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German Pages 246 Year 2020
Christina Irrgang Hitlers Fotograf
Edition Medienwissenschaft | Band 78
... dem Denken, ohne Geländer.
Christina Irrgang, geb. 1983, ist Kunst- und Medienwissenschaftlerin, Autorin und Musikerin. Sie hat an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe bei Wolfgang Ullrich und Bernd Stiegler promoviert. In ihrer Arbeit als freie Autorin legt sie einen Schwerpunkt auf Techniken demokratischer Kommunikation und Gesprächsführung.
Christina Irrgang
Hitlers Fotograf Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-STIFTUNG. Das vorliegende Buch wurde 2018 von der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe unter dem Titel »Hoffmanns Bildindustrie. Eine medienanalytische Beobachtung« als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5305-2 PDF-ISBN 978-3-8394-5305-6 https://doi.org/10.14361/9783839453056 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhalt
Revision ............................................................................ 17 Zur Kontroverse um die Ausstellung »Hoffmann & Hitler« (1994) und zum Forschungsstand um Heinrich Hoffmann.................................... 17 Link zur Materialsammlung und zum digitalen Bildteil ................................ 31 I. Zur Popularität des Mediums Fotografie im Kontext von Avantgarde und Nationalsozialismus ............................. 35 1.
2.
Fotografische Reproduktion – ein neuer Diskurs entsteht ...................... 35 1.1 Das Bild ersetzt das Wort: Eintritt ins Zeitalter der visuellen Kommunikation ...................... 36 1.2 Neue Sichtbarkeitsformate – Neue Formate des Erzählens und Mitteilens ............................ 44 1.3 Bilder verwalten: Bildagenturen und kommerzielle Bildarchive als neuer industrieller Sektor .......................................... 57 Ideologische Vorlagen – Zuschreibungen der Fotografie im nationalsozialistischen System ............................................. 61 2.1 Emanation: Fotografie als das »reine Sein« ............................ 62 2.2 Strukturelle Kopplung: Fotografie als Membran zwischen privatem und politischem Raum ................................................. 65 2.3 Authentizität: Fotografie als Beweiskörper ............................. 70
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie ..... .......................... 77 1. Hoffmann: Visuelle Strukturbildung durch nationalsozialistische Bilder......... 77 1.1 Vom Fotostudio zum Unternehmen: Fotografie im Geiste der nationalsozialistischen Ideologie .................................... 81
1.2
2.
»Könner der Kamera – Kenner der Kunst«: Hoffmann zwischen Original und Reproduktion ......................... 88 1.3 Image-maker I: Das Führerbild als Genre ............................... 94 Bildnarrative – Bildstrategien. Fotografie-politisches Agieren im Kontext von Hoffmanns fotografischen Bildbänden ................................................... 99 2.1 Vor der Reichskanzlerwahl: »Hitler wie ihn keiner kennt« (ab 1932)..... 102 2.2 Arbeit an der Zukunft: »Jugend um Hitler« (ab 1934)................... 128 2.3 Das Bild als Mission: Stanley McClatchies »Look to Germany, the Heart of Europe«/»Sieh, das Herz Europas« (1937) und die Distribution deutscher Ideologie in Los Angeles ................... 137 2.4 Bündnispolitik und internationale Beziehungen – die Achse Berlin–Rom: »Mussolini erlebt Deutschland« (ab 1937) und »Hitler in Italien« (ab 1938) ....................................... 149 2.5 Territoriale Eroberung und Zwangsarbeit im ›rechten‹ Licht: »Mit Hitler in Polen« (ab 1939) und »Wir arbeiten bei Junkers« (1943) .. 158
Nachbildung ....................................................................... 177 1. Zum Fortbestehen der Fotografien der Firma Heinrich Hoffmann seit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes: Faktischer, illustrativer und affirmativer Gebrauch ............................ 177 2. Image-maker II: Welches Bild Heinrich Hoffmann hinterlässt .................. 189 QUELLEN ......................................................................... 203 LITERATUR ........................................................................ 221
»Was immer propagandistisch geschieht, bleibt zweideutig.«1
»Alles hängt davon ab, dass das System nicht selbst Kontakt mit der Umwelt aufnimmt,
sondern
dass
es
nur
photochemisch oder akustisch durch Wellen gereizt wird und dann mit dem eigenen Apparat daraus Informationen produziert, die in der Umwelt nicht vorhanden sind, sondern dort Korrelate haben, die aber wiederum nur ein Beobachter sehen kann.«2
1
Adorno, Theodor W.: »Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit«, in: Kadelbach, Gerd (Hg.): Theodor W. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit – Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959-1969, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1970, S. 27.
2
Luhmann, Niklas: Einführung in die Systemtheorie, hg. und mit einem Vorwort v. Dirk Baecker, Auer, Heidelberg 2009, S. 122. Transkription der im Wintersemester 1991/92 an der Universität Bielefeld von Niklas Luhmann gehaltenen gleichnamigen Vorlesung.
»Die Erde ist noch rund, aber die Geschichten sind viereckig geworden.«
Ödön von Horváth, 1937 in: ders., Jugend ohne Gott, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2015, S. 50.
Obere Abbildung: Ausstellungsansicht Frank Stella – Die Retrospektive, 1996, Haus der Kunst, München. © Haus der Kunst/Foto: Wilfried Petzi. »What you see is what you see«, Aussage von Frank Stella, in: Rosenberg, Harold: The De-Definition of Art, University of Chicago Press, Chicago 1972, S. 125. »Typeface Anna Mettbach« von Bea Schlingelhoff aus der Font-Serie »Women against Hitler« (2017). Untere Abbildung: Ausstellungsansicht Große Deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst München, Abb. in: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Kunst dem Volk – Monatsschrift für Bildende und Darstellende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk, 10. Jg., Folge 8 (August 1939), Sonderheft Große Deutsche Kunstausstellung, Teil II, Verlag Heinrich Hoffmann, Wien 1939. Privatbesitz. Bild-Text-Arrangement – C.I.
»Im Grunde war doch jedes Foto wie ein zweiseitiger Spiegel […].«
Detlef Orlopp am 1. November 2017 in einem Brief an die Autorin.
»Manche werden geblendet bleiben, unheilbar.«
»[…] Fotografien und Nachbildungen an Stelle der Wirklichkeit […].«
Erstes Zitat: Marguerite Duras am 28. April 1945, in: dies., Der Schmerz, Wagenbach, Berlin 2015, S. 59. Zweites Zitat: HIROSHIMA MON AMOUR (F 1959, R: Alain Resnais), D: Marguerite Duras, TC 04:15-04:42.
»Ihnen kann ich es ja sagen: Ich wollte leben. Ich weiß nicht wozu, denn ich hatte niemanden mehr. Keinen Mann, keine Familie, niemanden. Aber ich wollte leben. Mein Auge war weg, ich hatte Hunger, und ich fror – aber ich wollte leben. Warum? Ich kann es Ihnen sagen: Um es später zu erzählen, so wie ich es jetzt Ihnen erzähle.«
Zofia Nałkowska, 1945 in: dies., »Grüne Dwojra«, in: dies., Medaillons – Acht Geschichten vom Leiden der Polen und der polnischen Juden, Suhrkamp, Berlin 1968, S. 4152, hier S. 48.
»Es gibt eine Grammatik und, wichtiger noch, eine Ethik des Sehens.«
Susan Sontag, 1977 in: dies., Über Fotografie, Fischer, Frankfurt a.M. 2010, S. 9.
»Wenn es stimmt, dass die Menschen selten aus der Geschichte lernen, gilt auch, dass sie aus persönlichen Erfahrungen lernen können, die, wie in unserem Fall, immer und immer wiederholt werden.«
Hannah Arendt, 1943. Arendts Aufsatz »We Refugees« erschien erstmals 1943, die deutsche Übersetzung unter dem Titel »Wir Flüchtlinge« erschien 1986. Zitat in: dies., Wir Flüchtlinge, Reclam, Stuttgart 2016, S. 32. Vgl. auch S. 39.
Revision
Zur Kontroverse um die Ausstellung »Hoffmann & Hitler« (1994) und zum Forschungsstand um Heinrich Hoffmann 1994: Der Medienforscher und Künstler Rudolf Herz eröffnet im Fotomuseum des Münchner Stadtmuseums seine Ausstellung »Hoffmann & Hitler – Fotografie als Medium des Führer-Mythos«, die er zusammen mit Dirk Halfbrodt kuratiert und dort vom 19. Januar bis 4. April unter der Museumsleitung von Ulrich Pohlmann präsentiert. Die Ausstellung wie auch der gleichnamige Katalog1 sind das Ergebnis seiner zehnjährigen Forschung zu dem Fotografen Heinrich Hoffmann (1885-1957), bekannt als Bildberichterstatter Adolf Hitlers. Herz legt mit seiner sehr gut recherchierten Arbeit einen wesentlichen Grundstein für die medienanalytische Betrachtung von Hitlers ›Hoffotograf‹. Seine Publikation bildet bis heute ein zentrales Referenzwerk in der Forschung zu nationalsozialistischer Bildpropaganda. Trotz der umfangreichen Kontextualisierung und wissenschaftlichen Verortung der in »Hoffmann & Hitler« thematisierten fotografischen Bildpropaganda um Adolf Hitler, die durch Heinrich Hoffmann maßgeblich geprägt wurde, bildet die Ausstellung 1994 aber eine Kontroverse. So ist beabsichtigt, die Schau im Anschluss an die erfolgreiche Münchner Präsentation mit etwa 60.000 Besucherinnen und Besuchern auch im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin sowie im Historischen Museum Saar in Saarbrücken zu zeigen – doch beide Ausstellungen werden von den jeweiligen Museen abgesagt. Das DHM erfährt nach Bekanntgabe des Ausstellungsprogrammes für das Jahr 1994 eine Welle an Kritik von verschiedenen Seiten. 1
Herz, Rudolf: Hoffmann & Hitler – Fotografie als Medium des Führer-Mythos, Ausst.kat., Münchner Stadtmuseum, Klinkhardt & Biermann, München 1994. Die Ausstellung fand vom 19.01.-04.04.1994 statt. Die Grundlage der Ausstellung und des Buches bildete die Dissertation von Herz.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Man traute der Ausstellung »Hoffmann & Hitler« keine Eigenständigkeit zu, war doch die Münchner Ausstellung in ein umfangreiches kuratorisches Programm rund um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus eingebettet. So bildeten im Münchner Stadtmuseum 1993/94 die Ausstellungen »Hauptstadt der Bewegung – München und der Nationalsozialismus« sowie »Bauen im Nationalsozialismus« einen kontextuellen Rahmen um die Schau »Hoffmann & Hitler«, wohingegen man in Berlin, und daran anschließend in Saarbrücken, ein Missverstehen der Präsentation von Hitlerbildern ohne umfassende Kontextualisierung fürchtete. Das DHM erreichten kritische Schreiben und Einwände unter anderem von der Jüdischen Gemeinde Berlin, von der Humanistischen Union, von der Berliner Vereinigung ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand und vom Bund der Antifaschisten.2 Die Kritik an der Umsetzung der Ausstellung bezog sich vorwiegend auf die Sorge, dass die Ausstellung zum Anziehungspunkt für Rechtsradikale werden könne, oder dass eine Gesamtgeschichte der NS-Diktatur zur kontextuellen Einordnung fehle. In einer Pressemitteilung vom 29. März 1994 verkündete der damalige Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, den Ausschlag für die Absage der Ausstellung hätten schließlich die Bedenken von Jerzy Kanal, dem damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegeben. So »verletze die öffentliche Präsentation von Hitler-Portraits die Gefühle der jüdischen Menschen«, ergänzt durch ein persönliches Zitat Kanals: »Es tut uns weh«.3 Das Nachwirken der Bilder wurde nicht nur in Kanals Äußerung bezüglich der Verletzungen/des Schmerzes deutlich. So erachtete die Humanistische Union Rudolf Herz’ Ausstellungskatalog als »Prunkband«4 und die Präsentation der Ausstellung als »politisch gefährlich«5 , auch in Hinblick darauf, dass die Ausstellung »im Vorfeld von ›Führers Geburtstag‹«6 , also auch am 20. April, zu sehen gewesen wäre, sowie dahingehend, dass die im
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DHM Archiv, Hoffmann & Hitler, Pressemeldungen 1994, Vorl. 1.4, April 1994. Ebd. Brief der Humanistischen Union von der Vorsitzenden Ingeborg Rürup und Vorstandsmitglied Albert Eckert MdA an das DHM vom 16.03.1994, in: DHM, GD Stölzl, Ausstellungen, abgelehnte Sonderausstellungen, Hoffmann & Hitler, 1994. Ebd. Ebd. Die Tage um den 20. April 1994 waren per se politisch aufgeladen, weil das Fußball-Länderspiel auf ebenjenen Termin im Berliner Olympia-Stadion angesetzt worden war. Aus Angst vor rechtsradikalen Pilgerbewegungen wurde das Fußballspiel schließlich ebenfalls abgesagt.
Revision
Ausstellungskatalog gezeigten Hitler-Portraits in ihrer Darstellung zu hochwertig, ja zu künstlerisch und wertvoll präsentiert seien. An der geplanten Ausstellung der Hoffmann’schen Hitler-Bilder im DHM entzündete sich ein Politikum, wobei zwischen den Zeilen nicht nur eine – ethisch begründete – Abneigung gegenüber den Propagandabildern Hitlers deutlich wurde, sondern vor allem ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenes Trauma. Diese Einschätzung drängt sich auf, vergleicht man das Urteil der Humanistischen Union über Rudolf Herz’ Publikation, nämlich »der schwergewichtige Katalog biete [für die Untersuchung der Hitler-Portraitfotografie in ihrem Funktionszusammenhang der NS-Propaganda, Anm. d.A.] nur Ansatzpunkte und sonst viel Verzichtbares«7 , mit der tatsächlichen wissenschaftlichen Qualität des Buches. Das Urteil der Humanistischen Union zeigt grundlegende Zurückweisung. Die Antifa-Treptow sah in der Präsentation von Herz’ Forschungsergebnissen sogar eine Aufwertung des Lebenswerkes von Heinrich Hoffmann.8 Sie forderte Gegenbilder, nämlich von dem durch den NS-Staat vollzogenen Völkermord, sie forderte eine Vollständigkeit der Sicht. Als Einschränkung der Sicht wiederum wurde die Absage der Ausstellung aus wissenschaftlicher Perspektive kritisiert: So beurteilte Marion G. Müller vom Graduiertenkolleg »Politische Ikonographie« in Hamburg den Rückzug der Ausstellung als »falsches Signal«, »der Aufklärung und der Entlarvung des Hitler-Mythos abträglich«, sowie als »Angriff auf die Erklärungskraft historischer Bildwissenschaft«.9 Auch seitens der Freien Universität Berlin wurden Bedenken hinsichtlich der Einschränkung wissenschaftlicher Erkenntnis und Freiheit geäußert,10 wie auch Martin Warnke von der Universität Hamburg mit Unverständnis bezüglich der Absage des DHM reagierte.11 Schließlich führte die Absage von »Hoffmann & Hitler« auch in der Presse zu einer großen Kontroverse mit breit gefächerten Argumenten: So handele es sich einerseits – getragen von einer akuten Angst vor
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DHM, GD Stölzl, Ausstellungen, abgelehnte Sonderausstellungen, Hoffmann & Hitler, 1994. Brief der Antifa-Treptow – Bund der Antifaschisten e.V., von Johanna Mauer, vom 23.03.1994, in: ebd. Brief vom 04.04.1994, in: ebd. Brief vom 06.04.1994 von Ernst Nolte, FU Berlin, Fachbereich Geschichtswissenschaften, in: ebd. Brief vom 05.04.1994 von Martin Warnke, Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar, an Rudolf Herz, in: DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010, Acc. 2011/30.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Rechtsextremismus12 und im Kontext des Superwahljahres 199413 – um »eine geballte Präsentation von Propagandabildern, die in der heutigen Zeit fehl am Platze sei«14 , und andererseits um die wiederkehrende Frage: »Soll man Hitler im Museum zeigen?«15 Die Süddeutsche Zeitung begegnete solchen Einwänden und Ängsten mit der Titel-These »Hier ist Aufklärung abgesagt worden« und argumentierte, »[…] unser Hauptproblem ist diese ungeklärte Mischung aus Unwissenheit, Atavismen, Irrationalismen, Bequemlichkeit, Feigheit und einem dumpfen Nationalismus, der dann dazu führt, daß solch aufklärerische Unternehmungen gekippt werden.«16 Die Absage der Ausstellung »Hoffmann & Hitler« durch Christoph Stölzl seitens des DHM erscheint im Zuge der erhitzten Stimmen sowie vor dem Hintergrund vordringlicher rechtspopulistischer Bewegungen als eine Ausweglosigkeit, die so auch von Liselotte Kugler für das Historische Museum Saar in Saarbrücken übernommen wurde. Ein souveräner Umgang mit HitlerBildern und der Betrachtung ihrer systematischen Erzeugung war also 1994 trotz präziser analytischer Aufarbeitung durch Rudolf Herz für einen Großteil der Bevölkerung der Bundesrepublik – noch – nicht gegeben, sondern der »Abbruch eines möglichen Dialogs«17 , wie es Ulrich Pohlmann formulierte,
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Erst 1992 ereigneten sich die Ausschreitungen mit rechtsextremer Gewalt in RostockLichtenhagen, ein rassistisch motivierter Angriff auf ein Wohnheim beziehungsweise die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber. Es war bis dahin der schwerwiegendste rechtsradikale Angriff der deutschen Nachkriegsgeschichte, obgleich sich der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik seit 1946 kontinuierlich fortentwickelte. Vgl. hierzu Arndt, Ino/Schardt, Angelika: »Zur Chronologie des Rechtsextremismus – Daten und Zahlen 1946-1989«, in: Benz, Wolfgang (Hg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik – Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Fischer, Frankfurt a.M. 1989, S. 273-324, sowie Benthin, Rainer: Die Neue Rechte in Deutschland und ihr Einfluß auf den politischen Diskurs der Gegenwart, Lang, Frankfurt a.M. 1996. 1994 wurden Bundestag, Europäisches Parlament, acht Landtage sowie die Mandatsträger in den Kommunalvertretungen von neun Bundesländern neu gewählt. Passauer Neue Presse vom 31.03.1994, in: DHM, ÖVA, Pressestelle, Pressearchiv 1994, Hoffmann & Hitler, O-Z, Teil 1. Südkurier Konstanz vom 05.05.1994, in: DHM, ÖVA, Pressestelle, Pressearchiv 1994, Hoffmann & Hitler, O-Z, Teil 1. Süddeutsche Zeitung vom 16.05.1994, in: ebd. Ulrich Pohlmann zitiert aus: »Zwischen Aufklärung und zutiefst verletzten Gefühlen«, Badische Neueste Nachrichten vom 05.05.1994, in: DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010, Acc. 2011/30.
Revision
bis hin zu »tagespolitischem Kalkül«18 . »Der Einspruch gegen Hitlerbilder im Museum war […] doppelbödig, weil dieselben Bilder fortwährend in historischen Beiträgen in Fernsehen, Presse und Publizistik unkritisch reproduziert werden«19 , bemerkte Rudolf Herz im Nachklang auf die Absage. Auch heute noch zirkulieren Heinrich Hoffmanns Fotografien in Fernsehen, Presse, Publizistik und in Schulbüchern, insbesondere aber weltweit im Internet: Zum einen ›offiziell‹ in Form von digitalen Bilddatenbanken wie dem Fotoarchiv Hoffmann, bereitgestellt durch die Bayerische Staatsbibliothek20 (wo Heinrich Hoffmann in überaus missverständlicher Art als Künstler über die Suchmaschine zu finden ist), zum anderen innerhalb einer Grauzone, die sich aus verschiedenen Feldern zusammenfügt wie Militaria-Handel, Auktions-Handel oder reinen Bildportalen wie flickr. Dem Auffinden und Betrachten von Hoffmann-Bildern sind keine Grenzen gesetzt, der Zugriff auf sie erscheint einfacher denn je – dabei entrücken sie immer leichter ihrem Kontext sowie einer kritischen Einordnung, wenn diese nicht explizit benannt wird. Ein Bewusstsein hierfür deutet sich in den Medien an.21 Aber es ist wieder eine Zeit, in der eine rechtspopulistische Gesinnung in der Bundesrepublik mehr und mehr Zulauf hat, und wieder sind es (wie 1994) Debatten um 18
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»Tagespolitisches Kalkül führte schließlich dazu, daß die ursprünglich vereinbarte Übernahme der Ausstellung durch das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Historische Museum in Saarbrücken nicht zustande kam. Einmal mehr manifestierten sich hier bundesdeutsche Schwierigkeiten im Umgang mit Bildern des Nationalsozialismus. Diese Schwierigkeiten sind politischer Natur […]«, formulieren Martin Loiperdinger, Rudolf Herz und Ulrich Pohlmann als Revision im Vorwort zu ihrem Tagungsband, erschienen im Rahmen des 3. Münchner Fotosymposiums (21.-23.01.1994, Münchner Stadtmuseum). Vgl. Loiperdinger, Martin/Herz, Rudolf/Pohlmann, Ulrich (Hg.): Führerbilder – Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film, Piper, München 1995, S. 12. Herz, Rudolf: Zugzwang, Broschüre anlässlich der Ausstellung »Mirroring Evil. Nazi Imagery/Recent Art«, The Jewish Museum, New York 2002, S. 24f. Siehe das Portal: http://bildarchiv.bsb-muenchen.de/ Problematisch ist hierbei, dass die Fotografien als Einzelbilder zu sehen sind, nicht aber in ihrem fotografischen Entstehungs- sowie Produktionskontext: Sie zirkulieren in ihrer Neuordnung als Solitäre, denen der kontextuelle Rahmen fehlt. Mehr kritische Beachtung brachte der Fernsehfilm Das Zeugenhaus (D 2014, R: Matti Geschonneck), nach dem gleichnamigen Buch von Christiane Kohl: Hoffmann wird hier von Udo Samel in seiner Rolle als Bildunternehmer vorgestellt. Eine kritischere Darstellung Hoffmanns im Format der historischen TV-Reportage findet sich mit Schatten über München – Der Aufstieg Adolf Hitlers (D 2015, R: Steffi Illinger).
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Asylpolitik, durch welche diese Gesinnung auf erschreckende, radikale Weise Verbreitung findet. Dies zeichnete sich mit den Wahlergebnissen der Bundestagswahlen 2017 ab und verstärkt sich aktuell in diversen politischen Geschehnissen. Erhält die vermeintlich historische Gewissheit der durch Propagandafotos vermittelten Sichtweisen, die sich nach Martin Loiperdinger, Rudolf Herz und Ulrich Pohlmann 1994 erneut bei den Betrachtern verfestigten, wieder eine Konjunktur?22 Durch zunehmende rechtskonservative Aktionen in der Bundesrepublik Deutschland entstehen Zweifel an der menschlichen Urteilskraft. Umso mehr brauchen wir als demokratische Bürgerinnen und Bürger ein kritisches Bewusstsein und einen sicheren Umgang mit der nationalsozialistischen deutschen Vergangenheit – auch und insbesondere mit ihren visuellen Formen, die noch heute mehr konstitutiv denn wissenschaftlich-analytisch zirkulieren. In Bibliotheken werden so Hoffmanns Bildbände oftmals nur mit größter Vorsicht ausgegeben,23 während der freie antiquarische Buchhandel boomt und das Angebot heute um ein Vielfaches größer ist als noch vor einigen Jahren. Die fotografische Hitler-Propaganda führt in den meisten Fällen auf Heinrich Hoffmann zurück, denn es war Hoffmanns Unternehmen, das eine Sonderstellung für die Image-Produktion Adolf Hitlers einnahm. Deshalb war Rudolf Herz’ Arbeit am Hitler-Bild 1994 so relevant und notwendig: um mehr Klarheit über die Formeln propagandistischer Bildpolitik zu erlangen. So zeigte Herz seine Forschungsergebnisse 1995 in der Schweiz im Fotomuseum Winterthur unter der Leitung von Urs Stahel unter dem Titel »Hoffmann & Hitler. Gesichter eines Diktators«24 , kuratiert von Dirk Halfbrodt. Hier wurde mit Fokus auf Hoffmanns Hitlerportraits eine Art Studienausstellung präsentiert. Herz arbeitete 1995 ferner seine Erfahrungen, die aus den Absagen von »Hoffmann & Hitler« resultierten, mit der Ausstellung und gleichnamigen Publikation »Zugzwang« auf, in welcher er je ein Portrait von Adolf Hitler und Marcel Duchamp – beide aufgenommen von Heinrich Hoffmann – in serieller Wiederholung im Schachbrettmuster anordnete und ge22 23
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Vgl. Loiperdinger/Herz/Pohlmann 1995, S. 9. Kriterien zur Vorlage der Materialien sind unter anderem: Vollendung des 18. Lebensjahres, die Vorlage einer wissenschaftlichen Bescheinigung, Vorsprache bei der Bibliotheksdirektion, Betrachtung nur unter Aufsicht, Einschränkung der Reproduktion zu wissenschaftlichen Zwecken usf. DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010, Acc. 2011/30.
Revision
genüberstellte.25 Mit »Zugzwang« fragte Herz nach dem Verhältnis von nationalem Trauma und Bildverständnis, ob kritisches Bewusstsein bei traumatisch besetzten Bildern versage, ja ob es durch die Bilder hindurch schaue und nicht darauf.26 2010 wurde die museale Darstellbarkeit von Hitler wieder explizit zum Thema im DHM in Berlin, basierte die Ausstellung »Hitler und die Deutschen – Volksgemeinschaft und Verbrechen« doch auf einer Vielzahl von fotografischen Aufnahmen Heinrich Hoffmanns.27 Hans-Ulrich Thamer, der die Ausstellung in Zusammenarbeit mit Simone Erpel und Klaus-Jürgen Sembach kuratierte, sah hierin eine Chance, »[…] mit [ihren] Bildern und Objekten die Mehrdeutigkeit und Authentizität zu thematisieren und gleichzeitig zu visualisieren, damit aber auch verkürzte oder vereinfachte Hitler-Bilder zu korrigieren, die sich in der Erinnerung festgesetzt haben.«28 2004 noch aus Gründen des Personenkults als Ausstellung abgelehnt,29 stellte sich im Jahr 2010 die Frage, ob man Hitler im Museum zeigen solle, nur noch peripher, ja, die Ausstellung wurde gar umfangreich rezipiert.30 Der Diskurs aber, den 1994 Rudolf Herz mit seiner Ausstellung »Hoffmann & Hitler« intendierte, nämlich Fotografie als Medium des Führer-Mythos durch visuelle Methodik zu analysieren, wurde hiermit nicht ersetzt. Mit dem Abbruch eines möglichen Dialogs, in Pohlmanns Worten, ist der Dialog um
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Die Ausstellung »Zugzwang« war zu sehen: 27.10.1995-21.01.1996 im Kunstverein Ruhr, Essen, sowie als Installation in diversen Themenausstellungen, darunter zum Beispiel im Hamburger Bahnhof, Berlin (1999/2000), The Jewish Museum, New York City (2002), DA2, Salamanca (2005), Marta Herford (2005), Hamburger Kunsthalle (2009). In einer separaten Publikation arbeitete Herz die Reaktionen in Form eines Diskurses mit Stimmen verschiedener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf, vgl. Herz, Rudolf: Zugzwang – Duchamp Hitler Hoffmann, hg. v. Heinz Schütz, Belleville, München 2013. Vgl. Herz 2002, S. 21f. Auch in die Ausstellung »Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie«, 19.02.13.06.2010 im DHM Berlin (kuratiert von Wolfgang Ullrich), flossen Fotografien von Hoffmann ein; Erarbeitung der Thematik durch die Autorin. DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; Acc. 2011/43/18. Die Presse, 16.10.2010, in: DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; Acc. 2011/23/9. Die Laufzeit der Ausstellung (15.10.2010-06.02.2011) wurde wegen des großen Besucheraufkommens verlängert. Die Schau war mit mehr als 265.000 Besucherinnen und Besuchern eine der erfolgreichsten des DHM bis zu diesem Zeitpunkt.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Heinrich Hoffmanns medienwirksame Inszenierung Adolf Hitlers nicht vollends abgebrochen,31 stagniert jedoch. Es ist Zeit für eine Revision, und an der Zeit, die von Rudolf Herz lancierte Forschung aufzugreifen und umfangreich, mit ihren historischen, kunstwissenschaftlichen, medienphilosophischen, juristischen, ethischen, soziokulturellen, politischen und konzeptuellen Implikationen, ja mit einem interdisziplinär-bildwissenschaftlichen32 Ansatz weiterzudenken – als unbedingten Dialog. Weshalb diese Revision? Immer wieder stützen sich selbst Fachkreise – mit textquellenbezogenem Selbstverständnis oder gar aus Verlegenheit ob der wenigen sprachlich ›dokumentierten‹ Aussagen Heinrich Hoffmanns33 – auf »Hoffmanns Erzählungen« und verfestigen damit eine Mythenbildung, die von einem Mann betrieben wurde, der 1947 in seinem ersten Gerichtsverfahren durch die Spruchkammer München III in die Gruppe I eingereiht
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Seit 2012 bezieht sich Friedrich Tietjen wiederholt auf Heinrich Hoffmanns Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt«, konzentriert sich dabei aber vorrangig auf den »Führerbart« als Betrachtungsgegenstand. Vgl. Arani, Miriam Y.: »Die fotohistorische Forschung zur NS-Diktatur als interdisziplinäre Bildwissenschaft«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 5 (2008), H. 3, www.zeithistorische-forschungen.de/32008/id=4393, zuletzt aufgerufen am 12.09.2016 [Seitenangabe entsprechend der Druckausgabe S. 387-412]. Dies bezieht sich auf folgende Dokumente (im Fließtext hieran anschließend als »Hoffmanns Schriften« bezeichnet), die in der Forschung fortlaufend als Quellen zu Rate gezogen werden: die seit 2008 zugängliche Akte MS2049 (Manuskript von Heinrich Hoffmann zu Beruf/Arbeit/Verhältnis zu Hitler), Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München, eine [von Heinrich Hoffmann] verfasste Rechenschaftsschrift, die im Zeitraum nach Hoffmanns Spruchkammer-Verhandlung am 31.1.1947 und vor dessen erster Spruchkammer-Berufungsverhandlung im Jahr 1948 niedergeschrieben wurde; »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«, basierend auf einem Interview zwischen Hoffmann und Joe J. Heydecker, die ab dem 23.11.1954 als Fortsetzungsserie in der Münchner Illustrierten erschienen (BArch N1486/103); Hoffmann, Heinrich: Hitler was My Friend, hg. und mit einem Vorwort v. Lt.-Col. R.H. Stevens, Burke, London 1955 (die Übersetzung von »Heinrich Hoffmanns Erzählungen« ins Englische); die durch Henriette Hoffmann veranlasste Herausgabe der Memoiren ihres Vaters: Hoffmann, Heinrich: Hitler wie ich ihn sah – Aufzeichnungen seines Leibfotografen, Herbig, München/Berlin 1974 (anknüpfend an Hoffmann 1955); Heydecker, Joe J.: Das Hitler-Bild – Die Erinnerungen des Fotografen Heinrich Hoffmann, aufgezeichnet und aus dem Nachlass von Joe J. Heydecker, Residenz-Verlag, St. Pölten/Salzburg 2008 (posthum veröffentlicht und basierend auf »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«).
Revision
und damit als Hauptschuldiger 34 an den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs erachtet wurde. Hoffmanns Schriften, die er zunächst konkret in Hinblick auf die Revision seines Urteils verfasste (Manuskript If Z [1947/48]) – sich dem Urteil und der Beurteilung des Hauptschuldigen fortwährend entziehend mit dem Ziel, sich seiner »Opferrolle«35 zu entbinden – und die im Fortgang zum Legitimierungs-Vokabular seiner ›unparteiischen‹, ja mit der Avantgarde im ›freundschaftlichen Schulterschluss‹ verbundenen Fotografenund Kunstsachverständigen-Existenz wurden (Hoffmann/Heydecker 1954, Hoffmann 1955, Hoffmann 1974, Heydecker 2008), dienten ab 1947 so immer wieder als Korrektiv für eine Situation, die sich mit und durch Hoffmanns Bildpraxis jedoch ganz anders zeigte und sich noch heute auf bildlicher Ebene so darstellt: als aktiv gelenkte Bildindustrie mit propagandistischem und kapitalistischem Interesse, stets mit dem Ziel der bestmöglichen fotografischen Bildformulierung im Geiste der nationalsozialistischen Ideologie. Die Schriften Hoffmanns – hybride Aussagen zwischen Sachverhalt, subjektiver Anschauung und Lüge – werden folglich in der vorliegenden Untersuchung mit größter Vorsicht und Skepsis betrachtet und ausschließlich kritisch, ja als Aspekte einer Kontroverse herangezogen. Sie formulieren einen Problempunkt in der Forschung, denn sie bleiben Rechtfertigungsschriften, die auf der Grundlage des Prozesses um Hoffmann – darin einbezogen das Urteil der Spruchkammer III und die sich hieran anschließenden Revisionen und Berufungskammern bis in das Jahr 195036 beziehungsweise 1956, sowie zusätzliche
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Staatsarchiv München (StAM), Polizeidirektion (Pol. Dir.) München 10083, Blatt 62: Die Spruchkammer München III vom 31.1.1947. Die Begründung der Spruchkammer III, bestehend aus dem Vorsitzenden Purzer, den Beisitzenden Danner, Rüddel, Schedl, Kurzmann, dem Staatsanwaltschaft[s]rat Herf als öffentlichem Kläger und dem Protokollführer Goldschmidt lautet wie folgt: »1. Nach Art. 5/6, da er [Hoffmann] der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ausserordentliche propagandistische Unterstützung gewährt hat und aus seiner Verbindung mit dieser für sich und andere sehr erheblichen Nutzen gezogen hat. 2. Nach Art. 5/4 als Reichsbildberichterstatter der NSDAP, 3. Nach Art. 5/5 als Kreistagsabgeordneter, Stadtrat in München und Reichstagsabgeordneter, da er sich in der Regierung des 3. Reiches und seines Landes in einer führenden Stellung betätigt hat[,] wie sie nur von führenden Nationalsozialisten bekleidet werden konnte, 4. Als Inhaber des goldenen Parteiabzeichens.« Vgl. auch Kap. Nachbildung, 2. Hoffmann beschreibt sich in seinem Revisions-Manuskript [1947/48] als Opfer seines Berufes und als Opfer seiner Zeit, vgl. IfZ, MS2049, S. 78. Mit dem – vorläufig – abschließenden Urteil des Prozesses wird Heinrich Hoffmann am 15.11.1950 in die Gruppe II der Belasteten eingereiht, vgl.: StAM Bestand Spruchkam-
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Sühneverfahren aufgrund des Nichteinhaltens von richterlichen Beschlüssen bis 195737 – entstanden sind. Eine Technik der vergleichenden Bildanalyse wiederum hat im Falle Heinrich Hoffmanns und des von ihm produzierten Bildkörpers bisher zu wenig Bedeutung erlangt.38 Die vorliegende Arbeit »Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik« versteht sich aus genau diesen Gründen als bild-kontextuelle Analyse, was bedeutet, Fotografien nicht als Einzelerscheinungen wahrzunehmen, sondern als reflexiven Korpus: 1. den medialen Kontext, in dem sie erscheinen, zu reflektieren (zum Beispiel Fotobuch, Dia-Show), 2. Modalitäten der Ausführung dieses medialen Kontextes zu berücksichtigen (zum Beispiel Editionen), 3. die Sequenz beziehungsweise das übergeordnete Bildkonglomerat, dem sie entnommen wurden, einzubeziehen (zum Beispiel Filmstreifen, Bildarchiv), 4. anhand des Spektrums der materiellen Reflexivität Rückschlüsse auf ihre inhaltliche Konnotationsvielfalt zu bilden, um damit 5. den Korpus der analysierten Thematik in Diskurszusammenhängen zu begreifen, das heißt als »fotografisches Dispositiv«39 . Da-
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mern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, o.S.; mit Wiederaufnahme des Verfahrens am 30.11.1955, vgl. ebd. Heft 3, S. 408. Weiterführend: Kap. Nachbildung, 2. Darunter beispielsweise die eigenmächtige Bezeichnung Hoffmanns als Professor im Jahr 1953, obgleich ihm der Professorentitel mit dem Urteil vom 15.11.1950 aberkannt wurde. Dazu Hoffmann: »Ich betrachte den Titel ›Professor‹[,] den ich jetzt noch führe und bisher geführt habe[,] nicht als Approbation, sondern lediglich als Titel«, in: StAM Pol. Dir. München 10083, S. 114. Der Titel des Professors wurde Hoffmann am 10. Juli 1938 durch Hitler als Ehrentitel verliehen. Zur Verzeichnung des Professorentitels in den Quellenangaben der vorliegenden Arbeit siehe: Quellenverzeichnis, gedruckte Quellen, vorangestellte Anmerkung. Die letzte Strafanzeige – in diesem Fall wegen Veräußerung von Kunstwerken – wurde wegen des sich ankündigenden Ablebens von Hoffmann am 26.11.1957 zurückgezogen. Heinrich Hoffmann starb am 16.12.1957. Vgl. StAM Pol. Dir. München 10083, S. 134. Ausgenommen hiervon sind die Untersuchungen von Rudolf Herz, vgl. Herz 1994, sowie die neue Studie über Machtinszenierungen zwischen Benito Mussolini und Adolf Hitler, in der Ralph-Miklas Dobler ebenfalls fotografische Bildbände (darunter Heinrich Hoffmann) analytisch in den Blick nimmt, vgl. Dobler, Ralph-Miklas: Bilder der Achse – Hitlers Empfang in Italien 1938 und die mediale Inszenierung des Staatsbesuches in Fotobüchern, Deutscher Kunstverlag, Berlin 2015. Die Formulierung des fotografischen Dispositivs bezieht sich auf die Forschung des gleichnamigen DFG-Graduiertenkollegs der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, das 2013 unter Katharina Sykora als Sprecherin gegründet wurde. Hierbei wird »Fotografie nicht allein als Bild, sondern das Fotografische als komplexes Handlungsgefüge betrachtet, dem spezifische historische, technisch-mediale, soziale, kul-
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bei sind die Re-Konstruktion von Raum (der Fläche des fotografischen Bildes mit Räumlichkeit und Zeitlichkeit begegnend, aus der heraus fotografische Bilder entstehen) und die Kontextbildung eng miteinander verbunden: Denn erst im Sichten von Gegenbildern entsteht ein Panorama, das zum Aussagemoment einer fotografisch gezeigten Situation zurückführen kann, diesen spezifiziert und damit den wissenschaftlichen Blick auffächert. Die bild-kontextuelle Analyse folgt dabei in ihrem Grundmotiv einer Haltung, für die der Künstler Frank Stella 1964 folgende – zunächst konträr erscheinende – Formulierung gefunden hat: »What you see is what you see«.40 Gemeint ist damit ein Bezug zum Ist-Zustand, eine Situation so zu begreifen, wie sie sich darstellt, und zwar darüber, was sie ihrer Struktur nach in ihrer Form ist. Stella steht damit in Nähe zu Roland Barthes, wenn dieser schreibt: »In ihr [der Fotografie] weist das Ereignis niemals über sich selbst hinaus auf etwas anderes: sie führt immer wieder den Korpus, dessen ich bedarf, auf den Körper zurück, den ich sehe.«41 Auch Judith Butler bedient in diesem Sinn und in Zusammenhang mit der politisch motivierten Fotografie das Bild des Rahmens, der unsere Wahrnehmung interpretativ vorstrukturiert: »Wir brauchen keine handliche Bildunterschrift und auch kein weiteres Narrativ, um zu ver-
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turelle und ästhetische Bedingungen zugrunde liegen, dem aber auch das Potenzial zu deren Störung und Modifikation innewohnt.« Vgl. www.hbk-bs.de/forschung/graduiertenkolleg-das-fotografische-dispositiv/, zuletzt aufgerufen am 22.04.2020. Das Graduiertenkolleg hat seine Arbeit im Jahr 2018 beendet. Frank Stella studierte 1954-1958 Geschichte an der Princeton University in New Jersey, bevor er als bildender Künstler aktiv wurde. Seine Bildserie »Black Paintings«, die zwischen 1958-1960 entstand, formuliert eine wesentliche Schnittstelle zwischen Geschichte und Abstraktion beziehungsweise Konzeptkunst: So nahm Stella mit den Bildtiteln »Arbeit macht frei« oder »Die Fahne hoch!« explizit Bezug auf das nationalsozialistische Weltbild. Er formulierte mit den »Black Paintings« nicht nur eine Opposition zum Nationalsozialismus im Speziellen und zu Parolen im Allgemeinen, sondern plädierte mit seiner Arbeit für eine Abkehr vom Narrativ und für eine Auffächerung des Blicks, indem er den Bildgegenstand ausschließlich aus (Primär-)Strukturen in Serie hervorbrachte. Mehr noch formuliert seine Arbeit einen Wendepunkt in der Bezugnahme zum Bildhaften: formal minimalistisch, inhaltlich konkret. Diese Haltung spiegelt sich 1964 in seiner Aussage »What you see is what you see«, in: Rosenberg, Harold: The De-Definition of Art, University of Chicago Press, Chicago 1972, S. 125. Barthes, Roland: Die helle Kammer – Bemerkungen zur Photographie, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1989, S. 12.
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stehen, dass sich in diesem Rahmen ein politischer Hintergrund manifestiert, und zwar auf durchaus explizite und nachdrückliche Weise.«42 Diesen Standpunkten von Stella, Barthes und Butler ist implizit: Die Betrachtung (der Wirklichkeit) erfolgt vom Material her, von dem, was konkret gegeben ist.43 Aber – und dies legt Stella nahe, indem er in Serie arbeitet – das spezifisch Vorliegende hat keinen Anspruch auf Absolutheit, sondern besteht immer auch in Hinblick auf das Andere, das als Korrektiv des Ist-Zustandes fungiert. Das Serielle, die Wiederkehr, die Rückansicht, ja, die Reproduktion verhilft dazu, den Ist-Zustand zu aktualisieren – sei es in Bezug auf die Leinwand, die einzelne Fotografie oder das Fotobuch. Die Aufgabe besteht also darin – mit Judith Butler wie mit Susan Sontag gesprochen, auf welche sich Butler in ihren Überlegungen maßgeblich bezieht –, die Interpretation der Realität, die durch eine Rahmensetzung definiert wird, »zurückzuweisen«44 und durch den sich auffächernden analytischen Blick zu durchdringen. Das Unternehmen Heinrich Hoffmann wird mit dieser Haltung aus medienanalytischer Perspektive betrachtet, insbesondere vor dem Hintergrund der fototechnischen Industrialisierung und propagandistischen Vermarktung der nationalsozialistischen Ideologie mit Hitler als wiederkehrendem, doch nicht alleinigem Motiv. Die narrative Wirksamkeit des fotografischen Bildes im politischen Kontext des Dritten Reichs ist dabei zentraler Bezugspunkt. Die nationalsozialistische Bildpropaganda, die mit den von Heinrich Hoffmann herausgegebenen fotografischen Bildbänden im Zeitraum 19321944 maßgeblich das Image und die Popularität Adolf Hitlers prägte, ist also Ausgangspunkt und immer wieder zentral in der folgenden Betrachtung,
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Butler, Judith: »Fotografie, Krieg, Wut«, in: dies.: Krieg und Affekt, hg. u. übersetzt von Judith Mohrmann, Juliane Rebentisch und Eva von Redecker, Diaphanes, Zürich/Berlin 2009, S. 53-68, hier S. 56. Barthes führt diesbezüglich seine Überlegungen gar noch weiter und zieht den Buddhismus heran: »Um die Wirklichkeit zu bezeichnen, spricht der Buddhismus von sunya, dem Leeren, oder besser noch von tathata, dem so und nicht anders Beschaffenen, dem bestimmten Einen […]«, Barthes 1989, S. 12. Vgl. Butler 2009, S. 68. Mit der Haltung gegen Interpretation verweist Butler implizit auf Susan Sontags berühmtes Essay »Against Interpretation« (1964), in dem Sontag – ganz ähnlich wie Frank Stella – das »Sosein« betont: »Unsere Aufgabe ist es vielmehr, den Inhalt zurückzuschneiden, damit die Sache selbst zum Vorschein kommt«, in: Sontag, Susan: »Gegen Interpretation«, in: dies.: Kunst und Antikunst, Fischer, Frankfurt a.M. 2003, S. 11-22, hier S. 21, 22. Grundlegend bezieht sich Butler aber auf Sontags Bücher »Das Leiden anderer betrachten« und »Über Fotografie«.
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die den Stellenwert des Bildes in der Vermittlung der nationalsozialistischen Ideologie untersucht. Der 1932 von Heinrich Hoffmann herausgegebene Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt«, der in Wort und fotografischem Bild von Hitlers Beliebtheit und Erfolgen erzählt, ist nicht nur als ein exemplarischer Fall politischer Bildpropaganda zu begreifen, sondern als ›Vorbild‹ für eine Vielzahl darauf folgender, politisch motivierter Bildbände zu betrachten. Dies bezieht sich sowohl auf die Hoffmann-Bände wie auch auf eine personengebundene politische Ikonografie, die sich in ähnlicher Weise auch bei Politikern nach der Zeit des Nationalsozialismus nachvollziehen lässt und bis heute zu beobachten ist.45 Ein Beispiel ist Pete Souza, der zunächst 1983-1989 unter Ronald Reagan und ab 2009 für Barack Obama bis zum Ende von dessen Präsidentschaft im Jahr 2016 als offizieller Fotograf des Weißen Hauses in Washington D.C. agierte. Sein Bildband »The Rise of Barack Obama« (2008) wurde zum Bestseller, die Aufnahme des »Situation Room« vom 1. Mai 2011 brachte als »veritables Historienbild«46 weltweit Diskussionen und Bildanalysen hervor.
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Einige ausgewählte Beispiele: Lorant, Stefan: FDR – A Pictorial Biography, Simon and Schuster, New York 1950 (über Theodore Roosevelt); Lorant, Stefan: Lincoln. A Picture Story of his Life, Harper and Brothers, New York 1952; Kissinger, Henry: White House Years, Little, Brown and Company, Boston/Toronto 1979; Kissinger, Henry: Years of Upheaval, Weidenfeld and Nicolson and Michael Joseph, London 1982; vgl. beide im Werk von Alfredo Jaar, »Searching For K«, 1984; Souza, Pete: Images of Greatness: An Intimate Look at the Presidency of Ronald Reagan, Triumph Books, Chicago 2004; Behnken, Wolfgang (Hg.): Mensch, Schröder, teneues, Kempen 2005; Souza, Pete: The Rise of Barack Obama, Triumph Books, Chicago 2008; von Bassewitz, Sebastian: Angela Merkel – Das Porträt, Droemer, München 2009; Dieckmann, Kai (Hg.): Helmut Kohl – Auf dem Weg/Helmut Kohl – In Geschichte und Gegenwart, Bild-Verlag, München 2010; Souza, Pete: Obama, an Intimate Portrait – The Historic Presidency in Photographs, Little, Brown and Company, London 2017. Diese Bände weisen ganz ähnliche Bildmotiv- und Text-Kompositionen auf, wie sie bereits in den frühen HoffmannBänden strategische Anwendung fanden. Bredekamp, Horst: »Der Situation Room des 1. Mai 2011«, in: Kauppert, Michael/Leser, Irene (Hg.): Hillarys Hand – Zur politischen Ikonographie der Gegenwart, transcript, Bielefeld 2014, S. 161. Dieser Sammelband legt in zwölf Analysen eine umfangreiche Deutung der von Souza angefertigten Aufnahme, ihrer Verbreitung über die SocialMedia-Plattform Flickr sowie ihrer allgemeinen Bedeutung in der Bildpolitik der Moderne vor. Ergänzt werden diese Analysen durch: Haller, Günther/Przyborski, Aglaja (Hg.): Das politische Bild – Situation Room: Ein Foto – vier Analysen, Budrich, Berlin/Toronto 2014.
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Souza setzte nicht zuletzt durch gezielte Bildplatzierung in den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram ganz neue Maßstäbe in der politischen Kommunikation der Gegenwart – die unter Donald Trump ins digitale Extrem geführt wird. So nutzt Trump, der seit seinem Amtsantritt 2017 von Shealah Craighead (der offiziellen Fotografin des Weißen Hauses) fotografiert wird, nicht nur die visuellen Kanäle der sozialen Medien, sondern kombiniert durch das gezielte Bedienen des Nachrichtendienstes Twitter Fotografie mit Text als Image-Strategie.47 Hitler, so formuliert es Urs Stahel, »[…] hat als erste politische Figur erkannt, was es bedeutet, sein Gesicht für Propagandazwecke einzusetzen«,48 und Joseph Peter Stern betont 1975 insbesondere die Bildidee in Bezug auf Hitlers Image-Bildung: »Never before in history has the idea of an image [Herv. d.A.] been introduced into politics and exploited with comparable purposefulness«49 – mit Heinrich Hoffmann als Vermarkter. Inwiefern aber agierte Hoffmann wirklich innovativ, oder wusste er nur – ähnlich wie Pete Souza oder aktuell Donald Trumps Social-Media-Office – die (technischen) Entwicklungen und medialen Kanäle seiner Zeit gezielt bildpolitisch wirksam zu machen? Der serielle Umgang mit fotografisch reproduziertem Bildmaterial und Text, der im Format der narrativen Bildstrecke oder des Fotobuches die Medieninszenierung Hitlers hervorbrachte und unterhielt, bietet Anlass zur These, dass der Geschäftsmann Hoffmann medienstrategisch also ganz bewusst die Bild- und Blickmacht Hitlers entwickelte und sie mit seiner ›Bildfabrik‹ gewinnstrebend steuerte. Erst die technische Reproduzierbarkeit von fotografischem Bildmaterial ermöglichte die Vervielfältigung von ›realitätsnahen‹ Bildern als Weltbildvorlage. Diese Entwicklung ist grundlegend für das Entstehen medialer Formate, wie sie sich mit Hoffmanns Sortiment abzeichnen. Und so ist der Moment der ›medialen Industrialisierung‹ und des seriellen Umgangs mit Bildern auch für die nachfolgende Untersuchung entscheidend. Heinrich Hoffmanns propagandistisch aufbereitete Fotografien erweisen sich als zeithistorische Do47
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Einen satirischen Bildkommentar liefert hierzu das Cover von Sears, Rob: The Beautiful Poetry of Donald Trump, Canongate, Edinburgh 2019 [Erstausgabe 2017] – hier ruht Trump in nahezu gleicher Pose wie noch Hitler auf dem Titelbild von »Hitler wie ihn keiner kennt«. Urs Stahel im Interview in: »Der Beobachter«, Zürich, am 14.04.1995, in: DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010, Acc. 2011/30. Stern, Joseph Peter: Hitler – The Führer and the People, Harvester, Brighton 1975, S. 11.
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kumente,50 die vormals aber über das Abgebildete hinaus auch durch mediale Aktualität und so nicht zuletzt durch ihre Fülle überzeugten. Hoffmanns Dokumente sind das Produkt einer Image-Kampagne, deren Strategien die vorliegende Arbeit zu fassen und zu benennen sucht. Im Fokus der Betrachtung von »Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik« steht das fotografische Bild – und doch wird in diesem Buch auf Abbildungen verzichtet. Einen wesentlichen Grund für die Entscheidung für diesen Verzicht bildet der Faktor des Ausschnitthaften, des Fragments: Geht es vor den genannten Hintergründen gerade nicht darum, einzelne Ansichten zu reproduzieren, sondern Bildzusammenhänge zu vermitteln, also den »Kontext als Konsequenz«51 zu begreifen. Um an einer Vollständigkeit beim Erfassen von visuellen Narrativen überhaupt arbeiten zu können, tritt an die Stelle von Bildauszügen hier eine digitale Materialsammlung: Es ist eine Auswahl der im Hauptteil der vorliegenden Arbeit besprochenen Fotobildbände, die über den folgenden Link bereitgestellt werden:
Link zur Materialsammlung und zum digitalen Bildteil http://christinairrgang.de/materialsammlung/ Diese Materialsammlung wird ergänzt durch einen digitalen Bildteil: ein Dokument, das 30 Abbildungen zur bild-kontextuellen Analyse umfasst, zum Beispiel Aufnahmen aus Archiven, die dem weiterführenden Vergleich bezüglich
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Die vielgestaltige Rolle des ›Dokuments‹ wird im Kontext der Bildverwertung von Hoffmanns Fotografien während der Nürnberger Prozesse besprochen, vgl. Kap. Nachbildung, 1.Interessant ist hierbei, dass sowohl Heinrich Hoffmann als auch Pete Souza den Wert ihrer Arbeit durch einen ähnlichen ›Claim‹ hervorgehoben haben: ein Fotoarchiv für die Geschichte zu schaffen. So schrieb Hoffmann über sein Archiv: »Meine Aufgabe sollte bleiben, es zu einer der historisch wertvollsten Sammlungen auszubauen« (in: Hoffmann, München/Berlin 1974, S. 50), während Pete Souza kommentiert: »Ein gutes Fotoarchiv für die Geschichte zu schaffen, ist der wichtigste Teil meiner Aufgabe – ein Archiv zu schaffen, das überdauern wird«, in: Bredar, John: Die Macht der Bilder – Amerikanische Präsidenten und ihre Inszenierung, National Geographic Deutschland, Hamburg 2011, S. 21. Irrgang, Christina: »Zugzwang im Kontext der Bilder«, in: Herz 2013, S. 67-69, hier S. 69.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
der Erzeugung von Bildsituationen dienen. Die entsprechenden Quellenangaben finden sich ebendort im Kontext der Bilder. Sie sind zudem an gegebener Stelle in den Fußnoten des vorliegenden Buches nachgehalten. Trotz aller Bemühungen und intensiver sowie präziser (Quellen-)Recherche kann und will das vorliegende Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. »Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik« versteht sich als Diskursanalyse, die durch ihre kritische Struktur eben einen solchen Diskurs über die fotografische nationalsozialistische Bildpropaganda am Beispiel des Unternehmens von Heinrich Hoffmann anregen und mit dem Anspruch der Wahrheitsfindung weiterführen will. Das Ziel dieser Arbeit ist dabei, ganz im Sinne von Hannah Arendt, »die Grenzen menschlichen Wissens denkend zu überschreiten«52 – der Versuch eines »Denkens ohne Geländer«53 . Der dieser Betrachtung vorgelagerte CHOR versteht sich in dieser Hinsicht als eine Ansammlung von Stimmen, die in einer Form der Zeugenschaft auftritt und an das Gegenbild erinnert. Ödön von Horváth (1901-1938), Frank Stella (*1936), Detlef Orlopp (*1937), Marguerite Duras (1914-1996), Zofia Nałkowska (1885-1954), Susan Sontag (1933-2004), Hannah Arendt (1906-1975) – ihr aller Leben und Handeln wurde geprägt von der für sie zeitgenössischen Erfahrung des nationalsozialistischen Systems: inmitten des Geschehens oder aus der Ferne, als Beobachterinnen und Beobachter, als Geflohene, als Opfer, als kritische Stimmen, die geblieben sind – als Gegenstimmen dieser anhaltend unbegreiflichen Dimension. Das Bild-Text-Arrangement in diesem Teil ist gesetzt unter Verwendung des von der Künstlerin Bea Schlingelhoff entwickelten »Typeface Anna Mettbach« aus ihrer Font-Serie »Women against Hitler«, die vergessenen, mitunter ermordeten Widerstandskämpferinnen gewidmet ist – Frauen, die für ihre Existenz und ihren Ausdruckswillen als auch gegen das nationalsozialistische System gekämpft haben.54 Ebenso ist das Erscheinungsbild der digital 52 53 54
Arendt, Hannah: Wahrheit und Lüge in der Politik, Piper, München 2015, S. 48. Das Essay erschien erstmals 1967, vgl. ebd., o.S. Vgl. Arendt, Hannah: Denken ohne Geländer – Texte und Briefe, Piper, München 2014, Titel. Vgl. Irrgang, Christina: »Wahrnehmung ist verschiebbar – Christina Irrgang über Bea Schlingelhoff in der Galerie Max Mayer, Düsseldorf«, in: Texte zur Kunst, 29 Jg., Heft 115 (September 2019), S. 230-233, hier S. 231. Zentral in Bea Schlingelhoffs künstlerischer Arbeit ist die Schrift, der sie Konturen und Namen von politisch und kulturell engagierten Frauen gibt; ihre »Typefaces« sind Gesten (auf die Überzeugung ihrer Akteurinnen
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zur Verfügung gestellten Materialsammlung und des digitalen Bildteils mit dem »Typeface Lisa Fittko« umgesetzt. Beide »Typefaces« markieren in diesem Kontext die bewusste Auseinandersetzung mit dem Bild. Spezifisch erinnern sie an die antifaschistische Widerstandskämpferin und Fluchthelferin Lisa Fittko (1909-2005), die zum Beispiel Walter Benjamin 1940 bei der Flucht von Frankreich über die Pyrenäen nach Spanien verhalf; und an die Holocaust-Überlebende Anna Mettbach (1926-2015), die auf ihrem Todesmarsch nach Dachau 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde, und die entscheidende Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit gegen rechte Gewalt und menschenverachtende Handlungen in ihrem Leben geleistet hat. Beide rufen sie den geleisteten Einspruch als auch Zivilcourage ins Bewusstsein. Mein großer Dank geht an: Prof. Dr. Wolfgang Ullrich und Prof. Dr. Bernd Stiegler für die Betreuung dieser Dissertationsschrift; an die Max Weber Stiftung für die Gerald D. Feldman Reisebeihilfen und ihre Ermöglichung essentieller Forschungsreisen, damit verbunden an das Deutsche Historische Institut in Rom und Prof. Dr. Martin Baumeister, sowie an das German Historical Institute in Washington D.C. und Prof. Dr. Britta Waldschmidt-Nelson; an die Benedikt und Helene-Schmittmann-Wahlen-Stiftung für ihre großzügige und entscheidende Abschlussförderung dieser Arbeit; als auch an die FAZITSTIFTUNG für ihren ebenso großzügigen Druckkostenzuschuss zu dieser Publikation. Gedankt sei ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der folgenden Archive und Bibliotheken: Jana Hoffmann, Carola Jüllig, Dr. Matthias Miller, Jörg Rudolph (DHM Archiv und Bibliothek, Berlin), Karen Chittenden und Eric Frazier (Library of Congress, Washington D.C., Prints and Photographs; Rare Books Division). Für die Zustimmung zur Verwendung der Fonts aus »Women against Hitler« danke ich Bea Schlingelhoff; für die Hilfe bei der gestalterischen Einbettung und Bereitstellung der digitalen Daten Edi Winarni; für technische Hilfe Gunnar Meyer-Bautor. verweisend, nach der sie benannt sind), die im besten Fall Geschichte mit einem veränderten Bewusstsein fortschreiben lassen, vgl. ebd. Die Font-Serie »Women against Hitler« beinhaltet »Typefaces«, die den folgenden Frauen gewidmet sind: Marianne Baum, Lisa Fittko, Anna Mettbach, Hanna Solf, Ella Trebe. Sie ist entstanden anlässlich der Ausstellung: Bea Schlingelhoff, »Women against Hitler«, 01.12.2017-13.01.2018, SCHLOSS, Oslo, und war über die Ausstellungsdauer hinweg als freier Download verfügbar.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Dank für die Begleitung auf dem Weg an Dr. Karin Lina Adam, Kevin Beavers, Dagmar Bechhaus, Katharina Bedenbender, Kenneth Bergfeld, Lucas Croon mit Andreina, Mike sowie Christina Croon, Cayetano Ferrer, Dagmar Fretter, Miriam Fuggenthaler, Clemens Henle, Stephan Lucius Lemke, Natalya Matyashek, Peter Maximowitsch, Max Mayer, Stephan Machac, Verena Meis, Mary Naden, Lavinia Neff, Detlef Orlopp, Eva Scherr, Julia Schilling, Dirk Schmaler, Stefan Schneider, Stephanie Seidel, Fari Shams, Franziska Stöhr, Katharina Weinstock, Christoph Westermeier und Sebastian Winkler. Mein ganz besonderer Dank für den wertvollen fachlichen Austausch, Inspiration und Kritik geht an Sylvie Cavalier und Linda Sandrock, ihr speziell auch für den stets korrigierenden Blick zwischen den Zeilen. Schließlich danke ich für die anhaltende Unterstützung – von Herzen – meinen Eltern Gerda und Peter Irrgang sowie Susanna und Erika Funk. Diese Arbeit ist Adam Funk gewidmet, der während meines Forschungsaufenthaltes in Los Angeles verstarb. Christina Irrgang, im Juli 2020
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie im Kontext von Avantgarde und Nationalsozialismus »Der Universalismus der Technik ist ein solcher des Möglichen. Er ersetzt […] die Unsicherheit der künftigen Wirklichkeit durch die Sicherheit künftiger Möglichkeiten.«1
1.
