Hochspannungsprüf- und Messtechnik 3031335996, 9783031335990, 9783031336003

Dieses Buch berücksichtigt die jüngsten bemerkenswerten Veränderungen in der Stromerzeugung, -übertragung und -verteilun

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Table of contents :
Geleitwort zur ersten Ausgabe
Vorwort zur ersten Ausgabe
Vorwort zur zweiten Ausgabe
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
Zusammenfassung
1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche Hochspannungsprüfungen
1.2 Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) und ihre Standards
1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen
1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von Hochspannungsgeräten
2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik
Zusammenfassung
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld
2.1.1 Prinzipien und Definitionen
2.1.2 HV-Trockenprüfungen äußerer Isolierungen einschließlich atmosphärischer Korrekturfaktoren
2.1.3 HV-künstliche Regenprüfungen an äußerer Isolierung
2.1.4 HV-künstliche Verschmutzungsprüfungen an äußerer Isolierung
2.1.5 Hinweise zu weiteren Umweltprüfungen
2.1.6 HV-Prüfungen an inneren Isolierung
2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten
2.3 HV-Messung und Abschätzung der Messunsicherheit
2.3.1 HV-Messsysteme und ihre Komponenten
2.3.2 Zulassung eines HV-Messsystems für ein akkreditiertes HV-Prüffeld
2.3.3 Kalibrierung durch Vergleich mit einem Referenzmesssystem
2.3.4 Abschätzung der Unsicherheit von HV-Messungen
2.3.4.1 Nichtlinearitätseffekt (Linearitätstest)
2.3.4.2 Dynamisches Verhalten
2.3.4.3 Kurzzeit-Stabilitätseffekt
2.3.4.4 Langzeit-Stabilitätseffekt
2.3.4.5 Umgebungstemperatur-Effekt
2.3.4.6 Näherungseffekt
2.3.4.7 Software-Effekt
2.3.4.8 Bestimmung der erweiterten Unsicherheiten
2.3.4.9 Unsicherheit der Zeitparameterkalibrierung
2.3.5 HV-Messung mit Messkugelfunkenstrecken gemäß IEC 60052:2002
2.3.6 Feldsonden zur Messung von Hochspannungen und Feldstärken
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische Behandlung
2.4.1 Zufallsvariablen und die Konsequenzen
2.4.2 HV-Prüfungen nach der Spannungssteigerungsmethode
2.4.3 HV-Prüfungen mit der Konstantspannungsmethode
2.4.4 HV-Prüfungen für ausgewählte Quantile unter Verwendung von Auf- und Ab-Methoden
2.4.5 Statistische Behandlung von Lebensdauer-Tests
2.4.6 Standardisierte Stehspannungsprüfungen
2.4.7 Die Vergrößerungsgesetze
2.4.7.1 Statistische Grundlagen
2.4.7.2 Folgen der Vergrößerung
3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen
Zusammenfassung
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen
3.1.1 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Prüftransformatoren (ACT)
3.1.1.1 Allgemeines Prinzip
3.1.1.2 Metalltank- Prüftransformatoren
3.1.1.3 Zylindertyp-Prüftransformatoren
3.1.1.4 Prüftransformatoren mit SF6-getränkter Folien- oder Feststoffisolierung
3.1.1.5 Prüftransformator-Kaskaden
3.1.2 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Resonanzkreisen (ACR)
3.1.2.1 Grundlagen von Resonanzkreisen
3.1.2.2 Induktiv abgestimmte Resonanzschaltungen fester Frequenz (ACRL)
3.1.2.3 Frequenzabgestimmte Resonanzprüfsysteme variabler Frequenz (ACRF)
3.1.2.4 Vergleich von ACRL- und ACRF-Prüfsystemen
3.1.3 HVAC-Prüfsysteme für induzierte Spannungsprüfungen von Transformatoren (ACIT)
3.1.4 HVAC-Prüfsysteme mit variablen Frequenzen auf Basis von Transformatoren (ACTF)
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl von HVAC-Prüfsystemen
3.2.1 Anforderungen an AC-Prüfspannungen
3.2.2 Prüfsysteme für Mehrzweckanwendungen
3.2.3 AC-Resonanzprüfsysteme (ACRL; ACRF) für kapazitive Prüfobjekte
3.2.4 HVAC-Testsysteme für resistive Prüfobjekte
3.2.4.1 HVAC-Prüfsysteme für Fremdschichtprüfungen
3.2.4.2 HVAC-Testsysteme für Regenprüfungen
3.2.5 HVAC-Testsysteme für induktive Prüfobjekte: Transformatorprüfung
3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests
3.3.1 HVAC-Tests für Forschung und Entwicklung
3.3.2 HVAC-Qualitätstests und Diagnosetests
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung
3.4.1 Spannungsteiler
3.4.2 Messinstrumente
3.4.3 Anforderungen an zugelassene Messsysteme
4 Teilentladungsmessung
Zusammenfassung
4.1 Grundlagen
4.1.1 PD-Vorkommen
4.1.2 PD-Größen
4.2 PD-Modelle
4.2.1 Netzwerkbasiertes PD-Modell
4.2.2 Dipol-basiertes PD-Modell
4.3 PD-Impulsladungsmessung
4.3.1 Auskopplung von PD-Signalen
4.3.2 PD-Prüfkreise gemäß IEC 60270
4.3.3 PD-Signalverarbeitung
4.3.4 PD-Messgeräte
4.3.4.1 Allgemeines
4.3.4.2 Analoge PD-Instrumente
4.3.4.3 Digitale PD-Instrumente
4.3.5 Kalibrierung von PD-Messkreisen
4.3.6 Systemprüfungen von PD-Kalibratoren
4.3.7 Prüfungen zum Nachweis der Einhaltung der spezifizierten Kennwerte von PD-Messsystemen
4.3.8 PD-Prüfverfahren
4.4 PD-Fehlerlokalisierung
4.5 Störsignalreduzierung
4.5.1 Quellen und Signaturen von Störsignalen
4.5.2 Verfahren zur Reduzierung von Störsignalen
4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich
4.7.1 Allgemeines
4.7.2 Entwurf von PD-Kopplern
4.7.2.1 Kapazitive PD-Koppler
4.7.2.2 Induktive PD-Koppler
4.7.2.3 Elektromagnetische PD-Koppler
4.7.3 Grundprinzipien der PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich
4.7.4 Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit von UHF/VHF-PD-Detektionsmethoden
4.8 Akustische PD-Detektion
5 Messung dielektrischer Eigenschaften
Zusammenfassung
5.1 Messung der dielektrischen Antwort
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung
5.2.1 Schering-Brücke
5.2.2 Automatische C-tanδ-Brückenschaltungen
6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen
Zusammenfassung
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen
6.1.1 Halbwellengleichrichtung (Einphasen-, Einpuls-Schaltung)
6.1.2 Verdoppler- und Multiplikatorschaltungen (Greinacher/Cockcroft-Walton-Kaskaden)
6.1.3 Multiplikatorschaltungen für höhere Ströme
6.1.4 Multiplikatorschaltungen mit kaskadierten Transformatoren (Delon-Schaltungen)
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen
6.2.1 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen
6.2.2 Allgemeine Anforderungen an Komponenten von HVDC-Prüfsystemen
6.2.2.1 Schutz vor transienten Belastungen
6.2.2.2 Polaritätsumkehr und Abschaltung
6.2.2.3 Spannungskontrolle, Auswahl von Glättungskondensatoren und Frequenz
6.2.3 Interaktion zwischen HVDC-Testsystem und Testobjekt
6.2.3.1 Kapazitive Testobjekte
6.2.3.2 Resistive Testobjekte (Regen- und Verschmutzungs prüfungen)
6.2.3.3 Korona-Käfige und HVDC-Testleitungen
6.3 Verfahren und Bewertung von HVDC-Tests
6.4 Messung der HVDC-Prüfspannung
6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungen
7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen
Zusammenfassung
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen
7.1.1 Klassifizierung von Impulsprüfspannungen
7.1.2 Grund- und Vervielfacherschaltungen zur Erzeugung von Standard-LI/SI-Prüfspannungen
7.1.2.1 Grundlegender RC-Schaltkreis
7.1.2.2 Vervielfacher-RC-Schaltung
7.1.2.3 Berücksichtigung der Induktivität im Prüfkreis
7.1.2.4 Einige Details zur Auslegung von Impulsspannungsprüfsystemen
7.1.3 Schaltungen für oszillierende Impulsspannungen
7.1.4 OSI-Prüfspannungserzeugung durch Transformatoren
7.1.5 Prüfkreise für Impulsspannungen mit sehr steiler Front (VFF) und Halbleitergeneratoren
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von Impulsspannungsprüfsystemen
7.2.1 LI-Prüfspannung und das Phänomen des Überschwingens
7.2.1.1 Anforderungen von IEC 60060-1 und IEEE Std. 4 an Standard-LI-Spannungen 1.2/50
7.2.1.2 Situation und zukünftige Behandlung des Überschwingens
7.2.1.3 Wechselwirkung zwischen HVLI-Prüfsystem und Prüfobjekt
7.2.2 SI-Prüfspannungen
7.2.2.1 Anforderungen der IEC 60060-1 und IEEE Std. 4
7.2.2.2 Wechselwirkung zwischen HVSI-Testsystem und Testobjekt
7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests
7.3.1 Durchschlagspannungstests für Forschung und Entwicklung
7.3.2 LI/SI-Qualitätsabnahmetests
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen
7.4.1 Dynamisches Verhalten von Spannungsteilern
7.4.2 Konstruktion von Spannungsteilern
7.4.2.1 Resistive Spannungsteiler
7.4.2.2 Gedämpfte Kapazitive Teiler
7.4.3 Digitalrekorder
7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen
7.5.1 Resistiver Stromwandler (Shunt)
7.5.2 Induktiver Stromwandler (Rogowski-Spule)
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen
7.6.1 SI-Prüfspannungen
7.6.2 DAC-Prüfspannungen
7.6.3 Steil ansteigende Impulsspannungen (LI und VFF-Prüfspannungen)
8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen
Zusammenfassung
8.1 Kombinierte Prüfspannung
8.1.1 Erzeugung von kombinierten Prüfspannungen
8.1.2 Anforderungen an die kombinierten Prüfspannungen
8.1.3 Messung der kombinierten Prüfspannungen
8.1.4 Beispiele für kombinierte Spannungsprüfungen
8.2 Zusammengesetzte Spannungen
8.2.1 Erzeugung und Anforderungen
8.2.2 Messung von zusammengesetzten Prüfspannungen
8.2.3 Beispiele für Spannungstests mit zusammengesetzten Spannungen
9 Hochspannungsprüflaboratorien
Zusammenfassung
9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen
9.1.1 Zweck eines Prüflaboratoriums
9.1.2 Auswahl von Prüfanlagen
9.1.3 Abstände und Prüfbereiche
9.1.4 Steuerung, Messung und Kommunikation
9.2 Planung von HV-Laboratorien
9.2.1 Erforderliche Räume und Grunddesign
9.2.2 Erdung und Abschirmung
9.2.3 Stromversorgung und Hochfrequenz-Filterung
9.2.4 Zusatzeinrichtungen für Hochspannungsprüfungen
9.2.5 Gebäudeausrüstung
9.2.5.1 Beleuchtung
9.2.5.2 Heizung, Lüftung und Klimaanlage
9.2.5.3 Transportmittel
9.2.5.4 Technische Medien
9.2.5.5 Feuer- und Umweltschutz
9.2.6 Sicherheitsmaßnahmen
9.2.6.1 Sicherheit in HV-Prüffeldern und -bereichen
9.2.6.2 Sicherheit von HV-Prüfsystemen
9.2.6.3 Betrieb von HV-Prüfsystemen
9.3 Freiluft HV- Prüffelder
9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder
9.4.1 Aktualisierung von HV-Prüfsystemen
9.4.2 Verbesserung von HV-Prüfräumen
10 Hochspannungsprüfungen vor Ort
Zusammenfassung
10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme
10.1.1 Prüfungen zur Qualitätsicherung
10.1.2 Diagnostische Tests
10.1.3 Gesamtgestaltung von mobilen HV-Prüfsystemen
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen
10.2.1 Spannungen für Stehspannungsprüfungen
10.2.1.1 Wechselspannung des Leistungsfrequenzbereichs (HVAC)
10.2.1.2 Hohe Gleichspannung
10.2.1.3 Impuls-Spannung (LI, OLI, SI, OSI)
10.2.2 Spannungen für Spezialtests und Messungen
10.2.2.1 Sehr- niederfrequente (VLF) Prüfspannungen
10.2.2.2 Gedämpfte Wechselspannungen (DAC)
10.3 PD-Messung und Diagnostik vor Ort
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort
10.4.1 Prüfung von Gasisolierten Systemen (GIS, GIL)
10.4.1.1 Einige Grundlagen
10.4.1.2 Akzeptanztests an HVAC GIS
10.4.1.3 PD-Messung für Akzeptanzprüfungen und Diagnostik
10.4.1.4 On-Site-Tests von HVDC-GIS-Systemen
10.4.2 Prüfung von Kabelanlagen
10.4.2.1 Geschichte der DC-Spannungsprüfung von AC-LIP-Kabelsystemen
10.4.2.2 Prüfung von Mittelspannungs (MV) – AC-Kabelsystemen mit extrudierten Isolierungen
10.4.2.3 Prüfung von HV- und EHV-AC-Kabelsystemen mit extrudierter Isolierung
10.4.2.4 Prüfung von HVDC-Kabelsystemen mit extrudierter Isolierung
10.4.2.5 Prüfung von extrudierten AC- und DC-Seekabelsystemen
10.4.2.6 PD-Tests von Kabelanlagen
10.4.3 Prüfung von Leistungstransformatoren
10.4.3.1 Qualitätsabnahmeprüfung
10.4.3.2 Vor-Ort-PD-Messung und PD-Monitoring
10.4.4 Prüfung von rotierenden, elektrischen Maschinen
Biography of W. Hauschild
Biographie von E. Lemke
Literaturverzeichnis
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Hochspannungsprüf- und Messtechnik
 3031335996, 9783031335990, 9783031336003

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Wolfgang Hauschild Eberhard Lemke

Hochspannungsprüfund Messtechnik

Hochspannungsprüf- und Messtechnik

Wolfgang Hauschild · Eberhard Lemke

Hochspannungsprüf- und Messtechnik

Wolfgang Hauschild Dresden, Deutschland

Eberhard Lemke Dresden, Deutschland

ISBN 978-3-031-33599-0 ISBN 978-3-031-33600-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Buch ist eine Übersetzung des Originals in Englisch „High-Voltage Test and Measuring Techniques“ von Hauschild, Wolfgang und Lemke, Eberhard publiziert durch Springer Nature Switzerland AG im Jahr 2019. Die Übersetzung erfolgte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (maschinelle Übersetzung). Eine anschließende Überarbeitung im Satzbetrieb erfolgte vor allem in inhaltlicher Hinsicht, so dass sich das Buch stilistisch anders lesen wird als eine herkömmliche Übersetzung. Springer Nature arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Werkzeugen für die Produktion von Büchern und an den damit verbundenen Technologien zur Unterstützung der Autoren. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Christoph Baumann Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Nature Switzerland AG und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Gewerbestrasse 11, 6330 Cham, Switzerland

Geleitwort zur ersten Ausgabe

Die meisten in den letzten Jahren erschienenen Lehrbücher über Hochspannungstechnik (HV) konzentrieren sich auf allgemeine Aspekte dieses Fachgebiets, nicht aber auf die in diesem Buch behandelten Besonderheiten der HV-Prüf- und Messtechnik. Dieses Thema ist hauptsächlich experimentell orientiert und für die vielfältigen gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen aufgrund der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien, der breiteren Anwendung von Kabelsystemen sowie der Errichtung von Ultrahochspannungs-Langstreckenleitungen (UHV), die nicht nur Wechsel-, sondern auch Gleichspannungen verwenden, von wesentlicher Bedeutung. Daher entwickeln Forscher und Ingenieure, die sich mit HV-Prüf- und Messtechniken beschäftigen, neue Geräte, Instrumente und Verfahren. Als allgemeine Grundlage fassen internationale Organisationen wie CIGRE, IEC und IEEE die Ergebnisse der Forschungsarbeit zusammen und stellen allgemein anerkannte Regeln, Leitfäden und Normen zur Verfügung. Viele Forscher, Konstrukteure und Techniker, die im Bereich der Hochspannungstechnik tätig sind, sind mit den von den oben genannten Organisationen erarbeiteten und eingeführten Konzepten nicht gut vertraut. In dieser Situation wird dieses Buch eine Lücke schließen und zu einem besseren Verständnis der fortschrittlichen Technik beitragen, die kürzlich für die Qualitätssicherungsprüfung und Diagnose von Hochspannungsisolierungen entwickelt und eingeführt wurde. Darüber hinaus ist das Buch eine Hilfe für Studenten, um gut verständliche Informationen über die heutigen Werkzeuge zur Isolationsprüfung und -diagnose zu erhalten. Eine weitere Hauptanwendung ist die Ausbildung, Weiterbildung und das individuelle Lernen von Ingenieuren. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass große Fortschritte bei der Entwicklung von HV-Prüfsystemen einschließlich der zugehörigen Messeinrichtungen gemacht wurden, die das Hauptthema des von Hauschild und Lemke verfassten Buches sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Buch gibt eine umfassende Einführung und einen Überblick über den Stand der Hochspannungsprüf- und Messtechnik in enger Verbindung mit praktischen Aspekten. Für mich ist von den Autoren eine großartige Arbeit geleistet worden, die ich seit Anfang der 1970er Jahre kenne, als ich zum ersten Mal das HV-Institut in Dresden V

VI

Geleitwort zur ersten Ausgabe

besuchte. Seitdem sind wir gute Partner und enge Freunde geworden. Ich traf die Autoren regelmäßig, vor allem bei der Teilnahme an verschiedenen Arbeitsgruppen der CIGRE und der IEC, wo sich Wolfgang Hauschild besonders auf dem Gebiet der Hochspannungsprüftechnik und Eberhard Lemke auf dem Gebiet der Hochspannungsmesstechnik engagierten. Ihre herausragenden Arbeiten und die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Institut für Hochspannungstechnik der Technischen Universität Graz wurden durch die Verleihung des Doktortitels honoris causä in den Jahren 2007 und 2009 gewürdigt. Graz, Austria Paris, France November 2013

Michael Muhr Graz Technical University Chairman of Cigre AG HV Test Techniques

Vorwort zur ersten Ausgabe

Mehr als ein Jahrhundert nach seinem Beginn bleibt die Hochspannungstechnik (HV) weiterhin ein empirisches Feld. Experimentelle Untersuchungen sind die Grundlage für die Dimensionierung von elektrischen Isolierungen und unverzichtbar für die Qualitätssicherung durch Typ-, Routine- und Inbetriebnahmetests sowie für die Bewertung des Isolationszustands durch Überwachungs- und Diagnosetests. Für solche empirischen Verfahren ist keine Änderung in Sicht. Die Anwendung höherer Übertragungsspannungen, verbesserter Isoliermaterialien und neuer Gestaltungsprinzipien erfordern die weitere Entwicklung von HV-Test- und Messverfahren. Die relevanten Expertengremien in CIGRE, IEC und IEEE stellen gemeinsam anerkannte Standards und Richtlinien für HV-Tests bereit, die sowohl den Bedürfnissen als auch dem Wissensstand entsprechen. Die Autoren kommen aus der Dresdner Schule der Hochspannungstechnik von Fritz Obenaus und Wolfgang Mosch und hatten das Glück, der Entwicklung der HV-Testtechniken während des letzten halben Jahrhundert zu folgen und dazu beizutragen. Dieses Buch basiert auf dieser Erfahrung und soll den aktuellen Stand der HV-Test- und Messverfahren widerspiegeln. Wir hoffen, dass das Buch eine Lücke in der internationalen Literatur der Hochspannungstechnik schließt und zu einem besseren Verständnis der relevanten IEC- und IEEE-Standards führt. Es ist für Konstrukteure, Prüffeld- und EVU-Betriebsingenieure sowie für Studierende und Forscher gedacht. Viele Ingenieure, die heute mit HV-Prüfungen konfrontiert sind oder sich sogar damit beschäftigen, haben keine fundierte Ausbildung in der Hochspannungstechnik erhalten. Daher soll das Buch die individuelle Weiterbildung unterstützen und auch für weitere Schulungen nützlich sein. Nach einer Einführung zur Geschichte und zur Bedeutung der HV-Prüftechnik in der elektrischen Energieversorgung werden die allgemeine Grundlagen der Testsysteme und Testverfahren, die Zulassung von Messsystemen und die statistische Behandlung von Prüfresultaten erläutert. In gesonderten Kapiteln werden die Erzeugung, die Anforderungen und die Messungen von Wechsel-, Gleich-, Impuls- und Kombispannungen im Detail beschrieben. Da partielle Entladungen und dielektrische Messungen hauptsächlich mit Wechselspannungsprüfungen in Verbindung stehen, sind separate Kapitel über diese wichtigen Werkzeuge nach VII

VIII

Vorwort zur ersten Ausgabe

dem Kapitel über Wechselspannungstests angeordnet. Das Buch schließt mit Kapiteln über HV-Prüffelder und Vor-Ort-Prüfungen. Die Zusammenarbeit mit vielen Experten aus aller Welt war eine Voraussetzung für das Schreiben dieses Buches. Wir sind allen dankbar, können aber nur einige wenige nennen: Wir haben unsere Prägung im HV-Laboratorium der Technischen Universität Dresden erhalten und schätzen die Zusammenarbeit mit seinem Personal, vertreten durch Eberhard Engelmann und Joachim Speck.  Wir betrachten unsere Mitgliedschaft in den Expertengremien von CIGRE 33 (später D1), IEC TC 42 und IEEE- TRC und ICC als Schule während unseres Berufslebens. Aus dieser Arbeit zur HV-Prüfung sowie aus Diskussionen mit den Mitgliedern haben wir zahlreiche Anregungen erhalten. Wir sind dafür dankbar Dieter Kind, Gianguido Carrara, Kurt Feser, Arnold Rodewald, Ryszard Malewski, Ernst Gockenbach, Klaus Schon, Michael Muhr und alle anderen, die hier nicht genannt sind. Natürlich war und ist die tägliche Arbeit in unseren Betrieben mit vielen technischen Herausforderungen der Hochspannungsprüftechnik verbunden. Da diese immer in unseren zuverlässigen Teams gemeistert wurden, möchten wir der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern von Highvolt Prüftechnik Dresden GmbH und Doble- Lemke GmbH danken. Dank an Harald Schwarz und Josef Kindersberger die Wolfgang Hauschild auf einen Lehrauftrag für Hochspannungsprüftechnik an der Technischen Universität Cottbus bzw. an der Technischen Universität München beriefen. Dies erforderte eine dem Thema angemessene Gliederung, die auch in diesem Buch verwendet wird. Für das sorgfältige Korrekturlesen des Manuskripts und die hilfreichen Ratschläge danken wir unseren Freunden Jürgen Pilling und Wieland Bürger. Für weitere Anregungen und Kritiken der Leserinnen und Leser dieses Buches wären wir dankbar. Dresden, Deutschland Oktober 2013

Wolfgang Hauschild Eberhard Lemke

Vorwort zur zweiten Ausgabe

Die letzten Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches sind durch viele Entwicklungen in der elektrischen Energieerzeugung, -übertragung und -verteilung gekennzeichnet, z. B. die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien, die Ausweitung der Wechselspannungen auf die UHV-Ebene >800 kV, die breitere Anwendung der HGÜ-Stromübertragung, auch unter Verwendung von Kabelsystemen, und verbesserte Methoden der Diagnose und Zustandsbewertung. All diese Fortschritte haben Auswirkungen auf die Hochspannungsprüf- und Messtechnik. Die zweite Auflage dieses Buches soll den Trend in der HV-Prüfung widerspiegeln und ist als Beitrag zu den aktuellen Impulsen der Hochspannungstechnik im Allgemeinen zu verstehen. Auch bei dieser zweiten Auflage wurden wir von vielen Kollegen unterstützt und erwähnen Dr. Ralf Pietsch, Günter Siebert und Uwe Flechtner. Besonders bedanken wir uns für die Zusammenarbeit mit Dr. Christoph Baumann, Petra Jantzen und Sudhany Karthick von Springer Nature. Dresden, Germany September 2018

Wolfgang Hauschild Eberhard Lemke

IX

Danksagung

Durch die großzügige Unterstützung von HIGHVOLT Prüftechnik Dresden GmbH erhielt das Buch sein farbiges Erscheinungsbild. Darüber hinaus stammen alle fotografischen Abbildungen und dreidimensionalen Zeichnungen ohne Verweis aus dem HIGHVOLT-Archiv. Unser aufrichtiger Dank gilt der Geschäftsführung, insbesondere Bernd Kübler, Thomas Steiner und Ralf Bergmann, für ihre dauerhafte Unterstützung unseres Projekts.

XI

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche Hochspannungsprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) und ihre Standards. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von Hochspannungsgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2

Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld. . . . . . . . . 17 2.1.1 Prinzipien und Definitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1.2 HV-Trockenprüfungen äußerer Isolierungen einschließlich atmosphärischer Korrekturfaktoren . . . . 19 2.1.3 HV-künstliche Regenprüfungen an äußerer Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.1.4 HV-künstliche Verschmutzungsprüfungen an äußerer Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1.5 Hinweise zu weiteren Umweltprüfungen. . . . . . . . . . . . 30 2.1.6 HV-Prüfungen an inneren Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . 30 2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.3 HV-Messung und Abschätzung der Messunsicherheit. . . . . . . . . 35 2.3.1 HV-Messsysteme und ihre Komponenten. . . . . . . . . . . 36 2.3.2 Zulassung eines HV-Messsystems für ein akkreditiertes HV-Prüffeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.3.3 Kalibrierung durch Vergleich mit einem Referenzmesssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3.4 Abschätzung der Unsicherheit von HV-Messungen . . . 44 2.3.5 HV-Messung mit Messkugelfunkenstrecken gemäß IEC 60052:2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

XIII

Inhaltsverzeichnis

XIV

2.3.6

2.4

3

Feldsonden zur Messung von Hochspannungen und Feldstärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische Behandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.4.1 Zufallsvariablen und die Konsequenzen . . . . . . . . . . . . 64 2.4.2 HV-Prüfungen nach der Spannungssteigerungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.4.3 HV-Prüfungen mit der Konstantspannungsmethode. . . 75 2.4.4 HV-Prüfungen für ausgewählte Quantile unter Verwendung von Auf- und Ab-Methoden . . . . . . . . . . . 79 2.4.5 Statistische Behandlung von Lebensdauer-Tests. . . . . . 82 2.4.6 Standardisierte Stehspannungsprüfungen . . . . . . . . . . . 84 2.4.7 Die Vergrößerungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Prüfungen mit hohen Wechselspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.1.1 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Prüftransformatoren (ACT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.1.2 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Resonanzkreisen (ACR). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.1.3 HVAC-Prüfsysteme für induzierte Spannungsprüfungen von Transformatoren (ACIT) . . . 128 3.1.4 HVAC-Prüfsysteme mit variablen Frequenzen auf Basis von Transformatoren (ACTF). . . . . . . . . . . . . 131 3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl von HVAC-Prüfsystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3.2.1 Anforderungen an AC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . 134 3.2.2 Prüfsysteme für Mehrzweckanwendungen . . . . . . . . . . 137 3.2.3 AC-Resonanzprüfsysteme (ACRL; ACRF) für kapazitive Prüfobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3.2.4 HVAC-Testsysteme für resistive Prüfobjekte. . . . . . . . . 143 3.2.5 HVAC-Testsysteme für induktive Prüfobjekte: Transformatorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3.3.1 HVAC-Tests für Forschung und Entwicklung. . . . . . . . 154 3.3.2 HVAC-Qualitätstests und Diagnosetests. . . . . . . . . . . . 158 3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.4.1 Spannungsteiler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3.4.2 Messinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.4.3 Anforderungen an zugelassene Messsysteme . . . . . . . . 172

4 Teilentladungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.1.1 PD-Vorkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.1.2 PD-Größen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis

XV

4.2 PD-Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.1 Netzwerkbasiertes PD-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.2 Dipol-basiertes PD-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.3 PD-Impulsladungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.3.1 Auskopplung von PD-Signalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.3.2 PD-Prüfkreise gemäß IEC 60270. . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.3.3 PD-Signalverarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.4 PD-Messgeräte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.3.5 Kalibrierung von PD-Messkreisen. . . . . . . . . . . . . . . . . 215 4.3.6 Systemprüfungen von PD-Kalibratoren. . . . . . . . . . . . . 218 4.3.7 Prüfungen zum Nachweis der Einhaltung der spezifizierten Kennwerte von PD-Messsystemen . . . . . 221 4.3.8 PD-Prüfverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.4 PD-Fehlerlokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4.5 Störsignalreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.5.1 Quellen und Signaturen von Störsignalen. . . . . . . . . . . 233 4.5.2 Verfahren zur Reduzierung von Störsignalen . . . . . . . . 233 4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.7.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.7.2 Entwurf von PD-Kopplern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.7.3 Grundprinzipien der PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.7.4 Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit von UHF/VHF-PD-Detektionsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . 258 4.8 Akustische PD-Detektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5

Messung dielektrischer Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5.1 Messung der dielektrischen Antwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5.2.1 Schering-Brücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 5.2.2 Automatische C-tanδ-Brückenschaltungen. . . . . . . . . . 279

6

Prüfungen mit hohen Gleichspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen. . . . . . 286 6.1.1 Halbwellengleichrichtung (Einphasen-, Einpuls-Schaltung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 6.1.2 Verdoppler- und Multiplikatorschaltungen (Greinacher/Cockcroft-Walton-Kaskaden) . . . . . . . . . . 288 6.1.3 Multiplikatorschaltungen für höhere Ströme. . . . . . . . . 292 6.1.4 Multiplikatorschaltungen mit kaskadierten Transformatoren (Delon-Schaltungen) . . . . . . . . . . . . . 294 6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 296 6.2.1 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . 297 6.2.2 Allgemeine Anforderungen an Komponenten von HVDC-Prüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Inhaltsverzeichnis

XVI

6.2.3 6.3 6.4 6.5

Interaktion zwischen HVDC-Testsystem und Testobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Verfahren und Bewertung von HVDC-Tests. . . . . . . . . . . . . . . . 315 Messung der HVDC-Prüfspannung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

7

Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen . . . . . . . 327 7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7.1.1 Klassifizierung von Impulsprüfspannungen. . . . . . . . . . 327 7.1.2 Grund- und Vervielfacherschaltungen zur Erzeugung von Standard-LI/SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . 330 7.1.3 Schaltungen für oszillierende Impulsspannungen. . . . . 347 7.1.4 OSI-Prüfspannungserzeugung durch Transformatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 7.1.5 Prüfkreise für Impulsspannungen mit sehr steiler Front (VFF) und Halbleitergeneratoren. . . . . . . . . . . . . 354 7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von Impulsspannungsprüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 7.2.1 LI-Prüfspannung und das Phänomen des Überschwingens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 7.2.2 SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests . . . . . . . . . 375 7.3.1 Durchschlagspannungstests für Forschung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 7.3.2 LI/SI-Qualitätsabnahmetests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 7.4.1 Dynamisches Verhalten von Spannungsteilern . . . . . . . 380 7.4.2 Konstruktion von Spannungsteilern. . . . . . . . . . . . . . . . 387 7.4.3 Digitalrekorder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen . . . . . . . . . 402 7.5.1 Resistiver Stromwandler (Shunt). . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 7.5.2 Induktiver Stromwandler (Rogowski-Spule). . . . . . . . . 407 7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 7.6.1 SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 7.6.2 DAC-Prüfspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 7.6.3 Steil ansteigende Impulsspannungen (LI und VFF-Prüfspannungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

8

Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 8.1 Kombinierte Prüfspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 8.1.1 Erzeugung von kombinierten Prüfspannungen . . . . . . . 424 8.1.2 Anforderungen an die kombinierten Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 8.1.3 Messung der kombinierten Prüfspannungen. . . . . . . . . 427 8.1.4 Beispiele für kombinierte Spannungsprüfungen. . . . . . 428

Inhaltsverzeichnis

8.2

XVII

Zusammengesetzte Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 8.2.1 Erzeugung und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 8.2.2 Messung von zusammengesetzten Prüfspannungen . . . 429 8.2.3 Beispiele für Spannungstests mit zusammengesetzten Spannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

9 Hochspannungsprüflaboratorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 9.1.1 Zweck eines Prüflaboratoriums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 9.1.2 Auswahl von Prüfanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 9.1.3 Abstände und Prüfbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 9.1.4 Steuerung, Messung und Kommunikation. . . . . . . . . . . 442 9.2 Planung von HV-Laboratorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 9.2.1 Erforderliche Räume und Grunddesign. . . . . . . . . . . . . 446 9.2.2 Erdung und Abschirmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 9.2.3 Stromversorgung und Hochfrequenz-Filterung. . . . . . . 456 9.2.4 Zusatzeinrichtungen für Hochspannungsprüfungen . . . 459 9.2.5 Gebäudeausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 9.2.6 Sicherheitsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 9.3 Freiluft HV- Prüffelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder. . . . . . . . . . . . . . . . . 473 9.4.1 Aktualisierung von HV-Prüfsystemen. . . . . . . . . . . . . . 474 9.4.2 Verbesserung von HV-Prüfräumen. . . . . . . . . . . . . . . . . 474 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme . . . . . . 477 10.1.1 Prüfungen zur Qualitätsicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 10.1.2 Diagnostische Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 10.1.3 Gesamtgestaltung von mobilen HV-Prüfsystemen . . . . 482 10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 10.2.1 Spannungen für Stehspannungsprüfungen. . . . . . . . . . . 484 10.2.2 Spannungen für Spezialtests und Messungen . . . . . . . . 490 10.3 PD-Messung und Diagnostik vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 10.4.1 Prüfung von Gasisolierten Systemen (GIS, GIL) . . . . . 499 10.4.2 Prüfung von Kabelanlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 10.4.3 Prüfung von Leistungstransformatoren. . . . . . . . . . . . . 521 10.4.4 Prüfung von rotierenden, elektrischen Maschinen. . . . . 530 Biography of W. Hauschild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Biographie von E. Lemke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

Abkürzungsverzeichnis

AC Wechselstrom (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. AC-Spannung) ACIT Hochspannungseinheiten zur Induktionsspannungsprüfung ACL Akkreditiertes Kalibrierlabor ACRF Hochspannungs-AC-Serienresonanzkreis mit variabler Frequenz ACRL Hochspannungs-AC-Serienresonanzprüfkreis mit variabler Induktivität ACT Hochspannungs-AC-Prüfkreis mit Transformatoren ACTF Hochspannungs-AC-Prüfkreis mit variabler Frequenz und Transformatoren ADC Analog-Digital-Wandler AE Akustische Emission AMS Zugelassenes Messsystem C Kapazität CD Ausschussentwurf (IEC) CH Kanal CRO Oszilloskop mit Kathodenstrahlröhre DAC Gedämpfte Wechselspannung (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. DAC-Spannung) DC Gleichstrom (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. DC-Spannung) DCS Richtkoppler-Sensor DNL Differentielle Nichtlinearität DSP Digitale Signalverarbeitung EMC Elektromagnetische Verträglichkeit GIL Gasisolierte (Übertragungs-) Leitung GIS Gasisoliertes Schaltanlage GST Prüfungt mit geerdetem Prüfling GUM ISO/IEC Guide 98–3:2008 HF Hochfrequenz HFCT Hochfrequenz-Stromwandler HV Hochspannung (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. HV-Prüfung) HVAC Hohe Wechselspannung XIX

XX

Abkürzungsverzeichnis

HVDC Hohe Gleichspannung IEC Internationale Elektrotechnische Kommission IEEE Institut der Elektrotechnik- und Elektronik-Ingenieure (USA) IGBT Isolierter Gate-Bipolartransistor INL Integrale Nichtlinearität IVPD Teilentladungsmessung bei induzierter Wechselspannung IVW Induzierte Stehspannungsprüfung L Induktivität LI Blitzimpuls (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. LI-Prüfspannung ) LIC Abgeschnittene Blitzimpulsspannung LIP Flüssigkeitsimprägnierte Papierisolierung LSB Least significant bit LTC Lebensdauercharakteristik (auch: LTC- Prüfung) LV Niederspannung M/G Motor–Generator (Satz) ML Maximum likelihood (Statistische Methode der Parameterschätzung) MLM Multiple level method (Prüfmethode mit mehreren konstanten Spannungsstufen) MS Messsystem MV Mittelspannung (Nicht verwechseln mit Dimension ‘‘Megavolt’’!) NMI National Metrology Institute (Nationales Institut für Messwesen) OLI Schwingende Blitzimpulsspannung OSI Schwingende Schaltimpulsspannung PD Teilentladung (in komplexen Begriffen, z. B. PD-Messung) PSM Progressive Stress-Methode (Prüfmethode mit ansteigender Beanspruchung) R Widerstand R&D Forschung und Entwicklung RF Radiofrequenz RIV Funkstörspannung RMS Referenzmesssystem rms Effektivwert (root of mean square, Quadratwurzel aus dem quadratischen Mittel) RoP Identitätsakte eines Messsystems RVM Rückstrommessung SFC Statischer Frequenzumrichter SI Schaltimpuls (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. SI-Testspannung) TC Technischer Ausschuss (der IEC) TDG Testdatengenerator (Prüfdaten-Software Paket) TDR Time-Domain-Reflektometrie (Reflektometrie im Zeitbereich) THD Gesamtharmonische Verzerrung TRMS Transfer-Referenzmesssystem (Vergleichs Referenzmesssystem) UDM Auf- und Ab-Methode (Prüfmethode) UHF Ultrahohe Frequenz

Abkürzungsverzeichnis

UHV Ultrahohe Spannung (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. UHV-Labor) V Spannung VHF Sehr hohe Frequenz X Reaktanz XLPE Quervernetztes Polyethylen Z Impedanz

XXI

Verzeichnis der Symbole

A Fläche a Distanz α Phasenwinkel ß Überschwingungsmagnitude C Kapazität Ci Impulskapazität Cl Lastkapazität c Lichtgeschwindigkeit D Dielektrische Flussdichte d Durchmesser dV Spannungsabfall (DC) Δf Bandbreite ΔT Fehler der Zeitmessung ΔV Spannungsreduktion (DC) δ (1) Luftdichte (2) Weibull-Exponent (3) Ripple-Faktor (4) Verlustwinkel (tan δ) δV Ripple-Spannung (DC) E Elektrische Feldstärke e (1) Elementarladung (e = 1,602 × 10 −19As) (2) Basis des natürlichen Logarithmus (e = 2,71828 …) ε Dielektrische Permittivität (ε 0= 8,854 × 10 −12As / Vm) ε r Relative Dielektrizität η (1) 63% Quantil (Weibull- und Gumbel-Verteilungen) (2) Ausnutzungs- oder Effizienzfaktor F (1) Skalenfaktor (2) Coulomb-Kraft Fp Polarisationsfaktor F(f) Übertragungsfunktion F(x) Verteilungsfunktion XXIII

XXIV

Verzeichnis der Symbole

f Frequenz fm Nennfrequenz ft Testfrequenz f0 (1) Natürliche Frequenz (2) Zentrale Frequenz (Schmalband- PD-Messung) f1 Untere Frequenzgrenze f2 Obere Frequenzgrenze Φ Magnetischer Fluss ϕ Phasenwinkel G Stromdichte g Parameter für atmosphärische Korrekturen g(t) Einheits- Schrittantwort H (1) Magnetische Feldstärke (2) Höhe h Luftfeuchtigkeit I Strom Im Nennstrom Isc Kurzschlussstrom iL Entladestrom K Deckungsfaktor für erweiterte Unsicherheit Kt Atmosphärischer Korrekturfaktor k (1) Parameter für atmosphärische Korrekturen (2) Fester Faktor kd Konstante in der Lebensdauercharakteristik ke Feldverstärkungsfaktor k(f) (1) Prüfspannungsfaktor (2) Prüfspannungsfunktion für die LI-Bewertung k1 Luftdichtekorrekturfaktor k2 Feuchtigkeitskorrekturfaktor κ Leitfähigkeit L (1) Induktivität (2) Likelihood-Wahrscheinlichkeitsfunktion M Impulsgröße (PD-Messung) m Geschätzter Mittelwert μ Theoretischer Mittelwert μ Permeabilität ( µ 0= 0,4 π × 10 −6Vs/Am = 1.257 × 10 −6Vs/Am) μr Relative Permeabilität n (1) Lebensdauer Exponent (2) Anzahl (z. B. von Elektronen) ω Winkelgeschwindigkeit P Wirkleistung (bei Prüfung) PF Speiseleistung Pm Dipolmoment PN Natürliche Leistung einer Übertragungslinie PR Leistungsverlust einer Resonanzschaltung

Verzeichnis der Symbole

XXV

p (1) Wahrscheinlichkeit (2) Druck p0 Referenzdruck Q (1) Ladung (2) Güte (eines Resonanzprüfkreises) q (1) Ladung eines PD-Impulses (2) Ladung eines Leckstromimpulses R (1) Widerstand (2) Verhältnis zwischen zwei Ergebnissen Rd Dämpfungswiderstand Rf Frontwiderstand (LI/SI-Prüfspannung) R t RückenwWiderstand (LI/SI-Prüfspannung r (1) Verhältnis (z.B. Teiler oder Transformer) (2) Radius S (1) Reaktive Prüfleistung (2) Steilheit (LI / SI Prüfspannung) Sf Skalenfaktor S50 50 Hz Äquivalenztestleistung sg Mittlere quadratische Abweichung (Schätzung der Standardabweichung) σ Standardabweichung T Dauer (AC-Periode) TC Abschneidezeit TN Experimentelle Reaktionszeit TR Restantwortzeit TT Dauer des Überschwingens T1 Frontzeit der LI-Spannung T2 Rückenhalbwertszeit der Impuls-Spannungen t (1) Temperatur (2) Zeit ts Einschwingzeit tt Testzeit t0 Bezugstemperatur τ Zeitkonstante U ErweiterteUnsicherheit Ucal Erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung UM Erweiterte Unsicherheit der Messung u Standardunsicherheit uA Typ-A-Standardunsicherheit uB Typ-B-Standardunsicherheit V Spannung V B Maximalwert der Basiskurve (LI-Spannung) V E Extremwert der aufgezeichneten Kurve (LI-Spannung) Ve PD-Aussetzspannung VF Speisespannung V i (1) PD-Einsetzspannung

XXVI

(2) Impuls-Spannung Vk Kurzschluss-Spannung (Prüftransformator) Vm (1) Höchste Systempannung , Isolationsspannung (2) Arithmetisches Mittel (DC) Vmax Maximum der Gleichspannung Vmin Minimum der Gleichspannung Vn Nennspannung Vpeak Scheitelspannung Vr Rückkehrspannung Vrms Effektivwert der Spannung VT Prüfspannungswert V(v) Verhaltensfunktion V∑ Summenladespannung V0 (1) Leiter-Erde-Spannung-Spannung (2) Anfangsspannung für eine Prüfung (3) Lade-Gleichspannung V1 Primärspannung eines Testtransformators V2 Sekundärspannung eines Testtransformators V50 50% Durchbruchspannung v Varianz v(t) Zeitabhängige Spannung vk Kurzschlussimpedanz eines Prüftransformators w Anzahl der Windungen einer Wicklung W Energie W i Impulsenergie (eines Impuls-Spannungsgenerators) X Reaktanz Xres Kurzschlussreaktanz eines Transformators Z Impedanz ZL Wellenwiderstand (einer Übertragungsleitung)

Verzeichnis der Symbole

Kapitel 1

Einführung

Zusammenfassung Hochspannungsprüf und -messtechniken werden in den meisten allgemeinen Hochspannungsbüchern behandelt (z. B. Kuechler, 2009; Kuffel et al., 2007; Beyer et al., 1986; Mosch et al., 1988; Schufft et al., 2007; Arora & Mosch, 2011). Es gibt Lehrbücher zu Hochspannungsprüfungen für Studenten (Marx, 1952; Kind & Feser, 1999) sowie wenige Bücher zu speziellen Themen, z. B. zur Hochspannungsmesstechnik (Schwab, 1981; Schon, 2010, 2016). Ziel dieses Buches ist es, einen umfassenden Überblick über den Stand der Technik sowohl der Hochspannungsprüfungen als auch der Messtechniken für Ingenieure in der Praxis, Absolventen und Studenten von Masterkursen zu geben. Eine gewisse Richtlinie hierfür bilden die relevanten weltweiten Standardserien des Technischen Ausschusses 42 (TC42: „High-Voltage and High-Current Test and Measuring Techniques”) der International Electrotechnical Commission (IEC), die weitgehend identisch sind mit den entsprechenden Standards des amerikanischen Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE). Diese Einführung enthält auch die Beziehung zwischen Hochspannungsprüfungen und -messtechniken sowie die Anforderungen an die Übertragungssysteme im Zusammenhang mit den steigenden Übertragungsspannungen und den Grundsätzen der Isolationskoordination. Darüber hinaus wird untersucht, wie Hochspannungsprüfungen für die Qualitätssicherung und Bewertung des Zustands von Stromversorgungseinrichtungen im Lebenszyklus durchgeführt werden.

