städten jegliche Baumaßnahme der amtlichen Genehmigung bedurfte, war weder die Rodung von Gestrüpp noch der Bau einer kleinen Hütte ohne Bewilligung möglich. So arbeitete Nek Chand im Verborgenen, oft nachts. Von 1958 an sammelte er Steine, Schutt und Material, das beim Abbruch alter Siedlungen und beim Bau der neuen Stadt anfiel, und karrte alles per Fahrrad auf seine Baustelle. Nach siebenjähriger Sammeltätigkeit begann der eigenwillige Außenseiter mit der Erschaffung phantasievoller Skulpturen aus Zement, die er mit farbigen Textilresten, Keramikscherben, Glassplittern und anderen Werkstoffen aus seinem Materiallager kunstvoll veredelte. Die Skulpturen- und Steinsammlung beanspruchte mit der Zeit soviel Raum, dass Nek Chand immer mehr Fläche kultivieren musste, um die Wildnis nach Dienstschluss in ein würdiges Zuhause für seine Kreationen zu verwandeln. Als die Behörden 1972 im Zuge geplanter Baumaßnahmen den Busch roden wollten, standen sie unvermittelt einem bunten Volk von etwa zweitausend Skulpturen gegenüber. Die Konfrontation mit dieser illegal erschaffenen Welt löste große behördliche Empörung aus. Innerhalb kurzer Zeit wusste aber auch ganz Chandigarh von Nek Chands wundervollem Garten, und mit Unterstützung lokaler Unternehmer, die ihm Transportmittel und Material zur Verfügung stellten, konnte der Bau einer Reihe kleinerer Ausstellungshöfe und damit die erste Phase des Projektes erfolgreich abgeschlossen werden. Rock Garden in Chandigarh

Gestaltung: Nek Chand Öffentliche Anlage Größe ca. 10 Hektar Ausführung seit 1965

Der Eingang zum Rock Garden führt durch eine massive Betonwand aus tonnenförmigen Elementen, bekrönt von weißen Schwänen.

175

Schon nach wenigen Schritten im Garten wird klar, dass dies kein gewöhnlicher Garten ist, denn alle Wände bestehen aus Recyclingmaterial und Terrakottagefäßen.

Hinter jeder Wegbiegung erwartet den Besucher eine neue kleine Welt.

176

Enge Pfade begleiten den Flusslauf bis zum Wasserfall.

Wenige Jahre später beugte sich die Verwaltung dem öffentlichen Druck und eröffnete 1976 den Rock Garden als städtische Einrichtung, für deren Betreuung und Ausbau Nek Chand von nun an offiziell zuständig war. Ausgestattet mit eigenem Budget, 50 Arbeitskräften, Baugerät, Wasser- und Stromanschluss, machte sich der frischgebackene „Sub-Divisional Engineer, Rock Garden“ mit unbändiger Schaffenskraft an die zweite Ausbauphase seines Gartens. Schließlich fühlte er sich von Gott berufen, der Menschheit ein Geschenk zu machen und ein Zeichen für Toleranz und Frieden zu setzen. Neue, größere Ausstellungshöfe wurden errichtet, Gebäude und unzählige Menschenund Tierskulpturen entstanden, ein labyrinthisches System aus Wegen und Wasserläufen entwickelte sich, und last but not least musste die Materialbeschaffung besser organisiert werden: Ein ausgeklügeltes Recyclingprogramm gewährleistete die effiziente Sammlung und Verwertung von allem, was noch irgendwie von Nutzen sein konnte, vom Fahrradsattel bis zur Leuchtstoffröhre. Rock Garden in Chandigarh

Am Wasserfall eine Figurengruppe indischer Frauen und Kinder, anmutig Wasserkrüge tragend.

177

Im Gegensatz zu den Bauplänen der modernen Idealstadt existiert der komplexe Plan des Rock Garden nur im Kopf von Nek Chand. Wer sein Reich das erste Mal durch das kleine Eingangsportal in der hohen, von Gänsen bekrönten Gartenmauer betritt, hat nicht die geringste Ahnung, was ihn an der nächsten Biegung des engen Hohlweges, dort drüben hinter dem Gartentor oder im folgenden Hof erwartet. Vielleicht blickt eine ganze Affenherde neugierig auf einen herab, Mädchengestalten tragen in endlosem Zug ihre Wasserkrüge auf dem Kopf zum Brunnen, oder Hunderte von zierlichen Gestalten vollführen ihren rituellen Tanz für eine der zahllosen indischen Gottheiten, die in den Figuren wiederum eine ihrer vielfältigen Inkarnationen finden. So ausufernd wie die altindischen Helden- und Göttersagen Mahabharata und Ramayana, so überbordend ist die Phantasiewelt des Rock Garden.