Fotografische Reproduktion – ein neuer Diskurs entsteht
Es ist Albert Renger-Patzsch, der 1929 von einer »foto-inflation« spricht und der fotografischen Entwicklung seiner Zeit eine Hochkonjunktur attestiert.2 Eine Zeit, in der sich die Wahrnehmung von Raum vermehrt auf die Bildfläche hin verlagert, sich gar in ihr zu spiegeln vermag, wie Renger-Patzsch dies 1926/27 mit seinem fotografischen Selbstportrait auf der konvexen Wölbung eines reflektierenden Autolichtes erprobt.3 Heinrich Hoffmann tut es ihm 1934 gleich: Er fotografiert sich einerseits in einem ähnlichen Bauteil 1 2
3
Luhmann, Niklas: Systemtheorie der Gesellschaft, hg. v. Johannes F.K. Schmidt und André Kieserling, Suhrkamp, Berlin 2017, S. 619. Renger-Patzsch: »nachträgliches zur foto-inflation«, in: bauhaus – zeitschrift für bau und gestaltung, Dessau, Oktober-Dezember 1929, S. 20, zitiert nach: Stiegler, Bernd/Wilde, Ann/Wilde, Jürgen (Hg.): Albert Renger-Patzsch, Die Freude am Gegenstand – Gesammelte Aufsätze zur Photographie, Fink, München 2010, S. 121. Albert Renger-Patzsch, Selbstportrait, 1926/27, Archiv Ann und Jürgen Wilde, Zülpich. Erschienen ist die Abbildung neben Portraits weiterer Fotografen wie Emil Otto Hoppé und Erich Salomon im Kontext des Artikels »Eine neue Künstler-Gilde. Der Fotograf erobert Neuland«, in: Uhu, 6. Jg., Nr. 1, Oktober 1929, S. 34-41, hier zitiert aus: Kerbs, Diethart/Uka, Walter (Hg.): Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik,
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eines mit Hakenkreuz-Wimpel versehenen Wagens, wechselt dann aber die Perspektive direkt zum Rückspiegel des Autos, in dem sich sein Selbstportrait mit Kamera abzeichnet.4 Die fotografische Reproduktion, die einhergeht mit der Fotografie, ist – mit Hanne Darboven gesprochen – eine Erfindung, die unsere Welt verändert hat.5 Ein neuer Diskurs entsteht zwischen Auge, Bild und Welt.
1.1
Das Bild ersetzt das Wort: Eintritt ins Zeitalter der visuellen Kommunikation
»Für Vilém Flusser ist die Fotografie eine so einschneidende Erfindung wie der Buchdruck. Mit der Fotografie beginnt die Entwicklung der technischen Bilder: Film, elektronisches Bild, Computergrafik. Mit diesen technischen Bildern, so Flusser, eröffnet sich eine neue Lebenswelt.«6 Diese Worte stellt der Filmemacher Harun Farocki seinem Gespräch mit dem Medienphilosophen Vilém Flusser in dem Film Schlagworte – Schlagbilder voran. Farocki und Flusser analysieren darin das Titelblatt der BILD-Zeitung (Berlin) vom 26. November 1985, dahingehend, wie Bild und Schrift auf dieser Seite miteinander wirken und einander durchdringen, ja, wie die Verhältnisarten von Bild und Text gebrochen werden, wenn nicht gar ihre Funktionen tauschen: Das Bild übernimmt die Funktion des Textes und der Text die Funktion des Bildes.7 Dabei wird in diesem Beispiel die Linearität des Textes und das erratische Erfassen der Bilder durch eine chaotische (An-)Ordnung unterminiert, so dass eine eindeutige Botschaft unterbunden wird und das Bewusstsein über die Botschaft gebrochen. Farocki verweist auf die Verknüpfung von Fotografie und Text als »dokumentarischen Trick«, wobei die Schrift zum magischen Bild und die Bilder zu »Schlagbildern«, zu begrifflichen Informationen werden.8 Mit einer Verwendung der Fotografien als Anspielung »auf den allgemeinen Konsensus, dass
4 5 6 7 8
Kettler, Bönen/Westf. 2004, S. 255-257. Vgl. Abb. 1, digitaler Bildteil: http://christinairrgang.de/materialsammlung/ Heinrich Hoffmann, Selbstportrait, Juli 1934, National Archives (242-HL-B341, photo number 9-11). Vgl. Abb. 2, digitaler Bildteil. Bezugnehmend auf Hanne Darbovens Werk »Erfindungen, die unsere Welt verändert haben« (1996), siehe auch Kap. I., 1.1. Farocki, Harun: Schlagworte – Schlagbilder. Ein Gespräch mit Vilém Flusser (D 1986, R: Harun Farocki), TC 00:13-00:30. Vgl. Flusser, ebd., TC 01:31-01:35. Vgl. Farocki, ebd., TC 05:19-05:22, TC 10:58-11:12.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
in der Fotografie die sogenannte Wirklichkeit irgendwie abgebildet ist […]«9 , rekurriert Flusser wiederum auf den proklamierten Authentizitätsanspruch der arrangierten Seite. Farocki und Flusser zeigen in ihrer Analyse nicht nur die Dialektik von Bild und Text sowie Grundzüge des Bildjournalismus und Foto-Essays auf, sie verweisen durch ihre Betrachtung auch auf demagogische Strategien. Indem Flusser sich am Ende des Fernsehbeitrages in indirekter Rede dem zuschauenden Publikum zuwendet, öffnet er das Diskursbild hin zu den Betrachterinnen und Betrachtern, für die Flusser und Farocki hier Stellvertreter sind. Mehr noch: Flusser und Farocki übergeben durch die Situation der teilnehmenden Beobachtung ihr kritisches Bewusstsein an die Zuschauerinnen und Zuschauer, als Appell an eine medienkritische Wahrnehmung. Der Film verweist schließlich mit dieser aufklärerischen Implikation auf Vilém Flussers Bücher »Für eine Philosophie der Fotografie« (1983) und »Ins Universum der technischen Bilder« (1985), die als Literaturhinweis im Schlussbild eingeblendet werden. Die genannten Schriften Vilém Flussers wie auch Harun Farockis Film Schlagworte – Schlagbilder arbeiten Beobachtungen zum dialektischen Prozess zwischen Bild und Text heraus, wie sie sich vergleichbar auch in Heinrich Hoffmanns fotografischen Bildbänden als mediales Szenario manifestieren. Deshalb steht die Analyse von Farocki und Flusser dieser Diskussion um Heinrich Hoffmanns Bildstrategien als eine Methode der Betrachtung beispielhaft voran. Um vorerst Flusser in seiner Argumentationskette und seinen Worten zu folgen: Der benannte dialektische Prozess zwischen Text und Bild nimmt seinen Ausgang im Entstehen technischer Bilder, also im Erzeugen von Bildern durch einen Apparat und damit – als erste Form der technischen Bilderzeugung – anhand des Fotoapparats, mittels der Fotografie. Sie basiert als sogenanntes Technobild auf einem »nachalphabetischen Code«10 , wobei lineartextliche Informationen als Visualisierung von Textlichem konvertiert werden. Das fotografische Bild folgt demnach einer Totalität, die auf textlich überlieferten Symbolen basiert, jedoch optisch als Fläche besteht, wobei das auf ihr gezeigte Geschehen einem Prätext verhaftet ist. Technobilder, also fotografische Bilder, »sind […] nicht Versuche des Fotografen, sich ein Bild von
9 10
Flusser, ebd., TC 09:27-09:39. Ein Code nach Sprache, Erzählung, imaginierter Szene, Alphabet. Vgl. hierzu Flussers Ausführungen zum »Nach-Alphabet«, in: Flusser, Vilém: Kommunikologie, Fischer, Frankfurt a.M. 2007, S. 98ff.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
der Welt zu machen, sondern Versuche, sich ein Bild von den Begriffen zu machen, die sich der Fotograf hinsichtlich eines Bildes gemacht hat.«11 Mit Vilém Flussers Medien- und Kommunikationsanalyse wird die Objektivität aller technischen Bilder als Täuschung vorausgesetzt, da der Betrachter sie nicht als Bilder, sondern als Fenster ansieht, während sie nicht die Welt bedeuten, sondern Metacodes von Texten.12 Technische Bilder produzieren nach Flusser durch ihre Charakteristik der Reproduzierbarkeit ein sich drehendes Gedächtnis – um fortdauernd und wiederholbar im Gedächtnis zu bleiben.13 Der Fotoapparat wird zur Sehmaschine, die dies ermöglicht. Flusser setzt – wie auch Roland Barthes14 – die Entwicklung der Fotokamera in Beziehung mit der Industrierevolution15 , wobei die mit dem fotografischen Apparat verbundene Intention die Veränderung der Bedeutung16 der Welt impliziert – entgegen dem »apparatfreie[n] Aspekt der Realität«17 der vorindustriellen Gesellschaft. »Es ist endlich möglich geworden, Geschichte zu machen. […] Der Fotograf macht sie, denn er steht über ihr und greift in sie ein, nimmt auf und 11
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Ebd., S. 102. Ferner heißt es: »Voralphabetische Bilder sollen die Welt bedeuten, und Technobilder sollen Texte bedeuten, welche Bilder bedeuten, welche die Welt bedeuten«, ebd., S. 102f. Vgl. Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, European Photography, Berlin 2011, S. 14. Vgl. ebd., S. 18f. »Die Fotografie und der Film sind reine Produkte der industriellen Revolution«, Barthes, Roland: »Über Fotografie«, Interview mit Angelo Schwarz (1977) und Guy Mandery (1979), in: Wolf, Herta (Hg.): Paradigma Fotografie – Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters Bd. 1, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2002, S. 82-88, hier S. 82. »Vor der Industrierevolution war der Mensch von Werkzeugen umgeben, nach ihr war die Maschine von Menschen umgeben. Vorher war das Werkzeug die Variable und der Mensch die Konstante, nachher wurde der Mensch die Variable und die Maschine die Konstante. Vorher funktionierte das Werkzeug in Funktion des Menschen, nachher der Mensch in Funktion der Maschine. Gilt das auch für den Fotoapparat als Maschine?«, in: Flusser 2011, S. 22. In seiner Schrift »Kommunikologie« beantwortet sich Flusser diese Frage dann selbst bezüglich des »Quantelns« bei der Standpunktsuche des Fotografen: »Bei seiner Suche nach einem Standpunkt bewegt der Fotograf den Apparat in Funktion seines Suchens, aber er sucht in der Funktion des Mechanismus des Apparates. Er benutzt den Apparat beim Treffen seiner Entscheidungen, aber er trifft diese Entscheidungen im Hinblick auf den Apparat«, in: Flusser 2007, S. 184. Vgl. Flusser 2011, S. 23. Benjamin, Walter: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, in: ders., Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit – Drei Studien zur Kunstsoziologie, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1977, S. 7-44, hier S. 31. Der Aufsatz wurde erstmals 1936 in einer französischen Übersetzung veröffentlicht.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
ändert, was er aufgenommen hat«18 , ja »das Bild ist das Ziel der Geschichte geworden«19 – und damit wird Geschichte zur Methode der technischen Bilderzeugung.20 Darin liegt die Zäsur, die durch die technische Entwicklung von Kamera und einhergehender Reproduktion das Sehen, Denken und Wahrnehmen durch die Fotografie als Medium und Technik verändert hat: Das Bild ist seiner Struktur nach zirkulär,21 aber es mündet in das Sequenzielle, mit dem sich Geschichte erzählen und wiederholen lässt. Mit Ödön von Horváth gesprochen: »Die Erde ist noch rund, aber die Geschichten sind viereckig geworden.«22 »Die Kamera«, schreibt Flusser, »ist zu Hardware geronnenes kalkulatorisches Denken«23 , deshalb impliziert die Geste des Fotografierens stets etwas Programmatisches. »Um den Apparat für künstlerische, wissenschaftliche und politische Bilder einstellen zu können, muß der Fotograf Begriffe von Kunst, Wissenschaft und Politik haben«24 , demnach sind Fotografien entsprechend ihrer Intention programmierte Sinnbilder einer Vorstellung. Sie sind Modelle für Erleben, Erkennen, Werten und Handeln.25 Sie sind subjektiv generierte Informationen, die ihrerseits subjektive Emotionen ansprechen.
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Flusser, Vilém: »Vom Sterben der Bilder und vom Enden der Geschichte«, in: Flusser, Vilém: Kommunikologie weiter denken – Die Bochumer Vorlesungen, Fischer, Frankfurt a.M. 2008, S. 167. Ebd., S. 168. Susan Sontag erläutert dies am Beispiel des Films Triumph des Willens (D 1935; R: Leni Riefenstahl), der den Reichsparteitag von 1934 zum Gegenstand hat. »In Triumph des Willens [Herv. i.O.] ist das Dokument (das Bild) nicht nur die Aufzeichnung der Realität, sondern ein Grund, warum die Realität hergestellt wird; und schließlich wird das Dokument an die Stelle der Realität treten«, in: Sontag, Susan: »Faszinierender Faschismus«, in: dies.: Im Zeichen des Saturn – Essays, Fischer, Frankfurt a.M. 2003, S. 97-126, hier S. 106. Vgl. Flusser 2008, S. 164. Von Horváth, Ödön: Jugend ohne Gott, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2015, S. 50. In dem 1937 veröffentlichten Roman ist ein wiederkehrendes zentrales Motiv der »photographische Apparat« und mit ihm verbunden das aufkommende Begehren nach einer neuen Sicht auf die Welt. Flusser 2011, S. 30. Ebd., S. 34. Vgl. ebd., S. 42.
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In ihrem Werk »Kulturgeschichte 1880-1983« (1980-1983)26 setzt sich die Künstlerin Hanne Darboven »mit den Unterschieden zwischen den Begriffen Geschichte und Information sowie zwischen dokumentarischer und ästhetischer Bedeutung auseinander«27 . Anhand von fotografisch reproduzierten Abbildungen, Schrift, numerischen Systemen und der Rekombination von massendistribuierten Bildern thematisiert sie die visuelle Produktion und Reproduktion von Geschichte. Das fotografische Bild als Modell, wie Flusser es beschreibt, ist in Darbovens Arbeit zentral. Mehr noch wirkt ihre Arbeit und Arbeitstechnik wie ein Echo auf die inflationäre Produktion fotografischer Bilder, wie sie sich im Deutschland der 1920er und 1930er Jahre zunächst durch die Avantgarde sowie im Pressewesen, dann im nationalsozialistischen Regime mit propagandistischem Impetus äußerte. So scheint es nur schlüssig, dass Darboven in ihrer Arbeit »Erfindungen, die unsere Welt verändert haben« (1996) der Kamera – neben der Nennung Louis Daguerres28 als Erfin-
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Die Installation besteht aus 1590 Bildtafeln sowie 19 Skulpturen. Die Arbeit wurde im Rahmen von Hanne Darbovens zweiteiliger Retrospektive im Haus der Kunst, München vom 18.09.2015-14.02.2016 unter dem Ausstellungstitel »Hanne Darboven – Aufklärung« gezeigt. Diese Ausstellung wurde ergänzt durch die Schau »Hanne Darboven – Zeitgeschichten«, die vom 11.09.2015-17.01.2016 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen war. Hanne Darboven, Aufklärung, Begleitheft zur Ausstellung im Haus der Kunst, München 2015. Louis Daguerre entwickelte – über das Diorama (1822 in Paris) – zwischen 1835-1837 mit der Daguerreotypie das erste kommerzielle fotografische Bildproduktionsverfahren (Hanne Darboven notiert das Jahr 1837). 1839 kaufte die französische Regierung Daguerres Erfindung an. Vgl. Mißelbeck, Reinhold (Hg.): Prestel-Lexikon der Fotografen – Von den Anfängen 1839 bis zur Gegenwart, Prestel, München 2002, S. 67. Die industrielle Reproduktion von Fotografien wurde aber erst ab 1883 durch Georg Meisenbach möglich, der 1881 das Autotypie-Verfahren in München entwickelte, es 1882 patentieren ließ – und damit einen Paradigmenwechsel in der fotografischen Bildreproduktion sowie Distribution markierte. Vgl. Peters, Dorothea: »Fotografie, Buch und grafisches Gewerbe – Zur Entwicklung von Druckverfahren von Fotobüchern«, in: Heiting, Manfred/Jaeger, Roland (Hg.): Autopsie – Deutschsprachige Fotobücher 1918-1945, Bd. 1, Steidl, Göttingen 2012, S. 12-23, hier S. 12f.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
der – konzeptuell das Jahrzehnt 1930 bis 1939 als Wirkungszeitraum zuordnet.29 Was führte zu solch einer Popularität des Mediums? Franz Roh benennt 1930 drei Umstände: Geringe Kosten, die leichte technische Handhabung, die Übereinstimmung der Technik mit einem Lebensgefühl der Zeit.30 »In einem Zeitalter, in dem die Photographien plötzlich zu einem Massenmedium werden«, schreibt Bernd Stiegler, »gilt es, sie auf ihre Bedeutung für die Geschichte hin zu befragen und sie zugleich als Hinweis auf ein radikal verändertes Verhältnis zur Geschichte als solcher zu deuten. An den Photographien wird ein Wandel des Bildes und mit ihm ein Wandel des Verhältnisses zur Geschichte und zur Wirklichkeit überhaupt deutlich.«31 Vilém Flusser glaubte, »daß mit den neuen Technologien auch ein anderes Denken anfängt, das die lineare Schrift und die rationale Argumentation überschreitet und sich in komplex übereinandergelagerten Bildern verwirklicht, […] als Projektionen, […] über die man […] dialogisch in die Nähe eines anderen Menschen tritt.«32 Fotografien als Weltbildvorlagen ersetzen das Wort – diese Situation hat heute mit bildbasierten sozialen Medien wie Instagram oder Facebook absolute Präsenz erlangt, welche – durch Flussers visionäre Beobachtungen hindurch – bereits zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus ihren Anfang nahm. »Der Mensch unserer Tage trägt durch die zahllosen Bilder, die er sieht, ein ganzes Archiv von konkreten
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Das Werk baut auf einem Set von zehn Zinnfiguren auf, die vom Deutschen Museum in München anlässlich des 75. Jahrestags seines Bestehens hergestellt wurden: Jede Figur verkörpert einen Erfinder und dessen Erfindung. Den (auf Postkarten und Fotografien dokumentierten) Zinnfiguren ordnete Darboven Jahrzehnte sowie Zitate aus der Brockhaus Enzyklopädie zu. Vgl. Salinger, Victoria: »Erfindungen, die unsere Welt verändert haben«, in: Enwezor, Okwui/Wolfs, Rein (Hg.): Hanne Darboven, Aufklärung – Zeitgeschichten, Eine Retrospektive, Prestel, München 2015, S. 274ff. »Drei Umstände müssen meist zusammentreffen, wenn eine Apparatur solche Verbreitung in der Menschheitsgeschichte erlangen soll: Man muß verhältnismäßig billig zu solcher Apparatur gelangen, man muß sie technisch leicht handhaben können und die Tendenz des Lebensgefühles der Zeit muß in die Richtung derartiger (hier also visueller) Freuden liegen«, Roh, Franz: »Der Wert der Fotografie« (Hand und Maschine, Mitteilungsblatt der Pfälzischen Landesgewerbeanstalt, 1. Jg., Februar 1930), in: Eskildsen, Ute/Horak, Jan-Christopher (Hg.): Film und Foto der zwanziger Jahre – Eine Betrachtung der Internationalen Werkbundausstellung ›Film und Foto‹ 1929, Ausst.kat., Württembergischer Kunstverein, Hatje, Stuttgart 1979, S. 165-166, hier S. 165. Stiegler, Bernd: Theoriegeschichte der Photographie, Fink, München 2006, S. 289. Rötzer, Florian: »Vilém Flusser«, in: Kunstforum International, Bd. 117 (1992), S. 70.
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Bildvorstellungen mit sich herum. Es steht ihm automatisch jeden Augenblick zur Verfügung«33 , schreibt Willy Stiewe 1933 in seinem Buch »Das Bild als Nachricht« und lässt dabei anklingen, wie sehr sich ein Agieren mit Bildern als ein Denken in Bildern in den 1930er Jahren bereits manifestiert hatte. Stiewe, der als Theoretiker im Kontext der nationalsozialistischen Bildpropaganda steht, hebt insbesondere die »nachrichtenpolitische Nutzung« und »Werbekraft« der »Bildnachricht« – worunter er die Kombination aus Fotografie und Bildunterschrift versteht – hervor.34 Seine Überlegungen referieren auf eine »technische Glaubwürdigkeit«, die sich durch das Medium Fotografie als Sichtweise herausgebildet habe35 – eine Sichtweise, die sich an Objektivität orientiere, als eine Fähigkeit des Fotoapparates, Sachverhalte wertfrei zu erfassen.36 Auf genau diese Glaubwürdigkeit rekurrieren eine Vielzahl fotografiebezogener Aussagen aus nationalsozialistischer Perspektive und kultivieren damit einen Objektivitäts-Glauben, mit dem insbesondere Heinrich Hoffmann in seinen Publikationen wirbt. Während der durch Bild und Text vermittelte Wahrheitsbegriff aus nationalsozialistisch gefärbter Perspektive immer nur tautologisch, da propagandistisch ist, entwickelt die Avantgarde der 1920er Jahre vielmehr Theorien und Begrifflichkeiten, die dazu befähigen, den Blick der technischen Glaubwürdigkeit zu durchbrechen und – praktisch wie theoretisch – nach neuen Sichtweisen zu fragen, wobei sich diese natürlich auch in nationalsozialistisch intendierter Praxis als Adaption niederschlagen, wie zu beobachten sein wird. Es geht, mit Bernd Stiegler gesprochen, um eine Neubestimmung der menschlichen Wahrnehmung, ja um eine Emanzipation des Schauens.37 So
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Stiewe, Willy: Das Bild als Nachricht – Nachrichtenwert und -Technik des Bildes, Duncker, Berlin 1933, S. 58. Ebd., S. 7. Vgl. ebd., S. 66. Vgl. Lethen, Helmut: Der Sound der Väter – Gottfried Benn und seine Zeit, Rowohlt, Berlin 2006, S. 69. Lethen thematisiert die Objektivität der Fotografie im Kontext wissenschaftlicher Bildproduktionen. Vgl. hierzu auch: Stiegler, Bernd: Philologie des Auges – Die photographische Entdeckung der Welt im 19. Jahrhundert, Fink, München 2001. Vgl. Stiegler, Bernd: »Objektives Sehen und subjektiver Blick – Zur Theorie der Fotografie in den zwanziger Jahren«, in: Schöttker, Detlev (Hg.): Mediengebrauch und Erfahrungswandel: Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 157-169, hier S. 157, 160. Der Begriff des ›Schauens‹ bezieht sich wiederum auf eine Formulierung von Raoul Hausmann.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
findet László Moholy-Nagy für die zunehmend bildbegriffliche Wahrnehmung und aktive Bezugnahme auf die Bildgestaltung durch den Fotografen die Formulierung des »Neuen Sehens« und führt 1925 aus: »Man kann sagen, daß wir die Welt mit vollkommen anderen Augen sehen«.38 Moholy-Nagy hebt in seinen Überlegungen zum »Typofoto« insbesondere die Fotografie in ihrer Funktion als »Fototext«39 hervor und bestärkt dies in seiner oft – darunter von Franz Roh (1929) oder Walter Benjamin (1931) – zitierten Aussage, »dass der fotografie-unkundige der analfabet der zukunft sein wird«.40 Indem aber gerade das Bild über Jahrhunderte hinweg insbesondere den Analphabeten erreicht hat, beispielsweise durch die Armenbibel, die Biblia pauperum, wirkt Moholy-Nagys These – und damit der Status und die Zugänglichkeit des fotografischen Bildes innerhalb der Gesellschaft – umso stärker, ja fast schon provokativ zugespitzt. Bernd Stiegler bezeichnet das Faktum des neuen technischen Sehens und der damit neu zu lernenden Sprache der 1920er und 1930er Jahre rückblickend
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Moholy-Nagy, László: Malerei, Fotografie, Film, Kupferberg, Mainz 1967, S. 27. »Die Fotografie als typografisches Material verwendet, ist von größter Wirksamkeit. Sie kann als Illustration neben und zu den Worten erscheinen, oder als ›Fototext‹ an Stelle der Worte als präzise Darstellungsform, die in ihrer Objektivität keine individuelle Deutung zuläßt. Aus den optischen und assoziativen Beziehungen baut sich die Gestaltung, die Darstellung auf: zu einer visuell-assoziativ-begrifflich-synthetischen Kontinuität: zu dem Typofoto als eindeutige Darstellung in optisch gültiger Gestalt«, in: ebd., S. 38. Auch Jan Tschichold benennt die neue Verwendungsweise der Fotografie mit dem Begriff ›Typofoto‹, vgl. Stiegler, Bernd: Der montierte Mensch – Eine Figur der Moderne, Fink, Paderborn 2016, S. 287. Im Kontext lautet das Zitat: »der fanatische eifer mit dem heute das fotografieren in allen kreisen betrieben wird, deutet darauf hin, dass der fotografie-unkundige der analfabet der zukunft sein wird. die fotografie wird in der nächsten periode ein unterrichtsfach wie heute das a b c und einmaleins sein«, Moholy-Nagy, László, in: Internationale Revue i10 1927-1929 [hier 1927, Nr. 6], Kraus Reprint, Nendeln/Liechtenstein 1979, S. 233. Moholy-Nagy verwendet die These ein weiteres Mal – hier schon in bestimmterem Ton – in seinem Aufsatz »Die Photographie in der Reklame« (Photographische Korrespondenz, Nr. 9, 1927, S. 257-260), in: Eskildsen/Horak, Stuttgart 1979, S. 146-150, hier S. 147, sowie in seinem Text »Wohin geht die photographische Entwicklung«, in: Agfa PhotoBlätter, Bd. 8, Nr. 9, 1932, S. 267-269, 272, hier S. 272. Durch die häufige Selbst-Zitation wiederholt Moholy-Nagy fast mantraartig seine These bis hin zum medientheoretischen Postulat. Zugleich spiegelt sich darin die Euphorie, mit der Moholy-Nagy diese These vertrat und zu platzieren suchte.
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als »visuelle Alphabetisierung«41 und verweist sehr treffend auf die Analogie zwischen László Moholy-Nagys und Vilém Flussers Theorien in Bezug auf eine durch (foto-technische) Bilder modifizierte Lesart der Welt: »Bei Moholy-Nagy und bei Flusser geht es gleichermaßen um neue Rezeptionsformen, die durch die medientechnischen wie kulturellen Veränderungen hervorgebracht und zugleich gefordert werden. Die Photographie für die zwanziger und dreißiger Jahre und der Computer für die achtziger und neunziger Jahre stellen Leitmedien dar, an denen exemplarisch die kulturelle Umbruchsituation konstatiert, demonstriert und analysiert wird.«42 Diese Umbruchsituation manifestiert sich in den 1920ern und 1930ern zunehmend, und zwar nicht nur anhand von Druckerzeugnissen, die fotografische Bilder und Texte zusammenführen, sondern durch ein völlig neues Berufsfeld: das des Bildjournalisten (und das der Bildjournalistin), mit dem so auch »Neubestimmungen der Lesbarkeit von Texten und Bildern«43 einhergehen.
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Neue Sichtbarkeitsformate – Neue Formate des Erzählens und Mitteilens
Die Forderung nach einem neuen Fotografen-Typus formuliert Werner Graeff 1929 in seinem Buch »Es kommt der neue Fotograf!« stilbildend: »Er faßt zusammen«, »er vervielfältigt«, »er schafft eine neue Welt«.44 Die neue Welt besteht dabei nicht mehr nur aus punktueller Nacherzählung, sondern aus einer bildkonstruierenden Wirklichkeit. »[M]an lernt, wie die Bilder untereinander und mit dem Text zu komponieren sind. Filmische Momente wie Überraschung, Spannung, Gegenbewegung, Kontrast, Wechsel von Bild und Text spielen die größte Rolle […], da die Fotografie gegenüber dem Wort immer mächtiger wird […]«45 , schreibt Graeff und skizziert damit einen Perspektivwechsel, der bildnerisch auf dem Aufbruch der Zentralperspektive basiert und grafisch die anwachsende Dynamik zwischen Text und Bild – im Sinne des Typofotos von Moholy-Nagy und Tschichold – hervorhebt. 41 42 43 44 45
Stiegler, Bernd: »Der montierte Mensch«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Bd. 39, VDG, Weimar 2012, S. 209-226, hier S. 217; sowie Stiegler 2016, S. 260ff. Stiegler 2006, S. 283. Ebd., S. 279. Gr[ae]ff, Werner: Es kommt der neue Fotograf!, Reckendorf, Berlin 1929, vgl. S. 76ff., hier S. 76, 78, 80. Ebd., S. 115ff.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
Graeffs Buch erschien im Rahmen der Ausstellung »Film und Foto«46 , die 1929 vom Deutschen Werkbund in Stuttgart ausgerichtet und anschließend als Wanderausstellung47 fortgesetzt wurde. »Wohin geht die fotografische Entwicklung?«48 Die »FiFo« ging dieser Frage mit der Kamera als Gestaltungsmittel im Fokus49 nach. Sie verband als folgenreichste Ausstellung der Weimarer Republik50 und als »Moment der Diskursfixierung«51 umfassend die zeitgenössischen Gestaltungstendenzen und -bestrebungen von Film und Fotografie sowie deren Möglichkeiten vor dem Hintergrund von BildReproduktionstechniken. Sie plädierte mit ihrem internationalen Charakter für eine internationale Sprache: Die Verbindung von Wort und Bild zwischen Statik und Dynamik reflektierend, das Sehen zu erweitern. Bot László Moholy-Nagy im ersten Ausstellungsraum der Stuttgarter »Film und Foto« einen Bilddiskurs im Stile Aby Warburgs, bei dem die von ihm gewählten Fotografien und Kommentare räumlich einen intermedialen
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Vgl. Werner Graeff – Ein Pionier der Zwanziger Jahre, Ausst.kat., Skulpturenmuseum Marl, Marl 1979, S. 5, 27, sowie Eskildsen/Horak 1979, S. 195ff. Ebenfalls im Rahmen der »Film und Foto« ist unter Graeffs Mitarbeit erschienen: Richter, Hans: Filmgegner von heute – Filmfreunde von morgen, Reckendorf, Berlin 1929. In Hinblick auf die Schulung des Auges publizierte Werner Graeff außerdem: So sollten Sie fotografieren lernen! – Ein Foto-Lehrbuch für Anfänger, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin 1930, sowie: Kamera und Auge, Graf, Basel 1942 (Fotoschule Locarno). »Es kommt der Neue Fotograf!« erschien 1978 als Neudruck im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. Initiiert von Gustaf Stotz, erfolgte die Konzeption der Ausstellung »Film und Foto« in Stuttgart unter Mitarbeit von Mia Seeger und László Moholy-Nagy (et al.). Es folgten Stationen unter anderem in den USA, in Holland, Russland, der Schweiz, Polen und Österreich, jeweils mit wechselnden Mitarbeitern, darunter Edward Steichen, El Lissitzky und Sigfried Giedion. Wandtext in »Raum 1« der Ausstellung mit einer Bildzusammenstellung von László Moholy-Nagy, vgl. Eskildsen/Horak 1979, S. 68ff. Unter dem gleichen Titel veröffentlichte Moholy-Nagy 1932 einen Artikel in: Agfa Photo-Blätter, 8. Jg., Nr. 9, S. 267-269, 272. Stotz, Gustav: »Die Ausstellung«, in: Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbunds Film und Foto, 18.05.-07.07.1929, Ausst.kat., Deutscher Werkbund, Stuttgart 1929, S. 12. Vgl. Barr, Helen: »Arrangierte Bilder – Ausweitung und Wandel visueller Narrationsstrategien im Frankfurter Illustrierten Blatt zwischen 1924 und 1931«, in: Leiskau, Katja/Rössler, Patrick/Trabert, Susann (Hg.): Deutsche illustrierte Presse – Journalismus und visuelle Kulturen in der Weimarer Republik, Nomos, Baden-Baden 2016, S. 155180, hier S. 173. Ebd., S. 174.
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Dialog über den narrativen Umgang mit fotografischen Bildern herausstellten, so formulierte analog hierzu Graeff die Herausforderung des »neuen Fotografen« in seinem Buch: Er habe »[…] (im idealen Fall) bereits bei der Aufnahme die Beziehung zu Text und Bildern der Seite und der Nachbarseite im Auge«.52 Der ›neue Fotograf‹ arbeitete also zunehmend mit der Haltung eines Konstrukteurs53 und eines Bildjournalisten54 . Dabei ist der von Graeff ausschließlich maskulin bezogene Diskurs ebenso in Bezug auf die Fotografin und folglich die Bildjournalistin zu sehen.55 Es ist ein Aktionsfeld, das sich einhergehend mit der Entwicklung der Kamera- sowie Reproduktionstechnik für Fotografinnen und Fotografen im Kontext der Pressefotografie bereits in der frühen Weimarer Republik56 ver-
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Ebd. S. 171. Vgl. El Lissitzky, »Der Konstrukteur (Selbstbildnis)«, 1924. Entscheidend ist bei dieser fotografischen Montage die Überblendung von Auge und Hand als tragendes Bildelement. Dies trifft auch auf Moholy-Nagy zu. So schreibt Beaumont Newhall: »Moholy-Nagy war ein Pionier im Erkennen dessen, was ich gern das gefundene Foto nenne. Wie Marcel Duchamp einen Gebrauchsgegenstand, einen Flaschenständer in eine Skulptur verwandelte, so konnte Moholy-Nagy ein von irgendeinem Niemand aufgenommenes Nachrichtenfoto zur ästhetischen Bedeutsamkeit erheben, indem er es in einer Ausstellung oder zwischen den Deckeln eines Buches in einen neuen Zusammenhang stellte.« Zitiert nach Steinorth, Karl: »Die Internationale Werkbundausstellung ›Film und Foto‹ und ihre Organisatoren«, in: ders. (Hg.): Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbundes Film und Foto Stuttgart 1929, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, o.S. Interessant ist hierbei, dass Moholy-Nagy bei der Zusammenstellung der Fotografien für den »Raum 1« der FiFo vor allem als Bildjournalist agierte, weniger als Kurator. So sind im Aussteller-Verzeichnis des Begleit-Kataloges der FiFo bezüglich »Raum 1« zwar auch Fotografinnen und Fotografen aufgelistet, aber vorwiegend Bildagenturen – von denen Moholy-Nagy offensichtlich das von ihm verwendete Bildmaterial bezogen hat. Diese Aufnahmen folgten einer thematischen Gliederung in die Kategorien »Dokumentarische Erfassung der Welt«, »Fixierung der Bewegung« und »Bewußte Gestaltung mit Licht und Schatten«, vgl. ebd., S. 49f. Die Auswahl von Moholy-Nagy wurde ergänzt durch eine fotohistorische Kollektion, zusammengestellt von Erich Stenger. Vgl. ebd., o.S. (Einleitung Steinorth), sowie Kap. II., 1.2. Wenn im Fließtext häufig von dem Fotografen die Rede ist, so geht dies einher mit der Tatsache, dass die entsprechend zitierte Literatur sich ihrerseits primär auf den männlichen Fotografen als Typus bezieht. »Die Geschichte des Photojournalismus […]«, schreibt Gisèle Freund, »nimmt ihren Ausgang in Deutschland, denn dort arbeiten die ersten großen Bildreporter […]«, in: Freund, Gisèle: Photographie und Gesellschaft, Rogner & Bernhard, München 1976, S. 122. [Diese Publikation basiert auf Freunds 1932 in Frankfurt a.M. unter Karl Mann-
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
festigt hatte. Das Erzählen mit Bildern führte zunehmend hin zu Bildreihen und Fotomontagen, wobei das fotografische Bild synchron als Botschaft wie für Werbezwecke Verwertung fand. Die Illustrierte wurde zum Katalysator der Bildproduktion, und umgekehrt erlangte die Fotoillustrierte als aufsteigendes Massenmedium erst durch die fotografische Vielfalt ihren spezifischen Ausdruck: In ihr erhielten Textnachrichten und Reportagen57 ein »fotografisches Gesicht«58 , das näher ans Leben heranrückte. Bereits 1919, ein Zeitpunkt, zu dem Berlin die wichtigste Zeitungsstadt Mitteleuropas war,59 warb die Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ) für den Fotografen als Journalisten, »[…] damit Ihr alle Perspektiven und Erscheinungsformen dieser Welt, von außen und innen, sehen lernt. Und indem Ihr seht, werdet Ihr wissend. Deshalb – Platz für den Photographen! Öffnet ihm alle Wege und Türen! Denn er ist der Bildjournalist Eurer Geschichte.«60 Kurt Korffs Reformen als Chefredakteur der BIZ begünstigten die Entwicklungen vom Fotografen zum Bildredak-
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heim begonnenen und 1936 in Paris an der Sorbonne abgeschlossenen und im selben Jahr publizierten Dissertation.] Entscheidende Beobachtungen zur Rolle der PresseFotografie im Zuge der November-Revolution 1918/19 liefern: Halfbrodt, Dirk/Herz, Rudolf: Revolution und Fotografie – München 1918/19, Ausst.kat., Stadtmuseum München, München 1988, sowie Hallen, Andreas/Kerbs, Diethart: Revolution und Fotografie – Berlin 1918/19, Ausst.kat., NGBK, Nishen, Berlin 1989. Zur Entwicklung der Fotoreportage anhand ausgewählter Fallbeispiele und Statistiken siehe: Knöferle, Karl: Die Fotoreportage in Deutschland von 1925 bis 1935 – Eine empirische Studie zur Geschichte der illustrierten Presse in der Periode der Durchsetzung des Fotojournalismus, Dissertation an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt 2013/14. Knöferle beobachtet dabei den Aufstieg der Fotoreportage in Deutschland ab 1925 und benennt 1929-1932 als Zeitraum der Entstehung der »modernen Fotoreportage«, bei der verstärkt narrative Strukturen zu beobachten sind. Vgl. ebd., S. 238, 267f., sowie 454ff. Holzer, Anton: »Die Welt in Bildern«, in: Neue Zürcher Zeitung (Nr. 291) vom 14.12.2013, S. 27. Kerbs, Diethart: »Revolution und Fotografie«, in: Hallen/Kerbs 1989, S. 15-25, hier S. 19f. Berliner Illustrirte Zeitung 50 (1919), S. 522-523, zitiert nach: Weise, Bernd: »Fotojournalismus Erster Weltkrieg – Weimarer Republik«, in: Honnef, Klaus et al. (Hg.): Deutsche Fotografie – Macht eines Mediums 1870-1970, Ausst.kat., Bundeskunsthalle Bonn, DuMont, Köln 1997, S. 72-87, hier S. 80. Zur Entwicklung der Deutschen Illustrierten Presse siehe auch: Weise, Bernd: »Aktuelle Nachrichtenbilder ›Nach Photographien‹ in der Deutschen Illustrierten Presse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts«, in: Grivel, Charles/Gunthert, André/Stiegler, Bernd (Hg.): Die Eroberung der Bilder – Photographie in Buch und Presse 1816-1914, Fink, München 2003, S. 62-101, sowie Weise, Bernd: »Pressefotografie«, in: Fotogeschichte Bd. 31 (1989), S. 15-40 und in: Fotogeschichte Bd. 33 (1989), S. 27-62.
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teur61 , unter anderem auch deshalb, weil die Redaktion der Berliner Illustrirten den künstlerischen Beirat einführte, »[…] der mit dem Blick des Künstlers die bildlich stärkste und beste Lösung zu suchen hatte – nicht allein beim einzelnen Bild, sondern auch bei der Anordnung der Bilder zueinander, in ihrem Verhältnis zum Text […].«62 Unter Korff entwickelte sich so nicht nur die BIZ zu einer der auflagenstärksten Illustrierten ihrer Zeit (zum Beispiel 1926 mit einer Auflagenzahl von 1,75 Millionen), auch die Arbeitsfelder von Bildreporter und Bildredakteur erlangten einen völlig neuen Geltungsbereich.63 Nicht das Lesen, sondern das Sehen wurde zum Leitgedanken.64 1927 formulierte Kurt Korff die Verwendung des Bildes als Nachricht und dessen Relation zum Kino65 , woraufhin Willy Stiewe 1933 Korffs Gedanken in seinem gleichnamigen
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Vgl. Honnef 1997, S. 82. Korff, Kurt: »Die Berliner Illustrirte«, in: 50 Jahre Ullstein 1877-1927, Ullstein, Berlin 1927, S. 279-302, hier S. 292. Korff war ab 1905 verantwortlicher Redakteur (noch) unter seinem Namen Kurt Karfunkel, ab 1919 dann unter Kurt Korff. Vgl. Weise, Bernd: »›ullstein bild‹ – Vom Archiv zur Agentur – Fotografie im Presseverlagsgeschäft, Eine Rekonstruktion zur Geschichte des Fotoarchivs im Ullstein Verlag«, in: Oels, David/Schneider, Ute (Hg.): Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere – Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, De Gruyter, Berlin/München/Boston 2015, S. 259-286, hier S. 269. Kurt Korff emigrierte 1935 aufgrund der nationalsozialistischen Politik in die USA und brachte dort seine Kenntnisse im Rahmen der Neugründung des Life Magazins 1936 (unter Henry Luce) erneut zur Geltung. Vgl. Wiegand, Wilfried (Hg.): Die Wahrheit der Photographie – Klassische Bekenntnisse zu einer neuen Kunst, Fischer, Frankfurt a.M. 1981, S. 302; Smith, C. Zoe: »Germany’s Kurt Korff: An Emigré’s Influence on Early Life«, in: Journalism Quarterly, Vol. 65, Issue 2 (June 1988), S. 412-419; sowie Münzel, Martin: »Tempelhof – Manhattan und zurück, Ullstein und der Einfluss der Emigration«, in: Oels/Schneider 2015, S. 388-406, hier S. 396f. Life stellte eine noch stärker filmisch geprägte Bildsprache vor, unter anderem durch Bezug zu Wochenschau- und Dokumentarfilmreihen wie The March of Time. Vgl. Rosenblum, Naomi: A World History of Photography, Abbeville, New York 1984, S. 474. Vgl. Molzahn, Johannes: »Nicht mehr lesen! Sehen!«, in: Das Kunstblatt, Heft 12, 1928, hier zitiert nach: Eskildsen/Horak 1979, S. 123-125, hier S. 124. »Aber erst in einer Zeit, in der das Leben ›durch das Auge‹ eine stärkere Rolle zu spielen anfing, war das Bedürfnis nach visueller Anschauung so stark geworden, daß man dazu übergehen konnte, das Bild selbst als Nachricht zu verwenden. Das bedeutete eine vollkommen neue Einstellung dem Bilde gegenüber. Es ist kein Zufall, daß die Entwicklung des Kinos und die Entwicklung der ›Berliner Illustrirten Zeitung‹ ziemlich parallel laufen«, Kurt Korff, in: 50 Jahre Ullstein 1927, S. 290. Auch Albert Renger-Patzsch bemerkt diese Entwicklung: »Die Photographie übt einen ungeheuren Einfluß auf die Massen aus durch Film und illustrierte Zeitschriften«, in: Das Kunstblatt, Berlin 1928,
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
Buch adaptierte und an die nationalsozialistische Ideologie angepasst weiterführte. So müsse nicht nur der Fotograf, sondern auch der Bildredakteur ein »Augenmensch« sein, und »[…] wie der Filmdichter und Filmregisseur das Leben in Bildern sehen.«66 Ein solches filmisches Moment abseits der Filmkamera fotografisch zu erzeugen, war überhaupt erst möglich durch fototechnische Verbesserungen wie die auf dem Markt neu eingeführten Kleinformat-Kameras Ermanox (1924), Leica (1925) oder Rolleiflex (1928/29). Aufgrund ihres geringen Gewichts, der kleinen Größe und des großen Filmfassungsvermögens, bei der Leica zum Beispiel mit bis zu 36 Aufnahmen67 , bereiteten diese Kameras völlig neue Möglichkeiten, allem voran Mobilität und Freiheit in der Bild-Produktion, -Präsentation und -Distribution. Pressefotografinnen und -fotografen wurden zu ›teilnehmenden‹ und ›teilhabenden‹ Beobachterinnen und Beobachtern. In der modernen Bildreportage verbanden sich dabei Avantgardefotografie und Massenmedium68 mit einer kontinuierlichen Verlagerung zu einem Narrativ aus Bild und Text – stets getragen von einem der Aktualität verhafteten Blick. Eine neue Frage tritt hierbei auf, die sich 1932 Raoul Hausmann und Werner Graeff stellen: Wie sieht der – neue – Fotograf? Ihr Gespräch bildet das Vorwort der Jahresschau »Das Deutsche Lichtbild 1933«69 und markiert einen weiteren Wendepunkt in der Auseinandersetzung mit fotografischem Sehen,
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S. 19-22, hier zitiert nach Stiegler/Wilde 2010, S. 107. Thematisiert wird dies auch in der dritten Staffel der Serie Babylon Berlin (D 2020, R: Tom Tykwer, Achim von Borries, Henk Handloegten). Stiewe 1933, S. 111, zitiert hier Kurt Korff, in: 50 Jahre Ullstein 1927, S. 292. Das 35mm-Kleinbildformat entsprach dem Aufnahmematerial des Kinofilms; mit der Markteinführung der Leica durch die Firma Leitz in Wetzlar wurde das Format erstmals auch im Bereich der Fotografie populär. So schreibt Bernd Stiegler, dass nahezu alle maßgeblichen Fotografen der Zwischenkriegszeit ihre Aufnahmen in illustrierten Zeitschriften publizierten. Vgl. Stiegler 2006, S. 280. Veröffentlicht wurden beispielsweise zwischen 1928/29 und 1932/33 von Erich Salomon ca. 250 Reportagen in deutschen sowie 80 in ausländischen Zeitschriften, von Felix H. Man etwa 150 und von Tim Gidal ca. 50 Reportagen, vgl. Weise 1997, S. 84. »Wie sieht der Fotograf? Gespräch zwischen Raoul Hausmann und Werner Gr[ae]ff, Berlin«, Vorwort, in: Das Deutsche Lichtbild – Jahresschau 1933, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1932, S. T11-T18. Einige Passagen des Gespräches finden sich als Resümee auch hier: Hausmann, Raoul: »Formdialektik der Fotografie«, in: a bis z, Nr. 24, 1932, hier zitiert nach: Schneede, Uwe M. (Hg.): Die zwanziger Jahre – Manifeste und Dokumente deutscher Künstler, DuMont, Köln 1979, S. 246-248.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
dem Konzipieren von fotografischen Narrativen und der Wahrnehmung von Fotografien – vorausweisend auf ein Jahr, in dem sich die Machtergreifung der Nationalsozialisten vollzieht. So diskutieren Hausmann und Graeff über Blickführung, Bildausschnitt, Raum und Form, über die Korrektur des Sehens durch das Bewusstsein sowie darüber, dass die Fotografie eine historisch-erzieherische Rolle im Bewusstsein des Menschen spiele. In dieser Untersuchung konstatiert der Dadaist Hausmann, dass »[z]u unserer Zeit Fotografie und Film von ungeheuerster Wirkung auf die Anschauung [sind]. Man kann sagen, daß Fotografie, Fotomontage und Film die Sinne der im Aufstreben befindlichen Massen schärfen und entwickeln. Sehen, und [w]issen was man sieht und [w]ozu, ist gerade heute eine der wichtigsten Sachen […].«70 Raoul Hausmanns Vermessung des Sehens erinnert an seinen »Mechanischen Kopf«, den er 1918 unter dem Titel »L’Esprit de notre temps« anfertigte. Formuliert sein Holzkopf mittels »Utensilien des Ordnung setzenden Geistes«71 eine Plastik des technisch-numerischen Zeitgeistes, bei dem »die Sinne neu montiert wurden«72 und Sehen noch als passive Haltung wirkt (das Gesicht als bloßes Bild begriffen, ausgestattet unter anderem mit einem mechanischen Teil eines Fotoapparates), betont er in seinem Gespräch mit Graeff über die Fotografie und das Sehen des Fotografen nun vorwiegend die Bedeutung des »Wer da Was sieht«73 sowie das »lebendige Sehen«74 .Während Graeff und Hausmann so einerseits den persönlichen Blick des zeitgenössischen Fotografen,75 ja dessen Perspektive als substanziell hervorheben (und damit die immanente Subjektivität des Bildes), ist ihr fotografischer Diskurs getragen von einer räumlichen Anschauung der Fotografie, die raumbildende Elemente im Zuge ihrer bildlichen und intermedialen Komposition hervorhebt und anhand bilddynamischer Komponenten kontextuell lesbar macht. Das Sehen des Fotografen bezieht sich so nicht nur darauf, den Raum des Fotos zu gestalten, sondern überdies eine Lesbarkeit der Welt erkennen zu lassen, die
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Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1932, S. T12. Köhler, Angela/Einhorn, Nikolaus: »Der Dadasoph der Dadaisten«, in: ZEIT (08/1971) vom 19.02.1971, Archiv ZEIT online: www.zeit.de/1971/08/der-dadasoph-der-dadaisten, zuletzt aufgerufen am 22.07.2016. Vgl. Stiegler, Bernd: »Komplexe Reflexe – Montage und Neues Sehen in der Fotografie«, in: RealSurreal – Meisterwerke der Avantgarde-Fotografie, Das Neue Sehen 1920-1950, Sammlung Siegert, Ausst.kat., Kunstmuseum Wolfsburg, Wienand, Köln 2014, S. 111. Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1932, S. T12. Ebd., S. T14. Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1932, S. T18.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
über das Flächenhafte und Flüchtige hinausragt, mit dem Ziel, »seh-richtig zu gestalten«76 : das heißt, eine gestische Bewegung des im Bild festgehaltenen Momentes bildübergreifend lesbar, ja erfahrbar zu machen – anhand eines synthetischen Blicks. Das Sehen der Fotografin und des Fotografen wirkt auf das Sehen der Betrachterin und des Betrachters. Darauf verweisen Graeff und Hausmann in ihrem Gespräch; ferner Kurt Korff, der 1927 eine veränderte Einstellung des Publikums zum Leben benennt77 , welche Jan Tschichold als »Bildhunger des modernen Menschen« bezeichnet78 ; ähnlich äußerte sich bereits 1926 Peter Panter alias Kurt Tucholsky in seinem Foto-Essay »Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte«79 . Während Graeff und Hausmann primär die Komposition des fotografischen Bildes seitens des Fotografen und die wachsenden Fähigkeiten des medialen Erfassens seitens des Betrachters hervorheben, bringt Panter/Tucholsky das Genuine des fotografischen Moment-Bildes mit dem Gefühl80 in Verbindung, das durch die Zeitlupe in immer kleineren Zeitintervallen81 – und damit näher gebrachten Momenten, die Franz Roh als »Vollerinnerung«82 skizziert – in der Rezeption eines fotografischen Bildes erfahrbar wird: »Die Linse ist ein Aphorismus aus dem fortlaufenden Roman der Zeitlupe«, schreibt so Panter/Tucholsky, »und was hunderttausend Worte nicht zu sagen vermögen, lehrt die Anschauung, die direkt an das Gefühlszentrum greift, die die Vermittlung der Gehirnarbeit als fast nebensächlich übergeht,
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Hausmann, in: Schneede 1979, S. 248. »Es war die veränderte Einstellung des Publikums zum Leben, die der Entwicklung der ›Illustrirten‹ [BIZ] zugute kam«, Kurt Korff, in: 50 Jahre Ullstein 1927, S. 290. Tschichold, Jan: »Fotografie und Typografie«, in: Die Form, Heft 7, 1928, S. 221-227, hier zitiert nach: Eskildsen/Horak 1979, S. 157-159, hier S. 157. Panter, Peter: »Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte«, in: Uhu, 3. Jg., Nr. 2 (November 1926), S. 75-83, hier zitiert aus Kerbs/Uka 2004, S. 224-233. Im Hinblick auf die Verknüpfung von Bild und Gefühl siehe auch Gisèle Freund: »Ein Bild ist leichter zu verstehen als das abstrakte Wort und daher für jedermann zugänglich; seine Besonderheit liegt darin, daß es an das Gefühl appelliert; es läßt keine Zeit zum Nachdenken […]«, in: Freund 1976, S. 228. Vgl. Panter in Kerbs/Uka 2004, S. 233. Roh in: Roh, Franz/Tschichold, Jan: foto-auge, Stuttgart 1929, S. 4. Diese Publikation ist ebenfalls in Zusammenhang mit der Ausstellung »Film und Foto« erschienen. Kees Broos schreibt hierzu: »[D]as Buch foto-auge hatte jeder, wie eine Bibel, in seinem Bücherschrank.« Broos, Kees: »Zu wenig, um unser Gesicht zu wahren«, in: Eskildsen/Horak 1979, S. 172-179, hier S. 173.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
die unausradierbar aussagt, wie es gewesen ist«.83 Nicht ohne Verlust, ja Resignation hinsichtlich der Erzählkraft des (eigenen) Wortes, doch vor allem nicht ohne Ironie und Warnung erscheint Panters/Tucholskys Beschreibung des Reizes, den das fotografische »So-ist-es-gewesen« auszulösen vermag. So verweist er darauf, dass »[…] jeder Propagandist die Wirkung des Tendenzbildes zu schätzen [weiß]: von der Reklame bis zum politischen Plakat schlägt das Bild zu, boxt, pfeift, schießt in die Herzen und sagt, wenn’s gut ausgewählt ist, eine neue Wahrheit […].«84 Mit seinen Worten weist er voraus auf eine Lebensrealität, wie sie sich mit der Bildpolitik des Nationalsozialismus verwirklichte.85 1929/30 weiß Panter/Tucholsky dies erneut zu spezifizieren, und indem er explizit danach fragt, »Wer photographiert? So, wie es auf der Welt nichts Unpolitisches gibt, so gibt es auch keine unpolitische Photographie«86 , hebt er nicht nur die Popularität, sondern auch die mit ihr einhergehende Politisierung des fotografischen Bildes hervor. Peter Panter respektive Kurt Tucholsky zeigt mit seinen Beobachtungen, dass die Sprache allein zunehmend porös wird, das fotografische Bild in der zeitgenössischen Rezeption aber an medialer Überzeugung gewinnt. Sein Begriff der »Zeitlupe«, auf den es einzugehen lohnt, formuliert keinen Gegensatz zur Dynamik, sondern die Fokussierung auf eine detaillierte Lebendig-
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Panter in Kerbs/Uka 2004, S. 226ff., hier S. 226, 228. Ebd., S. 233. Eine Beobachtung, die Kurt Tucholsky 1929 in Zusammenarbeit mit John Heartfield in dem satirischen, gesellschaftskritischen Bilderbuch »Deutschland, Deutschland über alles« fortführt. Anhand von bildhaften Episoden Tucholskys, die Heartfield mit fotografischen Ansichten dialogisch montiert hat, entfaltet sich hier eine narrative Wirkung von Fotografie und Text, die ebendiese – mit Deutschland als Thematik, kritisch und vorausschauend auf die Bildpolitik des Nationalsozialismus – zum Gegenstand bringt: »[E]in unendliches Bilderbuch –: Deutschland. Alle diese Bilder sprechen. Und von den wenigsten kann man den Text aufschreiben. Denn: Diese Photographien sind immer zweierlei: sie sind typisch für etwas in Deutschland – und sie sind gleichzeitig privat.« Tucholsky über »Die Unmöglichkeit, eine Photographie zu textieren«, in: Tucholsky, Kurt: Deutschland, Deutschland über alles, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2011, S. 10-11. Panter, Peter: »Neues Licht«, in: Das Deutsche Lichtbild – Jahresschau 1930, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1929, o.S., zuvor bereits abgedruckt in: Die Weltbühne vom 27.08.1929, Nr. 35, S. 323, vgl. Jaeger, Roland: »Alljährlich das Beste der deutschen Lichtbildnerei – Das fotografische Jahrbuch ›Das Deutsche Lichtbild‹ 1927-38«, in: Heiting, Manfred/Jaeger, Roland (Hg.): Autopsie – Deutschsprachige Fotobücher 1918 bis 1945, Band 2, Steidl, Göttingen 2014, S. 302-329, hier S. 329.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
keit, die dem Sehen und Zeigen – im Sinne eines »Fotodynamismus«87 – zu eigen wird.88 »Zeitlupe« benennt so eine sich etablierende sequentielle Narration wie auch Wahrnehmung zwischen Abfolge und Spektrum, welche die Fotografie in Bezug zum Film setzt und das fotografische Erzählen am filmischen orientiert – ganz ähnlich der Einschätzungen, die Korff und Hausmann anführen.89 Es ist eine bildnarrative Entwicklung, die Heinrich Hoffmann als politische Strategie adaptiert hat und mit seinen fotografischen Bildbänden ausführte. Graeff betont 1942 die vermeintliche Augenzeugenschaft90 , die Stiewe 1933 im Kontext nationalsozialistischer Propaganda heraufbeschwört: Der Betrachter »[…] fühlt nicht nur das Ereignis mit, sondern identifiziert sich auch mit denen, die es auf dem Bilde erleben«91 – über jede räumliche, zeitliche und soziale Grenze hinweg.92 Neben der Illustrierten und dem Foto87 88
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Ullrich, Wolfgang: Die Geschichte der Unschärfe, Wagenbach, Berlin 2003, S. 82f. Eine Fokussierung, die sich auf filmischer Ebene beispielsweise in Berlin – die Sinfonie der Grossstadt (D 1927, R: Walther Ruttmann) zeigt. Stilprägend ist sie geworden durch das mehrbändige Fotobuch »Animal Locomotion« von Eadweard Muybridge (1887), vgl. Muybridge’s Complete Human and Animal Locomotion – All 781 Plates from the 1887 Animal Locomotion by Eadweard Muybridge, Dover, New York 1979. Auch Helen Barr verfolgt am Beispiel des Frankfurter Illustrierten Blattes mit dem Einsetzen des Jahres 1931 verstärkt visuelle Narrationsstrategien, die sie ebenfalls in der Nähe des Mediums Film sieht. Vgl. Barr in Leiskau/Rössler/Trabert 2016, S. 176f. Vgl. Graeff 1942, o.S. (sowie Bildteil in Bezug auf S. 11-13): »Die Fotografie macht uns zum Augenzeugen. Über jeden räumlichen und zeitlichen Abstand hinweg bietet sie uns die Illusion des Zugegenseins.« Graeff knüpft an die Suggestion des GegenwärtigSeins einen Bezug zum Erfolg der illustrierten Presse und dem Wochenschau-Film, vgl. ebd., S. 12, und kommentiert kritisch: »Dieser Tatsache […] sind wir uns gewöhnlich gar nicht mehr bewußt, weil wir von Jugend auf so sehr mit Fotografien und gedruckten Reproduktionen nach Fotografien gefüttert wurden […]. Nichtsdestoweniger bleibt diese ihr eigentümliche Kraft, den Beschauern unbewußt, die Ursache ihrer enormen Popularität«, ebd., S. 12. Stiewe 1933, S. 58. Vgl. außerdem Tucholsky 2011, S. 10: »Und wenn du ganz in das Bild hinein gekrochen bist, dann sprechen sie.« Vgl. hierzu Bernd Stiegler: »Die Pressephotographie hat durch die Demokratisierung der Bilder zu einer Überwindung nicht nur von geographischen, sondern auch von sozialen Grenzen geführt«, in: Stiegler 2006, S. 282. Willy Stiewe formuliert die revolutionierende Wirkung der Fotografie so: »Sie lag kurz gesagt darin, daß Raum und Zeit sowie jede soziale Grenze gleichsam im Sprung überbrückt wurden und jeder Mensch, der durch Schranken mannigfachster Art bisher ein ›Außenstehender‹ war, plötzlich einbezogen und eingeweiht war«, Stiewe 1933, S. 55. Dies formuliert eine Situation, nämlich die »soziale Funktion« der Fotografie, die Pierre Bourdieu ferner als »Aus-
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Essay ist es insbesondere das Fotobuch93 , mittels dessen sich bald ein völlig neues Format des bildhaften Erzählens und Erlebens etabliert. So erkennt Bernd Stiegler mit Blick auf die Fotobücher der Avantgarde zwischen 1925 und 1930 eine »photographische oder visuelle Alphabetisierung«94 : »[D]ie Photo-Bücher der Zeit«, formuliert Stiegler, »verstehen sich nicht selten als Fibeln95 , die dem Menschen eine neue Syntax, Grammatik und letztlich auch Semantik der hier Photographie und somit Technik gewordenen Wirklichkeit beizubringen versuchen.«96 Die Konzeption der Fotobücher seit der Avantgarde gliedert sich nach Stiegler in zwei Kategorien: die des Paradigmas, dem Gesetz der Serie folgend, sowie die des Syntagmas, die Montage als visuelle Syntax implizierend.97 »Es geht um Instruktion, um Inhalte, Strategien und Neubesetzungen – ästhetisch, politisch, ideologisch. Die Bildung des neuen Menschen verläuft dabei nicht zuletzt über Bilder. Alle Initiativen im Hinblick auf die visuelle Alphabetisierung sind dabei immer auch politisch. Es geht um einen regelrechten Plan, der genau kalkuliert, entworfen und umgesetzt wird und dabei Reaktionen, die Verhaltensweisen und Wahrnehmungsformen als zu verändernde im Blick hat.«98 Nach Stieglers Paradigma-Syntagma-These vollzieht sich eine Neuordnung der Welt durch programmatische fotografische Arrangements, die sich so nicht zuletzt auch in Heinrich Hoffmanns Bildbänden als narrative Doppel-Strategie manifestieren.