1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche Hochspannungsprüfungen In den letzten 125 Jahren hat die Entwicklung der Übertragungsspannungen von Energieversorgungsunternehmen von 10 kV auf 1200 kV eine enorme Entwicklung der Hochspannungs- (HV) Ingenieurwissenschaft erforderlich gemacht. Dazu gehören z. B. die Einführung vieler neuer Isolierstoffe und Technologien, die genaue Berechnung elektrischer Felder, das Wissen über die Phänomene in Dielektrika unter dem Einfluss des elektrischen Feldes und das ­Verständnis © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_1

1

1 Einführung

2

von elektrischen Entladungsprozessen. Trotzdem bleibt der empirische (experimentelle) Charakter der HV-Ingenieurwissenschaft aufgrund unvermeidbarer Fehler in der Struktur technischer Isolierstoffe, Fehler in der Herstellung und Montage von technischen Elektroden sowie von Produktions- und Montagefehlern eng verbunden. Aus diesem Grund wurden nationale und internationale Standards für HV- Prüfungen sowie für Geräte zur Erzeugung von Prüfspannungen und zur Messung (und an) diesen Spannungen entwickelt. Seit dem frühen Beginn der weiteren Anwendung elektrischer Energie hat ihre Übertragung vom Ort der Erzeugung (Kraftwerk) zum Ort der Verwendung (z. B. Industrie, Haushalte, öffentliche Nutzer) die Energiekosten erheblich beeinflusst. Die transportierbare Leistung einer Hochspannungs-Wechselstrom- (HVAC) Freileitung ist durch ihren Wellenwiderstand ZL auf in ihrer Übertragungsleistung begrenzt:

PL = V 2 /ZL .

(1.1)

Während die Anstiegsimpedanz (ZL ≈ 250  Ω) durch die Geometrie der Freileitung nur innerhalb bestimmter Grenzen beeinflusst werden kann, wird die Ubertragungsleistung hauptsächlich durch die Höhe der Übertragungsspannung bestimmt, z. B. ist die Leistungstransferfähigkeit eines 400-kV-Systems nur ein Viertel jenes eines 800-kV-Systems. Folglich erfordert die steigende Nachfrage nach Energie höhere HVAC-Übertragungsspannungen. Bemerkenswerte Zunahmen vonHVAC-Übertragungen erfolgten auf 123 kV in Deutschland im Jahr 1912, auf das Niveau von 245 kV im Jahr 1926 (USA), auf 420 kV im Jahr 1952 (Schweden), auf 800 kV im Jahr 1966 (Kanada und Russland) und auf UHV (1000–1200 kV im Jahr 2010, China) (Abb. 1.1). Weil bei Gleichspannung kein Wellenwiderstand wirksam wird; die Einschränkung der Übertragungsleistung wird hauptsächlich durch die Stromverluste verursacht. Für gleichwertige Spannungen ist die HVDC-Übertragungsleistung etwa dreimal so hoch wie bei HVAC. Dies bedeutet, dass eine 800-kV-HVDCLeitung mit einer Effizienz von 94 % drei 800-kV-HVAC-Freileitungen mit einer Effizienz von nur 88 % ersetzt (Schwedischer Stromzyklus, 2009). Aber HVDCÜbertragung erfordert teure Konverterstationen. Daher ist die Anwendung der HVDC-Übertragung auf sehr lange Übertragungslinien beschränkt, bei denen die Kostensenkung für die Linie die höheren Kosten für die Station ausgleicht. Die gegenwärtige Kostensenkung von Leistungselektronik-Komponenten, effiziente HVDC-Kabelproduktion und andere technische Vorteile der HVDC-Übertragung haben weltweite Aktivitäten in diesem Bereich ausgelöst (Long & Nilsson, 2007; Gockenbach et al., 2007; Yu et al., 2007). Die historische Entwicklung (Abb. 1.1) zeigt, dass das 1000-kV-Niveau jetzt in China erreicht wird, aber die nächsten Niveaus über 1000 kV oder mehr sind in Vorbereitung (IEC TC115, 2010). Die HV-Prüf- und Messverfahren müssen in der Lage sein, Komponenten zu testen, die zu HVAC- und HVDC-Stromsystemen gehören. Aber zusätzlich bestimmt auch die Art der zu prüfenden Isolierung die Art der Prüfgeräte. Die „klassischen” Isoliermaterialien (Luft, Keramik, Glas, Öl, Papier) wurden durch Isoliergase, z. B. SF6 für gasisolierten Umspannwerke und Übertragungs-

1.1  Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche … Abb. 1.1 Geschichte der HVAC- und HVDCÜbertragungs systeme

3

Höchste Spannung für Geräte

linien (GIS, GIL) (Koch, 2012), und synthetische Feststoffe, z. B. Epoxidharz für Instrumententransformatoren und Polyethylen für Kabel (Abb. 1.2) (Ghorbani et al., 2014) ergänzt. Aus Umweltgesichtspunkten wird in Zukunft eine breitere Anwendung von Kabeln und GIL für die Stromübertragung von AC- und DCSpannungen erwartet. Es wird angenommen, dass die aktuelle Technologie der UHV DC-Übertragung es sogar ermöglichen würde, ein weltweit reichendes Supergrid zu errichten, um regionale Netze zu verbinden (Abb. 1.3) (Gellings, 2015). Dies ermöglicht den weltweiten Austausch von elektrischer Energie, hält das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrecht und sichert Netze gegen elektronische und physische Angriffe. Geplante und sogar errichtete EHV/UHVregionale Netze, z. B. in China, Europa oder rund um das Mittelmeer, können als erste Schritte zu einem Supergrid verstanden werden, das auch eine Herausforderung für UHV-Tests sein würde! Das grundlegende Prinzip der HV-Prüfung besagt, dass Prüfspannungen die Beanspruchungen nachbilden sollen, die den charakteristischen Spannungen im Betrieb entsprechen (IEC 60071-1). Als der elektrische Stromtransport begann, waren nicht alle diese Spannungen bekannt. Darüber hinaus hängen Art und Höhe der Spannungen von der Systemkonfiguration, den verwendeten Geräten, den Umgebungsbedingungen und anderen Einflüssen ab. Die historische Entwicklung der HV-Prüfung steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Wissen über Stromnetze. Sie kann wie folgt charakterisiert werden:

1 Einführung

4 Abb. 1.2 Historie der Anwendung von Isoliermaterialien

Höchste Spannung für Geräte

Konventionelle Isolierung: Luft, Keramik, Öl, Papier Druckgasisolierung SF6

Feste Dielektrika, XLPE, EP...

Abb. 1.3  Die Idee eines weltweit reichenden Supergrids

Die HV-Prüfung begann in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts mit Wechselspannungsprüfungen von Netzfrequenz (50 oder 60 Hz) (Spiegelberg 2003). Die Prüfspannungen wurden von Prüftransformatoren, später auch von Transformatorkaskaden (Abb. 1.4a, siehe auch Abschn. 3.1) erzeugt. Man ging davon aus, dass geeignete HVAC-Prüfungen alle möglichen HVSpannungen im Betrieb darstellen würden. Natürlich wurden HVDC-Geräte mit

1.1  Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche …

5

Abb. 1.4 Historische Prüfspannungsgeneratoren a Die erste 1000 – kV-Transformatorkaskade (Koch und Sterzel Dresden 1923) b 1000 kV-Gleichspannungsgenerator (Koch und Sterzel Dresden 1936) c 2000 kV-LI-Spannungsgenerator (Koch und Sterzel Dresden 1929) d 7000 kV-LI/SI-Spannungsgenerator (TuR Dresden 1979)

Gleichspannungen getestet, die von Gleichspannungsgeneratoren (Abb. 1.4b, siehe auch Abschn. 6.1) erzeugt wurden. Aber unabhängig von den durchgeführten HVAC-Tests versagten Geräte in Stromnetzen, z. B. als Folge von Blitzeinschlägen, die aüßere Überspannungen verursachten. Diese Impulsüberspannungen werden durch Frontzeiten von wenigen Mikrosekunden und Rückenhalbwertszeiten von mehreren bis zu hundert

6

1 Einführung

Mikrosekunden charakterisiert. Aufgrund dieses Wissens wurden in den 1930er Jahren Tests mit Blitzimpuls (LI) Spannungen (Frontzeit ≈ 1…2 μs, Zeit zur Halbwertszeit ≈ 40…60 μs) eingeführt. Für LI-Spannungsprüfungen wurden geeignete Generatoren entwickelt (Abb. 1.4c, siehe auch Abschn. 7.1). 30 Jahre später wurde festgestellt, dass innerne Überspannungen zu niedrigeren Durchbruchspannungen von langen Isolierstrecken in der Luft führen als LI- oder AC-Spannungsstress. Sie werden durch Schaltvorgänge im Stromsystem verursacht. Ihre Dauer liegt zwischen einigen hundert Mikrosekunden und wenigen Millisekunden. Als Folge davon wurden in den 1960er Jahren die Schaltimpuls (SI) Prüfspannungen eingeführt. SI Prüfspannungen können durch die gleiche Art von Generatoren wie LI Prüfspannungen (aber mit größeren HVElektroden für eine bessere Kontrolle des elektrischen Feldes, Abb. 1.4d, siehe auch Abschn. 7.1) oder Prüftransformatoren erzeugt werden. 30 Jahre später wurde festgestellt, dass das Schalten von Trennern in gasisolierten Systemen (GIS) zu oszillierenden sehr steile (VFF) Überspannungen = very fast front (VFF) overvoltages (VFF = „very fast front“, mehrere zehn Nanosekunden) führt, die nicht nur die Isolierung des GIS selbst, sondern auch angeschlossene Geräte beschädigen können. Während für GIS eine Prüfung mit sehr steile (VFF) Prüfspannungen eingeführt wurde, wird er für andere Komponenten des Stromsystems diskutiert (Abschn. 7.1.5). Die erwähnten Überspannungen werden auf die Betriebsspannungen aufgesetzt. Die traditionelle HV-Prüfung von Komponenten des HVAC-Stromsystems braucht die Betriebsspannung nicht berücksichtigen, nur in besonderen Fällen, z. B. Trennschalter oder dreipolige GIS-Busbars, spielt die Superposition eine Rolle. Daher wurden die „gemischtenSpannungen” von zwei Spannungskomponenten eingeführt. Je nach Position der Prüflings in einer solchen Prüfung unterscheidet man zwischen „kombinierte Prüfspannungen” für dreipolige Testobjekte (z. B. Trennschalter) und „zusammengesetzte Prüfspannungen” für zweipolige Testobjekte (z. B. verschmutzte Isolatoren), für Details siehe Kap. 8. Bei der HVPrüfung von Komponenten des HVDC-Stromsystems spielen zusammengesetzte Prüfspannungen aufgrund der dort typischen Raumladungserzeugung eine sehr wichtige Rolle.

1.2 Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) und ihre Standards Die Internationale Elektrotechnische Kommission („ International Electrotechnical Committee“, IEC) ist die weltweite Organisation für internationale Normen auf dem Gebiet der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Sie wurde 1906 gegründet und ihr erster Präsident war der berühmte Physiker Lord Kelvin. Heute sind mehr als 60 nationale Komitees Mitglieder der IEC. In den ersten Jahren bemühte sich die IEC, die unterschiedlichen nationalen Standards zu

1.2  Die Internationale Elektrotechnische …

7

v­ ereinheitlichen. Aber heute tragen immer mehr nationale Ausschüsse dazu bei, bestehende IEC-Standards zu erhalten oder neue IEC-Standards zu etablieren, die später als nationale und regionale Standards übernommen werden (z. B. CENELEC-Standards der Europäischen Union). Dieses Buch bezieht sich hauptsächlich auf IEC-Standards und erwähnt auch relevante Standards der USOrganisation „Instituteof Electrical and Electronic Engineers (IEEE)“, die in einigen Teilen der Welt eine wichtige Rolle spielen. IEEE veröffentlicht auch „IEEE Guides“, die die Rolle von fehlenden Lehrbüchern übernehmen können. Die IEEE Guides enthalten nur Empfehlungen und keine Anforderungen wie Standards. Die aktuelle Trend zeigt eine engere Zusammenarbeit zwischen IEC und IEEE für die Harmonisierung von IEC- und IEEE-Standards. Die Struktur der IEC (im Jahr 2014) ist in Abb. 1.5 dargestellt: Die nationalen Ausschüsse entsenden Delegierte in den IEC-Rat, der das IEC-Parlament ist und die Aktivitäten der IEC durch den IEC-Exekutivausschuss kontrolliert. Der Exekutivausschuss wird von drei Verwaltungsausschüssen unterstützt, von denen einer mit IEC-Standards zusammenhängt. Für die verschiedenen Bereiche der IEC-Aktivitäten wird der Verwaltungsrat von Spezialgruppen unterstützt. Die aktive Standardisierungsarbeit wird von Technischen (TC) und Subkommittee (SC) durchgeführt. Jede TC oder SC ist für eine bestimmte Anzahl von Standards eines speziellen Bereichs verantwortlich. Bestehende IEC-Standards werden von Wartungsgruppen (MG) beobachtet; neue IEC-Standards werden von Arbeits-

Deutscher NC (DKE)

IEC-Rat IEC-Exekutivausschuss

Beirat der Geschäftsführung

SMB Verwaltungsausschuss für Normung

Strategische Gruppen

Ausschuss für den Industriesektor

MSB Ausschuss für Marktstrategie

Technische Beratungs gruppen

Zentral büro

CAB Konformitäts bewertungsausschuss

94 Technische Ausschüsse (TC) 80 Unterausschüsse (SC)

Abb. 1.5  Struktur der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC)

Vorschläge, Mitglieder, Abstimmungen

Entwürfe

Nationale Ausschüsse bei I EC

1 Einführung

8

gruppen (WG) auf der Grundlage von Vorschlägen nationaler Ausschüsse etabliert. Jedes Nationalkommittee kann Mitglied oder Beobachter einer TC/SC sein (oder die Aktivitäten bestimmter TCs und SCs nicht besuchen) und entsendet dann Mitglieder in die aktiven WGs. Es gibt TCs, die IEC-Standards aufrechterhalten müssen, die für Übertragungssysteme und alle Arten von Apparaten wichtig sind. Beispiele für sogenannten horizontal standards. sind die zur Isolationskoordination oder die für die HV-Prüftechnik) Die zugehörigen TCs sind in der ersten Spalte der Tab. 1.1 aufgeführt. IEC-Standards, die sich auf Apparate oder Ausrüstung (z. B. Tests an Transformatoren, GIS oder Kabeln) beziehen, werden als „vertical“ (or apparatus) standards. bezeichnet. Wenn ein vertikaler Standard entwickelt wird, sollten alle relevanten horizontalen Standards berücksichtigt werden. Umgekehrt sollten während der Entwicklung eines horizontalen Standards die Anforderungen verschiedener Geräte bekannt sein. Die Zusammenarbeit zwischen horizontalen TCs und vertikalen (Apparaten) TCs erfordert eine Verbesserung. Vertikale TCs sollten besser zur Tätigkeit der horizontalen Ausschüsse beitragen und dann die horizontalen Standards konsequent anwenden. Dieses Buch steht in engem Zusammenhang mit den Aufgaben des TC 42 „High-voltage and high-current test techniques“. Es erläutert die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen der TC 42-Standards, ersetzt sie jedoch nicht. Vielmehr sollte es als Anwendungsleitfaden für die relevanten IEC-Standards verstanden werden und deren Anwendung fördern.

Tab. 1.1  Die technischen Kommitttees für horizontale und vertikale Normen Vertikale Technische Kommittees TC / SC für Geräte und Ausrüstungen Horizontale Fachausschüsse für Systeme und grundlegende Aufgaben

Rotierende Leistungs Schalter- Kabel Maschinen transfor Gear matoren TC 2

TC 1 Terminologie TC 8 System-Aspekte TC 28 Koordinierung der Isolierung TC 42 HV-Prüftechniken TC 77 Electrom. Kompatibilität TC 104 Umwelt. Bedingungen TC 115 HVDC-Übertragung TC 122 UHV AC Übertragung

TC 14

TC 17

TC 20

Leistungs elektronik für T & D

Kapa- InsuArrescitoren latoren ters

InstrumentenTransformatoren

SC 22F

TC 33

TC38

TC3 6

TC 37

1.3  Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen

9

1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen Im Dienst wird eine elektrische Isolierung mit der Betriebsspannung (einschließ­ lich ihrer vorübergehenden Erhöhung, z. B. bei einem Lastabfall) und den oben genannten Überspannungen belastet. Die Zuverlässigkeit eines Stromversorgungssystems muss unter allen möglichen Belastungen seiner Isolierungen gewährleistet sein. Dies wird durch die Isolationskoordination und in den relevanten Gruppen von IEC-Standards (IEC 60071) beschrieben. Die Isolationskoordination ist die Korrelation der Stehspannung von verschiedenen Apparaten in einem Stromsystem miteinander und mit den Eigenschaften von Schutzgeräte (Ableiter). Heute sind die Schutzgeräte (IEC 60099-4 2009) Metalloxidableiter (MOA), und teilweise noch konventionelle Siliziumkarbid-Arrester mit internen Lücken und Schutzluftlücken im Einsatz. Ein ideales Schutzgerät leitet bei Volt stärker als der protection level Strom und ist unterhalb dieser Spannung ein Isolator (ein MOA ist nahe an dieser Charakteristik). Bei der Planung eines Stromsystems werden Schutzgeräte an empfindlichen Punkten installiert, die den Schutzpegel garantieren und die Isolation vor übermäßigen Überspannungen schützen. Der Isolations-(prüf)-pegel des Apparats wird so gewählt, dass er – unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte – um einen Sicherheitsfaktor über dem Schutzpegel liegt. Die Isolationsniveaus werden durch Werte der relevanten Prüfspannungen definiert. Die Isolation unter Prüfung muss die Prüfspannung in einem bestimmten Verfahren aushalten. In der Regel ist das AC- oder DC-Prüfspannungsverfahren eine 1-minütige Belastung (siehe Abschn. 3.6 und 6.5); ein Impuls-Spannungstest besteht aus einer Anzahl von Impulsen, die je nach Art der Isolation definiert sind (siehe Abschn. 7.3.2). Tab. 1.2 und 1.3 liefern die Prüfspannungen für Apparate von AC-Drehstromsystemen, abhängig von seiner Isolationsspannung Vm (rms-Wert der Phasen-zu-Phasen-Spannung). Für Geräte mit Vm = 3,6–245 kV deckt die AC-Spannungsprüfung auch das Isoliervermögen gegenüber internen (Schalt-) Überspannungen ab, während keine SI-Impulsspannungsprüfung – vorgesehen ist. Für Geräte mit Vm = 300–1200  kV umfasst die Schaltimpulsprüfung für Luftisolierungen auch den AC-Spannungstest; für interne Isolierungen sind die AC-Testspannungen in den relevanten Gerätestandards angegeben. Für die gleiche Nennspannung können je nach erforderlicher Zuverlässigkeit, Sicherheit und/oder Wirtschaftlichkeit unterschiedliche Schutzniveaus angewendet werden. Das Beispiel in Tab. 1.4 zeigt dies für die Nennspannung Vm = 420  kV: Die drei Hauptlinien stellen drei unterschiedliche Schutzniveaus dar, und jede Linie ist in zwei Linien unterteilt, die für äußere (Luft-) bzw. innere Isolierungen geeignet sind. Die AC-Prüfspannungen beziehen sich nur auf die interne Isolierung und sind in den relevanten Apparatustandards angegeben.

1 Einführung

10

Tab. 1.2  Prüfspannungspegel für HVAC-Anlagen Vm = 3,6–245 kV (IEC 60071-2: 2006) Höchste Spannung für Geräte Vm kV (rms, phase-to-phase) 3.6 7.2 12

24

36 72.5 123 145

170

245

Kurzzeitige AC-Prüfspannung Vt kV (peak/√2, phase-to-earth) 10 10 20 20 28 28 28 50 50 50 70 70 140 (185) 230 (185) 230 275 (230) 275 325 (275) (325) 360 395 460

LI-Prüfspannung Vt kV (peak value) 20 40 40 60 60 75 95 95 125 145 145 170 325 (450) 550 (450) 550 650 (550) 650 750 (650) (750) 850 950 1050

Erklärung In der Regel werden die Leiter (Phase)-Erde-Prüfspannungen auch auf Leiter-Leiter (Phasen-zuPhasen)-Isolierung angewendet. Wenn die in Klammern angegebenen Werte zu niedrig sind, sind zusätzliche Leiter- Leiter-Prüfspannungen anzuwenden.

Ein Diagramm der Prüfspannungswerte gegenüber den Nennspannungen (Abb. 1.6) zeigt, dass die SI-Prüfspannung (Scheitelwert) identisch mit der ACTest-Scheitelspannung ist (Tab. 1.2, 1.3 und 1.4 zeigen AC-RMS-Werte!). Die abgeschnittenen LI-Testspannungen (LIC) sind 10% höher als die vollen LITestspannungen. Das Diagramm kann bei der Auswahl der für ein HV-Prüffeld erforderlichen HV-Systeme hilfreich sein (siehe Abschn. 9.1). Beispiel: Für ein Transformatorprüffeld ist die Wahl der Nennspannung eines Stoßspannungsprüfsystems (gleich der kumulierten Ladespannung des Generators, siehe 7.1.1) darzustellen. Ausgehend von der höchsten Prüfspannung (LIC in Abb. 1.6) ist zu

1.3  Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen

11

Tab. 1.3  Prüfspannungspegel für HVAC-Geräte Vm = 300–1200 kV (IEC 60071-2: 2006), (IEC 60071-2-Änderung 2010) Höchste Spannung für Geräte Vm kV (rms, Phasen-zu-Phasen) 300

362

420

550

800

1200

SI-Prüfspannung kV (Spitzenwert)

LI-PrüfspannungcVt kV (Scheitelwert)

Längsisolierunga

Phasen-zu-ErdungIsolierung

Phasen-zu-PhasenIsolierungb

750 750

750 750

1125 1125

850 950

750

850

1275

950

750 850

850

1175

1050

850

850 850

1275 1275

950 1050

850

950

1425

1050

850 850

950

1425

1175

850

850 850

1360 1360

1050 1175

950

950

1425

1175

950

950

1425

1300

950

1050

1575

1300

950 950

1050

1575

1425

950

950 950

1615 1615

1175 1300

950

1050

1680

1300

950

1050

1680

1425

950

1175

1763

1425

1050 1175

1175

1763

1550

1175

1300 1300

2210 2210

1675 1800

1175

1425

2423

1800

1175

1425

2423

1950

1175

1550

2480

1950

1300 1425

1550

2480

2100

1425

1550 1550

2635 2635

2100 2250

1550

1675

2764

2250

1550

1675

2764

2400

1675

1800

2880

2400

1675

1800

2880

2550

Erklärungen aUnter Längsisolierung versteht man die Isolierung zwischen verschiedenen Teilen des Netzes, die z. B. durch Trennschalter realisiert und mit kombinierten Spannungen geprüft wird (siehe Abschn.8.1) In der Spalte wird nur der Wert der SI-Spannungskomponente der betreffenden kombinierten Spannungsprüfung angegeben. Der Scheitelwert der Wechselspannungskomponente mit entgegengesetzter Polarität ist (Vm·√2/√3) bDies ist der Scheitelwert der kombinierten Spannung bei der entsprechenden kombinierten SI/ACSpannungsprüfung cDiese Werte gelten sowohl für die Isolierung Phase-Erde als auch Phase-Phase. Für die Längsisolierung gelten sie als die Standard-Nenn-LI-Komponente der entsprechenden kombinierten Spannungsprüfung, während der Spitzenwert der Wechselstromkomponente entgegengesetzter Polarität 0,7-(Vm·√2/√33) Note Jedes Gerät hat eine Nennspannung (z. B. Vn = 380 oder 400 kV), aber die Isolierung ist für die Isolationskoordination entsprechend der höchsten Spannung einer Gruppe von Nennspannungen ausgelegt. Diese Spannung wird oft auch als Nennspannung bezeichnet (IEC 60038-2009). Für die genannten Nennspannungen wird die Isolierung entsprechend dieser Nennspannung ausgelegt und muss geprüft z. B. gemäß Vm = 420  kV

1 Einführung

12

Tab. 1.4  Vereinfachtes Beispiel zur Auswahl der Spannungsfestigkeit für drei Schutzniveaus Höchste Spannung für Geräte Vm

AC-Test

SI-Test

LI-Test

LIC-Prüfung (nur Transformatoren)

850 kV (630kV) 950 kV

Anwendung auf Isolierung

1050 kV

1175 kV

Außenisolierung (atmosphärische Luft)

1175 kV

1300 kV

Interne Isolierung (SF6, Öl, Feststoffe)

1175 kV

1300 kV

Externe Isolierung

1300 kV

1425 kV

Innere Isolierung

1300 kV

1425 kV

Außenisolierung

1425 kV

1570 kV

Innenisolierung

420 kV (680 kV)

1050 kV (680 kV)

Hinweis Beachten Sie, dass die meisten AC-Prüfspannungen zwischen Phase und Erde angelegt werden. Die Referenz dafür ist die line-to-ground voltageV0 =Vm/√3 bzw. deren Spitzenspannung Vp = √2 V0 berücksichtigen, dass der Ausnutzungsgrad bei großen Prüfobjekten bis auf η = 0,85 zurückgeht. Außerdem kann für interne Entwicklungsprüfungen eine Prüfspannung erforderlich sein, die 20 % über der LIC-Stehspannung liegt. Das bedeutet, dass die Nennspannung des Stoßspannungsprüfsystems um den Faktor k = 1,2/0,85 ≈ 1,4 höher sein sollte als die höchste LIC-Prüfspannung. Dies bedeutet, für die Nennspannung Vm= 800 kV, ist ein 3000 kV-Impulsprüfsystem ausreichend. Ist eine spätere Erweiterung der Prüfmöglichkeiten auf 1200 kV-Anlagen geplant, sollte ein 4000 kV-Prüfsystem in Betracht gezogen werden. Die Auswahl von Impulsprüfsystemen gemäß Abb. 1.5 wird empfohlen.

Für HVDC-Verbindungen gibt es keine Vorzugsliste der Prüfspannungen, da die Nennspannungen und -ströme der vorhandenen Punkt-zu-Punkt-HVDCVerbindungen gemäß den verfügbaren Leistungselektronikkomponenten optimiert werden (man kann davon ausgehen, dass Vorzugs-Prüfspannungen wie bei AC eingeführt werden, wenn HVDC-Netze (CENELEC 2010) realisiert werden). Die relevante Norm zur Isolationskoordination (IEC 60071-5: 2002) liefert keine Prüfspannungen, sondern nur Formeln, mit denen die Berechnung von Prüfspannungsbereichen aus den Nennspannungen der HVDC-Verbindung möglich ist (Abb. 1.7). Für HVDC-Geräte ist der Unterschied zwischen LI- und SI-Prüfspannungen geringer als bei HVAC-Geräten. Unter Berücksichtigung der geringeren Effizienz der SI-Spannungserzeugung (η ≤ 0,75) sollte die Auswahl von Impuls-Spannungsprüfsystemen die erforderlichen SI-Prüfspannungen berücksichtigen.

1.3  Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen Prüfspannung / kV

IEC-Normen verfügbar

13

UHV-Diskussion

4000

4000

Impulsprüfsystem Spannung

3500 3000

3000

LIC LI

2500

2200 SI AC (Scheitelwert)

2000 1500

1500

AC(rms)

1000 500 0

800

0

250

500 750 1000 rated Nennspannung voltage of equipment [kV] der Ausrüstung / kV

1250

Abb. 1.6 Höchste Prüfspannungen für HLK-Geräte und Auswahl von Impulsspannungsprüfsystemen

Prüfspannung / kV

LI SI DC ACrms

Nennspannung der Ausrüstung / kV

Abb. 1.7  Spannungsfestigkeitsbereiche für HVDC-Geräte

1 Einführung

14

1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von Hochspannungsgeräten Die Prinzipien der Isolationskoordination werden nur auf neue Geräte angewendet und in Fabriktests überprüft. Dazu gehören Typprüfung und Stückprüfung. Beide Tests sind Qualitäts-(sicherungs)-prüfungen der Isolation; eine erfolgreiche Typprüfung demonstriert die korrekte Konstruktion gemäß den Prüfspannungen (Tab. 1.2 und 1.3), und eine erfolgreiche Stückprüfung überprüft die fertigungsgerechte Herstellung gemäß der bestätigten Konstruktion. Die beiden Tests sind nicht die einzigen Tests im Lebenszyklus der Isolationen von Stromgeräten (Abb. 1.8). Entwicklungstests an Modellisolierungen werden oft durchgeführt, bevor die Isolierung endgültig entworfen wird. Wenn Typ- und Stückprüfungen erfolgreich durchgeführt wurden, werden größere Hochspannunggeräte zerlegt an ihren künftigen Standort transportiert und dort zusammengebaut. Es kann vorkommen, dass Fehler in der Isolierung durch den Transport und das Zusammenbauen verursacht werden. Auch einige große Geräte (z. B. Transformatoren) können nicht als komplette Einheiten transportiert werden. Die endgültige Montage erfolgt nicht in der Fabrik, sondern vor Ort. Daher müssen zusätzliche Qualitätssicherungstest zur Abnahme oder sogar der Routine-Test vor Ort mit mobilen Hochspannungstestsystemen durchgeführt werden. Diese Vor-Ort-Prüfungen sollen in Relation zu den Fabriktests (Abb. 1.8) durchgeführt werden.

Universitäten, Forschungsinstitute

Benutzer: Diagnostik Tests

Berechnung, Konstruktion, Typprüfung

Ende des Dienstes, endgültige Daten, Bewertung

Reparatur, erneute Prüfung (vor Ort)

AC VLF DAC

HV-Ausbildung & Training, HV-Forschung, Entwicklungstests

Warnung durch Überwachung, Offline-Tests

Lebenszyklusbilanz der Ausrüstung

Service, Überwachung, Wartung

Hersteller: Qualitäts abnahme prüfungen

Produktion, Routineprüfungen

Transport, Montage, Inbetriebnahme und Prüfung vor Ort

Abb. 1.8  Tests und Messungen im Lebenszyklus der Hochspannungsisolierung

AC LI SI

1.4  Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von Hochspannungsgeräten

15

Nachdem die korrekte Qualität in einer erfolgreichen Vor-Ort-Prüfung bestätigt wurde, übernimmt der Nutzer die volle Verantwortung für das Gerät und alle weiteren (diagnostischen) Prüfungen und Messungen. Es wird in Betrieb genommen und muss unter elektrischen, thermischen, mechanischen und/oder Umwelteinflüssen betrieben werden. Diese Einflüsse verursachen einen Alterungsprozess der Isolierung, bis – nach Jahrzehnten – der Endpunkt des Lebenszyklus erreicht ist. In der Vergangenheit wurde die Dauer des Lebenszyklus geschätzt und das Ende des Gebrauchs vom Nutzer – unabhängig von dem tatsächlichen Zustand der Ausrüstung – definiert. Um die Lebenszykluskosten zu reduzieren, wurden Prüfungen und Messungen eingeführt, um die Isolierung einer Zustandsbewertung zu unterziehen und die verbleibende Lebensdauer zu schätzen (Zhang et al., 2007; Olearczyk et al., 2010; Balzer et al., 2004). Im Gegensatz zu den Qualitätsprüfungen werden diese Prüfungen für die Zustandsbewertung als Diagnoseprüfung bezeichnet. Es gibt keine Standards für Diagnoseprüfungen, sondern nur Empfehlungen von Organisationen (wie CIGRE oder IEEE) sowie technische Richtlinien von Serviceanbietern oder von Ausrüstungslieferanten. Sowohl Qualitäts- als auch Diagnoseprüfungen erfordern in der Regel Spannungsanwendung und Messungen (mindestens eine Spannungsmessung, aber sehr oft eine Teilentladung oder eine dielektrische Messung). Eine Stehspannungsprüfung ist ein direkter Test, der direkt mit der Isolationsfähigkeit des Testobjekts in Zusammenhang steht. Eine gesunde Isolierung, die den Test besteht, hat eine hohe Stehspannung. Eine defekte Isolierung hat eine zu niedrige Stehspannung und scheitert am Test (Das ist viel besser, als wenn das Gerät im Betrieb versagt!). Es muss berücksichtigt werden, dass eine Spannungsbelastung die Lebensdauer beeinflussen kann. Eine Isolierung sollte so entworfen werden, dass der Lebensdauerverbrauch einer gesunden Isolierung während einer Stehspannungsprüfung vernachlässigbar ist, während eine defekte Isolierung versagt. Wenn eine Stehspannungsprüfung durch eine parallele Teilentladungs- (PD) -Messung (siehe Abschn. 2.5) ergänzt wird, kann kontrolliert werden, ob ein solcher „PDüberwachterDauertest“ Isolationsfehler verursacht oder vergrößert hat. Wenn eine Diagnoseprüfung aufgrund von Messungen eines einzelnen Parameters oder einer Gruppe von Parametern (vorzugsweise von Teilentladungen) entschieden wird, muss das Prüfergebnis mit vorgegebenen Grenzwerten verglichen werden. Diese Grenzwerte sollten aufgrund von Erfahrung oder eines physikalischen Modells mit der verbleibenden Lebensdauer in Beziehung gesetzt werden. Die Schärfe eines solchen indirekten Tests ist geringer als die einer „PD-monitored“ Stehspannungsprüfung. Manchmal wird veröffentlicht, dass Stehspannungsprüfungen „zerstörerisch“ und diagnostische Messungen „nicht zerstörerisch“ seien. Disqualifizierende Begriffe eignen sich nicht, um die Qualität und Schärfe einer Hochspannungsprüfung zu beschreiben. Im Betrieb durchgeführte diagnostische Messungen werden als on-line monitoring (CIGRE TF D1.02.08 2005) (Überwachung bezieht sich nicht nur auf die dielektrische Messung, sondern auch auf die Überwachung von Spannung, Strom, thermischen oder mechanischen Parametern) bezeichnet. Die automatische

16

1 Einführung

Überwachung löst eine Warnung aus, wenn der gemessene Parameter einen vorgegebenen Grenzwert überschreitet. Dies führt zurück zu Abb. 1.8: Im Betrieb liefern die online überwachten Daten die Datentrends, beschreiben damit die Situation und liefern möglicherweise Daten für die Wartung. Bei einer Warnung des Überwachungssystems muss der Grund für den Fehler geklärt werden. Oft sind die überwachten Daten nicht ausreichend für eine Klärung. In diesem Fall ist eine detailliertere Untersuchung erforderlich, z. B. durch eine (off-line) vor Ort durchgeführte Prüfung mit geeigneten Messungen. Diese Prüfung mit einer separaten Quelle ermöglicht eine Stehspannungsprüfung (mit einem Prüfwert, der dem Alter der Isolation gut angepasst ist) und die Messung der Parameter abhängig von der angelegten Spannung (anstelle von nur einer festen Spannung bei der Überwachung). Nachdem der Zustand der Isolation geklärt ist, kann es sich als erforderlich erweisen, die Ausrüstung im Werk oder vor Ort zu reparieren. Dann erscheinen ein oder mehrere Schleifen im Schema von Abb.1.8, und man muss zurück zur Vor-Ort-Prüfung um den Betrieb wieder aufzunehmen. Am Ende des Lebenszyklus wird die Ausrüstung demontiert und dies kann auch Daten für die zukünftige Entwicklung liefern. Die Daten aller Prüfungen und Messungen während des Lebenszyklus müssen im – vorzugsweise elektronischen – Lebenszyklusprotokoll der Ausrüstung aufgezeichnet werden. Das Lebenszyklusprotokoll ist das wichtigste Dokument der Ausrüstung, das die Trends der gemessenen Parameter liefert und qualifizierte Entscheidungen ermöglicht. Da alle Lebenszyklusphasen miteinander verbunden sind, muss betont werden, dass Qualitäts- und Diagnoseprüfungen einen gemeinsamen physikalischen Hintergrund haben. Dies wird oft vergessen, wenn Qualitäts -und Diagnoseprüfungen getrennt betrachtet werden. Die einzige Referenz für alle Hochspannungs-Qualitätsprüfungen vor Ort an neuer Ausrüstung sind die Fertigungstests mit standardisierten Prüfspannungen der Isolationskoordination. Dies kann auch bedeuten, dass die Prüfspannungen für die Diagnostik von alternder Ausrüstung in engem Zusammenhang mit den Betriebspannungen stehen sollten.

Kapitel 2

Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Zusammenfassung Hochspannungs-(HV)-Prüfungen nutzen die Phänomene in elektrischen Isolierungen unter dem Einfluss des elektrischen Feldes zur Definition von Prüfverfahren und Annahmekriterien. Die Phänomene – z. B. Durchbruch, Teilentladungen, Leitfähigkeit, Polarisation und dielektrische Verluste – hängen von dem Isoliermaterial, dem durch die Prüfspannungen erzeugten elektrischen Feld und der Formgebung der Elektroden sowie von Umgebungseinflüssen ab. Unter Berücksichtigung solcher Phänomene beschreibt dieses Kapitel die gemeinsamen Grundlagen der HV-Prüftechniken, unabhängig von der Art der beanspruchenden Prüfspannung. Alle Details in Bezug auf die verschiedenen Prüfspannungen werden in den entsprechenden Kap. 3–8 berücksichtigt.

2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld In diesem Abschnitt werden Definitionen von Phänomenen in elektrischen Isolierungen eingeführt. Die Isolierungen werden für den Zweck der Hochspannungsprüfung (HV) klassifiziert. Darüber hinaus werden Umwelteinflüsse auf die externe Isolierung und deren Behandlung bei HV-Prüfungen erläutert.

2.1.1 Prinzipien und Definitionen Wenn eine elektrische Isolierung im elektrischen Feld beansprucht wird, verursacht die Ionisation elektrische Entladungen, die von einer Elektrode mit hohem Potential zu einer mit niedrigem Potential oder umgekehrt wachsen können. Dies kann zu einem hohen Stromanstieg führen, d. h. das Dielektrikum verliert seine Isoliereigenschaft und damit seine Funktion, verschiedene Potentiale in einem elektrischen Gerät oder einer Ausrüstung zu trennen. Für den Zweck

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_2

17

18

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

dieses Buches soll dieses Phänomen als „Durchschlag“ in Bezug auf die Beanspruchungsspannung bezeichnet werden: Definition: Der Durchschlag ist das Versagen der Isolierung unter elektrischer Beanspruchung, bei dem die Entladung die zu prüfende Isolierung vollständig überbrückt und die Spannung zwischen den Elektroden praktisch auf Null reduziert (Spannungseinbruch). Anmerkung In der IEC 60060-1 (2010) wird dieses Phänomen als „Zerstörende Entladung“ bezeichnet. Es gibt auch andere Begriffe, wie „Überschlag“ wenn der Durchschlag entlang der Oberfläche eines festen Dielektrikums in einem gasförmigen oder flüssigen Dielektrikum erfolgt. „Durchschlag“ dient als Oberbegriff für alle Dielektrika. „Funkenüberschlag“(=spark over) ist in der deutschen Fachliteratur nicht üblich. wenn es in gasförmigen oder flüssigen Dielektrika auftritt.