Eine Stadt in der Stadt Chandigarh: Über der künstlich geschaffenen Schlucht thronen die Tempelanlagen des Rock Garden.

Eine eigene Welt für Tausende von Figuren, geschaffen aus Bauabfällen.

178

Etwa zehn Hektar Fläche umfasst mittlerweile der Garten, den man seit der dritten Ausbauphase ab 1983 getrost als Park bezeichnen kann. Durch eine tiefe, künstlich angelegte Schlucht, vorbei an einem tosenden Wasserfall, im Schatten der Bäume und zahlreicher palastartiger Bauten auf dem Hügel erreicht man eine große Lichtung im Park. Mit seinen farbigen Keramikbelägen und einer rustikal zementierten Arkadenkonstruktion erinnert die Szenerie den Europäer fast ein wenig an den Parc Güell in Barcelona. In jedem der 50 hohen Bögen ist eine Schaukel aufgehängt, auf der sich die Kinder ausgelassen vergnügen, während Tempel, Amphitheater und Grotten zu neuen Erkundungen locken. Eine Vielzahl meterhoher Skulpturen bevölkert das Bild, und ein hoher, beleuchteter Turm soll demnächst ein weithin sichtbares Signal für Nek Chands Paradies setzen. Wie alle Paradiese ist auch dieses trotz seiner internationalen Bekanntheit bedroht. Nur dem mutigen Widerstand der Anwohner ist es zu verdanken, dass die phantasievolle Gegenwelt zur modernen Idealstadt nicht schon längst einem Straßenbauprojekt weichen musste.

Anmutige Frauenfiguren mit ihren Wasserkrügen.

179

Ein indischer Parc Güell? Der große Schaukelgarten von Nek Chand.

Wie eine Affenherde hocken zahllose Gestalten auf einem Teppich aus weißen Keramikbruchstücken.

180

Terrakotta-Tänzer vor weißer Keramikwand, vier von insgesamt mehr als 2000 Skulpturen im Rock Garden.

Rock Garden in Chandigarh

181

Dank Ausgangspunkt und Grundlage dieses Buches bilden 30 kurze Gartenporträts, die zwischen Januar 1999 und Dezember 2003 unter der Rubrik „Gärten“ in regelmäßigem Turnus im NZZ FOLIO Monatsmagazin der Neuen Zürcher Zeitung erschienen. Die Serie verhalf vor allem interessierten Laien zu Einblicken in aktuelles Gartenschaffen und zeitgenössische europäische Landschaftsarchitektur. Dem Zürcher Landschaftsarchitekten Andreas Tremp verdanke ich den Anstoß zum Schreiben für die renommierte Zürcher Zeitschrift. Lilli Binzegger und Daniel Weber, den leitenden Redakteuren des NZZ FOLIO, bin ich für die jahrelang gelungene Zusammenarbeit in sehr angenehmer und konstruktiver Atmosphäre zu persönlichem Dank verpflichtet. Dass unser gemeinsames Engagement für die Verbreitung neuer Landschaftsarchitektur und Gartenkunst nun auch zur Buchform findet, verdanke ich unter anderem Eurer bereitwilligen Zustimmung. Ganz herzlichen Dank auch dafür! Viele Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer, Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten gewährten meiner Frau Rita Weilacher und mir auf unseren Gartenreisen durch Europa dankenswerter Weise nicht nur bereitwillig Zutritt zu ihren Gartenparadiesen. Sie stellten uns zudem erhellende Hintergrundinformationen zur Verfügung und erläuterten uns detailliert die Konzepte vieler interessanter Projekte. Ihnen allen sei deshalb an dieser Stelle nochmals ausdrücklich für Ihr Engagement gedankt. Der Berliner Lektor Andreas Müller, mit dem mich mittlerweile eine mehr als zehnjährige Zusammenarbeit an vielen gelungenen Birkhäuser-Buchprojekten verbindet, hat wieder einmal seinem Ruf als gewissenhafter, aufgeschlossener und engagierter Lektor alle Ehre gemacht. Es war abermals ein besonderes Vergnügen, mit ihm und seinem Team, sowie dem Berliner Grafiker Bernd Fischer und dem Londoner Übersetzer Michael Robinson ein neues Buchprojekt auf den Weg zu bringen. Ohne die Begeisterung für neue Landschaftsarchitektur und Gartenkunst würde die Qualität unserer Lebensumwelt allmählich verkümmern und Bücher wie dieses würden nicht geschrieben werden. Die Freude an Gärten darf ich glücklicher Weise seit vielen Jahren mit meiner Frau teilen: Rita! Vielen lieben Dank! … beileibe nicht nur für die kritisch-konstruktive Lektüre meiner Texte und Deinen sorgsamen fotografischen Blick, für Deine Geduld und Deinen unermüdlichen Unternehmungsgeist.

183