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druck und Mittel der Integration« beschreibt, vgl. Bourdieu, Pierre: »Kult der Einheit und kultivierte Unterschiede«, in: Bourdieu, Pierre et al. [Hg.]: Eine illegitime Kunst – Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2006, S. 25-84, hier S. 31, 81. Umfassende Darstellungen zur Geschichte des Fotobuches bieten unter anderem Parr, Martin/Badger, Gerry: The Photobook – A History, Vol. I, Phaidon, London 2007; Vol. II, Phaidon, London 2008; Vol. III, Phaidon, London 2014; sowie Heiting, Manfred/Jaeger, Roland: Autopsie – Deutschsprachige Fotobücher 1918 bis 1945, Bd. 1 Göttingen 2012; Bd. 2 Göttingen 2014. Stiegler 2012, S. 218, sowie weiterführend Stiegler 2016, S. 260ff. Zum Begriff der Fibel siehe auch: Didi-Huberman, Georges: Wenn die Bilder Position beziehen – Das Auge der Geschichte I, Fink, München 2011, S. 229ff., hier S. 238f: »Die Welt – insbesondere die Welt der Sprache – wird […] in zerlegbare Elemente demontiert, […] die Einzelstücke neu zu organisieren und zwar gemäß einer Fabel, die unsere Einbildungskraft auf stets unterschiedliche Weise zu immer neuen Verzweigungen führen wird.« Stiegler 2016, S. 260. Ebd., S. 308ff. Ebd., S. 261.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
Willy Stiewe formuliert vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus die Möglichkeit der politisch intendierten, meinungsbildenden Wirkung des Bildes gar so: »Die Betrachtung des Bildes geht mit selbstständiger Urteilsbildung Hand in Hand, und was man selbst erkannt hat, erscheint einem stets glaubwürdig.«99 Dem Fotobuch ist demnach ein »BildorganisatorischesWollen«100 implizit, das auf einer Montage von (fotografischen) Gesten und Worten101 basiert. Es wird zum Träger, ja zum Körper der Sprache der darin präsentierten fotografischen Bilder.102 Umgekehrt ist es der menschliche Körper, der sich der bildlichen Repräsentation zunächst taktil – im Sinne der von Stiewe nahegelegten Trias Betrachtung-Urteil-Hand – annähert. So bemerkt auch Geoffrey Batchen, »[…] it is surely this combination of the haptic and the visual, this entanglement of both touch and sight [Herv. i.O.], that makes photography so compelling as a medium.«103 Berühren und Sehen, dies gilt sowohl für das Fotobuch, für die einzelne Fotografie als auch für das Fotografieren selbst. Das Vertraut-Werden und Vertraut-Sein mit dem Medium führt nicht zuletzt zurück auf die eigene Handhabung des Apparates, die das vom Objektiv ausgerichtete Sehen mit einem subjektiven Körpergefühl im Bildmoment verbindet. Die Hand wird dabei zur Schnittstelle: Durch sie vollzieht sich eine Handlung, die durch die Popularität des Mediums Fotografie zugleich zu einer kollektiven Handlung wird, welche wiederum mit dem Wechsel des Sehens einhergeht und ihn ebenso veranlasst. Mit der Entwicklung der Kamera-Technik, ihrer Erschwinglichkeit sowie der Verrechtlichung des Bildes104 setzt so auch eine Welle der Amateurfotografie ein, die
99 Stiewe 1933, S. 68. 100 von Schintling, Karl: »Lichtbildkunst«, in: Das Deutsche Lichtbild – Jahresschau 1927, hg. von H. Windisch, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1927, S. XV. 101 Vgl. Didi-Huberman 2011, S. 245. 102 Vgl. ebd., S. 305f.: »Die Sprache der photographischen Bilder: Photo-Bücher«. 103 Batchen, Geoffrey: Each Wild Idea – Writing, Photography, History, MIT Press, Cambridge/Massachusetts 2002, S. 61. 104 Zwischen 1860 und 1920 werden intensive Diskussionen um die Verrechtlichung apparativ erzeugter Bilder geführt, die wegweisend für die weitere Entwicklung des fotografischen Urheberrechts im 20. Jahrhundert sind. Am 1. Januar 1907 trat das »Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie« in Kraft, das erstmals auch den Urheberrechtsschutz für Fotografie und das »Recht am eigenen Bild« vorsah. Vgl. Dommann, Monika: »Der Apparat und das Individuum: Die Verrechtlichung technischer Bilder (1860-1920)«, in: Heßler, Martina (Hg.): Konstruierte Sichtbarkeiten – Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, Fink, München 2006, S. 347-367, hier S. 350, 362, 367. Siehe auch Kap. I., 1.3, Fn. 121.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
vom Knipser 105 über die autodidaktische Unterrichtung durch fachkundliche Handbücher bis hin zur organisierten Vereins-Kultur106 reicht, und die eine umfassende Popularität des Mediums wie auch einen weitreichenden Bildungsauftrag im Sinne der Volkserziehung107 zur Folge hat. Was sich in fotografischen Fachkreisen etabliert, findet im Privaten ein organisiertes Echo. Fotografie und das prä-fabrizierte Fotobuch werden zum Konsumartikel, zum »Reflex des Alltags«108 , wobei es in erster Linie nicht um die Ware als solche, sondern um das mittels Fotografie transportierte Erkennen und Wiederfinden von Situationen und szenischen Momenten109 geht. Zwei Dinge lassen sich daraus schlussfolgern: Erstens eine »Verschiebung von der Warenproduktion zur Imageproduktion«110 , die eine Fiktionalisierung des Lebens111 mit selbsterfüllbarer Verheißung anspricht; und zweitens ein »Paradigmenwechsel der Kommunikationsformen«112 . Es ist ein Paradigmenwechsel, der Kom-
105 Starl, Timm: Knipser – Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980, Ausst.kat., Fotomuseum München, Koehler & Amelang, München/Berlin 1995. 106 Vgl. Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1927, S. XIII. 107 Durch die Abteilung »Lichtbild« im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wurde das Knipsen gar zum NS-Kulturgut erklärt, vgl. Starl, Timm: »In Erwartung des Führers – Hitler im Familienalbum«, in: Loiperdinger/Herz/Pohlmann 1995, S. 69. 108 Vgl. Sager, Peter: »Darstellung einer Abwesenheit – Pierre Bourdieus Untersuchung über ›Eine illegitime Kunst‹, Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie«, in: ZEIT (50/1981) vom 04.12.1981, Archiv ZEIT online: www.zeit.de/1981/50/darstellung-einerabwesenheit, zuletzt aufgerufen am 07.08.2016. 109 Ein Beispiel hierfür bietet das Fotografie-Handbuch: Helwich, Othmar: Senta – sonnige Jungmädchenbilder, Verlag Dr. Othmar Helwich, Wien 1944. Auf 79 Seiten verfolgt der Autor mit der Thematik »Du und dein Mädchen« die fotografischen Möglichkeiten der privaten Portraitfotografie. Dabei hebt Helwich hervor: »Du mußt Regisseur [deiner Selbst und deines Lebens, Anm. d.A.] sein«, ebd., S. 42. Ein solches Diktum diente als Anleitung zur seriellen Bilderzeugung (kulminierend im privaten Fotoalbum) und ist auch heute noch auf digitalen Plattformen wie Facebook oder Instagram gültig. 110 Zitiert nach Ullrich, Wolfgang: Habenwollen – Wie funktioniert die Konsumkultur, Fischer, Frankfurt a.M. 2009, S. 45. 111 Vgl. ebd. Zum Begriff der Fiktionalisierung siehe außerdem: Ullrich, Wolfgang: Alles nur Konsum – Kritik der warenästhetischen Erziehung, Wagenbach, Berlin 2014. Hier thematisiert Ullrich ferner das »Prinzip Situation«: »Statt auf der Höhe der Zeit zu sein, geht es hier darum, auf die Höhe des Moments, den man jeweils gerade erlebt, zu gelangen«, ebd. S. 52. 112 Stiegler 2016, S. 299.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
munikation in ein ökonomisches wie symbolisches Aktionsfeld von Kapital und Macht hinein verlagert und als visuelle Technik wirksam werden lässt.
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Bilder verwalten: Bildagenturen und kommerzielle Bildarchive als neuer industrieller Sektor
Mit ihrem Buch »Banking on Images: The Bettmann Archive and Corbis« (2016) liefert Estelle Blaschke eine Untersuchung zur Herausbildung und Bedeutung systematisch angelegter fotografischer Sammlungen (vorwiegend Bildagenturen) in Hinblick auf den anwachsenden kommerziellen Gebrauch des Mediums Fotografie seit den 1920er Jahren. Was die Autorin mit einem speziellen Fokus auf das in der Weimarer Republik gegründete BettmannArchiv und das amerikanische Unternehmen Corbis beschreibt, in das 1995 das Bettmann-Archiv überging, erlangt mit ihrem Standpunkt, Fotografie in gleicher Weise als Medium und Objekt des Bild-Archivs zu betrachten,113 übergreifende Bedeutung. »Image banks were not a simple side effect«, schreibt Blaschke, »but became the vectors of the industrialization of the image via photography, and by extension of the proliferation of images and their vulgarization as industrial products.«114 Estelle Blaschke hebt dabei hervor, dass fotografische Bildarchive und Bilddatenbanken nicht nur als Mittler zwischen Fotografen und den Abnehmern ihrer Bilder agieren, sondern darüber hinaus das fotografische Material in ein kommerzielles Produkt überführen, ja erst ihren Tauschwert markieren.115 Der Wert des Bildes als Kapital und Handelsware findet in der zunehmenden Existenz von Bilderdiensten, Bildagenturen und Bildarchiven verstärkt auch im Deutschland der Weimarer Republik Ausdruck. So geht insbesondere in der Pressestadt Berlin – neben Filialniederlassungen aus dem Ausland wie beispielsweise 1924 Keystone als erste ausländische Bildagentur – eine Vielzahl neuer Pressebildfirmen aus bisherigen Illustrationsdiensten hervor.116
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Vgl. Blaschke, Estelle: Banking on Images – The Bettmann Archive and Corbis, Spector Books, Leipzig 2016, S. 15. Ebd., S. 11. Vgl. ebd. Eine weitreichende Darstellung zur Entwicklung von Bildagenturen liefert Kerbs, Diethart: »Die Epoche der Bildagenturen – Zur Geschichte der Pressefotografie in Berlin von 1900 bis 1933«, in: Kerbs, Diethart/Uka, Walter/Walz-Richter, Brigitte (Hg.): Die Gleichschaltung der Bilder – Zur Geschichte der Pressefotografie 1930-36, Frölich & Kaufmann, Berlin 1983, S. 32-73.
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»Berlin war die wichtigste Bilderbörse Ende der 1920er Jahre«, bemerkt Bernd Weise.117 Dabei fungieren die neuen Bildagenturen nicht nur als Vermittler zwischen Fotografen und Redaktionen, sondern als Katalysatoren zwischen Produktion und Distribution, in Hinblick auf ein größtmögliches Zirkulieren von Bildern – Fotografien als »mobile Elemente«118 gedacht. Der wiederholte Gebrauch fotografischer Bilder begründet den Sinn ihres Archivierens, wobei die Basis dieses Archivierens in einer systematischen Zuordnung (Arrangieren nach Regeln und Gesetzen), Zugänglichkeit (Verwalten) und Handhabung liegt. »[T]he classification and archiving of photographs creates value«119 , bemerkt Blaschke – so erzeugen Bildarchive und Bildagenturen nicht nur einen symbolischen Wert durch inhaltliche Kontextualisierung, sondern üben in ihrer regulierten Bedienbarkeit auch Kontrolle darüber aus, wer Zugriff auf welches Bild hat, ja generieren durch Lizenzen und Reproduktionsrechte einen ökonomischen Wert. Ein Schlüsselmoment – und zugleich wichtigen Aspekt in Blaschkes Argumentation – stellte diesbezüglich die Revision des 1886 in Bern verabschiedeten völkerrechtlichen Vertrages »Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst« dar, der die staatenübergreifende Anerkennung des Urheberrechts regelte: So traf sich 1928 in Rom ein Konvent der Mitgliedsstaaten mit dem Ziel, neue Richtlinien für den Urheberrechtsschutz zu formulieren – anknüpfend an die neuen Gegebenheiten der technischen Reproduzierbarkeit unter der Berücksichtigung der Kategorien Fotografie, Film und Radio.120 Die Anwendung der Revisionsvorschläge stand jedem Staat frei. So hielt man in Deutschland zwischen 1928 und 1932 urheberrechtliche Reformdiskussionen ab, allerdings mit dem Ergebnis, an dem 1907 verabschiedeten »Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Künste und der Photographie« festzuhalten.121 »One reason for this reluctance to strengthen
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Weise, in: Oels/Schneider 2015, S. 276. Bernd Weise führt dies im Kontext des Fotoarchivs im Ullstein-Verlag aus. 118 »Extracted from their original material context, the images become mobile elements«, Blaschke 2016, S. 12. 119 Ebd., S. 13. 120 Vgl. ebd., S. 38. Siehe hierzu auch: Vogt, Ralf-M.: Die urheberrechtlichen Reformdiskussionen in Deutschland während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Lang, Frankfurt a.M. 2004. 121 Vgl. ebd., S. 34f., S. 40. Das Gesetz von 1907 sah den Urheberrechtsschutz bei Fotografien für zehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung vor, wohingegen Kunstwerke, die unter dasselbe Gesetz fielen, bis 50 Jahre nach dem Tod des Künstlers geschützt blieben.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
copyright for photographs at this time was the power of the publishing companies and the picture market«, beurteilt Blaschke, »the commercial users, whether publishing houses or photo agencies, had little interest in combating the abuses for which they were responsible and from which they profited. As an expression of not only social but also economic interests, legislators thus saw no reason to expand the protection and with it the control over photographic reproduction.«122 Blaschke sieht die Entwicklung des Wirtschaftssektors Bildagentur in einer Linie mit der Entwicklung der Bildrechte – und so den Handlungsraum von Bildagenturen gestärkt. Fotografische Reproduzierbarkeit bedeutet damit Kaufkraft und Kapital. Die Reformdiskussionen von 1928-1932 erscheinen dabei nicht nur als Seismograph für die ansteigende Präsenz und Herausforderung des Mediums Fotografie, sondern auch als dessen Potential inmitten der ökonomischen Krise der Weimarer Republik – als ein wirtschaftlich-industrielles wie auch gestalterisch-konzeptionelles Potential. Eine Fotoagentur neuen Typs, die in dieser Zeitspanne aktiv war und die den modernen Bildjournalismus jener Zeit geprägt hat, ist die 1928 von Simon Guttmann in Berlin gegründete Dephot (Deutscher Photodienst).123 Ihre Ziele waren nicht nur monetärer Natur, sondern verfolgten auch einen sozialrevolutionären Gestus auf bildsprachlicher Ebene: Dieser lag darin, nicht nur Einzelfotos anzubieten, sondern komplette Bildserien in Form der Reportage.124 Die Vorhaben Guttmanns waren, so schreibt Herbert Molderings, »prägnante, in sich abgeschlossene Erzählungen, kurzfilmartige Bildberichte, in Estelle Blaschke sieht bereits hier einen Hinweis auf ökonomisches Interesse bezüglich des Mediums Fotografie, vgl. ebd., S. 34. 122 Ebd., S. 40. 123 Vgl. Molderings, Herbert: »Eine Schule der modernen Fotoreportage – Die Fotoagentur Dephot (Deutscher Photodienst) 1928 bis 1933«, in: Fotogeschichte Bd. 107 (2008), S. 5-21. Auch Guttmann war zuvor vielseitig in der Bild- und Nachrichtenvermittlung tätig: So gründete er 1919 das international agierende Korrespondenzbüro Berlin Expreß, 1921-1926 leitete er den Presse-Illustrationsverlag John Graudenz. Vgl. ebd., S. 6. Zu Graudenz siehe auch: Kerbs/Uka/Walz-Richter 1983, S. 74-76. Das Projekt Dephot mit Sitz im Berliner Zeitungsviertel (Jägerstraße 11, später Umzug in die Kochstraße) startete er mit Fotografien von Otto Umbehr (Umbo). Dieser stellte schließlich auch Verbindungen zur Werkbund-Ausstellung »Film und Foto« her, woraufhin die Dephot als modernes Unternehmen unter anderem auch mit Fotografien von Umbo in Werner Graeffs Publikation »Es kommt der neue Fotograf!« vertreten war. Vgl. ebd., S. 11. 124 Vgl. ebd., S. 7. Eine Übersicht zu Veröffentlichungen der Dephot findet sich bei: Kaufman, Randy: »Fünf Jahre Dephot (Deutscher Photodienst) – Die Fotoagentur De-
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
deren Mittelpunkt eine Geschichte, eine kontinuierliche Handlung standen«, der Fotograf galt als Autor.125 Das Formulieren einer neuen Sprache gelang der Dephot mit Erfolg, so brachte es »keine andere Agentur in den Jahren 1930 und 1931 in der Berliner Illustrirten Zeitung und der Münchener Illustrierten Presse zu so vielen Bildveröffentlichungen wie die Dephot«.126 Dabei sei die »Produktionsgruppe Dephot«, die als Kooperative tätig war und nach einem Geschäftsmodell agierte, das mit einer Honorarverteilung von 50:50 heute so auch im Galeriewesen Usus ist, zugleich eine Schule des modernen Fotojournalismus gewesen, als deren Ausbilder Simon Guttmann fungierte.127 Die Bildagentur übernahm nicht nur die Rolle einer Vermittlerin zwischen Fotograf und Abnehmer, sondern wirkte verstärkt an der Herausbildung und Rezeption eines neuen Vokabulars, das sich seinerseits an einem bildnarrativen Umgang mit dem Medium Fotografie orientierte. Rolf Peter Petersen, der 1932 die Agentur von Simon Guttmann übernahm, bemerkt 1983 in einem Gespräch mit Annemarie Tröger, dass die Dephot die modernste Pressebildagentur in Berlin gewesen sei.128 Unter der Dephot, ab 1932 dann Degephot (Deutsche Photogemeinschaft), erschienen wegweisende Reportagen, darunter die Mussolini-Reportage von Felix H. Man (1931),129 die Benito Mussolini im politischen Arbeitsalltag zeigt, sowie Endre Friedmanns (später Robert Capa) Fotoreportage über Leo Trotzki in Kopenhagen (1932),130 die Trotzki
phot/Degephot in der Berliner Illustrirten Zeitung (BIZ) 1929 bis 1934. Eine Bibliografie«, in: Fotogeschichte Bd. 107 (2008), S. 23-33. 125 Ebd., S. 9. 126 Ebd., S. 12. 127 Vgl. ebd., S. 14. Guttmann orientierte sich seinerseits wiederum an Erich Salomon, insbesondere in Hinblick auf eine möglichst authentische und ›nahe‹ Reportage zwischen Politik und sozialem Alltag. Vgl. ebd., S. 12, 20. 128 Petersen, Rolf Peter: »Das Ende der Dephot – Autorisierte und überarbeitete Abschrift eines Tonbandmitschnittes aus einem längeren Gespräch mit Annemarie Tröger am 21.4.1983«, in: Kerbs/Uka/Walz-Richter 1983, S. 183-190, hier S. 183. 129 »Mussolini – Sonderaufnahmen für die Münchner Illustrierte von Man-Dephot. Text von Kurt Kornicker«, in: Münchner Illustrierte Presse (Nr. 9) vom 01.03.1931, S. 260263, 275 (veröffentlicht unter Stefan Lorant); vgl. Knöferle 2014, S. 356-363, sowie Berliner Illustrirte Zeitung (Nr. 11) vom 15.03.1931, vgl. von Dewitz, Bodo (Hg.): Kiosk – Eine Geschichte der Fotoreportage 1839-1973, zusammengestellt von Robert Lebeck, Ausst.kat., Museum Ludwig Köln/Agfa Foto-Historama, Steidl, Göttingen 2001, S. 166. 130 »Trotzki betritt das Rednerpult«, in: Der Welt-Spiegel vom 11.12.1932, vgl. Molderings 2008, S. 16. Für Friedmann/Capa wird die Dephot 1947 zum Vorbild bei der Gründung der Agentur Magnum, deren Gründungsmitglied er war.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
mit emphatischen Gesten während einer Rede darstellt, wobei fast stummfilmhaft verschiedene Zitate Trotzkis die Bilder begleiten und als sprachliche Ausrufe zwischen die fotografischen Ansichten gelegt sind.131 Bei beiden Reportagen lassen sich stilistische Ähnlichkeiten zu Fotografien sowie ihrem Arrangement im Layout beobachten, die derart auch Heinrich Hoffmann von Adolf Hitler anfertigte. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Dephot/Degephot in ihren Maximen und Gestaltungspraktiken Einfluss auch auf Heinrich Hoffmanns Bildinszenierungen ausübte, oder ob sich hier nicht vielmehr ein Zeitgeist in Hinblick auf die Darstellung von Politikern abzeichnete. Festzuhalten aber bleibt, dass der Erfolg der Dephot/Degephot auch der Reichspropagandaleitung auffiel, und so war insbesondere der Hauptverantwortliche für die Pressefotografie im Propagandaministerium, Heiner Kurzbein, daran interessiert, Rolf Peter Petersen als »Reichsführer der Bildberichterstatter« zu gewinnen sowie die Dephot/Degephot »zu übernehmen und zur größten deutschen Fotoagentur zu machen«.132 Petersen lehnte ab, im November 1933 wurden die Tätigkeiten der Degephot durch das Propaganda-Ministerium der NSDAP eingestellt und die Agentur geschlossen.
2.
Ideologische Vorlagen – Zuschreibungen der Fotografie im nationalsozialistischen System
Mit der Ausrichtung der Fotografie am Motiv Adolf Hitler führt die Route zwangsläufig über Heinrich Hoffmann, der zwar nicht der alleinige Fotograf Hitlers war, mit seinem Unternehmen aber während und bereits vor dem nationalsozialistischen Regime rückgekoppelt an Hitler operierte und darin ein – wenn auch unausgesprochenes – Monopol pflegte. Hoffmanns Unternehmen wird in der nationalsozialistischen Bildpropaganda zum Präzedenzfall. Entscheidend im Hinblick auf die Zuschreibungen der Fotografie im nationalsozialistischen System ist aber die Beobachtung, die Siegfried Kracauer
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Unter dem Arbeitstitel »Gerda Taro und Robert Capa. Zur fotografischen Praxis im Spanischen Bürgerkrieg« forscht derzeit Linda Sandrock im Rahmen ihrer Dissertation an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Rolf Peter Petersen in Kerbs/Uka/Walz-Richter 1983, S. 188. Siehe auch: UMBO – Vom Bauhaus zum Bildjournalismus, Ausst.kat., Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Richter, Düsseldorf 1995, S. 61.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
zwischen 1936 und 1937/38 in Bezug auf totalitäre Propaganda machte: »[…] daß die Illusion als Wirklichkeit, der Schein als das Sein selber erscheint.«133
2.1
Emanation: Fotografie als das »reine Sein«
Den Bruch und Wendepunkt im Fotografiediskurs der 1930er Jahre beschreibt wohl am deutlichsten Adolf Hitlers Text »In eigener Sache«, den er im Herbst 1933 über den Reichsleiter Max Amann (Franz Eher Verlag) und durch den Verleger und Herausgeber Bruno Schultz in der Jahresschau 1934 des Deutschen Lichtbildes, dem ersten Band des ab 1927 erscheinenden fotografischen Jahrbuches nach der Machtübernahme, platzieren ließ – geradewegs dadurch, dass es in seinem Text zunächst überhaupt nicht um Fotografie, sondern um Hitlers Weltbild geht.134 Entzündete sich 1932/33 noch durch die dem Deutschen Lichtbild vorangestellten Gedanken von Graeff und Hausmann eine zeitgenössische Analyse des Mediums, tritt hier nun Hitler höchstpersönlich als Erkenntnislieferant auf: die Rassenideologie des Nationalsozialismus proklamierend. Mit dieser nun unter neuer Überschrift platzierten Passage aus »Mein Kampf«135 behauptet sich Hitler mit seinen ausschließlich auf die Überlegenheit der arischen, »kulturschöpferischen«136 Rasse bezogenen Ansichten nicht nur als Korrektiv137 , sondern lagert den fotografischen Ansichten des Jahrbuchs – darunter erstmals in dieser Serie auch mit Fotografien von Heinrich Hoffmann138 – ein Meinungsbild vor, das jenen ideologischen Wechsel im Fotografiediskurs markiert und das fotografische Bild zum Indikator der von Hitler ausgesprochenen Ideologie macht. So adelt dann auch Bruno Schultz im Nachwort des Bandes Hitlers Meinung durch eine Aufzählung von »kulturpolitischen Aufgaben der deutschen Lichtbildnerei«139 , wobei er nicht nur 133 134 135
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Kracauer, Siegfried: Totalitäre Propaganda, hg. und mit einem Nachwort v. Bernd Stiegler, Suhrkamp, Berlin 2013, S. 39. Hitler, Adolf: »In eigener Sache«, in: Das Deutsche Lichtbild – Jahresschau 1934, Verlag Bruno Schultz, Berlin 1933, S. T1-T11. Der Text entspricht einer zusammenhängenden Passage aus dem Kapitel 11, Volk und Rasse, vgl. Hitler, Adolf: Mein Kampf, 139.-140. Auflage, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1935, S. 311-328. Siehe hierzu, wie auch umfassend zum »Deutschen Lichtbild«: Jaeger, Roland in: Heiting/Jaeger 2014, S. 302-329, hier S. 319f. Hitler in: Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1933, S. T5. »Eine Korrektur zugunsten des Besseren muß also vorgenommen werden«, Hitler in: ebd., S. T2. Ebd., S. 58f, S. 63. Schultz, Bruno: Schlußwort, in: ebd., S. T26-T29, hier S. T26.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
»das deutsche Lichtbild« und damit einhergehend die deutsche Fotografie als Markenidentität kennzeichnet, sondern Adolf Hitler gar zum Patron der nun folgenden fotografischen Entwicklung beruft, wenn er schreibt: »Die abstrakte Photographie, die der reinen Sachlichkeit […] und der Weichzeichnerfimmel (nicht etwa die gesunde Benutzung des Weichzeichners) sind immer undeutsch gewesen; aber auch hier mußte erst der Führer, wenn auch indirekt, mit seinem ›Großen Wecken‹ einsetzen!«140 Arbeitet Bruno Schultz, der sich selbst als Amateurfotograf betätigt, bis 1933 noch aus fotografischer Gesinnung heraus, nämlich jährlich einen Querschnitt aus Berufs-, Amateur- und Wissenschaftsfotografie herausbilden zu wollen, stellt er im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten – selbst ein bekennender Nationalsozialist – seine Tätigkeit nicht nur in den Dienst Hitlers, dem er das fotografische Jahrbuch 1934 mit persönlicher Widmung für dessen Privatbibliothek überlässt141 , sondern auch in den Dienst der die nationalsozialistische Ideologie vermittelnden Fotografie, wenn er kommentiert, dass »die Lichtbildnerei glaubt, für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, eine der Stützen hoher Kultur zu sein und damit ein Denkmal der Menschheit, gehörig zum Altar der Besinnung auf ihre bessere Mission und höhere Würde«.142 Damit erfüllt die Fotografie durch Hitlers ›großes Erwecken‹ nach Schultz nicht nur die Funktion eines Leitbildes, das zu Besinnung führe, sondern beschreibt in ihrer Denkmalbestimmung mit sakraler Konnotation allem voran auch ›in eigener Sache‹ ein Denkmal Adolf Hitlers. Während die Fotografie im Nationalsozialismus so stets an Hitlers Weltanschauung143 ausgerichtet ist, fungiert das fotografische Bild mit missionarisch-ideologischer Implikation stets auch als Spiegel Hitlers. Georg Schott geht in seinem »Volksbuch vom Hitler« aber noch einen Schritt weiter, fügt gar eine phänomenologische Komponente hinzu, wenn er Hitlers Wirkung durch »das reine Sein« klassifiziert und dieses – durch »Lichtempfindlichkeit« der Wahrnehmung – mit dem Aufnahme- und Entwicklungsprozess einer Fotografie gleichsetzt:
140 Schultz ebd., S. T28. 141 Vgl. Library of Congress (LOC), Third Reich Collection, TR1.D37 Jahresschau 1934 Set 3 RBSCD, mit einer Widmung von Bruno Schultz an Adolf Hitler am 02.08.1934. 142 Schultz in: Das Deutsche Lichtbild, Berlin 1933, S. T28. 143 »Es hat […] zu allen Zeiten die Weltanschauung nicht nur das Wesen der Politik, sondern auch das Bild des kulturellen Lebens bestimmt«, Adolf Hitler zitiert nach Bruno Schultz, in: ebd., S. T28f.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
»[D]ie ›Aufnahme‹ ist geschehen. Noch sind auf der Schicht nicht die leisesten Konturen zu bemerken, bis der ›Entwickler‹ des Lebens darüber spült. Und siehe da: eines Tages offenbart sich, was in einer längst vergangenen Stunde, der Seele, die von den Strahlen des wunderbaren Lichtes getroffen wurde, selbst nicht wahrnehmbar, in aller Stille sich zugetragen hat[:] scharf und deutlich grenzen sich die Linien des Bildes ab. In der kristallklaren Flut der Wirklichkeit wird alles noch Störende weggewaschen, die ›Fixierung‹ wird vorgenommen, und die ›Übertragung‹ ins Leben erfolgt.«144 Schott bedient sich der Emanation als Motiv und verstärkt dies, indem er darauf verweist, dass es »[…] das bloße Sein ist, was an der Persönlichkeit Hitlers die zwingende Wirkung ausübt«, nämlich durch »die seelische Physiognomie«145 , die sich als Licht sowohl im Leben als auch auf der fotografischen Platte146 abzeichne. Adolf Hitler und das Medium Fotografie bilden im nationalsozialistischen Staat auch Schott zufolge eine untrennbare Einheit, die auf einer Unmittelbarkeit beruht, wie sie insbesondere Joseph Goebbels im Vorwort zu dem von Heinrich Hoffmann illustrierten Sammelbildbuch »Adolf Hitler – Bilder aus dem Leben des Führers« zu beschreiben weiß. So bedeutet Goebbels, dass »das deutsche Volk gerne zu dieser Möglichkeit greifen [wird], den Führer aus der Nähe zu sehen und damit ihm auch persönlich näherzukommen.«147 Mehr noch schreibt Goebbels dem Sammelbildbuch die Funktion eines Wegweisers zur Menschlichkeit Adolf Hitlers zu148 , mit dem Ziel, »der Öffentlichkeit ein Bild dieses großen Menschen [zu vermitteln], wie es in dieser Unmittelbarkeit bislang noch nicht existierte«149 . Dabei kann sich jede Besitzerin
144 Schott, Georg: Das Volksbuch vom Hitler, 61.-70. Tsd. [12. Auflage], Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1939, S. 17f. 145 Ebd., S. 18. 146 Die Technik der fotografischen Platte wird von Georg Schott bedient und deshalb hier an Stelle des Rollfilmes aufgegriffen: »Um das Bild von der photographischen Platte und ihrer Geschichte zu nehmen […]«, ebd., S. 17. 147 Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Adolf Hitler – Bilder aus dem Leben des Führers, 1000.1100. Tsd., Cigaretten-Bilderdienst, Hamburg-Bahrenfeld o.J. [1936], o.S. [»Auswahl und künstlerische Bearbeitung der Bilder dieses Werkes lagen in den Händen des Reichs-Bildberichterstatters der NSDAP, Heinrich Hoffmann, München.«] 148 Ebd.: »Um ihn in diesem Umfang ganz zu begreifen, muß man ihn nicht nur als Politiker und Staatsmann, sondern auch als Menschen kennen. Und dazu soll dieses Buch einen Weg weisen.« 149 Ebd.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
und jeder Besitzer eines solchen Buches durch das Sammeln und Einkleben der fotografischen Reproduktionen eigene Wegmarken des Zugangs zu Hitler setzen. Zusammenfassend: Lagert Adolf Hitler im »Deutschen Lichtbild 1934« sich selbst und seine Ideologie dem fotografischen Bild im nationalsozialistischen Regime als Motivzuschreibung vor, gesteht der Herausgeber Bruno Schultz Hitler die Rolle des Erkenntnisbringers im Medium Fotografie zu. Für Georg Schott ist bereits 1924 Adolf Hitler dem fotografischen Bild als solchem – als »reines Sein« – gleichzusetzen, während Goebbels insbesondere durch das fotografische Abbild Hitlers einen Wegweiser für das Volk benennt, und damit die Bezugnahme zu den Betrachtenden herstellt: Adolf Hitler als Bild des Volkes.
2.2
Strukturelle Kopplung: Fotografie als Membran zwischen privatem und politischem Raum
Herrschaftsinszenierungen haben eine lange Tradition. Insbesondere jedoch ist Adolf Hitlers Selbstdarstellung in Bezug zum Volk in einer Linie mit den filmischen und fotografischen Inszenierungen des »sozialen Kaisers« oder »(Groß-)Bürgerkönigs« Wilhelm II. zu sehen.150 »Demonstrative Zurschaustellung bürgerlichen Lebensstils prägte die Präsentation vieler Herrscher des 19. Jahrhunderts«, schreibt Dominik Petzold, und zwar als eine Reaktion auf die Verbürgerlichung der Monarchie, als Integration der Monarchen in die bürgerliche Gesellschaft.151 »Sie zeigten sich der Bevölkerung etwa bei Spaziergängen und suggerierten damit […] eine besondere Nähe zwischen Herrscher und bürgerlicher Bevölkerung.«152 Nichts anderes vollzieht sich mit den Darstellungen Adolf Hitlers inmitten jubelnder Menschenmassen oder beim Spaziergang auf dem Obersalzberg, wie Heinrich Hoffmann Hitler beispielsweise in den Bildbänden »Jugend um Hitler« (1934), »Hitler in seinen Bergen« (1935) oder »Hitler abseits vom Alltag« (1937) darstellt. Während Wilhelm II. 1903 keinen Geringeren als Ottomar Anschütz beauftragte, Fotografien der 150 Eine umfassende Studie zur Inszenierungslust und -strategie Wilhelms II. liefert Petzold, Dominik: Der Kaiser und das Kino – Herrschaftsinszenierung, Populärkultur und Filmpropaganda im Wilhelminischen Zeitalter, Schöningh, Paderborn 2012, hier S. 260ff. Ein Beispiel der Darstellung des »sozialen Kaisers« ist 1913 sein Besuch im Kinderheim Ahlbeck, das er 1912 begründete, vgl. ebd. S. 269ff. 151 Vgl. ebd., S. 260f. 152 Ebd., S. 261. Für Wilhelm II. erfüllte diese Rolle vorwiegend der Fotograf/Kinematograf Theodor Jürgensen, der ihn auf diversen Reisen begleitete. Vgl. ebd., S. 255ff.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
kaiserlichen Familie während ihres Sommerurlaubs in Cadinen anzufertigen und in einem Album zu publizieren,153 spiegelt sich in Hoffmanns »Hitler wie ihn keiner kennt« (1932) doch eine recht ähnliche Geste: die volksnahe Darstellung eines Staatsmannes, der sich in Interaktion mit dem Volk oder als Individuum von seiner privaten Seite zeigt.154 Waren die Kaiserfilme Wilhelms des II. nur einem begrenzten Publikum zugänglich, trotz der Kinoreformbewegung und einer Zunahme an Wanderkinos, Gemeindekinos sowie Filmvorführungen an Schulen (verstärkt seit 1913)155 , kam Hitlers Imagebildung durch die Distribution von fotografischen Ansichten und Fotobildbänden, wie Heinrich Hoffmann sie fertigte, eine weitreichende mediale Rezeption über die Städte hinaus bis in ländlichere Gebiete zugute. Hitler sollte als Sinnbild für das nationalsozialistische System für alle zugänglich sein. Und so liegt die Gründung und Verkündung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 als eine der ersten Innovationen unter dem Reichskanzler Adolf Hitler nahezu auf der Hand. Heiner Kurzbein, Referent für Bildpresse dieses Ministeriums, benannte den Einflussbereich der Fotokunst, die er mit »wahrer Volkskunst« verglich, damit, »[…] mitzuhelfen, den deutschen Gedanken durch das Bild hineinzutragen in die kleinsten Hütten, an die äußersten Grenzen.«156 Das Volk durch sich selbst visuell anzusprechen und bilddidaktisch in die nationalsozialistische Ideologie einzubeziehen, kennzeichnet einen besonderen Aspekt der bildbasierten Propaganda des Nationalsozialismus, die zum
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Vgl. ebd., sowie Anschütz, Ottomar (Hg.): Cadinen – Sommeraufenthalt der deutschen Kaiserfamilie, Verlag Ottomar Anschütz, Berlin 1903. In einem 1954 geführten Interview mit Joe J. Heydecker setzt Heinrich Hoffmann sich selbst in die Nähe zu Wilhelm II. und dessen Inszenierungsstrategien, in: BArch N1486/42, Manuskript »Heinrich Hoffmanns Erzählungen – Gespräche mit Hitlers Hoffotograf« von Joe J. Heydecker, S. 20ff. Wilhelm II. wurde für Hoffmann zum Vorbild für die fotografischen Inszenierungen, die er mit Hitler umsetzte. Vgl. Petzold 2012, S. 326ff, S. 355ff, S. 359ff. Kurzbein, Heiner: »Die Fotografie im nationalen Deutschland«, in: Film und Foto – Amtlicher Führer der Ausstellung, 16.05.-07.06.1936 in Düsseldorf, hg. v. Institut für deutsche Wirtschaftspropaganda e.V., Berlin 1936, S. 35f., hier S. 35. Die Zugänglichkeit politischer Botschaften nimmt im 21. Jahrhundert noch einmal eine ganz neue Dimension an: So erreicht beispielsweise Donald Trump jeden Menschen weltweit zu Hause per Klingelzeichen über Twitter, lässt Botschaften, Bilder und Videos verkünden – insofern Smartphone und Internetzugang vorhanden sind.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
Beispiel Rolf Sachsse als »Mediatisierung der Politik über Menschen«157 beschrieben hat. Richten wir den Fokus auf die einzelnen Faktoren, Hitler und das nationalsozialistische System, das Medium Fotografie als Membran zwischen privatem und politischem Raum und das Volk, lohnt es, das in Niklas Luhmanns Systemtheorie beschriebene Bezugssystem »System – Umwelt« als analytisches Schema in den Blick zu nehmen.158 Als System dienen in dieser Untersuchung Hitler und das nationalsozialistische System, während das Volk die Umwelt, also den Adressaten benennt. Volk und NS-System stehen durch eine mögliche Struktur miteinander in Verbindung, das heißt durch eine »strukturelle Kopplung«159 , welche in unserem Fall das Medium Fotografie am Beispiel von Hoffmanns Fotografien bedeutet. Die strukturelle Kopplung ist mit dem System kompatibel, sie erzeugt eine Resonanz auf die im System selbst erzeugten Strukturen – und steht zugleich in einem Zurechnungsprozess160 zwischen System und Umwelt, wobei sie auf letztere mit dem Ziel von Bewusstsein, Kommunikation und Handlung als Zustimmung zum System wirkt. Die Kopplung zwischen System und Umwelt bezieht sich dabei nur auf solche Strukturen, die in der Umwelt Korrelate, das heißt systematische Entsprechungen aufweisen161 und damit das System reziprok stärken. Das System wiederum ist nach Luhmann ein autopoietisches System, das heißt ein selbstreferentielles System, das Operationen mit
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Sachsse, Rolf: Die Erziehung zum Wegsehen – Fotografie im NS-Staat, Philo Fine Arts, [Dresden] 2003, S. 33. 158 Vgl. Luhmann 2009; Luhmann, Niklas: Soziale Systeme – Grundriß einer allgemeinen Theorie, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1987. Niklas Luhmann selbst bezieht sich mit seiner Theorie (darin) wiederkehrend auf Talcott Parsons und dessen strukturfunktionale Systemtheorie, so unter anderem auf »The Structure of Social Action« (1937) und »The Social System« (1951). 159 »Strukturelle Kopplung ist eine hochselektive Form, die relativ einfache Muster benutzt, so zum Beispiel in der hoch entwickelten, in der alphabetischen, in der phonetischen Schrift nur sehr wenige Buchstaben und in der Sprache selbst nur wenige standardisierte Tonlagen und akustische Zeichen, die dann aber, weil sie so reduziert sind, hochkomplexe Kombinatoriken ermöglichen, die ihrerseits wiederum auf Bewusstseins- und auf Kommunikationsvorgänge einwirken«, in: Luhmann 2009, S. 123. 160 »Handlungen werden durch Zurechnungsprozesse konstituiert. Sie kommen dadurch zustande, daß Selektionen, aus welchen Gründen, in welchen Kontexten und mit Hilfe welcher Semantiken (›Absicht‹, ›Motiv‹, ›Interesse‹) immer, auf Systeme zugerechnet werden«, in: Luhmann 1987, S. 228. 161 Vgl. Luhmann 2009, S. 120, 122.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Anschlussfähigkeit162 erzeugt und damit nicht nur sich selbst produziert, sondern auch reproduziert: als »laufende Neukonstituierung anschließbarer Ereignisse« (autopoietische Reproduktion).163 Die Selbstreproduktion erfolgt so durch Elemente, die im System selber produziert worden sind.164 Wir denken in diesem Reproduktionszusammenhang Hitler als Motiv, ein Element, das im selbstreferentiellen nationalsozialistischen System produziert wurde. Durch die grundsätzliche Anschlussfähigkeit des Motivs besteht die Möglichkeit der Reproduktion, die aus sich selbst heraus reguliert und kontrolliert wird165 und bei Notwendigkeit unter Bezugnahme auf das Volk das Motiv/Element der Zustimmung zum System entsprechend aktualisiert und so reproduziert. Hitler als Motiv wird durch die strukturelle Kopplung, das heißt in diesem Denkzusammenhang als fotografische Operation, zum Beispiel als thematischer Fotobildband, durch die Firma Hoffmann bereitgestellt. Der thematische Fotobildband mit Hitler als Motiv ist selbstreferentiell zum nationalsozialistischen System und bildet eine Differenz zum Volk, obgleich der Bildband mit seinen systemkonformen bildnarrativen Strukturen punktuell Übereinstimmungen anspricht und dadurch auf eine Zustimmung zum nationalsozialistischen System durch das Volk abzielt. Der fotografische Bildband trägt diesen Zurechnungsprozess, der kontinuierlich als Handlung im nationalsozialistischen System produziert und reproduziert wird und sich so aus dem »Netzwerk der eigenen Operationen«166 durch das fotografische Bild (bereitgestellt durch die Firma Hoffmann) als eine Methode und Membran implementiert, die den privaten und politischen Raum propagandistisch zusammenführt und eine systemkonforme Handlung evoziert. Das Medium Fotografie nimmt hier als strukturelle Kopplung genau deshalb eine Schlüsselrolle ein, weil es ein Medium der eigenen Praxis des Volkes darstellt(e). So war aus technischem Blickwinkel Handhabbarkeit gegeben: Fotografieren als solches wurde populär und implizierte verstärkt einen
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Vgl. ebd., S. 77. Luhmann 1987, S. 258. Vgl. Luhmann 2009, S. 64f. »Alle Regulierung wird selbst reguliert, alle Kontrollen werden selbst kontrolliert. Nichts kann im geschlossenen System reproduziert werden, wenn es nicht diesen Bedingungen genügt«, in: Luhmann 1987, S. 654. Denn es handelt sich im autopoietischen System um einen selbstreferentiell-geschlossenen Reproduktionszusammenhang, vgl. ebd., S. 62. 166 Luhmann 2009, S. 110.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
alltäglichen Gebrauch167 durch entsprechende Schulung und Anwendung, wodurch der Fotografie insgesamt eine leichtere Zugänglichkeit – physisch wie rezeptionsbedingt – zu eigen wurde. Die propagandistische Förderung des Mediums Fotografie (Amateurfotografie) implizierte nach Heiner Kurzbein außerdem das aktive Mitwirken »an der kulturellen Gestaltung des neuen Deutschland. Wer viel fotografiert, lernt sehen«.168 Seitens des nationalsozialistischen Systems erzeugten fotografische Bilder, wie Adolf Hitlers Vorwort im »Deutschen Lichtbild« 1933/34 belegt, visuelle Vorlagen, die – Miriam Y. Arani verdeutlicht es – die völkisch-rassistische Ideologie sowie visuelle Normen deutschen Aussehens und eine damit verbundene NS-Moral veranschaulichten und eine völkische Gruppenidentität und rassenhygienische Exklusionsmechanismen popularisierten.169 Dabei folgte die redaktionelle Auswahl der fotografierten beziehungsweise dargestellten Menschen einem Bildprogramm, dem die nationalsozialistische Rassenideologie zu Grunde lag und so fortlaufend im publizierten Bildresultat »eine – scheinbare – Evidenz der Rassendoktrin«170 und des Deutschseins aufzeigte. Dabei erschien Hitler stets als eine Figur aus dem Volk im Volk, als »ein Mensch aus der Mitte des Volkes«171 und zugleich dem Volk vorangestellt: als Leitbild.172
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Vgl. in Bezug zum zeitgenössischen Gebrauch und Wert des fotografischen Apparates: von Horváth 2015, S. 48ff. 168 Kurzbein in: Film und Foto, Berlin 1936, S. 35. 169 Vgl. Arani 2008, S. 406f. Heiner Kurzbein betonte 1936, dass »die Förderung der Fotografie im rassischen Sinne dem Berufsfotografen in ganz besonderem Maße zukommen« würde, vgl. Kurzbein in: Film und Foto, Berlin 1936, S. 36. 170 Arani 2008, S. 410. 171 Syberberg, Hans Jürgen: Hitler, ein Film aus Deutschland (D/F/GB 1977, R: Hans Jürgen Syberberg), Teil 2 – Ein Deutscher Traum, TC 08:12-08:17. 172 So zum Beispiel auf einem Plakat zur Volksabstimmung am 19. August 1934, dem eine fotografische Aufnahme Hoffmanns zugrunde liegt. Es ist eine Collage aus Bild und Text: Im Vordergrund Adolf Hitler als Reichskanzler (basierend auf einer Fotopostkarte der Firma Hoffmann mit einem ähnlichen Motiv dieser Reihe aus dem Jahr 1933), gerahmt von Menschenmassen im Hintergrund des Bildes und der umliegenden Schrift »Führer wir folgen Dir! Alle sagen Ja!«, vgl. das Foto dieses Plakats im Kontext weiterer Wahlplakate im städtischen Raum Berlins anlässlich der Volksabstimmung zur Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf eine Person – Adolf Hitler als Führer: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (03) Nr. 0058572/Foto: k. A. sowie Abb. 3, digitaler Bildteil.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
2.3
Authentizität: Fotografie als Beweiskörper
Die Authentizitätszuschreibung des fotografischen Bildes wird im nationalsozialistischen System grundlegend und vielschichtig bedient. Insbesondere der Verweis auf den Wahrheitsgehalt des fotografischen Bildes ist an vielen Stellen der nationalsozialistischen Propaganda zu finden – und damit die Praxis, ›nationalsozialistische Wahrheiten‹ fotografisch zu erzeugen, die sich beispielsweise gegen ›Wahrheiten‹ der linken illustrierten Presse abzugrenzen suchten, welche ihrerseits mit dem Wahrheitsbegriff im fototechnischen Kontext operierten.173 Die Differenzierung von ›Wahrheit‹ und ›Lüge‹ wird zu einer systematischen Argumentationsstrategie in der nationalsozialistischen Bildpropaganda, die sich substanziell auf das fotografische Bild stützt, welches diese Differenz markiert. Zu den Möglichkeiten, die Lügen eröffnen können, schreibt Hannah Arendt: »Lügen erscheinen dem Verstand häufig viel einleuchtender und anziehender als die Wirklichkeit, weil der Lügner den großen Vorteil hat, im voraus zu wissen, was das Publikum zu hören [respektive zu sehen, Anm. d.A.] wünscht. Er hat seine Schilderung für die Aufnahme durch die Öffentlichkeit präpariert und sorgfältig darauf geachtet, sie glaubwürdig zu machen, während die Wirklichkeit die unangenehme Angewohnheit hat, uns mit dem Unerwarteten zu konfrontieren, auf das wir nicht vorbereitet waren.«174 Exemplarisch zu betrachten ist die Publikation »Unser aller Hitler« (1940), in der das fotografische Bild als »wichtiges Hilfsmittel« beschrieben und als solches grundlegend eingesetzt wird, um Wahrheit, Klarheit und Echtheit der Person und der Taten Adolf Hitlers herauszustellen.175 Die Publikation basiert dabei auf der Gegenüberstellung von Lüge und Wahrheit: Während »Lügen« durch ausgewählte Zeichnungen, Karikaturen oder durch Sprache dargestellt
173
174 175
Vgl. Zervigón, Andrés Mario/Rössler, Patrick: »Die AIZ sagt die Wahrheit – Zu den Illustrationsstrategien einer anderen deutschen Avantgarde«, in: Leiskau/Rössler/Trabert 2016, S. 181-210, hier S. 181. Arendt 2015, S. 10. o.A.: Unser aller Hitler – Wie man euch den Führer zeigte und wie er wirklich ist, Nibelungen Verlag, Berlin 1940. Aufgrund der inhaltlichen Konzeption, der visuellen Gestaltung und der Auswahl der fotografischen Reproduktionen ist eine Mitarbeit der Firma Heinrich Hoffmann am Buch nicht auszuschließen.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
werden, zeigen fotografische Reproduktionen die »Wahrheit«, um »das Antlitz des Führers, wie es wirklich ist«, durch die im Bildband gezeigten Fotografien kennen zu lernen.176 In »Unser aller Hitler« wird Wahrheit bilddidaktisch mit dem Medium Fotografie gleichgesetzt, wodurch auch die Echtheit des Dargestellten immer wieder in den Fokus rückt, um die Betrachterinnen und Betrachter des Buches von Adolf Hitler zu überzeugen – Hitler, den die Jugend über alles liebt, dem die Frauen vertrauen, der von Menschen der Kunst und Wissenschaft verehrt wird.177 Floskeln und Phrasen wie »So sieht der Führer wirklich aus! Voll gesunder Heiterkeit oder in tiefem Ernst – immer gütig und voller Kraft« oder »Er liebt Kinder und Tiere«178 dienen dem Bestreben, ein Original sowie dessen Glaubwürdigkeit – durch dessen inszenierte Authentizität – zu vermitteln. Neben der Echtheit soll das fotografische Bild hier auch durch Klarheit überzeugen, die einerseits »Verleumdungen« aufzudecken vermag und andererseits Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit vermitteln soll durch visuelle Transparenz: »Wenn Hitler wirklich einen Eroberungskrieg wollte, hätte er diese starke Wehrmacht verheimlichen müssen. Aber er zeigte sie ganz offen!« – so lautet der Kommentar zu einer Bildzusammenstellung, bei der einer Sequenz von vier Abbildungen der deutschen Wehrmacht mit Panzern und Munition eine Abbildung von Militärattachés aus Frankreich und England gegenübergestellt wird, als visueller sowie sinnbildlicher ›Beweis‹ dafür, dass jene Länder die Stärke der deutschen Wehrmacht gesehen und damit von ihr gewusst hätten – in der Realität sowie im Übertrag durch das Medium Fotografie.179 Das fotografische Bild wird hier als Beweiskörper für Hitlers Integrität gebraucht, generell in Bezug auf seine politische Führung und im Besonderen vor dem Hintergrund der Kriegsführung. So werden mit diesem Beitrag die Bemühungen deutlich, die militärischen Operationen der deutschen Wehrmacht im Zuge des Westfeldzugs 1940 in der Wahrnehmung der Bevölkerung zu korrigieren. Fotografien erlauben, so formulierte es Baldur von Schirach in dem ab 1932 von Heinrich Hoffmann herausgegebenen
176 177 178
179
Ebd., o.S. Vgl. ebd., o.S. Ebd., o.S. In dem Bildband »Jugend um Hitler« wird postuliert, dass Fotografien von Hitler gar einen Einblick »in die Seele des Führers« vermitteln, vgl. den Klappentext in: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 91.-100. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935]. Vgl. Unser aller Hitler, Abb., o.S.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Propaganda-Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt«, die »unmittelbare Wiedergabe eines tatsächlich Gesehenen«180 – und so überzeugen sie im systemkonformen Sinne durch einen realistischen Impetus, der die Authentizität des Augenblicks zu fassen vermag und das Tatsächliche als Beweis im Bild hervorbringt. Adolf Hitler selbst kennzeichnet wiederkehrend in seinen kunst- und kulturpolitischen Reden181 Lüge und Wahrheit durch das Visuelle und verwendet Begrifflichkeiten, die einer Wertschätzung des Authentischen, das er stets mit der nationalsozialistischen Ideologie in Beziehung setzt, zuarbeiten. So bringt er am Beispiel der Kunst der Moderne die Stilrichtungen Kubismus, Dadaismus, Futurismus und Impressionismus mit den Begriffen »Heuchelei« und »Täuschung«182 , ja nicht zuletzt mit dem »Entarteten«183 in Verbindung, wohingegen das Wahre »Träger des Natürlichen und Gesunden«184 sei. Die Polarisierung von einerseits Täuschung und Lüge sowie andererseits Klarheit und Wahrheit, die Hitler am Erscheinungsbild festmacht, setzt er ferner mit dem Deutschsein in Verbindung: »Deutsch sein«, bemerkt Hitler, »heißt klar sein! Das aber würde besagen, daß deutsch sein damit logisch und vor al-
180 Vgl. hier: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 201.-220. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933], S. XIII. 181 Beispielhaft in: Hitler, Adolf: »Kein Volk lebt länger als die Dokumente seiner Kultur«, Rede auf der Kulturtagung des Parteitags der NSDAP in Nürnberg am 11.09.1935; ders.: »Programmatische Kulturrede des Führers«, Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München am 18.07.1937, beides in: Eikmeyer, Robert (Hg.): Adolf Hitler – Reden zur Kunst- und Kulturpolitik 1933-1939, Revolver, Frankfurt a.M. 2004, S. 81-96, 123-143. 182 Ebd., S. 82, 136. 183 Die Ausstellung »Entartete Kunst« wurde einen Tag nach der Einweihung vom Haus der Deutschen Kunst mit der »Großen Deutschen Kunstaustellung« (18.07.1937) in München durch Vertreter nationalsozialistischer Kulturpolitik eröffnet, mit einer Ansprache durch den nationalsozialistischen Kunstfunktionär und Maler Adolf Ziegler. Die »Entartete Kunst« im nahegelegenen Hofgartengebäude formulierte damit ein gezielt platziertes Gegenbild zur nationalsozialistischen Kunst, die durch die Herabwürdigung der Kunst der Moderne zum ›Entarteten‹ umso mehr in ihrer ›Wahrheit‹ bekräftigt und damit aufgewertet werden sollte. Vgl. von Lüttichau, Mario-Andreas: »Deutsche Kunst und Entartete Kunst – Die Münchner Ausstellungen 1937«, in: Schuster, PeterKlaus (Hg.): Die Kunststadt München 1937 – Nationalsozialismus und Entartete Kunst, Prestel, München 1987, S. 83ff. 184 Vgl. Hitler in Eikmeyer 2004, S. 89.