In homogenen und schwach inhomogenen Feldern tritt ein Durchschlag auf, wenn eine kritische Stärke des Beanspruchungsfeldes erreicht ist. In stark inhomogenen Feldern verursacht eine lokale Spannungskonzentration eine lokalisierte elektrische Teilentladung (PD) ohne Überbrückung der gesamten Isolierung und ohne Zusam­ menbruch der Beanspruchungsspannung. Definition: Eine Teilentladung (PD) ist eine lokale elektrische Entladung, die die Isolierung zwischen den Elektroden nur teilweise überbrückt, siehe dazu Kap. 4. Abb. 1.2 zeigt die Anwendung einiger wichtiger Isoliermaterialien. Bis heute wird atmosphärische Luft als das wichtigste Dielektrikum der äußeren Isolierung von Übertragungsleitungen und Ausrüstungen von Freiluftschaltanlagen eingesetzt. Definition: äußere Isolierung bedeutet Luftisolierung einschließlich der äußeren Oberflächen der festen Isolierung von Geräten, die dem elektrischen Feld, atmosphärischen Bedingungen (Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit) und anderen Umwelteinflüssen (Regen, Schnee, Eis, Verschmutzung, Feuer, Strahlung, Ungeziefer) ausgesetzt sind. Äußere Isolierung erholt sich in den meisten Fällen nach einem Durchbruch und wird dann als selbst-regenerierende Isolierung bezeichnet. Im Gegensatz dazu ist die interne oder innere Isolierung von Geräten und Ausrüstungen – wie Transformatoren, gasisolierten Schaltanlagen (GIS), rotierenden Maschinen oder Kabeln – stärker von Entladungen betroffen, oft sogar zerstört, wenn ein Durchbruch durch eine HV-Belastung verursacht wird. Definition: Die innere Isolierung aus festen, flüssigen oder gasförmigen Komponenten ist vor direkten Einflüssen von äußeren Bedingungen wie Verschmutzung, Feuchtigkeit und Ungeziefer geschützt. Feste und flüssig- oder gasgetränkte laminierte Isolationselemente sind nicht-selbstregenerierende Isolierung. Einige Isolationen sind teilweise selbstregenerierende Isolierung selbst-wiederherstellend, insbesondere wenn sie z. B. aus gasförmigen und festen Elementen bestehen. Ein Beispiel ist die Isolation eines GIS, das SF6-Gas und und isolierende, feste Abstandshalter verwendet. Im Falle eines Durchschlags in einem öl- oder SF6-gasgefüllten Behälter geht das Isolationsverhalten nicht vollständig verloren und erholt sich teilweise. Nach einer größeren

2.1  Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld

19

Anzahl von Durchschlägen haben teilweise selbst-regenerierende Isolierungen eine deutlich reduzierte Durchschlagspannung und sind nicht mehr zuverlässig. Das Isoliervermögen hat weitere Folgen für die HV-Prüfung: Während bei der HV-Prüfung von der äußeren Isolation die atmosphärischen und Umgebungseinflüsse berücksichtigt werden müssen, erfordert die innere Isolierung keine speziellen Prüfbedingungen. Im Falle von selbst-regenerierende Isolierungen können Durchschläge während der HV-Tests auftreten. Für teilweise selbst-wiederherstellende Isolierungen wäre ein Durchschlag nur im selbst-regenerierenden Teil der Isolierung akzeptabel. Im Falle von nicht-selbst-regenerierender Isolierung kann während eines HV-Tests kein Durchschlag akzeptiert werden. Weitere Einzelheiten finden Sie in Abschn. 2.4 und den entsprechenden Unterabschnitten in den Kap. 3 und 6–8. Die Prüfverfahren sollten die Genauigkeit und die Reproduzierbarkeit der Prüfergebnisse unter den tatsächlichen Bedingungen des HV-Tests gewährleisten. Die verschiedenen Prüfverfahren, die für externe und interne Isolationen erforderlich sind, sollten vergleichbare Prüfergebnisse liefern. Dies erfordert die Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie • zufällige Natur des Durchschlagprozesses und der Prüfergebnisse, • Polaritätsabhängigkeit der geprüften oder gemessenen Eigenschaften, • Akklimatisierung des Prüfobjekts an die Prüfbedingungen, • Simulation der Betriebsbedingungen während des Tests, • Korrektur von Unterschieden zwischen Standard-, Prüf- und Betriebsbedingungen und • mögliche Verschlechterung des Prüfobjekts durch wiederholte Spannungsanwendungen.

2.1.2 HV-Trockenprüfungen äußerer Isolierungen einschließlich atmosphärischer Korrekturfaktoren HV-Trockentests müssen für alle äußeren Isolierungen angewendet werden. Die Anordnung des Prüfobjekts kann das Durchschlagverhalten und damit das Prüfergebnis beeinflussen. Das elektrische Feld am Prüfobjekt wird durch Näherungseffekte wie Abstände zu Boden, Wänden oder Decke des Prüfraums sowie zu anderen geerdeten oder unter Spannung stehenden Strukturen in der Nähe beeinflusst. Als Faustregel sollte der Abstand zu allen externen Strukturen nicht weniger als 1,5-mal die Länge des möglichen Entladungswegs entlang des Prüfobjekts betragen. Für maximale AC- und SI-Prüfspannungen über 750 kV (Scheitelwert) sind in Abb. 2.1 (IEC 60060-1:2010) Empfehlungen für die Mindestabstände zu externen geerdeten oder unter Spannung stehenden Strukturen gegeben. Wenn die erforderlichen Abstände berücksichtigt werden, wird das Prüfobjekt nicht von den umgebenden Strukturen beeinflusst.

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

20 Abb. 2.1 Empfohlene Abstände zwischen Prüfobjekt und fremden unter Spannung stehenden oder geerdeten Strukturen

Abstand 16

m 12

8

4

0

400

800

1200

1600

kV 2000

Scheitelwert der Prüfspannung Vp

Atmosphärische Bedingungen können auf der Erde in weiten Bereichen variieren. Dennoch müssen Hochspannungs-Übertragungsleitungen und Geräte mit externen Isolierungen nahezu überall funktionieren. Dies bedeutet einerseits, dass die atmosphärischen Betriebsbedingungen für Hochspannungsgeräte festgelegt werden müssen (und für diese Bedingungen getestet werden müssen) und andererseits die Prüfspannungswerte für die Isolationskoordination (IEC 60071:2010) in Bezug auf eine Standard-Referenzatmosphäre festgelegt werden müssen: • Temperatur t0= 20 °C (293 K) • Absoluter Luftdruck p0 = 1013 hPa (1013 mbar) • Absolute Luftfeuchtigkeit h0 = 11 g/m3 Hinweis. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Korrektur der atmosphärischen Bedingungen auf Referenzbedingungen in verschiedenen IEC-Normen für Hochspannungsgeräte unterschiedliche Verfahren vorgeschlagen werden. Es ist eine zukünftige Aufgabe, die verschiedenen Verfahren zu harmonisieren. Dieses Buch folgt der IEC 60060-1: 2010.

Die Temperatur soll mit einer erweiterten Unsicherheit t ≤ 1 °C, der Umgebungsdruck mit p ≤ 2 hPa gemessen werden. Die absolute Luftfeuchtigkeit h/g/m3 kann direkt mit sogenannten belüfteten Trocken- und Nassthermometern gemessen oder aus der relativen Luftfeuchtigkeit R und der Temperatur t/°Cnach der Formel (IEC 60060-1:2010) bestimmt werden: 17,6·t

6,11 · R · e 273+t h= 0,4615 · (273 + t)

(2.1)

2.1  Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld

21

Wenn Hochspannungsgeräte für eine bestimmte Höhe entsprechend den druckkorrigierten Prüfspannungen ausgelegt werden sollen, ist die Beziehung zwischen Höhe H/m und Luftdruck p/hPa gegeben durch −H

p = 1013 · e 8150

(2.2)

Eine Prüfspannungskorrektur für den Luftdruck auf Basis dieser Formel kann für Höhen bis zu 2500 m empfohlen werden. Weitere Details finden Sie bei Pigini et al. (1985), Ramirez et al. (1987) und Sun et al. (2009). Die Temperatur t und der Druck p bestimmen die Luftdichte δ, die den Durchbruchprozess direkt beeinflusst:

δ=

p 273 + t0 . · p0 273 + t

(2.3)

Die Luftdichte liefert zusammen mit dem Luftdichtekorrektur-Exponenten m (Tab. 2.1) den Luftdichtekorrekturfaktor

k1 = δ m .

(2.4)

Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst den Durchschlagprozess insbesondere, wenn er durch Teilentladungen bestimmt wird. Diese werden von der Art der Prüfspannung beeinflusst. Daher müssen für verschiedene Prüfspannungen unterschiedliche Feuchtigkeitskorrekturfaktoren k2 angewendet werden, die mit dem Parameter k und dem Feuchtigkeitskorrekturexponenten w berechnet werden

k2 = k w ,

(2.5)

mit   DC : k = 1 + 0 : 014(h/δ − 11) − 0,00022(h/δ − 11)2 f u¨ r 1 g m3 < h/δ, < 15 g m3 ,  3  AC : k = 1 + 0 : 012(h/δ − 11) f u¨ r 1 g m < h/δ, < 15 g m3 ,   3  3 LI SI : k = 1 + 0 : 014(h/δ − 11) f u¨ r 1 g m < h/δ, < 20 g m .

Die Korrektur-Exponenten m und w beschreiben die Charakteristik möglicher Teilentladungen und werden unter Verwendung eines Parameters g berechnet

g=

Tab. 2.1  Luftdichte- und FeuchtigkeitskorrekturExponenten m und wgemäß IEC 60060-1:2010

g 2.0

V50 , 500 · L · δ · k

m 0 g(g − 0.2)/0.8 1.0 1.0 1.0

(2.6)

w 0 g(g − 0.2)/0.8 1.0 (2.2 − g)(2.0 − g)/0.8 0

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

22

mit V50 L δ k

Gemessene oder geschätzte 50 % Durchbruchspannung bei den tatsächlichen atmosphärischen Bedingungen, in kV (Spitze), Minimale Entladungsstrecke, in m, Relative Luftdichte und Dimensionsloser Parameter, definiert mit Formel (2.5).

Anmerkung 1: Für Stehspannungsprüfungen kann angenommen werden, dass V50 ≈ 1.1 · Vt(Prüfspannung). Dann liefern Tab. 2.1 oder Abb. 2.2 die Exponenten m und w abhängig vom Parameter g (Gl. 2.6). Anmerkung 2: Beachten Sie die Einschränkungen der Anwendbarkeit der Gl. (2.1)– (2.6), insbesondere für die Höhe (Gl. (2.2)) und für die Luftfeuchtigkeit (Gl. (2.5)).

Abb. 2.2 KorrekturExponenten nach IEC 600601:2010. a m für Luftdichte. b w für Luftfeuchtigkeit

(a)

Exponent m

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0

0,5

1,0

1,5

2,0

1,0

1,5

2,0

(b)

2,5

3,0

2,5

3,0

Parameter g

Exponent w

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2

0

0,5

Parameter g

2.1  Externe und interne Isolierungen …

23

Gemäß IEC 60060-1:2010 soll der atmosphärische Korrekturfaktor

Kt = k1 · k2 ,

(2.7)

verwendet werden, um eine gemessene Durchbruchspannung V auf einen Wert unter Standard-Referenzatmosphäre zu korrigieren

V0 = V /Kt .

(2.8)

Umgekehrt kann, wenn eine Prüfspannung V0 für die Standard-Referenzatmosphäre angegeben ist, der tatsächliche Prüfspannungswert durch das umgekehrte Verfahren berechnet werden:

V = Kt · V0 .

(2.9)

Da das umgekehrte Verfahren die Durchschlagspannung V50 (Gl. 2.6) verwendet, ist die Anwendbarkeit von Gl. (2.9) auf Werte von Kt nahe Eins beschränkt, für Kt   2 Stufen)

Bereich für die Linearitätsprüfung b > (6 - a) Stufen

zugeordneter Messbereich

Nenn spannung von RMS

Spannung des zu kalibrierenden Teilers

(2.19)

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

47

und der Nichtlinearitätsbeitrag der Kalibrierung durch

uB0

   1 a  Fg  = √ · max  − 1. 3 g=1 F

(2.20)

Ein zusätzlicher Nichtlinearitätsbeitrag ergibt sich aus dem Bereich des Linearitätstests und soll wie unten unter „nicht-linearer Effekt“ beschrieben berechnet werden. Beispiel 1 Ein 1000 kV LI-Spannungsmesssystem (AMS) mit einem Skalenfaktor von FX0 = 1000 (vor 3 Jahren kalibriert) hat bei einer Systemüberprüfung der Spannungsabweichungen der Scheitelwerte von mehr als 3 % im Vergleich zu einem zweiten AMS gezeigt. Daher muss es durch Vergleich mit einem RMS kalibriert werden. Ein 1200 kV LI-Referenzmesssystem (RMS) steht für diese Kalibrierung zur Verfügung. Es wurde beschlossen, den Vergleich bei g = 5 Spannungsstufen mit n = 10 Anwendungen pro Stufe durchzuführen. Das RMS ist durch einen Skalenfaktor FN = 1025 und eine erweiterte Messunsicherheit von UN = 0,80 % gekennzeichnet. Tab. 2.4 zeigt den Vergleich auf der ersten Stufe. Als Ergebnis erhält man den Skalenfaktor F1 für diese erste Spannungsstufe (g = 1) und die zugehörige Standardabweichung s1und Standardunsicherheit u1.

Tab. 2.5 fasst die Ergebnisse aller fünf Vergleichsstufen zusammen und liefert als Endergebnis den neuen Skalenfaktor FX und die Typ-A-Standardunsicherheit uA gemäß den Gl. (2.15) und (2.16). Die Unsicherheitsbewertung des Typs B bezieht sich auf alle Einflüsse, die sich von dem statistischen Vergleich unterscheiden. Sie umfasst die folgenden Beiträge zur Unsicherheit. Tab. 2.4  Vergleich auf der ersten Ebene V1 ≈ 0.2 Vr Anzahl der Anwendungen

i=1 2 3 4 5 6 7 8 9 n = 10 Ergebnis nach Gl. (2.12)–(2.16)

RMS gemessene Spannung (VN/kV) 201.6 200.7 201.4 199.9 201.2 201.3 200.9 201,3 201,2 200,6

AMS gemessene Spannung (VX/kV) 200.8 200.9 200.9 199 199.9 200.3 200.4 200,4 199,9 200,7

Skalenfaktor Fi(Gl. 2.11) 1.0291 1.0240 1.0276 1.0296 1.0317 1.0301 1.0276 1,0296 1,0317 1,0245 F1=1,0286 s1=0,25  % u1=0,08 %

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

48

Tab. 2.5 Skalenfaktor und Typ-A-Unsicherheitsschätzung (Ergebnisse des Vergleichs bei den fünf Spannungsebenen) Nr. Spannungsebene g

VX/VXr(%)

Skalenfaktor Fg

g = 1 (Beispiel!) 2 3 4 h=5 Ergebnis

20 39 63 83 98

1.0286 1.0296 1.0279 1.0304 1.028 Neuer Skalenfaktor FX=1.0289

Standardabweichung sg(%) 0.25 1.94 1.36 2.15 1.4

Standardunsicherheit ug(%) 0.08 0.61 0.43 0.68 0.44 Typ A Unsicherheit uA=0.68 %

2.3.4.1 Nichtlinearitätseffekt (Linearitätstest) Wenn das AMS über einen begrenzten Bereich kalibriert wird, wird der Linearitätstest verwendet, um die Gültigkeit des Skalenfaktors bis zur Nennbetriebsspannung zu zeigen. Dies geschieht durch Vergleich mit einem AMS mit ausreichender Nennspannung oder mit der Eingangs- (Gleichspannungs-) Spannung eines LI/SI- Prüfspannungsgenerators (wenn das AMS auf diese Spannungen bezogen ist) oder mit einer Standardmess-Funkenstrecke gemäß IEC 60052:2002 oder mit einer Feldsonde (siehe Abschn. 2.3.6). Es spielt keine Rolle, wenn der Linearitätstest ein Verhältnis R zeigt, das vom Skalenfaktor abweicht, es ist nur wichtig, dass es über den Bereich des Linearitätstests stabil ist (Abb. 2.18). Wenn dies garantiert ist, können auch andere Methoden zur Untersuchung der Linearität angewendet werden. Die maximale Abweichung der untersuchten g = b Verhältnisse Rg = Vx /VCD (VCD ist der Ausgang des Vergleichsgeräts) von ihrem Mittelwert Rm liefert die Typ-BAbschätzung der Standardunsicherheit (Abb. 2.18) in Bezug auf Nichtlinearitätseffekte:

   1 b  Rg − 1. uB1 = √ · max  3 g=1 Rm Abb. 2.18 Linearitätstest mit einem linearen Gerät im erweiterten Spannungsbereich (IEC 60060-2:2010)

(2.21)

Skalierungsfaktor F, Verhältnis R

R3

R1 Rm F1 u1

R2

F

R4

F2 u2 Kalibrierbereich (a = 2 Stufen)

0

Linearitätsprüfbereich (b = 4 Stufen)

Spannung des Teilers unter Kalibrierung

100%

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

49

2.3.4.2 Dynamisches Verhalten Zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens wird empfohlen, den Skalenfaktor des AMS bei i = k verschiedenen Werten innerhalb eines Frequenzbereichs oder innerhalb eines Bereichs von Impulsformen zu bestimmen, die beide repräsentativ für seine Verwendung sind (z. B. für den Nennfrequenzbereich oder die Nennepoche). Dann wird der zugehörige Standardunsicherheitsbeitrag aus der maximalen Abweichung eines individuellen Skalenfaktors Fi vom Nennskalenfaktor F ermittelt:

uB2

   1 k  Fi  = √ · max  − 1. 3 i=1 F

(2.22)

Das dynamische Verhalten kann auch mit der Stufenantwortmethode untersucht werden. Weitere Einzelheiten finden Sie in Abschn. 7.4.1. 2.3.4.3 Kurzzeit-Stabilitätseffekt Die Kurzzeitstabilität wird häufig durch die Eigenerwärmung des AMS, insbesondere seines Messumformers, bestimmt. Der Test soll bei Nennbetriebsspannung durchgeführt werden, er beginnt mit der Bestimmung des Skalenfaktors F1, wenn die Testspannung erreicht ist, und endet mit einer neuen Bestimmung des Skalenfaktors F2, wenn die vordefinierte Testzeit, normalerweise die voraussichtliche Nutzungsdauer oder die zugewiesene Betriebszeit, vorbei ist:

uB3

1 =√ 3

   F2   ·  − 1. F1

(2.23)

Der kurzzeitige Beitrag zur Messunsicherheit sollte in den Herstellerdaten der Komponenten angegeben sein. 2.3.4.4 Langzeit-Stabilitätseffekt Ein Ausgangswert für den Beitrag der Langzeitstabilität kann auch vom Hersteller angegeben werden. Dann kann er auch für die Nutzungsdauer Tuse aus der Änderung des Skalenfaktors innerhalb der Zeit von zwei Leistungsprüfungen (von F1 bis F2 zu den Zeiten T1bzw. T2, oft ist die projizierte Nutzungsdauer Tuse= T2 − T1):

uB4

1 =√ 3

   F2  Tuse  ·  − 1 · . F1 T2 − T1

(2.24)

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

50

2.3.4.5 Umgebungstemperatur-Effekt Normalerweise ist das Messsystem für einen bestimmten Temperaturbereich spezifiziert. Der Skalenfaktor wird für die minimale und maximale Temperatur dieses Bereichs bestimmt. Die größere Abweichung FT vom Nennskalenfaktor F wird verwendet, um den Standardunsicherheitsbeitrag abzuschätzen:

uB5

1 =√ 3

   FT   − 1. · F

(2.25)

Oft kann der Unsicherheitsbeitrag im Zusammenhang mit dem Temperatureffekt innerhalb des angegebenen Temperaturbereichs aus den Herstellerdaten entnommen werden. 2.3.4.6 Näherungseffekt Der Unsicherheitsbeitrag aufgrund von benachbarten geerdeten Strukturen kann aus den Skalenfaktoren Fmin und Fmaxbei minimalen und maximalen Abständen von diesen Strukturen bestimmt werden:

uB6

1 =√ 3

   Fmax   · − 1. Fmin

(2.26)

Der Näherungseffekt für kleinere HV-Messsysteme wird oft vom Hersteller des Umwandlungsgeräts untersucht und kann aus der Bedienungsanleitung entnommen werden. 2.3.4.7 Software-Effekt Bei der Verwendung von digitalen Messgeräten, insbesondere digitalen Aufzeichnungsgeräten (Digitalrekordern), wird eine korrekte Messung angenommen, wenn künstliche Testdaten (die in IEC 61083-2:2011 angegeben sind) innerhalb bestimmter Toleranzbereiche liegen, die ebenfalls in IEC 61083-2:2011 angegeben sind. Es sollte nicht vernachlässigt werden, dass durch diese Methode bemerkenswerte Standardunsicherheitsbeiträge verursacht werden können. Der angenommene Unsicherheitsbeitrag durch die Software bezieht sich nur auf die maximale Breite dieser Toleranzbereiche Toi, die in IEC 61083-2 angegeben sind:

1 n uB7 = √ · max (Toi ). 3 i=1

(2.27)

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

51

Hinweis Nur die Toleranzbereiche Toi der künstlichen Testdaten, die dem aufgezeichneten Stoßspannungswert ähnlich sind, müssen berücksichtigt werden. Beispiel 2 Das im ersten Beispiel 1 charakterisierte AMS wird hinsichtlich der Typ-B-Standardunsicherheitsbeiträge untersucht. Für die Unsicherheitsschätzung der Kalibrierung müssen auch die Standardunsicherheiten des RMS berücksichtigt werden, die nicht in dessen Messunsicherheit enthalten sind. Tab. 2.6 fasst beide zusammen und nennt die Quelle des Beitrags.

2.3.4.8 Bestimmung der erweiterten Unsicherheiten IEC 60060-2:2010 empfiehlt ein vereinfachtes Verfahren zur Bestimmung der erweiterten Unsicherheit der Skalenfaktorkalibrierung und der HV-Messung. Es basiert auf den folgenden Annahmen, die für die HV-Prüfung zutreffen: • Unabhängigkeit: Die einzelne gemessene Wert wird nicht durch die vorhergehenden Messungen beeinflusst. • Rechteckige Verteilung: Typ B-Beiträge folgen einer rechteckigen Verteilung. • Vergleichbarkeit: Die größten drei Unsicherheitsbeiträge sind von annähernd gleicher Größenordnung.

Tab. 2.6  Typ B Unsicherheitsbeiträge Unsicherheitsbeitrag

Symbol des Beitrags

Nichtlinearitätseffekt Gl. (2.22)

uB1

Dynamisches Verhalten Gl. (2.23)

uB2

Kurzzeitstabilitätseffekt Gl. (2.24)

uB3

In der Kalibrierung enthalten

Langzeitstabilitätseffekt Gl. (2.25)

uB4

In der Kalibrierung enthalten

Umgebungstemperatureffekt Gl. (2.26) Näherungseffekt Gl. (2.27)

uB5

0,06 % da außerhalb des angegebenen Temperaturbereichs In der Kalibrierung enthalten

Softwareeffekt Gl. (2.28)

uB6 uB7

Unsicherheitsbeitrag für RMS In der Kalibrierung enthalten: uN= UN /2 = 0,4 % In der Kalibrierung enthalten

In der Kalibrierung enthalten

Unsicherheitsbeitrag für AMS In der Kalibrierung enthalten uA 0,43 % von Abweichung innerhalb der Nennepoche 0,24 % von Abweichung vor und nach einem 3-stündigen Test 0,34 % aus aufeinanderfolgenden Leistungstests 0,15 % aus Herstellerdaten Kann aufgrund sehr großer Freiräume vernachlässigt werden Kann vernachlässigt werden, da kein digitaler Rekorder verwendet wurde

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

52

Hinweis IEC 60060-2:2010 erfordert nicht die Anwendung dieser vereinfachten Methode, alle Verfahren in Übereinstimmung mit dem ISO/IEC Guide 98-3:2008 (GUM) sind ebenfalls anwendbar. In den Anhängen A und B von IEC 60060-2:2010 wird eine weitere Methode beschrieben, die direkt mit dem GUM in Zusammenhang steht.

Die Beziehung zwischen der Standardunsicherheit und dem kalibrierten neuen Skalenfaktor kann durch den Ausdruck (F ± u) ausgedrückt werden, der einen Bereich möglicher Skalenfaktoren charakterisiert (Nicht zu vergessen, F ist ein Mittelwert und u ist die Standardabweichung dieses Mittelwerts!). Unter der Annahme einer Gauss-Normalverteilung (Abb. 2.17a) deckt dieser Bereich 68 % aller möglichen Skalenfaktoren ab. Für einen größeren Vertrauensbereich kann die berechnete Standardunsicherheit mit einem „Überdeckungsfaktor“ k > 1 multipliziert werden. Der Bereich (FX ± k · u) bedeutet den Skalenfaktor plus/ minus seiner „erweiterten Unsicherheit“ U= k · u. Üblicherweise wird ein Überdeckungsfaktor k = 2 angewendet, der einen Vertrauensbereich von 95 % abdeckt. Um zuerst die erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung Ucalzu bestimmen, die Standardunsicherheit uN der Messung des RMS aus seiner Kalibrierung, die Typ A Standardunsicherheit aus dem Vergleich und die Typ B Standardunsicherheiten in Bezug auf das Referenzmesssystem werden gemäß der geometrischen Überlagerung kombiniert:

Ucal = k · ucal = 2 ·



N

2 uN2 + uA2 + Σ uBiRMS i=0

(2.28)

Der erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung erscheint auf dem Kalibrierzertifikat zusammen mit dem neuen Skalenfaktor. Im Falle einer HV-Abnahmeprüfung ist jedoch die erweiterte Unsicherheit der dabei durchgeführten HV-Messung erforderlich. Wenn das AMS kalibriert ist und alle möglichen Umgebungsbedingungen berücksichtigt werden (Temperaturbereich, Bereich der Freiräume usw.), kann die erweiterte Unsicherheit der HV-Messung ausgedrückt werden durch die Standardunsicherheit der Kalibrierung ucal und die Typ B-Beiträge des AMS uBiAMS 

  N   2 2 . + uBiAMS UM = k · uM = 2 · ucal

(2.29)

i=0

Die vorab berechnete erweiterte Messunsicherheit sollte ebenfalls auf dem Kalibrierzertifikat zusammen mit den vordefinierten Nutzungsbedingungen erwähnt werden. Der Benutzer des HV-Messsystems muss nur zusätzliche Unsicherheitsbeiträge abschätzen, wenn das HV-Messsystem außerhalb der im Kalibrierzertifikat genannten Bedingungen betrieben werden muss. Beispiel 3 Für das kalibrierte AMS sollen die erweiterten Unsicherheiten der Kalibrierung und der HV-Messung unter der Annahme bestimmter Umgebungsbedingungen berechnet werden, die im Kalibrierzertifikat erwähnt sind. Die Berechnung verwendet die Ergebnisse der beiden oben genannten Beispiele:

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

53

Kalibrierungsergebnisse: Referenzmesssystem (RMS): RMS: Messunsicherheit RMS: Temperatureinfluss

UN= 0,80 %

Kalibrierung durch Vergleich Erweiterte Kalibrierunsicherheit (95 % Vertrauensbereich, k = 2) Standardunsicherheit der Kalibrierung HV-Messung: AMS: nicht-statistische Einflüsse

Erweiterte Messunsicherheit (95 % Vertrauensbereich) Genaueres Messergebnis:

uN= 0,4 % uB5 = 0,06 % uA= 0,68 % Ucal= 1,58 % ucal= 0,79 % uB2 = 0,43 % uB3 = 0,24 % uB4 = 0,4 % uB5 = 0,15 % UM= 2,10 % V = Vx(1 ± 0,021)

Das HV-Messsystem soll gemäß seinem neuen Skalenfaktor F = 1.0289 (Tab. 2.5) angepasst werden, möglicherweise mit einer Änderung des Instrumentenskalenfaktors, um die direkte Ablesung des gemessenen HV-Werts auf dem Monitor beizubehalten. Die IEC 60060-2:2010 fordert eine Unsicherheit der HV-Messung von UM ≤ 3 %. Da UM = 2, 10 % 130 kV werden Standard- Kugelfunkenstrecken nicht empfohlen, verwenden Sie Stab-Stab-Funkenstrecken und siehe Gl. (2.34) bFür korrekt gewartete Standard-Kugel wird angenommen, dass die erweiterte Messunsicherheit für AC-, LI- und SI-Prüfspannungen UM≈ 3 % für ein Konfidenzniveau von 95 % beträgt. Für DC-Prüfspannungen gibt es keinen zuverlässigen Wert cDie Werte in Klammern dienen nur zur Information, ihnen wird kein Vertrauensniveau zugeordnet

58

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

am Messgerät. Deren Mittelwert (Gl. 2.12) und die relative Standardabweichung (Gl. 2.13) werden ermittelt. Die Spannung soll ausreichend langsam erhöht werden, um genaue Messwerte zu ermöglichen. Der Mittelwert charakterisiert die Durchschlagspannung entsprechend den Abstandsparametern (D, S). Wenn die Standardabweichung ≤1 % beträgt, kann man davon ausgehen, dass die Messkugelfunkenstrecke korrekt gewartet wurde und die relative erweiterte Messunsicherheit ≤3 % beträgt. Hinweis Bei n = 10 Messungen und einer Standardabweichung von 1 % erhält man eine Standardunsicherheit von u = 0,32% (Gleichung 2.14). Das bedeutet, dass etwa 1,2% für die anderen Beiträge zur Standardunsicherheit verbleiben, wenn die erweiterte Unsicherheit (k = 2) ≤3% betragen soll (Gleichung 2.29).

Für LI/SI-Spannungsmessung werden die voreingestellten Durchschlagspannungen (D, S in Tab. 2.7) z. B. mit der Ladespannung des Impulsspannungsgenerators verglichen. Die 50 % Durchschlagspannungen U50werden in einem Mehrpegeltest von m = 5 Spannungspegeln mit n = 10 Impulsspannungen ermittelt (siehe Abschn. 2.4), und die entsprechende Messung wird als voreingestellte Messung übernommen. Wenn die ausgewertete Standardabweichung innerhalb von 1 % für LI- und 1,5 % für SI-Spannungen liegt, wird angenommen, dass die Messfunkenstrecke korrekt arbeitet. Für Gleichspannungsmessung werden Kugel funkenstrecken nicht empfohlen, da externe Einflüsse wie Staub oder kleine Fasern in einem Gleichstromfeld aufgeladen werden und eine hohe Streuung der Messwerte verursachen. Daher sollte eine Stab-Stab-Messfunkenstrecke angewendet werden, wobei die Luftfeuchtigkeit nicht höher als 13 g/m3 sein sollte (Feser und Hughes 1988; IEC 60052:2002). Die Stabelektroden aus Stahl oder Messing sollten einen quadratischen Querschnitt von 10–25 mm für jede Seite und scharfe Kanten haben. Wenn der Abstand S zwischen 25 und 250 cm liegt, wird der Durchbruch durch die Entwicklung einer Streamer-Entladung mit einem erforderlichen durchschnittlichen Spannungsgradienten e = 5,34 kV/cm verursacht. Dann kann die Durchschlagspannung berechnet werden durch

Vb /kV = 2 + 5,34 · S/cm.

(2.34)

Die Länge der Stäbe in einer vertikalen Anordnung sollte 200 cm betragen, in einer horizontalen Lücke 100 cm. Die Stab-Stab-Anordnung sollte frei von Teilentladungen (PD) an der Verbindung der Stäbe zur Hochspannungsleitung bzw. zur Erde sein. Dies wird durch toroidale Elektroden zur Feldsteuerung realisiert. Für eine horizontale Funkenstrecke sollte die Höhe über dem Boden ≥400 cm betragen. Das Testverfahren ist wie das für Wechselspannungen oben beschriebene.

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

59

2.3.6 Feldsonden zur Messung von Hochspannungen und Feldstärken Die Alterung der Isolierung und damit die Betriebszuverlässigkeit von Hochspannungsgeräten wird hauptsächlich durch die maximale elektrische Feldstärke bestimmt. Auch wenn die Feldverteilung in dielektrischen Materialien auf Basis der Maxwell-Gleichungen mit Hilfe fortschrittlicher Computersoftware berechnet werden kann, sollte die Gültigkeit der theoretischen Ergebnisse experimentell überprüft werden. Zu diesem Zweck können kapazitive Sensoren, allgemein als Feldsonden bezeichnet, verwendet werden. Die Feldverteilung kann jedoch durch die Anwesenheit solcher Feldsonden erheblich beeinflusst werden, weshalb sie so klein wie möglich gestaltet werden sollten, um Feldverzerrung und damit die unvermeidliche Messunsicherheit zu minimieren (Les Renardieres Group 1974; Malewski et al. 1982). In bestimmten Fällen können Feldsonden jedoch so gestaltet werden, dass das Feld nicht gestört wird, wie im Fall von koaxialen Elektrodenkonfigurationen, die für Durchführungen, Energiekabel und SF6-Schaltanlagen repräsentativ sind. Darüber hinaus können Feldsonden in die Erdelektrode einer Patte-Platte-Elektrodenanordnung mit Rogowski-Profil integriert werden, wie in Abb. 2.21 skizziert. Unter dieser Bedingung kann die an die Hochspannungselektrode angelegte Spannung einfach aus der Feldstärke abgeleitet werden, die an der Messelektrode auftritt. Das grundlegende Messprinzip basiert auf der ersten Maxwell-Gleichung, die lautet:

� = ∂ D/∂t � � rot H +G

(2.35)

 – Vektor der magnetischen Feldstärke, D  – Vektor der elektrischen Vermit H  – Vektor der Stromdichte an der Sensorelektrode. schiebungsflussdichte, G

Abb. 2.21  Prinzip einer Feldsonde zur Messung hoher Wechselspannungen HV-Elektrode E(t)

dg

Sensorelektrode Schutzringelektrode

CM

i(t)

Messkondensator

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

60

Für gasförmige Dielektrika ist die Leitfähigkeit extrem niedrig, so dass die Dichte des Leitungsstroms, die durch den zweiten Term in Gl. (2.35) gegeben ist, vernachlässigt werden kann:

� = ∂ D/∂t, � rot H

(2.36a)

Im Gegensatz dazu ist die Leitfähigkeit der Messelektrode extrem hoch, so dass für diesen Fall der erste Term in Gl. (2.35) vernachlässigt werden kann:

� = G, � rot H

(2.36b)

Kombiniert man die Gl. (2.36a und 2.36b) und ersetzt die Verschiebungsfluss� = ε · E, � erhält man dichte durch die elektrische Feldstärke, d. h., D

� = ∂ D/∂t � � G = ε · ∂ E/∂t,

(2.37)

mit ε – Permittivität des Dielektrikums zwischen beiden Elektroden. Für die hier betrachtete homogene Feldkonfiguration ist die elektrische Feldstärke, auch als der Potentialgradient bezeichnet, senkrecht zur Oberfläche der Messelektrode gerichtet. Daher ist anstelle der Vektorpräsentation die einfache skalare Präsentation für die eindimensionale Konfiguration anwendbar. Folglich kann der Strom I(t), der vom Sensor erfasst wird, einfach durch die Stromdichte G multipliziert mit der Fläche A der Messelektrode ausgedrückt werden:

I(t) = A · G = A · ε · dE(t)/dt.

(2.38)

Um den am Sensorsensor induzierten Strom in ein äquivalentes Spannungssignal Vm (t) umzuwandeln, ist es üblich, den Sensor über eine Messkapazität CM mit Erdpotential zu verbinden, siehe Abb. 2.21. Da dies einen kapazitiven Spannungsteiler darstellt, kann die zeitabhängige Spannung Vh (t) an der HV-Elektrode einfach aus der Spannung Vm (t) abgeleitet werden, die über CM gemessen wird, unter Verwendung der folgenden Gleichung:

Vh (t) =

d g · Cm · Vm (t) = Sf · Vm (t), A·ε

(2.39)

mit Sf – Skalenfaktor, dg – Plattenabstand, siehe Abb. 2.21. Im Prinzip könnte die Kapazität CM in Abb. 2.21 auch durch einen Widerstand ersetzt werden, der im Folgenden als Rm bezeichnet wird. Unter dieser Bedingung kann Gl. (2.38) ausgedrückt werden als

Vm (t) = Rm · A · ε · dE(t)/dt.

(2.40)

Daraus folgt für den interessierenden Scheitelwert der zu messenden Hochspannung Vhp, die an die obere Elektrode anliegt

Vhp

dg · = Rm · A · ε

ˆt 0

Vm (t)dt =

dg · Vmp = Sf · Vmp Rm · A · ε · 2πf

(2.41)

2.3  HV-Messung und Abschätzung …

61

Das bedeutet, der Skalenfaktor Sf ist umgekehrt proportional zur Testfrequenz f, sodass nicht nur Rm, sondern auch die Testfrequenz f genau bekannt sein muss, um den Scheitelwert der angelegten Hochspannung aus der gemessenen Niederspannung abzuleiten. In diesem Zusammenhang muss darauf geachtet werden, dass überlagerte Oberschwingungen zu erheblichen Messfehlern führen können. Beispiel Betrachten Sie eine Anordnung gemäß Abb. 2.21 in Umgebungsluft, d.h. ε0 = 8,86 pF/m. Angenommen sei ein Abstand dg = 10 cm und eine Fläche der Messelektrode von As = 10 cm2 sowie eine Kapazität von Cm = 2 nF, dann erhält man den folgenden Skalenfaktor: Sf =

dg · Cm (10 cm) · (2 nF)  = 22,6 × 103 . =  A · ε0 10 cm2 · (8,86 pF/m)

Wenn beispielsweise eine Niederspannung von Vm = 5 V über Cmanliegt, dann wird diese durch eine angelegte Hochspannung von Vhp = 113 kV verursacht. Ersetzt man den Kondensator Cm durch einen Messwiderstand von Rm = 500 kΩ und nimmt eine Testfrequenz f = 50 Hz an, erhält man den folgenden Skalensfaktor: Sf =

dg = 18 × 103 . Rm · As · ε0 · 2πf

Die in Abb. 2.22 dargestellten Kurven, die auf den oben genannten Berechnungen basieren, ermöglichen eine einfache Bestimmung der angelegten Hochspannung Vhp aus der gemessenen Niederspannung Vm. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Skalenfaktor auch von der Testfrequenz abhängig ist, wenn ein Messwiderstand verwendet wird.

Abb. 2.22 Angelegte Hochspannung gegenüber Niederspannung, die über einer kapazitiven bzw. einer resistiven Messimpedanz messbar ist, unter Verwendung der im Text angegebenen Parameter

angelegte Hochspannung [kV]

Der Hauptnachteil der in Abb. 2.21 dargestellten Anordnung besteht darin, dass sie nur in der Lage ist, die Potentialgradienten in unmittelbarer Nähe zum Erdpotential zu messen. Um auch beliebig orientierte Feldvektoren im Raum zwischen HV- und LV-Elektroden zu messen, werden häufig kugelförmige Sensoren eingesetzt, um die Zündung von Teilentladungen zu verhindern (Feser und Pfaff 1984). Wie in Abb. 2.23 (links) dargestellt, ist die Oberfläche einer solchen Kugel-Elektrode in sechs Teilsensoren unterteilt, die die drei kartesischen

250 Rm = 500 k Ω

200 150

Cm = 500 pF

100 50 0

0

2

4

6

8

gemessene Niederspannung [V]

10

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

62

Schutzelektrode Messelektrode

Rotierende Flügelelektrode auf Erdpotential Messelektroden

Schutzringelektrode

Abb. 2.23  Feldsonden mit festen und rotierenden Elektroden

Komponenten des elektromagnetischen Feldes empfangen. Um die unvermeidliche Feldstörung durch die metallischen Teile, der Feldsonde zu minimieren, wird diese batteriebetrieben und die gesamten für die Signalverarbeitung erforderlichen Komponenten sind in der Hohlkugel integriert. Darüber hinaus werden die erfassten und verarbeiteten Signale über eine Glasfaser-Verbindung zum Erdpotential übertragen. Ein wesentlicher Vorteil der kugelförmigen Sonde ist, dass der zulässige Radius in Abhängigkeit von der zu messenden Feldstärke ohne großen Aufwand berechnet werden kann. Praktisch realisierte kugelförmige Feldsonden sind in der Lage, Feldstärken von bis zu etwa 1 kV/cm bei Frequenzen im Bereich zwischen ca. 20 Hz und 100 MHz zu messen. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass der Einsatz von Feldsonden nicht nur auf Feldstärkemessungen beschränkt ist. Wenn sie mit einem Referenzmesssystem kalibriert sind, können sie auch für Hochspannungsmessungen eingesetzt werden, vorausgesetzt, das Feld ist frei von Raumladungen, d. h. Koronaentladungen müssen in der Umgebung der Feldsonde unbedingt verhindert werden. Da die Feldsonde im Prinzip einen kapazitiven Sensor darstellt, muss berücksichtigt werden, dass die induzierte Ladung und somit der messbare Strom i(t) die Folge eines zeitabhängigen Verschiebungsflusses ist und somit mit der zeitabhängigen Feldstärke E(t) korreliert. Daher sind nur zeitabhängige Spannungen, verursacht durch LI, SI, AC und andere Transienten, in der Lage, einen messbaren Verschiebungsstrom zu induzieren. Um auch Gleichspannungen zu messen, könnte die erforderliche zeitliche Änderung des Stromes auch durch ein periodisches Abschirmen der Messelektrode mittels einer rotierenden Flügelelektrode auf Erdpotential erzeugt werden. Dieser Ansatz, wie in Abb. 2.23 (rechts) schematisch dargestellt, wird von der sogenannten Feldmühle (Herb et al. 1937; Kleinwächter 1970) angewendet. Hier wird die Messelektrode durch zwei halbsektionierte Scheiben gebildet, die gut voneinander isoliert sein müssen, während die rotierende Flügelelelektrode mit der Schutzringelektrode auf Erdpotential verbunden ist. Durch die Rotation der Flügelelektrode werden die Mess-Elektroden einem periodisch wechselnden Verschiebungsfluss ausgesetzt.

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische …

63

Dadurch wird ein Wechselstrom induziert, der mit der elektrostatischen Feldstärke korreliert ist und - entsprechend verstärkt - angezeigt wird. Eine weitere Möglichkeit der Feldsondenmessung ist die Verwendung einer mechanischen Methode, die die sogenannte Coulomb-Kraft nutzt, die 1884 entdeckt wurde. Zu diesem Zweck wird die in Abb. 2.21 dargestellte Messimpedanz CM durch ein empfindliches Kraftmesssystem ersetzt, wie es ursprünglich von Kelvin im Jahr 1884 für absolute Gleichspannungsmessungen angewendet wurde. Bei einem homogenen Feld kann die Kraft, die die Messelektrode mit der Fläche A anzieht, wenn sie einem Potentialgradienten E ausgesetzt ist, durch folgende Gleichung ausgedrückt werden:

Fe =

1 · ε · A · E2. 2

(2.42)

Beispiel Wenn beispielsweise eine Hochspannung Vh = 100 kV an die obere Elektrode angelegt wird und der Abstand zur Messelektrode dg = 10 cm beträgt, dann erreicht die Feldstärke an der Messelektrode 10 kV/cm. Setzt man diese Werte in Gleichung (2.42) ein, so wird die Kraft, die die Messelektrode anzieht, Fe ≈ 3,5 × 10−2 N ≈ 3,6 p.

Die Torsion aufgrund der angezogenen Sensorelektrode wird durch ein Spotlichtund Spiegelsystem verstärkt und angezeigt. Da die Coulomb-Kraft proportional zum Quadratwert des Potentialgradienten ist und somit auch proportional zum Quadratwert der angelegten Prüfspannung, ist die Anzeige unabhängig von der Polarität der zu messenden Spannung. Daher sind elektrostatische Voltmeter nicht nur für Gleichspannungsmessungen anwendbar, sondern auch für die Messung des Effektivwerts von Wechsel-Prüfspannungen, siehe Abschn. 3.4.

2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische Behandlung Elektrische Entladungen und Durchschläge von Isolierungen sind stochastische Prozesse, die mit statistischen Methoden beschrieben werden müssen. Dieser Unterabschnitt gibt eine Einführung in die Planung, Durchführung und Auswertung von Hochspannungsprüfungen auf statistischer Basis. Es werden Prüfungen mit Spannungen bis zum Durchschlag („Spannungssteigerunsmethode“, PSM =" progressive stress method") bzw. mit mehrfacher Anwendung von vorgegebenen Spannungen und Schätzung von Durc hschlagwahrscheinlichkeiten(Konstantspannnungsmethode ("multi-level method“, MLM, „Auf- und Ab-Methode“, UDM) beschrieben. Lebensdauerprüfungen (LTT) von Isolierungen werden mit vorgegebenen Spannungen, aber progressiven Prüfdauern durchgeführt und können entsprechend ausgewertet werden. Auch genormte Hochspannungsfestigkeitsprüfungen werden beschrieben und aus der Sicht der Statistik bewertet. Der Unterabschnitt liefert erste Werkzeuge für die Anwendung statistischer Methoden und gibt Hinweise auf die Fachliteratur, z. B. (Hauschild und Mosch 1992).