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
lem aber auch wahr sein heißt«.185 Wenn sich also »Deutsch sein« auf das Klare, Logische und Wahre bezieht, wirkt in der nationalsozialistischen Bildpropaganda, der das Attribut ›deutsch‹ inhärent ist, die deutsche Fotografie als Beweiskörper fürs Deutschsein. Jedem nationalsozialistisch produzierten Propagandabild ist demnach die nationalsozialistische Rassendoktrin implizit, die als authentisch und wahr gehandelt wird186 – vermittelt durch das augenscheinlich Realistische des Fotografischen, durch »die Ursprünglichkeit des fotografischen Bildes«, das in Verbindung mit dem Wort gar durch »plastische Eindringlichkeit« überzeuge.187 Die Bezugsetzung oder Referenz zum eigenen Körper, das heißt die physische Bezugnahme zur Betrachterin oder zum Betrachter, wie sie in der nationalsozialistischen Foto-Praxis wiederkehrend zu beobachten ist, unterstreicht die These und Betrachtung des Mediums Fotografie als Beweiskörper. Größe und Raum dienen hier als Verstärker. »Authentisch sein«, schreibt Joseph Peter Stern, heißt »[…] ganz sein, all of a piece.«188 Um in diesem Sinne Authentizität zu vermitteln, ist in der nationalsozialistischen Bildpropaganda nicht zuletzt die Großformatfotografie ein entscheidendes Hilfsmittel. Dies zeigt sich exemplarisch bei den Ausstellungen »Die Kamera« 1933 in Berlin, »Film und Foto« 1936 in Düsseldorf und »Gebt mir vier Jahre Zeit« 1937 in Berlin, die alle drei als Wanderausstellungen konzipiert waren, formal aufeinander basierten und insbesondere mit Echtheits-Skalierung zu überzeugen suchten.189 »[M]an glaubt, nicht vor Bilder, sondern unter leibhaftige Menschen zu treten«, kommentiert die Berliner Morgenpost 1933 die in der Ausstellung »Die Kamera« präsentierten Großformate, »[…] da scheint an der gegenüberliegenden Wand der Kanzler selbst durch die Sonne heranzuschreiten und im ersten Augenblick hat man den bestimmten Eindruck, das Orchester vorn am
185 Ebd., S. 131. 186 Vgl. auch die zuvor aufgeführte Argumentation von Arani, Kap. I., 2.2. 187 Vgl. Diebow, Hans/Goeltzer, Kurt (Hg.): Bilddokumente der Zeit – Mussolini, eine Biographie in 110 Bildern, 1.-10. Tausend, Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1931, o.S. (Klappentext vorne). 188 Stern, Joseph Peter: Hitler, der Führer und das Volk, Hanser, München 1978, S. 26. 189 Vgl. Abb. 4, digitaler Bildteil.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Rande des Bildes seien lebendige Musikanten, die gleich zu spielen beginnen müßten.«190 Dass Heinrich Hoffmanns fotografische Aufnahmen hierbei eine Rolle spielten, deutete bereits Ulrich Pohlmann an: So seien es Hoffmanns Pressefotos gewesen, die als Vorlagen für sechzehn monumentale Wandbilder in der Eingangshalle der Ausstellung »Die Kamera« präsentiert wurden und die Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung illustrierten,191 während »Gebt mir vier Jahre Zeit« sogar eine Sonderausstellung von Hoffmann einschloss.192 Ganz besonders jedoch wurde Heinrich Hoffmanns ›Leistung‹ im Rahmen der Düsseldorfer Ausstellung »Film und Foto« hervorgehoben, die ihren Namen der Stuttgarter FiFo (1929) entlehnte, in ihrer Struktur an die Schau »Die Kamera« anknüpfte, als Ausstellung in der »Filmstadt des Westens«193 aber einen Schwerpunkt auf das Medium Film legte. Hoffmann hatte auch in Düsseldorf
190 Berliner Morgenpost, Nr. 264 vom 04.11.1933, o.A.: »Die ›Kamera‹ wird eröffnet – Die erste große Ausstellung für Fotografie, Druck, Reproduktion im neuen Deutschland«, Titelseite. 191 Vgl. Pohlmann, Ulrich: »Nicht beziehungslose Kunst, sondern politische Waffe – Fotoausstellungen als Mittel der Ästhetisierung von Politik und Ökonomie im Nationalsozialismus«, in: Fotogeschichte Bd. 28 (1988), S. 17-31, hier S. 21ff; sowie ders.: »Big, Bigger, Better? Großfotos in Ausstellungen«, in: Sykora, Katharina et al. [Hg.]: Das fotografische Dispositiv, Band 3: Valenzen fotografischen Zeigens, Jonas Verlag, Marburg 2016, S. 250-265, hier S. 259. Pohlmann verweist in diesem Zusammenhang auch auf das monumentale Wandbild »Die Aufgabe der Presse ist die Erziehung der Massen« von El Lissitzky und Sergei Senkin, das im sowjetischen Pavillon auf der Internationalen Presse-Ausstellung Pressa in Köln 1928 präsentiert wurde und nach Pohlmann als vorbildhafte Matrix monumentaler fotografischer Raumbilder gilt. Vgl. ebd., S. 257f. Eine dezidierte Beschreibung der Ausstellungshallen der Ausstellung »Die Kamera« findet sich in Pohlmann 1988 und in Kerbs 1983, S. 156ff. 192 Pohlmann 1988, S. 29. Vgl. auch: Amtlicher Katalog für die Ausstellung »Gebt mir vier Jahre Zeit«: 30.04.-20.06.1937 in Berlin, Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messeund Fremdenverkehrsgesellschaft, Berlin 1937. 193 Stadtarchiv Düsseldorf: 7-6-84-8.000, Rheinische Landeszeitung Volksparole, Amtliches Blatt der NSDAP, Düsseldorfer Stadtanzeiger, Nr. 136 vom 17.05.1936, o.A.: »[D]aß die Stadt Düsseldorf mit ihrer über 100jährigen Ausstellungstradition sich keineswegs mit einer bereits an anderer Stelle gezeigten Ausstellung begnügen könne, sondern daß wir bemüht sein müßten, aus eigenen Kräften etwas Neues zu schaffen. So entstand bei uns der Wunsch, in Verbindung mit der Ausstellung ›Die Kamera‹ Düsseldorf als ›Die Filmstadt des Westens‹ herauszustellen und mit der Schau für Photo, Druck und Reproduktion eine solche des deutschen Films zu verbinden.«
I. Zur Popularität des Mediums Fotografie
seit 1933 eine Filiale seines Unternehmens und erhielt so ausführliche Rezensionen in der Rheinischen Landeszeitung Volksparole für seine Fotografien: »Der Reichsbildberichterstatter, Heinrich Hoffmann, München=Berlin, der stete Begleiter des Führers und Illustrator aller großen Begebenheiten der nationalsozialistischen Bewegung seit dem Jahre 1919, ist der einzige, der uns das alles aufs überzeugendste und anschaulichste übermitteln kann. Seine wuchtigen Bilder voll Leben und Wahrheit schmücken den Ehrenraum der Ausstellung und zeigen aufs vielseitigste das Leben des Führers. […] Wenn der Beschauer diese Arbeiten auf sich wirken läßt, dann nimmt er einen Eindruck mit nach Hause, der für ihn nicht bloß ein bleibender ist, sondern er versteht auch dann blitzartig die Kräfte, die Adolf Hitler eigen sind, um die Gesamtheit des Deutschen Volkes für sich zu gewinnen, um mit ihnen Deutschlands Größe und Freiheit zu schmieden. […] Man muß Hoffmann danken, daß er eine so große Zeit mit größtem Verständnis und stärkstem Fühlen bildlich herausgearbeitet hat.«194 So dienen auch Heinrich Hoffmanns Großlichtbilder in dieser Argumentation als authentische Beweiskörper, die Adolf Hitler und das Deutsche Volk ›blitzartig‹ im Ausstellungsraum miteinander verbinden. In umgekehrter Skalierung, doch ebenso die Größen- und Raumwirkung ansprechend, steht der Einsatz der Stereoskopie in der nationalsozialistischen Bildpropaganda. Zu ausgewählten Festlichkeiten gab Heinrich Hoffmann ab 1936 in Zusammenarbeit mit dem Raumbild-Verlag Otto Schönstein (Dießen am Ammersee) in Leinen gefasste Sammelalben heraus, die durch eine Kollektion von bis zu 100 Raumbild-Aufnahmen, das heißt fotografischen Abzügen im Format 6 x 13 mit beigefügtem Bild-Betrachter und einführenden Worten, das Bild-Raum-Erlebnis als »lebenswahre Überlieferung«195 in den Fokus der Bildbetrachtung rückten. Ganz ohne Sprache beziehungsweise Bildunterschrift vermitteln die stereoskopischen Bildpaare eine Perspektive der Teilhabe, durch welche die Betrachterinnen und Betrachter aus nächster Nähe visuell in spezielle Augenblicke involviert werden: in die Aufmärsche und Paraden diverser nationalsozialistischer Parteitage, in die Dynamik der Olympischen 194 Stadtarchiv Düsseldorf: 7-6-84-9.000, Rheinische Landeszeitung Volksparole, Amtliches Blatt der NSDAP, Düsseldorfer Stadtanzeiger, Nr. 150/Pfingsten 1936, o.A.: »Das Leben und Wirken des Führers – Die Ehrenhalle der Ausstellung ›Film und Foto‹ mit den Großlichtbildern von Hoffmann«. 195 Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Reichsparteitag der Ehre, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1936, o.S.
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Spiele 1936 in Berlin, in die Weltausstellung in Paris 1937, in Museums- oder Stadtrundgänge am »Tag der Deutschen Kunst« 1937 sowie in »München – Hauptstadt der Bewegung« 1937 oder in den Staatsbesuch des Führers in Italien 1938.196 In einem Gutachten für Verleger von der Reichsbildstelle wurde gar damit geworben, dass das Raumbild dem Flachbild und dem Film vorzuziehen sei, da es den Vorteil der Körperhaftigkeit habe und zugleich eine ruhige Betrachtung ermögliche.197 Ob Großformatfotografie oder Stereoskopie: Durch fototechnische Raffinessen, die sich an der Schnittstelle zum Kinematografischen bewegten, wurde Adolf Hitler mittels visuell evozierter Nähe und Größe zum Repräsentanten für eine Nation, der er sich von allen nur möglichen bilddidaktischen Seiten zeigte und somit anhaltend sichtbar blieb.
196 Siehe weiterführend zu den stereoskopischen Fotobüchern des Raumbild-Verlages: Fitzner, Sebastian: »Das neue Deutschland plastisch monumental – Die stereoskopischen Fotobücher des Raumbild-Verlags Otto Schönstein«, in: Heiting/Jaeger 2012, S. 456-475. 197 Vgl.: Gutachten für Verleger von der Reichsbildstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums vom 08.06.1938 von Alfons von Czibulka, in: Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe 1937/38 [Band 1], hg. v. Hans Biallas unter Mitarbeit von Th. Hopfauer, (Prof.) Heinrich Hoffmann, Erich Fischer, 1.-10. Tsd., mit 310 Raumbildaufnahmen von (Prof.) Heinrich Hoffmann, Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1938, o.S.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie »Natürlich bedeutete für ihn als geschickten und sehr rührigen Pressephotographen die Nazizeit eine geschäftliche Konjunktur seines Unternehmens. Hätte er diese nicht ausnützen sollen?«1
1.
Hoffmann: Visuelle Strukturbildung durch nationalsozialistische Bilder
Ob Heinrich Hoffmann auch eine politische und gesellschaftliche Verantwortlichkeit mit seiner Tätigkeit als Fotograf hätte vertreten können, diese Frage stellte sich für ihn nicht. Vielmehr war es die »grosse Chance, die sich ihm für sein Geschäft durch die politische Zeitentwicklung geboten hat, [die er] wahrnahm[,] und zwar mit ausserordentlichem Erfolg wahrnahm«2 , wie sein Verteidiger Fritz Kartini in der Wiederaufnahme von Hoffmanns Prozess 1949 betonte. Mehr noch hob Kartini Hoffmanns Fähigkeiten wie Leistung, Geschicklichkeit, Gewandtheit, sein berufliches Können sowie seine Arbeit und seinen Fleiß hervor, die Hoffmann mit der »Ausnützung der ihm gebotenen geschäftlichen Chance wohl zu dem grössten Pressephotographen Europas entwickelt hat«.3 Kartinis Worte an die Spruchkammer München waren der
1
2 3
Fritz Kartini, Verteidiger Heinrich Hoffmanns, in einem Brief an die Berufungskammer München am 05.08.1948. Er führt seine Worte wie folgt aus: »Der Betroffene handelte dabei doch nicht als Politiker oder aus politischen Motiven heraus, sondern er handelte ausschließlich in Ausübung und zur Förderung seines Berufes«, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 41 (Heft 2). Brief vom 29.06.1949, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 5 (Heft 3, Wiederaufnahme). Vgl. ebd.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Versuch, die Einstufung Heinrich Hoffmanns in die Gruppe I der Hauptverantwortlichen der Kriegsverbrecher aufzuheben. Bis 1956, ein Jahr vor Hoffmanns Tod, wurde das Verfahren mehrfach wieder aufgenommen, um seine Strafe zu mildern.4 Hoffmanns Interesse war der Erfolg, den er auf dem Aufstieg der ›Bewegung‹ und der Popularität des nationalsozialistischen Regimes begründete und in Rückkopplung an Adolf Hitler über das Medium Fotografie mit seinem Unternehmen – von der »Photographischen Berichterstattung« bis hin zum »Verlag nationalsozialistischer Bilder« – zwischen 1923 und 1945 zielgerichtet ausübte.5 Sein Status: Als Hitlers Leibfotograf und Freund genoss er Exklusivität, die das Monopol einschloss, stets der erste Ansprechpartner für fotografische Aufträge und Bildinszenierungen zu sein, die nicht nur Adolf Hitler und das politische System stärkten, sondern auch Heinrich Hoffmann zu Mehrwert und Kapital6 verhalfen. Der Bezeichnung »World’s most famous Photographer« stimmte Heinrich Hoffmann 1955 dann auch gerne zu, ziert der Schriftzug doch die erste, durch R.H. Stevens in Englische übertragene Publikation seiner Memoiren.7 Johann Heinrich Wilhelm Hoffmann, geboren am 12. September 1885 in Fürth in Bayern, absolvierte eine Lehre zum Berufsfotografen in Regensburg im Betrieb seines Vaters Robert und seines Onkels Heinrich, der den Titel des »Königlich-Bayerischen Hofphotographen« trug.8 Zwischen 1900 und 1911/12 arbeitete Heinrich Hoffmann als Assistent und Gehilfe in verschiedenen Ateliers in Deutschland und in der Schweiz und bildete sich als Pressebildberichterstatter in London fort. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland gründete er in der Münchner Schellingstraße 33 sein erstes Studio, in dem er als Portraitfotograf9 und Pressebildberichterstatter tätig war. 1917 war er Kriegs4 5 6 7
8 9
Siehe hierzu auch Kap. Nachbildung, 2. Vgl. zur Unternehmensgeschichte Herz 1994, S. 48ff. Die Geschäftsumsätze der Firma Hoffmann stiegen ab 1933 kontinuierlich und erreichten 1943 eine Höhe von 15,4 Millionen Reichsmark, vgl. Herz 1994, S. 53. Hoffmann 1955. Die deutsche Erstveröffentlichung erfolgte erst 1974 unter dem Titel »Hitler wie ich ihn sah«, mit einem Vorwort von Henriette Hoffmann. Beide Bände basieren auf dem Bericht »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«, der ab dem 23.11.1954 als Fortsetzungsserie von Joe J. Heydecker in der Münchner Illustrierten erschien, in: BArch N1486/103. Vgl. auch Kap. Revision sowie Kap. Nachbildung, 2. Vgl. Herz 1994, S. 26. Als ›Hitlers Fotograf‹ scheint Heinrich Hoffmann dann den Titel seines Onkels symbolisch auf sich und sein Tätigkeitsfeld übertragen zu haben. 1912 ließ hier Marcel Duchamp während seiner Deutschlandreise ein Portraitfoto von sich anfertigen. Dieses Foto diente zuletzt prominent als Plakatwerbung für die
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
berichterstatter bei der Fliegertruppe im Ersten Weltkrieg und fotografierte anschließend die Revolution in München, in Folge derer er 1919 als Privatunternehmer seinen ersten fotografischen Bildband herausbrachte: »Ein Jahr bayrische Revolution im Bilde«.10 Im April 1920 trat Heinrich Hoffmann in die Deutsche Arbeiterpartei ein und führte in der späteren NSDAP die Mitgliedsnummer 59.11 Ab 1923 porträtierte er führende Nationalsozialisten, ja etablierte sich als Parteifotograf und ergriff 1924 mit »Deutschlands Erwachen in Bild und Wort«12 sowie der völkischen Wahlkampfbroschüre »Wen soll ich wählen? Ein Ratgeber für Unbelehrbare«13 erstmals Position für die NSDAP, deren Abgeordneter er 1928 im Oberbayrischen Kreistag wurde. 1929 wurde er in den Münchner Stadtrat gewählt, 1940 wurde er Reichstagsabgeordneter. Er war Träger des »Goldenen Parteiabzeichens«, der dritthöchsten Parteiauszeichnung der NSDAP, verliehen für die Treue sehr früher Parteimitglieder oder aufgrund besonderer Verdienste, und war 1926 an der Gründung der Parteizeitschrift »Illustrierter Beobachter« beteiligt (an der ersten Ausgabe sogar zu 50 Prozent geschäftsbeteiligt14 ), die er auch in der Folge mit
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Ausstellung »Marcel Duchamp in München 1912« im Lenbachhaus/Kunstbau, 31.03.15.07.2012. Vgl. Friedel, Helmut/Girst, Thomas/Mühling, Matthias/Rappe, Felicia (Hg.): Marcel Duchamp in München 1912, Ausst.kat., Schirmer/Mosel, München 2012. Siehe außerdem Irrgang in Herz 2013, S. 67-69, sowie Kap. Nachbildung, 1. Ein Jahr bayrische Revolution im Bilde, Photobericht Hoffmann, München 1919. Zur Münchner Revolutionsfotografie und Heinrich Hoffmann siehe weiterführend: Halfbrodt/Herz 1988. »Was Hoffmann vom Geschehen der Revolutionsmonate nicht für dokumentationswürdig hielt, blieb mehr oder weniger bildlos«, in: ebd., S. 53. Er portraitierte unter anderem die Regierungspolitiker der Münchner Räterepublik wie Erich Mühsam, Gustav Landauer oder Otto Neurath und bot diese als Fotopostkarten an. Hoffmann besaß das umfangreichste Archiv mit Revolutionsaufnahmen, vgl. ebd., S. 257. Mitgliedsnummer 925 unter der DAP, Mitgliedsnummer 59 unter der reorganisierten Partei ab 24. März 1925, vgl. hierzu Herz 1994, S. 33. Es gibt verschiedene Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts in die Partei: Hoffmann und die Völkische Presse nennen symbolisch den 20.04.1920, Adolf Hitlers Geburtstag, vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Gerichtsprotokoll vom 23.12.1946, S. 51 (Blatt 2) sowie Halfbrodt/Herz 1988, S. 311. Halfbrodt/Herz korrigieren diese Mythenbildung durch Rückbezug auf die Quellenlage und nennen den 06.04.1920, vgl. ebd. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Deutschlands Erwachen in Bild und Wort, Photobericht Hoffmann, München 1924. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Wen soll ich wählen? Ein Ratgeber für Unbelehrbare, o.V., München 1924. Hoffmann in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Gerichtsprotokoll vom 23.12.1946, S. 51 (Blatt 2).
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
fotografischen Bildstrecken als »Sonderberichterstattung« belieferte. 1932 begann Heinrich Hoffmann, angelehnt an den Stil der ab 1919 von ihm publizierten Bildstrecken, propagandistische Fotobildbände herauszugeben: »Hitler über Deutschland«15 sowie »Hitler wie ihn keiner kennt«. Hoffmann selbst sah sie als historische Dokumente und nicht als Propaganda an, welche aus seiner Perspektive eine »Anpreisung von Dingen unter subjektiven Gesichtspunkten« gewesen wäre.16 Dabei war es doch Heinrich Hoffmann, der sich um 1920/21 unter anderem auch in der Filmbranche versuchte: zunächst als Standfotograf bei der Filmgesellschaft »Weiss-Blau«17 , dann in der zusammen mit Martin Kopp und Atto [Retti-]Marsani gegründeten Firma »Hokomar«, wo er als Kameramann und Drehbuchautor fungierte18 und damit einen Fokus auf das Erzeugen visueller Narrative richtete. Ursprünglich wollte Heinrich Hoffmann, ähnlich wie Hitler, Maler werden. Doch mit der Vorlage seiner Revolutions-Broschüre »Ein Jahr bayrische Revolution im Bilde« bewies er nicht nur die »Fähigkeit, sich auf Personen verschiedenster Couleur einzulassen und sie überzeugend bei ihren Selbstentwürfen zu unterstützen«, sondern auch »sein Geschick«, neben den selbst erstellten Fotografien »neue
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Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler über Deutschland, Franz Eher Nachf., München 1932. Vgl. Hoffmann in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Gerichtsprotokoll vom 23.12.1946, S. 51 (Blatt 2). Zur gleichen Zeit existierte die populäre jüdische Jugendbewegung »Blau-Weiß«. Vgl. Hoffmann in: BArch N1486/42, Manuskript »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«, Joe J. Heydecker im Gespräch mit Heinrich Hoffmann, 1954, S. 35. Mit dem Kameramann Kopp arbeitete Hoffmann bereits im Zuge der Revolutions-Dokumentation 1918. Die Zusammenarbeit mit Marsani wurde 1936 noch einmal aufgegriffen anlässlich der von Hoffmann herausgegebenen Publikation »Sieh, das Herz Europas«, sowie 1942 im Rahmen des Bildbandes »Deutscher Osten – Land der Zukunft«, ebenfalls mit Hoffmann als Herausgeber. Miriam Halwani bemerkt, dass »A.R. Marsani« als Vertreter Hoffmanns in der »Kommission zur Bewahrung von Zeitdokumenten« in der Sektion Bildpresse unter Heiner Kurzbein gelistet war. Vgl. Halwani, Miriam (Hg.): Photographien führen wir nicht …, Erinnerungen des Sammlers Erich Stenger (1878-1957), Ausst.kat., Kehrer, Heidelberg/Berlin 2014, S. 246. Sebastian Peters gibt den Hinweis, dass Atto Retti-Marsani gar leitender Angestellter in Hoffmanns Unternehmen gewesen sei, vgl. Peters, Sebastian: »Heinrich Hoffmann. Verlag nationalsozialistischer Bilder«, publiziert am 27.11.2019, in: Historisches Lexikon Bayerns, www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Heinrich_Hoffmann._Verlag_nationalsozialistischer_Bilder, zuletzt aufgerufen am 23.04.2020. Atto Retti-Marsani war außerdem als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor tätig und gab vor allem in den 1940er Jahren thematische Fotobücher heraus.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Bildquellen zu erschließen«19 – um ein möglichst breites Panorama der von ihm fokussierten Thematiken anbieten zu können.
1.1
Vom Fotostudio zum Unternehmen: Fotografie im Geiste der nationalsozialistischen Ideologie
1929 hatte Heinrich Hoffmann sein Studio in der Schellingstraße, das mittlerweile im Haus der Parteigeschäftsstelle lag (Nr. 50), in das Haus des Café Stefanie in der Theresienstraße/Ecke Amalienstraße in München-Schwabing verlegt. »Zwei stattliche Fensterfronten zu je 6 Fenstern an beiden Straßen des ›lateinischen Viertels‹ bei der Universität verkünden im 1. Stockwerk über dem Café mittels großer moderner Transparente den Sitz des Photohauses Hoffmann. An der Amalienstraße befindet sich der orangebetonte Eingang zum vornehmen Treppenhaus, das in schmissigen Fotos einige starke Proben von der Kunst des Meisters in seinem Fache bringt. Die breite Treppe führt sofort in den offenen Ladenraum des 1. Stockes, dessen gediegene Ausstattung in Farbe und Formen großen künstlerischen Geschmack verrät: die feinen Möbel lachsfarbig mit grauem Strich, die Vorhänge hellblau, von gleichem Blau die Uhr im Schrankbau mit den gekreuzten Stäben auf Glas, hinter dem alles geboten wird, was der Amateur braucht, vom Dunkelkammerbedarf bis zum modernsten Apparat. Die Wände mit Tapeten in Lachs und Grau schmücken vergrößerte Fotos […]. An diesen herrlichen Raum schließt sich das große Eckzimmer als Büro an, dessen helle Vorhänge mit dem Gobelin an der Wand schön harmonieren. Dunkle, geschnitzte Möbel betonen das Solide und zugleich Künstlerische dieser Werkstätten, bei denen ein Zweckraum sich an den anderen reiht: ein Raum zum Zurichten der farbigen Bilder und Retouchieren mit einem Trockenschrank für Bilder, dessen elektrische Beheizung die Filme in 25 Minuten trockne[t]. Daneben folgt ein Lagerraum für Platten, dann ein Vergrößerungsraum, mit den neuesten Apparaten, wie Spüleinrichtung für Leica-Vergrößerungen für 36 Bilder. Ein weiterer Vergrö-
19
Vgl. Halfbrodt/Herz 1988, S. 84, 257. Halfbrodt und Herz erkennen im RevolutionsBand ferner eine Orientierungsgrundlage für den Illustrierten Beobachter, vgl. ebd., S. 266.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
ßerungsapparat dient gleichzeitig zum Verkleinern von Bildern. Auch den Kopierraum füllen die neuesten Apparate […].«20 Die Beschreibung aus dem Völkischen Beobachter von Hoffmanns Firmensitz in München – die ihrerseits zu Propagandazwecken ausgeschmückt zu sein verspricht – illustriert den wirtschaftlichen Aufschwung von Heinrich Hoffmanns Unternehmen. Sie setzt dem Schwarz-Weiß, in dem seine Fotografien größtenteils erschienen, Farben und Stil entgegen, die nicht nur Hoffmanns Arbeitsumfeld charakterisieren, sondern auch sein ›Know-how‹ und die Neuheit der Technik, mit der sich ›der Meister‹ umgab. In einem exklusiven Umfeld wurde produziert, archiviert und verkauft. Hoffmanns Handelssortiment umfasste unter anderem Originalfotos und Portrait-Fotopostkarten von Adolf Hitler und von diversen Parteimitgliedern, thematische Fotopostkarten mit ›privaten‹ Aufnahmen von Hitler, mitunter auf dem Obersalzberg, mit Tieren oder mit Kindern, Ansichten für Sammelbildalben und Sammelbildbände, thematische Fotobildbände, Miniaturausführungen dieser Fotobildbände für das Winterhilfswerk21 , Raumbild-Bände, Plakate, farbige Reproduktionen von Kunstwerken (Kunstdrucke) und gerahmte Sonderanfertigungen von Fotografien als sogenannte ›Wandschmuckblätter‹, Mappenwerke mit Farbdrucken wie eine Kunstdruck-Sammlung von Hitlers Aquarellen oder die Sondereditionen mit Reproduktionen nach Exponaten der Großen Deutschen Kunstausstellung22 . Über seine Bildagentur vertrieb er wiederum nicht nur Pressefotografien für nationalsozialistische wie internationale Blätter, sondern jegliche Art von Ansichten, die zur nationalsozialistischen Illustration jedweder Form dienlich waren – wie beispielsweise jenes seiner Hitler-Portraits, das als Vorlage für die Gestaltung von Briefmarken Verwendung fand und wofür er regelmäßig Tantiemen bezog.23
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»Ein modernes Photohaus – Pg. Heinrich Hoffmanns neue Werkstätten«, in: Völkischer Beobachter Nr. 259 vom 08.11.1929, in: StAM Pol. Dir. München 10083, S. 8. Vgl. Abb. 5, digitaler Bildteil. Zum Beispiel: 20 Gemälde aus der Großen Deutschen Kunstausstellung 1941 im Haus der Deutschen Kunst, München; 16 Gemälde aus der Sonderschau Karl Leipold, gezeigt in der Großen Deutschen Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst, München. Vgl. Horn, Reinhard: »Heinrich Hoffmann – Reichsbildberichterstatter«, in: Bibliotheksforum Bayern, Bd. 22 (1994), 1/2, Bibliotheksverbund, München 1994, S. 87-95, hier S. 91.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Was aber machte Heinrich Hoffmanns Unternehmen zu einer Bildindustrie? Der Aufschwung der Partei, die Machtübernahme 1933 und die Strukturen des nationalsozialistischen Systems begünstigten Hoffmanns wirtschaftliche Entwicklung. So profitierte Hoffmann nicht nur durch seine Kontakte zu Hitler, den nationalsozialistischen Parteigenossen, Parteigrößen sowie dem daran geknüpften Geflecht persönlicher Beziehungen zu beispielsweise der Foto- und Farbindustrie, sondern insbesondere auch durch Gesetzesverabschiedungen wie dem Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933, welches die Bedeutung des fotografischen Bildes und den Stellenwert des ›Bildes als Nachricht‹ stärkte,24 ja die Förderung der Bildberichterstattung für Systemkonforme kulturpolitisch verankerte.25 Hoffmann gehörte zur Gruppe der Profi24
25
»Durch die unmittelbare Wirkung der Wirklichkeitsnähe des Fotos auf den Beschauer ist das Bild eben der lebenswahre Vorgang, der in höchster, eindeutiger Anschaulichkeit gar nicht besser dem Leserkreis einer Zeitung dargestellt werden kann. Alle weiteren Vorzüge des Fotos als Bildnachricht ergeben sich ohne weiteres daraus. Der kurze Begleittext setzt den Beschauer mitten hinein in das Ereignis. Die eigene Meinungsbildung über das Geschehnis wird erleichtert, und es bedarf kaum noch besonderer Texterläuterungen, um so mehr dann nicht, wenn der Höhepunkt des Geschehens im Bild festgehalten wurde. […] Daher wird eine kluge Regierung sich aller Mittel bedienen, um die im Interesse des Staatsganzen liegende Entwicklung des Bildes als Nachricht zu fördern. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß die nationalsozialistische Regierung nicht nur die Berichterstattung im Wort, sondern auch die im Bild unter ihre Obhut genommen und deren Belange im neuen, am 4. Oktober 1933 verkündeten Schriftleitergesetz fest verankert hat.« Herrmann, Fr. K.: »Das Foto in der Bildberichterstattung«, in: Die Kamera – Ausstellung für Fotografie, Druck und Reproduktion, 04.-19.11.1933 in Berlin, Amtlicher Katalog und Führer, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin 1933, S. 3136, hier S. 34ff. Der Autor war zu diesem Zeitpunkt 1. Vorsitzender des Reichsverbandes Deutscher Bildberichterstatter, dem auch Heinrich Hoffmann als Vereinsmitglied angehörte. Im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde eine Vielzahl an Redakteuren, die von den Nazis als nicht system- oder rassenkonform erachtet wurden, ihrer beruflichen Tätigkeiten enthoben. Stefan Lorant beispielsweise, der ab 1928 (Chef-)Redakteur der Münchner Illustrierten Presse war (zeitweise als Berliner Korrespondent) und durch seine essayistischen Fotoreportagen mit Abbildungen von Fotografen der Avantgarde (wie Erich Salomon) Bekanntheit erlangte, wurde am 14. März 1933 von der SA in »Schutzhaft« genommen und blieb bis zum 25. September desselben Jahres inhaftiert. Seine Erlebnisse veröffentlichte er 1935 in dem Buch »I was Hitler’s Prisoner«, das erst 1985 ins Deutsche übertragen wurde. Lorant emigrierte über Ungarn und Paris nach London, wo er die Illustrierten »Weekly Illustrated«, »Liliput« und »Picture Post« gründete, die für viele aus Deutschland emigrierte Fotografen, Grafiker und Schriftsteller zu einem Forum wurden – inwiefern galt dies auch für Fotografinnen,
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
teure des nationalsozialistischen Regimes – und er setzte sich neben seinen Privilegien und seiner exponierten Stellung zu Hitler auch selbst für seine Priorisierung im Volk, ja für sein Monopol im Erzeugen und Vertreiben nationalsozialistischer Bilder vom ›Führer‹ ein. »Vor Nachahmungen wird gewarnt«26 , proklamierte Hoffmann 1924 in einer Werbeanzeige für seine »Original-Photographien« und verfolgte über Jahre hinweg zielstrebig, als einziger autorisierter Vertrieb Führerportraits anzubieten.27 Hiermit engagierte er sich aber weniger für einen Originalbegriff im Sinne der Autorenfotografie als vielmehr für sein eigenes Urheberrecht im Kontext fotografischer Reproduktion – und zwar aus ökonomischer Verwertungsperspektive. Vor dem Hintergrund zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellte sich die Frage nach Autorschaft in Hoffmanns Unternehmen nicht mehr: Denn der Name »Heinrich Hoffmann« stand als Gefüge aus Fotostudio, Presseillustration, Bildagentur, Bildarchiv und Verlagsarbeit nicht allein für eine Person, obgleich Hoffmann sich für werbliche Zwecke, zumeist
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Grafikerinnen und Schriftstellerinnen? Ab 1940 lebte Lorant in den USA, wo er zahlreiche Bildbände über amerikanische Politiker herausbrachte. 1974 publizierte er den Bildband »Sieg Heil – Hail to Victory – an illustrated History of Germany from Bismarck to Hitler«, der 1979 auch in deutscher Übersetzung erschien, und für den er unter anderem mit Heinrich Hoffmann jun. in Kontakt stand: Besteht Lorants Band doch aus einer Vielzahl an Aufnahmen des Unternehmens Hoffmann. Noch heute befinden sich zahlreiche ›Original‹-Abzüge aus Hoffmanns Archiv (mit Firmenstempel versehene ›Vintage-Prints‹) in der Stefan Lorant Collection, die 1991 vom Getty Center in Los Angeles angekauft wurde, vgl. Stefan Lorant Collection 4MS 920024, Ser. II, Box 40, S. 6. Offen bleibt die Frage: Mit welcher Intention realisierte Stefan Lorant »Sieg Heil«? Als späte Abrechnung mit Hitlers System oder als Aufarbeitung des eigenen Schicksals? William L. Shirer kommentiert es auf dem Buchumschlag so: »The pictures hit you as words never can«, in: Lorant, Stefan: Sieg Heil – Hail to Victory – an illustrated History of Germany from Bismarck to Hitler, WW Norton & Company, New York 1974. Ersichtlich aber ist, dass Stefan Lorant als Konkurrent zur nationalsozialistischen Bildpresse wahrgenommen wurde – eine Konkurrenz, die auf einem »reformistischen Blick« beruhte, vgl. Hall, Stuart: »Rekonstruktion«, in: Wolf, Herta (Hg.): Diskurse der Fotografie – Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters Bd. II, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2003, S. 75-91, hier S. 83. Hoffmann, Deutschlands Erwachen in Bild und Wort, 1924, o.S. Dies annoncierte Hoffmann in Inseraten wie im Völkischen Beobachter vom 14.02.1931, vgl. Horn 1994, S. 90. 1932 führte er sogar einen Prozess zur Verteidigung seiner Rechte als Urheber, vgl. IfZ München, Presse-Archiv: Akte Hoffmann, Heinrich: MNN #308, Artikel vom 12.11.1932: Photo und Politik – Urheberrechtsprozeß wegen Veröffentlichung von Lichtbildern.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
in Nähe zu Hitler, immer wieder als Identifikationsfigur herausstellte. »Heinrich Hoffmann« oder »Hoffmann«28 benannte vielmehr ein Label, das für das gesamte nationalsozialistisch ausgerichtete, fotografische Produktions- und Reproduktionsspektrum seines Unternehmens stand – für Hoffmanns Bildindustrie.29 Entscheidender als das kreierende Subjekt sind in diesem Zusammenhang Intention und Produktion, das heißt die Produktidee, Ressourcen, Fertigungstechnik und Distributionskanäle. So war auch die Neuheit und Aktualität das Ziel dieser Bildindustrie, stets bestrebt, »die neuesten FührerBilder […] in allen Größen und Preislagen« zu bringen.30 Hoffmann agierte als Geschäftsmann, der über die Aufnahme und Reproduktion von Fotografien selbst das Auktoriale reproduzierte – das heißt sich als Ikon »Heinrich Hoffmann« dem Unternehmen voranstellend, doch dem jeweiligen Produktionsund Interaktionszusammenhang anpassend.31 Aufgrund Hoffmanns freundschaftlicher Beziehung zu Hitler war sein Unternehmen, das als Privatunternehmen geführt wurde, nicht nur von Regularien des Propagandaministeriums entbunden, es ergaben sich hierdurch erst zahlreiche exklusive Bildsituationen. Unter diesen Voraussetzungen war es Heinrich Hoffmann möglich, ein umfassendes Bildarchiv zu generieren, aus dem er sowohl im Pressewesen wie auch im Rahmen der Publikationen seines 28
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Im Zuge seiner Unternehmensgeschichte wird der Betrieb mal ohne und mal mit Vornamen gekennzeichnet, zum Beispiel »Photohaus Hoffmann«, aber »Heinrich Hoffmann, Verlag nationalsozialistischer Bilder«. Hoffmanns Bildindustrie spiegelt Unternehmensstrategien, wie sie zum einen in Künstlerwerkstätten gebräuchlich waren, wie zum Beispiel im 16./17. Jahrhundert in Peter Paul Rubens’ Werkstatt; wie sie zum anderen mit der industriellen Revolution und Henry Ford im 20. Jahrhundert in der gesamten Gesellschafts- und Kapitalorganisation populärer wurden. Vgl. Hoffmanns Werbeanzeige »Wir bringen ständig die neuesten Führer-Bilder sowie die Bildnisse seiner Mitarbeiter in Staat und Wirtschaft, Photos, Postkarten, Kunstblätter, ein- und mehrfarbig, in allen Größen und Preislagen vorrätig«, in: Große Deutsche Kunstausstellung 1941 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Ausst.kat., Bruckmann, München 1941, S. 11. Nicht nur Heinrich Hoffmann, sondern auch sein Sohn war in die Geschäftsführung involviert: So bemerkt Hoffmann 1950, dass er das Bildarchiv ab 1937 seinem Sohn Heinrich Hoffmann jun. organisatorisch und rechtlich übertragen habe. Vgl. Statement under oath, Professor Heinrich Hoffmann, 13.05.1950, Munich, National Archives (242R6065). Rudolf Herz äußert Bedenken, da es hierüber keine Firmenunterlagen mehr gäbe, vgl. Herz 1994, S. 352, Fn. 11. Jedoch stand Herz 1984 mehrfach mit Heinrich Hoffmann jun. in Kontakt, wie er in seinen Fußnoten belegt, vgl. ebd. Fn. 37, 58, 60. Weshalb hat er ihn nicht auch hierzu befragt?
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
eigenen Verlages jahrelang schöpfen konnte und vielseitige Verwertungsformen sowie internationale Handelswege fand. Hohe Auflagen und die Fokussierung auf das Bild garantierten die Zirkulation und internationale Reichweite seiner Produkte.32 Während Hoffmanns Einkommen ab 1933 kontinuierlich anstieg und er im Jahr 1944 einen Gewinn in Höhe von 3.509.385 RM erzielte, wuchs auch die Zahl seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf über 300 Personen,33 mit Geschäftsstellen unter anderem in Wien (1937), Reichenberg und Prag (1938), Posen und Den Haag (1939), Straßburg und Paris (1940) sowie Riga (1941).34 Neben dem Münchner Stammhaus, das aus dem Studio über dem Café Stefanie später in die Friedrichstraße 34 umzog, waren Hoffmanns Filialen in der »Pressestadt« Berlin in der Kochstraße 10 im Zeitungsviertel sowie in der »Filmstadt des Westens« Düsseldorf am Wilhelmplatz in der Graf-Adolf-Straße 112 im direkten Umfeld der Foto- und Kinobranche entscheidende Standorte für den Umsatz seines Unternehmens (in Berlin und Düsseldorf aktiv ab 1933).35 Entscheidend für seine Unternehmensführung war Hoffmanns Netzwerk. Neben seinen Veröffentlichungen im Eigenverlag – vom »Verlag Photobericht Hoffmann« über »Verlag Heinrich Hoffmann« bis zu »Heinrich Hoffmann, Verlag nationalsozialistischer Bilder« – waren es insbesondere die Kooperationen mit anderen Verlegern, die sein strategisches Handeln exemplarisch abbilden. Arbeitete Hoffmann in den Anfangsjahren, in denen er Portraits seiner Parteigenossen anfertigte, verstärkt mit Max Amann, Franz Eher Nachf.,
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Herz gibt den Hinweis, dass aktuelle Bildberichte im täglichen Versand an über 160 Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen geliefert wurden, vgl. Herz 1994, S. 54. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Kriminalpolizei München an Kriminalpolizei Nürnberg am 12.11.1946, o.S.: »im […] finanzamt muenchen-nord sind unterlagen vom jahre 1943 vorhanden. fuer dieses jahr hatte hoffmann 150 angestellte und 170 arbeiter gemeldet, die auf 10 auswaertige zweigstellen verteilt waren. im jahre [a]1942 wurden laut steuerliste 685000 mark lohngelder ausbezahlt.« Vgl. Liste der »Gesamtumsätze der Fa. Heinrich Hoffmann aus Warenversand u. Zeitschriften«, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, o.S. Vgl. ebd. Siehe zur Zusammenarbeit in der Firma Hoffmann Aufnahmen aus den Alben von Eva Braun, die für die Firma mitunter fotografisch tätig gewesen ist: National Archives (242-EB-16-1), National Archives (242-EB-5-44-A), National Archives (242-EB5-47-B), National Archives (242-EB-15-37-A). Vgl. Abb. 6-9, digitaler Bildteil.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
dem Zentralverlag der NSDAP36 zusammen, den er kontinuierlich auch mit Bildstrecken für den »Illustrierten Beobachter« belieferte,37 kooperierte er im Kontext seiner Bildband-Produktion um Hitlers personenbezogene Propaganda ab 1932 – ab »Hitler wie ihn keiner kennt« – mit Wilhelm Andermann, Zeitgeschichte-Verlag und Vertriebsgesellschaft Berlin, zeitweise gemeinschaftlich mit dem renommierten Kunst- und Buchverlag F. Bruckmann KG in München.38 Mit Elisabeth und Hugo Bruckmann, die Freunde und Förderer Adolf Hitlers waren und deren Verbindung zugleich auch eine ideelle Förderung für Hoffmann bedeutete, arbeitete dieser kontinuierlich auch im Eigenverlag zusammen. Während er dem Cigaretten-Bilderdienst AltonaBahrenfeld unter Philipp Fürchtegott Reemtsma vorzugsweise Sammelbilder für Sammelbildalben lieferte, was einen fließenden Absatz durch Kundenbindung mit sich brachte, wurde er zum stillen Gesellschafter von Otto Schönstein, für dessen Raumbild-Verlag in Dießen am Ammersee39 Hoffmann stereoskopische Fotografien produzierte und somit dem nationalsozialistischen Bild durch technische Raffinesse einmal mehr Attraktivität verlieh. Heinrich Hoffmanns Kooperationen mit unterschiedlich ausgerichteten Verlagen garantierten ihm eine Bandbreite von Produktion und Absatzmarkt: Er etablierte daraus ein sich mosaikartig zusammenfügendes eigenes Verlagsprofil, das auf Politik, Geschichte, Kunst, Populärkultur und Fachpublikum ausgerichtet war, und sprach damit gezielt Parteimitglieder wie Mitläufer, Mäzene und fototechnische Liebhaber an – nicht zuletzt jene Gruppe, die nach nationalsozialistischem Diktum die Zukunft verhieß und insbesondere durch Hoffmanns Fotobildbände, ja durch die Bildsprache erreicht werden
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Weiterführend: Hoser, Paul: »Der Parteiverlag der NSDAP: Franz Eher Nachf.«, in: Bauer, Richard et al. (Hg.): München – Hauptstadt der Bewegung, Ausst.kat., Münchner Stadtmuseum, Klinkhardt & Biermann, München 1993, S. 137 sowie S. 144, 220. Im Franz Eher Verlag erschienen wegweisende nationalsozialistische Publikationen wie Hitlers »Mein Kampf« (ab 1925), der »Völkische Beobachter« (ab 1920) und der »Illustrierte Beobachter« (ab 1926). Nachweisbar bis 1941, vgl. Illustrierter Beobachter 17.04.1941 (16. Jg.) Nr. 16, S. 472-483. Zu dem von Friedrich Bruckmann gegründeten Verlag siehe weiterführend: Bauer 1993, S. 123, 143; sowie Peters in Heiting/Jaeger 2014, S. 16f. Weiterführend: Vorsteher, Dieter/Steinkamp, Maike (Hg.): Das XX. Jahrhundert – Fotografien zur deutschen Geschichte 1880 bis 1990 aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums, Ausst.kat., Ed. Braus, Heidelberg 2004, S. 136ff, sowie Fitzner in Heiting/Jaeger 2012, S. 456-475. Ab 1939 hatte der Verlag seinen Firmensitz in München, Hoffmann wurde zum Kommanditisten, vgl. ebd. S. 458.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
sollte: Kinder und Jugendliche.40 So gab Hoffmann bis 1945 über 60 verschiedene nationalsozialistische Bildbände heraus41 und zog den größten finanziellen Gewinn aus ihnen.42 »Wenn man den Erfolg einer Fotografen-Karriere an der Auflagenzahl der verkauften Fotobücher misst«, bemerkt Thomas Friedrich 2012, »war Hoffmann mit weit mehr als zehn Millionen gedruckter Exemplare der erfolgreichste deutsche Fotograf in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.«43 Im Gerichtsprotokoll vom 23. Dezember 1946 bemerkt Hoffmann: »Ich gebe zu, dass ich durch die Partei gefördert worden bin, […] es ist nicht unmöglich [Herv. d.A.], dass mein Vermögen am Schluss des Krieges etwa 9.000.000,–RM betrug.«44 Der Gesamtumsatz der Niederlassungen seines Unternehmens betrug nach 1943 über 58 Millionen Reichsmark.45
1.2
»Könner der Kamera – Kenner der Kunst«: Hoffmann zwischen Original und Reproduktion
»Es sei nur einer genannt, den ganzen Stand umfassend und in seiner Wichtigkeit bezeugend, der Reichsbildberichterstatter Professor Heinrich Hoffmann […]«46 , nobilitierte 1938 der Fotohistoriker, Fotochemiker und Sammler
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Diese These wird gestützt durch Hans-Ulrich Thamers Forschungsergebnis zum Altersspektrum der Mitglieder der NSDAP, das ihn zu der Einschätzung veranlasst, dass »[…] die Jugendlichkeit eine erhebliche Rolle für den Beitritt zur NSDAP« gespielt habe. Vgl. Thamer, Hans-Ulrich: Der Nationalsozialismus, Reclam, Stuttgart 2002, S. 67. Halfbrodt/Herz 1988, S. 287. Vgl. Herz 1994, S. 60 sowie Horn 1994, S. 90. Friedrich, Thomas: »Chronist der Bewegung – Die Fotobuchproduktion von Heinrich Hoffmann 1919 bis 1943«, in: Heiting/Jaeger 2012, S. 424-439, hier S. 437. Hoffmann in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Gerichtsprotokoll vom 23.12.1946, S. 52 (Blatt 3). Dies betrifft nach der Liste der »Gesamtumsätze der Fa. Heinrich Hoffmann aus Warenversand u. Zeitschriften« die Filialen in München, Berlin, Düsseldorf, Wien, Reichenberg, Prag, Posen, Den Haag, Stra[ss]burg, Paris und Riga mit einer Gesamtsumme von 58.474.279 RM, vermutlich bezogen auf das Jahr 1944 (jedoch nicht gekennzeichnet), in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, o.S. Stenger, Erich: Die Photographie in Kultur und Technik, mit einem Vorwort von Heinrich Hoffmann, Verlag E.A. Seemann, Leipzig 1938, S. 94. Während Erich Stenger 1929 noch auf László Moholy-Nagys Anfrage hin – »Wohin geht die fotografische Entwicklung?« (vgl. Kap. I., 1.2) – den fotohistorischen Teil der »FiFo« in Stuttgart betreute, bildete sein kuratorischer wie textlicher Beitrag anlässlich der nationalsozialistischen
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Erich Stenger im Rahmen einer Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen des Mediums Fotografie im Jahre 1939. Die Bezeichnung des »Reichsbildberichterstatters« schrieb Heinrich Hoffmann sich vermutlich zwischen 1933 und 1934 selbst zu. Nannte er sich in der Ausgabe 201.-220. Tsd. [1933] des Bildbandes »Hitler wie ihn keiner kennt« noch »Photoberichterstatter der Reichsleitung der NSDAP«, erscheint er in der Ausgabe 241.-250. Tsd. [1934] als »Reichsbildberichterstatter der NSDAP«. Der inoffizielle Titel des Reichsbildberichterstatters wurde zum Markenzeichen für Heinrich Hoffmann und sein Unternehmen, der ihm 1938 nicht nur den Ruf des »Könners der Kamera« einbrachte – Hoffmann wurde verstärkt nun auch für seine »Kennerschaft der Kunst« angepriesen. So richtete der am Eröffnungswochenende der »Großen Deutschen Kunstausstellung 1938« erschienene Artikel »Könner der Kamera – Kenner der Kunst« den Blick auf eine weitere Facette Hoffmanns: auf die Sammlertätigkeit und die Gemäldesammlung des Reichsbildberichterstatters.47 »Die Beschäftigung mit der Malerei und Bildhauerei ist wesentlicher Teil seines Lebens. Und wenn heute seine eigene Wohnung eine der kostbarsten Gemäldesammlungen einschließt, dann entstand sie auf die Weise, daß er sich seit seinen Mannesjahren das Geld vom Munde absparte, das ihn in den Besitz eines geliebten Bildes bringen konnte« – worunter sich laut Beschreibung Malereien von Carl Spitzweg, Franz von Defregger oder Franz von Lenbach befanden.48 Der Artikel stand in Zusammenhang mit Heinrich Hoffmanns ›Professorentitel‹, den ihm Adolf Hitler am »Tag der Deutschen Kunst« im Rahmen der Eröffnung der »Großen Deutschen Kunstausstellung« am 10. Juli 1938 im Haus der Deutschen Kunst verlieh. Mit dem Ehrentitel sollte Hoffmann
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Fotoausstellungen »Die Kamera« (Berlin 1933) und »Film und Foto« (Düsseldorf 1936) mit ideologiekonformem Ansatz die historische und wissenschaftliche Entwicklungsgeschichte der Fotografie in Deutschland ab. Das wiederholte Ausstellen ermöglichte Einblicke in Stengers Sammlungsbestände (weiterführend: Halwani 2014, S. 230ff.), was dazu führte, dass Heinrich Hoffmann ihn »während des Zweiten Weltkrieges« besuchte, um dessen Sammlung – zu diesem Zeitpunkt die größte fotohistorische Privatsammlung der Welt – »für ein in München geplantes Museum zu gewinnen«, ebd., S. 247ff. Hoffmann und Stenger standen nachweislich ab 1935 in Kontakt, vgl. ebd., S. 246. IfZ München, Presse-Archiv: Akte Hoffmann, Heinrich: Der Angriff (Folge 27) vom 09./10.07.1938: »Könner der Kamera – Kenner der Kunst, Die Gemäldesammlung des Reichsbildberichterstatters Heinrich Hoffmann«, S. 1-3. Ebd., S. 3.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
für »die Entwicklung und Neuausrichtung der Bildenden Künste« und »seine besonderen Verdienste« um die Große Deutsche Kunstausstellung geehrt werden,49 bei deren Umsetzung er bereits 1937 als ›Kurator‹ mitwirkte, nachdem Hitler die von der beauftragten Jury ausgewählten Exponate aus etwa 15.000 eingereichten Kunstwerken nicht akzeptierte.50 »Schon mehrmals war er [Hoffmann] als Kunstberater [Herv. d.A.] im großen Stil tätig geworden und hatte für Hitlers private Sammlung seltene Stücke aufgetan«, bemerkt Sabine Brantl.51 Von 1938 bis 1940 kaufte Hoffmann selbst Werke aus der Großen Deutschen Kunstausstellung,52 die von ihrer Struktur her als Verkaufsausstellung – vorrangig für »lebende Künstler«53 – angelegt war und somit sukzessive die nationalsozialistische Ideologie im Kunstmarkt implementierte, welcher zunehmend das nationalsozialistische Kunstverständnis transportierte und spiegelte. Mehr noch als die Funktion des Kunstberaters betont Hanns Christian Löhr in diesem Zusammenhang Hoffmanns Rolle als Kunsthändler, den er vor dem Hintergrund des »Sonderauftrags Linz« darlegt. Ziel des Sonderauftrags war der Aufbau einer Sammlung von Meisterwerken für das geplante Linzer Kunstmuseum, in den auch Hoffmann als Bilderhändler in einem noch zu benennenden Geflecht von Raubkunst und Reproduktion in-
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IfZ München, Presse-Archiv: Akte Hoffmann, Heinrich: Westfälische Landeszeitung vom 11.07.1938, o.S. Vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 53 (Blatt 4), sowie Johanna Müller-Meiningen in Bauer 1993, S. 324: »Im Juni 1937 fand eine Vorbesichtigung der Ausstellung durch Adolf Hitler und Joseph Goebbels statt, die eine völlige Umgestaltung nach sich zog. […] Anschließend beauftragte Hitler seinen Reichsbildberichterstatter Heinrich Hoffmann mit der Neugestaltung der 1. GDK. […] Hoffmann hatte von nun an den Vorsitz in der Jury der GDK inne.« Siehe außerdem: Brantl, Sabine: Haus der Kunst, München – Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, Allitera, München 2015, S. 82ff: Hoffmann »[…] sollte auch in den kommenden Jahren – flankiert von Gerdy Troost und dem Direktor des ›Hauses der Deutschen Kunst‹ Karl Kolb – für die Auswahl der gezeigten Werke zuständig sein«, ebd. S. 84. Brantl 2015, S. 84. Eine Skulptur von Barbara von Kalckreuth sowie Malerei von Karl Truppe, Anton Lamprecht, Constantin Gerhardinger, Bruno von Wahl, Ernst Haymann, Richard Holst und Wilhelm Körber. Vgl. GDK Research – Bildbasierte Forschungsplattform zu den Großen Deutschen Kunstausstellungen 1937-1944 in München: www.gdk-research.de/, zuletzt aufgerufen am 15.03.2018. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Kunst dem Volk – Monatsschrift für Bildende Kunst, Sonderheft zum 20. April 1943, Wehrmachtsausgabe, Verlag Heinrich Hoffmann, Wien 1943, S. 9.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
volviert gewesen ist.54 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Hoffmann auch Mitglied der im Mai 1938 gegründeten »Verwertungskommission für entartete Kunst« war,55 die Verkäufe enteigneter Kunstgegenstände ins Ausland veranlasste. Der Handel mit Kunstwerken und fotografischen Kunstreproduktionen im Gefüge von Sonderaufträgen und Kampagnen56 begünstigte nicht zuletzt auch den Umsatz von Heinrich Hoffmanns Tagesgeschäft. 1938 erwarb er eine Wiener Kunstzeitschrift, die er unter dem Titel »Kunst dem Volk« zum Jahreswechsel 1938/39 neu aufstellte, mit der er nicht nur die nationalsozialistische Ideologie mit oftmals bedeutungslosen Kunstreproduktionen zu stärken versuchte, »um das Verhältnis zwischen Kunst und Volk noch weiter zu vertiefen«, sondern gar auf nunmehr subversivere Weise seine Zusammenarbeit mit Hitler über das Medium Kunst fortsetzte.57 So erschien anlässlich Adolf 54
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Zu Hoffmanns Rolle als Bilderhändler im Geflecht von Raubkunst und Reproduktion forscht aktuell Sebastian Peters im Rahmen einer Dissertation am IfZ München unter dem Arbeitstitel »Heinrich Hoffmann. Hitlers Fotograf und seine Netzwerke zwischen Politik, Propaganda und Profit«. Peters war zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfZ für das Projekt »Provenienzrecherche Gurlitt« tätig. Grundlagenforschung zum »Sonderauftrag Linz« und zum nationalsozialistischen Kunsthandel bietet: Löhr, Hanns Christian: Das Braune Haus der Kunst, Hitler und der Sonderauftrag Linz – Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Gebr. Mann, Berlin 2016, hier S. 42: »Nach einem Angebot schickten die Händler zunächst Fotografien in die Reichskanzlei. […] An diesen Auswahlgesprächen [zwischen Hans Posse und Hitler] nahm oft auch der Fotograf Hoffmann teil.« Später wurden alle vorgesehenen Museums-Exponate als fotografische Reproduktionen im sogenannten »Führeralbum« versammelt und registriert, vgl. Löhr, Hanns Christian: Das Braune Haus der Kunst, Hitler und der Sonderauftrag Linz – Visionen, Verbrechen, Verluste, Akademie-Verlag, Berlin 2005, S. 104; es handelte sich insgesamt um 6658 Kunstwerke, in: Löhr 2016, S. 96. Vgl. Halfbrodt/Herz 1988, S. 287 sowie Löhr 2016, S. 19. Ob Fotografen des Unternehmens Hoffmann 1943-1945 beim Führerauftrag mitwirkten, im Rahmen dessen ein Farbdiaarchiv zur visuellen Erhaltung von Monumentalmalerei angefertigt werden sollte, ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Das digitalisierte Archiv ist zugänglich unter: www.zi.fotothek.org/ »Kunst dem Volk« erschien unter Heinrich Hoffmann von 1939 bis 1944 als Monatsschrift für Bildende und Darstellende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk und setzte verschiedene thematische Schwerpunkte. Neben der regulären Ausgabe im A4Format wurden zu besonderen Anlässen auch kleinere Taschenformate (A5) als »Wehrmachtsausgabe« für Soldaten veröffentlicht. Das Zitat benennt die Zielsetzung, die Hoffmann mit der Veröffentlichung der Zeitschrift zur Jahreswende 1938/39 betonte und 1943 reüssiert, in: Hoffmann, Kunst dem Volk, 1943, o.S. »Kunst dem Volk« ging hervor aus der Zeitschrift »Österreichische Kunst« mit Karl Strobl als Herausgeber, die
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Hitlers Geburtstag zum 20. April 1943 ein Sonderheft, das eine Auswahl an Neuerwerbungen für das geplante Linzer Museum, die Führergalerie, präsentierte und in einem begleitenden Text die Leistungen des Führers als Beschützer und Erneuerer der deutschen Kunst hervorhob.58 Neben Peter Paul Rubens, Albrecht Dürer und Lucas Cranach führt Hoffmann darin Künstler wie François Boucher und Francisco de Goya auf: als Ausblick auf die Sammlung des Führermuseums wie auch als Vorausschau auf weitere Ausgaben seiner Zeitschrift, »um dem deutschen Volke die einmalige Größe dieses Führergeschenkes an Hand gelungener Reproduktionen vor Augen zu führen«.59 Als Titelblatt für die Sonderausgabe hatte er nicht nur eines der Hauptwerke ausgewählt, das für die Linzer Galerie vorgesehen worden war, sondern eines, mit dem er sich und seine Arbeit auch selbst identifizierte: Jan Vermeer van Delfts Bild »Allegorie der Malerei (Das Atelier des Malers)« (um 1665), das Hoffmann unter dem Titel »Die Künstlerwerkstatt« verzeichnete. Klio, Muse der Heldendichtung und Geschichtsschreibung, die als weibliche Figur in Vermeers Malerei erscheint, wird hier zum einen als Sinnbild der nationalsozialistischen Geschichtsschreibung mit Hitler als Helden präsentiert, doch sie deutet zugleich auch auf Heinrich Hoffmanns Selbstverständnis: Hoffmann, der – analog zu Vermeers Künstlerfigur – mit seinen fotografischen Erzeugnissen ›Geschichte schreibt‹. So benennt Hoffmann es dann auch 1947 in dem – vermutlich einzigen! – von ihm verfassten Manuskript anlässlich seiner Verteidigung: »Mein Leben und meine Tätigkeit in der Umgebung Hitlers dienten meinem Beruf und der Kunst«, mit dem Ziel, »[…] die Schaffung des grössten ZeitgeschichteArchives zu erreichen. […] Immer wieder wird sich die Geschichtsschreibung […] meines Archives bedienen müssen.«60 Dass dies in vielfältiger Weise erfolgt ist, belegt exemplarisch die Publikation »Adolf Hitler als Maler und Zeichner«. Das 1983 von Billy F. Price her-
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Umbenennung und Neuaufstellung erfolgte unter Hoffmann zur genannten Jahreswende, vgl. Schedlmayer, Christina: Die Zeitschrift ›Kunst dem Volk‹. Populärwissenschaftliche Kunstliteratur im Nationalsozialismus und ihre Parallelen in der akademischen Kunstgeschichtsschreibung, Dissertation an der Universität Wien 2010, S. 4ff. Hoffmann, Kunst dem Volk, 1943, S. 5. Vgl. auch Abb. 10-12, digitaler Bildteil: Titelblatt »Kunst dem Volk« (Sonderheft zum 20. April 1943), sowie Überreichung eines Sonderheftes von Hoffmann an Hitler (Alben Eva Braun), National Archives (242-EB-13, photo number 24-25). Hoffmann, Kunst dem Volk, 1943, S. 16. Hoffmann in: Ifz München: MS2049, S. 78.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
ausgegebene Kompendium ist als »Werkkatalog« der Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Architekturskizzen Hitlers erschienen und stellt in seiner Art die einzige Publikation zu dieser Thematik dar. Auffallend ist, dass einige der darin gezeigten ›Werke‹ in ihrer Komposition an Heinrich Hoffmanns fotografische Bildmotive erinnern. So macht die Gegenüberstellung der auf 1928 datierten Zeichnung »Ausblick auf die Berge«61 von Adolf Hitler mit der fotografischen Abbildung »Seltene Erfüllung«, wie sie in Hoffmanns Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt«62 publiziert wurde, deutlich, dass es sich hierbei um eine Bezugnahme von der einen Bildquelle auf die andere handelt: Während die Zeichnung die Sicht aus einem Fenster auf ein Bergpanorama eröffnet, zeigt Hoffmanns Fotografie Hitler inmitten der selben Szenerie, den Blick aus dem Fenster richtend. Hat Adolf Hitler nach Heinrich Hoffmanns Fotografien gezeichnet? Die Prüfung der an der Konzeption des Buches »Adolf Hitler als Maler und Zeichner« Beteiligten, darunter August Priesack, erlaubt Rückschlüsse – war es doch Priesack, der zwischen 1935 und 1939 als Archivar im »Hauptarchiv der Reichsleitung der NSDAP« tätig war und als Experte für Hitlers Handschriften und Texte galt. Dabei produzierte die Historische Abteilung des Archivs, die zur Aufgabe hatte, von Hitler angefertigte Kunstwerke in einer Sammlung rückwirkend unter anderem durch Rückkäufe zusammenzustellen, ihre eigenen Fälschungen: »Um bestmögliche Reproduktionen einiger interessanter Bilder herstellen zu können, engagierte man den Künstler Mühlbrecht, der die Bilder auf Aquarellpapier oder auf verstärktem Fotopapier von Agfa, das nur schwach die Konturen des Fotos wiedergab, kopieren mußte«.63 Es ist davon auszugehen, dass auch die Zeichnung »Ausblick auf die Berge« im Zuge einer solchen manuellen Reproduktion nach einer Fotografie von Hoffmann entstanden ist und mit einer gefälschten Hitler-Signatur von Priesack versehen wurde. Die zweifelhafte Laufbahn des »Kunsthistorikers und Archiv-Spezialisten für Hitlers Kunst« August Piesack, der mit sei-
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Price, Billy F. (Hg.): Adolf Hitler als Maler und Zeichner – Ein Werkkatalog der Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Architekturskizzen, Gallant Verlag, Zug 1983, S. 215, Abb. 553. Vgl. Abb. 13, digitaler Bildteil. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 74. Vgl. Abb. 14, digitaler Bildteil. Price 1983, S. 14. Kürzel unter der Abbildung der Zeichnung verraten außerdem, dass es zu der Zeichnung eine »Fotoquelle« gegeben haben muss und dass die Zeichnung zum Bestand von Priesacks privatem Bildarchiv gehörte, vgl. ebd., S. 94.
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nen Publikationen auch rechtsextreme Kundenkreise auszuschöpfen versuchte, deutet zumindest darauf hin.64
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Image-maker I: Das Führerbild als Genre
»Geschichte ist Führergeschichte«, bemerkt Karl Richard Ganzer im Vorwort des 1935 erschienenen Buches »Das deutsche Führergesicht«.65 Der BildnisKatalog zeigt in 204 Bildnissen »deutsche Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden« (so der Untertitel), darunter auch Adolf Hitler als zeitgenössischen Führer – dessen Konterfei aus jener der Autorin vorgelegten Ausgabe herausgerissen war. Um es ehemals zur Bewunderung aufzuhängen? Oder als Geste eines (nachträglichen) Ressentiments? Das Führerbild begründete im »Dritten Reich« ein ganz eigenes Genre, welches insbesondere über das Medium Fotografie ›Führergeschichte‹ zu fixie-
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August Priesack war in die Fälschung von Dokumenten rund um die 1983 in Umlauf gebrachten »Hitler-Tagebücher« verwickelt. 1981 hatte er unter dem Pseudonym Rolf Nederling in dem rechtsradikalen Druffel-Verlag den Bildband »Die Reichsparteitage der NSDAP 1923 bis 1939« publiziert, in Folge dessen die Münchner Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Autor und den Verlag erhob. »Priesack mußte mit einer Verurteilung rechnen, die das Erscheinen eines anderen Buches gefährden würde, in dem er sein ›Lebenswerk‹ sieht: eines Wer[k]katalogs aller Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Architekturskizzen Hitlers.« Um die Verurteilung im Jahr 1981 abzuwenden, benötigte Priesack ein Gutachten eines international bekannten Historikers, den er in David Irving fand, vgl. Höhne, Heinz: »Hitler-Texte: Fälschungen, wohin man sieht«, in: Der Spiegel, 19/1983, erschienen am 09.05.1983, S. 113-115; www.spiegel.de/spiegel/print/d-14018106.html, zuletzt aufgerufen am 25.02.2018. Billy F. Price, gebürtiger Amerikaner und »Businessman« in Texas, übernahm schließlich 1983 die Herausgeberschaft von Priesacks Buch. Es war auch Price, der ab 1983 mehrfach gerichtlich versuchte, die Rechte an Hoffmanns Bildarchiv wie auch an Hitlers Aquarellen zu erwerben (betrifft bzgl. Hoffmanns Fotografien im Prozess 1995 die Bestände der National Archives in Washington D.C. sowie das Carlisle Archive, U.S. Military History Institute, Carlisle, Pennsylvania). Siehe weiterführend: Culbert, David: The Heinrich Hoffmann Photo Archive: Price vs United States, United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 20 November, 1995, in: Historical Journal of Film, Radio and Television, Vol. 17, No. 2, 1997, S. 261-262; sowie den Bericht: United States Court of Appeals, Fifth Circuit, No. 932564, www.ca5.uscourts.gov/opinions %5Cpub %5C93/93-02564.CV0.wpd.pdf, zuletzt aufgerufen am 25.02.2018. Ganzer, Karl Richard: Das deutsche Führergesicht – 204 Bildnisse deutscher Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden, mit einer Einführung in den Geist ihrer Zeit, Lehmann Verlag, 23.-30.Tsd., München/Berlin 1939, hier S. 3.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
ren suchte. Heinrich Hoffmann lieferte hierzu drei wesentliche Elemente: Er rückte das Gesicht, die Hände und die Augen beziehungsweise den Blick als konstitutive Bildkategorien in den Fokus; mit einer Betonung dieser Elemente sowohl innerhalb eines Bildes wie auch im Gefüge mehrerer Ansichten; mit Adolf Hitler als Ausgangs- sowie als Bezugspunkt in der Konstellation mit anderen Personen. Das Führerbild kennzeichnet somit nicht nur die singuläre Ansicht des Führers als klassisches Portrait, sondern beinhaltet auch die mimische und gestische Bezugnahme zu dem, was außerhalb des Einzelbildes oder der fotografischen Sequenz liegt. Es ist das Gegenteil eines auf das Subjekt fixierten Raumes,66 da es den Raum des Führers immer nur in Erweiterung zum Raum des Objekts darstellt – ob privat oder parteipolitisch, solitär oder seriell inszeniert. Es ist nicht nur Repräsentation, sondern auch »maskierte Gegenwärtigkeit«67 , die in Heinrich Hoffmanns Führerbildern wirksam wird. Die Betonung und Ausrichtung von Gesicht, Händen und Augen in den Führerbildern greift somit über die Bildgrenze hinaus und kennzeichnet die Methode, mit der Heinrich Hoffmann operiert: eine Beziehung oder ein Bezugssystem aufzubauen, das direkt an das Auge der Betrachterin beziehungsweise des Betrachters und/oder an die darauf folgende Fotografie anknüpft und somit ein Bildsystem entstehen lässt, das in Rückkopplung an den ›Führer‹ zur Handlung animieren soll. Anhand bildkonzeptioneller Etablierung vertrauter Gesten durch Gesicht, Hände und Augen wird den Betrachtenden Intimität68 und Nähe suggeriert, allem voran aber eine Grundlage für Mimesis geschaffen: »Führung beruht«, schreibt Niklas Luhmann, »auf einer Verstärkung der Folgebereitschaft durch die Erfahrung, daß andere auch folgen, – also auf Imitation.«69 So wirkt die Betonung von Gesicht, Händen und Augen
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Vgl. Jean-Louis Schefer in Nancy, Jean-Luc: Das andere Porträt, Diaphanes, Zürich/Berlin 2015, S. 4. Nancy 2015, S. 14. »Intimität meint im Fall des Nationalsozialismus Lokalisierung, landsmannschaftliche Attribute, personale Direktheit und Gleichheit im Sinne einer selbstverständlichen, politisch und sozial weder gebrochenen noch vermittelten Unmittelbarkeit«, kommentiert Eike Hennig in seinem Aufsatz »Hitler-Porträts abseits des Regierungsalltags – Einer von uns für uns?«, in: Loiperdinger/Herz/Pohlmann, München 1995, S. 27-50, hier S. 39. Luhmann, Niklas: Macht, UTB, Konstanz 2012, S. 85.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
im Führerbild schließlich auch als Sinnbild für die Gemeinschaft, die sich in »synchroner Emotionalität«70 auszudrücken vermag. Gertrud Koch hebt in ihrem Aufsatz »Nähe und Distanz: Face-to-faceKommunikation in der Moderne« im Kontext der frühen Filmtheorie die Rolle des Gesichtes als Sitz und Gegenstand des Blicks vor dem Hintergrund der Multiplizität hervor71 : »Dabei wird das Gesicht zum Ort, auf dem sich nicht nur körperliche Sensationen abzeichnen, sondern auch Gefühle und Affekte, ebenso wie die zur Schau gestellten Masken sozialer Identität«72 , das heißt die vielen Gesichter, die eine Person in der Moderne haben kann und die sich sowohl im filmischen wie im fotografischen Bild trotz sozialer Distanz doch immer in intimer Nähe erleben lassen.73 Neben dem Kopf verweist Albert Renger-Patzsch – seine eigene fotografische Praxis thematisierend – 1927 auch auf die Hände, die ein gutes Portrait ausmachen würden.74 Und Martin Heidegger gab Karl Jaspers zur Antwort, als dieser ihn fragte, wie »ein so ungebildeter Mensch wie Hitler Deutschland regieren« solle: »Bildung ist ganz gleichgültig, sehen Sie nur seine wunderbaren Hände an.«75 Auch die NS-Publizistik verwies im Rückgriff auf Hoff-
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Vgl. Koch, Gertrud: »Tun oder so tun als ob? – alternative Strategien des Filmischen«, in: Koch, Gertrud/Voss, Christiane (Hg.): Es ist, als ob – Fiktionalität in Philosophie, Filmund Medienwissenschaft, Fink, München 2009, S. 139-150, hier S. 143. Vgl. Koch, Gertrud: »Nähe und Distanz: Face-to-face-Kommunikation in der Moderne«, in: Blümlinger, Christa/Sierek, Karl (Hg.): Das Gesicht im Zeitalter des bewegten Bildes, Sonderzahl, Wien 2002, S. 272-291, hier S. 272, 277. Ebd., S. 285f. Vgl. ebd., S. 276. »Zu einem guten Porträt gehören außer dem Kopf auch die Hände. […] Kopf und Hände besitzen bei uns normalerweise den größten Ausdruck, der in seiner Wirkung noch durch die Kleidung verstärkt wird. Kopf und Hände im Bilde zu vereinigen, hält [sic!] insofern schwer, weil man aus bildmäßigen Rücksichten gezwungen ist, beide möglichst nahe beieinander im Bilde zusammenzufassen, um ein recht konzentriertes Bild zu erhalten […]«, in: Renger-Patzsch, Albert: »Einiges über Hände und Händeaufnahmen« (1927), in: Stiegler/Wilde 2010, S. 95. Die Aussage »beide möglichst nahe beieinander im Bilde zusammenzufassen, um ein recht konzentriertes Bild zu erhalten« legt nahe, dass er sich mit dieser Bildbeschreibung von Kopf und Händen in einem Bild auf die nationalsozialistische Bewegung, auf Hitler und den Hitlergruß bezieht. Seine eigene Vorstellung von Händen zeigt er dann 1929 mittels zweier sich umfassenden Hände: Hände des Friedens – vor dem Hintergrund aktueller politischer Tagesmeldungen im Kölner Tageblatt. Vgl. Abb. ebd., S. 94. Zitiert nach: Ullrich, Wolfgang: »Heidegger im Bild«, in: ders. (Hg.): Verwindungen – Arbeit an Heidegger, Fischer, Frankfurt a.M. 2003, S. 9-43, hier S. 35.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
manns Fotografien immer wieder auf Adolf Hitlers Hände: »Der Ausdruck der Hände ist überaus eindrucksvoll, denn er ist nicht mechanisch oder gewohnheitsmäßig. Sondern immer für sich allein schon von unmißverständlicher Bedeutung, die dem Inhalt des gesprochenen Satzes stattgibt.«76 Dieser Kommentar im Illustrierten Beobachter hebt nicht nur die Bedeutung und Bildhaftigkeit der Hand hervor, sondern benennt konkret eine Abfolge von drei fotografischen Ansichten, die einzig Hitlers gestikulierende Hände herausstellen – auf die von der anderen Seite des Buches aus zwei Männergruppen ›blicken‹. Die Beliebtheit der Hand – genauer, die Popularität der »Hände des Führers«77 – äußert sich in Ansichten und Aussagen wie »Sie will die Hand des Führers«78 , oder exemplarisch in Hoffmanns Bildband »Hitler in seinen Bergen«, der Hitlers Hand exzessiv in verschiedenen Tätigkeitsspektren durchdekliniert: Die (be-)schützende Hand, das Händereichen, der Händedruck, der Hitlergruß, die tröstende Hand, die betrachtende Hand, die schauende Hand, die zeigende Hand, die umfassende Hand, die Hand in Bezug zum Hund (Füttern, Spielen), die Hand beim Essen, Schreiben, Lesen, die hinterm Rücken verschwindende Hand, die Hand beim Denken, die erklärende, ruhende, suchende Hand (beim Halten einer Lupe), die gefaltete Hand, die abgelegte Hand, die verschränkte Hand, die wissende Hand (Übergabe eines Stiftes), die telefonierende Hand.79 Tragend für das nationalsozialistische Regime ist die Hand beim Hitlergruß – ein Symbol, das immer auf das ideologische Kollektiv verweist. Die Hand greift aus, um etwas, jemanden, um Hitler, um das Dritte Reich, um diese eine propagierte Ideologie zu erreichen. Es ist der Oberste Parteirichter der NSDAP, Walter Buch, der begleitend zu Hoffmanns fotografischen Aufnahmen Adolf Hitler als Menschen würdigt. Im Rahmen seiner Parteifunktion für »Säuberungsaktionen« zuständig, das
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[Redaktioneller] Kommentar, in: Illustrierter Beobachter, Sonderausgabe: Adolf Hitler, ein Mann und sein Volk, Franz Eher Nachf., München 1936, S. 10f. »Fast alle Aufnahmen dieser ›IB‹-Sonder-Ausgabe lieferte der Reichsbildberichterstatter der NSDAP. Heinrich Hoffmann«, ebd., S. 96. Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler abseits vom Alltag, 26.-50. Tsd., ZeitgeschichteVerlag, Berlin 1937, o.S. Dietrich, Otto: »Der Führer und das deutsche Volk«, in: Hoffmann, Adolf Hitler – Bilder aus dem Leben des Führers, 1000.-1100. Tsd., [1936], S. 19-26, hier S. 21. Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in seinen Bergen, 86 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 1.-20. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935].
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
heißt für Mord und die Eliminierung Nicht-System-Konformer, bewirbt er 1936 das Regime ganz gezielt über das Auge des Führers: »Wohl war ich gefesselt von diesen Augen, Augen, wie ich sie noch nie gesehen, Augen, die zugleich befahlen und warben. Wie oft wurde ich später gefragt: ›Was hat er für Augen?‹ Immer konnte ich nur sagen: ›Ich habe solche nur gesehen in ihrer unergründlichen Tiefe und reinen Klarheit bei neugeborenen Kindern.‹ Nur Wesen, die noch in ganz nahe[r] Berührung mit dem Göttlichen stehen, können solche Augen haben.«80 Der Brief einer jungen Frau an Hitler benennt genau diesen Wunsch, wie ihn Walter Buch mit seiner Beschreibung heraufbeschwört: »Einmal die Augen sehen können, die sie die Seher-Augen [Herv. d.A.] nennen!«81 Diese Funktion nun bietet Heinrich Hoffmann an, ist er doch der Mann, »der für uns den Führer sieht«82 , als stellvertretender Augenzeuge und als kollektives Auge des Volkes. Hitler selbst betont 1931 die Bedeutung des Auges für seine eigene Propaganda: »Es genügt zu schauen, höchstens noch ganz kurze Texte zu lesen […]. Das Bild bringt in viel kürzerer Zeit, fast möchte ich sagen, auf einen Schlag, dem Menschen eine Aufklärung […].«83 Diese ›Aufklärung‹ durch das sehende Auge war strategisch gekoppelt an das ›Erwachen‹, mit dem die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei im Rahmen des von Heinrich Hoffmann vorgelegten Bildbandes »Deutschlands Erwachen in Bild und Wort – Photographische Zeitdokumente« bereits 1924 warb. Entlehnt war die Parole dem »Sturmlied« von Dietrich Eckart, der unter anderem 1921 als Hauptschriftleiter des Völkischen Beobachters aktiv wurde und mit dem auch Hoffmann befreundet war.84 Hoffmann übertrug die Parole vom Akustischen ins Visuelle. »Deutschland erwache!« erhielt als Leitspruch maßgebliche Bedeutung im nationalsozialistischen System und wurde auch als Propaganda-Parole auf nationalsozialistischen Parteiflaggen genutzt. Als
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Buch, Walter: »Der Mensch Adolf Hitler«, in: Illustrierter Beobachter, Sonderausgabe: Adolf Hitler, ein Mann und sein Volk, Franz Eher Nachf., München 1936, S. 74. Brief in: Lieber Onkel Hitler – Briefe an den Führer (D 2010, R: Mathias Heide/Michael Kloft), TC 07:57-08:07. Hoffmann, Hitler abseits vom Alltag, 26.-50. Tsd., o.S. Vgl. Abb. 15, digitaler Bildteil. Diebow/Goeltzer 1931, S. 5. Es sei auch Dietrich Eckart gewesen, über den sich Hoffmann und Hitler kennengelernt haben. Eckart und Hoffmann wiederum machten 1919 Bekanntschaft. Er war maßgeblicher Förderer Adolf Hitlers und zählte zu den militantesten antisemitischen Publizisten in München, vgl. Halfbrodt/Herz 1988, S. 282.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Abbild in Hoffmanns Fotos erscheint die Botschaft der Flaggen als Inschrift des fotografischen Bildes: nicht zuletzt als Erinnerung daran, dass das Erwachen stets mit dem geöffneten Auge und somit mit dem Erblicken des Führerbildes verknüpft ist.
2.
Bildnarrative – Bildstrategien. Fotografie-politisches Agieren im Kontext von Hoffmanns fotografischen Bildbänden
»Die Mischung von Information mit Narration ermöglicht es, über die bloße Nachrichtenmeldung hinaus (Resultat, Abstraktion), Geschehenes als Erfahrung nachzuvollziehen (Prozess, Einfühlung). Methoden unter anderem: Nachrichten mit Musik, Filme mit Text […]«85 , schreibt Alexander Kluge. Er bringt seine Gedanken zum Thema Erzählen ferner mit László Moholy-Nagy in Verbindung, der Ähnliches in Bezug zur Fotografie beschreibt: »So erzählen […] alle von Menschen hergestellten Kamerabilder eine Parallelgeschichte: eine Ideallandschaft.«86 Heinrich Hoffmanns fotografische Bildbände erzeugen solche ›Ideallandschaften‹, die sich um Adolf Hitlers Sein und Handeln im Gefüge der nationalsozialistischen territorialen Expansion – auf psychosozialer wie geografischer Ebene – entspinnen und die gelebte nationalsozialistische Ideologie als erstrebenswertes Ziel erklären. Anhand ausgewählter Beispiele sollen im Folgenden Bildnarrative und Bildstrategien verdeutlicht werden, mittels derer nicht nur die Erzeugung der genannten ›Ideallandschaften‹ um Hitler nachvollzogen werden kann, sondern die außerdem Heinrich Hoffmanns fotografie-politisches Agieren vor dem Hintergrund seiner Bildindustrie vor Augen führen – brachten Hoffmanns Bildbände nicht nur Hitler Popularität und der nationalsozialistischen Ideologie Reichweite, sondern auch Hoffmanns Unternehmen kapitalen Erfolg ein. Sehgewohnheiten, wie sie mit dem Aufkommen der Privatfotografie und der Entwicklung des Films im frühen 20. Jahrhundert entstanden sind, werden in Heinrich Hoffmanns Bildbänden als Strategie adaptiert und in ein öffentliches, politisches Medium implantiert. Das »close reading« einer Aus-
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Kluge, Alexander: Pluriversum, Ausst.kat., hg. v. Museum Folkwang Essen, Spector Books, Leipzig 2017, S. 168. László Moholy-Nagy zitiert nach Kluge 2017, S. 112.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
wahl dieser Bildbände richtet sich darauf, Bildzusammenhänge, Bildchoreografien und die Performativität des fotografischen Bildes in seiner Folge zu erfassen, wie auch dessen Nähe und Differenz zum bewegten Bild evident zu machen – erscheinen doch die Fotografien hier als Bildfolgen, ja als Sequenzen, die der Gestalt eines Films nahe kommen, diesen aber in der kontemplativen Wirkung des Einzelbildes übersteigen. Entscheidend ist, dass bei der Konzeption der Bildbände Aufnahmen nicht nur einmal zur Verwendung kamen, sondern immer wieder in neuen Kontexten Zusammenstellung fanden oder – je nach intendierter politischer Lage und Botschaft – ausgewechselt wurden. Hoffmanns Bildarchiv erfüllte dabei eine Funktion, die sich heute deutlicher noch am Phänomen der »Stock Photography« beobachten lässt: Es wurden Bilder auf Vorrat produziert, die sowohl in Hoffmanns eigenen Publikationen als auch in anderen nationalsozialistischen Veröffentlichungen situativ, das heißt in variierenden Zusammenhängen Verwendung fanden. Hoffmanns Bildbände wiederum sind angelegt als narrative Gefüge, die das fotografische Bild stets auch als Variable begreifen, um die Narration situationsspezifisch zu lenken, ja, mit Niklas Luhmann gesprochen, um die »narrative Fiktionalität«87 , die einem jeden Band vorangestellt ist, aufrecht zu erhalten. Gültigkeit erhält in den Hoffmann’schen Bildbänden damit eine »Als-ob-Realität«88 , wie Gertrud Koch sie beschreibt: »[…] dass Fiktionen solche Als-ob-Annahmen mit Handlungsfolgen bereitstellen können. Und zwar unabhängig davon, ob die Geschichte, die erzählt wird, für wahr gehalten wird, können normative Situationsdeutungen, die in ihnen vermittelt werden, als real akzeptiert werden und als Deutung auf die Welt der empirischen Handlungen zurückführen.«89 Die These lautet also: Heinrich Hoffmanns Bildbände haben mittels strategisch angelegter FotografieKompositionen, die in Wechselwirkung mit solchen die Bildintention unterstützenden Kurztexten stehen, Grundlagen geschaffen, Neugier, Interesse, Begeisterung sowie aktive Zuwendung zur nationalsozialistischen Ideologie, ja zum nationalsozialistisch geprägten Leben – mit Adolf Hitler als Hauptbildgegenstand und Referenzfigur – zu entwickeln. Die Bildbände wurden mit einer das System befördernden Resonanz zur Zeit des Nationalsozialismus rezipiert, in speziellen Kreisen werden sie aber bis heute noch in propagandistischer Manier konsumiert. Die Fragen nun dazu lauten: Welche Ereignis-
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Niklas Luhmann zitiert nach Gertrud Koch, in: Koch/Voss 2009, S. 143. Koch/Voss 2009, S. 140. Ebd., S. 142f.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
se unterbreiten diese Bildbände, welche Hintergründe liegen ihrer jeweiligen politischen Intention zugrunde und weshalb ist die kritische Auseinandersetzung mit ihnen für unsere Gesellschaft notwendig? Was haben wir bis hierher gelernt? Zum analytischen Erfassen der Gesamtkonzeption jener Fotobildbände, die in den folgenden Kapiteln exemplarisch und mit unterschiedlicher Schwerpunktbildung besprochen werden, dient die Materialsammlung, die über den auf S. 31 bereitgestellten Link zugänglich ist und diese gelisteten Bände als digitale Reproduktionen beinhaltet:
Zu Kapitel II., 2.1 Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 201.-220. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 BildDokumente aus dem Leben des Führers, 401.-420. Tsd., ZeitgeschichteVerlag, Berlin, o.J. [1942 oder 1943].
Zu Kapitel II., 2.2 Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 91.-100. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935 oder 1936].
Zu Kapitel II., 2.3 McClatchie, Stanley: Sieh, das Herz Europas, Verlag Heinrich Hoffmann, Berlin 1937 [1938 erweiterte Auflage].
Zu Kapitel II., 2.4 Hoffmann, Heinrich (Hg.): Mussolini erlebt Deutschland, [ohne Angabe der Auflage], Verlag Heinrich Hoffmann, München 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München 1938.
Zu Kapitel II., 2.5 Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1939.
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Wir arbeiten bei Junkers – Ein Bildbericht vom praktischen Sozialismus eines deutschen Industriewerkes im Kampf um das neue Europa, Sonderdruck für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Aktiengesellschaft, Heinrich Hoffmann Verlag, München 1943.
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Vor der Reichskanzlerwahl: »Hitler wie ihn keiner kennt« (ab 1932)
Im Jahr 1932 erscheint der Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt«. Es ist der erste von Heinrich Hoffmann herausgegebene Band mit »100 BildDokumenten aus dem Leben des Führers«, wie die Publikation den Inhalt des Werks in ihrem Untertitel beschreibt. Einhundert Bilder, die Auszüge aus dem Leben von Adolf Hitler in Form einer visuellen Biografie darlegen. Bilder, die ihren Betrachterinnen und Betrachtern die Tugend, Liebe und Güte, ja den Menschen Adolf Hitler zeigen sollten. Die Antwort, weshalb »Hitler wie ihn keiner kennt« im Jahr 1932 erschienen ist, gibt der Bildband selbst. Unter dem letzten fotografischen Abbild im Buch steht geschrieben: »Präsidentenwahl!«90 , während Hitler – umringt von einem fünfköpfigen politischen Beirat – konzentriert auf eine Landkarte blickt. Die fünf Männer folgen seinem Blick und scheinen Hitler in seinen Planungen um den Propagandafeldzug zu bestätigen. Adolf Hitlers Kandidatur zur Reichspräsidentenwahl91 im Frühjahr 1932 ist zunächst nicht von Erfolg gekrönt. Aus den Wahlen geht der amtierende Reichspräsident Paul von Hindenburg hervor, wodurch die Weimarer Koalition92 aufrecht erhalten wird.93 Bei der 90
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An diese Bildunterschrift schließt an: »Der Führer bespricht mit einigen Mitarbeitern im Hotel Kaiserhof den großen Propaganda-Feldzug der NSDAP zur Reichspräsidentenwahl.« Beide Zitate in: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 201.-220. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933], S. 96. Die Reichspräsidentenwahl von 1932 war die zweite und letzte Reichspräsidentenwahl in der Weimarer Republik. Der Reichspräsident wurde hierbei direkt vom Volk gewählt. Die Wahl erfolgte in zwei Schritten: der 1. Wahlgang war im März 1932, der 2. Wahlgang im April 1932. Koalition aus SPD, katholischem Zentrum, linksliberaler DDP (Deutsche Demokratische Partei). Hannah Arendt zufolge liegen Gründe dafür, dass die Wahl auf Paul von Hindenburg fiel – den sie als »greisen Feldmarschall« bezeichnet –, darin, »daß den alten Parteien nichts so sehr am Herzen lag, als sich mit dem Staat zu identifizieren, mit dem Staat über den Parteien, und sie griffen für die Identifikation natürlicherweise auf die Armee zurück, in der sie immer noch das größte Symbol des Nationalstaates sahen.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Reichstagswahl im Juli 1932, der Wahl zum sechsten Deutschen Reichstag der Weimarer Republik, tritt die NSDAP (die »Hitler-Bewegung«) dann als stärkste Partei hervor und wird damit zur stärksten Fraktion im Reichstag.94 Die Phase der Machteroberung, die streng genommen schon lange vor der für Hitler bedeutsamen Präsidentenwahl und selbst vor dem entscheidenden Wahlerfolg von 193095 begonnen hatte, findet mit dem Hoffmann’schen Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt« einen ersten Höhepunkt: wird darin nicht nur von Hitler erzählt, sondern erscheint dieser durch geschickt arrangierte Bildfolgen als Führer und als ›privater Mensch‹. Das fotografische Bild von Hitler zur Mobilisierung potentieller Wähler kursierte durch Heinrich Hoffmann als Bildanwalt schon ab 1923. Es ist nicht wesentlich später, dass Adolf Hitler – nach frühzeitiger Entlassung aus seiner Festungshaft in Landsberg96 – 1925 ein Redeverbot für die Dauer von mindestens zwei Jahren durch die bayerische Regierung auferlegt wird.97 Mag dies ein Grund für die darauf folgende Bildproduktion der Figur Adolf Hitler sein? Auf diverse von Hoffmann fotografisch erprobte Rollenmodelle folgten ab 1931 erste Publikationen,98 die jedoch von geringerem Erfolg waren. Die »national-
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Damit aber hatten sie selbst das Parteiensystem […] aufgegeben. […] In einem Kampf, in dem ihrer aller Existenz auf dem Spiel stand, entschlossen sie sich, gemeinsam den Status quo zu verteidigen, der ihnen wenigstens das Existenzminimum garantierte […] während Hitler und Thälmann sich um die Repräsentation der Massen stritten«, in: Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus, Piper, München 2001, S. 555. Der Sieg erfolgt mit 37,4 %. Bei den folgenden, vorgezogenen Wahlen im November 1932 verliert die NSDAP über zwei Millionen Wählerstimmen, bleibt aber führende Partei – bis zum sogenannten Tag der Machtergreifung am 30.01.1933, an dem Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernennt. Vgl. Matthiessen, Wilhelm: Geschichte, Cornelsen, Berlin 2002, S. 113. Anstieg der Mandatszahl von 12 auf 107 als Ergebnis der Septemberwahlen 1930. Anlass für die Haft war der sogenannte »Marsch zur Feldherrnhalle« am 8./9. November 1923 in München, der von Adolf Hitler und Erich Ludendorff angeführt wurde. Für den Putschversuch, der zum Ziel hatte, die Regierung zu stürzen, wurde Hitler am 1. April 1924 in einem Hochverratsverfahren vor dem bayrischen Volksgerichtshof zu fünf Jahren Festungshaft in Landsberg verurteilt – und bereits am 20. Dezember 1924 wieder entlassen. Vgl. Thamer 2002, S. 43. Vgl. Thamer 2002, S. 58 Genannt seien hier Diebow, Hans/Goeltzer, Kurt: Bilddokumente der Zeit – Hitler, eine Biographie in 134 Bildern, Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1931, sowie die gleichnamige Publikation zum Film: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler über Deutschland, Franz Eher Nachf., München 1932.
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sozialistische Emotionalisierung«99 durch eine visuelle Propaganda als Vertrauenspropaganda erfährt dann mit »Hitler wie ihn keiner kennt« Konjunktur, und so wurde dieser nicht zuletzt mit einer Auflagenzahl von mindestens 448.000 der meistverkaufte Bildband Heinrich Hoffmanns.100 Es existiert in Hoffmanns Bildbänden – mit wenigen Ausnahmen – keine Datierung des Erscheinungsjahres. In der Regel sind sie nach der Auflagenzahl numerisch zu erfassen; hin und wieder hilft auch die Datierung der Genehmigung zur Freigabe der Schrift,101 um den jeweiligen Bildband zeitlich einzuordnen. Wann genau innerhalb des Jahres 1932 der Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt« erschienen ist: dabei muss die analytische Betrachtung und Einordnung des Kontextes helfen.102 Dass die Datierung der Bildbände durchaus von Relevanz ist, zeigt nicht nur das letzte Bild in »Hitler wie ihn keiner kennt« – und damit der subtile Aufruf, Hitler bei der Präsidentenwahl im Jahr 1932 zu wählen. Deutlich wird dies auch darin, wenn im Verlauf des Erscheinens des Bildbandes von 1932 bis schätzungsweise 1943 einzelne Bilder ausgetauscht oder gar Personen mittels Retusche aus Bildern entfernt werden – eine für diese Zeit nicht unübliche Methode in der fotografischen Praxis, um politische Gegner (visuell) zu eliminieren. Dies erfolgte im konkreten Fall zumeist dann, wenn sich politische Ereignisse zutrugen, die in der Folge auch eine Abänderung im Bildgefüge der aktuellsten Bildbände er-
99 Thamer 2002, S. 82. 100 Hinsichtlich der Auflagenzahl und des Erscheinungsjahres kann nur mit Näherungswerten operiert werden: So liegen für das Jahr 1944 keine Einträge – und damit keine Nachweise von Medien – in den Verzeichnissen der Bibliotheken vor. Datiert auf das Jahr 1943 wird beispielsweise die Ausgabe 401.-420. Tsd., stellenweise jedoch auch auf das Jahr 1942, während die Ausgabe 426.-448. Tsd. mit dem Jahr 1938 bestimmt wird. Dies sei nur ein Beispiel. Die Ausgabe 426.-448. Tsd. ist die letzte aktuell nachweisbare Ausgabe des Bildbandes. 101 Vor allem ab dem Jahr 1935 ist den Büchern im Impressum folgende Floskel zu entnehmen: »Gegen die Herausgabe dieser Schrift bestehen seitens der NSDAP keine Bedenken.« Gefolgt wird diese Zeile von: »Der Vorsitzende der parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS.-Schrifttums. Berlin, den […].« 102 Als Anhaltspunkt kann die in der Ausgabe 351.-400. Tsd. genannte Periode »Anfang 1932« als Erscheinungszeitraum festgehalten werden. Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 351.-400. Tsd., o.S.; außerdem der Verlagsvertrag zwischen Heinrich Hoffmann und dem Zeitgeschichte-Verlag Berlin, der am 10.02.1932 unterzeichnet wurde, vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 190ff.
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forderlich machten. Hier lassen sich also in doppeltem Sinne Zeitgeschehen und ›Zeitgeschichte‹ ablesen. Die nachfolgende, ausführliche Betrachtung des Bandes »Hitler wie ihn keiner kennt« erfolgt auf Grundlage der Ausgabe 201.-220. Tsd., die im Berliner Zeitgeschichte-Verlag erschienen ist und vermutlich auf das Jahr 1933 datiert werden kann. In einem zweiten Schritt erfolgt der Vergleich einzelner Ausgaben, im Speziellen mit der Ausgabe 401.-420. Tsd., die einen inhaltlichen und konzeptionellen Wandel des Buches »Hitler wie ihn keiner kennt« exemplarisch verdeutlicht. Hieran wird zu erkennen sein, wie durch subtile Eingriffe politische Botschaften transportiert oder gerade unkenntlich gemacht wurden. Titelbild und Umschlag Schäferhund, Trachtenjacke und Wanderhut: Das sind Requisiten, mit denen sich Adolf Hitler – im Gras liegend und auf den rechten Unterarm gestützt – vor einem Bergpanorama präsentiert. Schräg rechts über seinem Kopf steht in weißen Lettern auf rotem Grund geschrieben: »Hitler«. Ein ebensolcher Schriftbalken zieht sich auch horizontal über den gesamten unteren Rand des Buches: »wie ihn keiner kennt«. Eine weiße rechteckige Fläche steht dem fotografischen Abbild gegenüber – nahezu avantgardistisch gestaltet erscheint das Cover des Buches. Hitlers Augenpaar schweift in die Ferne: Verträumt, doch von einer Sache fixiert, folgt er der Blickrichtung des Hundes, der neben ihm liegt. In stiller Eintracht vermitteln sie den Eindruck einer rein sinnlichen Wahrnehmung, um die es hier geht: das Sehen! Doch auch das Entdecken spielt eine Rolle. So kündigt der innere Klappentext des Bandes an, dass die in dem Werk gezeigten Abbildungen größtenteils unbekannt seien.103 Es gilt, Hitler in Form einer »illustrativen Ergänzung« zu seinem Buch »Mein Kampf« zu erfahren, und zwar in einem Bildwerk, »das Anspruch auf dokumentarische Wahrheit erheben darf«.104 Diese dokumentarische Wahrheit, die vielmehr eine verzerrte Realität darstellt, soll durch das Medium Fotografie (hier als Reproduktion im Kupfertiefdruck) zum Ausdruck gebracht werden. Dabei ist es der Fotograf und Herausgeber Heinrich Hoffmann, der zum Zeitpunkt der Publikation »seit zehn Jahren in der engsten Umgebung Hitlers weilt«105 , so nicht nur als
103 Vgl. Hoffmann: Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., vordere Umschlagklappe. 104 Ebd. 105 Ebd.
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»Photoberichterstatter der Reichsleitung der N.S.D.A.P.«106 , sondern auch als Vertrauter Adolf Hitlers in Erscheinung tritt – und damit scheinbar in zweifacher Hinsicht die Funktion eines Zeugen und Bezeugenden ausübt, ja den privaten, natürlichen, familiären und sympathischen Hitler, wie ihn keiner kennt, zugänglich macht. Vorwort Mit einem dem Buch vorangestellten Zitat107 sowie einem einführenden »Geleitwort« tritt der Reichs-Jugendführer der NSDAP108 Baldur von Schirach auf, der ähnlich wie Hoffmann als selbsternannter »Zeuge« die Person Hitlers ins ›rechte‹ Licht rückt. Das Ineinandergreifen von Wort und Bild beschreibt von Schirach 1938 in seinem Buch »Revolution der Erziehung« so: »Für mich als Politiker bedeutet es die größte Ehre, die junge Generation unseres Volkes als Jugend anvertraut zu erhalten, es kann auch für einen Künstler keine größere Ehre geben als den Auftrag, die Jugend durch Wort und Bild zu erheben oder zu begeistern, kurz zu bilden.«109 Zu begeistern, zu erheben, zu bilden: Baldur von Schirachs Intention wird auch in diesem Bildband deutlich. Denn »wer diese Bilder als Bekenntnisse mit offenem Herzen liest, der ahnt vielleicht das Geheimnis dieser einzigartigen Persönlichkeit. Und begreift: Hier offenbart sich nicht allein ein mitreißender Führer, sondern ein großer und guter Mensch.«110 Im Medium Fotografie findet das verbal propagierte Hitler-Bild eine visuelle Entsprechung. »Populär sein heißt: viel photographiert werden«111 : Die ausgewählten Aufnahmen suggerieren einen Auszug aus dem privaten Leben Adolf Hitlers. Sie beschwören dabei nicht nur ihm zugeschriebene Eigenschaften wie »Kraft und Güte«112 , sondern auch seinen Lebensstil. Die kör106 Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., Schmutztitel. 107 »Das ist an ihm das grösste: Dass er nicht/nur unser Führer ist und vieler Held,/sondern er selber: Grade, fest und schlicht,/dass in ihm ruhn die Wurzeln unserer Welt/und seine Seele an die Sterne strich/und er doch Mensch blieb, so wie du und ich …«, Baldur von Schirach, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., o.S. 108 Ebd. Baldur von Schirach wird im Oktober 1931 zum Reichsjugendführer der NSDAP ernannt. Im Juni 1933 mündet dies in sein Amt als »Jugendführer des Deutschen Reiches«, 1940 wird Arthur Axmann sein Nachfolger. Baldur von Schirach heiratet im Frühjahr 1932 die Tochter von Heinrich Hoffmann, Henriette. 109 Von Schirach, Baldur: Revolution der Erziehung, Reden aus den Jahren des Aufbaus, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1938, S. 163. 110 Baldur von Schirach in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. XI. 111 Ebd. 112 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. X.
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perliche Askese – als Anti-Alkoholiker, Nichtraucher und Vegetarier113 , aber auch jeder Liebesbeziehung entsagend – sowie die Hingabe an die Berufung sind dabei Tugenden, die im Geleitwort besondere Beachtung erfahren und auch im Bildteil ihr Äquivalent finden sollen. Bildung114 und die Faszination für das kulturelle Leben115 sind weitere Qualitäten, die Baldur von Schirach als Stärken Adolf Hitlers ausmacht und die »im Hinschauen auf die gewaltige Persönlichkeit des Führers«116 – also im Prozess des Sehens – erfahrbar werden sollen. Gefordert wird anhand der den Bildern vorangestellten Parole »Deutschland erwache!«117 einmal mehr, über das Sehen zu erkennen. Die verlangte Erkenntnis durch das Bild, ja durch die vermeintlich vermittelte Wahrhaftigkeit dessen, was das fotografische Bild zeigt, grenzt nahezu an eine erkenntnistheoretische Forderung. Jedoch ist es gerade keine Forderung im Sinne Platons, das Abbild zu überwinden, um zur Idee und damit zur Wahrheit vorzudringen.118 Vielmehr ist es eine Forderung nach Offenbarung, die sich ausschließlich über das fotografische Bild zu vermitteln vermag, und es bleibt dadurch eine Forderung, die – mit Platon gesprochen – das Verharren in der Höhle beabsichtigt: Der Glaube an das, was sich als Schattenriss an der Wand abzeichnet, und im Übertrag der Glaube an Hitler, der sich als Figur, ja als »unmittelbare Wiedergabe eines tatsächlich Gesehenen«119 in Heinrich Hoffmanns Fotografien materialisiert. Bildstrecke Der Bildteil des Buches wird im Wesentlichen mit Fotografien aus dem Fotoarchiv Hoffmann bestritten. Dabei zeigt die erste fotografische Reproduktion Hitler im Trenchcoat, vor sich einen Hut und eine Peitsche haltend, den Blick von Betrachterin und Betrachter aus nach rechts in Leserichtung des Buches gewandt. »Wird die Beschriftung nicht zum wesentlichsten Bestandteil der Aufnahme werden?«, fragt Walter Benjamin 1931 in seinem
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Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. XIII. »Seine größte Freude ist seine Bibliothek, die etwa 6000 Bände umfasst, die er alle nicht nur durchblättert, sondern auch gelesen hat«, von Schirach, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. XIV. »Wenn die Künstler ahnen würden, was ich für die deutsche Kunst tun werde, hätte ich unter ihnen keinen Gegner«, Hitler, zitiert nach Baldur von Schirach, in: ebd. Ebd. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., o.S. Vgl. Platon: Das Höhlengleichnis, Sämtliche Mythen und Gleichnisse, Insel, Frankfurt a.M. und Leipzig 2009, S. 183-187. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. XIII.