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

64

2.4.1 Zufallsvariablen und die Konsequenzen Die Phänomene der elektrischen Entladungen – wie die meisten anderen in Natur, Gesellschaft und Technik – basieren auf stochastischen Prozessen und zeichnen sich durch ihre Zufälligkeit aus (Van Brunt 1981; Hauschild et al. 1982). Dies wird oft ignoriert und nur ein durchschnittlicher Trend wird betrachtet, um eine untersuchte Beziehung zu interpretieren. Oft ist jedoch nicht der Mittelwert, sondern ein Extremwert entscheidend für die Leistungsfähigkeit eines Systems. In der Technik wird dies oft durch die Anwendung eines „Sicherheitsfaktors“ berücksichtigt. Ein besserer Ansatz ist die statistische Beschreibung stochastischer Phänomene. Daher sollen Hochspannungsprüfungen auf statistischer Basis ausgewählt, durchgeführt und ausgewertet werden: Sie sind Zufallsexperimente (Versuche) und werden mathematisch durch Zufallsvariablen (manchmal auch „Zufallsvariante“ genannt) beschrieben. Wenn eine vorgegebene konstante Spannungsbelastung – z. B. eine bestimmte LI-Prüfspannung – an eine Isolierung – z. B. eine Luftstrecke – angelegt wird, kann man das Zufallsereignis „Durchschlag“ (A) oder das komplementäre Ereignis „Nichtdurchschlag“ (A*) beobachten. Die relative Durchschlagshäufigkeit hn (A) ist das Verhältnis zwischen der Anzahl der Durchschläge k und der Anzahl der Anwendungen n (Stichprobenumfang)

hn (A) = k/n.

(2.43)

Die relative Häufigkeit der Nichtdurchschläge folgt zu

hn (A∗) = (n − k)/n = 1 − hn (A).

(2.44)

Die relative Häufigkeit hängt von der Anzahl der durchgeführten Tests (oft als Stichprobengröße) und der jeweiligen Testreihe ab, wie in Abb. 2.24 für die Durchschlagshäufigkeit gezeigt. Die relativen Häufigkeiten variieren um einen festen Wert und erreichen ihn als Grenzwert„Durchschlagswahrscheinlichkeit“ p:

lim hn (A) = p.

n→∞

(2.45)

Die Wahrscheinlichkeit für Nichtdurchschläge q folgt entsprechend

lim hn (A∗) = q.

n→∞

(2.46)

Da ein charakteristischer Wert für das Isoliervermögen nicht gemessen werden kann („Es passiert nichts!“), wird die Wahrscheinlichkeit q des Nichtdurchschlags (Isoliervermögens, Widerstand) aus der komplementären Durchschlagswahrscheinlichkeit q= 1 − p ermittelt. Folglich ist die statistische Definition einer Nichtdurchschlagsspannung eine Spannung, die mit geringer Wahrscheinlichkeit einen Durchschlag verursacht, in der Regel p ≤ 0,10. Die relative Durchschlagshäufigkeit ist eine Punktschätzung der Durchschlagswahrscheinlichkeit.

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische …

65

relative Durchschlagwahrscheinlichkeit hn(A)

Abb. 2.24 Relative Durchschlagshäufigkeiten von zwei Testreihen in Abhängigkeit von der Anzahl der durchgeführten Tests

1,0 0,8

Testreihe 1

p(A)

0,6 0,4

Testreihe 2

0,2

0

10

20

30

40

50

60

Anzahl der Tests

Je größer die Anzahl der Anwendungen für die Schätzung der Häufigkeit, desto besser ist die Anpassung der Schätzung an die wahre, aber unbekannte Wahrscheinlichkeit (Abb. 2.24). Eine Vertrauensschätzung liefert ein Gefühl für die Genauigkeit der Schätzung durch die Breite des berechneten Vertrauensbereichs. Dieser Bereich umfasst den wahren, aber unbekannten Wert von p mit einem bestimmten Konfidenzniveau, z. B. ε = 95 %. Aus der Stichprobe werden die obere und die untere Grenze des Vertrauensbereichs auf der Grundlage der Annahme einer theoretischen Verteilungsfunktion ermittelt, in diesem Fall basierend auf der Binomialverteilungsfunktion und der Fisher (F) Verteilung als Testverteilung. Erläuterung: Die Binomialverteilung basiert auf zwei komplementären Ereignissen A und A* (wie Durchschlag und Nichtdurchschlag = Widerstand) mit den bekannten Wahrscheinlichkeiten p und q (Bernoulli-Versuch). Die Binomialverteilung gibt die Wahrscheinlichkeit P(X = k) an, mit der das Ereignis A k-mal in n unabhängigen Versuchen auftreten wird.

  n k P(X = k) = p (1 − p)n−k k

(2.47)

wobei k = 0, 1, 2, . . . , n und

  n · (n − 1) · . . . (n − k + 1) n! n = = k k! · (n − k)! 1 · 2 · 3 · ... · k Abb. 2.25 zeigt die 95 % Konfidenzgrenzen in Abhängigkeit von der relativen Ausfallhäufigkeit und der Anzahl der Anwendungen (Stichprobengröße). Beispiel Für hn (A) = 0,7 und n = 10 Anwendungen liefert Abb. 2.25 die untere Grenze pl = 0,37 und die obere Grenze pu = 0,91. Mit einer statistischen Konfidenz ε = 95%

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

66

liegt die reale Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Bereichs von 0,37 ≤ p≤ 0,91. Für n = 100 Anwendungen würde man den viel kleineren Bereich 0,60 ≤ p ≤ 0,78 erhalten. Wiederum wird mit zunehmender Stichprobengröße die Schätzung besser, das heißt, der Konfidenzbereich wird kleiner. Es sollte beachtet werden, dass ein Konfidenzintervall auch berechnet werden kann, wenn kein Ausfall (k = 0) in einer Reihe von n Belastungen auftritt. Für den Fall (n = 20; k = 0) liefert Abb. 2.25 das Konfidenzintervall (0; 0,16). Die obere Konfidenzgrenze kann für weitere Vergleiche oder Schätzungen verwendet werden.

Wenn ein Konstantspannungsversuch zur Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit durchgeführt wurde, muss überprüft werden, ob der Test „unabhängig“ ist. Abhängigkeit bzw. Nicht - Unabhängigkeit bedeutet, dass frühere Spannungsanwendungen Einfluss auf das Ergebnis der betrachteten Anwendung haben. Dies kann durch die Untersuchung des Trends (Tab. 2.8) gezeigt werden. Eine Stichprobe von n = 100 wird in fünf Stichproben von n* = 20 unterteilt. Wenn die relativen Häufigkeiten der Teilproben um die der Gesamtprobe streuen, kann diese als unabhängig betrachtet werden (Fall a). Wenn es einen klaren Trend gibt (Fall b), wäre sie abhängig und jede statistische Auswertung ist verboten. Unabhängigkeit kann nur durch eine Verbesserung des Testverfahrens sichergestellt werden, z. B. durch ausreichend lange Pausen zwischen einzelnen Belastungen. Weitere Einzelheiten zu Konstantspannungstests sind in (Hauschild und Mosch 1992) beschrieben. Eine Sequenz von Konstantspannungsversuchen bei verschiedenen Spannungspegeln (n ≥ 5) bedeutet die Anwendung der MLM-Methode, die in Abschn. 2.4.3 ausführlich beschrieben ist.

Abb. 2.25 Konfidenzgrenzen der Ausfallwahrscheinlichkeit für ein Konfidenzniveau ε = 95 %. Abhängig von der Stichprobengröße

untere (pl ) / obere (p u ) Konfidenzgrenze 1

pu Stichprobengröße n

0,8

0,6

0,4

0,2

pl

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

relative Häufigkeit in der Stichprobe h n

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische …

67

Tab. 2.8  Überprüfung der Unabhängigkeit von zwei Tests mit Stichprobengröße n = 100 (a) Unabhängige Stichprobe: Kugel-Platten-Abstand in atmosphärischer Luft (Durchschlag: -; Durchbruch: x)

-xxx---x-xxxxxxx-x-x x - x- - x x x x x - x x- x x x x x x -xxxx-xxxxxx-x-xxx– xxx-xx-x-x---x-xxx-x xx-xxxx--x-x-xxxxxx-

Durchbruchsfrequenz

h20 0,65 0,75 0,70 0,6 0,7

h100

0,68

(b) Abhängige Probe: Wie oben, aber eingeschlossene Luft in einem Behälter (aushalten: -; Durchschlag: x)

h20

xxxxxxxxxxxxxxxxxx-x x - x- x x - x x - - x x x - x - - x x - - - x x x - x - - - x - x x - x- x x -xx------x---x-x--xx ------x-------------

0.95 0.55 0.5 0.35 0.05

h100

0.48

Es gibt eine zweite Gruppe von HV-Durchschlagsprüfungen: Mit zunehmender Belastung, z. B. kontinuierlich ansteigende AC- oder DC-Testspannungen oder LI- oder SI-Spannungen, die in Schritten ansteigen, bis ein Durchschlag auftritt (Abb. 2.26). Jetzt ist der Durchschlag sicher, aber die Höhe der Durchschlagsspannung ist zufällig. Diese Gruppe von Tests wird als Spannungssteigerungsmethode („progressive Durchschlagsmethode PSM“ bezeichnet. Die Zufallsvariable ist die Durchschlagsspannung Vb.Aber bei Lebensdauerprüfungen mit konstanter Spannung wird die Zeit bis zum Durchschlag Tb zur Zufallsvariable. In beiden Fällen haben wir eine kontinuierliche Variable. Hinweis Im Falle von schrittweise ansteigenden Spannungen kann der Startwert variiert werden, um kontinuierliche Ausgaben (Realisierungen) der Zufallsvariable zu erhalten.

Die Auswertung von progressiven Belastungsprüfungen folgt der typischen Behandlung von Zufallsvariablen in der mathematischen Statistik, wie sie in vielen Lehrbüchern beschrieben wird, z. B. von Mann et al. (1974), Müller et al. (1975), Storm (1976) oder Vardeman (1994). Beschreibungen, die speziell auf HV-Tests bezogen sind, werden von Lalot (1983), Hauschild und Mosch (1984) (auf Deutsch) und (1992) (auf Englisch), Carrara und Hauschild (1990) und Yakov (1991) sowie im Anhang A von (IEC 60060-1:2010) gegeben. Eine kurze Einführung in die PSM-Auswertung findet sich in Abschn. 2.4.2. Die Verteilung einer Zufallsvariable X mit Realisierungen xi, die in einem progressiven Belastungstest gefunden wird, wird durch eine Verteilungsfunktion beschrieben. Sie ist definiert durch

F(xi ) = P(X < xi ),

(2.48)

und sie gibt die Wahrscheinlichkeit P an, mit der die Zufallsvariable X einen Wert unterhalb des betrachteten Wertes xi annimmt. Eine Verteilungsfunktion (Abb. 2.27) ist eine mathematische Funktion mit den folgenden Eigenschaften:

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

68 Abb. 2.26  Verfahren der Spannungssteigerungsmethode (progressiven Belastungs). a Kontinuierlich ansteigende AC- oder DC-Spannung. b Schrittweise ansteigende AC- oder DC-Spannung. c Schrittweise ansteigende LI- oder SISpannung

Werte der Durchbruchsspannung:

Zeit t Gruppennummer: Durchbruchspannungswerte:

Anzahl von Gruppen und Impulsen

• 0 ≤ F(xi) ≤ 1 (Realisierungen zwischen unmöglichen und sicheren Ereignissen), • F(xi) ≤ F(xi+1) (monoton steigend), • lim F(x) = 0 und lim F(x) = 1 (Randbedingungen). x→−∞

x→+∞

Hinweis Anstelle der Verteilungsfunktion liefert auch die Dichtefunktion eine vollständige mathematische Beschreibung, aber sie ist für die Auswertung von HV-Tests nicht sinnvoll.

Eine Verteilungsfunktion ist durch Parameter charakterisiert, die den Mittelwert und die Streuung beschreiben, manchmal zusätzlich die Position der Funktion. Die Auswertung eines progressiven Belastungstests bedeutet die Auswahl einer gut angepassten Art von Verteilungsfunktion und die Schätzung ihrer Parameter. Die Parameterschätzung kann als Punktschätzung oder Konfidenzschätzung auf der

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … Abb. 2.27 Verteilungsund Dichtefunktion mit der Definition des Quantils x1 und des Wahrscheinlichkeitsintervalls (F(b) − F(a))

69

Wahrscheinlichkeit 1 0,8

F(b) F(a)

0,6 0,4

F(x)=p

0,2 F(x1) 0

x1

xp

a

b

Wahrscheinlichkeitsdichte 0,4 0,2 0

x1

a b Zufallsvariable

Grundlage von Formeln für funktionale Parameter (z. B. den Mittelwert), Quantile (Realisierung der Zufallsvariable in Bezug auf eine vorgegebene Wahrscheinlichkeit) oder Intervalle (Differenz zwischen zwei Quantilen) erfolgen (Abb. 2.27).

2.4.2 HV-Prüfungen nach der Spannungssteigerungsmethode Die Spannungssteigerungsmethode mit kontinuierlich steigender Spannung soll für eine Elektrodenanordnung in SF6-Gas (Abb. 2.26a) in Betracht gezogen werden. Die Startspannung v0 muss niedrig genug sein, um keinen Einfluss auf das Ergebnis zu haben, die Steigungsrate der Spannung soll so sein, dass eine zuverlässige Spannungsmessung durchgeführt werden kann, und das Intervall zwischen zwei einzelnen Prüfungen soll die Unabhängigkeit der Realisierungen vb.sichern. Die Unabhängigkeit kann durch eine grafische Darstellung der Messungen überprüft werden. Andere Unabhängigkeitstests sind in der oben erwähnten Literatur beschrieben. Beispiel Abb. 2.28 zeigt die Abfolge von vier Testreihen bei vier verschiedenen Drücken des SF6-Gases. Eine Reihe gilt als unabhängig, wenn die Realisierungen zufällig um einen Mittelwert schwanken. Eine Abhängigkeit muss angenommen werden, wenn es eine fallende, steigende oder periodisch schwankende Tendenz gibt. Nach dieser einfachen Regel können die Reihen bei Gasdrücken von 0,40, 0,25 und 0,15 MPa als unabhängig betrachtet werden und sind gut für eine statistische Auswertung geeignet. Die bei 0,10 MPa ist abhängig und sollte nicht statistisch ausgewertet werden. Der Grund für die Abhängigkeit sollte geklärt und die Reihe unter verbesserten Bedingungen wiederholt werden.

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

70 AC-Durchbruchsspannung

SF6 Gasdruck

250

0,4 MPa

kV

unabhängig

180

0,25 MPa unabhängig

120

0,15 MPa Unabhängig 0,1 MPa

60

abhängig 0

20

40

60

80

100

number of single test

Abb. 2.28  Grafische Überprüfung der Unabhängigkeit von vier Testreihen in SF6-Gas

Jede unabhängige Reihe soll statistisch ausgewertet werden, das heißt grafisch dargestellt und durch eine theoretische Verteilungsfunktion approximiert werden. Beide Aufgaben können verbunden werden, wenn ein sogenanntes Wahrscheinlichkeitsgitter für die Darstellung verwendet wird. Ein Wahrscheinlichkeitsnetz verwendet die inverse Funktion der betrachteten theoretischen Verteilungsfunktion auf der Ordinate. Für jeden Typ von theoretischen Verteilungen kann ein Wahrscheinlichkeitsnetz erstellt werden. Jede empirische Verteilung desselben Typs wie das Netz erscheint als gerade Linie. Die folgenden theoretischen Verteilungsfunktionen werden für HVAnwendungen empfohlen: Die Gauss oder Normalverteilung ist gekennzeichnet durch die Parameter μ (geschätzt durch den arithmetischen Mittelwert oder das 50 % Quantil u50) und die Standardabweichung σ [geschätzt durch die Quadratwurzel des Mittelwerts von (xi − μ) oder die Differenz der Quantile (x84 − x50) = (x50 − x16)]: ˆ x 1 2 2 2 e−(z−µ) /2σ dz F(x; µ; σ ) = √ (2.49) 2π σ −∞ Die Anwendung einer bestimmten Verteilungsfunktion sollte auf ihrem stochastischen Modell basieren: Eine normalverteilte Zufallsvariable ist das Ergebnis einer großen Anzahl unabhängiger, zufällig verteilter Einflüsse, wenn jeder dieser nur einen unbedeutenden Beitrag zur Summe leistet. Dieses Modell ist auf viele zufällige Ereignisse, auch auf Durchschlagprozesse mit Teilentladungen, sehr gut anwendbar. Die Gumbel- oder Doppel-Exponentialverteilung ist – wie die Normalverteilung – eine unbegrenzte Funktion (−∞ 0 erhält der Anfangswert eine absolute Bedeutung, z. B. als ideale Durchschlagsspannung der Durchschlagwahrscheinlichkeit p= 0! Daher müssen die Konsequenzen sorgfältig bedacht werden, wenn sie auf Durchschlagspannungsprobleme angewendet wird. Für alle drei theoretischen Verteilungsfunktionen kann ein Wahrscheinlichkeitsnetz erstellt werden. Abb. 2.29 zeigt den Vergleich der verschiedenen Ordinaten dieser Gitter. Es ist zu erkennen, dass in der Region x15–x85 die Gitter sehr ähnlich sind, aber für sehr niedrige und sehr hohe Wahrscheinlichkeiten bemerkenswerte Unterschiede bestehen. Das bedeutet, dass für die Schätzung von Durchschlagsspannungen die optimale Auswahl einer theoretischen Verteilungsfunktion für die Anpassung von empirischen Daten (Testergebnisse) sehr wichtig ist. Zusätzlich muss eine ausreichende Stichprobengröße (Anzahl der Realisierungen), z. B. n ≥ 50, gewählt werden, um Hinweise auf niedrige und hohe Wahrscheinlichkeiten zu erhalten. Bei HV-Prüfungen wird die empirische Verteilungsfunktion üblicherweise aus einer recht begrenzten Anzahl von Realisierungen ermittelt, z. B. 10 ≤ n ≤ 100. In diesem Fall wird empfohlen, die Realisierungen xi in aufsteigender Größe

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

72 x50-4σ

x 50-3σ x 50-2σ

x50-σ

x 50

x 50+σ

x 50+3σ 2

x 50+3σ

x 50+4σ

Variable x -4

-3

0,001

-2

0,01

-1

0

1

0,16

0,5

0,84

0,1

0,3

0,7

0,9

3

0,99

0,999

0,99

0,999

4

standardisierte Normalverteilung (µ=0; σ=1) Gaußsche Normalverteilung δ = 3,3

0,001 0,01

0,001

0,01

0,01

0,1

0,3 0,5

0,7

0,1

0,3 0,5

0,7

0,1

0,3

0,7 0,9 0,99 0,999

0,5

0,9

0,9

0,99 0,999

Weibull-Verteilung δ = 10 Gumbel-DoppelExponentialverteilung

Abb. 2.29 Vergleich der Ordinaten von Wahrscheinlichkeitsgittern mit identischen 50  % Quantilen (logarithmische Abszisse für Weibull-Verteilung)

zwischen xmin und xmaxanzuordnen und sie durch ihre relativen, Summenhäufigkeiten

hΣi =

i  m=1

hm (n + 1)

(2.52)

zu vervollständigen, wobei n die Gesamtzahl der Realisierungen und hm die absolute Häufigkeit des mten Spannungswertes (Gl. 2.43) ist. Dann werden die Daten als „Treppe“ in einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsgitter dargestellt. Wenn die empirische (Treppen-)Funktion durch eine Gerade approximiert werden kann, ist die Anpassung mit der theoretischen Funktion des Gitters akzeptabel. Beispiel Abb. 2.30 zeigt, dass die Treppenfunktion gut durch eine Gerade im Gauss-Netz einer Normalverteilung angepasst werden kann. Das bedeutet, dass eine Normalverteilung die Zufälligkeit des durchgeführten Tests ausreichend beschreibt. Ihre Parameter können durch Quantile geschätzt werden: Der Mittelwert durch u50 = 953 kV und die Standardabweichung durch s = u50 − u16 = 18,2 kV.

Eine Konfidenzschätzung der Parameter kann mit Hilfe sogenannter Testverteilungen durchgeführt werden, der t-Verteilung für Konfidenzschätzungen des Mittelwerts und der χ2-Verteilung für die Standardabweichung. Einzelheiten finden Sie z. B. bei Hauschild und Mosch (1992). Die Maximum-Likelihood-Methode liefert die effizienteste Schätzung von Parametern einschließlich ihrer Konfidenzgrenzen. Da der Begriff „Likelihood“ ein Synonym für „Wahrscheinlichkeit“ ist, liefert die Methode Schätzungen von Parametern der ausgewählten Verteilungsfunktion, die die höchste Wahrscheinlichkeit für die gegebene Stichprobe haben. Die Methode wurde vor vielen Jahren eingeführt, fand aber ihre breite Anwendung mit numerischen Verfahren mittels Personalcomputer (PC). Sie kann für alle Klassen von HV-Durchschlagprüfungen

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 0,99

73

kumulative Ausfallhäufigkeit h 

0,9 0,84 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,16 0,1

s = 18 kV 0,01

880

900

920

940

960

980

kV

1020

Durchschlagsspannung V b

Vb50 = 952,5 kV

Abb. 2.30  Summenhäufigkeitsfunktion auf einem Gauss-Wahrscheinlichkeitsnetz

und jede Art von theoretischen Verteilungsfunktionen angewendet werden (Carrara und Hauschild 1990; Yakov 1991; Vardeman 1994). Die mathematischen Berechnungen basieren auf der sogenannten „Likelihood Funktion L“. Sie ist proportional zur Wahrscheinlichkeit pR, eine Beschreibung der untersuchten Stichprobe (Realisierungen xi mit i = 1 … n) mit einer Verteilungsfunktion, z. B. mit den Parametern δ1 und δ2, zu erhalten. Die n Realisierungen der Stichprobe sind auf m Ebenen der Zufallsvariablen xi (Durchbruchspannung oder -zeit) verteilt. Die Likelihood-Funktion L basiert auf der Wahrscheinlichkeit pR, die proportional zum Produkt der Wahrscheinlichkeiten fRi ist: n

L = ApR = A � fRi (xi /δ1 , δ2 ) = L(xi /δ1, δ2 ) i=1

(2.53)

Der Faktor „A“ dient nur zur Normalisierung. Die wahrscheinlichsten Punktschätzungen der Parameter δ1 und δ2 sind diejenigen, die L maximieren, wie in Abb. 2.31 gezeigt (δ*1 und δ*2). Sie werden aus den Maximalbedingungen dL/dδ1 = 0 und dL/dδ2 = 0 berechnet, normalerweise mit den Logarithmen, bei denen dieselben Parameter das Maximum anzeigen

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

74

d(ln L)/dδ1 = 0

(2.54)

and d(ln L)/dδ2 = 0.

Das dreidimensionale Diagramm zeigt die Wahrscheinlichkeitsfunktion (L normalisiert auf ihr Maximum) im Bereich der beiden Parameter. Mithilfe eines Querschnitts durch den „Wahrscheinlichkeitsberg“ können die Konfidenzgrenzen der Parameter (δ1min, δ1max, δ2min, δ2max) definiert werden. Jede Parameterkombination des Konfidenzbereichs (Abb. 2.31) liefert eine gerade Linie auf dem Wahrscheinlichkeitsgitter (Abb. 2.32). Die oberen und unteren Grenzlinien des Bündels von geraden Linien werden als Konfidenzgrenze für die gesamte Verteilungsfunktion betrachtet. Abb. 2.32 zeigt dies schematisch im relevanten Wahrscheinlichkeitsgitter, das für die Annäherung verwendet wird. Die Maximum-Likelihood-Methode kann auch auf „zensierte“ Testergebnisse angewendet werden, z. B. wenn ein Lebensdauertest nach einer bestimmten Zeit abgebrochen wird und nur k der n Testobjekte ausgefallen sind. Dann erhält die Wahrscheinlichkeitsfunktion die Form

L = A · pR = A ·

k 

fRi (xi /δ1 , δ2 ) ·

i=1

n−k 

(1 − fRi (xi /δ1 , δ2 )).

i=k+1

(2.55)

Die gleiche Probe wie in Abb. 2.30 wird mit einem kommerziell erhältlichen PC-Programm der ML-Methode (Speck et al. 2009) unter der Annahme einer Weibull-Verteilung ausgewertet (Abb. 2.33). Das Programm liefert nach Unabhängigkeitstests eine Darstellung der kumulativen Häufigkeitsverteilung auf einem Weibull-Netz mit logarithmischer Abszisse. Die Parameter werden wie folgt geschätzt: Anfangswert v0 = 750 kV, 63 % Quantil Vb63 = (v0 + x63) = (750 + 211) kV und Streuparameter δ = 8,4. Die ausgewertete untere 95 % Konfidenzgrenze der Summenhäufigkeitsfunktion sollte für technische Schlussfolgerungen herangezogen werden.

Abb. 2.31  Punkt- und Konfidenzschätzung durch die Maximum-LikelihoodFunktion (schematisch)

L /Lmax 1

K

δ 2min δ 1min δ *1

δ 1max δ1

δ *2

δ 2max δ2

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … Abb. 2.32 Konfidenzgrenzen der Verteilungsfunktion abgeleitet aus Abb. 2.31 (schematisch)

75 δ 2min

F(x)

δ 1min δ*1; δ*2

untere Konfidenzgrenze

δ 1max δ 2max 50% obere Konfidenzgrenze

x50

Abb. 2.33 Summenhäufigkeitsfunktion mit 95 % Konfidenzgrenzen im Weibull-Netz

x

0,99 Kumulative Ausfallhäufigkeit h ∑

0,9 0,8

0,63

0,6 0,4

untere Konfidenzgrenze obere Konfidenzgrenze

0,3 0,2 0,1 0,05 δ = 8,4 (Gl. (2.50))

v63 = 211 kV v0 = 750 kV

0,01 140

160

180

200

220

kV

260

Durchbruchspannung X b = Vb -V0

2.4.3 HV-Prüfungen mit der Konstantspannungsmethode Die mehrstufige Methode (MLM) bedeutet die Anwendung von Konstantspannungsprüfungen (siehe Abschn.  2.4.1) auf mehreren Spannungsebenen (Abb. 2.34). Für jede Ebene liefert die Prüfung eine Schätzung der Durchschlagswahrscheinlichkeit einschließlich ihrer Vertrauensgrenzen (Abb.  2.25). Die Beziehung zwischen Spannungsbelastung und Durchschlagswahrscheinlichkeit ist

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

76 Impulsspannung

kV 112

Durchschläge Nichtdurchschläge

108

104

100

Zeitpunkt der Prüfung Spannungsstufe Durchschläge Durchschlaghäufigkeit

m= 1 k= 1 h = 0,1

2 1 0,1

3 2 0,2

4 4 0,4

5 5 0,5

6 7 0,7

7 8 0,8

8 9 0,9

Abb. 2.34  MLM-Prüfverfahren nach der mehrstufigen Methode mit m = 8 Spannungsstufen und n = 10 Impulsen pro Stufe

keine Verteilungsfunktion im statistischen Sinne und wird daher als „Verhaltensfunktion“ (manchmal auch als „Reaktionsfunktion“) bezeichnet. Die Verhaltensfunktion ist nicht unbedingt monoton steigend, sie kann abnehmen (Abb. 2.35), z. B. im Falle einer Änderung des Entladungsmechanismus abhängig von der Höhe der Spannung. Aber sie liefert genau die Informationen, die für die Zuverlässigkeitsschätzung und Isolationskoordination eines Stromversorgungssystems erforderlich sind: Die Verhaltensfunktion liefert die Wahrscheinlichkeit eines Durchschlags im Falle einer bestimmten Überspannungsbelastung. In den meisten Fällen zeigt auch die Verhaltensfunktionfunktion einen monotonen Anstieg und kann mathematisch durch eine theoretische Verteilungsfunktion beschrieben werden. Abb. 2.36 zeigt den Unterschied zwischen der Verhaltensfunktion V(x) (simuliert durch eine standardisierte Normalverteilung mit μ = 0 und σ = 1) und abgeleiteten Summenhäufigkeitsfunktionen 1 Ausfallwahrscheinlichkeit

0,5

0

(a)

(b)

angelegte Impulsspannung

Abb. 2.35  Verhaltensfunktion mit monotonem (a) und nicht-monotonem (b) Anstieg

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … Abb. 2.36 Berechnete Summenhäufigkeitsfunktionen SΔx(x) ermittelt bei verschiedenen Schritthöhen Δx/σ basierend auf einer identischen Verhaltensfunktion V(x)

Summenhäufigkeit

relative Stufenhöhe ∆x/σ =0,02

1

77

0,1 0,2 0,4 0,7 1,0

S∆ x (x) V(x)

0,5

-3

-2

-1

0

1

2

x

normierte Zufallsvariable

SΔx (x) ­unterschiedlicher Höhen Δx der Spannungsschritte bei der Prüfung. Aus statistischen Gründen gilt das Prinzip SΔx (x) > V(x). Beide Funktionen haben eine unterschiedliche Bedeutung: Summenhäufigkeitsfunktionen berücksichtigen die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls bei allen Belastungen bis zur betrachteten Belastung, Verhaltensfunktionen tun dies nur bei einer bestimmten Belastung. Summenhäufigkeitsfunktionen aus schrittweise erhöhten Spannungen können in Verhaltensfunktionen (Hauschild und Mosch 1992) umgewandelt werden. Eine MLM-Prüfung sollte bei m ≥ 5 Spannungsstufen und n ≥ 10 Belastungen pro Stufe durchgeführt werden. Die Anzahl der Belastungen muss nicht unbedingt auf allen Stufen identisch sein. Wenn Durchschlagsspannungen berücksichtigt werden, kann die Anzahl der Belastungen bei niedriger Durchschlagshäufigkeit höher sein. Dann muss die Unabhängigkeit der Ergebnisse jeder Stufe überprüft werden (siehe Tab. 2.8) und Vertrauensschätzungen für die Durchschlagswahrscheinlichkeit werden bestimmt (Abb. 2.25) und in einem Wahrscheinlichkeitsgitter dargestellt. Beispiel Aus früheren Experimenten kann erwartet werden, dass die Verhaltensfunktion monoton zunimmt und durch eine Doppelexponentialverteilung angenähert werden kann. Daher werden die Punkt- und Vertrauensschätzungen in einem Gumbel-Netz (Abb. 2.37) dargestellt. Da eine Gerade durch alle Vertrauensbereiche gezeichnet werden kann, wird die Annahme einer Doppelexponential- oder Gumbel-Verteilung bestätigt. Die geringe Reduzierung der relativen Durchschlagshäufigkeit zwischen 1083 und 1089 kV ist nicht signifikant, wie aus den Vertrauensgrenzen ersichtlich ist. Die Parameter können aus Quantilen abgeschätzt werden, v63 = 1112 kV und γ = (v63 − v31) = 12 kV.

Auch die Maximum-Likelihood-Schätzung kann angewendet werden, wenn die Verhaltensfunktion durch eine bestimmte Verteilungsfunktion (Parameter δ1, δ2) angenähert wird. Gemäß Abb. 2.34 gibt es j = 1…m Spannungspegel und auf jedem Pegel nj Belastungen. Die Wahrscheinlichkeit, kj Durchschläge und wj = (nj − kj) Nichtdurchschläge bei der Spannung uj zu erhalten wird durch die binomiale Verteilung (Gl. 2.47) auf der Grundlage der Durchschlagswahrscheinlichkeiten ausgedrückt, die durch die Verhaltensfunktion V(vj) = V(vj /δ1, δ2)

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

78

0,99 0,9 0,8

Ausfall wahrscheinlichkeit

0,63

0,6 0,4

0,31

0,3 0,2

0,1

Y = 12 kV untere/ obere Konfidenzgrenze vb63 = 1112 kV 0 1060

1070

1080

1090

1100

1110

kV

1130

Durchbruchspannung v b

Abb. 2.37  Verhaltensfunktion mit ihrem Vertrauensbereich gemäß einer ML-Schätzung und Vertrauensgrenzen der einzelnen Durchschlagswahrscheinlichkeiten

gegeben sind. Die entsprechende Likelihood-Funktion für alle m Spannungspegel mit nj Belastungen ist gegeben durch

L=

m   kj   wj V vj /δ1 , δ2 1 − V vj /δ1 , δ2 .

(2.56)

j=1

Durch Variation der Parameter δ1 und δ2 wird das Maximum von Gl. (2.56) gefunden, wie oben beschrieben. Man erhält Punkt- und Konfidenzschätzungen sowie eine Konfidenzregion für die gesamte Verhaltensfunktion. Für praktische Anwendungen der Maximum-Likelihood-Methode ist die Verwendung geeigneter Software erforderlich. Ein optimales Softwarepaket (Speck et al. 2009) enthält alle notwendigen Schritte der HV-Prüfdatenauswertung, von mehreren Unabhängigkeitstests, Tests für die beste Anpassung an eine theoretische Verteilungsfunktion, Darstellung der empirischen Leistungsfunktion (oder der kumulativen Häufigkeitsverteilung) auf Wahrscheinlichkeitsnetz bis hin zu Punktund Konfidenzschätzungen für die Parameter und die gesamte Leistungsfunktion (oder Verteilungsfunktion).

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische …

79

2.4.4 HV-Prüfungen für ausgewählte Quantile unter Verwendung von Auf- und Ab-Methoden Eine ganze Verhaltensfunktion ist nicht immer erforderlich, z. B. kann die Durchschlagfestigkeit einer Isolierung bestätigt werden, wenn der Prüfspannungswert ut niedriger ist als das 10 % Quantil v10. In diesem Fall ist es ausreichend, den Wert v10zu ermitteln, in anderen Fällen könnte es ausreichend sein, nach den Quantilen v50 oder v90 zu suchen. Die zugehörige Auf- und Abwärts-Prüfmethode (UDM), die auf den Konstantspannungsprüfungen (Abschn. 3.4.1) basiert, wurde von Dixon und Mood (1948) eingeführt. Die Methode erfordert, dass die Spannung zunächst in festen Spannungsschritten Δv erhöht wird, ausgehend von einem Anfangswert v00, bei dem sicherlich kein Durchbruch auftritt, bis ein Durchbruch bei einer bestimmten Spannung auftritt (Abb. 2.38: v1 ist der erste gezählte Wert). Nun wird die Spannung um Δv verringert, wenn kein Durchschlag auftritt, wird die Spannung wieder in Schritten erhöht, bis der nächste Durchbruch auftritt, andernfalls wird sie im Falle eines Durchschlags um Δv verringert. Das Verfahren wird wiederholt, bis eine vorbestimmte Anzahl n≥ 20 von Spannungswerten vl, v2, … vn ermittelt wurde. Der Mittelwert dieser angelegten Spannungen ist eine erste Schätzung für die 50 % Durchbruchspannung v50: n

1 vl . v50 ∗ = n l=1

(2.57)

Eine detailliertere Bewertung berücksichtigt den Einfluss der Stufenhöhe Δv und verwendet die Anzahl der Durchschläge k und die Anzahl der Nichtdurchschläge

Spannung widerstehen

160 kV 140

v0

Durchbruch

Wider Schritt Pause stands Spannung fähiges ui / kV i ki

qi

3

1

0

155

2 1

4 3

2 5

150 145

1

3

140

0

1

135

k=9

q=11 q+k=20

0 -

∆v

v 00 =120 Zeit 100 Nr. der Spannungsanwendung: l=1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 n=20 Spannungswert v / kV:

145

150 145 145 135 145 145 145 155 145 140 150 150 140 140 140 150 150 150 150

Abb. 2.38  Auf-und-Ab-Methode (UDM)zur Schätzung des 50 % Quantils v50

2  Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

80

q. Die Summe der beiden komplementären Ereignisse entspricht der Anzahl der Spannungsanwendungen n = k+ q, beginnend mit dem ersten Durchbruch. Zusätzlich wird die Anzahl der Spannungsstufen oder Schritte vi (mit i = 0 … r) berücksichtigt. Es wird i = 0 ab dem Schritt des niedrigsten Durchbruchs gezählt. Auf einer bestimmten Spannungsebene vi,gibt es ki Durchbrüche. Dann kann die 50%ige Durchbruchspannung geschätzt werden durch

v50 = v0 + ∆v

 r

i=1

k

i · ki

 1 ± . 2

(2.58)

Beispiel Der Test in Abb. 2.38 beginnt bei v00 = 120 kV und hat Spannungsschritte von Δv= 5 kV. Einschließlich des ersten Durchbruchs gibt es l= 20 Spannungsanwendungen. Die erste Schätzung von v50* nach Gleichung (2.57) liefert v50* = 145,5 kV. Die niedrigste Spannungsebene, bei der ein Durchbruch auftritt, ist v0 = 140 kV. Die Anzahl der Durchbrüche beträgt k = 9, die der Nichtdurchschläge q = 11 und es gibt i= 3 Spannungsschritte über der niedrigsten Durchbruchspannung. Mit diesen Daten liefert Gleichung (2.58) v50 = 145,3 kV. Der Unterschied zwischen den beiden Methoden ist sehr gering, für die meisten praktischen Schlussfolgerungen kann er vernachlässigt werden.

Die UDM-Prüfung ist unabhängig, wenn die einzelnen Spannungsanwendungen keine abnehmende oder zunehmende mittlere Tendenz aufweisen. Ein UDM-Prüfung nach dem Durchschlagverfahren beginnt bei einer Anfangsspannung, bei der der Durchschlag sicher ist, und geht hinunter bis zum ersten Nichtdurchschlag. Es liefert auch v50, wenn die Nichtdurchschläge so gezählt werden wie oben die Durchschläge. Weiterhin sollte erwähnt werden, dass es Methoden zur Schätzung der Standardabweichung der Verhaltensfunktion gibt, aber die Methode kann nicht empfohlen werden (siehe z. B. Hauschild und Mosch 1992). Vertrauensgrenzen sollen durch die Maximum-Likelihood-Funktion (siehe unten) und nicht durch die nur grob geschätzten Dispersionen berechnet werden. Carrara und Dellera (1972) schlugen eine „erweiterte Auf-und-Ab-Methode“ vor, die Serien von Beanspruchungen (Abb. 2.39) zur Bestimmung von vorausgewählten Quantilen anstelle von einzelnen Beanspruchungen (Abb.  2.38) anwendet. Für die Bestimmung eines bestimmten Quantils ist eine bestimmte Anzahl von Impulsen in einer Serie erforderlich. Tab. 2.9 gibt die Beziehung zwischen der Ordnung p des Quantils und der erforderlichen Anzahl von Impulsen in einer Serie an. Das „Stehspannungs- Verfahren“, das mit einer Standhaltspannung v00 beginnt und die Spannung erhöht, liefert die Quantile vp der Ordnungp ≤ 0,50, das „Durchschlags- Verfahren“ beginnend mit einer Zusammenbruchspannung und abnehmender Spannungsfestigkeit liefert die Quantile der Ordnung p ≥ 0,50. Abb. 2.39b zeigt die Schätzung der statistischen Durchschlagfestigkeit, die als 10 % Durchschlagspannung (Quantil v10) unter Verwendung des WithstandVerfahrens mit n= 7 Beanspruchungen pro Serie ermittelt wird. Sobald in einer Serie nur Nichtdurchschläge auftreten, wird die Spannung um Δv auf die nächsthöhere Stufe erhöht. Sobald ein Durchschlag auftritt, wird die Spannung auf die nächstniedrigere Stufe verringert.

2.4  Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische …

81

(a) 1160

kV

1080

1040

Panne

1000

960

(b) 1100

1 2,3 4 5

6 7 8

9 10,11,12 13 14,15,16,17,18 19 20

Prüfspannung

kV

widerstehen

1020

6

1150

2

ja

5

1120

6

ja

4

1090

7

ja

3

1060

3

ja

2

1030

1

Kein k j R f2 >

1,6

1,4

R f1 1,2

inkrementeller Frontwiderstand Tf

1

0,8 0

0,4

0,8

1,2

1,6

Gesamtlastkapazität C b + C to

nF

2,0

­Ausnutzungsfaktor η ≈ 0,95 für Ci ≫ Cto. Er nimmt leicht ab mit zunehmender Prüfobjektkapazität und Werte Cto > 0,2  Ci können nicht empfohlen werden. Ein induktives Prüfobjekt in Kombination mit einer Kapazität findet sich beispielsweise bei der Prüfung der Niederspannungsseite eines Leistungstransformators (Abb. 7.37a). Die Induktivität Lto bildet insbesondere mit der Impulskapazität Ci einen Schwingkreis und verursacht einen Impulsabfall, der durch eine Schwingung anstelle einer Exponentialfunktion gekennzeichnet ist. Die Schwingung verkürzt die Rücken-Halbwertszeit T2, oft außerhalb der Toleranz (T2  200  μs und TZ > 1000  μs. Zur Verlängerung der Zeit bis zum Nulldurchgang kann bei Bedarf eine Vormagnetisierung des Kerns mit SI-Spannung entgegengesetzter Polarität und niedrigerem Maximalwert (Ve > 0,7  · Vt) durchgeführt werden. Auch nach einem SI-Prüfspannungsstoß sollte der Kern durch Anlegen niedrigerer SISpannungen entgegengesetzter Polarität entmagnetisiert werden.

7.3  Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests

375

7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests Durchschlag- und standardisierte Stehspannungsprüfungen sowie der statistische Hintergrund sind bereits in Abschn. 2.4 beschrieben. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf spezielle LI/SI-Prüfverfahren und verweisen auf diesen Abschnitt.

7.3.1 Durchschlagspannungstests für Forschung und Entwicklung Die Konstantspannungs-Methode (multiple-level method -  MLM) ist die wichtigste und hauptsächlich verwendete Prüfmethode zur Bestimmung der Verhaltensfunktion von Isolationsproben (siehe Abschn. 2.4.3 und Abb. 2.31). Die Verhaltensfunktion beschreibt die Beziehung zwischen den beanspruchenden LI/ SI-Spannungen und den Durchschlagwahrscheinlichkeiten umfassend. Der MLMTest kann leicht an selbstgenerierender Isolation in Luft durchgeführt werden. Die Unabhängigkeit kann durch Unabhängigkeitstests überprüft werden. Ein Verfahren für diesen Test wird in Tab. 2.8 erklärt. Normalerweise sind die Prüfergebnisse für Luftfunkenstrecken unabhängig, wenn die Pause zwischen zwei LI/ SI-Spannungen nicht kürzer als einige Sekunden ist. Für Luft- oder SF6-Isolation mit Oberflächen zu fester Isolation (z. B. Isolatoren) ist vor der weiteren Auswertung des Tests eine Überprüfung der Unabhängigkeit wichtiger als für diese Gase allein. Wenn Abhängigkeit angezeigt wird, sollte das Prüfverfahren geändert werden, z. B. durch längere Pausen zwischen zwei aufeinander folgenden Impulsen. Auch die kurze Anwendung einer niedrigeren Impulsspannung entgegengesetzter Polarität oder einer niedrigeren Wechselspannung während der Pause kann dazu beitragen, unabhängige Ergebnisse zu erhalten. Für flüssigkeitsgetränkte und feste Isolation erfordert die MLM-Anwendung für jede LI/SI-Spannungsbelastung eine neue Testprobe. Dies ist ein bemerkenswerter Aufwand und die begrenzte Reproduzierbarkeit der Prüflinge verursacht einen zusätzlichen Beitrag zur Streuung der gemessenen Verhaltensfunktion. Für solche Testobjekte sollte geprüft werden, ob die Spannungssteigerungs-Methode (progressive stress method - PSM; Abb. 2.26c) anwendbar ist, bei der eine Probe einer Reihe von Impulsen bis zum Durchbruch ausgesetzt wird. Eine einzelne Testprobe liefert in einem PSM-Test mehr Informationen als in einem MLM-Test. Die statistische Auswertung sollte mit einem leistungsfähigen Softwarepaket auf Basis der Maximum-Likelihood-Methode (Speck et al. 2009) durchgeführt werden. Dies liefert (Abb.  7.40) Schätzungen der Durchbruchswahrscheinlichkeiten einschließlich der Vertrauensbereiche für die verwendeten sieben Spannungsniveaus, Punktschätzungen der Verhaltensfunktion (rote Linie in der Mitte), deren Vertrauensgrenzen (blaue Grenzlinien) und auch ­Vertrauensgrenzen

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

376

beste Schätzung der Verhaltensfunktion Wahrscheinlichkeit der Verteilungsfunktion des Quantils Leistungsfunktion Durchschlagwahrscheinlichkeit Vertrauensbereich

Quantile:

99

97,7%

98

50

+2

95 90

,

%

50

+

70 50

50

Punkt- und Konfidenzschätzungen der Wahrscheinlichkeit

30 20

,

10

50

5 2

,

1 1110

1130

1150

1170

50

1190 Spannung / kV

Abb. 7.40 Verhaltensfunktion einer Luftfunkenstrecke, ausgewertet mit der MaximumLikelihood-Methode auf Basis einer Normalverteilung (Gauss)

der Quantile (rosa Linien). Abb. 7.40 zeigt die Auswertung auf Basis der Normalverteilung (Gauss). Sie kann für eine andere Verteilungsfunktion wiederholt werden, um die optimale Anpassung zu finden. Alle möglichen Schlussfolgerungen können aus einem Diagramm wie Abb. 7.40 gezogen werden. Wenn statt der gesamten Verhaltensfunktion die Schätzung eines bestimmten Quantils (z. B. V50 oder V10) ausreichend ist, kann die Auf-und-Ab-Methode angewendet werden (Abschn. 2.4.4 und Abb. 2.38 und 2.39). Auch für dieses Prüfverfahren ist eine Maximum-Likelihood-Auswertung möglich und kann empfohlen werden.

7.3.2 LI/SI-Qualitätsabnahmetests Eine bestandene LI/SI-Qualitätssicherungsprüfung verifiziert die Isolationskoordination (Abschn. 1.2), wobei die Prüfungen nach einem standardisierten Verfahren durchzuführen sind, siehe Abschn. 2.4.6; Abb. 2.43 und IEC 60060-1:2010. Für externe, selbst-regenerierende Isolierung (hauptsächlich in atmosphärische Luft) sind zwei Verfahren akzeptabel (siehe auch Abschn. 2.4.6): A1. Die LI/SI-Prüfspannung ist niedriger als die 10 % – Durchschlagspannung: Vt  72,5 kV, und für niedrigere Nennspannungen eine Typ-Prüfung. Für Transformatoren Vm > 170 kV umfasst die Prüfung auch abgeschnittene LI-Spannungen (LIC). Eine SI-Spannungsprüfung ist eine Routine-Prüfung für Transformatoren Vm  >  170 kV und für niedrigere Nennspannungen eine Sonder-Prüfung. Der Impuls soll die Standardform 1,2/50 innerhalb der üblichen Toleranzen haben. Die Bewertung nach der k-Faktor-Methode ist erlaubt, aber alternativ definiert die IEC 60076-3:2013 einige seltsame Unterschiede zur IEC 60060-1:2010: Solange der Überschwingwert nicht mehr als 5 % beträgt (ß ≤ 5 %), kann der Extremwert als Prüfspannungspannungswert angenommen werden. Wenn der Überschwingwert mehr als 5 % beträgt, kann die Anstiegszeit auf T1 = 2,5 μs verlängert werden und eine Prüfung mit abgeschnittenen Blitzimpulsen muss durchgeführt werden. Bleibt ß ≤ 5 % unter diesen Bedingungen, ist der Prüfspannungswert der Extremwert. Nur in seltenen Fällen, wenn der Überschwingwert ß > 5 % nicht vermieden werden kann, soll die Bewertung nach IEC 60060-1:2010 für Transformatoren mit Nennspannung ≤800 kV angewendet werden. Für UHV-Transformatoren können sogar längere Anstiegszeiten zwischen den Parteien einer Abnahmeprüfung vereinbart werden. Auch die untere Toleranzgrenze der Halbwertszeit kann auf T2 = 20 μs reduziert werden. Die Prüfung soll in folgender Reihenfolge durchgeführt werden: • eine volle LI-Referenzspannung von (0,5–0,6) · Vt, • eine volle LI-Prüfspannung Vt, • zwei abgeschnittene (LIC) Prüfspannungen von 1,1 Vt, • zwei volle LI-Prüfspannungen Vt. Wenn eine SI-Spannungsprüfung durchgeführt wird, folgt diese nach der LI/LICPrüfung und vor der Prüfung mit Wechselspannungen (siehe Abschn. 3.2.5). Sie besteht aus

7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

379

• einer SI-Referenzspannung (0,5–0,7) Vt und • drei SI-Prüfspannungen Vt. Beide Prüfverfahren gelten als bestanden , wenn kein interner Durchschlag erfolgt und die Prüfspannung zusammenbricht. Für die LI-Prüfung müssen zusätzlich die normalisierten Spannungsformen der Referenz-LI-Spannung und der LI-Testspannung sowie die normalisierten Formen der gemessenen Impulsströme (siehe Abschn. 7.5) bei den beiden Spannungsebenen identisch sein. LI/SI-Prüfung von Kabeln (IEC 62067:2006): Die Routine-Prüfung von Kabeln beinhaltet keine Beanspruchung mit LI/SI-Prüfspannung. Die AC-Prüfspannung und eine empfindliche PD-Messung gelten als ausreichend für die Produktionsüberwachung, aber in definierten Abständen werden detailliertere Prüfungen von Kabelmustern (die Teile der Typ-Prüfungen wiederholen) durchgeführt, um Produktionsmängel auszuschließen. Eine Kabeltyp-Prüfung umfasst eine lange Reihe von Einzelprüfungen, einschließlich LI/SI-Prüfungen, die an erwärmten Kabelprüflingen nach einer Heiz-Zyklus-Spannungsprüfungt durchgeführt werden, der 20 einzelne Zyklen innerhalb eines Tages umfasst, sowie eine PD-Messung. Zuerst wird die SIPrüfung mit 10 positiven und 10 negativen SI-Spannungen durchgeführt. Wenn kein Durchschlag auftritt, wurde die Prüfung bestanden und der Kabelprüfling kann nach demselben Verfahren mit LI-Spannungen beansprucht werden. Die PDPrüfung wird nach dem LI/SI-Test wiederholt. Zusätzlich gibt es Vor-Qualifikationsprüfungen für komplette Kabelsysteme von etwa 100 m Länge mit Kabelmuffen und Endverschlüssen. Die gesamte Prüfdauer beträgt etwa ein Jahr mit mindestens 180 Heizzyklen. Die LI-Prüfspannung soll auf die gesamte Prüfanordnung oder auf Prüflinge mit einer Länge von mindestens 30 m nach jedem Heizzyklus angewendet werden. Die Prüftemperatur soll in einem Intervall zwischen maximaler Leitertemperatur und 5 K darüber liegen. Die Prüfung besteht aus 10 positiven und 10 negativen LI-Spannungsanwendungen. Sie ist bestanden, wenn kein Durchschlag auftritt. Da die Kapazitäten der Kabelprüflinge zwischen 0,15 und 0,3 nF/m liegen, kann die Prüfobjektkapazität für 30 m Proben bis zu 9 nF und für 100 m bis zu 30 nF erreichen. Dies sind recht hohe Kapazitäten, und daher erlaubt die Norm Frontzeiten T1 = 1…5 μs, während T2 innerhalb der Standardwerte T2 = 40…60 μs liegt. Für SI-Prüfspannungen sollen die üblichen Toleranzen angewendet werden.

7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen Um den Scheitelwert von hohen Impulsspannungen zu messen, wurden ursprünglich Kugelfunkenstrecken verwendet, wie bereits in Abschn. 2.3.5 vorgestellt. Diese direkte Messmethode wird jedoch heutzutage nur noch für Systemprüfungen, einschließlich Linearitätsprüfungen, empfohlen. Gelegentlich sind auch Feldsonden anwendbar, wie in Abschn. 2.3.6 beschrieben, insbesondere für die Messung sehr schneller transienter Spannungen, die durch Zeitparameter

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

380

im Nanosekundenbereich gekennzeichnet sind (Feser und Pfaff 1984). Dieser Abschnitt befasst sich mit indirekten Messmethoden, bestehend aus einem HVWandlungsgerät, das über ein Übertragungssystem, wie ein BNC-Kabel oder auch eine Glasfaser-Verbindung mit dem LV-Messgerät verbunden ist. Da das Design des Wandlungsgeräts die anspruchsvollste Aufgabe ist, konzentriert sich die folgende Behandlung hauptsächlich auf dieses Thema. Weitere Details dazu finden Sie auch im Lehrbuch von Schon, das 2013 veröffentlicht wurde.

7.4.1 Dynamisches Verhalten von Spannungsteilern Blitzimpulsspannungen, insbesondere wenn sie in der Front abgeschnitten sind, umfassen ein Frequenzspektrum von bis zu 10 MHz und darüber hinaus. Um zu überprüfen, ob der Skalenfaktor innerhalb eines so breiten Frequenzbands konstant bleibt, muss das dynamische Verhalten des gesamten HV-Messsystems bekannt sein. Da dies hauptsächlich durch den Spannungsteiler bestimmt wird, der das Wandlungsgerät repräsentiert, wird im Folgenden nur diese Komponente untersucht. Grundsätzlich kann die Übertragungsfunktion entweder im Frequenzoder im Zeitbereich bestimmt werden. Die für die zweite Methode üblicherweise verwendete Anordnung ist in Abb. 7.41 skizziert. Normalerweise wird eine Rechteckspannung der Amplitude von einigen 100 V und einer Anstiegszeit im Nanosekundenbereich angelegt. Um eine so kurze Anstiegszeit zu erreichen, wird häufig ein Quecksilber-benetztes Relais verwendet, das oft als Reed-Relais bezeichnet wird. Bei Schaltwiederholraten von etwa 100 Hz können Hintergrundstörungen effektiv durch ein sogenanntes Averaging (Mittelwertbildung) unterdrückt werden. Aufgrund des Näherungseffekts muss darauf geachtet werden, dass der Spannungsteiler in Übereinstimmung mit den realen HV-Prüfbedingungen angeordnet ist, bei denen weder die HV-Anschlussleitung noch das Messkabel nach der Systemprüfung ausgetauscht werden sollten. Reed-Relais

Dämpfungswiderstand HV-Anschlussleitung

R1

HV-Wandlungsgerät

HV-Widerstand Ladewiderstand Übertragungssystem

Messgerät

V1 Gleichspannungsquelle

LV-Widerstand

R2 V2

Abb. 7.41 Anordnung zur Messung der Einheits-Spannungssprungantwort von LI-Spannungsteilern

7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

381

Unter anderem wird das dynamische Verhalten hauptsächlich durch die Streukapazitäten zwischen Teilersäule und Erde sowie anderen geerdeten Strukturen beeinflusst. Für ein besseres Verständnis betrachten Sie den äquivalenten Schaltkreis eines resistiven Spannungsteilers, wie in Abb. 7.42a dargestellt. Hier ist der HV-Zweig in n gleiche Elemente unterteilt, wobei die Teilwiderstände sowie die zugehörigen Erdkapazitäten als linear verteilt entlang der gesamten HV-Teilersäule angenommen werden:

R11 = R12 = · · · = R1n = R1 /n

Ce1 = Ce2 = · · · = Cen = Ce /n

Unter dieser Bedingung kann die Potentialverteilung entlang der HV-Teilersäule durch eine hyperbolische Funktion angenähert werden, die einer langen Übertragungsleitung entspricht (Raske 1937; Elsner 1939; Asner 1960). Da der Widerstand R1, der den HV-Zweig repräsentiert, viel größer ist als der Widerstand R2, der den LV-Zweig repräsentiert, kann die zeitabhängige Spannung v2 (t) über R2 aus der Hochspannung v1 (t) abgeleitet werden, die an die obere Elektrode angelegt wird, unter Verwendung der klassischen Laplace-Transformation. Für das hier betrachtete Netzwerk, das aus verteilten Elementen gemäß Abb. 7.42a besteht, gilt die folgende Näherung:

F(jω) =

sin h(γ ) V2 (jω) R2 , · ≈ V1 (jω) R1 sin h(n · γ ) (c)

(b)

(a)

(7.27)

C16 C15 C14 C13 C12 C11

R16 R15

1/2 R1

R14

2/3 Ce V1

R1

V1

V1

R13 R12

1/2R1

R11 R2

R1 V2

R2

V2

R2

1/6 Ce

V2

Abb. 7.42  Äquivalente Schaltkreise von ungeschirmten resistiven Spannungsteilern. a Verteilte Kapazitäten (Übertragungsleitung). b Konzentrierte Kapazität angeschlossen am HV-Zweig. c Konzentrierte Kapazität integriert im LV-Zweig (Tiefpassfilter) mit Rs = R1 und Cp= Ce/6

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

382

mit

(n · γ )2 = jω · R1 · Ce .

(7.28)

Um die Messunsicherheit so gering wie möglich zu halten, muss die Ungleichung (n ∙ γ)2 ≪ 1 erfüllt sein. Unter dieser Bedingung kann Gl. (7.27) wie folgt vereinfacht werden:

F(jω) ≈

R2 R2 1 1 1 R2 = ≈ · · · (7.29) 2 R1 1 + (n · γ ) /6 R1 1 + jω · R1 · Ce /6 R1 1 + jω · τf

Auf dieser Grundlage kann das Amplituden-Frequenzspektrum wie folgt ausgedrückt werden:      F(jω)   F(jω)  1 =  =  Fr (ω) =  (7.30)  2 . F(0)   R2 R1  1 + ω · τf

1 1 Fr (f ) =     2 . 2 =  1 + 2πf · τf 1 + f f2

(7.31)

Offensichtlich entspricht dies der Übertragungsfunktion eines Tiefpassfilters erster Ordnung, bei dem die obere Grenzfrequenz gegeben ist durch

f2 =

1 1 . = 2π · τf 2π · R1 · Ce /6

(7.32)

In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass das Netzwerk mit verteilten Elementen gemäß Abb. 7.42a durch eine äquivalente Schaltung ersetzt werden kann, die nur eine einzige konzentrierte Kapazität enthält, die gleich 2/3 Ce ist, wie in Abb. 7.42b dargestellt. Auch wenn dieser Ansatz in der einschlägigen Literatur häufig verwendet wird, kann er weiter vereinfacht werden, wie in Abb. 7.42c dargestellt. Hier ist der Serienwiderstand des Tiefpassfilters gleich dem Widerstand R1 des HV-Zweiges, während die Parallelkapazität 1/6 der gesamten Erdkapazität Ce der HV-Teilersäule beträgt, die grob mit der sogenannten Antennenformel abgeschätzt werden kann, wie im Folgenden noch ausführlicher erläutert wird. Die Amplituden-Frequenzantwort eines Tiefpassfilters erster Ordnung, gegeben durch Gl. (7.31), ist in Abb. 7.43a dargestellt. Zum Vergleich ist die EinheitsSprungantwort im Zeitbereich in Abb. 7.43b gezeichnet, die lautet   g(t) = 1 − exp −t/τf . (7.33) Beispiel Betrachten Sie den HV-Arm eines LI-Teilers mit einem HV-Widerstand R1= 10 kΩ und einer Streukapazität gegen Erde von Ce = 30 pF, dann erhält man die folgenden Werte, die einen äquivalenten Tiefpassfilter erster Ordnung entsprechen (Abb. 7.42c): Rs = R1 = 10 kΩ und Cp = Ce/6 = 5 pF. Basierend darauf werden die folgenden Werte der Schaltungselemente erhalten:

7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

(b)

1

1

0,8

0,8

0,6

0,6

S(t)

A(f)

(a)

383

0,4

tr= 2,2

0,2

0,2 0 0,1

0,4

1

0

10

f/f 2

0

1

f

t/

2

3

4

f

Abb. 7.44 Spannungsrampe v1(t) abgeschnitten nach der Zeit Tc = 500 ns und Ausgangssignal v2(t) nach Durchlaufen eines Tiefpassfilters erster Ordnung, gekennzeichnet durch die Zeitkonstante τf

LI-Prüfspannung [MV]

Abb. 7.43  Dynamisches Verhalten eines Tiefpassfilters erster Ordnung. a Amplituden-Frequenzantwort. b Einheits-Sprungantwort

2,0

V

1,5

v1

1,0

v2(t)

f

0,5 0 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Zeit [µs]

• Antwortzeitkonstante • Anstiegszeit • Obere Grenzfrequenz

τf= R1 · Ce/6= 50 ns tr= 2,2 · τf= 110 ns f2 =1/(2 · π · τf)= 3,2 MHz

Um die Abweichung von den realen Werten einer in der Front abgeschnittenen LI-Spannung abzuschätzen, soll eine linear ansteigende Spannungsrampe gemäß Abb. 7.44 (rote Kurve) betrachtet werden. Unter dieser Bedingung folgt die aufgezeichnete Spannung (blaue Kurve) fast der angelegten Spannung, jedoch verzögert um die Zeitkonstante τf = 50 ns. Daher ist zum Zeitpunkt des Abschneidens Tc der folgende Spitzenwert zu erwarten:   Vp = Vc 1 − τf /Tc . Angenommen, die LI-Spannung wird zum Zeitpunkt Tc = 500 ns abgeschnitten, erhält man die folgende relative Abweichung der Ausgangsspannung vom wahren Wert der angelegten LI-Prüfspannung:

�V τf 50 ns Vc − Vp = 0.1 = 10%. = = = Vc Vc Tc 500 ns

384

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass unter realistischen Bedingungen anstelle einer exponentiellen Sprungantwort häufig eine schwingende Sprungantwort auftritt, wie beispielhaft in Abb. 7.45 gezeigt. Dies ist hauptsächlich auf die Wechselwirkung zwischen der inhärenten Induktivität der Teilersäule und der Erdkapazität zurückzuführen. Daher wurde für Vergleichszwecke die sogenannte Flächenzeitkonstante τa eingeführt. Dieser Ansatz basiert auf der Tatsache, dass die Fläche zwischen der angelegten Einheitssprungspannung und der zugehörigen Antwortfunktion g(t) eines Tiefpassfilters gemäß Gl. (7.33) direkt proportional zur charakteristischen Zeitkonstante τf des Tiefpassfilters ist:

τa =

ˆ∞



  1 − g(t) dt = τf .

(7.34)

0

Die maßgeblichen Einheits-Sprungantwort-Parameter, empfohlen in der IEC 60060-2, sind in Abb. 7.46b dargestellt und wie folgt definiert: • Experimentelle Ansprechzeit • Teilansprechzeit

TN= Tα− Tβ+ Tγ− Tδ+ Tε Tα

• Restansprechzeit • Überschwinger • Einschwingzeit • Ursprung der Sprungantwort

TR= Tβ− Tγ+ Tδ− Tε… βrs ts(Definition siehe Text unten) O1(Definition siehe Text unten)

Die Sprungantwort wird normalerweise für eine nominelle Epoche aufgezeichnet, die als Bereich der Werte zwischen dem Minimum (tmin) und dem Maximum (tmax) der relevanten Zeitparameter der Impulsspannung definiert ist, für die das Messsystem zugelassen werden soll, wie zum Beispiel die Anstiegszeit T1 für vollständige und abgeschnittene LI-Spannungen, die Zeit bis zum Abschneiden Tc für front-abgeschnittene LI-Spannungen und die Zeit bis zum Spitzenwert Tp für SI-Spannungen. Darüber hinaus muss die sogenannte Referenzebenen-Epoche

(a)

(b)

Zeitskala: 20 ns/Div

Abb. 7.45 Experimentell bestimmte Antwort (rote Kurven) eines kapazitiven (a) und eines resistiven (b) Teilers bei Anlegen einer Sprungspannung (blaue Spur)

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

385

(a)

(b)

V/V0

V/V0

1,2

1,2

1,0

1,0 A0 = V0

0,8 0,6

0,6

S(t)

0,4

0,2

0,2

0

0

1

2

3

4

T

T

0,8

0,4

T

T

T

S(t)

0

1

2

3

4

Abb. 7.46  Einheits-Sprungantwort-Parameter von Spannungsteilern. a RC-Schaltung (Tiefpassfilter erster Ordnung). b RLC-Schaltung

berücksichtigt werden, die als Zeitintervall definiert ist, in dem die Referenzebene der Sprungantwort mit ihrer unteren Grenze gleich 0,5-mal der unteren Grenze der nominellen Epoche (0,5 tmin) und ihrer oberen Grenze gleich 2-mal der oberen Grenze der nominellen Epoche (2 tmax) bestimmt wird. Die oben aufgeführten Parameter werden für die Zeitspanne ermittelt, die zwischen dem Ursprung O1 der aufgezeichneten Sprungantwort und der Einschwingzeit ts verstreicht, wobei O1 der Zeitpunkt ist, zu dem die aufgezeichnete Antwortkurve einen monotonen Anstieg über die Amplitude des Grundstörpegels auf der Null-Ebene der Sprungantwort beginnt, und ts die kürzeste Zeit ist, für die der relative Beitrag der verbleibenden Antwortzeit kleiner als 2 % von ts wird und bleibt, das bedeutet /TN – TR/ ≤ 0,02 ts, was für t > ts erfüllt sein muss. In der Vergangenheit war es üblich, die Messunsicherheit von Spannungsteilern mit der sogenannten Faltungs-Methode abzuschätzen, die auf den charakteristischen Sprungantwort-Parametern basiert. Ergebnisse internationaler Ringversuche zeigten jedoch, dass diese Methode nicht in der Lage ist, die Messunsicherheit von technischen HV-Impulsspannungsteilern innerhalb der in den relevanten IEC-Normen festgelegten Grenzen zu bestimmen. Unter anderem (z. B. Annahme eines Tiefpassfilters) ist dies darauf zurückzuführen, dass der Ursprung der aufgezeichneten Kurve, der in der IEC 60060-2010 als O1, bezeichnet wird, mehr oder weniger verzögert auftritt, verglichen mit dem Zeitpunkt t = 0, wenn die Spannungsstufe angelegt wird, siehe Abb. 7.45. Diese Signallaufzeit wird hauptsächlich durch die Laufgeschwindigkeit der Wanderwelle bestimmt, die für HV-Anschlussleitungen und die Teilersäule etwa 30 cm/ns und für Messkabel fast 20 cm/ns beträgt. Darüber hinaus könnten störende Oszillationen angeregt werden (Abb. 7.45), zum Beispiel durch Reflexionen an den Enden der HV-Anschlussleitungen oder auch durch eine schlechte Auslegung der Erdungsrückleitungen. Folglich kann der oben erwähnte Ursprung O1 der aufgezeichneten Antwortfunktion nicht genau bestimmt werden und führt somit zwangsläufig zu einer fehlerhaften Bestimmung der charakteristischen Ansprechzeitparameter.

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

386

Trotz der oben dargestellten Probleme hat sich die Bestimmung der signifikanten Parameter aus der Sprungantwort zu einer weit verbreiteten Methode entwickelt, um das dynamische Verhalten von Spannungsteilern zu optimieren. Darüber hinaus wird diese Methode als „Fingerabdruck“ für Systemprüfungen empfohlen (siehe Abschn. 2.3.2). Um den Skalenfaktor zu kalibrieren sowie das angemessene dynamische Verhalten nachzuweisen, empfiehlt die Norm IEC 60060-2:2010  den Vergleich mit Referenzmesssystemen (RMS, siehe Abschn. 2.3.3), die in der Lage sein sollen, die erweiterte Messunsicherheit innerhalb der folgenden Grenzen zu bestimmen: ≤1 % für die Scheitelwerte der vollen LI- und SI-Spannungen sowie der im Rücken abgeschnittenen LI-Spannungen ≤3 % für die Scheitelwerte der in der Front abgeschnittenen LI-Spannungen ≤5 % für die Zeitparameter von LI- und SI-Spannungen in ihrem Anwendungsbereich. Um das angemessene Übertragungsverhalten eines HV-Messsystems nachzuweisen, soll die Kalibrierung auf einem Vergleich mit einem solchen RMS basieren. Die Kalibrierung soll auf die Standards eines nationalen metrologischen Instituts zurückführbar sein. Zu diesem Zweck sollen LI-Spannungen mit verschiedenen Anstiegszeiten im nominalen Epochenbereich angewendet werden. Alternativ soll der Skalenfaktor des Referenzmesssystems für eine Impulsspannungsform mittels eines höherklassigen Referenzmesssystems auf dem relevanten Prüfspannungspegel festgelegt werden. Zusätzlich sollen die gemessenen Einheits-Sprungantwortparameter eines RMS den in Tab.  7.3 zusammengefassten Empfehlungen entsprechen. Aufgrund der Tatsache, dass die Messunsicherheit eines HV-Messsystems hauptsächlich durch den Spannungsteiler selbst bestimmt wird, können die oben genannten Empfehlungen im Prinzip auch für Referenzspannungsteiler allein übernommen werden, wenn diese entweder von einem nationalen Metrologieinstitut oder auch von einem vom Nationalen Institut für Metrologie akkreditierten Kalibrierlabor bestimmt wurden. Tab. 7.3  Empfohlene Einheits-Sprungantwortparameter für LI- und SI-Spannungsreferenzmesssysteme Parameter

Experimentelle Antwortzeit TN Teil-An twortzeit Tα Einschwingzeit ts

Vollständige und abgeschnittene LISpannungen (ns) ≤15

Front-abgeschnittene LI-Spannungen (ns)

≤30 ≤200

≤20 ≤150

SI-Spannungen (μs)

≤10 ≤10

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

387

7.4.2 Konstruktion von Spannungsteilern Um hohe Impulsspannungen zu messen, sind grundsätzlich resistive, kapazitive oder auch gemischte Spannungsteiler anwendbar, siehe Abb. 2.10. Da die Gestaltung von LI-Spannungsteilern die anspruchsvollste Aufgabe ist, richtet sich die folgende Behandlung hauptsächlich an dieses Thema. Im Allgemeinen muss berücksichtigt werden, dass LI-Teiler immer „räumlich nach“ dem Prüfobjekt angeordnet sein sollten, wie in Abb. 7.47 dargestellt, d. h. niemals „zwischen“ Impulsgenerator und Prüfobjekt. Bei der Verwendung der letzteren Anordnung würde der Transientenstrom durch das Prüfobjekt eine zusätzliche induktive Spannung über die HV-Anschlussleitung verursachen. Folglich würde eine höhere Scheitelspannung gemessen als die, die am Prüfobjekt angelegt wurde. 7.4.2.1 Resistive Spannungsteiler Um hohe LI-Spannungen zu messen, insbesondere wenn sie in der Front abgeschnitten sind, sollten vorzugsweise resistive Spannungsteiler verwendet werden. Solche Teiler werden seit Anfang des letzten Jahrhunderts verwendet (Binder 1914; Peek 1915; Grünewald 1921; Marx 1926; Bellaschi 1933; Burawoy 1936; Finkelmann 1936; Hagenguth 1937; Raske 1937; Elsner 1939). Wie zuvor besprochen, wird das dynamische Verhalten und damit die Messunsicherheit von HV-Teilern hauptsächlich durch die Streukapazität Ce zwischen der HV-Teilersäule und der Erde bestimmt. Diese kann grob mit der sogenannten Antennenformel (Küpfmüller 1990) abgeschätzt werden, bei der die Teilersäule durch einen vertikalen metallischen Zylinder der Höhe h und dem Durchmesser d ersetzt wird. Unter der allgemein erfüllten Bedingung d ≪ h erhält man die folgende Näherung:

Ce ≈

h 2π · ε0 · h ≈ 56(pF/m) · . ln(h/d) ln(h/d)

Dämpfungswiderstand

(7.35)

HV-Anschlussleitung

R1

LISpannungs generator Prüfobjekt

Wandlungsgerät

Messgerät

Übertragungssystem

V1 R21

R22

V2

Abb. 7.47  Anordnung eines Messsystems für LI-Prüfspannungen

388

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Beispiel Betrachten Sie eine HV-Teilersäule mit h = 4 m Höhe und d = 0,1 m Durchmesser. Setzt man diese Werte in Gl. (7.35) ein, so ergibt sich die Erdkapazität zu Ce ≈ 58 pF. Angenommen, der Widerstand des HV-Zweiges beträgt R1 = 10 kΩ, erhält man die folgende charakteristische Zeitkonstante des äquivalenten Schaltkreises gemäß Abb. 7.42: τf = R1 · Ce/6 ≈ 100 ns. Wird eine LIC-Spannung gemessen, die zum Zeitpunkt Tc = 0,5 μs abgeschnitten ist, wäre der gemessene Scheitelwert etwa 20 % niedriger als der tatsächlich am Prüfobjekt angelegte Wert, siehe Abb. 7.44. Folglich ist der hier untersuchte Spannungsteiler nicht in der Lage, front-abgeschnittene LI-Spannungen gemäß IEC 60060-2 zu messen.

Ein Foto eines Widerstandsteilers, der für die Messung von LI-Spannungen bis zu 2,2 MV ausgelegt ist, ist in Abb. 7.48 dargestellt. Trotz des vergleichsweise hohen HV-Widerstandes von R1 = 10 kΩ wurde eine experimentelle Antwortzeit von nur 15 ns erreicht, die deutlich niedriger ist als die für den oben untersuchten Teiler mit vergleichbaren geometrischen Abmessungen und gleichem Widerstandswet des HV-Zweiges. Unter anderem wurde dies durch die Verwendung einer großflächigen „Abschirm“-HV-Elektrode erreicht, wie sie ursprünglich von Davis im Jahr 1928 und Bellaschi im Jahr 1933 vorgeschlagen wurde, da dies den Einfluss der Erdkapazität auf die Zeitkonstante τf reduziert. So werden die Teilströme Ie1, Ie2 … und Ie6 zwischen Teilersäule und Erde mehr oder weniger durch die Teilströme Ih1, Ih2 … und Ih6 zwischen Teilersäule und HV-Elektrode kompensiert, wie schematisch in Abb. 7.49 dargestellt.

Abb. 7.48 Fotografie eines abgeschirmten Widerstandsteilers für 2,2-MV-LI-Spannungen (mit freundlicher Genehmigung der TU Dresden)

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

V1

389

Ih6

Ie6

Ih5

Ie5

Ih4

Ie4

Ih3

Ie3

Ih2

Ie2

Ih1

Ie1

V2

Abb. 7.49 Prinzip der Kompensation der Teilströme zwischen Teilersäule und Erde durch die Ströme zwischen HV-Elektrode und Teilersäule

Zusätzlich wurde die Feldabstufung entlang der HV-Teilersäule optimiert, einerseits durch die erwähnte größere Fläche der oberen HV- Elektrode (Abb. 7.50) und andererseits durch Modifikationen der Windungen des Widerstandsdrahtes. Für diesen Zweck wurde die Steigung der Spirale, die durch den Widerstandsdraht gebildet wird, der um einen Isolierzylinder gewickelt ist, entsprechend variiert, wie ursprünglich von Goosens und Provoost im Jahr 1946 vorgeschlagen. Optimale Bedingungen werden erreicht, wenn die Feldverteilung entlang der Teilersäule der Feldverteilung zwischen der oberen HV-Elektrode und der unteren Erd-Elektrode allein entspricht, die in Abwesenheit der Teilersäule auftreten würde. Darüber hinaus wurde die Induktivität der Widerstandssäule durch zwei bifilare Wicklungen minimiert, die in entgegengesetzter Richtung um den Isolierzylinder gewickelt wurden (Spiegelberg 1966). Eine weitere früher angewandte Option zur Minimierung der Induktivität der HV-Teilersäule ist die Verwendung von mäanderförmigen Widerständen (Mahdjuri-Sabet 1977), die als Schniewind-Band bekannt sind. Auf der Grundlage praktischer Erfahrungen kann festgestellt werden, dass abgeschirmte Widerstandsteiler mit einem HV-Widerstand in der Größenordnung von 10 kΩ die einzigen sind, die für die Messung von frontabgeschnittenen LISpannungen gemäß IEC 60060-2:2010 bis zu etwa 2 MV anwendbar sind. Für die Messung höherer LI-Spannungen müssten die hohen Teiler mit übermäßig großen und damit teuren Abschirmelektroden ausgestattet werden, was die mechanische Stabilität verringern würde. Eine sorgfältig angepasste Abschirmung und Potentialabstufung ist auch unter praktischen Bedingungen begrenzt, da der

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

390

(b)

(a) 80 % 60 % 40 %

80 % 60 %

20 %

40 % 20 %

Abb. 7.50 Verteilung der Äquipotentiallinien entlang der HV-Säule von Widerstands-LISpannungsteilern. a Ohne Feldabstufung. b Mit Feldabstufung unter Verwendung einer großflächigen Abschirmelektrode

Abstand zu geerdeten und auch spannungsführenden Strukturen so groß wie möglich gewählt werden muss, um unerwünschte Beeinflussungen der optimierten Feldabstufung zu vermeiden. Um das dynamische Verhalten zu verbessern, könnte im Prinzip der Widerstand des HV-Zweiges auch deutlich unter 10 kΩ reduziert werden. Dies würde jedoch die Rückenhalbwertszeit erheblich verkürzen und auch die Ausgangsspannung des LI-Generators verringern. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die Leistungsverluste in der HV-Teilersäule mit dem Quadrat der angelegten Spannung zunehmen, was zu einem dramatischen Temperaturanstieg führt. Aufgrund praktischer Erfahrungen kann festgestellt werden, dass eine experimentelle Antwortzeit unter 15 ns nur erreicht werden kann, wenn der Widerstand des HVArms auf wenige kΩ reduziert wird. Solche Spannungsteiler sind jedoch nur für die Messung von LI-Spannungen unter 500 kV anwendbar. 7.4.2.2 Gedämpfte Kapazitive Teiler Um die oben diskutierten Nachteile reiner resistiver Spannungsteiler zu überwinden, erscheint der Einsatz von kapazitiven Teilern als eine vernünftige Alternative, da weder die Ausgangsspannung des LI-Generators noch die Zeitparameter durch eine kapazitive Last negativ beeinflusst werden. Darüber hinaus wird die Teilersäule auch bei Anwendung von LI-Spannungen bis zu mehreren MV niemals erhitzt. Der Hauptnachteil reiner kapazitiver Teiler besteht jedoch darin, dass starke Schwingungen angeregt werden könnten, wie beispielhaft in Abb. 7.51a gezeigt.

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

391

Dies liegt daran, dass kapazitive Teiler im Hochfrequenzbereich wie ein Schwingkreis wirken, da unter dieser Bedingung die Teilersäule aus übereinander gestapelten HV-Kondensatoren durch einen metallischen Zylinder und somit durch eine Induktivität simuliert werden kann, die mit den Erdkapazitäten interagiert. Um solche Schwingungen zu verhindern, schlugen Zaengl (1964) und Spiegelberg (1964) vor, die in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren jeweils über einen Serienwiderstand zu verbinden. Der Hauptvorteil dieses Ansatzes besteht nicht nur darin, dass störende Schwingungen drastisch gedämpft werden können, wie beispielhaft in Abb. 7.51b gezeigt, sondern auch darin, dass die experimentelle Antwort-Zeitkonstante signifikant reduziert werden kann, was im Gegensatz zu den Übertragungseigenschaften klassischer RC-Tiefpassfilter steht, bei denen die experimentelle Antwort-Zeitkonstante proportional zum Serienwiderstand zunimmt. Zum besseren Verständnis soll die in Abb. 7.52b gezeigte Ersatzschaltung im höheren Frequenzbereich analysiert werden. Unter dieser Bedingung wirken die Serienkapazitäten als kurzgeschlossen, so dass nur die folgenden Schaltungselemente berücksichtigt werden müssen:

Rd = R11 + R12 + · · · + R1n = n · R11 , Ld = L11 + L12 + · · · + L1n = n · L11 , Cp = Ce /6. Um die folgende Behandlung zu vereinfachen, soll die Teilersäule durch einen metallischen Zylinder der Höhe h und dem Durchmesser d ersetzt werden. Basierend auf der klassischen Antennenformel (Küpfmüller 1990) kann die äquivalente Induktivität ungefähr abgeschätzt werden durch

Ld ≈

h µ0 · h · ln(h/d) ≈ 0.2(µH/m) · . 2π ln(h/d)

(7.36)

Kombiniert man dies mit Gl. (7.35), kann der Wellenwiderstand der hier betrachteten Stabantenne wie folgt abgeschätzt werden: (a)

(b)

Zeitskala: 20 ns

Abb. 7.51  Einheits-Sprungantwort eines kapazitiven Teilers ohne und mit Dämpfungswiderstand

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

392

(b)

(a) HV Anschlusskabel

Cen

Rs

Rs

HV Anschlussleitung

Ln Rn Cen-1

Cn

R1 V1

V1

Ce2 L11 R11 Ce1

C11

Rd

Ld

L2 R2

R2

V2

Cp

V2

C2

Abb. 7.52  Ersatzschaltung eines gedämpften kapazitiven Teilers. a Gedämpfter C-Teiler mit verteilten Elementen. b Idealer R-Teiler kombiniert mit einem RLC-Netzwerk

Za ≈



Ld ≈ Cp



    µ0 1 Z0 h h · ln · ln · = . ε0 2π d 2π d

Fügt √man die charakteristische Wellenimpedanz des Z0 = µ0 /ε0 ≈ 377 � ein, kann auch geschrieben werden:

Za ≈

    h h 377 � · ln ≈ (60 �) · ln . 2π d d

„leeren

(7.37) Raumes“

(7.38)

Für eine weitere Vereinfachung soll im Einklang mit der klassischen Netzwerktheorie angenommen werden, dass der Übergang von einer schwingenden Antwort zu einer monotonen erfolgt, wenn für den Serienwiderstand gilt:  Ld Rd > 2 . (7.39) Cp Ersetzt man Cp durch Ce/6 gemäß Abb. 7.42 und kombiniert Gl. (7.39) mit Gl. (7.38), erhält man den folgenden Ansatz:        5 · Z0 h h h 6 · Ld · ln ≈ ≈ 0.8 · Z0 · ln ≈ (300 �) · ln . (7.40) Rd > 2 Ce 2π d d d

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

393

Auch wenn dieser Ansatz das Ergebnis starker Vereinfachungen ist, hat er sich erfolgreich als grundlegendes Gestaltungskriterium für gedämpfte kapazitive Spannungsteiler erwiesen. In diesem Zusammenhang muss jedoch berücksichtigt werden, dass zusätzlich zum „internen“ Dämpfungswiderstand, der aus Gl. (7.40) folgt, auch ein „externer“ HV-Widerstand von etwa 300 Ω zwischen Prüfobjekt und oberer Elektrode des Teilers geschaltet werden muss, um das Auftreten von Wanderwellen zu verhindern. Beispiel Betrachten Sie einen 2-MV-Teiler, der aus fünf in Reihe geschalteten HVKondensatoren besteht, wobei die Höhe der gesamten Teilersäule h = 5 m und der Durchmesser d = 0,25 m beträgt, d. h. h/d = 20. Basierend auf Gl. (7.40) erhält man Rd > (300  Ω) · ln (20) ≈ 900 Ω. Die fünf in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren sollten daher mit vier Serienwiderständen verbunden werden, von denen jeder (900/4) Ω ≈ 225 Ω beträgt. Unter Verwendung eines zusätzlichen externen Reihenwiderstands von 300 Ω erreicht der Gesamtserienwiderstand (900 + 300) Ω = 1200 Ω. Dieser Wert muss bei der Auswahl des im LV-Zweig zu integrierenden Widerstands berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass die Gestaltung des LVZweiges gedämpfter kapazitiver Teiler eine Herausforderung darstellt, da das Verhältnis zwischen den Induktivitäten des HV- und LV-Zweiges dem Teiler-Verhältnis entsprechen muss, das auch dem Widerstandsverhältnis entspricht und umgekehrt proportional zum Kapazitätsverhältnis ist:    L2 L1 = R2 R1 = C1 C2 . Beispiel Unter Anwendung von Gl. (7.36) ergibt sich die effektive Induktivität des HVZweiges der oben betrachteten 2-MV-Teilersäule von h = 5 m Höhe und d= 0,25 m Durchmesser als L1 = 0,2 (µH/m) · 5 m · ln (20) ≈ 3 μH. Angenommen, das Teiler-Verhältnis beträgt R2 /R1 = C1 /C2= 1/1000, dann muss die Induktivität L2 des LV-Zweiges so niedrig wie 3 nH gewählt werden.