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Aufsatz »Kleine Geschichte der Photographie«.120 Sie wird, in Anbetracht der Konzeption dieser wie auch der folgenden Seiten, bei denen die Beschriftung nicht nur die Lesart des einzelnen Bildes liefert, sondern ganze Bildzusammenhänge generiert. So trägt das Foto auf Seite 1, das um 1923 im Rahmen eines Postkarten-Fotoshootings von Hoffmann aufgenommen wurde, die Bildunterschrift »Die Peitsche«, die von einer dezidierten Erläuterung ergänzt wird.121 Was Foto und Bildunterschrift als Erinnerungsmoment festhalten, nämlich Hitlers Kampfzeit und die Anfänge der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, deutet zugleich auf die Konzeption des Bildbandes, der sich nicht nur aus der sogenannten »Bewegung« heraus mit Hitler als Hauptmotiv entwickelt hat, sondern der seinerseits auf dem Prinzip der Bewegung, ja auf fotografischen Abfolgen basiert und so implizit auch einen kinematografischen Aspekt aufweist. Die Dramaturgie der Erzählung führt sodann zurück auf Hitlers Herkunft und Geburtsstunde. Die Bildfolge beginnt mit einer Aufnahme von einem Haus, das in der Bildunterschrift als das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn gekennzeichnet ist, in dem er am 20. April 1889 »das Licht der Welt« erblickte.122 In der Tat: Zu sehen ist eine von Licht durchflutete Straße, wobei sich das Licht an der Fassade des Hauses bricht und den Schattenriss zweier geöffneter Fenster auf der Hauswand sichtbar werden lässt. Niemand ist auf dem Foto zu sehen, bis auf einen kleinen schwarzen Dackel an der unteren linken Ecke des Bildes.123 Mittig vor dem Haus steht eine Säule, möglicherweise eine Versorgungsstelle, deren Schattenwurf gleich einer Sonnenuhr vom Stand des Tages und metaphorisch von einer aufsteigenden Stunde kündet. Gemeint ist hiermit Adolf Hitler, dessen »erstes Bild«124 ihn – in ein weißes Babykleid gehüllt – auf einem opulenten Biedermeier-Polster 120 Benjamin, Walter: »Kleine Geschichte der Photographie«, in: ders. 1977, S. 45-64, hier S. 64. 121 »Mit großer Empörung haben die feindlichen Blätter gemeldet, daß Hitler immer eine Reitpeitsche bei sich führt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Hundepeitsche, die der Führer heute noch zur Erinnerung an die Zeit trägt, da ihm jede Waffe verboten war. Damals war die Peitsche sein einziger Schutz …«, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 1. 122 Vgl. ebd., S. 2. 123 Oder ein Terrier? War doch Hitlers bevorzugter Hund gar kein Schäferhund, sondern der Scotch-Terrier Burli – den er aber auf allen propagandistischen Fotografien verbot. Vgl. »Trunkene Sehnsucht«, in: Der Spiegel (25/1980) vom 16.06.1980, www.spiegel.de/spiegel/print/d-14325460.html, zuletzt aufgerufen am 01.03.2018. 124 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 3.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
präsentiert. Über das im Format einer Visitenkartenfotografie gefertigte Bild ist am Bildband collageartig ein Zeitungsausschnitt gelegt. Der handschriftlich auf den 5. Mai 1889 datierte Ausschnitt trägt die Überschrift »FamilienNachrichten aus Braunau« und führt fünf Geburten auf, darunter jene von »Adolf Hit[t]ler,f.f. Zollamtsoffizialskind«. Das bei Hitler verzeichnete Geburtsdatum ist das einzige, das neben dem Tag auch den Monat der Geburt nennt; beide Zahlen sind ferner in einer von den anderen Zahlen im Fließtext abweichenden Typografie gesetzt und scheinbar nachträglich ergänzt. Die Geburtsanzeige nimmt zwischen der Abbildung des Geburtshauses und dem Kinderportrait eine Funktion der Überbrückung ein: Sie verbindet die beiden Aufnahmen durch die Benennung der Geburt Adolf Hitlers, wobei weder das Geburtshaus noch das Kleinkind ein Indiz für seine Person liefern. Erst die Benennung der Geburt in der Anzeige attestiert also das Erscheinen des Adolf Hitler, den so noch niemand (er-)kannte. Es ist nicht allein die ›Persönlichkeit‹, für die geworben wird, sondern der Mensch Hitler, auf den nun ebenso zurückgeblickt werden kann, wie die Betrachterinnen und Betrachter selbst auch in ihren eigenen Fotoalben auf die eigene Herkunft zurückschauen können. Herkunft im Sinne von Abstammung wird auf den darauf folgenden beiden Seiten zum Thema des Bildbandes: Hitlers Mutter Klara, als Schulterstück im Format einer Visitenkartenfotografie portraitiert, und Hitlers Vater Alois, als stehende Ganzfigur im Interieur eines Studiofotografen. Das Portrait von Hitlers Mutter ist auf ihr Gesicht hin ausgerichtet. »Diese abgegriffene Photographie trug der Führer während des ganze[n] Krieges im Brustbeutel über seinem Herzen«125 – und so, wie die Fotografie Hitler während des Ersten Weltkrieges als Talisman auf seiner linken Brust begleitet habe, erscheint sie auch hier auf der linken Seite des Buches, als Reminiszenz an seine Liebe zur Mutter. »Hitler sagt, daß er zweimal in seinem Leben geweint habe: am Grabe seiner Mutter und beim Ausbruch der Revolution, als er blind und hilflos von der Zerstörung des Werkes der deutschen Frontsoldaten hörte, dem auch seine Lebensarbeit gegolten hatte …«126 Mit dieser Gleichsetzung wird nicht nur eine Analogie zwischen der Mutterliebe und der Leidenschaft für ein politisches Ziel gezogen, es ist vielmehr eine bedingungslose, der Liebe
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Ebd., S. 4. Ebd. Von 1919 bis 1923 wurde die Weimarer Republik von Unruhen (von rechts wie links) und dem Streben nach Separation bedroht. Gemeint in diesem Kontext ist die Novemberrevolution von 1918/19.
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nahekommende Verwurzelung des politischen Interesses im Herzen, welche die Fotografie der Mutter und der zugefügte Bildkommentar suggerieren. Hitlers Vater hingegen, der stramm in der Uniform seiner Berufung als »österreichischer Zollbeamter« posiert, vermittelt ein zielgerichtetes Bild: Es sei sein Vater »als Erzieher« gewesen, bemerkt der in der Bildunterschrift zitierte Kommentar Hitlers, welcher »gänzlich unbewußt […] die Keime für die Zukunft« gelegt hätte.127 Mütterliche Liebe und väterliche Konsequenz, das ist das Erbe und die Mitgift, die sich als Synthese aus dem im Bildband vermittelten Familiengefüge in Adolf Hitler vereint und weiterentwickelt sowie ihn als Führer qualifiziert habe. »Der kleine Rädelsführer«128 , eine Bezeichnung, die Hitler angeblich für sich selbst wählte, heißt dann auch die Bildunterschrift des folgenden Schulklassenfotos aus dem Jahr 1899, das Hitler als etwa Zehnjährigen mittig in der obersten Reihe der Kindergruppe zeigt. Die Gaben, die er von seinem Elternhaus erhalten habe, werden hier wie auch in der nächsten Ansicht des jungen Revolutionärs 1914 herausgestellt: Es sei »der Anbruch einer neuen Zeit«129 gewesen, wie dies exemplarisch die Bildcollage auf Seite 7 vermitteln soll. Ein Foto zeigt eine Menschenmenge auf dem Münchner Odeonsplatz (anlässlich der Mobilmachung am 2. August 1914), aus der heraus ein weißer Ring die Präsenz einer einzelnen Person hervorhebt – Adolf Hitler, der wie mit einem Fernglas betrachtet aus der Masse heraussticht und in einem zweiten Bild freigestellt ist. Es handelt sich hierbei um die angeblich erste Aufnahme des Fotografen Heinrich Hoffmann, die er – ohne, dass sie sich bereits gekannt hätten – von Hitler gemacht habe. Ein schicksalhaftes erstes Aufeinandertreffen oder reine Inszenierung?130 127 128 129 130
Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 5. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Dass die Aufnahme eine Fälschung aus der NS-Zeit sein könnte, dafür mag Heinrich Hoffmann selbst ein Indiz geben: »Ich erkenne, warum Hitler mich fast ein Vierteljahrhundert lang an seiner Seite haben wollte, denn als Zeugen seiner Epoche ist nichts geblieben, als meine Bilder. […] Mein erstes Bild war der junge Hitler von 1922 und mein letztes der gebeugte, von Schicksal zerschlagene Hitler, kurz vor seinem Tode […]«, vgl. Hoffmann 1974, S. 232. Ob die Aufnahme von 1914 auf dem Odeonsplatz, die sich im Hoffmann-Archiv in München (Bayerische Staatsbibliothek) befindet, eine Fälschung ist, bleibt bis heute unbeantwortet. Im Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt« erscheint sie durch ihren Vergrößerungseffekt als ein von Hoffmann herausgestelltes Phänomen und als Zeugnis eines Revolutionärs der ersten Stunde: Adolf Hitler, als »[…] Einer, den [K]einer kennt, dessen Namen aber 10 Jahre später ganz Deutschland kennen lernte […]«, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 7.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Hitlers Einsatz für »sein deutsches Vaterland«131 wird auf den Seiten 8-13 thematisiert. Um Hitler und Deutschland durch Hitlers Kriegseinsatz als untrennbare Begriffe heraufzubeschwören, werden verschiedene Ansichten von ihm in uniformierten Männerrunden – mal mit Pickelhelm, mal mit Mütze – gezeigt, die sein Engagement und seine Bereitschaft, als Soldat im Ersten Weltkrieg zu dienen, verdeutlichen sollen. Die Darstellungen von Hitler mit seinen Kameraden132 , hin und wieder begleitet von einem weißen Terrier, versuchen Hitler als Teil der Gemeinschaft erkennen zu lassen – im Wesentlichen bleibt er aber, das veranschaulicht vor allem die Aufnahme von ihm in einer Musikerrunde133 , ein Beobachter dieser Gemeinschaft. Eine Ansicht auf dem Terrain der Beelitzer Heilstätten nahe Berlin, einst Lazarett für Kriegsverwundete, führt Hitler inmitten einer Gruppe Blessierter vor, die in weißen Kitteln posieren und sich mit ihren verbundenen Verletzungen als tapfere Opfer präsentieren. Diese Fotografie wird durch verschiedene Dokumente kommentiert: Kopien von Hitlers Militärpass und Auszüge aus seinen Personalnotizen berichten, bezugnehmend auf das Bild der standhaften Verwundeten, von einer Tapferkeit, die anhand der Dokumente gleich zweifach bezeugt werden soll, um die Heldentaten Hitlers in Bild und Text gleichermaßen zu belegen. Die Seiten 14 und 15 sehen vor, eine völlig andere Wesensseite zu enthüllen: Adolf Hitler als Künstler. Abgebildet sind zwei Skizzen, die Hitler während seiner Soldatentage von seinem Quartier in Fournes134 angefertigt hatte. Die Bildunterschriften künden von Hitlers »großer Begabung« und davon, dass er sich selbst eigentlich in der Berufung des Architekten sah, jedoch es »ihm nie vergönnt war, diesem Beruf nachzugehen« – stattdessen sei er zum Baumeister eines neuen Volkes geworden.135 Um den künstlerischen Geist Adolf 131 132
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Ebd., S. 8. Genannt wird hier unter anderem das Bayerische Reserve-Infanterie-Regiment 16, dem auch Balthasar Brandmayer angehörte – Verfasser eines Buches, das von Hitlers und seinen Kriegserlebnissen berichtet und von 1932 bis 1940 unter drei verschiedenen Titeln (von »Zwei Meldegänger« [Verlag Bayer, Bruckmühl] über »Meldegänger Hitler« [Verlag Franz Walter, München] zu »Mit Hitler. Meldegänger 1914-18« [Verlag Franz Walter, Überlingen] in neun Auflagen) erschienen ist. Hitler schaut, an eine Hauswand gelehnt, einer musizierenden Kapelle zu. »›Die Kapelle Krach‹ versuchte mit Erfolg Stimmung und Fröhlichkeit zu schaffen«, kommentiert die Bildunterschrift das Foto. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 9. Möglicherweise zu datieren auf 1915, vgl. Price 1983, Abb. 439, 440. Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 14-15.
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Hitlers zu unterstreichen, dessen Ziel es gewesen sei, ein Kunststudium an der Wiener Kunstakademie zu absolvieren, publizierte Heinrich Hoffmann im Jahr 1935 eine Mappe mit farbigen Kunstreproduktionen von Hitlers Aquarellen. Die Mappe versammelt verschiedene Ansichten von Orten und Räumen,136 darunter eine Abwandlung einer jener Skizzen, wie sie in »Hitler wie ihn keiner kennt« erstmals präsentiert werden. Die Zeichnungen offerieren aber nicht nur Hitlers Sicht auf die Welt, sondern gewähren den Betrachterinnen und Betrachtern auch einen Blick ›durch seine Augen‹ hindurch, der mit seiner Handbewegung zu Papier gebracht wurde. In dem Maße, in dem Hitlers Zeichnungen Einblick in sein Künstlerwesen zu gewähren beabsichtigen, wird der Fokus des Bildbandes sodann wieder auf die Außenwirkung seiner Person gerichtet: durch frühe Portraitdarstellungen und Abbildungen, die Hitler im Rahmen erster politischer Initiativen zur Gestaltung eines neuen Deutschlands präsentieren (Seite 16-21). Seite 19 zeigt eine Collage aus drei Aufnahmen: Hitler mit skeptischem Blick, die rechte Hand auf die Taille gestützt, in der linken einen Hut; daran angrenzend und überlagernd eine Aufnahme von einer marschierenden Truppe ziviler Personen, die Hakenkreuzflaggen tragen; und als Abschluss eine Fotografie Hitlers, der im Wagen stehend eine Menschenmenge passiert. In diesem Bildkontext erscheint zum ersten Mal das Symbol des Hakenkreuzes. Obgleich keine der Ansichten auf eine Serie verweist, lässt sich an der Formation der Fotografien eine Syntax der Bilder erfassen, die ihrerseits eine narrative Kette erzeugt und von der Bildunterschrift die Thematik ihrer Narration erfährt: die Erhebung der jungen Bewegung um Adolf Hitler. Die Identifikation mit dem Führer, der seinerseits als ein Mann des Volkes auftritt, wird auf den Seiten 20 und 21 durch eine visuelle Gegenüberstellung erzeugt. So legt die Bildchoreografie nahe, dass sich die wandernde Mannschaft auf den stehenden, beobachtenden Hitler zubewegt, dessen Blick nahezu auf Augenhöhe die Blicke der marschierenden Soldaten trifft, die alle durch das Tragen des SA-Stockes als Symbol der Gemeinschaft geeint werden. »[T]otalitäre Führer beginnen ihre Karriere meist damit, daß sie sich ihrer vergangenen Verbrechen mit unvergleichlicher Offenheit rühmen und
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»Unterstand in Fournes«, »Klosterruine in Messines, Dezember 1914«, »Ardoye in Flandern, Sommer 1917«, »Haubourdin 1916«, »Formelles, Verbandstelle 1915«, »Hohlweg bei Wytschaete, Herbst 1914«, »Haus mit weißem Zaun«, in: Hoffmann, Hitler, Aquarelle, München 1935.
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ihre zukünftigen mit unvergleichlicher Genauigkeit ›voraussagen‹.«137 Hannah Arendts Aussage trifft insbesondere auf das Narrationsgefüge jener Abbildung auf Seite 20 zu, die Hitlers Festungshaft in Landsberg zum Thema macht. Der Bildkommentar »Der Führer in seiner Zelle in der Landsberger Festung, wo er 1923 und 1924 gefangen gehalten wurde«138 suggeriert, dass Hitler im Moment der Aufnahme seine Haftstrafe – verordnet im Zuge des »Marschs zur Feldherrnhalle« (dem Putschversuch) – absitzt. Die in »Hitler wie ihn keiner kennt« abgedruckte Bildsituation zeigt aber Hitler, wie er bei einer Tasse Tee die Zeitung liest, während hinter ihm an der Wand ein Lorbeerkranz zum Zeichen des Sieges platziert ist. Ganz wie Hannah Arendt formuliert, weist Hitler auf ein vergangenes Verbrechen hin, aus dem er schließlich aber doch erfolgreich hervorgegangen ist – bereit für neue Aufgaben und Triumphe. Wichtig ist der Entstehungskontext des Bildes, über den sich durch den Vergleich mit einer weiteren Fotografie Vermutungen über die Situation der Bildfindung anstellen lassen.139 So werden in einem größeren Bildausschnitt beziehungsweise einem anderen Bildmoment dieser Szene auch die süffisant lächelnden Gesichter der Gefährten Hermann Kriebel und Emil Maurice sichtbar, die neben dem hier nun flüchtig als Requisit hängenden Lorbeerkranz von den Blättern einer Zimmerpflanze und an die Wand gepinnten fotografischen Abbildungen gerahmt werden: Es ist eine gesellige Runde bei Tee, in der Hitler – im Korbsessel hockend – auf seinen Einsatz zur Aufnahme zu warten scheint. Die Datierung der Fotografie [1924] und die neueren Forschungserkenntnisse über Hitlers Festungshaft in Landsberg140 legen na137 138 139
Arendt 2001, S. 659-660. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 22. Vgl. Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv (hoff-6649). Siehe die beiden Ansichten im Vergleich: Abb. 16-17, digitaler Bildteil. 140 »Die Festungshaft, die er am 1. April 1924 [in der Gefangenenanstalt in Landsberg am Lech] antrat [unmittelbar anschließend an seine Haft in der Strafanstalt Landsberg ab dem 11. November 1923, Anm. d.A.], gestaltete sich für Hitler sehr moderat: Hitler war in einem separaten Gefängnistrakt untergebracht, konnte zahlreiche Besucher empfangen und den ersten Band von ›Mein Kampf‹ verfassen. […] In einem separaten Trakt innerhalb des Gefängnisses wurden die Urheber des Putsches vom 8./9. November 1923 in je eigenen Stuben mit Gemeinschaftsraum untergebracht.« Dabei teilten sich unter anderem Hitler, Kriebel und Maurice diese Räume, vgl. Fleischmann, Peter: »Festungshaft Adolf Hitlers in Landsberg, 1923/24«, publiziert am 17.06.2016, in: Historisches Lexikon Bayerns, www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Festungshaft_Adolf_Hitlers_in_Landsberg,_1923/24, zuletzt aufgerufen am 28.04.2020.
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he, dass es sich um einen ganz gezielt arrangierten Bildmoment handelt. Hat Heinrich Hoffmann gar die Requisite für ein geplantes Fotoshooting in der Landsberger Festung mitgebracht, um Hitler als Sieger zu inszenieren? Ist es ein ironischer Kommentar auf Hitlers frühzeitige Entlassung am 20. Dezember 1924? Oder ist das Foto doch erst nach der Haftzeit Hitlers und seiner Putschisten-Freunde an einem ganz anderen Ort entstanden? Der Bildvergleich lässt einige Rückschlüsse zu, allem voran wird darin die bewusste fotografische Handlung deutlich – sowohl durch Hitler als auch durch Hoffmann. Im narrativen Gefüge des Bildbandes entfaltet die intendierte Botschaft des Bildes aufs Beste ihre Wirkung: Hitlers Erfolg wird bestätigt. Dies zumindest deutet das Bild an, das der Aufnahme der »Landsberger Zelle« folgt: Eine Spalier stehende Gruppe von Männern, zum Teil uniformiert, hebt den rechten Arm zum Hitlergruß, während Hitler »nach 3stündiger Rede«141 erschöpft, den Hut in der Linken vor sich tragend, das Spalier durchschreitet. Was er gesagt und vor allem wie er sich ausgedrückt haben könnte, wird dann zum Gegenstand der Seiten 24-27: Es sind »[d]ie Hände des Führers«, die plastisch seine Rede gestalten.142 Schnell wird an dieser Stelle deutlich, dass der Inhalt der Bildunterschriften im Vergleich zu den Bildern nur sekundäre Aussagekraft besitzt. Im Fokus steht Hitler in einem schwarzen Anzug, seine Hand richtet sich akrobatisch an die im Hintergrund sich blass abzeichnenden Menschen. Die Hände werden nicht nur zum Katalysator seiner Rede, ja sie bilden eine ganz eigene Symbolik heraus, wie das Händepaar, das auf Seite 26 durch zusammengefügte Zeigefinger und Daumen ein Dreieck formt. Die Aufnahme ist in einen kreisförmigen Ausschnitt gefasst, gleich so, als schaue man durch ein Vergrößerungsglas auf Hitlers Figur der Hände. Der runde Fotoausschnitt wiederum ist von einem grauen quadratischen Grund umfasst, so dass die Elemente Dreieck, Kreis und Quadrat stufenweise aufgefächert eine eigene geometrische Form im Rahmen der Buchseite ergeben und die Hände als Zeichen erscheinen lassen.143 Fürsorge und Mitgefühl von Adolf Hitler, aber auch nationalsozialistischer Glaube bis in den Tod sowie die Opferbereitschaft der Soldaten werden zum Bildgegenstand auf den folgenden Seiten. Seite 28 zeigt Hitler leicht gebeugt neben einem Toten im Krankenbett. »Als der Führer an das Lager des Sterbenden trat, bäumte sich dieser noch einmal auf und reckte, mit einem
141 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 23. 142 Ebd., S. 26. 143 Zur Bedeutung der Hände siehe auch Kap. II., 1.3.
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letzten ›Heil Hitler‹, seinem Führer den Arm entgegen. Wieder war ein tapferer Nationalsozialist für Adolf Hitler in den Tod gegangen«144 , bekundet die Bildunterschrift wie auch das von Selbstlosigkeit kündende Credo, das hier nahegelegt wird. So folgen auf den Seiten 30-33 zuhörende und jubelnde Menschenmassen: junge Soldaten, »Burschen«, Männer. Die Bildunterschriften berichten von historischen NS-Ereignissen, etwa dem Nürnberger Reichsparteitag 1929, den Ergebnissen der Reichstagswahl 1930 oder dem Treffen der Harzburger Front145 in Bad Harzburg 1931. Es ist stets der Erfolg Adolf Hitlers und im Allgemeinen die affirmative Rezeption seiner Person, welche die Bilder in ihrer Abfolge vermitteln. Dabei nehmen das Portrait und Hitlers direkter Blick in die Kamera bei der Kontaktaufnahme mit den Betrachterinnen und Betrachtern des Buches immer wieder eine entscheidende Position ein. In dieser Hinsicht münden die Bildsituationen ab Seite 36 in einer ›privateren‹ Darstellung seines Lebens und formen das Herzstück des Bildbandes mit Eindrücken von Hitler, »wie ihn keiner kennt«: im Gartenstuhl liegend, die Hände schlaff nach innen geknickt, ein schwarzer Schäferhund an seiner Seite; dann mit einem traditionellen Schäferhund vorm Bergpanorama (analog des Titelbildes); im Grünen Zeitung lesend oder Picknick machend; Heimarbeit im Garten verrichtend; in der Natur spazierend; »kleine Gäste« empfangend oder mit der Schwester beisammen sitzend, um die Presse zu verfolgen. »Abgeschieden von Lärm und Unruhe […] liest er dann die gegnerischen Zeitungen und freut sich über die Märchen, die sie über ihn verbreiten: Sektgelage, jüdische Freundinnen, Luxusvilla, französische Gelder …«146 – und fertigt mit dem Heranziehen der negativ über ihn kursierenden Geschichten ein eigenes, mit einem süffisanten Lächeln versehenes Bild von ihm als Gegenpropaganda. Denn die Zeitungslektüre ergibt, so die Schlussfolgerung, »Lügen und immer wieder Lügen, aber die Wahrheit ist nicht aufzuhalten. Der Glaube an den Führer ist größer als die Macht der Presse.«147 Diesen Glauben speist der »Hundeliebhaber«148 mit Insignien und Posen des Alltags, die eine Beziehung zwischen Ich und Du, 144 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 28. 145 Die Harzburger Front war ein Bündnis antidemokratischer Nationalisten (NSDAP, DNVP, Stahlhelm und der Vereinigung Vaterländischer Verbände) gegen das Kabinett (II) Brüning. Vgl. Meyers Lexikonredaktion (Hg.): Schülerduden, Geschichte, Dudenverlag, Mannheim u.a. 1996, S. 205. 146 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 40. 147 Ebd., S. 45. 148 Ebd., S. 38.
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zwischen Bildgegenstand und Schauendem herzustellen vermögen: Medienkonsum, körperliche Arbeit, das Ausruhen in der Natur, Haustiere und auch Kleidung werden zu Instrumenten, die menschliche Nähe und Alltäglichkeit vermitteln.149 Mit Seite 46 beginnt eine Sektion, die Bewegung im Bild wie auch zwischen den Abbildungen forciert: Hitlers Reise durch Deutschland. So zeigt die Doppelseite 48/49 ein Arrangement aus vier Aufnahmen, die in ihrer Komposition eine Art Bildroman herausschälen. Beschrieben ist eine »Begegnung auf der Landstrasse«150 : Hitler lässt sich in einem Kraftwagen »durch die deutschen Gaue«151 fahren und begegnet währenddessen Spaziergängern, Radfahrern, Wanderern, kurzum Verehrern und »Mitkämpfern«152 , denen der Beliebte Autogramme gibt. »Ein Anspruchsloser«153 beschreibt ihn dann aber die Bildunterschrift der folgenden Aufnahme, auf der er unprätentiös im Wiesengras auf einer Decke seinen Rastproviant zu sich nimmt. Bezüglich seiner auf der Tour gemachten Kontakte zum Volk wird festgestellt: »Wo er auch immer ist, bricht [diese] Liebe spontan hervor.«154 Das Motiv der Fortbewegung und der Begegnung wird in der Folge des Bildbandes mehrfach tragend: Hitler auf der Fahrt zu Versammlungen, Kundgebungen, SA-Treffen oder zu Besuch in verschiedenen deutschen Städten – »[d]as ganze Deutschland ist seine Heimat!«155 –, wo ihm Mädchen und Jungen freudig Blumen überreichen und er sich stets in Berührung oder Körperkontakt mit Kindern ablichten lässt. »Wer die Zukunft hat, der hat die Jugend!«156 , kommentiert die Bildunterschrift auf Seite 73 und zeigt hier einen eher missverständlichen Hitler, seine Handschuhe mit der Linken vor seinem Schritt haltend, mit
149 Exemplarisch sei an dieser Stelle die Abbildung von Hitler in der »Kurz’n« (ebd., S. 44) genannt, ein Outfit aus Kniestrümpfen, kurzer Lederhose und Trachtenjacke, das er, bewusst unprätentiös seinen rechten Arm in die Taille gestemmt, auf einem Mauervorsprung vor einem Holzhaus sitzend präsentiert. Die Fotografie ist möglicherweise im Rahmen einiger Portraitstudien in der »Kurz’n« entstanden, die Hoffmann und Hitler in den Jahren 1926/27 aufgenommen haben. Speziell das hier verwendete Bild ist zuvor schon in der Broschüre »Deutschlands Erwachen in Bild und Wort« erschienen, die als eine der ersten Selbstdarstellungen der Partei und ihres Anführers fungierte. 150 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 48. 151 Ebd. 152 Ebd. 153 Ebd., S. 51. 154 Ebd., S. 54. 155 Ebd., S. 63. 156 Ebd., S. 73.
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der rechten Hand die Wange eines in Weiß gekleideten Mädchens berührend. Möglich, dass diese mehrdeutige Ausrichtung Hitlers zu kritischen Kommentaren geführt haben mag. Spätestens ab der Ausgabe 401.-420. Tsd. wurde der Bildausschnitt dieser Fotografie verkleinert. Denn die Aussage der Aufnahmen mit Kindern sollte jene sein, welche den Betrachterinnen und Betrachtern die Seite 75 präsentiert: »Die Jugend liebt ihn«157 , wie in der Folge auch der Bildband »Jugend um Hitler« bezeugen soll. Die Schnittstelle zwischen Hitler und der Jugend ist dabei erneut die Hand, die – bei den Kindern ausgestreckt zum Hitlergruß, beim Übergeben von Blumen, beim Bitten um Autogramme, und seinerseits beim Fassen der Kinderhände, beim Greifen der Schulter oder des Kinns, beim Streicheln der Wange oder des Kopfes – zu einem Element wird, das diese in den Bildern suggerierte Liebe bindet. Mit Bildern der Zuneigung und Bewunderung wird versucht, negative Konnotationen um den Menschen Hitler gar nicht erst aufkommen zu lassen. In diesem Sinne soll das Bild-Text-Arrangement auf Seite 69 bereits bestehenden Vorurteilen entgegenwirken. Hitler sitzt an einem gedeckten Tisch. Kaffeetassen, Milchkännchen, ein großes Glas und eine geöffnete Flasche – möglicherweise eine Bierflasche – zieren das Tischtuch. Hitlers Blick ist von dem unordentlich wirkenden Tischstillleben abgewandt und verläuft mit glänzendem Auge am Tisch vorbei ins Leere. An der Wand hinter ihm zeichnen sich drei senkrecht verlaufende Linien an der Tapete ab, welche das Dekor des Kaffeeservices wiederholen, vor allem aber dem Bildkorpus einen modernen Gestus verleihen. »So lebt der ›Bonze‹!«158 , bemerkt der Bildkommentar ironisch und fährt fort: »Marxistische Lügner täuschen den Arbeitern vor, Hitler feiere Gelage bei Sekt und schönen Frauen. In Wirklichkeit trinkt Hitler nie einen Tropfen Alkohol! (Hitler ist Nichtraucher)«159 . Bemerkenswert bei dieser Bild-Text-Verbindung ist, dass das Bild vordergründig zeigt, was der Text als kritischen Kommentar beschreibt: Hitler im Kontext eines anrüchig wirkenden Gefüges. Allerdings entzieht er sich diesem, nimmt nicht daran teil, wendet sogar im Bild seinen Blick davon ab, denn ›in Wirklichkeit‹, so könnte man daraus schlussfolgern, ist er für Größeres bestimmt. Diese nahegelegte Größe findet in einer weiteren Aufnahme ›Bestätigung‹. »Adolf Hitler, der angebliche ›Ketzer‹, beim Verlassen der Marinekirche
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Ebd., S. 75. Ebd., S. 69. Ebd.
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in Wilhelmshaven«160 auf Seite 57 wird genau deshalb zu einem zentralen Bild im Bildband, weil es »eine photographische Zufälligkeit zum Symbol [Herv. d.A.]«161 erklärt. Das Bild zeigt Hitler beim Verlassen eines Kirchenportals, wobei ein christliches Kreuz, welches als Zierde ein Gittertor bekrönt, in der Kameraperspektive genau über Adolf Hitlers gesenktem Kopf erscheint. Anders als bei dem voran beschriebenen Beispiel zeigt Hitler hier nicht seine ›Anklage‹, sondern setzt mit einem nahezu konzeptuell arrangierten, doch als authentisch beschriebenen Foto ein Statement, das als markantes Bild jedes Wort und Gerede schwächen und Hitler einen unanfechtbaren Glauben an ihn verleihen soll. Auf Seite 78 wird er dann auch als »Schöpfer« bezeichnet, und zwar als jener des »Braunen Hauses«, der Parteizentrale der NSDAP in München.162 In einer letzten Sektion des Buches wird der Fokus auf Hitlers ›persönliche‹ Interessen gerichtet. So stellt Seite 88 Hitler dann auch als »Architekten« beziehungsweise Architekturkenner vor, indem er Interessenten einen Klostergang in Paulinzella in Thüringen zeigt.163 »Über die Lage der norddeutschen Landwirtschaft« lässt er sich von einigen Ansässigen unterrichten, da Hitler durch seinen Vater, der einen kleinen Bauernhof besessen habe, »von Kindheit auf in diesem Berufe heimisch ist«.164 Und »auch für das Flugzeugwesen zeigt Adolf Hitler größtes Interesse«165 , das beim Betrachten des Flugzeuges seines Privatsekretärs Heß im Bild Gegenstand findet. Eine Aufnahme von Hitler im Nietzsche-Archiv in Weimar vermittelt schließlich das Bild des Intellektuellen. Zu sehen ist der in Schwarz gekleidete Hitler als Halbfigur im Profil, zum Teil vom linken Bildrand angeschnitten, den Blick auf eine aus weißem
160 Ebd., S. 57. 161 Ebd. 162 Paul Ludwig Troost hatte das 1828 von Jean Baptiste Métivier im Biedermeierstil errichtete Haus zur Parteizentrale der NSDAP in der Brienner Straße 45 in München umgestaltet; ab 1931 wurde es von der Reichsleitung bezogen. Die Finanzierung erfolgte durch den Industriellen Fritz Thyssen. Troost entwickelte unter anderem ferner Pläne für das Haus der Deutschen Kunst, das erst nach seinem Tod 1937 fertiggestellt wurde. Troost wie auch das »Braune Haus« finden Raum in der Abbildungsfolge; Letzteres in der Bauphase, als fertiggestellte Architektur in Außenansicht und von innen in Hitlers Arbeitszimmer mit Hitler hinterm Schreibtisch, vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 79, 82, 83, 86. 163 Vgl. ebd., S. 88. 164 Vgl. ebd., S. 89. 165 Vgl. ebd., S. 90.
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Stein gemeißelte Büste des Philosophen Friedrich Nietzsche gewandt. Zwischen den beiden Figuren liegt ein Fenster, das den Raum inmitten beider für die Betrachtenden des Bildes öffnet, zugleich aber auch durch die frontale Ausrichtung der Nietzsche-Büste den Blickbogen von Hitler zu Nietzsche zur Betrachterin oder zum Betrachter des Bildes führt und in Folge gar durch das Fenster in den im Bild sichtbaren, doch imaginären Außenraum weiterleitet. Der Freigeist, der hier mittels der Büste von Nietzsche vermittelt werden soll, wird durch das Fenster im Bild unterstrichen und noch in dieser Betrachtung auch den Betrachtenden des Bildes evoziert. Es seien Nietzsches Ideen gewesen, die gleich »zwei große Volksbewegungen befruchteten: die nationalsozialistische Deutschlands und die faschistische Italiens«.166 Subtil angesprochen wird hier Nietzsches Philosophie vom Übermenschen, die er in seinem Werk »Also sprach Zarathustra« verhandelt167 – und die als Idee immer wieder auch Einzug in das Vokabular Hitlers in Bezug auf das Menschenbild im Nationalsozialismus fand. Vor allem stellt Hitler mit der Pose und der Konzeption dieser Fotografie eine Analogie und Genealogie des Gedankenguts von Nietzsche zu sich selbst her – und evoziert mittels dieser Bildkomposition und der daran anschließenden Aufnahme im Bildband vom Empfangen der Nachricht seiner deutschen Staatsbürgerschaft eine Art der Bestätigung von deutscher Denktradition, die sich in Hitler selbst fortgesetzt und manifestiert habe. Dass das Volk von Adolf Hitler überzeugt ist, vermittelt eine Aufnahme auf Seite 84, mit deren Betrachtung auch die Bestandsaufnahme des Bildbandes »Hitler wie ihn keiner kennt« abgeschlossen werden soll. Das Foto zeigt Hitler an einem partiell gedeckten Tisch, von einer Vielzahl von Menschen umringt und angeblickt, die den kompletten Raum bis hin zur gewölbten Decke des kleinen Zimmers ausfüllen. Hitler sitzt mit übereinander gelegten Händen an dem karierten und mit zackigem Muster versehenen Tischtuch. Schräg links vor ihm steht ein leicht verschmutzter Teller, eine Tasse mit Milchkännchen und Löffel auf einem kreisrunden, metallen schimmernden Tablett. Ein weiteres Tablett, halb von darüber gelegten Hüten verdeckt, sowie Pfeffer- und Salzstreuer, Aschenbecher, Bierdeckel, andere Papiere und ein Löffel liegen verstreut auf dem Tisch. Sie finden keine Beachtung von Hitler, der seinen
166 Ebd., S. 92. 167 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra – Ein Buch für Alle und Keinen, Anaconda, Köln 2005, S. 7ff.
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Blick nach oben an die Menschengruppe richtet, die ihrerseits den Blick gebannt in Hitler vertieft. Manche von ihnen lächeln, betrachten ihn mit offen stehendem Mund, suggerieren, als hörten sie ihm gespannt beim Erzählen einer Geschichte zu. Die Fülle der Menschen, die Adolf Hitler umringen, zeigt Reichtum. Es ist die Vielzahl der Gesellschaftsglieder, die überzeugt und wissbegierig hinter ihm steht und zu der jederzeit auch die Betrachterin oder der Betrachter des Bildes hinzustoßen kann, so eine weitere Botschaft der fotografischen Aufnahme. Denn auch dies legt das Arrangement aus Tasse, Teller und Löffel auf dem gedeckten Tisch nahe: Es ist noch ein Platz frei in dieser Runde – sowohl am Tisch als auch in der Gesinnungsgemeinschaft um Adolf Hitler. Vergleich »Die Reihenfolge, in der die Bilder betrachtet werden sollen«, bemerkt Susan Sontag in Bezug auf Fotobücher, »wird durch die Aufeinanderfolge der Seiten nahegelegt; aber nichts verpflichtet den Leser, sich an diese Reihenfolge zu halten […].«168 Was Sontag mit dem Aufbruch der Struktur der Bildabfolge benennt, ist der Akt der Analyse. Die Grundlage der vergleichenden Betrachtung von »Hitler wie ihn keiner kennt« bilden dreizehn169 Ausgaben, die als exemplarische Stichproben verstanden werden müssen, anhand deren Prägnanz jedoch zwei Arten des Vergleiches festgemacht werden können: der minimale Unterschied und der gravierende Unterschied.
168 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie, Fischer, Frankfurt a.M. 2010, S. 11. 169 Dies sind die Ausgaben: (1) ohne Auflagennummerierung [1932], archiviert in der Bayerischen Staatsbibliothek München, (2) ohne Auflagennummerierung [1933], archiviert in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, (3) 121.-130. Tsd. [1933], archiviert in der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek, (4) 161.-180. Tsd. [1933], archiviert in der Staatsbibliothek zu Berlin, (5) 201.-220. Tsd. [1933], Privatbesitz, (6) 221.-230. Tsd. [1934], archiviert in der Staatsbibliothek zu Berlin, (7) 241.-250. Tsd. [1934], archiviert in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle/Saale, (8) 251.-260. Tsd. [1936] oder [1935], archiviert in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs Karlsruhe, (9) 271.-280. Tsd. [1938] oder [1935], archiviert in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, (10) 351.-400. Tsd. [1938], archiviert in der Universitätsbibliothek in Freiburg i.Br., (11) 401.-420. Tsd. [1942], archiviert in der Staatsbibliothek zu Berlin, (12) 401.-420. Tsd. [1942] oder [1943], Verlagswechsel, Privatbesitz, (13) 426.-448. Tsd. [1938] oder [1943] oder [1944], archiviert in der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau. Notiz: Die Datierung in der jeweils zweiten oder folgenden eckigen Klammer wurde von der Autorin im Vergleich der Bände bestimmt.
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Der minimale Unterschied bezieht sich auf Details wie die Veränderung einzelner Worte im Impressum oder in den Bildunterschriften, eine Verbesserung des grafischen und typografischen Bildes, Änderungen im Format des Buches oder den Austausch einzelner Bilder. Bei den genannten Auflagen bis 221.-230. Tsd. sind keine Abweichungen zu den frühen, so vor allem im Vergleich zu der betrachteten Auflage 201.-220. Tsd. festzustellen. Die Ausgaben 241.-250. Tsd., 251.-260. Tsd. sowie 271.-280. Tsd. lassen erste Abwandlungen deutlich erkennen. So führt Heinrich Hoffmann in der Ausgabe 241.-250. Tsd. den Titel »Reichsbildberichterstatter der NSDAP«, während er zuvor noch der »Photoberichterstatter der Reichsleitung der NSDAP« war (ab 1938 trägt er dann den Titel »Prof. Heinrich Hoffmann«). Als wesentliche Veränderung im Impressum ist zu nennen, dass das Urheberrecht einiger weniger Aufnahmen nicht mehr separat gekennzeichnet und als solches hervorgehoben ist, sondern dass bei gleicher Verwendung der Bilder nun ausschließlich das Archiv Hoffmann – zwar unausgesprochen, doch in stiller Selbstverständlichkeit – als Urheber der Fotografien gilt. Erwähnenswerte Nennung hinsichtlich der Veränderung einiger Worte in den Bildunterschriften soll hier die Doppelseite 4/5 finden, die Gegenüberstellung von Hitlers Mutter und Hitlers Vater. Während in der Ausgabe 201.-220. Tsd. auf Seite 4 zu lesen war »[…] als er blind und hilflos von der Zerstörung des Werkes der deutschen Frontsoldaten hörte, dem auch seine Lebensarbeit gegolten hatte …«, lautet die Formulierung in der Ausgabe 241.-250. Tsd., ebenfalls auf Seite 4: »[…] als er blind und hilflos von der Zerstörung des Werkes der deutschen Frontsoldaten hörte, dem auch seine Lebensarbeit gegolten hätte …«. Gerade anders herum erfolgt eine Umstellung des Satzsinns jeweils auf Seite 5 der beiden Ausgaben. So heißt es in dem Buch 201.-220. Tsd. »… er legte, wenn auch gänzlich unbewußt, die Keime für seine Zukunft, die damals weder er noch ich begriffen hätte«, in der Ausgabe 241.-250. Tsd. aber an gleicher Stelle »… er legte, wenn auch gänzlich unbewußt, die Keime für seine Zukunft, die damals weder er noch ich begriffen hatte«. Während die Umkehrung auf Seite 4 von »hatte« zu »hätte« in der überarbeiteten Fassung ein Wissen um eine höhere Bestimmung einschließt und damit den Satz nicht als Nacherzählung eines tatsächlich abgeschlossenen Erlebnisses, sondern als Erlebnis, das durch Hitlers Schicksal durchbrochen wurde, darstellt, vermittelt die Wendung von »hätte« zu »hatte« auf Seite 5 die Aussage der Unfähigkeit, etwas zu begreifen, hin zu einer damals noch nicht bewusst erlangten Erkenntnis, obgleich die Bestimmung Hitlers diese Erkenntnis schon angedeutet hatte.
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Eine weitere, prägnante Umformulierung in konkretem Bezug zu einem Bild ist jene auf Seite 69, die Hitler vor einem gedeckten Tisch mit Kaffeeservice, großem Glas und geöffneter Flasche zeigt. Während die Bildunterschrift im Band 201.-220. Tsd. noch hieß »So lebt der ›Bonze‹! Marxistische Lügner täuschen den Arbeitern vor, Hitler feiere Gelage bei Sekt und schönen Frauen. In Wirklichkeit trinkt Hitler nie einen Tropfen Alkohol! (Hitler ist Nichtraucher)«, lautet sie in der Auflage 241.-250. Tsd. an gleicher Stelle »Die Lebenshaltung Adolf Hitlers ist denkbar einfach. Er trinkt nie einen Tropfen Alkohol und er ist Nichtraucher«. In gleicher Weise, wie die Lebenshaltung hier als eine einfache beschrieben wird, sind auch der Wortlaut und das Statement gehalten. Die Erklärungsnot, die noch bei der früheren Ausgabe in Sprachgebrauch und Wortlaut zu erkennen war, wird nun isoliert und in eine selbstverständliche Aussage verwandelt, die erst gar keinen Zweifel in ihrer puristischen Vehemenz aufkommen lässt. Das Erscheinungsjahr des Bandes 241.-250. Tsd. ist auf das Jahr 1934 datiert. Auffällig in der Bildfolge ist, dass die Abbildung auf Seite 80, die in den vorangegangenen Bildbänden noch Ernst Röhm und Adolf Hitler als »Freunde an der Arbeit«170 zeigt, nun »den Führer bei einem Besuch in der Wohnung des Gruppenführers Lutze in Hannover«171 präsentiert. Unter Einbezug der historischen Ereignisse des Jahres 1934 – konkret des Röhm-Putsches172 im Sommer jenes Jahres – wird hier schnell deutlich, weshalb und zu welchem Zeitpunkt ein Wechsel des Bildmaterials stattgefunden hat: Die Entmachtung der SA mit Röhm an ihrer Spitze, und damit verbunden »ein staatlich geplanter und im Nachhinein legalisierter Mord, der zur Vollendung der Machter-
170 Die Bildunterschrift lautet in der Folge: »Adolf Hitler mit seinem Stabschef Ernst Röhm, dem Führer der nationalsozialistischen SA, bei der Ausarbeitung der Pläne für den Aufmarsch in Braunschweig im Oktober 1931«, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 80. 171 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 241.-250. Tsd., S. 80. 172 Der am 30. Juni 1934 von Hitler initiierte Röhm-Putsch ist zurückzuführen auf einen Konflikt zwischen der Reichswehr und der SA (»Sturmabteilung«). In einem Komplott wurde diese von Röhm als Stabschef geleitete paramilitärische Kampforganisation in ihrer Macht unterbunden, indem Hitler (unter anderem in Begleitung von dem SAObergruppenführer Lutze) an besagtem Tag »Röhm und seine Unterführer überraschte, sie verhaften und ins Justizgefängnis nach Stadelheim bringen ließ. Dort und im Lager Dachau wurden am Abend des 30. Juni Dutzende hoher SA-Führer […] ohne Verfahren von SS-Männern erschossen; Röhm am 1. Juli […]. Die Zahl der Toten wird auf etwa einhundert geschätzt,« in: Thamer 2002, S. 172-173.
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greifung genutzt wurde«173 , findet auf identische Weise auch in dem Bildband »Hitler wie ihn keiner kennt« Ausdruck, indem Ernst Röhm – hier in Form eines Bildes – durch Viktor Lutze ausgetauscht wird. Der Realitätsgehalt dieses Bildes, vielmehr des Bildwechsels, erfüllt hiermit paradoxerweise erstmals einen Anspruch auf Tatsächlichkeit. Denn anders als bei den arrangierten Fotografien und Bildgefügen zeigt der Einsatz von differenziertem Bildmaterial in diesem Fall wirklich eine der Realität entsprechende Handlung, die im Gefüge des Bildbandes – ohne einen Vergleich zur vorherigen Konzeption – jedoch nahezu unbemerkt vonstattengeht. Diese Beobachtung, die sich auch in den darauf folgenden Auflagen wiederfinden lässt und in der Ausgabe 351.-400. Tsd. sogar noch Erweiterung findet – ausgetauscht wird hier die auf Seite 81 präsentierte »Verabschiedung von SA-Führern«174 zu Gunsten einer Abbildung des Reichspressechefs Dr. Dietrich –, stellt eine erste und entscheidende Form der Veränderung175 des ursprünglichen, 1932 publizierten Bildbandes dar. Diese Beobachtungen führen in ihrer Grundstruktur zum zweiten Ergebnis der vergleichenden Betrachtung: dem gravierenden Unterschied. Anhand der Auflage 401.-420. Tsd. soll dieser im Vergleich mit der bisher schon betrachteten Auflage 201.-220. Tsd. in den Blick genommen werden. Bereits das Titelbild kündigt von einer Veränderung des Bildbandes. Während das Cover der früheren Auflage in vier Segmente aus Bild- und Schriftflächen unterteilt war, ist nun das fotografische Abbild von Hitler mit dem Schäferhund als Aufhänger des Bildbandes nahezu über die gesamte Titelbildfläche gezogen. Auffällig bei dieser Abbildung ist, dass sie durch verfeinerte Retusche fast modelliert wirkt: Landschaft, Hund und Hitler selbst scheinen einem Weichzeichner unterzogen, so dass die Komposition des Bildes beinah wie eine Malerei wirkt. Auch der Bildausschnitt ist verkleinert, dafür aber herangezoomt und mit einem roten Rahmen versehen: Er holt die beiden abgebildeten Objekte näher an die Betrachterin oder den Betrachter 173 174 175
Vgl. ebd., S. 173. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 241.-250. Tsd., S. 81. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Ausgabe 351.-400. Tsd. im Impressum einen Kommentar voranstellt, der diesen Beobachtungen widerspricht: »Herausgeber und Verleger sind sich darüber einig, daß das vorliegende Werk in der Fassung der ersten Ausgabe, wie sie 1931 geplant und Anfang 1932 herausgekommen ist, auch in der neuen Auflage ohne grundlegende Veränderungen erscheinen soll«, vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 351.-400. Tsd., o.S. Auch diese bis dahin vorgenommenen Veränderungen sind jedoch bereits grundlegender Natur!
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des Buches heran. Der Beschriftung des Bandes wurde nun ein eigenes Feld im unteren Fünftel des Buches zugeordnet. Anstelle der Schildermaleroptik findet hier – ebenso weiß auf rotem Grund – eine Frakturschrift Anwendung, die im Inneren des Bandes jedoch nicht wieder aufgegriffen wird. Insgesamt wirkt die Gestaltung des neueren Bandes weniger modern als noch jene des alten. Ein Vergleich zweier unterschiedlicher Ausgaben der Auflage 401.-420. Tsd. – die eine des Verlags Heinrich Hoffmann München, die andere des Zeitgeschichte-Verlags Berlin – hat gezeigt, dass auch selbst innerhalb einer Auflage Veränderungen festzustellen sind. So ist zum Beispiel in der Ausgabe des Zeitgeschichte-Verlags zusätzlich auf dem Cover des Bildbandes Heinrich Hoffmann als Autor vermerkt. Da alle Unterschiede, welche die Ausgabe des Zeitgeschichte-Verlags zur Ausgabe des Hoffmann-Verlags aufweist, so auch in den Auflagen nach 401.-420. Tsd. übernommen wurden, wird der allgemeine Vergleich an dieser Stelle am Beispiel der Ausgabe aus dem ZeitgeschichteVerlag durchgeführt, die den Abwandlungen zufolge nach der Ausgabe des Hoffmann-Verlags erschienen sein muss. Allerdings zeigt die Ausgabe des Hoffmann-Verlags als eine Zwischenstufe exzellent, wie immer wieder Veränderungen und Verfeinerungen des Bildbandes »Hitler wie ihn keiner kennt« – selbst innerhalb einer Auflage – durchgeführt wurden, die mal mehr und mal weniger plausibel erscheinen. Der Austausch von Bildern, wie er bei der beispielhaften Betrachtung des Bandes 241.-250. Tsd. noch in Einzelfällen auftrat, weist ab der Auflage 401.420. Tsd., die hier ebenso als Beispiel herangezogen werden muss, eine zunehmende Häufigkeit auf. Wie schon im Vorfeld erwähnt, wurde auch hier die ursprüngliche Abbildung von Ernst Röhm bei Hitler am Schreibtisch ausgetauscht durch eine, die den Gruppenführer Lutze an Hitlers Seite zeigt; dem anbei gestellt statt der Verabschiedung der SA-Führer nun der Reichspressechef Dr. Dietrich im Vis-à-vis mit Hitler.176 Ein weiterer Bildwechsel ist an folgenden Stellen zu bemerken: Zeigte Seite 35 der Auflage 201.-220. Tsd. noch den Freund und Unterstützer Hitlers, Ernst Hanfstaengl177 , an der 176 177
Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 80-81 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 96-97. Ernst Hanfstaengl, Sohn des Verlegers und Kunsthändlers Edgar Hanfstaengl (dieser wiederum Sohn des Fotografen Franz Hanfstaengl), war 1931 als Auslands-Pressechef der NSDAP tätig. Ab 1934 verschlechterten sich seine Beziehungen zu Hitler, 1937 erfolgte eine politische Flucht nach Großbritannien, wo er mit Beginn des Zweiten Weltkriegs interniert wurde. Über Kanada gelangte Hanfstaengl 1942 in die USA, wo er als politischer und psychologischer Berater der Alliierten fungierte. Vgl. Benz, Wolf-
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Seite des Zeitung lesenden Hitlers, präsentiert die Auflage 401.-420. Tsd. an entsprechender Stelle178 Hitler in einem Terrassensessel, wie er sich von »Pg. Schreck« ein Buch zeigen lässt. Die Zeitspanne, in der Hanfstaengl als Berater der Alliierten fungierte, fällt in etwa mit jener der Publikation der Auflage 401.-420. Tsd. des Bildbandes zusammen und mag so das visuelle Extrahieren des ›Feindes‹ aus dem Bildband erklären. Weniger schlüssig erscheinen solche Bildwechsel, die Hitler zunächst mit einem, dann mit vielen Kindern zeigen179 , oder jenes letzte Bild des Bildbandes, das in der späteren Auflage eine andere Perspektive der beratenden Gruppe um Hitler am Planungstisch180 präsentiert. Es ist zunächst zu vermuten, dass eine der auf dem letzten Bild gezeigten Personen (möglicherweise Rudolf Heß) aus verschiedenen Gründen nun nicht mehr erkennbar sein sollte. Weshalb aber an dieser Stelle dann das Bild ausgetauscht wurde und in anderen Passagen des Bildbandes ganze Personen einer Retusche unterliegen, wirft Fragen auf. Bleiben wir bei dem Fall Heß und der Retusche, die in der Auflage 401.420. Tsd. an einigen Stellen Anwendung findet; sowohl um Menschen aus Bildern zu eliminieren, als auch um Gegenstände zu entfernen, die den Gehalt des Bildes durch eine veränderte Konzeption wandeln. Rudolf Heß181 , langjähriger Privatsekretär und Stellvertreter Hitlers, galt als »unzertrennlich« von Hitler und wurde dergestalt auch in den frühen Bänden von »Hitler wie ihn keiner kennt« dargestellt. So zeigt eine Aufnahme Hitler, Heß und Schreck auf einer Decke vor einem landwirtschaftlichen Wagen sitzend, den Blick von einem Deich hinaus aufs Meer gewandt. Die Bildunterschrift kommentiert die Aufnahme mit den Worten »An der Nordsee beobachtet der Führer die Manöver der Reichsmarine. ›Die drei Unzertrennli-
gang/Graml, Hermann/Weiß, Hermann (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, dtv, München 2007, S. 617. 178 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 51. 179 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 71 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 87. 180 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 96 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 112. 181 Rudolf Heß war infolge des Hitler-Putsches gemeinsam mit Hitler in der Landsberger Festungshaft und wurde 1933 durch Adolf Hitler zu dessen Stellvertreter ernannt. Nach seinem Schottlandflug im Jahr 1941 zu Friedensverhandlungen mit Großbritannien geriet er in britische Kriegsgefangenschaft und wurde von der NS-Regierung als Verräter gewertet. Hitler enthob Heß infolge dessen aller Partei- und Staatsämter. Vgl. Benz/Graml/Weiß 2007, S. 814.