Der effektivste Weg, um die Induktivität des LV-Zweiges zu minimieren, besteht darin, diesen wie eine Scheibe zu gestalten, d. h. eine große Anzahl von Elementen parallel zu schalten, wie aus Abb. 7.53 ersichtlich ist. Hier besteht

Abb. 7.53 LV-Arm eines gedämpften kapazitiven Teilers, der aus 60 parallelen Elementen besteht, von denen jedes aus einem in Serie geschalteten Widerstand und einem Kondensator besteht

394

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

jedes parallel geschaltete Element aus einer Serienschaltung eines Kondensators mit einem Widerstand. Vergleicht man die verschiedenen Teilertypen, so lässt sich feststellen, dass gedämpfte kapazitive Teiler ein hervorragendes dynamisches Verhalten aufweisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Leistung, die in den Widerständen zwischen den in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren erzeugt wird, aufgrund der kurzen Dauer des transienten Stroms durch den HV-Teilerzweig recht gering ist. Darüber hinaus bietet die effektive Kapazität des HV-Zweiges eine Grundlast für den LI-Generator. Da der Ladestrom umgekehrt proportional zur Frequenz ist, eignen sich gedämpfte kapazitive Teiler auch gut für die Messung von SIund AC-Spannungen sowie von zusammengesetzten Spannungen. Wenn sie mit einem hochohmigen Widerstand ausgestattet sind, der parallel zum HV-Zweig geschaltet ist, kann ein solcher „universeller“ Teiler, wie in Abb. 2.10 dargestellt, auch Gleichspannungen einschließlich überlagerte Spannungsripple messen, die ein Frequenzspektrum von bis zu mehreren kHz abdecken. Aufgrund des breiten Anwendungsbereichs wird der hier vorgestellte gedämpfte kapazitive Teiler oft auch als Universalteiler bzw. „Multiple-Purpose Divider“ bezeichnet. Aufgrund der oben genannten Vorteile sind die meisten Referenzmesssysteme (RMS) heutzutage mit gedämpften kapazitiven Teilern ausgestattet. Im Folgenden soll das allgemeine Konstruktionsprinzip eines 200  kV LIC-Teilers kurz beschrieben werden. Der HV-Zweig besteht aus 10 keramischen Kondensatoren 2 nF / 25 kV in Serienschaltung. Die einzelnen Kondensatoren sind über 9 Widerstandsblöcke in Serie geschaltet, wie in Abb. 7.54 dargestellt. Messungen der Einheitssprung-Antwort ergaben, dass ein optimales dynamisches Verhalten erreicht wurde, wenn der Widerstand jedes Widerstandsblocks etwa 70 Ω beträgt. Dies wurde mit Hilfe von niederinduktiven Metalloxidwiderständen, Nennwert 68 Ω, Abb. 7.54  Ausschnitt eines gedämpften kapazitiven Teilers, Nennspannung 200 kV

HF-Kondensator 2,2 nF / 24 kV

68 Widerstandsblock 4 Stück in Serie, 68 jeweils 4 Stück parallel, 68 jeweils

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

395

realisiert. Vier davon sind in Serie und vier parallel geschaltet, so dass der resultierende Widerstand jedes Widerstandsblocks ebenfalls 68 Ω beträgt. Mit der klassischen Einheitssprung-Antwortmethode wurden die folgenden Zeitparameter gemäß Tab. 7.3 ermittelt: Experimentelle Antwortzeit: TN ≈ 2 ns Teilantwortzeit: Tα ≈ 5 ns Einschwingzeit: ts ≈ 120 ns.

7.4.3 Digitalrekorder Um schnelle transiente Signale in der Hochspannungstechnik zu messen, wie zum Beispiel LI-Prüfspannungen sowie durch Blitzüberspannungen angeregte Wanderwellen, die sich entlang von Hochspannungsübertragungsleitungen ausbreiten, wurden ursprünglich Kathodenstrahl-Oszilloskope (CRO) eingesetzt (Binder1914; Gabor 1927; Krug 1927). Anfangs war die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) kein Problem, da die ersten verfügbaren CRO speziell für HV-Messungen entwickelt wurden und daher nicht mit empfindlichen Verstärkern ausgestattet waren, die später für die vertikale und horizontale Ablenkung des Elektronenstrahls eingesetzt wurden. In den 1940er Jahren wurden Scheitelspannungsmeßgeräte eingesetzt, die die ersten verfügbaren Vakuumröhren zur Gleichrichtung des schnellen LI-Signals verwendeten. Digitale Recorder, ursprünglich auch als „Digitizer“ bezeichnet, wurden Anfang der 1980er Jahre erstmalig in der HV-Messtechnik verwendet (Malewski et al. 1982). Nachdem die anfänglichen EMV-Probleme erfolgreich gelöst wurden (Strauss 1983 und 2003; Steiner 2011), werden Digitalrekorder heutzutage fast ausschließlich zur Aufzeichnung und Verarbeitung von LI- und SI-Prüfspannungen eingesetzt (Abb. 7.55). Aufgrund der jüngsten Fortschritte in der digitalen Signalverarbeitung (DSP) werden computergestützte Digitalrekorder nicht nur für LI- und SI-Testspannungsmessungen, sondern auch zunehmend für Wechsel- und Gleichspannungsmessungen sowie für die Messung von zusammengesetzten und kombinierten Prüfspannungen eingesetzt. Ein Foto eines „stand-alone“-Gerätes in Verbindung mit einem IndustriePC ist in Abb. 7.56 dargestellt. Wie aus dem vereinfachten Blockdiagramm in Abb. 7.57 ersichtlich, sind die Hauptkomponenten eines Digitalrekorders das Dämpfungsglied am Eingang, gefolgt von einem rauscharmen Verstärker, einem Analog-Digital-Wandler (ADC), einer Speichereinheit und einem Industrie-PC (IPC). Ein Mikrocontroller dient zur Einstellung der Eingangsempfindlichkeit sowie zur Steuerung der verschiedenen Einheiten zur digitalen Signalverarbeitung, Erfassung und Datenspeicherung. Der Industrie-PC arbeitet mit einem speziellen Softwarepaket, das die Erfassung der gespeicherten Rohdaten und die Visualisierung des zeitabhängigen Eingangssignals ermöglicht. Gleichzeitig werden die relevanten Impulsparameter angezeigt, wie zum Beispiel

396

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.55  Aufzeichnung und Verarbeitung von LI-Prüfspannungen (Von oben: Aufzeichnungen von 50 und 100 % Prüfspannungswerten; Vergleich der normalisierten Spannungen; Differenz der normalisierten Spannungen)

der ­Scheitelwert der gemessenen LI/SI-Prüfspannung, die Front- und Rückenhalbwertszeit und gelegentlich die Abschneidezeit. Die Messunsicherheit kann sowohl durch die Hardware als auch durch die Software beeinflusst werden. Aufgrund der vergleichsweise hohen Quantisierungs-

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

397

Abb. 7.56 Fotografie eines „stand-alone“ Digitalrekorders

Dämpfungsglied

Eingabe

Verstärker

AM

A/D Wandler A D

Speichereinheit

MU

Schnittstelle

Industriecomputer

IF

IPC

Visualisierung

Steuereinheit

Abb. 7.57  Vereinfachtes Blockdiagramm eines Digitalrekorders für HV-Messungen

rate der heutzutage verfügbaren Digitalrekorder, die normalerweise 12 oder 14 bit und sogar mehr erreicht, sowie der hohen Abtastrate, die in der Größenordnung von 100 MS/s und darüber liegt, ist der Beitrag der Hardware zur Messunsicherheit viel geringer als der von Spannungsteilern. Da der Quantisierungsfehler durch 50 % des least significant bit (LSB) gegeben ist, beträgt dieser etwa 0.012% bei einem langsam ansteigenden Signal der Quantisierungsrate von 14 bit etwa 0,012 %. Die Abweichung vom wahren Wert erhöht sich jedoch erheblich, wenn frontabgeschnittene LI-Spannungen gemäß Abb. 7.58 bei einer Abtastrate von 100 MS/s gemessen werden. Dies liegt daran, dass die Spannungsdifferenz Vs zwischen jeder Abtastung umgekehrt proportional zur Abtastrate fs ist. Für eine angenommene Abschneidezeit von beispielsweise Tc = 0,5 μs und einer Scheitelspannung Vc kann die Spannungsdifferenz zwischen jeder Abtastung näherungsweise durch Vs = Vc /(Tc · fs ) = Vc /50 = 0.02 · Vc . bestimmt werden. Unter

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

398

LI-Prüfspannung [MV]

2,0

V

1,5 1,0 0,5 0 0

0,2

0,4

0,6

0,8

Abb. 7.58 Quantisierungsfehler einer in der Front abgeschnittenen LI-Prüfspannung aufgrund der Analog-Digital-Umsetzung

dieser Bedingung erreicht die maximale Abweichung des gemessenen Wertes vom wahren Wert, die durch 0,5 LSB gegeben ist, 1 % des Scheitelwertes Vc. Bei der Durchführung einer digitalen Signalverarbeitung muss im Allgemeinen das klassische Shannon-Theorem berücksichtigt werden (Shannon 1949; Stanley 1975; Robinson und Silvia 1978). Auf dieser Grundlage kann festgestellt werden, dass die Abtastrate mehr als doppelt so hoch sein sollte wie der maximale Frequenzumfang des zu messenden Signals, wobei die analoge Bandbreite diesen maximalen Frequenzumfang wesentlich überschreiten muss. In Bezug auf die IEC 61083-1:2001 sollte die analoge Bandbreite nicht weniger als das 6-fache der Abtastrate betragen. Um die Messunsicherheit zu validieren, werden in der IEC 61083-1:2001 verschiedene Kalibrierungsverfahren empfohlen, die sich sowohl auf die Hardware als auch auf die Software beziehen. Um die Messunsicherheit, die durch die Hardware verursacht wird, zu validieren, müssen die differentielle Nicht-Linearität (DNL) sowie die integrale Nicht-Linearität (INL) unter Verwendung eines „idealen“ ADC als Referenz bestimmt werden. Die Übertragungsfunktion eines solchen Referenz-ADC ist durch einen stufenweise ansteigenden Ausgangscode k = 1, 2 … 2N gekennzeichnet, bei dem die Eingangsspannung stufenweise um w(r) = Vfsd /2N .erhöht wird. Das bedeutet, für einen Ausgangscode k = 2N · Vin /Vfsd erhält man für die nächste Stufe k + 1 = 2N · (Vin + w(r))/Vfsd . Hier sind Vin – die Eingangsspannung, Vfsd – die Vollaussteuerungsspannung und N – die Auflösung in bit. Gemäß Abb. 7.59 ist die DNL durch die Differenz w(k) − w(r) für jeden möglichen Wert des Ausgangscodes k gegeben, und die INL stellt die Differenz s(k) zwischen der Eingangsspannung des untersuchten ADC und des Referenz-ADC dar. Da die Bestimmung der DNL und INL bei stufenweise ansteigender Gleichspannung äußerst zeitaufwändig ist, insbesondere für ADCs mit mehr als 8-BitAuflösung, können die experimentellen Ergebnisse stark von der Langzeitstabilität der Gleichspannungsquelle beeinflusst werden.

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

399

8

Ausgangscode

6 4 2

k +1

0

s(k)

2-N k

-2

w(r)

w(k)

-4 -6

-8 -10

-5

0

5

10

Eingangsspannung [V]

5 0 -5 -10

8

8

6

6

Ausgangscode

10

Ausgangscode

Eingangsspannung [V]

Abb. 7.59 Abschätzung der differentiellen Nicht-Linearität (DNL), die durch w(k) − w(r) gegeben ist, und der integralen Nicht-Linearität (INL) s(k), die durch die Abweichung der tatsächlichen Eingangsspannung von der Referenzspannung eines „idealen“ ADC gegeben ist

4 2 0 -2

4 2 0 -2

-4

-4

-6

-6

-8

-8 0

5

10

Zeit [ms]

15

20

0

5%

10%

Integrale Nichtlinearität

Abb. 7.60  Vergleich einer sinusförmigen Eingangsspannung mit dem Ausgangscode eines nichtlinearen 4-Bit-ADC

Daher wurde als Alternative die folgende Methode von Steiner im Jahr 2011 vorgeschlagen, siehe Abb. 7.60: 1. Wenden Sie eine präzise Sinuswelle niedriger Frequenz (z. B. 50 Hz) an und stellen Sie die Amplitude nahe der vollen Aussteuerung ein (z. B. zwischen −10 V und +10 V). 2. Nehmen Sie insgesamt zehn Perioden der angelegten Wechselspannung auf. 3. Vergleichen Sie die Häufigkeit des Auftretens jedes Codes (Code-Rate) mit der idealen Anzahl .

400

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

4. Teilen Sie jede Code-Rate durch die Anzahl der aufgezeichneten Perioden, d. h. durch n = 10 für den hier betrachteten Fall. 5. Berechnen Sie die differentielle Nichtlinearität (DNL) für jeden Code:

d(k) =

h(k)nonlin − 1. h(k)lin

6. Berechnen Sie die integrale Nichtlinearität (INL) für jeden Code:

s(k) =

k 

d(i).

i=0

Der Test ist bestanden, wenn bei voller Aussteuerung die Anforderungen d(k) = 10, 81% und s(k) = 10, 51% erfüllt sind. Das Softwarepaket wird gemäß IEC 61083-2:2013 getestet. Es empfiehlt neue Regeln für die Kalibrierung, einschließlich der Berechnung des k-Faktors, der für LI-Prüfspannungen mit erheblichem Überschwingen relevant ist. Um die Leistung von Digitalrekordern, die für LI-Spannungsmessungen vorgesehen sind, zu überprüfen, wird empfohlen, insgesamt 52 Referenzkurven mit einem computergestützten Testdatengenerator (TDG) zu erstellen. Diese künstlichen Kurvenformen sind entweder auf einer Compact Disc (CD) oder auch auf einem USB-Stick verfügbar. Grundsätzlich sollten die angewendeten Referenzimpulswellenformen repräsentativ für die in IEC 60060-1:2010 und IEC 60060-3:2006 festgelegten Prüfspannungsformen sein, wie zum Beispiel: • Volle Blitzimpulsspannung (LI) • Front-abgeschnittene Blitzimpulsspannung (LIC) • Rücken -abgeschnittene Blitzimpulsspannung (LIC) • Oszillierende Blitzimpulsspannung (OLI) • Schaltimpulsspannung (SI) • Oszillierende Schaltimpulsspannungen (OSI). Nach der digitalen Signalverarbeitung der vom TDG empfangenen Daten werden die signifikanten Impulsparameter mittels der implementierten Software ermittelt. Die Verfahren sollen den in IEC 60060-1:2010 gegebenen Bewertungsprinzipien folgen. Diese beziehen sich auf die Messung des Scheitelwertes und des Überschwingens sowie auf die charakteristischen Zeitparameter, wie die Front- und Rückenhalbwertszeit und die Abschneidezeit für LIC. Die Software gilt als ordnungsgemäß funktionierend, wenn die erhaltenen Ergebnisse innerhalb eines in IEC 61083-2:2013 festgelegten Toleranzbands liegen, wobei eine Manipulation der Testdaten nicht akzeptiert werden kann. Beispiel Tab. 7.4 zeigt den Vergleich zwischen den bewerteten Parametern von zwei Referenz-LI-Wellenformen (Wellenformen Nr. LI-A4 und LI-M7 des Testdatengenerators (TDG)) und den gemäß IEC 61083-2:2013 erforderlichen Parametern. Während die Bewertung von Nr. LI-A4 Ergebnisse innerhalb des vom Standard geforderten Toleranzbands liefert, werden nicht alle Parameter von Nr. LI-M7 korrekt ermittelt. Das bedeutet,

(1271,0…1273,5) kV (1,452…1,512) μs (49,53…50,53) μs (10,2…12,2) %

1,482 μs 50,03 μs 11,2 %

(6,9…8,9) %

7,9 %

1272,3 kV

(0,824…0,858) μs (47,32…48,28) μs

0,841 μs 47,80 μs

Prüfspannungswert Vt Frontzeit T1 Zeit bis zum halben Wert T2 Relatives Überschwingen β

−(855,15…856,87) kV

−856,01 kV

Prüfspannungswert Vt Frontzeit T1 Zeit bis zum halben Wert T2 Relatives Überschwingen β

IEC-Akzeptanzgrenzen

IEC-Referenzwert

Parameter

a Die getestete Software muss hinsichtlich der Bewertung von Referenz LI-M7 verbessert werden Im Vergleich zu IEC 61083-2 ist die Polarität der Referenzimpulse invertiert

LI – M7

LI – A4a

Referenznummer von IEC 610832

Tab. 7.4  Test der Software mit dem Testdatengenerator (TDG) gemäß IEC 61083-2:2013

9,9 %

1,390 μs 50,10 μs

1272 kV

7,2 %

0,851 μs 47,88 μs

Beispiel: bewertete Werte −856,4 kV

Bewertung abgelehnta

Bewertung abgelehnta Bewertung akzeptiert

Bewertung akzeptiert

Bewertung akzeptiert

Bewertung akzeptiert Bewertung akzeptiert

Bewertung akzeptiert

Bemerkungen

7.4  Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 401

402

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

dass die Software verbessert werden muss, bevor sie für praktische Prüfungen eingesetzt werden kann.

Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass die Messung des Scheitelwerts der vollständigen LI-Prüfspannungen bei einer Messunsicherheit von 2 % erreicht wird, wenn die Amplitudenauflösung 10 bit beträgt und die Abtastrate 100 MS/s erreicht, wobei die analoge Bandbreite nicht niedriger als 100 MHz sein sollte. Darüber hinaus sollte die integrale Nichtlinearität unter 0,5 % liegen, und der interne Hintergrundrauschpegel sollte 0,4 % der Vollaussteuerung nicht überschreiten. Weitere Informationen diesbezüglich finden Sie in Hällström (2002), Hällström et al. (2003), Wakimoto et al. (2007) und Schon (2013).

7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen Bei der Durchführung von LI-Spannungsprüfungen können hohe Impulsströme nicht nur als Folge eines Isolationsdurchschlages auftreten, sondern auch, obwohl das Prüfobjekt den Spannungsfestigkeitstest besteht. Dies ist auf den kapazitiven Laststrom zurückzuführen, der direkt proportional zur vergleichsweise hohen Steilheit der angelegten LI-Spannung ist. Darüber hinaus sollte erwähnt werden, dass die Größe und Form der Stromimpulse, die mit LI-Spannungsprüfungen verbunden sind, die Identifizierung möglicher Isolationsfehler ermöglicht. Aus diesem Grund sind Impulsstrommessungen für LI-Spannungsfestigkeitsprüfungen von Leistungstransformatoren obligatorisch. Bei der Durchführung solcher Tests wird kurz vor dem angegebenen (100 %) LI-Prüfspannungsniveau zunächst ein Referenzspannungsniveau angewendet, das 50–70 % des angegebenen Prüfniveaus beträgt, siehe Abb. 7.61. Um die Formen der LI-Spannung und des zugehörigen Stromimpulses zu vergleichen, werden die Aufzeichnungen auf ihre jeweiligen Extremwerte normalisiert. Der LI-Spannungsfestigkeitstest ist bestanden, wenn keine signifikanten Unterschiede zwischen den normalisierten Referenzwerten und den normalisierten Prüfwerten (IEC 60076-3:2013) erkannt werden. Schaltungen, die für LI-Strommessungen verwendet werden, bestehen aus den folgenden Komponenten (Abb. 7.62): • Stromwandler, normalerweise ein resistiver Shunt oder ein schneller induktiver Stromwandler, um den transienten Strom in eine bequem messbare Niederspannung umzuwandeln, • Übertragungssystem, normalerweise ein BNC-Messkabel oder eine Glasfaserstrecke, • Messgerät, normalerweise ein Digitalrekorder. Die Anforderungen an Digitalrekorder entsprechen im Prinzip denen, die in IEC 61083-1:2006 für LI-Spannungsmessungen festgelegt sind (siehe Abschn. 7.4.3) und sollen hier nicht berücksichtigt werden. Dieser Abschnitt befasst sich daher

7.5  Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen

403

Spannung

aktuell

Referenzwert Scheitelwert

Prüfwert

Scheitelwert

Vergleich der normierten Werte. keine Unterschiede sichtbar

Unterschiede maximale Differenz 0,1%

maximale Differenz 0,5%

Abb. 7.61 Spannung und Strom während einer LI-Stehspannungsprüfung eines Verteiltransformators aufgezeichnet

Prüfobjekt

LI-Spannungsgenerator

Anpasswiderstand Digitalrekorder Mess kabel Shunt

Rm1

i(t) v(t)

Rm2

Abb. 7.62  Grundlegende Komponenten, die für ein LI-Strommesssystem erforderlich sind

nur mit den Gestaltungsprinzipien von Wandlungsgeräten. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in den Lehrbüchern von Schon (2010, 2013). Hinweis Die klassische Anwendung von Hochstrommessungen bezieht sich auf Systemprüfungen von Schutzeinrichtungen, wie Blitzableitern, bei denen Scheitelwerte von bis

404

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.63  Antwort eines Strommesssystems auf einen exponentiell ansteigenden Strom, bei dem der resistive Shunt entweder über einen dünnen Draht (links) oder eine niederinduktive Cu-Folie (rechts) geerdet war

zu mehreren hundert kA gemessen werden müssen. Die Messung solcher hohen Ströme ist jedoch nicht Gegenstand dieses Buches. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie in IEC 62475:2012 und der Reihe der IEC 60099-Normen.

Um Hochstromimpulse, die mit LI-Spannungstests verbunden sind, zu messen, werden verschiedene Arten von Wandlungsgeräten verwendet, wie resistive Shunts, Rogowski-Spulen, Stromwandler, Hall-Sensoren und magneto-optische Sensoren. Im Folgenden werden jedoch nur einige Besonderheiten von resistiven und induktiven Wandlungsgeräten behandelt, die hauptsächlich zur Messung hoher transienter Ströme bei LI-Stehspannungs- und Durchschlagtests verwendet werden.

7.5.1 Resistiver Stromwandler (Shunt) Auch wenn der physikalische Hintergrund von Strommessungen auf dem Ohmschen Gesetz basiert, das daher leicht verständlich ist, muss berücksichtigt werden, dass für die Messung von Impulsströmen im kA-Bereich der Widerstand des Shunts extrem niedrig gewählt werden muss, normalerweise im mΩBereich, um die messbare Spannung auf den Volt-Bereich zu begrenzen. Unter dieser Bedingung kann jedoch die über dem Shunt abfallende Spannung erheblich von parasitären Induktivitäten beeinflusst werden, wie aus Abb. 7.63 ersichtlich ist. Hier ist die linke oszilloskopische Aufzeichnung für einen resistiven Shunt erhalten, der über einen dünnen Draht geerdet ist, während die rechte Aufzeichnung für einen Shunt erhalten ist, der über eine Cu-Folie geerdet ist. Da die Induktivität des dünnen Drahtes viel größer ist als die der Cu-Folie, zeigt die linke Aufzeichnung eine Signalüberhöhung im Frontbereich, die die Folge einer induktiven Spannungskomponente vL (t) ist, die auf das resistive Spannungssignal vR (t) überlagert ist, wie in Abb. 7.64 qualitativ dargestellt.

7.5  Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen 1,5

Normierte Signalamplitude

Abb. 7.64 Teilspannungen vR(t) und vL(t) sowie die messbare Spannung vm(t) = vR(t) + vL(t) über einem resistiven Shunt im Falle eines exponentiell ansteigenden Stromimpulses

405

1

vR(t) + vL(t) vR(t)

0,5

vL(t) 0

0

1

2

3

4

Zeit p.u.

Abb. 7.65 Äquivalente Schaltung zur Abschätzung der induktiven Spannungskomponente vL(t) in der Messschleife zwischen resistivem Shunt und BNCMesskabel

resistiver Shunt

Induktionsschleife

Messkabel

i(t) H-Linien

b a d

Im Allgemeinen ist das messbare Spannungssignal vm (t), das sich aus dem zeitabhängigen Strom im (t)ergibt, gegeben durch

vm (t) = vR (t) + vL (t) = Rm · im (t) + Lm ·

dim (t) . dt

(7.41)

Um fehlerhafte Messungen zu vermeiden, müssen die induktive Spannungskomponente vL(t) und damit die parasitäre Induktivität Lm des Messkreises so gering wie möglich gehalten werden. Zum besseren Verständnis betrachten Sie Abb. 7.65, in der die induktive Messschleife durch den schattierten Bereich gekennzeichnet ist. Für die hier gegebenen geometrischen Parameter a und b kann die Induktivität Lc der Ankopplung einfach mit folgendem Ansatz abgeschätzt werden (Küpfmüller 1990):

  2a + d µ0 · b · ln Lc = 2π d

(7.42)

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

406

mit µ0 = 0,4π (nH/mm) – die Permeabilität der Luft. Zusätzlich muss auch die Selbstinduktivität des resistiven Shunts berücksichtigt werden. Ersetzt man diese durch einen zylindrischen Leiter mit Durchmesser d und Länge b, kann folgender Ansatz verwendet werden (Küpfmüller 1990):

  b µ0 · b · ln Ls ≈ 2π 2d

(7.43)

Durch Kombination der Gl. (7.42) und (7.43) und Einfügen von µ0 = 0,4π (nH/ mm) , erhält man die folgende resultierende Induktivität des Messkreises:     a·b a·b 0.4π · b · (1 nH) µ0 · b · ln · ln = Lm = L c + Ls ≈ (7.44) 2π d2 2π d2 Beispiel Betrachten Sie einen resistiven Shunt mit den folgenden Parametern: Rs= 10 mΩ d = 10 mm a = b = 50 mm

Shunt-Widerstand Shunt-Durchmesser Messschleife

Setzt man diese Werte in Gl. (7.44) ein, erhält man

Lm ≈ (0.2 nH/mm) · (50 mm) · ln



110 · 50 mm2 200 mm2



= (10 nH) · ln(27.5) ≈ 33 nH.

Angenommen, ein exponentiell ansteigender Stromimpuls mit der Zeitkonstante τc = 2 µs erreicht einen Spitzenwert von 1 kA zum Zeitpunkt tp ≈ 3 · τc = 6 µs, dann kann die Spannung über einem „idealen“ Shunt von 10 mΩ durch die folgende Zeitfunktion beschrieben werden:

vr (t) = [(1 kA) · (10 m�)] · [1 − exp(−t/τc )] = (10 V) · [1 − exp(−t/τc )] Aufgrund der oben geschätzten Induktivität von Lm = 33 nH würde eine induktive Spannungskomponente induziert werden (Abb. 7.64). Da die Steilheit zu Beginn des Strompulses einen maximalen Wert von 1 kA/2 μs = 0,5 kA/μs erreicht, würde sich die überlagerte induktive Spannungskomponente einem Spitzenwert von Vc = (33 nH) · (0,5 kA/μs) = 16,5 V annähern. Offensichtlich ist dies fast 70 % größer als der maximale Wert, der einen Spitzenwert von Vp = (1 kA) ∙ (10 mΩ) = 10 V über einen rein resistiven Shunt erreicht. Um den Messfehler zu minimieren, müssen die parasitäre Induktivität und damit der in Abb. 7.65 dargestellte schattierte Bereich so gering wie möglich gehalten werden. In der Praxis wird dies durch koaxiale oder auch scheibenförmige Shunts realisiert, siehe Abb. 7.66.

7.5  Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen Strom leitungen

Isolierring

407

Widerstandszylinder

Stromleiter

0,5 i(t)

0,5 i(t)

Widerstandsscheibe BNC Jacke

BNC-Buchse i(t)

i(t)

0,5 i(t)

0,5 i(t)

Abb. 7.66  Entwurfsprinzipien von niederinduktiven Shunts

(a)

(b)

i(t)

i(t) h(t)

h(t) a

b

v(t)

v(t)

i(t)

i(t)

Abb. 7.67 Prinzip der Impulsstrommessung mit induktiven Wandlungsgeräten. a Einzelwindungs-Stromwandler. b Mehrfachwindungs-Stromwandler (Rogowski-Spule)

7.5.2 Induktiver Stromwandler (Rogowski-Spule) Eine andere Möglichkeit, die störende induktive Spannungskomponente zu eliminieren, besteht in der Verwendung von rein induktiven Wandlungsgeräten, die entweder aus einer einzigen Windung (Abb. 7.67a) oder auch aus mehreren Windungen (Abb. 7.67b) bestehen, wie von Rogowski im Jahr 1913 vorgeschlagen. Unter Bezugnahme auf die geometrischen Parameter, die aus Abb. 7.67 ersichtlich sind, kann die Ausgangsspannung einer Rogowski-Spule ohne Last mit folgendem Ansatz grob abgeschätzt werden (Küpfmüller 1990):

   di 2a + b µ0 · n · b di = · ln · , vl (t) = M · dt 8 2a − b dt

(7.45)

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

408

Primärstrom integriert Sekundärspannung

Sekundärspannung

Zeitskala: 40 ns/Teilung

Primärstrom integriert Sekundärspannung

Sekundärspannung

Zeitskala: 400 ns/Teilung

Abb. 7.68  Übertragungseigenschaften einer Rogowski-Spule

mit n – der Windungszahl, a – dem Abstand zwischen der Achse des den zeitabhängigen Strom i(t) führenden Leiters und der Achse der senkrecht angeordneten Rogowski-Spule, und b – den Spulendurchmesser. Da die Ausgangsspannung vl(t) proportional zur Ableitung des zeitabhängigen Stroms ist, muss vl (t) integriert werden, um ein Signal zu erhalten, das direkt proportional zum zeitabhängigen Strom ist (Abb. 7.68). Im Prinzip ist das dynamische Verhalten von Rogowski-Spulen vergleichbar mit dem eines Hochpassfilters, d. h. ein stationärer Gleichstrom ist nicht messbar. Infolgedessen nimmt der Messfehler bei abnehmendem Frequenzgehalt und damit bei zunehmender Länge des Strompulses zu (Abb. 7.68). Um die untere Grenzfrequenz zu reduzieren, muss die Spuleninduktivität entsprechend erhöht werden, was effektiv durch Wickeln der Windungen um einen hochpermeablen Kern erreicht werden kann. Aufgrund praktischer Erfahrungen kann festgestellt werden, dass Rogowski-Spulen in der Lage sind, Stromimpulse der Steilheit bis zu 100 kA/μs zu messen, wobei die Impulsdauer auf einige Zehntel von µs begrenzt ist. Bei Verwendung klassischer Stromwandler können Impulslängen bis in den ms-Bereich bei vertretbarer Messunsicherheit erfasst werden, während die Steilheit auf etwa 1 kA/μs begrenzt ist. Wie bereits oben diskutiert, ist die Ausgangsspannung von induktiven Wandlungsgeräten ohne Last proportional zur Ableitung des zu messenden Primärstroms. Daher sind klassische Sprungantwortmessungen zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens nicht empfohlen, da unter dieser Bedingung das zur Integration des Ausgangssignals des Wandlers erforderliche elektronische Gerät überlastet sein könnte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Schwingungen des Messsignals aufgrund der Wechselwirkung zwischen Induktivität und Streukapazitäten der Spule angeregt werden könnten, was zu fehlerhaften Messungen führt, wie in Abb. 7.69 dargestellt. Um das dynamische Verhalten zu untersuchen, wird empfohlen, linear ansteigende und abfallende Stromrampen zu verwenden, wie in Abb. 7.70 gezeigt, wobei die Anstiegs- und Abfallzeit mit denen unter tatsächlichen Messbedingungen vergleichbar sein sollte.

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

409

Primärstrom

Primärstrom

integrierte Sekundärspannung

integrierte Sekundärspannung

Sekundärspannung

Sekundärspannung

Zeitskala: 100 ns/Teilung

Zeitskala: 100 ns/Teilung

Abb. 7.69 Dynamisches Verhalten eines Stromwandlers bei schnell ansteigendem (links) und langsam ansteigendem (rechts) Primärstrom

Primärstrom

Primärstrom

Sekundärspannung Sekundärspannung

integrierte Sekundärspannung

Integrierte Sekundärspannung

Zeitskala: 40 ns/Teilung

Zeitskala: 400 ns/Teilung

Abb. 7.70  Dynamisches Verhalten eines Stromwandlers bei linear ansteigenden und abfallenden Stromrampen mit Wiederholraten von 5,4 MHz (links) und 0,54 MHz (rechts)

7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen Aus physikalischer Sicht sollten PD-Messungen von HV-Geräten unter Prüfspannungen durchgeführt werden, die für Betriebsbedingungen repräsentativ sind. Dies ist der Grund, warum die einschlägige Norm IEC 60270:2000 hauptsächlich auf die Messung von Teilentladungen unter Netzfrequenz-Wechselspannungen abzielt, siehe Abschn. 4.3. Wie bekannt, wird die Isolierung von HV-Geräten unter Betriebsbedingungen nicht nur durch die kontinuierlich angelegte Betriebsspannung, sondern auch durch verschiedene Arten von transienten Überspannungen, wie Schaltimpulsspannungen (SI), Blitzimpulsspannungen (LI) sowie transiente Spannungen mit sehr steil ansteigender Front (VFF), beansprucht. Im Folgenden werden spezifische Aspekte von PD-Messungen unter solchen Spannungsbeanspruchungen kurz hervorgehoben.

7.6.1 SI-Prüfspannungen In den späten 1980er Jahren, als papierisolierte bleiummantelte Kabel (PILC) zunehmend durch vernetzte Polyethylen-isolierte (XLPE) Kabel ersetzt wurden,

410

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

wurde die Messung von Teilentladungen zu einem unvermeidlichen Instrument für Qualitätssicherungstests von XLPE-Kabeln, die nicht nur im Labor nach der Herstellung, sondern auch im Feld nach der Installation durchgeführt wurden. Der Grund dafür war die Tatsache, dass die hochpolymere Isolierung sehr empfindlich gegenüber Teilentladungen ist, da eine PD-Aktivität im pC-Bereich bereits irreversible Degradationsprozesse verursacht. Das zyklische Auf- und Entladen der vergleichsweise hohen Kabelkapazität durch den Einsatz klassischer ACPrüftransformatoren benötigt jedoch eine hohe Leistung und erfordert daher sehr teure Prüfanlagen, insbesondere wenn PD-Tests unter Einsatzbedingungen vor Ort durchgeführt werden. Daher wurde zur Reduzierung des Prüfaufwands die Eignung alternativer Prüfspannungen ausführlich untersucht (Dorison und Aucort 1984; Auclair et al. 1988; Lefèvre et al. 1989). Unter anderem wurde die Verwendung von Schaltimpulsspannungen (SI) als vielversprechende Alternative gefunden, da die PD-Signaturen von internen Entladungen mit denen unter Netzfrequenz-AC-Spannung recht gut vergleichbar sind (Lemke et al. 1987). Die Hauptkomponenten eines einstufigen SI-Generators, der ursprünglich für Vor-Ort-PD-Prüfungens von Mittelspannungskabeln verwendet wurde, sind in Abb. 7.71 dargestellt. Die kritischste Komponente ist die Funkenstrecke, da diese infolge von Rückzündungen starke elektromagnetische Signale abstrahlt und somit empfindliche PD-Messungen stört, weshalb sie durch einen störungsfreien Halbleiterschalter ersetzt wurde. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass die gesamte Ladung, die in die Kabelkapazität bis zum gewünschten Prüfniveau eingespeist wird, zuvor im Stoßkondensator,, der in Abb. 7.71 dargestellt ist, gespeichert werden muß. Daher muss dieser für die Prüfung von Stromkabeln mit Längen bis zu einigen km im µF-Bereich gewählt werden, um einen ausreichend hohen Ausnutzungsgrad zu erreichen. Beispiel Grundlegende PD-Studien unter SI-Spannungen ergaben, dass potenzielle PDDefekte in extrudierten Stromkabeln mit einer angemessenen Wahrscheinlichkeit erkannt werden können, wenn der Scheitelwert der angelegten SI-Spannung das Doppelte der Leiter-Erde-Spannung erreicht, wobei letztere in RMS-Werten ausgedrückt ist. Wird beispielsweise ein 12/20 kV XLPE-Kabel von 1 km Länge geprüft, muss eine Kabelkapazität von fast 0,2 µF bis zu einem SI-Scheitelwert von 24 kV aufgeladen werden. Bei Verwendung eines einstufigen SI-Generators gemäß Abb. 7.71, der mit einem 1 µF Stoßkondensator und einem Vorwiderstand von 5,6 kΩ ausgestattet ist, erreicht der Ausnutzungsgrad 0,8, wie aus dem Oszilloskop-Screenshot in Abb. 7.71b ersichtlich ist. Folglich muss der 1 μF Stoßkondensator auf eine Gleichspannung von 31 kV aufgeladen werden, um die gewünschte SI-Scheitelspannung von 24 kV zu erreichen. Wird ein Kabel von 5 km Länge getestet, muss eine Kabelkapazität von ca. 1 μF sogar auf 53 kV aufgeladen werden, um eine SI-Prüfspannung von 24 kV zu erreichen, da unter dieser Bedingung der der Ausnutzungsgrad nur 0,45 beträgt, siehe Abb. 7.71c.

Eine Erhöhung der Kabellängen führt nicht nur zu einer Verringerung des Ausnutzungsfaktors, wie zuvor besprochen, sondern auch zu einer Erhöhung der Anstiegszeit der SI-Spannung, was ebenfalls aus den in Abb. 7.71b, c dargestellten Oszilloskop-Aufzeichnungen hervorgeht. Experimentelle ­Untersuchungen haben

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

(a)

Ladewiderstand

DC Quelle

Stoßkondensator

411 Halbleiter schalter

Vorwiderstand

Entladewiderstand

Kabelkapazität von 0.22 μF und 1 μF

(c)

(b)

53kV 31kV

24 kV

24 kV

Abb. 7.71  Schaltkreis zur PD-Messung unter SI-Prüfspannung. a Vereinfachtes Blockdiagramm eines einstufigen SI-Generators. b Aufzeichnung der charakteristischen Spannungen mit einem 1 μF Stoßkondensator und einer 0,22 μF Kabelkapazität. c Aufzeichnung für 1-μF Kabelkapazität

jedoch gezeigt, dass die charakteristischen PD-Signaturen typischer PD-Defekte in extrudierten Stromkabeln und deren Garnituren (Muffen und E ­ ndverschlüsse) nicht signifikant durch die Anstiegszeit beeinflusst werden, wenn diese von einigen hundert auf einige tausend µs erhöht wird, wie beispielhaft in Abb. 7.72 gezeigt. Daher ist es nicht notwendig, den Frontwiderstand des SI-Generators zu ändern, wenn Stromkabellängen zwischen einigen hundert und einigen tausend Metern Länge PD-getestet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass zusätzliche Informationen über die PD-Aktivität verfügbar sind, wenn neben der Haupt-PD-Größe „scheinbare Ladung“ zusätzlich die „akkumulierte Impulsladung“ gemessen wird. Im Gegensatz zur scheinbaren Ladung streut diese Größe oft nur geringfügig und scheint mit der Höhe der angelegten SI-Prüfspannung korreliert zu sein, wie aus Abb. 7.73b–f ersichtlich.

412

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a)

(b) CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div

CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div

Abb. 7.72 PD-Signaturen, verursacht durch einen künstlichen Hohlraum in einem Kabelprüfling bei SI-Spannungen unterschiedlicher Steilheit und nahezu identischen Scheitelwerten. a Anstiegszeit 400 μs, Prüfspannungspegel 12 kV. b Anstiegszeit 1600 µs, Prüfspannungspegel 12,4 kV

(a)

(b)

(c)

(b)

(e)

(f)

Abb. 7.73  Reproduzierbarkeit der Messung von akkumulierten PD-Ladungen. a PD-Impulsfolge während der Anstiegszeit einer SI-Spannung. b–f Akkumulierte Impulsladungen, aufgezeichnet bei 5 nacheinander angelegten SI-Prüfspannungen mit identischer Frontszeit von 1,6 ms und gleichbleibendem Prüfspannungspegel von 12,4 kV (Zeitskala: 200 μs/div, Spannungsskala: 4 kV/div)

7.6.2 DAC-Prüfspannungen Wie oben diskutiert, besteht ein Hauptnachteil von SI-Prüfpannungen, die für PD-Tests von Stromkabeln verwendet werden, in der starken Verringerung des Ausnutzungsfaktors bei zunehmender Kabellänge (Abb. 7.71). Um dieses entscheidende Problem zu überwinden, scheint es sehr vielversprechend, die Kabelkapazität selbst als Stoßkapazität zu verwenden, da unter dieser Bedingung der

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

413

Ausutzungsfaktor nahezu 100 % beträgt. Dieser Vorteil wurde ursprünglich für die Vor-Ort-Prüfung von Höchstspannungs (EHV) XLPE-Kabeln nach der Verlegung genutzt (Dorison und Aucort 1984; Auclair et al. 1988; Lefèvre et al. 1989). Dazu wurde die Kabelkapazität zunächst langsam mittels einer Gleichspannungs-Prüfeinrichtung bis zum gewünschten Prüfpegel aufgeladen und unmittelbar danach über eine Induktivität in Reihe mit einer Funkenstrecke entladen (Abb. 7.74a). Unter diesen Bedingungen wird die Kabelisolierung durch eine oszillierende Schaltimpulsspannung (OSI-Spannung) belastet (siehe Abschn. 7.3.1), die später als „gedämpfte Wechselspannung“ (DAC-Spannung) bezeichnet wurde (IEC 60060-3:2006). Die im kHz-Bereich auftretenden Schwingungen werden aufgrund der dielektrischen Verluste, die in der Kabelisolierung auftreten, sowie durch den Wicklungswiderstand und die Magnetisierungsverluste im Eisenkern der Induktivität gedämpft. Der Grund für die Verwendung der oszillierende Entladung der Kabelkapazität bestand darin, die Ansammlung von unipolaren Raumladungen aufgrund der vorbeanspruchenden hohen Gleichspannung zu vermeiden und somit lokale Feldverstärkungen in der polymeren Isolierung zu verhindern, die einen unerwarteten Durchschlag auslösen könnten. (a)

Belastungswiderstand Kabelkapazität

DC Spannungs quelle

Entladungsinduktivität

Kugelfunkenstrecke

(b)

Gleichspannungsrampe

gedämpfte oszillierende Spannung

Abb. 7.74 Blockdiagramm eines DAC-Prüfgenerators (a) und charakteristische OszilloskopAufzeichnung (b), die die kontinuierlich ansteigende Gleichstrombelastung und die gedämpfte Wechselspannung zeigt, die auftritt, nachdem die Kugelfunkenstrecke ausgelöst wurde

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

414

Anfänglich wurden Versuche unternommen, solche Durchschlagfestigkeitsprüfungen mit PD-Messungen zu kombinieren. Diese scheiterten jedoch aufgrund starker elektromagnetischer Störungen, die infolge von Rückzündungen von der in Abb. 7.74a dargestellten Funkenstrecke abgestrahlt wurden. Ein weiteres Hindernis bestand darin, dass die charakteristischen PD-Muster sowie die scheinbare Ladung, die bei DAC-Spannung gemessen wurde, nicht mit den PD-Prüfergebnissen vergleichbar waren, die bei netzfrequenter Wechselspannung erzielt wurden. Ohne näher auf Details einzugehen, kann festgestellt werden, dass dies auf eine Erhöhung der PD-Einsatzspannung deutlich über die statische Einsatzspannung zurückzuführen ist, als Folge der statistischen Zeitverzögerung, d. h. der Zeitspanne, die zwischen dem Zeitpunkt, an dem die statische Einsatzspannung erreicht wird, und dem Zeitpunkt, an dem ein Anfangs-Elektron zur Verfügung steht, um eine selbständige Entladung zu initialisieren (Grey Morgan 1965). Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass der Einfluss der Zeitverzögerung auf die PD-Einsatzspannung erheblich reduziert werden kann, wenn die natürliche Frequenz der angelegten DAC-Spannung von dem ursprünglich verwendeten kHzBereich auf die Netzfrequenz (Lemke und Schmiegel 1995a, b) verringert wird. Zu diesem Zweck wurde das DAC-Prüfgerät mit einem 1 µF Ladekondensator und einer 4 H Entladungsinduktivität ausgestattet, wie in Abb. 7.75 dargestellt. Unter diesen Bedingungen erreichte die Prüffrequenz 80 Hz, wobei die PD-Signaturen typischer Fehlstellen in extrudierten Energiekabeln recht gut mit denen vergleichbar wurden, die bei Netzfrequenz (50 Hz) Wechselspannung erzielt wurden, wie beispielhaft in Abb. 7.76 gezeigt. Die hier dargestellten phasenaufgelösten PDImpulse, die sich auf einen defekten MV-Kabelendverschluß beziehen, wurden in einer ersten Testreihe bei 50 Hz Wechselspannung aufgezeichnet, wobei das Prüfniveau leicht über der PD-Einsatzspannung eingestellt wurde. Um das charakteristische PD-Muster wie ein Wasserfalldiagramm darzustellen, wurden die Ladungsimpulse, die in nur 18 Wechselspannungszyklen auftreten, in Abb. 7.76a

Sperrwiderstand (10 mH)

Ladewiderstand (22 M )

Gleichspannung Quelle (60 kV, 10 mA)

EntladungsinLadekondenduktivität sator (4 H)

ohmscher Spannungsteiler )

PD-Koppelkondensator (10 nF)

Vakuumschalter (100 kV)

Prüfling

Messimpedanz (50 )

Prüfspannung Signal

PD Signal

Abb. 7.75 Blockdiagramm einer DAC-Prüfeinrichtung, die für grundlegende PD-Studien verwendet wird

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

Zeit[ms]

PD-Analysis Function Impulsladung [pC]

PD-Analysis Function Impulsladung [pC]

Impulsladung [pC]

PD-Analysis Function

415

Zeit[ms]

Zeit[ms]

Abb. 7.76 Phasenaufgelöste PD-Muster von Hohlraumentladungen in einem Kabelprüfling. a Kontinuierliche 50-Hz-Wechselspannung. b 80-Hz-DAC-Spannungsbelastung, aufgezeichnet für die erste positive Spannungshalbwelle. c 80-Hz-DAC-Spannungsbelastung, aufgezeichnet für die erste negative Spannungshalbwelle

Abb. 7.77 Gemessene Impulsladungsamplituden für einen defekten MV-Kabelendverschluß. a Gedämpfte AC-Spannung von 80 Hz. b Kontinuierliche AC-Spannung von 50 Hz

aufgezeichnet. In einer zweiten Testreihe wurde der Kabelendverschluß zunächst durch eine negative Gleichspannungsrampe vorbeansprucht, gefolgt von einer DAC-Spannung, wobei nur die PD-Impulse angezeigt wurden, die während der ersten positiven Spannungshalbwelle auftraten. Dieses Verfahren wurde 18-mal wiederholt, um das in Abb. 7.76b gezeigte Wasserfalldiagramm zu erstellen. In einer dritten Testreihe wurde eine positive Gleichspannungsrampe (siehe Abb. 7.74b) angelegt und die PD-Impulse, die während des ersten negativen DACSpannungshalbwelle auftraten, angezeigt, siehe Abb. 7.76c. Die Vergleichbarkeit der charakteristischen PD-Muster, die für gedämpfte und kontinuierliche AC-Spannung gefunden wurden, wurde auch durch die in Abb. 7.77 gezeigten PC-Screenshots bestätigt, die ebenfalls für einen defekten MV-Kabelendverschluß aufgezeichnet wurden. Hier wurde der PD-Test zunächst unter gedämpfter AC-Spannung von 80 Hz Eigenfrequenz durchgeführt, wobei das Prüfniveau wieder leicht über der PD-Einsatzspannung eingestellt wurde. Die in Abb. 7.77a dargestellten PD-Impulse sind das Ergebnis von 180 DACSpannungsanwendungen. In einer zweiten Testreihe wurde der Kabelendverschluß einer kontinuierlichen AC-Spannung von 50 Hz unterzogen, wobei das Prüfniveau ebenfalls leicht über der PD-Einsetzpannung eingestellt wurde. Zum Vergleich wurden nur PD-Impulse angezeigt, die innerhalb von 180 positiven Halbzyklen in Abb. 7.76b auftraten. Dies wurde mit Hilfe eines Meßfensters realisiert, das

416

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.78  PD-Signaturen eines defekten 20-kV-Kabelendverschlusses aufgezeichnet bei DACPrüfspannung unter Verwendung von DC-Spannungsrampen mit 10, 50 und 250 μs Anstiegszeit (von links nach rechts)

jeweils einmal pro 10 s ausgelöst wurde, so dass die gesamte Testdauer 1800 s (90.000 AC-Zyklen) betrug. Trotz der großen Streuung der PD-Impulsmagnituden (Abb. 7.77b) kann festgestellt werden, dass die PD-Testergebnisse, die unter gedämpfter und kontinuierlicher AC-Spannung gewonnen wurden, miteinander vernünftig vergleichbar sind. Wie bereits oben diskutiert, wird bei der Anwendung von DAC-Spannungen für PD-Diagnosetests von XLPE-Kabeln die hochpolymere Isolierung aufgrund der langsam ansteigenden DC-Spannungsrampe (Abb. 7.74b) vorbeansprucht. Abhängig von der Kabellänge und damit der zu ladenden Kapazität kann die Vorbeanspruchungszeit zwischen dem Sekunden- und Minutenbereich variieren. Experimentelle Untersuchungen ergaben jedoch, dass die PD-Signaturen von PDDefekten, die für extrudierte Mittelspannungs-Stromkabel repräsentativ sind, nicht signifikant von der Dauer der DC-Vorspannung beeinflusst werden, wie beispielhaft in Abb. 7.78 gezeigt.

7.6.3 Steil ansteigende Impulsspannungen (LI und VFFPrüfspannungen) Wie aus der Physik der Gasentladungen bekannt ist, kann die Einsatzfeldstärke von impulsförmigen Prüfspannungen mit sehr kurzer Frontzeit, wie Blitzimpulsspannungen (LI) und sehr schnellen transienten (very fast transients - VFT) Spannungen, aufgrund der sogenannten statistischen Zeitverzögerung erheblich erhöht werden. Dies ist die Zeitspanne, die zwischen dem Zeitpunkt, an dem die statische Anfangsfeldstärke erreicht wird, und dem Zeitpunkt, an dem Anfangselektronen, die durch natürliche Prozesse freigesetzt werden, zur Ionisierung von Gasmolekülen verfügbar sind (Grey Morgan 1965). Als typisches Beispiel vergleiche man die Zündung von Streamer-Entladungen unter der vergleichsweise langsam ansteigenden SI-Spannung und der sehr schnell ansteigenden Blitz-Impulsspannung gemäß Abb. 7.79, die sich auf einen Stab-Plane-Abstand in Umgebungsluft von 20 cm bei Elektrodenabstand bezieht (Lemke 1967). Hier wurde eine negative SI-spannung von etwa 150 µs Zeit-bis-zum-Scheitel-

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

(a)

417

(b) 4

3

2

1

Streamer-Impuls 2 1

3

Streamer-Impuls 4

14 nC

Prüfspannung 76 kV

50 kV

180 nC 50 kV

Test voltage 92 kV

Abb. 7.79  Lichtenberg-Figuren (Fotogramme) von Streamer-Filamenten, die sich in einer 20 cm Kegel-Platte-Luftfunkenstrecke unter SI-Spannung (a) und steiler Blitz-Impulsspannung (b) entwickeln, und zugehörige Oszilloskop-Aufzeichnungen (Lemke 1967), Erklärung im Text

wert an die Planelektrode angelegt, und es erschien die erste Streamer-Entladung an der positiven Kegel-Elektrode bei der Einsatzspannung von etwa 10 kV. Bei ansteigender Spannung wurden weitere aufeinanderfolgende Streamer-Entladungen mit zunehmender Länge und Impulsladung erkannt (Abb. 7.79a). Wird jedoch eine schnell ansteigende Blitz-Impulsspannung angewendet, die innerhalb von weniger als einer µs die Einsatzspannung von etwa 50 kV erreicht, wurde nur eine einzige Streamer-Entladung beobachtet, d. h. die Einsatzspannung war bei der steilen Blitz-Impulsspannung etwa 5-mal größer als die unter SI-Spannung gemessene. Trotz der enormen Pulsladung von 180 nC, die unter der schnell ansteigenden Spannung erzeugt wurde, trat kein endgültiger Durchbruch auf, obwohl die Streamer-Filamente den gesamten Elektrodenabstand überbrückten und die Prüfspannung weiter anstieg, schließlich bis auf 92 kV (Abb. 7.79b).

418

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a)

(b) CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div

CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div

Abb. 7.80 Auswirkung der Frontzeit von SI-Spannungen auf die PD-Signatur einer Hohlraumentladung. a 8 μs Frontzeit, 11,6 kV Testspannung. b 3 μs Frontzeit, 11 kV Testspannung

Ein weiteres Messbeispiel, das die Auswirkung der statistischen Zeitverzögerung auf die Einsatzspannung und damit auf den Entladungsmechanismus unterstreicht, ist in Abb. 7.80 dargestellt, die sich auf Grenzflächenentladungen in einem fehlerhaften MV-Kabelendverschluß bezieht. Wird zunächst eine Impulsspannung von etwa 8 µs Zeit-bis-zum-Scheitelwert angelegt (Abb. 7.80a), erreicht die Anfangsspannung fast 3 kV, und danach treten zahlreiche PD-Impulse auf. Wird jedoch die Steilheit der angelegten Impulsspannung erhöht, indem die Zeitbis-zum-Scheitelwert schrittweise verringert wird, schließlich bis auf etwa 3 µs (Abb. 7.80b), steigt die Einsatzspannung erheblich an, und es wird nur ein einziger PD-Impuls mit vergleichsweise hoher Ladung gemessen, d. h. die zuvor beobachtete PD-Impulsfolge verschwindet vollständig. Die oben betrachtete Auswirkung der statistischen Zeitverzögerung auf die Einsatzspannung wird insbesondere bei Entladungen unter sehr schnellen transienten (VFT) Spannungen dominant, die durch das Schalten der induktiven Last von Leistungskonvertern mittels Halbleiterschalter angeregt werden können. Diese fortschrittliche Technologie wurde ursprünglich eingeführt, zur Umwandlung von Wechsel-oder Gleichspannung in rechteckförmige Betriebsspannung hoher Schaltfrequenz um die Drehzahl von Industrieantrieben und elektrischen Bahnen stufenlos zu regeln. Da das Prinzip solcher Leistungsumrichter auf der schnellen Unterbrechung von induktiven Strömen basiert, können extrem hohe Überspannungen induziert werden, die mit einer starken PD-Aktivität einhergehen, wie zum Beispiel in rotierenden Maschinen, und daher eine beschleunigte Degradation der betroffenen Isolierung verursachen (Stone et al. 1992; Kaufhold et al. 1996; IEC 61934:2006; IEC 60034-18-41:2014; IEC 60034-18-42:2008; IEC 60034-25:2007; IEC 61934:2006). Heutzutage ist dieses Problem auch für andere Industrienetzwerke und vor allem für Smart Grids relevant, aufgrund der zunehmenden Verwendung von Leistungselektronik-basierten Systemen, zum Beispiel zur Umwandlung der variablen Frequenz von Windkraftanlagen in Netzwechselspannung sowie zur Umwandlung der niedrigen Gleichspannung von Photovoltaik-Anlagen in hohe Wechsel- oder Gleichspannung, die für Fernübertragungsstrecken erforderlich ist.

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

419

Abb. 7.81 Spannungsspitzen (rosa Spur) induziert durch wiederholtes Unterbrechen von induktiven Strömen (blaue Spur) aufgezeichnet bei Zeitskalen von 10 ms/div (a) und 1 ms/div (b), Erklärung im Text

Wie aus der klassischen Netzwerktheorie bekannt ist, ist die Unterbrechung eines induktiven Stroms mit einer Übertragung der „induktiven“ Energie in die parallel geschaltete Last verbunden. Im Falle einer rein kapazitiven Last wird der Scheitelnwert der induzierten Spannungs oft erheblich höher als die Betriebsspannung, wie beispielhaft in Abb. 7.81 gezeigt. Beispiel Die in Abb. 7.81 dargestellten Oszilloskop-Screenshots beziehen sich auf einen Stator eines Niederspannungsmotors mit einer Spuleninduktivität von Lc = 0,17 H. Ein Spulenende wurde an eine konstante Gleichspannung von V1 = 210 V angeschlossen, während das andere Spulenende periodisch (etwa 150-mal pro Sekunde, siehe Abb. 7.81a) für eine Zeitspanne von Td = 2,2 ms auf Erdpotential geschaltet wurde. Unmittelbar danach wurde der induktive Strom durch einen schnellen Halbleiterschalter, der durch einen isolierten Gate-Bipolartransistor (IGTB) realisiert wurde, abgeschnitten. In der Zeitperiode, in der die Statorspule auf Erdpotential geschaltet ist, steigt der induktive Strom nahezu linear an und erreicht schließlich einen Spitzenwert von Ic = 2,7 A, der auch aus dem Induktionsgesetz von Faraday folgt:

V1 = Lc · di/dt ≈ Lc · Ic /Td , IC = V1 · Td /Lc = (210 V) · (2.2 ms)/0.17 H ≈ 2.7 A Im Augenblick Td = 2,3 ms, wenn der induktive Strom durch die Statorspule unterbrochen wird, wird die gesamte induktive Energie auf die kapazitive Last übertragen, die als Cp = 0,1 µF gewählt wurde. Unter dieser Bedingung kann der Spitzenwert V2 der Spannung, die über die parallel geschalteten Elemente Lc und Cp erscheint, mit der folgenden bekannten Beziehung berechnet werden:

1 1 · Lc · Ic2 = · Cp · V22 ; 2 2 V2 = Ic ·

  Lc /Cp ≈ (2.7 A) · (0.17 H)/(0.1 µF) ≈ 3.52 kV.

420

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.82 Ladungsimpulse (rosa Spur) von Entladungen zwischen zwei kreisförmigen Lackdrähten unter wiederholten Kommutierungsspannungsspitzen (grüne Spur), aufgezeichnet im Zeitraster von 100 µs/div (a) und 10 µs/div (b), (Erklärung im Text)

Dies übersteigt die angelegte Gleichspannung um mehr als eine Größenordnung und stimmt gut mit der gemessenen Spitzenspannung überein, wie in Abb. 7.81b angegeben. Sehr schnelle transiente Spannungen, die durch das Schalten induktiver Lasten mittels Leistungselektronik angeregt werden und manchmal auch als Kommutierungsspannungsspitzen bezeichnet werden, zeichnen sich durch Anstiegs- und Abklingzeiten im µs-Bereich sowie Wiederholfrequenzen von bis zu einigen zehn kHz aus. Diese sind besonders schädlich für die Wicklungsisolierung von rotierenden Maschinen, da unter diesen Bedingungen die Einsatzfeldstärke erheblich erhöht sein kann und somit auch die PD-Aktivität, wie zuvor erörtert. Dies wird durch das in Abb. 7.82 gezeigte Messbeispiel unterstrichen, das sich auf Entladungen zwischen zwei kreisförmig angeordneten Lackdrähten bezieht, die jeweils 1,2 mm im Durchmesser sind und von einem isolierenden Film von ca. 30 µm Dicke beschichtet sind. Bei Anwendung wiederholter Kommutierungspannungen der Amplitude von 3,4 kV (grüne Spur), die mit Hilfe einer kapazitiven Feldsonde (Lemke 2016) gemessen wurden, lag die maximale Impulsladung bei etwa 10 nC (rosa Spur). Dieser vergleichsweise hohe Wert ist darauf zurückzuführen, dass die meisten PD-Ereignisse im Scheitelbereich der angelegten Kommutierungspannungs zünden, die weit oberhalb der statischen (minimalen) Zündspannung liegt. Weitere experimentelle Untersuchungen ergaben, dass die Form der erfassten Stromimpulse sowie deren Spitzenwerte über einen extrem weiten Bereich zufällig verteilt waren, oft zwischen einigen zehn und einigen tausend mA, siehe Abb. 7.83. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass üblicherweise sogenannte verdrillte Paare von Lackdrähten verwendet werden, um das PD-Verhalten der Wicklung/Wicklung-Isolierung von zufällig gewickelten rotierenden Maschinen unter Kommutierungsspannungsspitzen zu qualifizieren. Zu diesem Zweck wird ein Paar aus lackisolierten Magnetdrähten über eine Länge von etwa 120 mm (IEEE Std. 522:2004) miteinander verdrillt. Bei der Verwendung solcher

7.6  PD-Messung bei Impulsspannungen

421

Abb. 7.83 Stromimpulse (rosa Spur) von Entladungen, die in Luft in der unmittelbaren Umgebung von zwei sich berührenden Lackdrähten (Isolierdicke jeweils 30 µm, Drahtdurchmesser 1.2 mm) unter Kommutierungsspannung (grüne Spur) zünden, aufgezeichnet im Zeitraster von 20 ns/div (a) und 4 ns/div (b), Erklärung im Text

Ladungsimpuls

,

Abb. 7.84 Ladungsimpulse (rosa Spur) überlagert auf dem kapazitiven Laststrom, der durch die hochfrequenten Kommutierungsspannungsspitzen verursacht wird (grüne Spur). Testbedingungen: 60 µm Luftspalt zwischen verdrillten Paaren von Magnetdrähten; der Strom wurde mittels eines Breitband-PD-Messsystems integriert, bei dem die untere Grenzfrequenz auf 20 kHz (a) und auf 1,8 MHz (b) eingestellt wurde, Erklärung im Text

­ estproben für die Messung der scheinbaren Ladung gemäß IEC 60270:2000 T muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der vergleichsweise hohen kapazitiven Lastströme nur eine geringe Messempfindlichkeit erreichbar ist, wie beispielhaft in Abb. 7.84a gezeigt. Um das Signal-Rausch-Verhältnis (S/N) zu erhöhen, wäre eine Möglichkeit, die untere Grenzfrequenz des Messkreises zu erhöhen, die deutlich oberhalb des Frequenzspektrums der Kommutierungsspannungsspitzen liegen sollte. Dies wird durch das in Abb. 7.84b gezeigte Messbeispiel unterstrichen, bei dem die untere Grenzfrequenz des Messsystems auf f1 ≈ 1,8 MHz eingestellt wurde. Dies steht natürlich im Widerspruch zu der IEC 60270:2000, die Messfrequenzen unter 1 MHz zur Messung der PD-Größe scheinbare Ladung empfiehlt. Alternativ könnten auch nicht-konventionelle Methoden verwendet werden, wie die PD-Erfassung im UHF-Bereich oder die Auswertung der

422

7  Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

zugehörigen akustischen und optischen Signale. Unter dieser Bedingung kann die PD-Aktivität jedoch nur qualitativ, nicht quantitativ bewertet werden, wie bereits in den Abschn. 4.7 und 4.8 hervorgehoben wurde. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die PD-Prüfung von induktiven Bauteilen, die durch Kommutierungsspannungsspitzen beansprucht werden, neue Ansätze erfordert. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in der Technischen Broschüre TB 703, die 2017 von der Cigre WG D1.43 veröffentlicht wurde.

Kapitel 8

Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

Zusammenfassung  In der Energieversorgung sind die Überspannungsbeanspruchungen der Isolierungen oft Kombinationen der Betriebs- mit den Überspannungen. Dies kann vernachlässigt werden, solange der Überspannungswert die Beiträge der Betriebsspannung enthält. Es kann nicht vernachlässigt werden, wenn die Isolierung zwischen den Phasen oder die von Schaltgeräten betrachtet wird. In diesem Fall ist die resultierende Spannung die Kombination von zwei Spannungsbeanspruchungen an dreipoligen Prüfobjekten. In anderen Fällen besteht die Beanspruchungsspannung aus zwei verschiedenen Spannungskomponenten, z. B. in bestimmten HVDC-Isolierungen als zusammengesetzte Spannung aus ACund DC-Komponenten. Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition, Erzeugung und Messung von kombinierten und zusammengesetzten Prüfspannungen auf der Grundlage der IEC 60060-1:2010 und der IEEE Std. 4. Es werden auch einige Beispiele für Tests mit kombinierten und komplexen Spannungen gegeben. Es sollte erwähnt werden, dass diese Spannungen manchmal als „hybrid“ oder „überlagert“ bezeichnet werden, auch der zusammenfassende Begriff „gemischte“ Spannungen ist in Gebrauch. Dieses Buch folgt der Terminologie der Norm IEC 60060-1 (2010).

8.1 Kombinierte Prüfspannung Die Definitionen von kombinierten und zusammengesetzten Prüfspannungen beziehen sich auf die Position des Prüflings zu den Prüfspannungsquellen. Wenn das Prüfobjekt zwischen den beiden Prüfsystemen angeordnet ist, wird eine kombinierte Spannung über zwei verschiedene HV-Anschlüsse und zu Masse (Dreielektrodentestaufbau) auf das Prüfobjekt ausgeübt. Wenn die beiden Prüfsysteme direkt verbunden sind, wird eine zusammengesetzte Spannung erzeugt, die das Prüfobjekt von einem HV-Anschluss zum Erdpotential(Zweielektrodente staufbau) beansprucht. In beiden Fällen muss jedes Prüfsystem durch ein Element gegen die vom anderen System erzeugte Spannung geschützt werden, das seine eigene Spannung durchlässt und die Spannung des anderen blockiert (Kopplungs-/ Schutzelement). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_8

423

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

424

8.1.1 Erzeugung von kombinierten Prüfspannungen Die kombinierte Spannung tritt zwischen den beiden HV-Anschlüssen eines Prüfobjekts mit drei Anschlüssen mit dem dritten Terminal an Masse (Abb. 8.1a) auf. Typische drei-terminale Prüfobjekte sind Trenner und Schalter. Auch die Isolierung zwischen den Phasen in dreipoligen Systemen, z. B. metallgekapselte Sammelschienen von GIS und dreipolige Kabel, bilden ein drei-terminales Prüfobjekt. Für einen HV-Test eines GIS werden zwei Phasen jeweils an eine HVQuelle angeschlossen, die dritte Phase und das Gehäuse sind an Masse gelegt. Das Prüfobjekt wird durch die Spannungsdifferenz der beiden Einzelspannungen (Abb. 8.1a: Vc = VAC − VSI) belastet. Abb. 8.1b zeigt als Beispiel die

VAC

(a)

VAC

Schutzelement 1

HV Quelle 1

Umwandlun gsgerät 1

VSI

Vc

3KlemmenPrüfobjekt

t

VSI

Schutzelement 2

Umwandlun gsgerät 2

HV Quelle 2

2-KanalAufnahmege rät

kombinierte Spannung Vc

Up

(b)

Abb. 8.1  Erzeugung und Messung von kombinierten Spannungen. a Schematischer Schaltplan. b Kombinierte Prüfspannung als Differenz von zwei Spannungen

8.1  Kombinierte Prüfspannung

425

kombinierte Prüfspannung einer AC- und einer SI-Spannung. Solange das Prüfobjekt die kombinierte Spannungsbelastung Vc aushält, trennt es die beiden HVQuellen voneinander. Aber wenn es versagt, wird jedes Prüfsystem auch durch die Spannung der gegenüberliegenden HV-Quelle belastet. Dann muss es durch ein geeignetes Schutzelement geschützt werden, das die andere Spannung zumindest auf eine akzeptable Spannungsbelastung reduziert. Aber dieses Element muss auch die Spannung der geschützten HV-Quelle koppeln – und nicht blockieren. Dies bedeutet, dass Elemente angewendet werden müssen, die für verschiedene Spannungen unterschiedliche Impedanzen aufweisen. Zum Beispiel hat ein Induktor keine Impedanz für Gleichspannung, aber eine hohe Impedanz, wenn er mit LI-Spannungen belastet wird. Daher kann er zum Schutz eines Gleichspannungsgenerators verwendet werden. Es muss berücksichtigt werden, wie die Kopplungs-/Sperrelemente die beiden Komponenten der kombinierten Spannung beeinflussen. Daher müssen die Messung der beiden Spannungen nach den Kopplungs-/Schutzelementen parallel zur Erdungsisolation des Prüfobjekts (Abb. 8.1a) durchgeführt werden. Im Vergleich zur Impedanz des Prüfobjekts sollten die Impedanzen der Kopplungs-/Schutzelemente niedrig sein. In der Tab. 8.1 werden die Eigenschaften der Kopplungs-/Schutzelemente zusammengefasst. Die bevorzugte Anwendung eines Elements wird in der ersten Zeile angegeben, eine zweite Anwendung mit unterschiedlichen Parametern des Elements wird in Klammern angegeben. Die Pfeile in Klammern geben einen niedrigen (↓) oder hohen (↑) Wert des Parameters (L, R, C) an. Zum Beispiel koppelt ein Kondensator mit großer Kapazität (niedrige Impedanz für Wechselspannung) Wechselspannung von Netzfrequenz, aber einer mit geringer Kapazität (hohe Impedanz) kann sie blockieren. Ausgelöste Schalter können in die Positionen „geschlossen = gekoppelt“ oder „offen = getrennt“ geschaltet werden und können daher weitgehend angewendet werden. Es muss berücksichtigt werden, dass ein – möglicherweise ausgelöster – Zündfunken eine bestimmte Spannung für die Zündung erfordert (siehe Abb. 7.6b). Wenn sie erreicht ist, springt die resultierende Spannung auf diesen Wert (Abb. 8.8). Nach

Tab. 8.1  Kopplungs-/Schutzelemente für Kombinations-/Composite-Prüfspannungskreise Testspannungselemente

Gleichspannung

Wechselspannung SI-Spannung

LI-Spannung

Drosselspulen (L) Widerstände (R)

Kopplung

Kopplung (L↓) (Schutz, L↑) Kopplung (R↓) (Schutz, R↑) Kopplung (C↑) (Schutz, C↓) Kopplung oder Schutz

Schutz

Kondensatoren Schalter als getriggerte, Halbleiter

Kopplung (R↓) (Schutz, R↑) Schutz Kopplung oder Schutz

Schutz (L↑) (Kopplung, L↓) Schutz (R↑) (Kopplung, R↓) Kopplung (C↑) (Schutz, C↓) Kopplung oder Schutz

Kopplung (nur geringe R↓) Kopplung Kopplung oder Schutz

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

426

einer Impulsbelastung erlischt sie nicht leicht bei einer AC- oder DC-Spannung, die kurzgeschlossen ist. Nicht ausgelöste Funkenstrecken haben den Nachteil der Streuung ihrer Durchschlagspannung so dass es schwierig ist, Standard-LI- und SI-Spannungsformen zu erreichen. Das alternative Kopplungselement zur Kugel ist ein Kondensator, in der Superposition erhält er die beiden Spannungen, wie sie sind (z. B. Abb. 8.5). Kondensatoren sind teuer, weil ihre Kapazitäten erheblich höher sein sollten als die der Prüfobjekte (Felk et al. 2017). Beispiel: Wenn eine DC/LI- kombinierte Spannung angewandt werden soll, ist das rechte Element zwischen DC Prüfsysten und Prüfling eine Drosselspule, weil sie die Gleichspannung koppelt und gegen die Blitzspannung schützt. Zwischen dem LI Prüfsystem und dem Püfling ist ein Kondensator, der die Blitzspannung koppelt und vor der Gleichspannung schützt. Auch eine getriggerte Funkenstrecke könnte hier angewandt werden.

Wie bereits erwähnt, beeinflussen die Kopplungs-/Schutzelemente die Spannungserzeugung beider Spannungsquellen und die beiden Quellen weisen auch Wechselwirkungen auf. Als Ergebnis hat die kombinierte Spannung nicht die erwartete Form. Der Test eines Trenners soll betrachtet werden: Die AC/SI-KombiniertePrüfspannung wird durch einen Prüftransformator und einen Impulsgenerator erzeugt (Abb. 8.2a). Die AC-Spannung sinkt um etwa 20%, wenn die AC-Quelle nicht steif genug ist (Abb. 8.2b: 20 %). Wenn kein leistungsstarkes AC-Testsystem verfügbar ist, ein Stützkondensator Ca ≫ Ct, größer als die Prüfobjektkapazität Ct parallel zur AC-Quelle und zum Prüfobjekt, reduziert den Spannunsabfall erheblich (Abb. 8.2c: >Ct

2-KanalAufzeichnungsgerät

AC Ca>>Ct

Spannung V

(c) Spannungsabfall!

Zeit t

mit

Ca: V < 5%

Abb. 8.2  Wechselwirkung zwischen den beiden Spannungsquellen. a Schematischer Schaltplan. b Abfall der Wechselspannung ohne Stützkondensator. c Abfall der Wechselspannung mit Stützkondensator Ca

8.1  Kombinierte Prüfspannung

427

8.1.2 Anforderungen an die kombinierten Prüfspannungen Der Prüfspannungswert der kombinierten Spannung ist die maximale Potenzialdifferenz zwischen den beiden HV-Anschlüssen des Prüflings. Seine Toleranz, das heißt der Unterschied zwischen dem angegebenen Wert und dem aufgezeichneten Wert, muss innerhalb von ±5 % des angegebenen Wertes liegen. Dies schließt ein, dass auch ein Spannungsabfall nicht mehr als 5 % beträgt. Für jede Spannungskomponente gelten die oben in den jeweils relevanten Kap. 3, 6 und 7 genannten Anforderungen. Darüber hinaus ist die Zeitverzögerung, das ist die Zeitdifferenz zwischen den beiden Maxima der Spannungskomponenten, zu berücksichtigen (Abb. 8.3). Die Toleranz der Zeitverzögerung beträgt 0,05 Tp, wobei Tp als längerer Frontparameter der beiden involvierten Spannungen zu verstehen ist (Allgemein gilt: Tp ist die LI-Stirnzeit oder die SI-Scheitelzeit oder ein Viertel einer AC-Periode ist).

8.1.3 Messung der kombinierten Prüfspannungen Die zwei Hochspannungsprüfsysteme erfordern jeweils ein Hochspannungsmesssystem für die Einstellung ihrer Ausgangsspannungen, die zur kombinierten oder zusammengesetzten Spannung beitragen. Diese Messsysteme müssen auch die Wechselwirkungen zwischen den beiden Hochspannungsprüfsystemen aufzeichnen können. Die beanspruchende kombinierte Spannung wirkt zwischen den Hochspannungsklemmen des Prüflings (Abb. 8.1). Eine übliche Messung dieser Spannung ist schwierig, weil kein Erdpotential beteiligt ist. Die IEC 600601:2010 erlaubt daher die Berechnung der kombinierten Prüfspannung aus der Messung ihrer zwei Spannungskomponenten: Jeder der beiden Spannungsteiler

(a)

(b)

Vip2

Spannung V

Spannung V

Vip

Zeit t

Zeit t t

t VACp

Vip1

Abb. 8.3  Zeitverzögerung von kombinierten und zusammengesetzten Spannungen. a Für zwei Impulsspannungen. b Für eine Impulsspannung und eine Wechselspannung

428

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

sollte so nah wie möglich an seinem relevanten Hochspannungsklemmen des Prüflings angeordnet werden. Die beiden Spannungen werden aufgezeichnet, und die kombinierte Spannung wird als deren Differenz berechnet. Die Unsicherheitsabschätzung für die Messung der berechneten kombinierten Spannung muss die Einflüsse des Prüflings und der Spannungsabfälle über die Verbindungs-/Blockierelemente berücksichtigen, die berechnete kombinierte Spannung(Abb. 8.1b) sollte mit einer identischen Zeitachse angezeigt werden.

8.1.4 Beispiele für kombinierte Spannungsprüfungen Trennschalterprüfung: Die Prüfung von EHV-AC-Trennschaltern und Phasenzu-Phasen-Luftisolierung mit einer kombinierten Spannung aus AC- und SIKomponenten ist das klassische Beispiel für eine kombinierte Spannungsprüfung. Die Wechselwirkung zwischen den Prüfspannungsquellen kann einen Spannungsabfall verursachen, wie oben in Abschn. 8.1.1 (Abb. 8.2) betrachtet. Garbagnati et al. (1991) fanden heraus, dass die atmosphärischen Korrekturen der IEC 60060-1 (siehe Abschn. 2.1.2) ausreichende Ergebnisse liefern, wenn sie sich auf jene Komponente der Prüfspannung beziehen, die zwischen den Hochspannungsklemmen des Prüflings auftritt und die die maximale kombinierte Spannung verursacht. Kombinierte SpannungTests mit Gleichspannungskomponente: Die breitere Anwendung von HVDC-Übertragungssystemen wird Prüfspannungen erfordern, die als kombinierte Spannungen verstanden werden können (Gockenbach 2010). Es gab frühe Untersuchungen über die Kombination von Gleichspannung und oszillierender SI-Spannung (Abb. 8.4) in Vorbereitung von Prüfsystemen für die russische HVDC-Übertragung (Lämmel 1973). Mittlerweile werden LI/DCSpannungsuntersuchungen auf Gasisolierungen mit N2 und SF6 ausgedehnt (Wada et al. 2011). Sie zeigen, dass eine Gleichspannungskomponente unter 50 % des Prüfspannungswerts kaum Einfluss auf die Durchbruchspannung hat.

8.2 Zusammengesetzte Spannungen 8.2.1 Erzeugung und Anforderungen Die Verbindung zweier unterschiedlicher Prüfspannungen zu einem Anschluss führt aufgrund ihrer Überlagerung an diesem Punkt zu einer zusammengesetzten Prüfspannung (Abb. 8.5a). Die Verbindung wird mit geeigneten Kopplungs-/ Schutzelementen (Tab. 8.1) realisiert. Im Gegensatz zu kombinierten Spannungen ist die zusammengesetzte Spannung die Summe der beiden Komponenten

8.2  Zusammengesetzte Spannungen

429

(b) (a)

VDC

test objekt

Vp

VSI/LI VDC 0 Spannung

DC Quelle

SI / LI Quelle

Zeit

VDC 0 Vp

Abb. 8.4  DC/SI kombinierte Spannung. a Schaltkreis mit Kopplungs-/Verbindungselementen. b OLI-Spannung überlagert auf Gleichspannung

(Abb. 8.5b: Vco = V1 + V2). Wenn die beiden Spannungsquellen zusammengeschlossen sind, kann die Wechselwirkung zwischen den beiden Hochspannungsquellen einschließlich ihrer Kopplungs-/Schutzelemente eine Rolle spielen und sollte analysiert werden. Der Prüfspannungswert der komplexen Spannung ist der absolute Maximalwert am Prüfobjekt und soll innerhalb von ±5 % den angegebenen Wert erreichen. Auch darf jeder Spannungsabfall 5 % nicht überschreiten. Die Zeitverzögerung ist wie bei kombinierten Spannungen definiert (Abb. 8.3) und sollte wieder innerhalb von ±0,05 Tp (Tp wie in Abschn. 8.1.1 definiert) liegen. Für die EinzelSpannungskomponenten gelten die Anforderungen in den zugehörigen Kapiteln dieses Lehrbuchs.

8.2.2 Messung von zusammengesetzten Prüfspannungen Die belastende zusammengesetzte Spannung wirkt zwischen dem Hochspannungsanschluss des Prüfobjekts und der Erde (Abb. 8.5). Daher kann sie direkt gemessen werden. Das verwendete Messsystem muss die Anforderungen der IEC 60060-2:2010 für beide Komponenten erfüllen. Bei einer DC/LIzusammengesetzten-Spannung muss z. B. ein universeller Teiler angewendet

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

430

V1

(a)

V1

HV Quelle 1

Kupplung+ Sperrelement 1

V2

Vco = V1 + V2

Umwandlun gsgerät

Umwandlun gsgerät

V1

Vco

Kupplung+ Sperrelement 2

2KlemmenPrüfobjekt

V2

Umwandlun gsgerät

V2

HV Quelle 2

3-KanalAufnahmege rät

zusammengesetzte Spannung Vco Up

(b)

Abb. 8.5 Erzeugung und Messung zusammengesetzter Spannungen. a Schematischer Schaltplan. b Zusammengesetzte Spannung als Summe der beiden Spannungen

werden (Abb. 2.10). Die separate Messung der beiden Spannungskomponenten ist für die präzise Kontrolle der beiden Spannungsgeneratoren und für die Verifizierung des korrekten Verhältnisses der beiden Spannungen erforderlich. Alle drei Spannungen sollten synchron aufgezeichnet und mit einer identischen Zeitachse angezeigt werden (Abb. 8.5). Die Spannungsmesssysteme müssen für die Messung der zugehörigen (Teil-) Prüfsysteme sowie für die zu messenden zusammengesetzten Spannungen kalibriert werden. Auf der Grundlage dessen wird die Unsicherheit der Messung der komplexen Spannungen geschätzt.

8.2  Zusammengesetzte Spannungen

431

8.2.3 Beispiele für Spannungstests mit zusammengesetzten Spannungen Eine zusammengesetzte DC/AC-Prüfspannung kann erzeugt werden, wenn der Glättungskondensator des DC-Generators über die HV-Wicklung eines Prüftransformators (Abb. 8.6) an Masse geschalten wird. Der DC-Generator muss über einen Isolier-transformator (Abb. 6.8) gespeist werden. Wenn der Prüftransformator so konstruiert ist, dass er die DC-Spannung bei einem Durchbruch des Testobjekts aushalten kann, sind keine zusätzlichen Kopplungs-/Schutzelemente erforderlich. Das in Abb. 8.6 gezeigte Foto zeigt ein solches DC/AC-Testsystem am NIIPT in St. Petersburg, Russland, das für den Betrieb einer HVDCTestleitung, Korna-Untersuchungen und andere Grundlagenforschungsarbeiten verwendet wird. Beide Spannungskomponenten können separat eingestellt werden. Für die Anwendung von zusammengesetzten DC/LI bzw. DC/SI-Prüfspannungen ist der Grundschaltkreis (Abb. 8.5) mit Kopplungs-/Schutzelementen gemäß Tab. 8.1 zu verwenden. Hinsichtlich der Charakteristika der HVDC-Isolierung (siehe Kap. 6, insbesondere Abschn. 6.2.2.2, 6.2.3, 6.3), sind zusammengesetzte Spannungen für die Prüfung der HVDC-Isolierung erforderlich. Dies sollte für HVDC Gas – Isolierte Systeme (Cigre JWG D1/B3.57 (2017)) mit der sensiblen Feldstärke-Verteilung im Umfeld der Abstandshalter in Betracht gezogen werden. Abb. 8.7 (Hering et al. 2017) zeigt die Situation des elektrostatischen Feldes bei AC-Spannung und des Strömungsfeldes bei DC-Spannung kurz vor einer transienten LI- oder SI-Spannung. Für ein HVAC-Testobjekt – mit der niedrigsten Feldstärke an der äußeren Elektrode – wird die transiente Spannung die Intensität der Feldverteilung nur ändern. Im Fall der HVDC-Isolierung – mit der Raumladungs-dominierten hohen Gleichspannungsfeldstärke am äußeren Teil des Abstandshalters (Spacer) – ist der Übergang dieses Oberflächenladungs-Strömungsfeldes zu einem kapazitiv-

DC

1,3 MV DC 1,0 A cont.

Prüf object

AC

400 kV AC 3,3 A cont.

Abb. 8.6 Testsystem für DC/AC-zusammengesetzte Spannung bis ±1300 kV DC und 400 kV AC (Das Prinzip wird für eine einzige Polarität gezeigt)

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

normierte Feldstärke

position in mm

432

Abb. 8.7  Feldbedingungen in einem HVAC- und einem HVDC-Gasisolierten System vor einer transienten Beanspruchung (Hering et al. 2017). Beachten Sie die höhere Feldstärke auf der Außenseite des Abstandshalters bei DC-Stress

dominierten quasi-elektrostatischen Feld zu berücksichtigen. Letzteres ist mit Feldstärkenvergrößerungen verbunden, insbesondere wenn die Polarität der transienten Spannung der vorherigen quasi-stationären Gleichspannungsbeanspruchung entgegengesetzt ist (Abb. 8.8b, d). NOTE Abb. 8.8 ist ein Vorschlag des CIGRE JWG D1/B3.57 für die vorliegende Entwurfsfassung einer CIGRE-Broschüre. Sie verwendet Abb. 8.8 für Definitionen von LITestspannungen und definiert separat eine DC-Spannungsvorbelastung. Sie unterstreicht die hohe LI-Belastung, wenn die beiden Spannungskomponenten entgegengesetzter Polarität sind. Aber es scheint besser zu sein, die zusammengesetzte Spannung zu berücksichtigen, weil die beiden Spannungen gemeinsam wirken.

Folglich werden für gasisoliertes HVDC-Isolierungen zusammengesetzte DC/AC, DC/LI und DC/SI-Spannungsprüfungen (DC-Feld in Gleichstrombedingungen) erforderlich. Während Prüfspannungen und -verfahren innerhalb der CIGRE JWG diskutiert wurden, werden erste Werte der Prüfspannungen und Prüfdauern für einen Prototyp-Installations-Test (siehe Abschn. 6.2.3.1) vorgeschlagen von Neumann et al. (2017). Es soll erwähnt werden, dass diese Prototyp Stehspannungsprüfung auch eine kombinierte HVDC- und Wärmeprüfung umfasst, die eine geeignete Stromquelle verwendet, die am HV-Potential angeschlossen werden kann. Die Prüfung eines offenen Schalters eines gasisolierten HVDC-Systems umfasst sowohl einen zusammengesetzten Spannungstest (Abb. 8.9a, b) als auch für die Schaltstrecke selbst eine kombinierte Spannungs- Laststrom-Prüfung (Abb. 8.9c).

8.2  Zusammengesetzte Spannungen

433 Spannung V

Spannung V

Zeit t

Zeit t

Spannung V

Spannung V

Zeit t

Zeit t

Abb. 8.8 Zusammengesetzte DC/LI-Spannungstests als Definition für die LI-Spannungstests eines Gasisolierten Systems (schematisch) wie in CIGRE JWG D1/B3.57 2017 vorgeschlagen. Das Sperr-/Verbindungselement ist eine getriggerte Funkenstrecke, die bei Triggerung einen Spannungssprung verursacht (gestrichelte blaue Linien). a Spannung von positiver DC und positiver LI-Komponente. b Spannung von positiver DC und negativer LI-Komponente. c Spannung von negativer DC und negativer LI-Komponente. d Spannung von negativer DC und positiver LI-Komponente

8  Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

434

(a) geerdet

DC/LI Spannungen

(b) geerdet

DC/LI Spannungen

(c) DC Spannung

LI Spannung geerdetes Gehäuse

Abb. 8.9  Prüfung des Schalters eines SF6 -isolierten Systems (schematisch). a DC/LI- oder SIzusammengesetzter-Spannungstest, rechte Seite geerdet. b DC/LI- oder SI-zusammengesetzterSpannungstest, linke Seite geerdet. c DC/LI- oder SI-kombinierter Spannungstest

Kapitel 9

Hochspannungsprüflaboratorien

Zusammenfassung  Effiziente Hochspannungsprüfungen, Forschungsarbeiten oder die Ausbildung von Studenten erfordern gut konzipierte Hochspannungslabors. Dieses Kapitel befasst sich mit der Planung von HV-Laboratorien. Grundlage ist eine klare Analyse der Anforderungen an das Labor und die entsprechende Auswahl der HV-Prüfsysteme. Dazu gehört ein allgemeines Prinzip der Steuerungs- und Messsysteme, der internen Datenauswertung und der Kommunikationsstrukturen. Die Planung von Prüfgebäuden oder Prüfräumen hängt stark von der Zielsetzung des Labors und von den verfügbaren Mitteln ab. Es werden die allgemeinen Grundsätze für die Erdung und Abschirmung, für die Energieversorgung, den Transport und die Hilfsmittel erläutert. Ein wichtiger Bestandteil der Planung ist ein Sicherheitssystem, das sowohl die Sicherheit für die Bediener als auch zuverlässige, schnelle Prüfungen gewährleistet. Es werden einige Besonderheiten für FreiluftTestlabors und die Aktualisierung bestehender Testfelder vorgestellt.