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chen‹, der Führer, sein Privatsekretär Heß und sein Fahrer Schreck«.182 Umso erstaunlicher wirkt es da in der späteren Ausgabe,183 wenn bei der gleichen Bildverwendung von dem Dreiergespann nur noch zwei übrig bleiben184 und Rudolf Heß völlig aus dem Bild entfernt wird.185 Ähnlich wie schon im Fall Hanfstaengl fällt der Flug von Rudolf Heß nach Schottland im Jahr 1941, der von Hitler gemeinhin als Staatsverrat geächtet wurde, in ebenjene Zeitspanne der Konzeption der Auflage 401.-420. Tsd., und macht damit zumindest das buchstäbliche Ausradieren und Verschwinden von Rudolf Heß in den Bildern plausibel. Denn neben diesem Beispiel unterliegt Heß auch auf weiteren Fotos der Retusche186 oder dem ganzen Bildwechsel.187 Weshalb also manche Bilder ausgetauscht und manche wiederum retuschiert wurden, kann nur vermutet werden. Sollte die Konzeption des Bildbandes keine grundlegende und auf den ersten Blick evidente Änderung erfahren? Denn angesichts des immensen Umfangs des Bildarchivs Hoffmann hätte es an alternativen Bildvorlagen nicht gemangelt. Oder sollte gerade die Retusche den Akt des Eliminierens von Personen kenntlich machen? Der Bildband liefert diesbezüglich weitere Beispiele. So verschwinden in den späteren Bildern nicht nur vereinzelt Personen in oder bei Personengruppen,188 sondern auch ganze Gegenstände.189 Als prägnantes Beispiel soll hier
182 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 68. 183 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 84. 184 Der zweite Teil des Bildkommentars fällt in diesem Fall dann vollends weg. Zu lesen ist nur noch: »An der Nordsee beobachtet der Führer die Manöver der Reichsmarine«, in: Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 84. 185 Siehe Bildvergleich: Abb. 18-19, digitaler Bildteil. 186 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 91 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 107 sowie Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 89 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 105. 187 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 90 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 106. 188 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 87 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 103 (unbekannt) sowie Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 55 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 71. Bei letzterem verschwinden Personen aus einer Tischgruppe und Wanderer im Hintergrund neben einem Baum. 189 Zum Beispiel eine Raststätte im Wald, deren Entschwinden die in der Bildunterschrift kommentierte Szene »Bei Freunden« plausibler erscheinen lässt. Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 55 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 71.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
die Szene »Eine photographische Zufälligkeit wird zum Symbol« angesprochen werden, die zuvor in der Betrachtung des Bandes 201.-220. Tsd. bereits Erwähnung fand. Während im früheren Band vor allem Wert auf die perspektivisch arrangierte Symbolik gelegt wurde, wo dem aus einer Kirchenpforte schreitenden Hitler ein christliches Kreuz über dem Haupt erschien, fehlt in der späteren Ausgabe nicht nur das Kreuz über Hitlers Kopf, auch das Bild wird seiner Symbolik ›entmachtet‹. »Adolf Hitler nach der Besichtigung der historischen Marienkirche in Wilhelmshaven«190 lautet hier nun der nüchterne Bildkommentar, der das Foto – entgegen dessen vorheriger Inszenierung – als nahezu belanglose Bilddokumentation in die Folge der im Buch präsentierten Bildszenen einreiht.191 Versuchte das Bild zuvor noch als ›Anwalt‹ gegen die Behauptungen, Hitler sei ein Ketzer, zu wirken, fällt hier weder das Wort Ketzer noch jegliche andere (visuelle) Legitimation, dies zu bekräftigen. Anzunehmen hinsichtlich der Retusche ist, dass aufgrund des früheren Fotos Konflikte mit religiösen Glaubensgemeinschaften aufgekommen waren. Nachvollziehbar erscheint schließlich eine Retusche, die am Körper einer abgebildeten Person vorgenommen wurde: Es handelt sich um ein Tattoo – oder eine ornamentale Zeichnung – auf dem Unterarm eines jungen Soldaten, das mit dem zum Hitlergruß ausgestreckten Arm sichtbar wird und ab der Ausgabe 401.-420. Tsd.192 durch Retusche entfernt ist.193 Diese dort mittels Bildkorrektur durchgeführte Kosmetik lässt sich zum Ende dieser vergleichenden Betrachtung auch in Hinsicht auf Grafik und Konzeption des Bandes verfolgen. Bisher in kreisförmigen Bildausschnitten hervorgehobene Ansichten finden nun oftmals eine eckige Ausformulierung. Der ›Fernglaseffekt‹ wird so gegen eine einheitliche, flächige Bilddarstellung ausgetauscht.194 190 Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 73. Wurde die Kirche im Band 201.-220. Tsd. noch als »Marinekirche« bezeichnet, ist hier nun korrigiert die »Marienkirche« benannt. 191 Vgl. Abb. 20-21, digitaler Bildteil. 192 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 31 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 47 (Zeitgeschichte-Verlag). In der Ausgabe 401.420. Tsd. im Verlag Hoffmann (ebenso S. 47) ist das Tattoo noch vorhanden. 193 Diese Beobachtung legt eine weiterführende Untersuchung mit Adolf Loos’ Schrift »Ornament und Verbrechen« (1908) nahe, wo der Tätowierte mit dem Verbrecher gleichgesetzt wird. 194 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 7 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 23; vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 48/49 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 64/65; vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 26 und Hoff-
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Bei einigen Motiven erfolgt eine Anpassung der Bildgröße an die Seite195 bis hin zur Beschneidung einzelner Bilder,196 die den Mittelpunkt der Blickachse umdefinieren oder auch den Bildgehalt durch veränderte Bildunterschriften neutralisieren. Durch die generelle Vereinheitlichung, so auch in der Typografie, die sich von kapitalen Lettern zur Hervorhebung einzelner Worte gänzlich entfernt und ausschließlich eine klein im Blocksatz gesetzte, klare »Futura« verwendet, führt die Gestaltung des späteren Bildbandes vom Charakter eines Albums eher hin zur Form einer Zeitschrift oder eines illustrierten Bildromans. Dies hängt auch mit der Art des Drucks zusammen: Wurden die frühen Ausgaben noch in sepiafarbenem Tiefdruck gefertigt, erfolgt der Druck spätestens ab der Ausgabe 401.-420. Tsd. im unkonventionelleren Offset-Druck (Schwarz-Weiß). Den späteren Bänden haftet dadurch eine höhere Perfektion und größere Serialität an, somit mehr Industrieoptik, während die früheren Ausgaben von »Hitler wie ihn keiner kennt« eher einen ›Liebhaber-Charakter‹ aufweisen: ein Objekt, das zu sammeln sich lohnte.
2.2
Arbeit an der Zukunft: »Jugend um Hitler« (ab 1934)
Der Einbezug der ›Jugend‹ ins nationalsozialistische System fand über diverse Organisationen hinaus vielfältige didaktische Ausdrucksformen, so auch in der Jugendliteratur. Bücher wie »Kinder, was wißt ihr vom Führer?«197 ,
mann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 42; vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 40 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 56; vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 45 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 61; vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 72 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 88. 195 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 69 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 85 oder vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 83 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 99. 196 Vgl. Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 201.-220. Tsd., S. 73 und Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, 401.-420. Tsd., S. 89. 197 Morgenroth, Hermine/Schmidt, Maria: Kinder, was wißt ihr vom Führer?, Franz Schneider Verlag, Leipzig 1933.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
»Mutter, erzähl von Adolf Hitler!«198 oder »Die Geschichte von Adolf Hitler«199 versuchten als Lesebücher mit Lehrbuchcharakter Adolf Hitler den Kindern und Jugendlichen nahezubringen. »Ein Kampf für Deutschland – Kleine Bilder aus dem Leben und Schaffen des Führers«200 erzählt gar durch bildhafte Episoden mit Anekdotencharakter von Hitlers Kindheit, über seinen Berufswunsch, Maler zu werden, bis hin zum nationalsozialistischen Aufstieg. All diesen beispielhaften Publikationen ist aber zu eigen, dass sie die Fähigkeit des Lesens voraussetzen und ihre jeweiligen Zielgruppen somit erst ab einem bestimmten Alter erreichten. Ganz anders Heinrich Hoffmanns Bildband »Jugend um Hitler«, der 1934 erstmals erscheint201 und darauf ausgerichtet ist, primär über das fotografische Bild mit Kindern und Jugendlichen zu kommunizieren.202 Wie auch in »Hitler wie ihn keiner kennt« dient das – abermals von Baldur von Schirach geschriebene – Vorwort als ›Teaser‹, um narrativ in die Bildstrecke einzuführen. In großer Schrift gesetzt und gerade mal vier Seiten lang, wird insbesondere in »Jugend um Hitler« auf die Kürze der Sprache geachtet, wie auch im Bildteil mit möglichst knappen Formulierungen in Großbuchstaben bis hin zum Verzicht auf Bildunterschriften gearbeitet wurde. Bereits im ersten Satz soll deutlich werden, dass es sich um »ein Buch von der Liebe der Jugend zu Adolf Hitler«203 handele, eine Liebe, die so auch der Führer 198 Haarer, Johanna: Mutter, erzähl von Adolf Hitler! – Ein Buch zum Vorlesen, Nacherzählen und Selbstlesen für kleinere und größere Kinder, Lehmann Verlag, München 1939. 199 Stiehler, Annemarie: Die Geschichte von Adolf Hitler, Verlag des Hauslehrers, BerlinLichterfelde [1938]. 200 Theuermeister, Albert Robert: Ein Kampf für Deutschland – Kleine Bilder aus dem Leben und Schaffen des Führers, der Jugend erzählt, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a.S., o.J. 201 Im selben Jahr erscheint das Buch: von Schirach, Baldur: Die Hitlerjugend – Idee und Gestalt, 1.-75. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1934. Darin schreibt von Schirach: »Unsere Weltanschauung ist eine Sache des Herzens. Für uns ist das Gefühl mehr als der Verstand«, ebd. S. 130. Damit spricht Baldur von Schirach indirekt ein Plädoyer für das fotografische Bild aus, wie es 1926 Panter/Tucholsky kritisierte, vgl. auch Kap. I., 1.2. 202 Rudolf Herz verweist darauf, dass Hoffmanns Fotobände in das »Verzeichnis der zur Beschaffung für Schulbüchereien geeigneten Bücher« aufgenommen und in Sammelbestellungen geordert wurden, um der Jugend den Führer näherzubringen, vgl. Herz 1994, S. 57f. 203 Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 91.-100. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935 oder 1936], o.S. Wenig später tritt dann auch Hoffmanns Sohn, Heinrich Hoffmann jun. (1916-1988), mit ei-
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den Kindern und Jugendlichen entgegenbringe: »Er versteht die Jugend von der Jugend her, […] begreift sie als einer, der selber die ewige deutsche Jugend ist.«204 Von Schirachs Urteil, dass kein Deutscher in solchem Ausmaß die Jugend wirklich besessen habe wie der Führer,205 unterstreicht er mit der Ankündigung, dass es in diesem Buch um solche Bilder gehe, wie »auf den Reisen des Führers Jungens und Mädels die Absperrung durchbrachen, um den Schöpfer des neuen Deutschlands zu sehen«.206 Die Intention des Bildbandes liegt somit nicht nur darin, Hitler als »charismatischen Führer«207 zu zeigen, sondern allem voran seine Popularität und Verehrung vor Augen zu führen, ja sein Potential, als ›Star‹ zu gelten, herauszustellen. So zeigen die fotografischen Ansichten wartende, mit Blumen geschmückte Kinder, die in Euphorie ausbrechen, sobald Adolf Hitler sichtbar wird: Sie wollen »Autogramme«, »die gütige Hand des Führers«, ein Foto mit ihm, Geschenke wie ein selbstgemaltes Bild oder Blumen überreichen; sie wollen sich nicht abweisen lassen, »überall das gleiche Bild«, »Begeisterung«.208 »Starkult mit der Exklusivität und Intimität einer geschlossenen Gesellschaft«209 zu zelebrieren, wie Diemut Schilling es formuliert, ist es schließlich auch, was anhand einer spezifisch platzierten Motivsequenz mit dem Bildband herausgestellt werden soll. Baldur von Schirach führt die Szene, die im hinteren Teil des Buches zu sehen ist, prominent im Vorwort ein:
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nem Bildband in Erscheinung: Hoffmann, Heinrich jun./Zoglmann, Siegfried: Jugend erlebt Deutschland, Verlag für soziale Ethik und Kunstpflege, Berlin [1936]. Hoffmann, Jugend um Hitler, 91.-100. Tsd, o.S. Vgl. ebd., o.S. Ebd., o.S. Vgl. Weber, Max: »Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft«, in: Winckelmann, Johannes: Legitimität und Legalität in Max Webers Herrschaftssoziologie, Mohr, Tübingen 1952, S. 106-120. Hoffmann, Jugend um Hitler, 91.-100. Tsd., o.S. Vgl. zur Popularität Hitlers auch Albert A. Feibers Darstellung zum »Wallfahrtsort« Obersalzberg: »Geschäftstüchtige Einheimische verkauften Steine, auf denen der ›Führer‹ gestanden hatte, und andere ›Reliquien‹ für teures Geld«, in: Dahm, Volker/Feiber, Albert A./Mehringer, Hartmut/Möller, Horst: Die tödliche Utopie – Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich, Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte zur Dokumentation Obersalzberg, 5. Auflage, IfZ, München 2008, S. 63f., hier S. 64, 124ff. Schilling, Diemut: »Möchtest du ein Star sein?«, in: Ullrich, Wolfgang/Schirdewahn, Sabine (Hg.): Stars – Annäherung an ein Phänomen, Fischer, Frankfurt a.M. 2002, S. 224247, hier S. 224.
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»Sommer 1933 in Haus Wachenfeld. Unten am Gatter stehen viele Hundert Menschen und warten Stunden um Stunden auf den Augenblick, wo der Führer heraustreten könnte und sie ihn von Angesicht zu Angesicht erblicken. Und schließlich kommt er doch und geht durch das ganze Spalier dieser treuen deutschen Menschen, gibt diesem alten Mitkämpfer die Hand und jenem einen langen Blick, kurz, es ist alles Jubel und Begeisterung. Da piepst dicht vor ihm eine helle Kinderstimme: ›ich hab heute Geburtstag!‹ Aus dem dichten Menschenhaufen fischt sich der Führer ein kleines blondes Mädchen, das steht nun mit strahlenden blauen Augen vor ihm. Und der Führer nimmt das kleine Ding bei der Hand und geht mit ihm langsam, seine großen Schritte ihren kleinen anpassend, durchs Gattertor hinauf aufs Haus. Dort gibt er der Kleinen Erdbeeren und Schlagsahne und sie ißt und ißt. So, nun ist das Märchen zu Ende, aber noch nicht ganz, denn nun sagt sie ›Auf Wiedersehen‹ und ›Danke schön‹, steigt auf die Zehenspitzen, schlingt die Arme um des Führers Hals und – das kleine Mädchen gibt dem großen Kanzler einen langen Kuß.«210 Das Mädchen, »das bevorzugte Geburtstagskind aus der Menge«, das ebenso wie Hitler am 20. April geboren wurde, ist Bernile Nienau.211 Fünf fotografische Ansichten zeigen das Mädchen im Trachtenkleid, wie sie von Hitler zum Berghof geführt wird, wie sie dort Erdbeeren mit Schlagsahne isst, wie Hitler ihren Kopf umfasst und sie in der Folge seinen Oberkörper umarmt und ihm einen Kuss auf die Wange gibt.212 Die vertrauenserweckenden Ansichten von Bernile und Adolf Hitler als Hauptfiguren bildeten über Jahre hinweg ein zentrales Element in Hoffmanns Bildband »Jugend um Hitler«. Berniles Bildsequenz wurde hierbei nicht nur sinnstiftend für Hitlers Hinwendung zur heranwachsenden und somit nachfolgenden Generation ausgewählt, sie erfüllte auch die Rolle des Kindes, das in Adolf Hitler treue Freundschaft fand, kündet doch das Vorwort des Bildbandes davon, dass »Jugend um Hitler« ein Buch von der Liebe der Jugend zu Adolf Hitler, »ihrem treuesten Freund«, sei.213 Die Aufnahmen von ihr wirken dabei einerseits – im Sinne Pierre Bourdieus– als Mittel der Integration,214 als Annäherung an den Unnahbaren. Andererseits rücken sie Hitlers Generosität in den Vordergrund, der es nicht nur vermag, 210 211 212 213 214
Hoffmann, Jugend um Hitler, 91.-100. Tsd, o.S. Bernhardine Nienau, geboren am 20.04.1926, vgl. BArch NS10/371, S. 86. Vgl. Abb. 22, digitaler Bildteil. Vgl. Hoffmann, Jugend um Hitler, 91.-100. Tsd., o.S. Vgl. Bourdieu 2006, S. 31ff.
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Freude zu verbreiten, sondern auch, Geschenke zu machen, wie dies weitere Ansichten von Kinderbesuchen auf dem Obersalzberg verdeutlichen sollten. Und doch ist die Bildsequenz mit Bernile Nienau in späteren Ausgaben des Bildbandes nicht mehr enthalten, ja erscheint dort gar ein anderes Mädchen, das ganz ähnlich wie noch Bernile mit Hitler den Berg hinaufschreitet und mit ihm vorm Bergpanorama posiert.215 Der Blick in die KontaktabzugAlben der Heinrich Hoffmann Collection in den National Archives in Washington D.C. gibt Aufschluss darüber, dass es sich bei den Aufnahmen des ›anderen‹ Mädchens nicht nur um zwei oder drei Schnappschüsse handelt, die etwa nebenbei entstanden, sondern dass hier ein ganzer Kleinbildfilm dafür eingesetzt wurde, das Treffen zwischen dem Mädchen und Hitler festzuhalten. Der ausbelichtete Filmstreifen ist fortlaufend auf eine Kartonage geklebt und mit »Haus Wachenfeld, Juli 1935« beschriftet.216 Bild 1-7: Hitler begrüßt mit Hitler-Gruß die Massen, die vor dem Tor am Obersalzberg auf Hitler warten. Bild 8: Ein Mädchen überreicht Hitler Blumen. Bild 9: Das ›andere‹ Mädchen scheint Hitler übergeben worden zu sein. Er fasst sie an beiden Händen, während sie zu Fuß in Bewegung sind. Bild 1011: Die beiden gehen den Weg entlang hoch zum Haus Wachenfeld. Bild 12-14: Das Mädchen und Hitler unterhalten sich. Sie sitzt auf einer hellen Bank, er auf einem hellen Stuhl, Bergpanorama im Hintergrund. Bild 15-17: Beide posieren miteinander. Bild 18-24: Ungezwungenere Unterhaltung, er streicht ihr über die Wange. Bild 25: Sie bekommt ein Geschenk von ihm überreicht, ein helles, rechteckiges Paket. Bild 26: Bedanken und Abschied, sie reichen sich die Hände. Bild 27-30: Naturaufnahmen, Landschaft und Wolkenspiel. Bild 31: Die Person, welche die Handlungsabfolge aufgenommen hat, fotografiert einen Fotografen im Profil, der seinerseits etwas oder jemanden fotografiert. Welcher Vorfall liegt dem Bildwechsel von Berniles Sequenz zu Grunde? Bernile und Hitler scheinen sich im Sommer 1933 auf dem Obersalzberg kennen gelernt zu haben, wie Hoffmanns Bildband nahelegt. Justina Schreiber
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Hier bezugnehmend auf: Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 211.-260. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1939 oder 1940], S. 90/91. Vgl. Abb. 23, digitaler Bildteil. National Archives (242-HLB-839, photo number 1-31). Aktengruppe HLB, Photographic Negatives and Proof Sheets, Berlin Office Segment of the Heinrich Hoffmann Collection. Vgl. Abb. 24, digitaler Bildteil.
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hat sich mit ihrem Hörbeitrag »Lieber guter Onkel Hitler« 2013 dieser Beziehung zwischen Bernile und Hitler gewidmet217 – eine Beziehung, die zu einem Politikum wurde, weil das Mädchen nach nationalsozialistisch gesetzten Rassenkriterien kein ›arisches‹ Kind war. Schreibers Beitrag ist das erste Feature, das den Fall »Bernile Nienau« umfassend thematisiert und durch Bildbeschreibungen (ausgehend von Hoffmanns Bildband »Jugend um Hitler«) sowie anhand von Auszügen aus Berniles Briefen, die sie regelmäßig an Hitler und Wilhelm Brückner adressierte,218 illustriert.219 Dass Bernhardine Nienau nach den unter der NS-Regierung am 15. September 1935 auf dem »Reichsparteitag der Freiheit« verabschiedeten Rassengesetzen, den Nürnberger Gesetzen, als »Judenmischling 2. Grades« galt, wurde 1937 im Zuge eines bürokratischen Hergangs ermittelt220 – im Kontext eines formalen Antrags ihrer Mutter Karoline Nienau, der die Waisenzuschüsse für ihre Tochter gekürzt werden sollten, und die Einspruch bezüglich der Herabsetzung der Fürsorgemittel erhob. Die hierauf folgende, eingehende Prüfung ihrer Abstammung
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Schreiber, Justina: Lieber guter Onkel Hitler – Das blonde Mädel Bernile Nienau (D 2013), Produktion: Bayerischer Rundfunk München, gesendet in der Reihe »Land und Leute« bei Bayern 2 am 27.10.2013, Fassung: BR Mitschnitt, Bayerischer Rundfunk 2016, 28.22 Min. 218 Die im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde erhaltene Korrespondenz zwischen Bernile Nienau und Adolf Hitler sowie dessen Chefadjutanten Wilhelm Brückner (beide mitunter vertreten durch den Adjutanten Fritz Wiedemann) umfasst den Zeitraum 18.01.1935 bis 02.02.1938 beziehungsweise 12.11.1939 und beinhaltet 17 Briefe des Mädchens. Vgl. BArch NS10/176; BArch NS10/230. 219 In der Kontextualisierung des Falles greift aber auch Schreiber auf Hoffmanns Memoiren zurück, insbesondere wenn es um das Nicht-Arisch-Sein des Kindes geht. In Abgleich mit den Akten des Bundesarchivs Berlin-Lichterfelde entstehen hier einmal mehr Unstimmigkeiten und Fragen. Zwar stützt sich auch Schreiber an vielen Stellen ihres Beitrags auf die Archivalien des Bundesarchivs Lichterfelde, jedoch erscheinen sie inhaltlich und zeitlich durchmischt mit anderen ›Quellen‹, allem voran Hoffmanns Memoiren (Hoffmann 1974). Hierbei entstehen oftmals missverständliche Abläufe, wie etwa der Verweis auf einen Denunzianten, der im Frühjahr 1938 Berniles nichtarische Abstammung publik gemacht habe (vgl. Schreiber 2013, TC 12:58 sowie Hoffmann 1974, S. 166), was den Sachverlauf der Situation verkürzt und, mit Blick auf die Aktenlage, insgesamt nicht aufklärend wiedergibt. Auch ein Beitrag der »Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte« stützt sich 1998 auf Hoffmanns Memoiren, vgl. Steiner, M. John/Freiherr von Cornberg, Jobst: »Willkür in der Willkür, Hitler und die Befreiungen von den antisemitischen Nürnberger Gesetzen«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 46. Jg., Heft 2 (1998), S. 143-187, hier 162f. Die Geschichte dreht sich im Kreis. 220 Vgl. BArch NS10/371, S. 51ff.
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ging hervor aus der behördlich erbetenen Stellungnahme Nienaus zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, einem Fragebogen für Witwen und Waisen, der zur Sachbearbeitung ihres Antrages diente. Dass Adolf Hitler mit einem Mädchen jüdischen Glaubens in Kontakt stand und diese Situation durch Heinrich Hoffmanns Bildbände Sichtbarkeit erlangte, war für den Reichsleiter und Chef der Kanzlei des Führers Philipp Bouhler und damit für die Politik des Nationalsozialismus nicht tragbar. So war es Bouhler, der 1938 über »Foto-Hoffmann« zu veranlassen suchte, »dass die Bilder, die den Führer mit dem Mischlingskinde Nienau zeigen, nicht mehr abgezogen werden.«221 Bernile Nienaus »jüdische Abstammung« sei Hitler bereits zwei Jahre zuvor bekannt gewesen.222 Albert A. Feiber wiederum gibt den Hinweis, dass Martin Bormann und die Bayerische Politische Polizei schon im Dezember 1933 durch eine Denunziation darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass Berniles Großmutter »Jüdin sei« und dass auch Hitler zu diesem Zeitpunkt davon gewusst hätte.223 Wie sind nun diese Angaben im Hinblick auf Hoffmanns Fotoshooting mit Hitler und dem ›anderen‹ Mädchen im Juli 1935 zu werten, wovon ausgewählte Fotografien dafür Verwendung fanden, die Bildstrecke mit Bernile Nienau komplett auszutauschen? Hatten Hoffmann und Hitler vorsorglich ein ›Reenactment‹ der Szene mit Bernile inszeniert, da es parteipolitische Unstimmigkeiten über die Fotosequenz mit Bernile gab, Hoffmann aber aufgrund der Verkaufszahlen des Bildbandes »Jugend um Hitler« nicht darauf
221
Brief vom 09.03.1938 aus der Reichskanzlei (i.A. Hefelmann) an Hauptmann Wiedemann, in: BArch NS10/371, S. 50. So verweist Schreiber mit Rückgriff auf Hoffmanns Memoiren zusätzlich auf Martin Bormann, der auf das Entfernen von Berniles Fotos in Hoffmanns Bildband gedrängt haben solle, vgl. Hoffmann 1974, S. 165f. und Schreiber 2013, TC 06:11-06:45, TC 12:58, TC 14:02-14:19, TC 15:10-15:50. Bormann wiederum wird in den Akten im Bundesarchiv namentlich nicht genannt. Schreiber verweist ferner darauf, dass Hitler Hoffmann erlaubt habe, den Bildband »Jugend um Hitler« weiter zu vermarkten (TC 15:50-16:00); dabei erwähnt Schreiber nicht, dass die Bildstrecke mit Bernile zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht wurde. Die Beschreibung Bouhlers, »nicht mehr abgezogen werden«, bezieht sich nicht nur auf die Reproduktion von Berniles Ansichten in Hoffmanns Bildbänden, sondern auf jegliche Form der fotografischen Reproduktion ihrer Bilder. 222 Vgl. Dokument vom 19.04.1938 in BArch NS10/371, S. 47. 223 Vgl. Dahm/Feiber/Mehringer/Möller 2008, S. 127. In diesem Beitrag werden keine Quellenverweise aufgeführt. Die Angaben beziehen sich aber, laut schriftlicher Aussage von Albert A. Feiber vom 08.09.2016 (in einem E-Mail-Wechsel mit der Autorin) auf die in der Publikation genannten Quellen, ebd., S. 111.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
verzichten wollte? Oder griffen Hoffmann und Hitler in Abstimmung miteinander auf Bestände von Hoffmanns Archiv zurück, und zwar erst zu dem Zeitpunkt, als der ›Abstammung‹ Berniles, die nicht ins nationalsozialistische System und Weltbild passte, systematisch nachgegangen und diese parteipolitisch benannt wurde? Zeigt sich mit der Bildstrecke aus dem Jahr 1935 gar eine stereotype Handlung, die Hitler mit der Einladung von Kindern auf den Berghof regelmäßig vollzog? Dass das Fotoshooting im Juli 1935 explizit mit diesem Mädchen stattfand, darauf verweist der Bildband »Jugend um Hitler« selbst, und zwar drei Abbildungen respektive Seiten vor Berniles Sequenz: hier wird ein zu diesem Zeitpunkt noch jüngeres Mädchen in hellem Kleid präsentiert, das in den Händen ein helles, rechteckig geformtes Geschenk hält, auf einem hellen Stuhl unterm Sonnenschirm sitzt und sich mit Hitler unterhält.224 Es handelt sich um ein Mädchen, das schon im Mai 1934 mit einer Gruppe älterer Mädchen auf den Obersalzberg gekommen war und mit Hitler im Gespräch gewesen ist, wie ein weiterer fotografischer Filmstreifen (Kontaktabzug) der Heinrich Hoffmann Collection der National Archives auf elf beziehungsweise fünfzehn Abbildungen belegt.225 Es ist hieraus die Fotografie Nummer 33, die an genannter Stelle in »Jugend um Hitler« Verwendung fand, und es ist jenes Mädchen, mit welchem dann erneut ein Jahr später, im Juli 1935, das gezielt angesetzte Fotoshooting stattfand (anlässlich dessen sie ein weiteres Mal ein ganz ähnliches Geschenk erhielt).226 Zu welchem Zeitpunkt die Bildstrecke mit Bernile im Bildband »Jugend um Hitler« dann tatsächlich ausgetauscht wurde, darauf erlaubt die Sachlage nur bedingt Rückschlüsse. Und doch gibt es Anhaltspunkte, die durch die verschiedenen Auflagen des Bildbandes gegeben werden. Ausgewechselt wurde Berniles Sequenz in der Ausgabe 211.-260. Tsd. mit jener Bildfolge des ›anderen‹ Mädchens; Bernile war letztmals in der Ausgabe 186.-210. Tsd. zu sehen. Bemerkenswert ist die Ankündigung im Impressum des Bandes 141.-165. Tsd., dass es sich nämlich um eine »[u]nveränderte Neuausgabe der im Jahre 1934 224 Hoffmann, Jugend um Hitler, 91.-100. Tsd., o.S. 225 National Archives (242-HLB-331, photo number 20-35). Aktengruppe HLB, Photographic Negatives and Proof Sheets, Berlin office segment of the Heinrich Hoffmann Collection. 226 Eine weitere Aufnahme aus diesem Fotoshooting (National Archives, 242-HLB-839-15) fand außerdem Verwendung in: Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in seinen Bergen, 86 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 1.-20. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935], o.S.
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erschienenen ersten Fassung«227 handele – wobei spätestens ab der Ausgabe 91.-100. Tsd. vereinzelte Ansichten ausgetauscht wurden, wie zum Beispiel auf der letzten Seite die beiden in Trachten gekleideten Mädchen, die in der ersten Ausgabe mit dem Gruß »Heil Hitler« zum Abschied winken und nun durch »die begeisterte Sportjugend«, die hier ausschließlich aus Männern besteht, in Hinblick auf die Olympiade 1936 in Berlin ersetzt wurden. Nicht zuletzt erscheint der explizite Verweis auf die »unveränderte Originalausgabe«, welcher sich in Folge der Ausgabe 141.-165. Tsd. auch im Impressum der »Jugend um Hitler«-Bildbände 166.-185. Tsd. und 186.-210. Tsd. findet, fragwürdig – wird in anderen Hoffmann-Bänden Derartiges doch keinmal erwähnt. So lässt sich schlussfolgern, dass der Verweis auf das Unveränderte als rhetorisches Stilmittel dient, den künftigen Austausch der Bildstrecke mit Bernile Nienau ›unbemerkt‹ geschehen zu lassen – als antithetische Behauptung zum Bildwechsel, der sich drei Ausgaben später vollzieht. Aus folgendem Grund ist anzunehmen, dass das Auswechseln der Fotografien auf den Zeitpunkt 1939 (oder später) fällt: In der Ausgabe 141.-165. Tsd. wird Heinrich Hoffmann mit seinem Professorentitel genannt, den er am 10. Juli 1938 von Hitler verliehen bekam. Es ist unwahrscheinlich, dass nach diesem Tage noch drei weitere Bildband-Ausgaben in der zweiten Jahreshälfte 1938 erschienen sind. Hinzu kommt, dass Bouhlers Forderung auf das Frühjahr 1938 fällt, und es ist anzunehmen, dass hier die Ausgabe 121.-140. Tsd. Diskussionsgegenstand um Bernile Nienaus Bildstrecke wurde. Vor diesen Hintergründen ist davon auszugehen, dass die Erzeugung der Bildstrecke mit dem ›anderen‹ Mädchen eine bewusste Handlung seitens Hoffmanns und Hitlers war – dass sie aus dem Wissen um einen potentiellen Bildwechsel entstanden ist –, um dann zu gegebenem, da ›unausweichlichem‹ Zeitpunkt als Ersatz für Berniles Sequenz zu dienen. Was feststeht, ist die Praxis der Aktualisierung in Hoffmanns Bildbänden, die sich hier ganz konkret im Kontext der nationalsozialistischen Rassenideologie ausdrückt: Das rassisch nicht der Ideologie entsprechende Kind wird durch ein Kind mit ›arischer‹ Abstammung ausgewechselt. Dabei geht es um nichts mehr, als den Schein der Arier, die nach Hitler den »germanischen Staat deutscher Nation«228 verkörperten – welche aber doch ursprünglich eine indoeuropäische Volksgruppe bezeichneten229 –, aufrechtzuerhal-
227 Hoffmann, Jugend um Hitler, 141.-165. Tsd., o.S. 228 Hitler 1935, S. 362. 229 Benz/Graml/Weiß 2007, S. 414.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
ten. Während so Hoffmann nach der Benennung des ideologischen Konfliktes die Interessen seines Auftraggebers verfolgte und die Bilder aus dem Bildband austauschte, erfolgten auf Berniles Briefe an ihre ›treuen‹ Freunde Hitler und Brückner vom 20. März sowie 12. November 1939 keine Antworten mehr.230
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Das Bild als Mission: Stanley McClatchies »Look to Germany, the Heart of Europe«/»Sieh, das Herz Europas« (1937) und die Distribution deutscher Ideologie in Los Angeles
Eine entscheidende interkontinentale Brücke zwischen Kalifornien und Deutschland bildete die Olympiade, die 1932 in Los Angeles und 1936 in Berlin ausgerichtet wurde. »Sport recognizes no geographical boundaries«231 , bemerkt das California Journal of Development 1932. Und so kündigt ein Schriftbanner am Los Angeles Memorial Coliseum während der X. Olympiade an: »May the Olympic Torch pursue its Way through the Ages«, Los Angeles, Athen und Berlin miteinander verbindend.232 Der Olympiade in Los Angeles, die vom 30. Juli bis zum 14. August 1932 ausgerichtet wurde, gingen umfassende Vorbereitungen voraus, die Los Angeles als Arkadien, ja als Neuschöpfung des Goldenen Zeitalters233 her230 Vgl. BArch NS10/463, S. 80ff. Dass Hitler sich im Fall Bernile widerwillig an seine selbst veranlassten, ideologischen Gesetze hielt, kommentiert eine Szene in Hitler, ein Film aus Deutschland (D/F/GB 1977, R: Hans Jürgen Syberberg), TC 01:10:30-01:10:36: »Und das kleine Mädchen, das er so liebte am Obersalzberg und das sie ihm dann wegnahmen, aus allen Fotos gestrichen [Herv. d.A.].« 231 California Journal of Development 1932, o.S., in: GC 1014, Box 4, Folder 1, Seaver Center, Los Angeles. 232 Vgl. Olympic Ceremonies, Olympic Auditorium (LA Memorial Coliseum), Los Angeles 1932: phot CL 400/1/2201, The Huntington Library, San Marino, California. In Deutschland bot der Cigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld (Reemtsma) eine ganze Bildband-Reihe zu den Olympischen Spielen an, darunter auch 1932 über die Olympiade in Los Angeles sowie in der Folge über die Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen und die Olympiade in Berlin, die vom 01.08.-16.08.1936 ausgerichtet wurde. 233 So ist in Los Angeles nicht nur ein Stadtteil nach dem griechischen Vorbild Arkadien benannt, sondern es wurde um die Jahrhundertwende sogar touristisch mit dem Mythos durch das »Hotel Arcadia« am Santa Monica Beach geworben, vgl. die fotografischen Ansichten des Hotel Arcadia (1890 und 1894) in: Getty Center, Los Angeles, Collection of Historical Photographs, IA 40005, JP Getty Collection, photos of LA, 1986.IA.29-I; sowie Arcadia, Calif. 1939, phot CL 310-2258, The Huntington Library, San Marino, California.
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aufbeschwören sollten. Architektonische Maßnahmen waren unter anderem die Hollywood Bowl (1922) nahe der Hollywood Hills, eine Freilichtbühne nach Vorbild des antiken griechischen Theaters,234 die Rose Bowl in Pasadena (1922), das Los Angeles Memorial Coliseum im Exposition Park (1923) oder das Greek Theatre im Griffith Park, das 1930 eröffnet wurde. Die Gründung der »Grecian Art Kinema Corporation« (1926) richtete sich darauf aus, visuell die Glorie griechischer Künste heraufzubeschwören,235 während für die Laufzeit der Olympiade als Teil dieser eine Kunst-Ausstellung im Los Angeles Museum im Exposition Park ausgerichtet wurde, die das griechische Körperideal durch Malerei, Drucke, Zeichnungen und Skulptur darstellen sollte, darunter zwei Bronze-Skulpturen des NS-Bildhauers Josef Thorak.236 Ganz entscheidend propagierte das Organisations-Komitee »The Greek Athletic Ideal«237 , das sich in kalifornischer Landschaft und Temperatur herausbildende griechische, athletische Körperideal, womit die Formulierung von Heldentum, Rasse und rassischem Denken massiv einherging: »a new race is springing into being [Herv. d.A.].«238
234 Bei der Olympiade 1936 in Berlin fand die Dietrich-Eckart-Freilichtbühne hierin ihre Entsprechung. 235 Vgl. GC 1014, Box 6, Folder 34, Seaver Center, Los Angeles. Die Schreibweise »Kinema« (statt »Cinema«) deutet eine bewusste Bezugnahme zum griechischen Alphabet an. 236 Vgl. »Catalog of Competition and Exhibition of Art«, in: GC 1014, Box 6, Folder 15, Seaver Center, Los Angeles. Fotografien sind im Ausstellungsverzeichnis nicht ersichtlich aufgeführt, jedoch mündete die fotografische Auseinandersetzung mit griechischen Vorbildern in einen regelrechten Bildkult, vgl. Bestand phot CL 400, The Huntington Library, San Marino, California. 237 »History repeats itself again and again; and we in America, particularly in California, are witnessing in our modern civilization, a revival of that ancient warship of physical perfection and athletic prowess [Herv. d.A.] known as the Greek Athletic Ideal. In California, particularly, […] it is interesting to note the parallel between the combination of race and climate [Herv. d.A.] which produced the high standard of civilization accorded to ancient Greeks [Herv. d.A.], and the similar conditions for racial development [Herv. d.A.] which prevail in California today. […] The ancient Hellenes, or Greeks […] were blond Nordic conquerors […]. Today, under similar conditions of climate and environment, with the steady movement of people from the colder regions of the United States to California, a new race is springing into being [Herv. d.A.] which promises to surpass anything the Greek civilization ever produced«, in: The Story of the Olympic Games, hg. v. Organisations-Komitee, Los Angeles 1932, in: GC 1014, Box 5, Folder 7, o.A., o.S., Seaver Center, Los Angeles. 238 Ebd.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
In Formulierungen wie dieser, an die sich in der Olympia-Publikation von 1932 die Betonung der Erhabenheit des nordischen Menschen anschließt, spiegelt sich nicht nur die nationalsozialistische Rassenideologie der überlegenen Herrenrasse, sondern verfestigt sich auch Stanley McClatchies Intention der im Verlag Heinrich Hoffmann herausgegebenen Bildbände »Look to Germany, the Heart of Europe« (erschienen im Februar 1937)239 und »Sieh, das Herz Europas« (erschienen im April 1937)240 : Deutschland als »ein Land olympischer Leistungen« herauszustellen, das im Vergleich selbst die USA übersteige.241 Die Olympiade 1936 in Berlin wird zum Aufmacher seiner propagandistischen Darstellung, im Rahmen derer Menschen aus aller Welt zu Augenzeugen des alles übersteigenden Systems von Adolf Hitler werden sollten. Der Amerikaner Stanley McClatchie steht dabei synonym ›mit Blick von Außen‹ als Korrektiv, welches das Bild des nationalsozialistischen Systems für das außereuropäische Ausland, ja für die USA attraktiv erscheinen lassen sollte. »Es ist durchaus nicht gleichgültig, wie uns die Welt sieht«, schreibt Willy Stiewe [1933]. »Denn wie uns die Welt sieht, so wird sie uns einschätzen und behandeln.«242 Mit dem Bildband »Look to Germany, the Heart of Europe« wird vor diesem Hintergrund das Bild als Mission begriffen: Es soll »Hitlers Wollen« zeigen, »im Ethos seiner Schlichtheit, politischen Gestaltungskraft, willensmäßigen Geschlossenheit und idealistischen Gläubigkeit«.243 Es soll mit Blick auf die gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Vielfalt des Dritten Reiches Aufrichtigkeit und Größe vermitteln, um den Kreis der Zustimmung zu Adolf Hitler und der nationalsozialistischen Politik zu erweitern. Die fotografisch übermittelte Bildwelt zeigt das intendierte Weltbild. Welche Rolle erfüllte dabei Stanley McClatchie? Stanley Harold McClatchie (1894-1964) wurde in Pasadena, Kalifornien geboren und war als Journalist in Los Angeles wie auch als Korrespondent für Rundfunkübertragungen zwischen Deutschland und den USA tätig.244 Den Kontakt zu Heinrich
239 McClatchie, Stanley: Look to Germany, the Heart of Europe, Verlag Heinrich Hoffmann, Berlin 1937. 240 McClatchie, Stanley: Sieh, das Herz Europas, Verlag Heinrich Hoffmann, Berlin 1937. 241 Vgl. McClatchie, Stanley: Sieh, das Herz Europas, Verlag Heinrich Hoffmann, Berlin 1937 [1938 erweiterte Auflage], o.S. [5]. 242 Stiewe, Willy: So sieht uns die Welt – Deutschland im Bild der Auslandspresse, Deutsche Rundschau, Berlin [1933], S. 11. 243 Siebarth, Werner: Hitlers Wollen, nach Kernsätzen aus seinen Schriften und Reden, 31.-35. Tsd., Franz Eher Nachf., München [1939], S. 13. 244 https://search.ancestry.com/, zuletzt aufgerufen am 01.03.2018.
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Hoffmann vermittelte Atto Retti-Marsani, mit dem Hoffmann (häufiger) zusammenarbeitete, so im Zuge der Filmproduktionsfirma »Hokomar« und später dann im Kontext der Firma Hoffmann.245 Ansonsten lässt sich wenig über McClatchie in Erfahrung bringen, es ist jedoch davon auszugehen, dass er neben der englischen Sprache auch mit der deutschen vertraut war. Obgleich Stanley McClatchie die Bildzusammenstellung für »Look to Germany, the Heart of Europe« aus Beständen vieler verschiedener Bildagenturen generierte, sind Heinrich Hoffmanns Aufnahmen grundlegend in der Konzeption des Bandes – nicht zuletzt deshalb, weil sich der erste Teil des Buches zur Einführung der Person Adolf Hitlers an der Struktur von Hoffmanns »Hitler wie ihn keiner kennt« orientiert. Mit Hitler als Referenzpunkt erzeugt McClatchie sodann ein Panorama nationalsozialistischer Leistungen, wobei er mit amerikanischen Wirtschafts- und Wertebegriffen operiert: Arbeit (»employment«) wird mit »recovery« gleichgesetzt und wirtschaftlicher Aufstieg geht einher mit Hitler als »Tatenmensch« (»Man of Action«).246 Durch Fotografien, grafische Schaubilder, Landkarten, Diagramme und Textpassagen stellt McClatchie den Siegeszug des Dritten Reichs mit Fokus auf Führerprinzip und Volksgemeinschaft dar. Führungsqualitäten hebt er so insbesondere durch technische und bauliche Errungenschaften wie die Automobilproduktion sowie den Bau der Reichsautobahnen hervor. Mit der Betonung der »Straßen Adolf Hitlers« als »das gewaltigste Bauwerk, das jemals ein Mann in der Weltgeschichte unternommen hat«, ja als »das großartigste Straßennetz der Welt!«247 , stellt McClatchie die deutsche Autobahn sogar über amerikanische Straßensysteme – wie etwa die Autostadt Los Angeles, die 1932 im California Journal of Development ganz ähnlich brillierte: »Splendid highways radiate in all directions to scenic and recreational attractions.«248 Als weiteren Aspekt unterstreicht McClatchie die Errungenschaften des Luftverkehrs. War in der ersten Ausgabe des Bildbandes noch die »Hindenburg« Sinnbild für Innovation und markierte mit der Werbung für Zweieinhalb-Tage-Flüge von Deutschland nach New York den Brückenschlag
245 Vgl. McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], o.S. [9]; sowie Kap. II., 1.1. 246 McClatchie, Look to Germany, the Heart of Europe 1937 und McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], S. 38ff. 247 McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], S. 48f. 248 California Journal of Development 1932, o.S., in: GC 1014, Box 4, Folder 1, Seaver Center, Los Angeles.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
von der Alten zur Neuen Welt,249 war nach dem Unglück des Zeppelins im Mai 1937250 – also kurz nach dem Erscheinen der Publikation – nicht mehr der Transport von Passagieren die Essenz des Bandes, sondern der Luftpostverkehr zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, um Nähe und Verbundenheit zu kennzeichnen. »Die Welt schrumpft zusammen, sie wird kleiner in jedem Jahr …«251 , fasst McClatchie zusammen. So richtet er einen weiteren Fokus auf Kommunikationstechnik, um das moderne Zusammenleben zu illustrieren: Rundfunk, Fernsehen oder Reisekino bilden neben dem Sport mit der XI. Olympiade in Berlin als Höhepunkt des Jahres 1936 nicht nur gemeinschaftliche Interessen innerhalb des deutschen Volkes, sondern auch interkontinentale Übereinstimmungen. Die Ausrichtung Deutschlands am Westen ist evident,252 zugespitzt durch Aussagen wie »Deutschlands Wahl: Moskau oder Adolf Hitler«,253 »die offene erhobene Hand des nationalen Sozialismus« statt der geballten Faust des »weltumschlingenden Kommunismus«254 oder die anhaltende Betonung des Neuen und des Jungen, welches McClatchie insbesondere durch Darstellungen der Hitler-Jugend zu erlangen sucht, deren Euphorie den Popularitätsanstieg Hitlers verdeutlichen soll – ist das Buch nicht zuletzt auch unter Mitarbeit der Reichsjugendführung entstanden.255
249 Hierauf nimmt auch der Einband des Buches Bezug, zeigt die rückseitige Buchklappe die »Hindenburg« mit Hakenkreuz über dem Meer fliegend, während die Vorderseite eine Menschengruppe auf einem Schiff stehend präsentiert (ebenso mit gehisster nationalsozialistischer Flagge), die Arme und Finger zeigend ausgerichtet: auf die fliegende, den Ozean viel schneller als das Schiff überquerende »Hindenburg«. 250 Bei seiner Landung in Lakehurst, New Jersey, explodierte der Zeppelin LZ129 am 06.05.1937. 251 McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], o.S. [81]. 252 Die NS-Propaganda basiert an vielen Stellen in ihren Grundbegriffen auf westlicher Populärkultur. Dies lässt sich insbesondere beim Betrachten des »Illustrierten Beobachters« feststellen. Wiederkehrende Themen sind hier: Körperpflege, Mode, Ernährung, Kommunikation durch Fotografie und Radio, Technik (Automobil), Konsum, ›Stars‹ und szenische Narrative, kurzum: Fashion, Beauty, Lifestyle, Entertainment. Vgl. Illustrierter Beobachter, Jahrgänge 1929, 1930, vereinzelt 1931-1933, 1934-1939, vereinzelt 1940-1945. 253 McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], o.S. [36/37]. 254 Vgl. ebd., S. 10. 255 Ebd., o.S. [9]; vgl. außerdem: International Military Tribunal: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1947, Band 12, S. 428-468.
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McClatchies Versuch, »das neue Deutschland« als Offenbarung anzupreisen,256 mündet schließlich in die Vorstellung der Arbeitsgemeinschaft: von der »Kraft durch Freude«-Organisation über die »Blut und Boden«-Theorie bis hin zum deutschen Brauchtum, dem Attraktivität verliehen werden soll. Einmal mehr wird das Medium Fotografie als Korrektiv eingesetzt, um Kritik am System in eine das System begünstigende Sichtweise umzuwenden: So begegnet McClatchie Meldungen über Terror und Folter (Gräuelpropaganda) mit ironischer Umkehr als »Nazi-Greueltaten«, versucht durch vieldeutige Text- und Bildbotschaften die Abschwächung von Zweifeln am nationalsozialistischen System zu erlangen.257 Rassenideologie und Antisemitismus werden heruntergespielt und in Abrede gestellt: »Weitaus rücksichtsvoller geht das Dritte Reich mit seiner etwa halben Million Juden um. Deren Lebensaussichten sich durchaus günstiger als z.B. die der Einwohner japanischer Herkunft in Kalifornien […] und mit der Stellung der Neger in den Südstaaten der U.S.A. ist ein Vergleich überhaupt undenkbar!«258 Stattdessen wird der Blick zum Abschluss des Bandes einmal mehr auf die Ideologie gerichtet, indem sich auf zwölf aufeinander folgenden Bildern die Hände der Massen »der Führerhand entgegen[strecken]«, denn, so die Kernaussage von McClatchies »Sieh, das Herz Europas«: »Deutschlands Sonne geht auf.«259 Im Rahmen von Heinrich Hoffmanns Spruchkammerverfahren zieht Fritz Kartini in seinem 1950 gestellten Berufungsantrag zu Hoffmanns Verteidigung »Sieh[e] das Herz Europas« als Bildwerk auf »technischem, soziale[m] und kulturellem Gebiet« heran: Es sei »ein Band hervorragender und besonders typisch europäischer Landschaftsaufnahmen von Sitten und Gebräuchen des jeweiligen landmannschaftlichen Brauchtums«260 – und so verlängert er einmal mehr Stanley McClatchies wie auch Hoffmanns propagandistische Intention. Hoffmann selbst erachtete den Band als ein Buch, das die »Schönheiten, die Kultur und die Fortschritte auf allen Gebieten im Dritten Reich« aufzeige.261 1938 wurde der Band im Zuge von Hitlers Eroberungspolitik durch die Sektion »Hitler baut Großdeutschland« erweitert (ein Auszug aus dem gleich256 257 258 259 260 261
McClatchie, Sieh, das Herz Europas 1937 [1938 e.A.], o.S. [10]. Vgl. ebd., S. 193-199. Ebd., S. 192. Ebd., S. 242ff., 166. Vgl. Berufungsantrag von Fritz Kartini vom 30.06.1950, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 171. IfZ München, MS2049, S. 39.
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namigen Hoffmann-Band262 ). 2011 wurde er als Reprint von dem rechtsradikalen USM-Verlag in Rapid City, USA, neu aufgelegt.263 2013 erschien gar eine Übersetzung des Bandes ins Italienische: »Guarda: il cuore dell’ Europa«264 in einem rechtspopulistischen Verlag. McClatchies Bildband führt ein populäres Nachleben.265 Welche Zielgruppen aber erreichte er zum Zeitpunkt seines Erscheinens 1937, kam er doch – zunächst als englische und nur zwei Monate später schon als deutsche Ausgabe – fast zeitgleich in zwei Sprachen auf den Markt? Der Summary Report (1938)266 dokumentiert Aktivitäten nationalsozialistischer Gruppierungen in Südkalifornien, mit Fokus auf dem Amerikadeutschen Volksbund (»German American Bund«) im Kontext des Deutschen Hauses (»German House«) in Los Angeles in Kalifornien. Der Bericht, der als Spionage-Report unter Joseph Roos267 und der Community Relations Committee of the Jewish Federation Council angelegt wurde, analysiert 262 Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler baut Großdeutschland – Im Triumph von Königsberg nach Wien, Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. 263 McClatchie, Stanley: Look to Germany, the Heart of Europe, USM, Rapid City 2011. 264 McClatchie, Stanley: Guarda: il cuore dell’ Europa, Ed. Thule Italia, Rom 2013. 265 Vgl. Kap. Nachbildung, 1. 266 Summary Report on Activities of Nazi Groups and their Allies in Southern California, submitted to the Congressional Committee Investigating Un-American Activities by The Americanism Committee, Los Angeles County Council of the American Legion, September 1938, in: USC, University of Southern California, Los Angeles, Feuchtwanger Memorial Library, Joseph Roos Collection, Coll. #313, Joseph Roos Papers, Box 10. 267 Joseph Roos (1908-1999), geboren in Wien, ging 1928 in die USA, wo er in Chicago für die Presse arbeitete. 1933 rief er zusammen mit George C. Marshall die ersten staatlichen Ermittlungen gegen nationalsozialistische Aktivitäten in Amerika ins Leben, mit einem Fokus auf dem »German Bund« in Los Angeles. Er veröffentlichte die »National Free Press«, arbeitete unter anderem als Publizist für Universal Pictures und war Gründungsmitglied des Community Relations Committee of the Jewish Federation Council, wo er sich gegen Antisemitismus und Intoleranz sowie für Menschenrechte einsetzte. Im Zuge dessen entstand 1938 der Summary Report, für den Roos als Undercover-Agent agierte und auch Veranstaltungen im »German House« besuchte. Das Archiv-Material der Joseph Roos Collection besteht aus über einhundert Boxen und ist eingegliedert in die Bestände der Feuchtwanger Collection (USC), welche ausgehend von der Sammlung von Marta und Lion Feuchtwanger im Schwerpunkt Exil-Literatur umfasst. Weitere Archivalien, die bis ins Jahr 1990 reichen, befinden sich im Urban Archives Center der California State University, Northridge, Los Angeles (Jewish Federation Council of Greater Los Angeles, Community Relations Committee Collection). Vgl. #313, Joseph Roos Papers, Box 6, S. 1f.
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sowohl Aktivitäten in Los Angeles wie auch einhergehende Kontakte zur nazi-deutschen Regierung, zu Organisationen sowie zu Händlern von Propaganda-Material268 : Er diente unter anderem zur Überwachung von nationalsozialistisch und antisemitisch geprägtem Extremismus sowie als Propaganda-Analyse. Der Amerikadeutsche Volksbund/German American Bund stand unter der Leitung von Fritz Kuhn. Arnold Ages nennt etwa 6.500 Aktivisten und 20.000 Sympathisanten zur Hochzeit des Bundes im Jahr 1938.269 Headquarter des Bundes im Westen der USA war das Deutsche Haus/German House in der 634 West 15th Street in Los Angeles, welches auch unter dem Namen »German American Business League« bekannt war.270 »As you entered«, kommentiert Joseph Roos, »you’d think there is a bar and there is a little bit of a restaurant, and then in the back there was, there were meeting rooms, small ones and large ones. This is where everything took place.«271 Hier fanden unter anderem regelmäßig Film-Abende unter der Leitung von Fritz K. Ferenz mit Filmen wie Triumph des Willens von Leni Riefenstahl statt.272 Eine Werbeanzeige des »Deutschen Hauses« hebt neben deutschem Essen, Unterhaltung und Tanz insbesondere die »echte deutsche Gemuetlichkeit« hervor.273 So erschien der Ort in der Presse als Treffpunkt für die deutsche Gemeinschaft in Los
268 Er umfasst ferner Berichte über Agenten (Deutsches Auslands-Institut und Volksbund für das Deutschtum im Ausland), Propaganda-Material aus Deutschland wie von amerikanischen faschistischen Organisationen, das Auftreten des Amerikadeutschen Volksbundes und dessen Kooperationen (mit anderen Nationen sowie amerikanischen Gruppen); richtet einen Fokus auf Hauptverbündete (Henry D. Allen, Leslie Fry), Faschisten und faschistische Organisationen (Leopold McLaglen, Ingram Hughes, William Dudley Pelley, Kenneth Alexander and the Silver Shirts, American Nationalist Confederation, American Indian Federation, Fascist Organizations Now Extinet) und betrachtet in diesem Geflecht faschistische Akteure wie Fritz Kuhn, den selbsternannten »American fuhrer«, oder Hermann Schwinn, Pacific Coast Leader of the Bund. 269 Vgl.: Heritage, 30.03.1990, Ages: bookreview, o.S., in: #313, Joseph Roos Papers, Box 2. 270 Das »German House« stand unter der Organisation von Hermann Schwinn und Arne Risse, welcher zuvor an der Huntington Library tätig war, vgl. #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 14f. 271 Joseph Roos in: #313, Joseph Roos Papers, Box 6, Folder 3/89, Oral History Transcripts, interview between Leonard Pitt, Murray Wood, and Joseph Roos (12/18/1979; 01/07/1980; 02/14/1980), S. 36. 272 Vgl. #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 110. Der darin erwähnte Filmabend mit Triumph des Willens (D 1935; R: Leni Riefenstahl) fand am 16.02.1936 statt. 273 Vgl. #313, Joseph Roos Papers, Box 8, Folder: Ferenz (clippings).
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Angeles, wurde aber allem voran zu einem Umschlagplatz nationalsozialistischen und antisemitischen Gedankenguts. Ein entscheidender Bestandteil des Deutschen Hauses/German House wurde in dieser Hinsicht der »Aryan Book Store«,274 unterhalten von Hans Diebel, welcher Bücher, Pamphlete, Ephemera, Zeitungen oder sogenannte »News-Services«275 anbot. »The largest part of the propaganda material obtainable at the Aryan Book Store comes from Germany either by boat, by mail or from the NY headquarters of the Bund. Material published by Fascist organizations in America, Canada and England is also on sale there.«276 Zu den deutschen Lieferanten zählte auch der Franz Eher Nachf. Verlag, München, sowie Heinrich Hoffmann, München.277 Es ist davon auszugehen, dass sich hierunter auch Hoffmanns Bildbände befanden,278 so insbesondere Stanley McClatchies Bildband »Look to Germany, the Heart of Europe« (1937) – ist es doch McClatchie, der gleich im ersten Satz der Publikation jenen Angehörigen einer pro-nationalsozialistisch
274 Der »Aryan Book Store« wurde im März 1933 in der 634 West 15th Street in Los Angeles gegründet und warb mit dem Slogan »Books, magazines and newspapers for Enlightment«, in: #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 84. F.K. Ferenz, der das »Continental Theatre« in der 1122 West 24th Street in Los Angeles unterhielt, eröffnete dort gar eine zweite Filiale des »Aryan Book Store«. Die Spielstätte zeigte regelmäßig »German propaganda pictures«, vgl. #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 114. Ferenz war aktiv involviert in die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda sowie antisemitischer Schriften wie dem Nachrichtendienst »Welt-Dienst«, ebd. 275 »The German Academic Exchange Service prints by-monthly news service in English which is sent regularly to many American publications and it is also obtainable at the Aryan Book Store. A great deal of this information finds its way into the columns of Fascist and Nazi publications in this country. […] That this News Service is directly connected with the German American Bund is shown in a new item entitled ›Jewish Accusations Against Organizations of German Americans‹ which appeared in the issue of Jan. 31, 1938, Vol. VI, 1-2«, in: #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 93f. Roos erwähnt außerdem: »The ›Auslands-Institut‹ is one of the main organizations through which N.S. propaganda is distributed all over the world«, ebd., S. 5. 276 #313, Joseph Roos Papers, Box 10, S. 83. 277 Ebd., S. 105f. 278 Möglicherweise bot Hoffmann gar unter dem leicht abgewandelten Namen »H.R. Hoffman« einen eigenen News-Service, den »News From Germany«, an. Roos listet als Versandadresse Riedenerweg 1, Starnberg. Vgl. ebd., S. 102ff. Es ist im Kontext der Archivalien des Summary Reports ferner eine separate Akte von »Hoffman« verzeichnet, die sich im Archiv der Hoover Institution an der Stanford University in Kalifornien befindet und ggf. Rückschlüsse hierauf erlaubt.