9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen 9.1.1 Zweck eines Prüflaboratoriums Der Begriff „HV-Prüflabor“ reicht von einem kleinen Einzelraum mit Prüfgeräten von wenigen Kilovolt Bemessungsspannung bis hin zu riesigen UHV-Laboratorien mit mehreren Prüffeldern unterschiedlicher Prüfbereiche. Eine optimale Planung eines an die Ziele eines Unternehmens oder einer Institution angepassten HVLaboratoriums ist die Grundlage für seinen späteren reibungslosen Betrieb. Die Benutzer von HV-Testfeldern können in die folgenden Gruppen unterteilt werden: • Hersteller und Reparaturbetriebe von Geräten und Anlagen für Energieversorgungssysteme („Geräteanbieter“), • Unternehmen der Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung („Versorger“), • Forschungsinstitute und HV-Prüfdienstleister („Dienstleister“), © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_9

435

9 Hochspannungsprüflaboratorien

436

• Mess- und Kalibrierdienstinstitutionen, nationale Labore („Kalibrieranbieter“), • Universitäten und technische Schulen, Bildung und Ausbildung („Einrichtungen“). Die durchgeführten Hochspannungstests können wie folgt unterteilt werden: • Stückprüfungen an neuen oder reparierten Hochspannungs geräten („Stückprüfung“), • Typprüfungen an neu entwickelten Geräten („Typprüfung“); • Prüfungen für Forschung und Entwicklung (F&E) neuer Hochspannungsgeräte („Entwicklungstests“), • Prüfungen für die Entwicklung von Hochspannungsmesssystemen und Kalibrierungen („Kalibrierung“), • Prüfungen für praktisches Training und Demonstrationen („Tests für die Ausbildung“). Die verschiedenen Arten von HV-Prüfungen sind in Bezug auf die verschiedenen Benutzer von HV-Prüfungen in Tab. 9.1 aufgeführt. Die Dunkelheit eines Feldes soll seine Bedeutung für den Benutzer anzeigen, dunkelblau bedeutet am wichtigsten, hellblau bedeutet nützlich, aber nicht notwendig, und weiß bedeutet normalerweise nicht notwendig. Es sollte auch erwähnt werden, dass einige Benutzer in der Lage sein sollten, Kombinationen von Prüfungen durchzuführen. Viele Universitäten mit gut ausgestatteten HV-Laboratorien führen HV-Forschung oder sogar Typprüfungen durch. Nicht zuletzt sind HV-Laboratorien sehr attraktiv und können das Image einer Institution erheblich unterstützen. Die Kombination aus Bildung und Forschung passt gut zusammen, während Routine-Tests und Forschungsarbeiten sich gegenseitig stören würden. Eine Stückprüfung ist ein Teil der Produktion und muss dem technologischen Fluss in der Firma folgen. Eine kurze und reibungslose Beförderung von der Fertigungshalle zum Routine-Testfeld und von dort zur nächsten Station ist genauso wichtig wie ein einfacher und schneller Prüfprozess. Für einen Ausrüster kann es nützlich sein, verschiedene Stückprüffelder in Bezug auf seine erheblich unterschiedlichen Tab. 9.1  Ziele der HV-Tests (Erläuterungen im Test) Stückprüfungen Anbieter von Ausrüstung Versorgungs unternehmen TestDienstleister Anbieter von Kalibrierungen Einrichtungen

Typprüfungen

Prüfungenfür F&E

Kalibrierungen

Pädagogische Tests

9.1  Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen

437

Produkte zu haben, aber in minimalem Abstand zwischen Stückprüfungen und Typ-/Entwicklungstests. Versorgungsunternehmen müssen sehr unterschiedliche, betriebsgealterte Geräte untersuchen und nur in besonderen Fällen neue Geräte. Daher könnte ein Labor für die Mehrzweckanwendung optimal sein. Der Serviceanbieter muss auch sehr flexibel und spezialisiert auf Typentests und Forschungs-/Entwicklungstests sein.

9.1.2 Auswahl von Prüfanlagen Für die verschiedenen Arten von Tests sind unterschiedliche Testsysteme und unterschiedliche spezielle Zubehörteile erforderlich. Tab. 9.2 und 9.3 geben einen Überblick über die erforderlichen Prüfsysteme und Zubehörteile. Wie in Tab. 9.1 angegeben, entspricht die dunkle blaue Farbe dem erforderlichen Gerät, die hellblaue Farbe dem nützlichen Gerät. Die in Tab. 9.2 angegebenen Spannungswerte geben die höchsten Bemessungsspannungen der Prüfanlagen an, die gemäß dem in Abschn. 1.2 (Abb. 1.5 und 1.6) beschriebenen Verfahren ausgewählt wurden. Sie sind nur für UHV-Stromgeräte erforderlich. In den meisten anderen Fällen hängen die Bemessungsspannungen der Prüfanlagen von den Prüfobjekten mit der höchsten Bemessungsspannung (Tab. 1.2 und 1.3) oder den Zielen der HV-Forschung ab. Für Stückprüfungen (Tab. 9.2), müssen die HV-Prüfsysteme ausreichend für die zu prüfenden Produkte der kommenden 10 Jahre sein. Es wird empfohlen, eine Überdimensionierung zu vermeiden. Die AC-Spannung der Netzfrequenz ist weitaus die wichtigste Spannung für Stückprüfungen. Sie wird immer mehr mit der PD-Messung verbunden. Daher sollten die Prüfräume abgeschirmt sein oder eine abgeschirmte Prüfkammer angewendet werden (Tab. 9.3; siehe auch Abb. 9.32). Auch ein metallgekapseltes Prüfsystem (Abb. 3.47) ist nützlich für metallTab. 9.2  Testsysteme für die verschiedenen Arten von HV-Tests AC-Prüfsysteme

DC-Prüfsysteme

LI/LIC/SIPrüfsysteme

HV-Systeme für kombinierte und zusammengesetzte

Stückprüfungen Typprüfungen

Ergibt sich aus den Spalten von AC-, DC- und Impulsspannungen

Entwicklungsprüfungen

Was die Typprüfungen betrifft

Kalibrierungen Pädagogische Tests

438

9 Hochspannungsprüflaboratorien

Tab. 9.3  Spezielle Zubehörteile für die verschiedenen Arten von HV-Tests Schirmung für Verschmutz KlimakamPD-und dielektr. Regenanlage ungskammer mer Messungen

Öltank

Prüftanks für Isoliergase

CoronaKäfig

Stückprüfung Typprüfung

Entwicklungsprüfungen Kalibrierungen Pädagogische Tests

gekapselte Prüflinge (z. B. GIS). Wenn das HVAC Prüfsystem metallgekapselt ist, ist der gesamte Schaltkreis gut abgeschirmt und erfordert keinen abgeschirmten Prüfräume. Es kann in der Fertigungshalle selbst angeordnet werden. ImpulsSpannungstests sind für Stückprüfungen nur bei wenigen Geräten erforderlich, z. B. für Transformatoren. Dann gehören die zugehörigen LI/SI-Prüfsysteme zum Lieferumfang für das Prüffeld. Routine-Tests mit Gleichspannung sind zur Zeit sehr selten, werden aber mit der breiteren HVDC-Anwendung immer häufiger erforderlich. Für Typ- und Entwicklungstests und für HV-Forschungsarbeiten sind alle Arten von Prüfspannungen und für die meisten Spezialzubehör erforderlich (Tab. 9.1, 9.2 und 9.3). Ihre Nennwerte müssen sorgfältig unter Berücksichtigung der möglichen Entwicklung in den nächsten 2 Jahrzehnten ausgewählt werden. Spannungskalibrierungen (Tab.  9.2) können bei reduzierten Spannungen von >20 % der Nennspannung der zu kalibrierenden Messsysteme durchgeführt werden. Daher sind die Nennspannungen für die Kalibrierung etwa 20 % der Nennspannungen für Typ-Tests (Tab. 9.2) und kleine Testsysteme sind ausreichend (Abb. 9.1, courtesy of TÜBITAK, Gebze, Turkey). Kalibrierung erfordert immer einen geringen elektromagnetischen Grundstörpegel; daher sollten Prüfräume für Kalibrierung abgeschirmt sein. Tests für die Ausbildung (Tab. 9.2) können bei hohen Spannungen von einigen hundert Kilovolt durchgeführt werden (Abb. 9.2, mit freundlicher Genehmigung der FH Mittweida, Deutschland). Es wird empfohlen, für jeden HV-Test separate kleine Räume oder Bereiche zu haben, um mehreren Trainingsgruppen zu ermöglichen, parallel zu arbeiten, ohne sich gegenseitig zu stören (Prinz 1965; Mosch et al. 1974; Hauschild und Fahd 1978; Kind und Feser 1999; Schwarz et al. 1999). Hinweis Für die Auswahl der Nenndaten von Prüfsystemen, Sonderausstattungen und Prüfbereichen wird empfohlen, eine Liste der zu Prüfenden elektrischen Geräte mit ihren elektrischen Nennparametern, ihren Prüfspannungswerten, Prüfbedingungen, Abmessungen und Gewicht zu erstellen. Auch die Standards, die angewendet werden sollen, sollten für die Gestaltung des Laboratoriums wie im Folgenden beschrieben zusammengefasst werden.

9.1  Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen AC-Prüfanlage 350 kV

DC-Anlage 400 kV

Transformator-Standardkondensatoren

KoppelkondensatorSpannungsteiler

Gleichrichter

439

LI/SI-Prüfanlage 1000 kV

Abschneide_

Generator

Spannungsteiler Funkenstrecke DC-Versorgung

Abb. 9.1  Kleine HV-Prüfsysteme in einem Kalibrierlabor

AC-Prüfspannung bis zu 200 kV

DC-Prüfspannung bis zu 270 kV

LI/SI-Prüfspannung 400 kV

Abb. 9.2  Prüfboxen für die studentische Ausbildung

9.1.3 Abstände und Prüfbereiche Die Größe eines Prüfraums kann definiert werden, nachdem die erforderlichen HV-Testsysteme ausgewählt und die Größe des größten Prüfobjekts geschätzt wurde. Die erforderlichen Abstände zwischen Prüfobjekten und jeder geerdeten oder Hochspannung führenden Struktur wurden in Abschn. 2.1.2 besprochen und sind in Abb. 2.1 dargestellt. Dieser Abstand ist erforderlich, um jeden Einfluss auf die Spannungsverteilung am Testobjekt zu vermeiden. Im Gegensatz dazu muss der Abstand in der Luft zwischen einem HV-Prüfsystem und seiner Umgebung so gewählt werden, dass er mindestens etwa 120 % der Nennspannung Vr des Testsystems aushält.

9 Hochspannungsprüflaboratorien

440

Im Testspannungsbereich bis 600  kV (Scheitelwert) kann die einfache Berechnung der Luftdistanz d auf der Grundlage des Spannungsbedarfs 5 kV/ cm der positiven Streamerentladung in Luft (Abb. 9.3, gestrichelt, blaue Kurve) durchgeführt werden: Beispiel Ein 400 kV AC Testkreis soll angeordnet werden. Welche Distanz d ist erforderlich, um zwischen seinen Komponenten und den geerdeten metallischen Zäunen und Wänden zu gewährleisten? Die Nennspannung ist ein Effektivwert; Daher ist der Spannungsspitzenwert durch √ Vpeak = 2 · 400 kV = 566 kV

und die Distanz folgt d > (1.2 · 566 kV)/5 kV/cm = 136 cm.

Es wird beschlossen, dass der Abstand zum metallischen Zaun 140 cm betragen soll.

Bei höheren Spannungen wird die Zunahme der Durchbruchspannung (V50) Abstandscharakteristik aufgrund der Leaderentladung (Abb. 9.3; Carrara und Zafanella 1968) erheblich geringer. Gemäß der Durchschlagspannung (V01, grüne Kurve) der positiven Stab-Plattee-Anordnung wäre für eine 2 MV SI- oder AC- (Spitzen-) Prüfspannung ein Abstand von etwa 16 m zu anderen Objekten erforderlich. Aufgrund der hohen Kosten für den Platz in einem HV-Labor muss ein viel kürzerer Abstand durch die Anwendung geeigneter Abschirm- und Kontrollelektroden erreicht werden. Daher wird der Eindruck eines UHV-Labors durch riesige Elektroden (Abb. 9.4) bestimmt.

Abb. 9.3 Durchschlags­ pannungt einer positiven Spitze-PlatteFunkentrecke in Luft

Spannung V Durchschlagsspannungen:

geschätzter mindest Abstand für Stehspannung

Spaltabstand

9.1  Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen

441

LI/SI-Generator 3200 kV AC-Prüfsystem 1200 kV mit UHV-Anschlüssen DC-Generator 1500 kV

Abb. 9.4  Toroid-Elektroden im UHV-Prüflabor von HSP Köln (Deutschland)

Es gibt viele Veröffentlichungen zum Design von HV-Elektroden, z. B. Moeller et al. (1972), Feser (1975), Mosch et al. (1979), Lemke et al. (1983) und Hauschild (1995), und die elektrischen Felder können jetzt genau berechnet werden. Das große Problem besteht darin, die akzeptable kritische Feldstärke auszuwählen. Für PD-freie Elektroden kann das Konzept des Streamer-Einsatzes (Bürger 1976; Engelmann 1981; Dietrich 1982) verwendet werden; andernfalls ist auch der Streamer-Leader-Übergang anwendbar. Für große Elektroden führt der Streamer - einsatz über eine sehr heftige Streamer-entladung sofort zu einem Leader. Die Größe der Elektrode beeinflusst – neben der Feldstärkeverteilung – auch die Wahrscheinlichkeit von Oberflächendefekten. Dies verursacht eine Verteilungsfunktion der Einsatzfeldstärke mit einem geringen Anstieg für geringe Wahrscheinlichkeiten und einem steilen Anstieg für hohe Wahrscheinlichkeiten (Abb. 9.5). Die Dimensionierung der Elektroden basiert auf den geringen Wahrscheinlichkeiten unter Berücksichtigung der Vergrößerungsgesetze (siehe Abschn. 2.4.7, Hauschild und Mosch 1992; Hauschild 1995). In der Regel werden die Abmessungen der Elektroden in einem iterativen Prozess der Feldberechnung und der Anwendung der Streamer- oder Leader-Einsatzkriterien bestimmt. Unter Berücksichtigung der Vergrößerungseffekte des Elektrodenbereichs und der Verlängerung der Spannungsbeanspruchung kann die akzeptable maximale Feldstärke für eine große Elektrode in einem Bereich von 10–15 kV/cm für AC- und DCScheitelspannung und von 15–20 kV/cm für SI-Spannung angenommen werden. Für Prüfspannungen unterhalb von 2000 kV (Scheitelwert) stehen glatte Elektroden wie Kugeln und insbesondere Toroiden zur Verfügung. Der DoppelToroid (Abb. 9.4) ermöglicht eine ideale Abschirmung, weil die notwendigen Verbindungen im Feldschatten der beiden Ringe vorgenommen werden können.

9 Hochspannungsprüflaboratorien

442

Abb. 9.5 Verhaltensfunktion Einsatz-Wahrscheinlichkeit AC-Spannung (Scheitelwert) gemessen / berechnet 98 der Streamer% 3,5m Toroid Einsatzfeldstärke in Luft (Flächenelement von 80 (Rohr 1,1m) gegen Ebene 100 cm2) SISpannung gemessen

(d=1m

50 20

berechnet

5 1

Referenzwa hrscheinlich keit für A 0 =100cm2 T 0 =100µs

0.1 0.01 0.0001

18

20

22

24

26

kV/cm

30

Streamer-Einsatzfeldstärke Eref

Für höhere Prüfspannungen werden zusammengesetzte Elektroden verwendet. Riesige Toroide können durch Zylindersegmentelektroden (Abb. 3.15) realisiert werden. Dies sind Zylinderelemente, die zu einem Toroid geschweißt sind (Abb. 9.6). Wenn die Elektrode richtig entworfen wurde, ist die höhere Feldstärke an der geschweißten Verbindung auf eine kleine Fläche bezogen, und die Gefahr eines Ausfalls wäre nicht höher als bei der größeren Fläche der Zylinder mit geringerer Feldstärke. Manchmal sind sogenannte Polycon-Elektroden riesige Kugeln, die aus vielen Metallplatten bestehen, die auf einem kugelförmigen Gerüst befestigt sind (Abb. 9.7). Die Konstruktion der Polycon-Elektroden ist gut entwickelt (Singer 1972; Hauschild et al. 1987; Schufft 1991).

9.1.4 Steuerung, Messung und Kommunikation Die Steuerungen in einem HV-Labor sollten nicht nur einzeln mit einem einzigen HV-Testsystem verbunden sein (Abb. 2.8), sondern auch untereinander und mit Hilfseinrichtungen. Es wird empfohlen, dass alle Steuer- und Messgeräte mit industriellen Personalcomputern (IPC) ausgestattet sind, die über ein gemeinsames Bussystem miteinander verbunden sind. Dies kann sogar so gestaltet werden, dass ein bestimmter HV-Kreis von jedem der IPCs im Kontrollraum gesteuert werden kann (Abb. 9.8). Auch externe Testdaten, z. B. die atmosphärischen Bedingungen, Daten von Regen- oder Fremdschichtprüfungen., sowie die korrekte Funktion

9.1  Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen

443

normalisierte Feldstärke E(x)/Ecyl 1 1.1 1.2 0 2 1m

3.5m

cm 4 6

Hälfte der Schwei ßnaht

Zylindrischer Teil der Elektrode

8 Abstand von der Mitte der Schweißnaht x

Beispiel: Zylindersegmentelektrode für die oberste Abschirmung eines 2,25-MV-Kaskaden transformators für den Betrieb im Freien

Abb. 9.6  Zylindersegmentelektrode für einen 2.25-MV-Wechselspannungsprüfsystem

des Sicherheitssystems sollten aufgezeichnet werden. Der Prüfingenieur kann die computergestützte Auswertung der Prüfung für den Prüf bericht nutzen. Das IPC-Steuer- und Messsystem ermöglicht einen automatischen Betrieb des HV-Prüfsystems, was eine bessere Reproduzierbarkeit der Prüfparameter, die direkte Aufzeichnung und Auswertung der gemessenen Daten gewährleistet. Daher kann es die Prüfdauer verkürzen und Arbeitskräfte einsparen. Dies ist insbesondere bei Prüfung von Massenerzeugnissen (ggf. in Kombination mit anderen, nicht-hochspannungstechnischen Tests), bei Lebensdauerprüfungen und bei groß angelegten Prüfungen für Forschung und Entwicklung wichtig. Ein vollständig automatischer Testablauf kann für HV-Tests an wertvollen, einzelnen Geräten wie Transformatoren oder GIS-Anlagen nicht empfohlen werden. In diesem Fall ist ein computergestützter Ablauf mit Entscheidungen des Bedieners optimal.

444

9 Hochspannungsprüflaboratorien

Abb. 9.7  Elektroden für UHV-AC-Spannungskomponenten. a Verschiedene Polycon-Elektroden und eine konventionelle Kugelelektrode, bzw. toroidale Elektroden (EHV-Labor der Technischen Universität Dresden). b Gerüst einer Polycon-Elektrode (Durchmesser 3 m)

Das Computer-System des Laboratoriums kann mit dem lokalen Netzwerk (LAN) des Unternehmens oder der Institution verbunden werden. Am wichtigsten ist die Verbindung zwischen dem HV-Prüffeld und prüffeldern für andere Prüfungen und Messungen. Dies ermöglicht einen gemeinsamen Prüfbericht für das Produkt. Darüber hinaus kann der aktuelle Prüstatus auch an einem anderen Ort, z. B. einem Kundenraum während eines Abnahmetests oder einer Studentengalerie an einer Universität während einer HV-Demonstration, beobachtet werden. Eine Verbindung zum Internet ermöglicht einen Fernwartungsservice des Lieferanten des Prüfsystems (siehe Abschn. 2.2).

9.2 Planung von HV-Laboratorien Es gibt viele Veröffentlichungen zum Design von HV-Prüfabors, und ihr Studium ist immer nützlich für die Planung von HV-Labors. Es ist unmöglich, hier alle zu erwähnen, aber im folgenden Abschnitt werden neben den Erfahrungen der Autoren insbesondere die Bücher von Prinz et al. (1965), Hylten-Cavallius (1988) und Schwarz et al. (1999) sowie Veröffentlichungen von Läpple (1966), Mosch et al. (1974), Hauschild und Fahd (1978), Krump und Haumann (2011) und Hopke und Schmidt (2011) berücksichtigt. Jedes HV-Labor muss gemäß den speziellen Anforderungen des späteren Benutzers entworfen werden. Dieser Abschnitt gibt Hinweise für Details, die bei der Planung neuer oder der Modernisierung bestehender HV-Labors zu berücksichtigen sind.

9.2  Planung von HV-Laboratorien

445

(a) HV-Testfeld:

HV-Testfeld:

HV-Testfeld:

Geräte für Prüfungen mit induzierten Wechselspannungen

Geräte für Prüfungen mit angelegten Wechselspannungen

Ausrüstung für Prüfungen mit LIund SI-Spannungen

Messung: Spannung, Strom, PD

Messung: Spannung, Strom über Digitizer

Messung: Spannung PD

Leitstand: Manuelle und computergestützte Bedienung, Schadensermittlung, Datenverarbeitung

Leitstand: Manuelle und computergestützte Bedienung, Datenverarbeitung

Steuerpult: Manuelle und computergestützte Bedienung

Fernzugriff

Fernzugriff

Fernzugriff

LAN des Unternehmens

andere Testgebiete

Management

Firewall

INTERNET

Remote Service Center

(b) Prüfung der induzierten Spannung, Verlust- und TE-Messung

Prüfungen mit angelegter Spannung Spannung, PD-Messung Strommessung

LI/SI Spannungstests Transientenrekorder für

Abb. 9.8 Kontrollraum eines Transformatorenprüffeldes (mit freundlicher Genehmigung der Siemens AG, TBD Dresden). a Prinzipschaltbild. b Steuerpult und Rack

446

9 Hochspannungsprüflaboratorien

9.2.1 Erforderliche Räume und Grunddesign Kleine Details in einem HV-Labor erleichtern die Arbeit der Prüfingenieure und sorgen für eine effiziente Abwicklung. Eine gute Planung ist daher die notwendige Voraussetzung für einen späteren reibungslosen Betrieb des Labors. Die Anwendung bestimmt daher das Grunddesign des HV-Labors. Für Stückprüfungen kann das HV-Prüffeld ein einzelner Prüfraum oder nur ein Prüfbereich am Ende der Fertigungsstrecke sein. Dann bestimmen die ausgewählten HV-Prüfsysteme und die Abmessungen der Prüfobjekte die Größe des Raums. Als Beispiel zeigt Abb. 9.9 ein recht kompaktes, gut abgeschirmtes Prüffeld für Stück- und Typprüfungen an Transformatoren mit einer Nennspannung von bis zu 245 kV. Es umfasst die Einrichtungen für induzierte und angelegte AC-Spannungstests sowie für LI/LIC/SI-Spannungstests in einem Raum von nur L × W × H = 18,3  m × 13,3  m × 12,3 m (Hopke und Schmidt 2011). Ein solches Prüffeld muss sich nicht nur den Anforderungen der HV-Tests, sondern auch den Anforderungen der Produktion und des Produktflusses anpassen. Dazu gehören die Art der Beförderung der Prüfobjekte (z. B. Luftkissen, Schienen, Kran), der erforderliche Platz und die Freiräume für die HV-Prüfungen sowie die erforderTransformator unter Test Stromversorgung für Impulsprüfsystem 2 MV Prüfungen der induzierten Teiler und Abschneidefunkenstrecke Spannung + HV-Filter

ACRF-Prüfsystem für Prüfungen mit angelegter Spannung, PD-Prüfkreis

Abb. 9.9 Testfeld für Stück- und Typprüfungen an Transformatoren. Courtesy Siemens AG, TBD Dresden

9.2  Planung von HV-Laboratorien

447

lichen Messbedingungen (z. B. der PD) in einer industriellen Umgebung. Der Prüfraum muss durch einen abgeschirmten Kontrollraum und einen Stromversorgungsraum ergänzt werden. Ein universelles HV-Labor für Forschung, Entwicklung und Ausbildung erfordert viele Prüf- und Hilfsräume. Die Größe des größten Laborraums wird durch die höchste erforderliche Prüfspannung bestimmt. Es ist nützlich, einen zweiten universellen Prüfraum für Geräte mit deutlich niedrigerer Nennspannung zu haben. Für die Ausbildung werden kleinere Prüfräume empfohlen, die jeweils einen oder zwei Prüfbereiche enthalten. Darüber hinaus sind häufig spezielle Labors für Kabelprüfungen, Schadensprüfungen, Kalibrierungen sowie für Ölund Feststoffisolierung erforderlich. Die Auswahl der Räume soll anhand des folgenden Beispiels erläutert werden: Beispiel (Abb. 9.10) Ein universelles Hochspannungslabor soll als nationales Hochspannungslabor eines Landes errichtet werden. Es wurde beschlossen, das Labor in der Nähe des Campus einer Universität zu errichten und es auch für die Ausbildung von Studenten zu verwenden. Das größte zu testende Gerät ist für eine Nennspannung von 550 kV ausgelegt. Daher sind die höchsten Prüfspannungen 1550 kV LI, 1705 kV LIC, 1175 kV SI (Tab. 1.2) und 680 kV AC (IEC 60076-3:2012). Gemäß den in Abschn. 1.3 beschriebenen Grundsätzen werden die folgenden Nennwerte der größten HochspannungsPrüfsysteme ausgewählt: 3000 kV Impulsspannung (LI; LIC: SI) mit einer höchsten SI-Ausgangsspannung von 1800 und 1000 kV (AC). Darüber hinaus wird beschlossen, ein Gleichspannungstestsystem von 1000 kV (erweiterbar auf 2000 kV) zu haben, um zukünftige Anforderungen an Gleichspannungstests zu erfüllen. Nach Berücksichtigung der erforderlichen Freiräume und des erforderlichen Raums für die Prüfobjekte wurde ein Hochspannungslabor mit einer Länge von 40 m, einer Breite von 30 m und einer Höhe von 25 m ausgewählt (Abb. 9.10). Die Prüfsysteme sind in drei Ecken des Hochspannungshauses angeordnet. Der Kontrollraum (gelb) ist in der vierten Ecke. Das Hochspannungslabor (HV) soll zum Testen von Ausrüstungen der Energieversorgung mit einer Nennspannung bis zu 145 kV verwendet werden. Es ist daher mit einem 800-kV-Impuls-Testsystem und einem 400-kV-AC-Testsystem ausgestattet. Der zugehörige Kontrollraum (Abb. 9.10) ist in einer Ecke. Die drei MV-Labore sind für die Ausbildung von Studenten geplant. Jedes von ihnen soll mit zwei kleinen Hochspannungsprüfflächen für Spannungen im Bereich bis zu 100 kV ausgestattet sein. Das Labor wird durch eine Reihe von Spezialprüfräumen abgeschlossen. Es gibt ein spezielles HV-Kabelprüflabor mit einer großen Tür nach draußen für die Kabelrollen. Wie die anderen beiden Labors ist auch dieses Labor einschließlich seines Kontrollraums gut abgeschirmt. Das Kabelprüflabor wird durch ein Freiluftfeld für Präqualifikationsprüfungen von Kabeln abgeschlossen. Der zugehörige Kontrollraum mit einem Fenster nach draußen befindet sich im Zwischengeschoss. Der Bereich vor der EHV-Halle wird für ein späteres Freiluft-EHV- oder UHV-Testfeld freigehalten. Auch ein zugehöriger Kontrollraum im Zwischengeschoss ist für die Zukunft geplant. Ein Verschmutzungstestlabor kann über eineDurchführung an das AC-Testsystem der EHV -Halle angeschlossen werden (Alternativ ist der Raum groß genug für seinen eigenen leistungsstarken Prüftransformer. Auch ein klimatisiertes Kalibrierlabor ist Teil der Planung (links)). Es gibt viele Nebenräume, die erforderlich sind, z. B. den Strom Versorgungsraum(s), Lager, Werkstätten, Seminar- und Konferenzräume, Büros für den Direktor und sein Personal. Zusätzliche Funktionsräume wie IT-Serverraum, Küchen, Waschräume usw.

9 Hochspannungsprüflaboratorien

448 Direktor Sitzungen Verwaltung Besucher Galerie

Seminar raum

Sekretärin

Obergeschoss

Funktions räume

Erdgeschoss Büros oder kleine Kalibrierlaboratorium

Laboratorien Geschäfte

HV-Labor

EHV-Prüflabor

Kontrollraum

Hochspannung skabellabor, Kontrollraum

control room

medium voltage labs (space for later extension)

(Raum für spätere Erweiterung)

Stromversorgung für Freiluftprüffeld Präqualifizierungsprüfungen für Kabel

VerschmutzungsPrüflabor

Abb. 9.10  Planung der Anordnung der Räume eines universellen Hochspannungslabors

sollten geplant werden. Die Anordnung dieser Räume wird mit der Fortsetzung des obigen Beispiels erläutert: Normalerweise kann ein HV-Labor nicht zu viele Lagerräume haben. Möglicherweise ist der zwischen der EHV und dem HV-Labor vorgesehene Raum dafür nicht ausreichend. Im Gegensatz dazu gibt es im Erdgeschoss eine mechanische Werkstatt und im Zwischengeschoss eine elektronische Werkstatt. Der Bereich unter dem Kalibrierlabor kann als Konferenzraum genutzt werden. Im Obergeschoss (Abb. 9.10) ermöglicht ein Seminarraum die Unterrichtung von bis zu 60 Studenten. Der Unterrichtsraum ist mit einer Besuchergalerie verbunden, die das Beobachten von Experimenten in der EHV-Halle ermöglicht (ähnlich wie in Abb. 9.11). Darüber hinaus wird das Obergeschoss für alle Büros, für Funktionsräume und für kleine Labors genutzt, z. B. für mechanische oder chemische Untersuchungen von festen Isoliermaterialien und Isolieröl.

9.2  Planung von HV-Laboratorien HV-Labor mit Prüfhalle 32m x 24m x 20m 1000 kV AC Spannung

449 2400 kV LI Spannung

Abb. 9.11  Gebäude und Studentengalerie im HV-Labor der Universität Damaskus

Rechteckige Prüfräume können als optimale (Abb. 9.11, 9.12 und 9.13) betrachtet werden. Sie können durch Sicherheitszäune für parallele Tests gut in zwei separate Testbereiche unterteilt werden. Das Verhältnis zwischen Breite W und Länge L hängt von den erforderlichen Prüfspannungen ab. Wenn nur Wechsel- und ImpulsSpannungen erforderlich sind, scheint das Verhältnis W/L ≈ 0,5 … 0,6 am besten geeignet zu sein. Bei den drei Spannungsquellen (Wechselstrom; Gleichstrom und Impuls) ist das Verhältnis W/L ≈ 0,7 … 0,8 besser angepasst. Große Prüfobjekte werden zwischen den Prüfsystemen angeordnet. Heute können die Hochspannungs-Generatoren auf Luftkissen (siehe Abschn. 9.2.5.3) platziert und an die optimale Prüfposition oder in eine Ecke bei Nichtbenutzung bewegt werden. Kleinere Komponenten des Hochspannungs-Prüfkreises können mit Rädern ausgestattet und ebenfalls an optimale Prüfpositionen oder auf einen leeren Bereich abgestellt werden. In der Regel sind an den oberen Enden der Prüfsysteme die größten Freiräume (Abstände) an Wänden und Decke erforderlich. Daher kann eine Begrenzung des Freiraums, die manchmal durch eine parabolische Querschnittsform (Abb. 9.14a) angewendet wird, nicht empfohlen werden, sondern eine rechteckige Form (Abb. 9.14b). Die geringere Nachfrage nach Freiraum in der Nähe seines Bodens kann für zusätzliche kleine integrierte Testbereiche geringerer Prüfspannungen oder für Lagerräume innerhalb einer rechteckigen Struktur verwendet werden. HV-Laboratorien sind beeindruckende technische Räume. Daher sollte eine ausgefeilte Planung nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch eine gewisse ästhetische Planung berücksichtigen. Die dreidimensionale Gestaltung bietet die besten Möglichkeiten für die ästhetische Planung (Abb. 9.15, die mit Abb. 9.4 in Verbindung steht). Die ausgewogene Planung der Farben zwischen HV-Prüfsystemen, Wand, Decke und Boden wird sehr empfohlen. Das Kontrollzimmer ist oft der Ort, an dem auch Besucher auftauchen, die aus ihrem Eindruck auf die Qualität der HV-Prüfung schließen. Daher sollte der Schreibtisch (oder Tisch oder Rack) klar angeordnet, einheitlich gestaltet (auch für Prüfsysteme unterschiedlicher Hersteller) und gut im Raum platziert sein. Die Höhe eines Schreibtisches sollte der unteren Rahmen des Fensters entsprechen (Abb. 9.8). Es sollte zusätz-

9 Hochspannungsprüflaboratorien

450 LI/SI-Generator 2400 kV

Prüfobjekt:Isolatoren 1m Messkugel

AC-Prüfanlage 1200 kV

Pressgaskondensator 1200 kV

Abb. 9.12  EHV-Labor der Technischen Universität Dresden (Gebäude errichtet 1930)

licher Platz auf dem Schreibtisch für spätere Erweiterungen durch verschiedene Instrumente vorhanden sein, um den schlechten Eindruck zusätzlicher Standalone-Geräte auf einem Schreibtisch mit integrierten Instrumenten zu vermeiden.

9.2.2 Erdung und Abschirmung Erdung und Abschirmung, Prüffelderdung, elektromagnetische Abschirmung und Erdrückführung eines Prüfkreises werden oft miteinander verwechselt, nicht nur theoretisch, sondern noch schlimmer in der Praxis. Zunächst sollen die verschiedenen Begriffe durch ihre Beschreibungen definiert werden: Gebäudeerderung: Jedes HV-Laborgebäude muss hauptsächlich wegen seines Blitzschutzes geerdet werden. Die Gebäudeerderung besteht aus den Stahlbetonbewehrungen des Gebäudes, den Fundamenterdern und gegebenenfalls zusätzlichen Erdungsstangen. In einem Gebäudekomplex sind die verschiedenen Gebäudeerderungen miteinander verbunden. Die Gebäudeerderung kümmert sich nicht um die Reduzierung externer Störsignale.

9.2  Planung von HV-Laboratorien

451

Wechselspannungsprüfsystem 1200 kV LI/SI-Spannungsprüfsystem 2000 kV

Abb. 9.13  EHV-Labor der Technischen Universität Cottbus (errichtet 1998)

Freiraum zur Decke ausreichend, zu den Seiten zu geringer Abstand

Freiraum zu Decke und Wänden hinreichend

Platz für einen eingebauten Kontrollraum, kleine Testbereiche oder Lager

Abb. 9.14  Querschnitte von HV-Laboratorien

9 Hochspannungsprüflaboratorien

452 Abb. 9.15 Dreidimensionale Planung eines HV-Laboratoriums

LI/SI-Prüfsystem 3000 kV mit Teiler und Abschneide-Funkenstrecke

DC-Generator1500 kV, AC-Prüfsystem 1200 kV Stromversorgungsraum Teiler, HV-Filter

Teiler, Koppel- und Standardkondensator

Prüffelderdung: Die oberen Bodenschichten werden durch die Erdrückleitung von elektronisch angetriebenen Maschinen und Geräten in einer Fabrik beeinflusst. Kurz gesagt, sie sind nicht frei von Störsignalen. Daher sollte ein leitender Kontakt der Prüffelderdung mit den oberen Bodenschichten und der Gebäudeerdung vermieden werden. Die Prüffelderdung soll durch Erdungsstangen realisiert werden, die einige Meter in das Grundwasser eintauchen und entlang ihrer ersten Meter elektrisch isoliert sind. Der effektive Erdwiderstand der parallelen Verbindung aller Erdungsstangen soll 2 Ω nicht überschreiten. Elektromagnetische Abschirmung: Ein elektromagnetisches Feld, das durch hochfrequente Störsignale verursacht wird, kann Messungen in einem HV-Schaltkreis stören (Kap. 4). Nach der berühmten Beobachtung von Faraday existiert innerhalb eines geschlossenen metallischen Behälters kein elektrisches Feld. Daher sind HV-Laboratorien durch eine geschlossene metallische Struktur vor dem Eindringen elektromagnetischer Felder zu schützen, die sowohl von der Erde als auch von der Gebäudeerdung getrennt ist und an einem Punkt nur mit der Prüffelderdung verbunden ist. Erdrückleitung: Jeder HV-Prüfkreis muss an einem Punkt in der Nähe des Spannungsteilers oder des Prüfspannungsgenerators mit der Prüffelderdung verbunden sein. Er sollte seine eigene Erdrückleitung mit möglichst geringer Induktivität haben (siehe Abschn. 7.1.2.3). Nur in besonderen Fällen kann empfohlen werden, die Prüffelderdung als Erdrückleitung zu verwenden. Gebäudeerdung, Prüffelderdung, elektromagnetische Abschirmung und die Erdrückleitung(en) der einzelnen Prüfsysteme müssen nur an einem Punkt verbunden werden, um ein gemeinsames stationäres Erdpotential sicherzustellen und eine Erdschleife zu vermeiden, die als Antenne für externe Störsignale dienen könnte. Für Stromkabel von den Reglern zum Prüfraum ist ein Kabelkanal entlang

9.2  Planung von HV-Laboratorien

453

der (geschirmten) Wände mit metallischen Rahmen und Abdeckungen erforderlich. Rahmen und Abdeckungen müssen mit der Abschirmung des Bodens verbunden sein. Die Verbindung der Bodenabschirmung mit der der Wände muss über den Kabelkanal erfolgen. Wenn ein HV-Labor errichtet wird, ist die mechanische Gestaltung des Bodens in Bezug auf die erforderliche maximale Last durch Prüfgeneratoren und Prüfobjekte zu berücksichtigen. Auch die Art der Beförderung, z. B. durch Luftkissen, muss berücksichtigt werden. Die Stahlverstärkung des Betons bildet einen Teil der Abschirmung des Bodens. Sie muss durch eine geeignete Kunststofffolie vom Boden isoliert werden, die einzelnen Stahlstäbe der Armierung müssen zusammengeschweißt werden. Auf derArmierung sollen breite Metallbänder kreuzweise verlegt in den Kreuzungspunkten verschweißt und ebenfalls mit der Armierung (Bewehrung)verschweißt werden. Das vervollständigt die Abschirmung des Bodens (Abb. 9.16a). Der Grundbeton wird in der Regel durch eine Schicht Endbeton abgeschlossen, die eine spezielle Glasfaserverstärkung enthalten kann. Der Endbeton erfordert eine sehr glatte Oberfläche oder eine Epoxidbeschichtung für die Beförderung mit Luftkissen (siehe Abschn. 9.2.5.3). Die Oberfläche des Bodens wird durch Erdungskästen und Verbindungskästen unterbrochen (Abb. 9.16b). Die metallischen Erdungskästen sind mit dem Abschirmungsboden verbunden. Der innere Teil ist davon isoliert und durch isolierte Kupferstangen mit den Erdungsstäben und/oder deren Verbindungen verbunden. Außerdem sind im Stahlbetonboden metallische Rohre zwischen den HVPrüfsystemen und dem Kontrollraum für Steuer- und Messleitungen vorgesehen. Sie sind über die Verbindungskästen zugänglich. Auch Messinstrumente können in einem Verbindungskasten angeordnet werden, z. B. die PD-Mess impedanz und

Anschlüsse an die Wandabschirmung aus geschweißten Stahlbändern und geschweißten Bewehrungen des Betons

(a)

Dosen für Anschlüsse an die Erde und für Messkabel

(b)

Abb. 9.16 Abschirmung des Bodens eines HV-Labors. a Vorbereitung der Abschirmung des Bodens. b Erdungs- und Anschlusskästen

454

9 Hochspannungsprüflaboratorien

das PD-Messinstrument in einem Kasten in der Nähe des Kopplungskondensators (Abb. 9.17). Die Abschirmung der Wände soll mehrere Funktionen erfüllen: Neben der elektromagnetischen Abschirmung soll sie auch eine Wärmeisolierung und ein Schallabsorber sein. Eine perfekte Abschirmung von >100 dB bis 100 MHz – wie üblich für die EMC-Abschirmung von Computerzentren und EMC-Testbereichen – ist für einen HV-Testraum nicht erforderlich. Die PD-Messung nach IEC 60270 wird in der Regel bei Frequenzen bis zu 1 MHz durchgeführt, weshalb eine Dämpfung ⪰100 dB bis 5 MHz für die meisten Labors ausreicht. Dies kann mit Paneelen aus zwei Schichten verzinktem Stahl (Abb. 9.18) erreicht werden. Die untere Schicht (Abb. 9.18a) trägt die Wärmeisolierung (schwarz, z. B. Steinwolle), die gleichzeitig der Schallabsorber ist. Die obere Schicht besteht aus perforierten Stahlplatten und ist an den unteren Platten befestigt (Abb. 9.18b, c). Die Platten jeder Schicht untereinander sowie die beiden Schichten miteinander sollten überlappen und sorgfältig zusammengeschraubt werden, um einen zuverlässigen elektrischen Kontakt herzustellen. Stattdessen können die Punkte alle 50–100 cm geschweißt werden. Die Abschirmung der Decke (Abb. 9.19) kann nach demselben Prinzip wie die der Wände erfolgen. Die Decke enthält jedoch in der Regel Heizungs-, Beleuchtungs- und Klimaanlagen . Die Heizungsmodule sind ebenfalls aus Stahl und können als Teil der Abschirmung verwendet werden. Die Abschirmungspanele

Abb. 9.17  Verbindungskasten mit einem Messinstrument. Courtesy of HSP Cologne

9.2  Planung von HV-Laboratorien

455

Abb. 9.18 Abschirmung der Wände (Courtesy of HSP Cologne). a Untere Schicht, die die Wärmeisolierung trägt (schwarz). b Obere Schicht aus perforierten Stahlplatten. c Überprüfung des elektrischen Kontakts Abb. 9.19 Abschirmung der Decke einschließlich Heizungs-, Beleuchtungsund Klimaanlagen. Courtesy of Siemens AG, TBD Dresden

Kranschiene Heizungspanel Klimaanlage Lampe

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Wa W

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können mit Schrauben oder durch Schweißen an den Heizungsmodulen befestigt werden. Für Lampen und Klimaanlagen sind in der Decke Öffnungen erforderlich, die mit einem Drahtgeflecht aus Stahldrähten mit geschweißten Kreuzungspunkten (Mesh-Breite