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gesinnten »Gruppe« aus Los Angeles zitiert, den er in Berlin bei der Olympiade 1936 traf: »And as for this man, Hitler … Well, I believe we should all like to take him back to America with us and have him organize things there just as he has done in Germany.«279 Es ist anzunehmen, dass McClatchies Bildband aus genau diesem Grund auf Englisch und Deutsch erschienen ist, so dass er über das fotografische Bild hinaus sowohl ein englisch- wie deutschsprachiges Publikum im Zirkel des Amerikadeutschen Bundes/German American Bund erreichen konnte. Es ist ferner nicht auszuschließen, dass sich Stanley McClatchie selbst zum Bund zählte. Fest steht: Hoffmanns Fotografien sollten auch in Los Angeles ›nationalsozialistisch bilden‹. So hielt Walter Steiner, der lokale Repräsentant von Hoffmanns Berliner Filiale, am 4. Juni 1939 einen Lichtbild-Vortrag für Kinder im Rahmen eines von der German School of Los Angeles organisierten »Children’s Picnic« im Hindenburg Park.280 »The tone of the whole affair shows very clearly«, bemerkt Roos, »that the purpose of the German School is nothing else but to teach children of German-American parents along propagandistic lines set down in Berlin.«281 Der Hindenburg Park im Bezirk La Crescenta (Los Angeles County) diente über mehrere Jahre hinweg als Ort für sogenannte »German Picnics«282 : festliche Zusammenkünfte nationalsozialistischer Gruppierungen mit Umzügen, Aufmärschen, Ansprachen und Empfängen, wie beispielsweise des Kommandanten Leopold Siemens und der Flotte des »Leichten Kreuzers Karlsruhe« am 12. April 1936. Flaggen mit Hakenkreuz und Banner mit Parolen wie »Deutschland erwache« prägten die Szenerie. Auch der »Aryan Book Store« war bei den »German Picnics« mit einem Ver-
279 »A genuine, hundred per cent American said that to me during the Olympic Games«, fährt McClatchie fort. »He belonged to a group from my home city, Los Angeles, which I had accidentally met. And the others nodded silent approval to his remarks as if that was the natural conclusion of everyone«, in: McClatchie, Look to Germany, the Heart of Europe 1937, o.S. [Vorwort]. 280 #313, Joseph Roos Papers, Box 10, Report Nb. 5 of II, S. 679f. [re: page 127]. 281 Ebd. So hält auch Arnold Ages in einer Rezension über Robert E. Herzstein »Roosevelt and Hitler: Prelude to War« 1990 fest: »People like Schoenemann, Dieckhoff and Hoffman […] were dispatched to this continent to rehearse the positive aspects of the nazi regime […]«, Ages: bookreview, in: Heritage, 30.03.1990, o.S., in: #313, Joseph Roos Papers, Box 2. 282 23 fotografische Ansichten dokumentieren die Aktivitäten im Hindenburg Park im Zeitraum [1934-1937]: phot CL 400/2/3846-3868 sowie phot CL 400/2/3869-3890, HSSCPuck-Collection, The Huntington Library, San Marino, California.
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kaufsstand vertreten und brachte in amerika-deutscher Biergartenatmosphäre nationalsozialistische Publikationen in Umlauf.283 Eine weitere Ausgabe von »Sieh, das Herz Europas« gilt es insbesondere zu beachten: erschienen im Kleinformat, etwa 8 x 10 cm groß, nur 20 Seiten stark.Das Cover entspricht der grafischen Gestaltung des McClatchie-Bandes im Hoffmann-Verlag, wohingegen die erste Seite ankündigt, dass das Heft vom »Volk- und Reich-Verlag, Berlin W 9«284 herausgegeben wurde. Während die Typografie wie auch die Überschrift des ersten Textbeitrages – »Deutsche Flieger in Spanien, Begegnung zweier Deutscher« – in nationalsozialistischer Gestaltungsart erscheinen, wird beim Lesen des Textes ersichtlich, dass es sich hierbei um eine das nationalsozialistische System kritisierende Schrift handelt: um eine Tarnschrift.285 Es ist eine Kriegsberichterstattung aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), die sich in erster Linie an deutsche Soldaten, an Hitlers sogenannte »Freiheitsarmee« richtet und sich gegen die aktive Beteiligung deutscher Flieger am Bombenkrieg auflehnt. Deutschland leistete Franco bereits wenige Tage nach Beginn des Spanischen Bürgerkrieges militärische Unterstützung durch deutsche Luftwaffeneinheiten. Die auf Deutsch verfasste Schrift trägt so auch das Entsetzen über die Zerstörung der Stadt Guernica in sich, die am 26. April 1937 von deutschen Bombenflugzeugen angegriffen wurde. Das 1938 erschienene Heft – das legt die Nennung der Opfer und Verluste des Jahres 1937 nahe286 – operiert durch Sprache: Dabei wird durch ein inszeniertes Lehrgespräch zwischen Republikanern und Nationalisten verdeutlicht, dass »das, was Hitler in Spanien mach[e]«, ein Verbrechen sei.287 Der Opferbericht eines verwundeten Kindes in Briefform soll das Unmenschliche und die Dummheit der zerstörerischen Handlung
283 Vgl. Abb. 25, digitaler Bildteil. Hindenburg Park, German Day, Sept 17, 1934. phot CL 400/2/3851, HSSC-Puck-Collection, The Huntington Library, San Marino, California. 284 Siehe weiterführend zum Volk und Reich Verlag, Berlin: Jaeger, Roland: »Bücher zum Zeitgeschehen. Der Volk und Reich Verlag, Berlin«, in: Heiting/Jaeger 2012, S. 440-455. 285 McClatchie, Stanley: Sieh, das Herz Europas, Volk und Reich Verlag, Berlin [1938]; [Tarnschrift: Deutsche Flieger in Spanien]; hier S. 3. Diese Publikation besitzt absoluten Seltenheitswert und wurde von der Autorin in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin entdeckt. Sie wurde erst durch den Hinweis der Autorin als Tarnschrift in der Bibliotheks-Datenbank verzeichnet. 286 Ebd., S. 17. 287 Vgl. ebd., S. 10.
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der deutschen Flieger vor Augen führen,288 während die Erzählung eines deutschen Soldaten intendiert, den Glauben an die deutsche Propaganda zu brechen.289 Die Schrift ist eine Aufforderung zum Denken. Sie verweist auf die deutschen Konzentrationslager,290 richtet sich gegen das stumme Befolgen von Befehlen und formuliert ein Plädoyer für die Freiheit: selbst über das eigene Handeln zu entscheiden, wenn nicht gar im Widerstand aktiv zu sein. Das Aufeinandertreffen der nationalistischen und der republikanischen Front wird dargestellt am Beispiel zweier Soldaten, die einst in freundschaftlichem Verhältnis standen, doch durch die deutschen Luftangriffe auf Madrid nun gegeneinander kämpfen: »Wir dachten, ihr könntet sie hören [die Geschichte, Anm. d.A.]. Denn so selten diese Begegnung zweier Deutscher bei Fuencarral ist, es werden sich ähnliche Begegnungen wohl bald wiederholen, wenn Hitler seinen großen Krieg beginnt. Der wird ein Bürgerkrieg sein, mit Fronten, die sich durch alle Länder ziehen. Wir dachten, es würde gut sein für euch, wenn ihr euch heute schon fragen könntet, für welche Sache ihr dann sterben wollt.«291 Die Aussage richtet sich in ihrer Essenz nicht nur an deutsche Soldaten, sondern an alle Menschen – und so mündet die direkte Rede am Ende des Heftes in eine umfassende Warnung vor Hitler, dem Dritten Reich und der Politik des Nationalsozialismus: »Auf spanischem Boden bereitet Hitler die kommende Niederlage der deutschen Armee vor. […] Hitler führt Euch in den Krieg. Hitler führt Euch in die Niederlage. Unter den Fahnen Hitlers werdet Ihr geschlagen werden, ruhmlos und ehrlos.«292 Es stellt sich abschließend die Frage: Wer hat diese Tarnschrift verfasst? Wurde sie unter Umständen gar vom Community Relations Committee of the Jewish Federation Council angelegt und als kostenlose Broschüre bei Veranstaltungen wie den »German Picnics« ausgelegt? Über ihren Entstehungskontext ist nichts bekannt. Zumindest eine separate Box der Joseph Roos Collection gibt einen Hinweis darauf, dass auch Aktivitäten im Rahmen des Spa-
288 Ebd., S. 11ff. 289 Vgl. ebd., S. 7. 290 »Unter uns ist einer, der saß anderthalb Jahre im Konzentrationslager. In den deutschen Gefängnissen sind Zehntausende eingekerkert, nicht auf Tage, sondern auf Jahre«, ebd. 291 Ebd., S. 5. 292 Ebd., S. 20.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
nischen Bürgerkriegs von der amerikanischen Organisation überwacht wurden.293 Die Aktivitäten und Verkäufe nationalsozialistisch sowie antisemitisch geprägter Gruppen in Los Angeles gingen jedenfalls auch nach 1945 weiter, wie Joseph Roos 1983 in der LA today berichtete294 – darunter befand sich dann auch Heinrich Hoffmanns 1955 erschienenes Buch »Hitler was My Friend«.
2.4
Bündnispolitik und internationale Beziehungen – die Achse Berlin–Rom: »Mussolini erlebt Deutschland« (ab 1937) und »Hitler in Italien« (ab 1938)
Die Verbindung von Nationalsozialismus und Faschismus erfuhr beim deutsch-italienischen Eingreifen in den Spanischen Bürgerkrieg weitreichende Sichtbarkeit und wurde von Benito Mussolini am 1. November 1936 in einer Ansprache in Mailand mit »Achse Berlin–Rom« in ihrem BündnisCharakter benannt.295 Um der deutsch-italienischen Beziehung propagandistisch Ausdruck zu verleihen, widmete Heinrich Hoffmanns Unternehmen den gegenseitigen Staatsbesuchen von Benito Mussolini und Adolf Hitler zwei Bildbände, »Mussolini erlebt Deutschland« (ab 1937) und »Hitler in Italien« (ab 1938), die schließlich auch zusammengefasst – als leinengebundene Sonderedition mit Goldprägung des nationalsozialistischen Hakenkreuzes und des faschistischen Liktorenbündels – unter dem Titel »Achse Berlin–Rom« angeboten wurden.296 Die Besuche der Diktatoren, Mussolini in Deutschland vom 25. bis 29. September 1937 und Hitler in Italien vom 3. bis 9. Mai 1938, bildeten
293 #313, Joseph Roos Papers, Box 31, Spain 1936-1941. Die Archivalien befinden sich im Urban Archives Center der California State University, Northridge, Los Angeles. 294 Roos, Joseph: »Professional Hate Merchants«, in: LA today, Vol. 11, No. 146, vom 12.08.1983, in: #313, Joseph Roos Papers, Box 2. 295 Das Bündnis verstärkte sich im Antikominternpakt (25.11.1936, mit Anschluss Italiens 1937) zur Bekämpfung der Kommunistischen Internationale. Vgl. Benz/Graml/Weiß, Hermann 1997, S. 347, 364, 434, 745f. 296 Hoffmann, Heinrich (Hg.): Achse Berlin–Rom, [Verlag Heinrich Hoffmann, München] [1938]. Hoffmann hatte bereits 1934 eine Fotoreportage über Hitlers und Mussolinis erstes Zusammentreffen angefertigt: »Die historische Begegnung zwischen Adolf Hitler und Mussolini in Venedig«, Sonderbericht für den ›I.B.‹ von Heinrich Hoffmann, in: Illustrierter Beobachter, 30.06.1934 (9. Jg.) Nr. 26, S. 1062-1063.
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grundlegende Ereignisse für spätere, daraus resultierende Bündnisse zwischen Deutschland und Italien: hervorgingen unter anderem der Stahlpakt (22. Mai 1939) zur außenpolitischen Isolierung der UdSSR und zur gegenseitigen diplomatischen und militärischen Unterstützung (Militärbündnis) wie auch der Dreimächtepakt (27. September 1940) zwischen Italien, Japan und dem Deutschen Reich. Sie bildeten zugleich Anlass für umfassende Propaganda-Maßnahmen, die in Italien wie in Deutschland zu einer Vielzahl medialer Inszenierungen führten und mit Hitlers Empfang in Italien 1938 einen Höhepunkt erlangten. Ralph-Miklas Dobler legte 2015 eine grundlegende Analyse dieser medialen Inszenierungen vor.297 Heinrich Hoffmanns Bildbände »Mussolini erlebt Deutschland« und »Hitler in Italien« sollen Einheit vermitteln und sind auf ein vergleichendes Sehen hin ausgerichtet. Das Ziel der Doppelpublikation bestand nicht nur darin, der »Achse Berlin–Rom« einen Bildkörper zu verleihen, diesen zugänglich zu machen und damit das politische Bündnis zwischen Führer und Duce bildwirksam zu bekräftigen. Die Bildbände basieren – ganz ähnlich wie »Hitler wie ihn keiner kennt« – auf einer Sympathie-Strategie: und zwar durch die Darstellung des gegenseitigen Einvernehmens der Diktatoren, Sympathisanten für das faschistische Italien im Deutschen Reich und vice versa für die nationalsozialistische Ideologie in Italien zu gewinnen. Das Bündnis betrifft damit nicht nur die bis zu diesem Zeitpunkt getroffenen und daran anschließenden politischen Abkommen, sondern ganz konkret auch die intendierte deutsch-italienische Völkerverständigung. Waren sich Mussolini und Hitler doch darin einig, dass es das »Menschenmaterial« sei, mit dem man Politik mache.298
297 Dobler 2015. Doblers Publikation bildet ein wesentliches Referenzwerk, legt er darin auch eine Betrachtung des Hoffmann’schen Bildbandes »Hitler in Italien« vor, vgl. S. 238-258. Siehe außerdem: Nitz, Wenke: Führer und Duce – Politische Machtinszenierungen im nationalsozialistischen Deutschland und im faschistischen Italien, Böhlau, Köln 2013; sowie Baltzer, Nanni: Die Fotomontage im faschistischen Italien – Aspekte der Propaganda unter Mussolini, De Gruyter, Berlin 2015. 298 Mussolini, zitiert nach Sarfatti: »›Der Journalismus‹, bestätigt der Journalist Mussolini, der sich nie ganz von seinem Beruf loslöste, ›der Journalismus hat meinen Geist gebildet, der Journalismus hat mich dazu gebracht, das Menschenmaterial [Herv. d.A.], mit dem man Politik macht, kennenzulernen […]‹«, in: Sarfatti, Margherita G.: Mussolini – Lebensgeschichte, nach autobiographischen Unterlagen, hg. von Alfred M. Balte, Paul List Verlag, Leipzig 1926, S. 326. Auch Hitler verwendet 1927 im zweiten Band von »Mein Kampf« die Formulierung »Menschenmaterial«: »Die Propaganda mußte der Organisa-
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Frontispiz und Bezugnahme zum Titel Beide Bände beginnen mit einem Doppelportrait von Duce und Führer, den »Garanten des Friedens«, wie die jeweilige Bildunterschrift verkündet; wobei in »Mussolini erlebt Deutschland« von den Betrachtenden aus gesehen Benito Mussolini links und Adolf Hitler rechts steht und bei »Hitler in Italien« Hitler links und Mussolini rechts: Es ist jeweils der Gast, der an der rechten Seite des Diktators empfangen wird. Das Reisen umfasst sodann als stilistische Klammer den Bildteil der beiden Bücher: Ist es 1937 Mussolini, der sich mit Blick aus dem Zugfenster auf die Alpen der deutschen Landesgrenze nähert299 und am Ende der Reise von Hitler zum Zug begleitet und dort mit Hitlergruß verabschiedet wird,300 verlässt 1938 Hitler erst mit der Autokolonne durch Berlin, dann ab dem Anhalter Bahnhof mit dem Zug das Deutsche Reich301 und wird nach seiner Rundreise durch Italien von Mussolini mit Handschlag am Bahnhof in Florenz verabschiedet – während Hermann Göring, der ihn bereits in Berlin zum Zug begleitet hatte, ihn dann wieder in Deutschland mit einem Willkommensgruß empfängt.302 Es ist allem voran der Beginn, den Hoffmanns Bildbände zelebrieren und dem der Reichspressechef Otto Dietrich im Vorwort Bedeutung verleiht: »Ein wahrhaft ergreifendes, die Seele zweier Völker umfassendes Erleben beginnt, als Benito Mussolini, der Römer, in München deutschen Boden betritt, und der Führer ihm die Hand, die Hand des deutschen Volkes, entgegenstreckt. Die Weltpresse hat keinen Maßstab für diese Begegnung.«303 Mussolinis Besuch in Deutschland gilt als Ausgangs- und Wendepunkt hinsichtlich der nationalsozialistischen Bündnispolitik. Vorwort Viel mehr als eine diplomatische Mission sei der Besuch Mussolinis in Deutschland eine Mission des Herzens,304 schreibt Otto Dietrich,
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tion weit voraneilen und dieser erst das zu bearbeitende Menschenmaterial [Herv. d.A.] gewinnen«, in: Hitler 1935, S. 649. Hatte er den Begriff von Mussolini gar übernommen? Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Mussolini erlebt Deutschland, [ohne Angabe der Auflage], Verlag Heinrich Hoffmann, München 1937, S. 9. Vgl. ebd., S. 98f. Vgl. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München 1938, S. 9. Vgl. ebd., S. 92ff. Hoffmann: Mussolini erlebt Deutschland, S. 6f. Vgl. ebd., S. 7.
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der in beiden Bildbänden die einführenden Worte verfasst hat. »[W]as wir in den letzten Septembertagen dieses Jahres in Deutschland erlebten, das Zusammentreffen jener beider Männer, die allein aus der Kraft ihrer Persönlichkeit dieses Wunder an ihren Völkern vollbrachten und nun die Gemeinsamkeit ihrer Ideen und den Gleichklang ihrer Herzen im Jubel der Millionen zur Schicksalsverbundenheit zweier Völker emporwachsen ließen – das ist ein einmaliges und einzigartiges Erleben, das alle, die an ihm teilhatten, den Hauch großer Geschichte atmen ließ.«305 Das Pathos ergänzt er durch politische Prognosen: dass eine ganz neue Idee der europäischen Politik geboren würde »im Interesse des Friedens und der Wohlfahrt der Völker«, ja dass zwei starke Völker, wenn sie sich vereinten und geschlossen handelten, mehr seien als die Summe ihrer Kräfte.306 Die Motivation zur Zustimmung zu den »beiden genialen Staatenbildner[n]«307 mündet dann wenige Monate später im Vorwort von »Hitler in Italien« in Formulierungen mit Schlagwort-Charakter: Die »Freundschaft der Führer« sei zugleich auch die »Freundschaft der Völker!«,308 wobei das fotografische Bild »keine Möglichkeit der Täuschung mehr über die Bedeutung dieser Achse«309 lasse. Hierbei wird die Italienfahrt des Führers »zu einem Erlebnis von vielleicht nie dagewesener symbolischer Kraft« verklärt, als ein »Triumphzug, wie ihn Italien, ja die Welt seit den Tagen der römischen Cäsaren nicht sah.«310 »Hitler in Italien« formuliert gleichermaßen Leistungsschau und Lobgesang auf Mussolini und die »faschistische Energie«,311 besiegelt bilddidaktisch das Bündnis von Nationalsozialismus, Faschismus und der deutsch-italienischen Freundschaft – und ist eine explizite Absage an die Demokratie und den Kommunismus.312 Bildstrecke Beide Bildbände finden ihre Grundstruktur durch die Abfolge der Reisetage und damit der besuchten Städte. Thematisch richtet sich die Darstellung auf politische wie kulturelle Errungenschaften und Aussagen. Während durch Ehrungen der Gefallenen, militärische Vorführungen (Luftwaf-
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Ebd., S. 6. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. ebd., S. 6. Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 5. Ebd., S. 6. Ebd. Ebd. Ebd., S. 5.
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fe, Marine, Heer sowie Miliz), Paraden, Kundgebungen oder die Bekanntmachungen italienischer und deutscher Politiker untereinander die Potenz der jeweiligen Nation präsentiert werden sollte, bekunden Besichtigungen von Museen und Kunstwerken, das Erleben architektonischer Meisterwerke sowie die Demonstration industrieller Fertigkeit (wie die technischen Neuheiten der deutschen Luftwaffe) die Kultur als wesentlichen Ausdruck ›entwickelter Völker‹ – so die intendierte Botschaft der Bände. Die Darstellung dieser flächendeckenden Stärke ist grundlegend für alle hierauf folgenden Bildbände von Heinrich Hoffmann, die Hitlers Gebietseroberung zum Gegenstand haben werden.313 Fahrten entlang geschmückter Straßen und jubelnder Menschenmassen mit Flaggen beider Nationen führen die Popularität von Mussolini wie auch von Hitler vor. Das Landleben spielt – bis auf eine Aufnahme vom italienischen Landvolk mit Ochsengespann in »Hitler in Italien«314 – keine Rolle. Es ist vielmehr die Exklusivität, die in beiden Bildbänden hervorgehoben wird und die den Diktatoren in ihrem jeweiligen Gastland zu eigen wird: residiert Mussolini in München im Prinz-Carl-Palais,315 so logiert Hitler in Rom im Palazzo del Quirinale, im königlichen Schloss.316 Der Bildband »Mussolini in Deutschland« richtet zu zwei Dritteln den Fokus auf die Städte München317 und Berlin,318 mit einem Seitenblick auf »die Waffenschmiede des Reiches, die Krupp-Stadt Essen«.319 Symbolträchtig ist
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Wie unter anderem die Titel: »Hitler in seiner Heimat« [ab 1938], »Hitler holt die Saar heim« ab 1938, »Hitler befreit Sudetenland« [ab 1938], »Hitler baut Großdeutschland – im Triumph von Königsberg nach Wien« [ab 1938], »Hitler in Polen« ab 1939, »Hitler in Böhmen, Mähren, Memel« ab 1939, »Mit Hitler im Westen« ab 1940; alle herausgegeben von Heinrich Hoffmann. Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 29. Hoffmann, Mussolini in Deutschland, S. 22-25. Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 17-19. Mit den Schauplätzen: Marienplatz, Odeonsplatz, Ludwigstraße, Prinz-Carl-Palais, Ehrentempel, Königsplatz, Führerhaus, Haus der Deutschen Kunst. Mit den Schauplätzen: Brandenburger Tor, Reichskanzlei, Ehrenmal/Unter den Linden, Maifeld, Olympia-Stadion mit Lichtdom. Hoffmann, Mussolini in Deutschland, S. 56-59. Weitere Aufenthaltsorte bilden Potsdam mit dem Besuch des Denkmals Friedrich des Großen (S. 76f.) wie auch Karinhall, Görings Landsitz in der Schorfheide (S. 93-97), im Umfeld dessen »Mussolini [P]rivat« erfahrbar werden sollte. In Essen erhält Mussolini eine Führung durch die Kruppwerke von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.
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eine Aufnahme, die in München beim Besuch der Großen Deutschen Kunstausstellung 1937 entstanden ist und Mussolini und Hitler vor Josef Thoraks Monumentalskulptur »Kameradschaft« auftreten lässt.320 Die umherschweifenden und fliehenden Blicke der Diktatoren wie auch die extremen Schlagschatten ihrer sich bewegenden Körper lassen darauf schließen, dass diese Aufnahme zufällig beim Ausstellungsrundgang entstanden ist, jedoch mit einer doppelten Bedeutung des kameradschaftlichen Schulterschlusses – bei der skulpturalen Zweiergruppe figurativ, bei den Diktatoren sinnbildlich – als Zeichen gewertet und visuell übertragen wurde. Die Aufnahme stützt in ihrem Symbolgehalt die Aussagen der Ansprachen von Mussolini und Hitler bei der nächtlichen Kundgebung auf dem Maifeld in Berlin, wo Mussolini die »Ethik des Faschismus« ausführt (»Klar und offen reden, und wenn man einen Freund hat, mit ihm zusammen bis ans Ende marschieren!«) und Hitler die Gemeinsamkeiten ihrer Ansichten und ihres Handelns betont sowie die faschistische und nationalsozialistische Revolution als Kraft und Garanten für die Erhaltung Europas und deren kulturelle Mission proklamiert.321 Das Kulturgut Europa, mit dem im Wesentlichen das Deutsche Reich und das faschistische Italien gemeint waren, tritt dann auch maßgeblich in dem Band »Hitler in Italien« in Augenschein, spiegeln sich in diesem der militärische Festakt und das Zelebrieren der ›ewigen Stadt‹ gleichermaßen. Nahezu die Hälfte der fotografischen Aufnahmen fokussiert Hitlers Empfang in Rom, wobei »Rom als begehbare Opernbühne« erscheinen sollte, wie Ralph-Miklas Dobler herausgestellt hat: »Man übergab den Entwurf für den Schmuck der Hauptstadt dem Bühnenbildner der römischen Oper, Alfredo Furiga«, der aus dem Stadtraum eine theatralisch inszenierte Erlebniswelt hervorbringen sollte.322 Die Piazza Venezia mit dem Nationaldenkmal Vittorio Emanuele II und dem Palazzo Venezia, das Kolosseum und die Maxentiusbasilika (Forum Romanum), nicht zuletzt die Via dell’ Impero und die Via del Trionfi, über die sich am 6. Mai 1938 die große Militärparade erstreckte,323 wurden zu zentralen Motiven in Hoffmanns Bildband, welche in Kombination mit dem Heeres320 321 322 323
Ebd., S. 43. Ebd., S. 87. Vgl. Dobler 2015, S. 151. »Die Parade, an der über 30.000 Soldaten, 400 Kanonen, 400 Panzerwagen und 1.000 Autos beteiligt waren, nahm am Circo Massimo ihren Ausgang und führte über die Via dei Trionfi, die Piazza del Colosseo sowie die Via dell’ Impero zur Piazza Venezia, um über die Via del Mare zurück zum Ausgangspunkt zu kehren«, in: Dobler 2015, S. 75. Siehe eine dezidierte Beschreibung des Festaktes ebd., S. 73ff.
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aufmarsch die Größe und Macht der benannten europäischen Kultur vorführen sollten. Während eine Sektion des Bandes der italienischen Kriegsmarine und somit der faschistischen Seemacht gewidmet ist, die Hitler im Golf von Neapel präsentiert wurde,324 oder eine weitere die italienische Luftwaffe – zum Beispiel in Hakenkreuzformation über Furbara – zeigt,325 um militärische Kompetenz zu signalisieren, widmet sich eine andere Bildstrecke insbesondere der Kunstbetrachtung, war doch Hitler »[…] nicht nur als Staatsmann, sondern mit dem für das Schöne und Erhabene aufgeschlossenen Blick des Künstlers«326 – wie bereits Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1786 – nach Italien gekommen.327 Die Besichtigung der Augustus-Ausstellung, die Mostra Augustea della Romanità im Palazzo delle Esposizioni,328 wurde ebenso in Hoffmanns Bildband herausgestellt wie der Besuch der Villa Borghese329 : wobei hier ein bewusst gesetztes Bildarrangement Hitlers staunende Betrachtung der Skulptur »Raub der Proserpina« (Pluto-Proserpina-Gruppe) vom Hauptmeister des italienischen Barock, Giovanni Lorenzo Bernini, suggeriert und damit implizit auch Hitlers Bewunderung für die Architektur Roms nahelegt, die Bernini maßgeblich mitgeprägt hat. Bei den Besuchen der Städte Siena und Florenz werden schließlich die Darstellenden Künste hervorgehoben, so bei der Freilichtaufführung des Lohengrin in Siena330 oder der Präsentation mittelalterlicher Ritterspiele in den Boboligärten am Palazzo Pitti in Florenz.331 Die Darstellung des Machtbündnisses und Heroentums erhält nicht zuletzt Manifestationscharakter mit einem Spektakel im Forum Mussolini in Rom, wenn die faschistische Jugend sich zu »lebenden
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Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 36-43. Ebd., S. 77. Ebd., S. 7. Der Vergleich mit Goethe wird so auch in einer italienischen Publikation nahegelegt, vgl.: Romei, Giovanni/Iacobelli, Luciano/Mancuso, Domenico: Hitler in Italia – un Giorno a Napoli, Tip. Amodio, Neapel 1938, S. 50. 328 Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 65. Dobler bemerkt, dass Hitler die AugustusAusstellung, die 1938 anlässlich des 2000. Geburtstages des römischen Kaisers Augustus ausgerichtet wurde, gar zweimal besuchte. Vgl. Dobler 2015, S. 79. Vgl. außerdem eine umfassende Darstellung von Hitlers Ausstellungsrundgang am 7. Mai 1938, ebd., S. 79ff. 329 Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 66-69, hier S. 68/69. 330 Ebd., S. 80. 331 Ebd., S. 84-87.
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Symbolen« in Form von Hakenkreuz und dem Buchstaben M für Mussolini formiert.332 Dass es durchaus Heinrich Hoffmann persönlich war, der das Bündnis zwischen Mussolini und Hitler in Deutschland und Italien unmittelbar mitverfolgte, davon kündet schließlich eine Aufnahme in »Mussolini erlebt Deutschland«: ist es doch der fotografierende Hoffmann, der im Hintergrund der sich unterhaltenden Diktatoren im Führerhaus die Kamera vors Auge hält.333 Ralph-Miklas Dobler dokumentiert wiederum Hoffmanns Mitreise nach Italien, wo er auf allen Einladungslisten der jeweiligen Veranstaltungen verzeichnet und somit überall präsent war.334 Die Doppelpublikation »Achse Berlin–Rom« bzw. die beiden Bildbände »Mussolini erlebt Deutschland« und »Hitler in Italien« scheinen vor diesem Hintergrund nicht nur für die deutsch-italienische Bündnispolitik ein entscheidendes Propaganda-Format gewesen zu sein, sondern auch für Heinrich Hoffmann selbst einen Meilenstein in seiner Unternehmensgeschichte markiert zu haben. So ist »Hitler in Italien« auch der erste Band, bei dem die Herausgeberschaft Hoffmanns explizit auf dem Schutzumschlag genannt wird. Das in beiden Ländern medial umfassend inszenierte Ereignis des Hitlerbesuches in Italien bot darüber hinaus einen weiteren Absatzmarkt für Hoffmanns Fotografien und die Verwendung des Bildmaterials der Firma Hoffmann in der italienischen Bildberichterstattung.335 Mehr noch orientierte sich das Ministero della Cultura Popolare (MinCulPop) an Hoffmanns Bildbandkonzeption, die durch »Mussolini erlebt Deutschland« verstärkt nun auch in Italien wahrgenommen wurde336 und die Anlass dafür war, dass das Außenministerium »einem Fotografen des Istituto Luce sowie zwei Gehilfen 332 Ebd., S. 79. 333 Hoffmann, Mussolini erlebt Deutschland, S. 41. 334 Vgl. Dobler 2015, S. 239. Kerbs merkt an, dass 1938 anlässlich Hitlers Reise nach Italien neue Uniformen für Bildberichterstatter in Auftrag gegeben wurden, vgl. Kerbs 1983, S. 151. 335 So lieferte Hoffmann beispielsweise einige Aufnahmen, wie sie in »Hitler wie ihn keiner kennt« Verwendung fanden für die Publikation: Casini, Gherardo (Hg.): Italia e Germania, Maggio XVI, Libreria Ulpiano Editrice, Rom 1938. Dobler legt eine ausführliche Betrachtung des Bandes vor in: Dobler 2015, S. 289-298. 336 Noch im selben Jahr (1937) erschien eine italienische Auflage von »Mussolini erlebt Deutschland« im Verlag Mondadori unter dem Titel »Il Duce in Germania«, vgl. Dobler 2015, S. 258. Stark angelehnt an Hoffmanns Bände erscheint dann auch der Titel: Massani, Giuseppe: Duce e popolo, Il Rubicone, Rom 1942.
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und zwei Kameramännern genehmig[t], sich ebenfalls im unmittelbaren Gefolge von Mussolini aufhalten zu dürfen«337 – so, wie es für Heinrich Hoffmann und seine Mitarbeiter üblich war. Mit Hoffmanns Bildbänden als Vorlage entstand sodann auch der vom MinCulPop herausgegebene zweisprachige Fotoband »Hitler in Italia«,338 der aufgrund seiner geringen Auflage aber eher als Sammelband wirkte denn als Massenmedium fürs Volk.339 Auffällig ist, dass die italienischen Publikationen im Vergleich zu Hoffmanns Bänden stärker auf Text basieren, das heißt das fotografische Bild mehr als Illustration zur Repräsentation denn als Narrativ verwendet wird – wohingegen dem Wort eine größere metaphorische Bedeutung zugewiesen wird.340 Ralph-Miklas Dobler verweist darauf, dass Benito Mussolini keinen Leibfotografen hatte, wie etwa Hitler mit Hoffmann,341 und Lorenzo Bianchi betont 1938: »Die Photographien, die ihn [Mussolini] darstellen, während er in den mannigfaltigsten Stellungen redet, sagen etwas davon aus, aber nicht alles [Herv. d.A.]«342 , womit er in Bezug auf Mussolinis politisches InErscheinung-Treten das gesprochene Wort über die Aussagekraft des Bildes stellt. Es kann festgehalten werden, dass die Fotografie in der nationalsozialistischen Propaganda als Medium eine größere Rolle einnahm, um Situationen zu erschaffen, als in der faschistischen Propaganda, die mehr auf sprachlicher Inszenierung basierte. Ist dies gar vor dem Hintergrund zu sehen, dass Mussolini, bevor er Politiker wurde, als Journalist, ja als Chefredakteur tätig war, wohingegen Hitler durch seinen Berufswunsch des Künstlers der Wirkung des Visuellen näherstand? Das gesamte Medienereignis um Hitler und Mussolini kam jedenfalls auch Hoffmanns Netzwerk zugute, kooperierte er anlässlich dessen nun mit dem Bildarchiv Istituto Luce in Rom, wie Ansichten in »Hitler in Italien«
337 Dobler, ebd. 338 Hitler in Italia – Hitler in Italien, Maggio XVI, Ministero della Cultura Popolare, Direzione Generale della Propaganda, Società Editrice di Novissima, Rom 1938. Dobler legt eine ausführliche Betrachtung des Bandes vor, in: Dobler 2015, S. 258-282. 339 Vgl. Dobler 2015, S. 259. 340 Vgl. zum Beispiel: Il Führer in Italia, Edizione Speciale della Agenzia Stefani, o.O., 1938 [viersprachige Publikation: Deutsch, Italienisch, Englisch, Französisch]. 341 Vgl. Dobler 2015, S. 258. 342 Bianchi, Lorenzo: Mussolini als Schriftsteller und als Redner, Petrarca-Haus Köln und Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1938, S. 20.
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belegen.343 Ein besonderer Bild-Fall wird im Vergleich mit dem Bildband »L’Asse nel pensiero dei due popoli – Die Achse im Denken der beiden Völker« von Paolo Orano344 deutlich: Hier (o.S.) ist jene Ansicht integriert, die Hoffmann in »Hitler in Italien« auf Seite 15 mit der Bildunterschrift »Menschenmauern umgeben den Zug des Führers« präsentiert. Während in der Original-Aufnahme der Bildagentur Luce Hitler aus dem Zugfenster schaut und einzig von leerem Raum (weißer Fläche) umgeben ist,345 zeigt Hoffmanns manipulierte Ansicht im Fensterausschnitt Menschen, die sich mit Hitlergruß dicht an den Zugwagen drängen346 und in »Begeisterungsstürmen von der Grenze bis nach Rom«347 Hitlers Beliebtheit in Italien bezeugen. Auffällig bei der Ansicht auf Seite 14 – die dem Blick Hitlers aus dem Zug in diesem Doppelseiten-Arrangement anbei gestellt wurde – ist, dass das jubelnde Publikum am Bahnhof nicht nur aus verschiedenen fotografischen Aufnahmen zusammengestellt und hintereinander gestaffelt worden ist, um eine flächendeckende Menschenmenge zu suggerieren, sondern dass auch insbesondere die Gesichter von Jungen auf einige im Bild exponierte Körper montiert wurden, um verstärkt die jugendliche Begeisterung und den Erfolg der wachsenden Zustimmung zu betonen. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie Hoffmanns fotografische Ansichten und Bildbände durch das Erzeugen narrativer Kontexte darauf ausgerichtet wurden, Hitlers Popularität zu demonstrieren und als bleibenden Eindruck zu verankern.
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Territoriale Eroberung und Zwangsarbeit im ›rechten‹ Licht: »Mit Hitler in Polen« (ab 1939) und »Wir arbeiten bei Junkers« (1943)
»Der Photoband ›Mit Hitler in Polen‹ ist auch objektiv gesehen keine Propaganda, sondern er ist damals, wie vor allem auch heute, ein wertvoller Bei343 Welche Aufnahmen Hoffmann in »Hitler in Italien« von Luce übernommen hat, wird zum Beispiel im Vergleich mit dem Bildband »Hitler in Italia«, Rom 1938, ersichtlich: Die Ansichten der Seiten 66, 78 und 93 der römischen Ausgabe entsprechen den Ansichten der Seiten 72, 80 oben und 40 unten der Hoffmann’schen Publikation. 344 Orano, Paolo: L’Asse nel pensiero dei due popoli – Die Achse im Denken der beiden Völker, Pinciana, Rom 1938. 345 Das Foto wurde am 3. Mai 1938 am Bahnhof in Bologna durch Spartaco Appetiti im Kontext von Hitlers Italienreise (03.-09.05.1938) aufgenommen und befindet sich im Archivio Storico Istituto Luce Cinecittà, Rom (codice foto: A00082190). 346 Siehe beide Ansichten im Vergleich: Abb. 26-27, digitaler Bildteil. 347 Vgl. Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 14/15.
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trag zur Zeitgeschichte«,348 formuliert Heinrich Hoffmanns Verteidiger Fritz Kartini 1950, um die Einstufung Hoffmanns in die Gruppe III der Minderbelasteten zu erwirken. »Auch dieser Band ist im ›Zeitgeschichte‹-Verlag Berlin erschienen. Die Photos wurden aus dem Photoarchiv des Betroffenen geliefert. Warum der Betroffene dadurch politisch belastet sein soll, dass der damalige General v. Keitel das sogenannte Geleitwort verfasst hat, ist unerfindlich. Hätte der Betroffene die Möglichkeit gehabt, dieses Geleitwort des General v. Keitel zu korrigieren? Die Texte zu seinen Bildbüchern gingen ihn ja nichts an und waren nicht seine Aufgabe. Die in jenem Bildbuch enthaltenen Photographien sind das Ergebnis der Berufsarbeit des Photographen Hoffmann, der als Bildberichterstatter den Feldzug in Polen mitgemacht hat […]. Wieso s[e]ine Photoberichterstattung, also das Photographieren von tatsächlichen militärischen und kriegerischen Ereignissen eine Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sein soll, ist ebenfalls ein Geheimnis der 18. Sitzgruppe der Hauptspruchkammer München. […] denn die Ereignisse, die photographiert werden, sind ja bereits geschehen und können an sich nicht propagiert werden.«349 Im Herbst 1939 erscheint der Bildband »Mit Hitler in Polen«, der den deutschen Feldzug in Polen im September desselben Jahres zum Anlass und ›Gegenstand‹ des Bildberichtes nimmt. Dabei betont Generaloberst und Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel, der das Vorwort für Hoffmanns Bildband verfasst, direkt im ersten Satz die Heldentat Adolf Hitlers, welcher »in blitzschnellem, zielbewußten [sic!] Willen die Gefahren eines […] feindlich gesinnten, größenwahnsinnigen polnischen Staates für das deutsche Volk und Reich« beseitigt habe.350 In heroischem Ton hebt Keitel die Frontfahrten des ›Führers‹, den Einsatz von Luftwaffe, Heer und Marine sowie die Überlegenheit der deutschen Wehrmacht als Ausblick auf Hoffmanns Bildzusammenstellung hervor, die den »Feldzug der 18 Tage« szenisch wiederzugeben verspricht: »Wie ein grandioser Film [Herv. d.A.] ziehen dann die Bilder von den Frontflügen des Führers, von seinen Besuchen der vordersten 348 Berufungsantrag von Fritz Kartini vom 30.06.1950, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 170. 349 Ebd. 350 Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1939, o.S. [in der gesamten ersten Ausgabe gibt es keine Seitenzahlen]. Die Seite entspricht in Ausgabe 276.-300. Tsd. der S. 4.
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Linie, von Kampf und Sieg unserer herrlichen Wehrmacht an uns vorüber, bis schließlich die Parade vor dem Führer in Warschau Abschluß und Höhepunkt des Buches bildet.«351 Keitels Kommentar in Hinblick auf Hoffmanns Kriegsberichterstattung kündet von Triumph. Was der Bildband dabei verschweigt, ist der »Fall Weiß«. Er beginnt am 1. September 1939 um 4.45 Uhr mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen – der sich zum globalen Konflikt, ja zum Zweiten Weltkrieg ausweiten sollte. Der »Fall Weiß« umfasste verschiedene Aktionen und Inszenierungen der SS, die bereits am Vorabend mit dem Überfall auf den Gleiwitzer Sender unter Alfred Naujocks einen Auftakt bildeten (inszenierte Verkündung der Befreiung aller Polen durch einen polnischen Aufständischenverband),352 welcher neben weiteren Inszenierungen von sogenannten »Grenzzwischenfällen«353 für Hitler zum Anlass des Einmarsches der deutschen Truppen in Polen sowie als Begründung für die polnische Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges genommen wurde. Der Polenfeldzug war eine Initiative Hitlers – und was Heinrich Hoffmanns Bildband »Mit Hitler in Polen« zeigt und trägt, ist eine Situation, die auf die von Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich veranlassten Inszenierungen des Sicherheitsdienstes der SS zurückführt und die Hitler einen Vorwand zum Angriff auf Polen liefern sollte. Hoffmanns Bildband folgt also Adolf Hitlers Version, nach der Polen das Deutsche Reich gefährdete und stützt durch Bild-Text-Narrative dessen Plan, den Angriff auf Polen als heldenhafte Verteidigung des Deutschen Reiches 351
Ebd., vordere Umschlagklappe, o.S. Auch im Illustrierten Beobachter erschien eine als umfangreiche Serie angelegte Sondernummer anlässlich des »Feldzuges der 18 Tage«: Das »Tagebuch der 18 Tage«, beginnend vermutlich mit der Ausgabe Illustrierter Beobachter 07.09.1939 (14. Jg.) Nr. 36. Auch hierfür lieferte die Firma Hoffmann zahlreiche Ansichten. 352 Vgl. Benz/Graml/Weiß 2007, S. 539. 353 »In der SS-Fechtschule Bernau bei Berlin wurden in Kompaniestärke SS-Leute aus dem schlesischen Grenzgebiet, die die polnische Sprache beherrschten, zusammengezogen und geschult. Die militärische Abwehr lieferte polnische Uniformen. […] Gestapochef Heinrich Müller hielt einige zum Tode verurteilte KZ-Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen bereit, um Verluste vorzutäuschen. […] Am Abend des 31. August – zeitgleich mit dem Überfall auf den Gleiwitzer Sender – beschoß bei Hochlinden ein weiteres SS-Kommando das deutsche Zollhaus. Am folgenden Morgen bemerkten Einwohner bei den Zollhäusern deutliche Blutspuren. In Pitschen rief der Förster den Bürgermeister an und teilte mit, sein im Grenzwald gelegenes Forsthaus werde soeben von Polen überfallen […]«, vgl. Runzheimer, Jürgen in: Benz/Graml/Weiß 2007, S. 541f.
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erscheinen zu lassen. »Mit Hitler in Polen« lieferte gar einen grundlegenden Baustein zur Mythenbildung des Helden Adolf Hitlers und war mit einer Auflagenzahl von insgesamt 375.000 Exemplaren354 fast so weit verbreitet und populär wie »Hitler wie ihn keiner kennt«. So entspricht »Mit Hitler in Polen« ganz der propagandistischen Formulierung Keitels, dass nämlich »der neue Hoffmann-Bildband ein mitreißendes und stolzes Bekenntnis« zu Adolf Hitler gewesen sei.355 Der Bildband umfasst – ähnlich wie »Mussolini erlebt Deutschland« und »Hitler in Italien« – einen genauen Zeitraum und wird gerahmt von zwei Ereignissen: der Reichstagssitzung am 1. September 1939, die Hitlers Mobilisierungsansprache zur Einführung auf sechzehn (!) Seiten durch eine umfassende Bild-Text-Kombination präsentiert, und dem Reichstag vom 6. Oktober 1939, der sinnbildlich durch eine Ansicht von Adolf Hitler und Rudolf Heß, Letzterer zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Ministerrates für Reichsverteidigung, »der Welt neue Wege zum Frieden« zu weisen versprach.356 Durch die Arbeit mit der ›authentischen Zeile‹, die in Kombination mit den Fotografien von Hitlers gestikulierenden Posen am Rednerpult als wörtliche Rede erscheinen soll, wird den Betrachterinnen und Betrachtern des Bandes die Teilhabe an Hitlers Reichstagsrede suggeriert. Anhand fotografischer Ergänzungen der aufgeführten Worte, die den Hitler-Portraits auf der linken Hälfte der Doppelseite gegenüberstehen, werden gar Hitlers Visionen evoziert: die Rückeroberung der »urdeutschen« Stadt Danzig, die Durchbrechung der im Versailler Vertrag festgelegten Reichsgrenze, und die Heimholung der »volksdeutschen Flüchtlingsfamilien«.357 Dabei liefert er auch jene entscheidende Zeile, welche die Inszenierung der SS betrifft und mittels der er »die polnische Schuld« fingiert: »Polen hat heute nacht [sic!] zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft [Herv. d.A.].«358 Die zielgerichtete Gebietseroberung in Polen wird als solche nicht kenntlich gemacht, sondern fortlaufend begründet und gestützt durch eine Argu354 355 356 357 358
Betrifft die Auflage 326.-375. Tsd., vgl. Friedrich, Thomas in: Heiting/Jaeger 2012, S. 438. Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S., vordere Umschlagklappe. Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. Ebd. Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. Die Seite entspricht in Ausgabe 276.-300. Tsd. der S. 16.
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mentation, die auf der Wahrung des deutschen Friedens basiert – mit Adolf Hitler als Verteidiger, als »der erste Soldat der Nation«, als Befreier an vorderster Front; wofür Hitler anschließend an die erwähnte Mobilisierungsansprache gar sinnbildlich unterzeichnet, mit dem Hinweis, sich »noch heute« (3. September 1939) an die Front zu begeben.359 So zeigen die Bildnarrative der Fotostrecke Hitler als Beobachter im Gebüsch, am Beobachtungsstand oder an der Gulasch-Kanone mit einem trockenen Stück Brot in der Hand. Eine wesentliche Strategie des Bandes ist es, durch das Setzen von Orientierungspunkten und dem Vorführen militärischer Logistik – anhand der Benennung von Personen und Aufgabenverteilungen sowie mittels des Aufzeigens der Betrachtung von Landkarten, Plänen oder Listen und der Beratschlagung darüber – den Tatendrang der am Feldzug Beteiligten360 , die Kontrolle über ihre Handlungen, den Überblick über die Lage und damit einhergehend allgemeine Sicherheit zu vermitteln. Das Durchdeklinieren der Leistungen von Heer, Kriegsmarine und insbesondere der Luftwaffe bildet einen weiteren Schwerpunkt in »Mit Hitler in Polen«. Luftaufnahmen mit Blick aus der Maschine auf die Staffelung der Kampfblöcke361 erhalten darin ebenso eine Doppelseite pro Aufnahme wie der Blick aus dem Flugzeug auf die zerbombte polnische Landschaft. Diese
359 Durch die abweichende Datierung zum Tag der Reichstagsrede am 1. September 1939 wird verdeutlicht, dass inzwischen zwei Tage vergangen sind. Dies wird in der Darstellung des Bildbandes konzeptionell nicht berücksichtigt. 360 Darunter: General der Artillerie von Reichenau, von Küchler, von Kluge, Halder, der General der Panzertruppen Guderian, Generalmajore Lichel, Crantz und Jeschonnek, General der Infanterie Strauß und Blaskowitz, Generaloberst von Brauchitsch, List, von Bock, von Rundstedt, Keitel und Milch, General der Flieger Kesselring und Löhr, Generaladmiral Albrecht, Großadmiral Raeder, Konteradmiral Schniewind, Generalfeldmarschall Göring, Reichsaußenminister von Ribbentrop, und Reichsführer Himmler. So folgt im hinteren Teil des Bildbandes eine Danksagung Hitlers an die Soldaten der Ostfront, die mit einer Ansicht einer Auswahl der genannten führenden Offiziere quergeschaltet wird, als eine Art Ausblick und Ansporn für den militärischen Kampfgeist der Betrachter des Bildbandes. Es ist ferner anzunehmen, dass Hoffmann von allen Beteiligten Portraits anfertigte, vgl. hierzu auch die Bildgalerie in: Der große deutsche Feldzug gegen Polen – eine Chronik des Krieges in Wort und Bild, hg. unter Mitarbeit des Reichsbildberichterstatters der NSDAP (Prof.) Heinrich Hoffmann, bearbeitet von Heeresarchivrat Ernst Wisshaupt Major a.D., Verlag für Militär und Fachliteratur A. Franz Göth & Sohn, Wien 1939, S. 290-323. 361 Vgl. Kluge, Alexander: Neue Geschichten – Hefte 1-18, Unheimlichkeit der Zeit, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1978, S. 66f.
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Luftbildansichten künden durch das Spektakuläre, das sie durch eine teilhabende Beobachtung transportieren sollen, nicht nur von den technisch hochentwickelten deutschen Flugmaschinen, sondern führen auch die Perspektivvielfalt von Hoffmanns Sonderberichterstattung vor.362 Während Aufnahmen von Infanterie-Geschützen mit Pferd und Wagen oder marschierenden Soldaten noch der Kriegsberichterstattung aus dem Ersten Weltkrieg363 ähneln und oftmals die Unterlegenheit der Polen nahelegen sollen, wird mit Blick auf den Mercedes-Stern des deutschen Kraftwagens oder anhand von Landschaftsaufsichten aus der Vogelperspektive eine Stärke signalisiert, die wiederum die deutsche Überlegenheit zu verdeutlichen sucht. »Wo es zum Luftkampf kam, da zerbrach der Gegner.«364 Die Darstellung einer Szene von Opfern des »Bromberger Blutsonntags«365 und den entsetzten Blicken ihrer Betrachterinnen und Betrachter wird in der Bildunterschrift beziehungsweise im begleitenden Text mit der Beschreibung der Misshandlung von Frauen ausgekleidet: Sie soll einmal mehr vor der polnischen Bevölkerung abschrecken, die polnische ›Schuld‹ belegen und durch den »Tod der Anderen«366 den Verteidigungswillen und Schutz des deutschen Lebens stärken. Die ›Befreiung‹ der Volksdeutschen durch die Deutschen, die in vielen Fällen in Zwangsumsiedlung und Vertreibung mündete, wurde vor diesem Hintergrund als Rettung mit dem 362 Es ist davon auszugehen, dass die Firma Hoffmann auch Aufnahmen von den Propaganda-Kompanien der Kriegsbildberichterstatter des Deutschen Reiches in die Bildbände einfließen ließ. 363 Vgl. Holzer, Anton: Die andere Front – Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Primus, Darmstadt 2007; Holzer, Anton (Hg.): Mit der Kamera bewaffnet – Krieg und Fotografie, Jonas Verlag, Marburg 2003. 364 Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. Die Seite entspricht in Ausgabe 276.-300. Tsd. der S. 78. 365 Der »Bromberger Blutsonntag« war ein am 3./4. September 1939 verübter Anschlag beziehungsweise ein Ereignis mit Todesfolgen (eine Reaktion auf den deutschen Einmarsch?), bei dem in der Stadt Bromberg ansässige ›Volksdeutsche‹ und Polen ermordet wurden. Die nationalsozialistische Presse – wie auch Hoffmann – griff dieses Ereignis auf, um auf die Feindseligkeit der Polen hinzuweisen und diese fotografisch zu verstärken, um das eigene Motiv des Angriffs auf Polen argumentativ zu untermauern. Hitlers Aussage in der dem Bildband beigegebenen Rede, er wolle keinen Kampf gegen Frauen und Kinder führen (Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S.), bezieht sich indirekt auf die Bromberger Ereignisse und stärkt Hitlers propagierte Absichten der Befreiung der ›Volksdeutschen‹. 366 Holzer, Anton: »Das fotografische Gesicht des Krieges«, in: Holzer 2003, S. 7-19, hier S. 13.
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Argument »heim ins Reich«367 für die nationalsozialistische Volkstumspolitik propagiert – bedeutete in ihren Grundzügen aber das Verfügen über diese Menschen für Ideologie und Krieg.368 Dass es sich beim Polenfeldzug um ein wahrhaft historisches Ereignis gehandelt habe, legt eine Doppelseite nahe, die im Gegenlicht auf einem Waldweg Soldaten auf Pferd, Motorrad und motorisiertem Wagen zeigt. »Nur das große Ziel vor Augen – die Heerstraße von heute«369 bedeutet die Bildunterschrift die Szene, die in ihrer Komposition mit nebelhaft erstrahlendem Licht das Heroentum der Kämpfer herausstellt und an die Triumphzüge der traditionellen Historienmalerei erinnern soll. Wie in allen Hoffmann-Bänden fehlt schließlich auch in diesem nicht der Jubel als Motiv, der dem Anführer Adolf Hitler während und nach dem Feldzug von Soldaten, Frauen und ›Befreiten‹ entgegengebracht wird. Während Hitler mit Hitlergruß im Daimler-Benz durch Danzig fährt, folgen ihm auf der anbei gestellten Fotografie ein soldatischer Reiter sowie das polnische Heer zu Fuß in die Gefangenschaft. Hitlers Sieg wiederum wird durch ein Reiterstandbild gestützt, in dessen Richtung »der Führer aller Deutschen« und der Oberste Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht blickt.370 Der Plan für Polen war groß. Er bezog sich nicht nur – als Reaktion auf den Versailler Vertrag – auf die territoriale Rückführung des polnischen Korridors oder Danzigs in das Deutsche Reich, wie es Hitler in der in Hoffmanns Bildband aufgeführten Rede verkündete, nein, er hatte gar das Gegenteil »eines friedlichen Zusammenlebens« zum Ziel, das Hitler in besagter Ansprache
367 Vgl. Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. 368 »Mit dem Zweiten Weltkrieg«, schreibt Wolfgang Benz, »begann im Herbst 1939 in Europa eine der größten Umsiedlungs-, Emigrations- und Vertreibungswellen, die die Geschichte kennt. Ausgelöst wurde die Völkerwanderung durch nationalsozialistische Ideologie und Politik: Es waren die Folgen jener Schlagworte, an die zu viele in Deutschland zu lange glaubten […]. Der größte Teil der Umsiedler kam nicht ins Altreich, sondern in die besetzten und annektierten Gebiete«, in: Benz, Wolfgang: »Flucht und Vertreibung aus dem Osten: Deutsche Erinnerungen zwischen Integration und Interessenpolitik«, in: ders. (Hg.): Wann ziehen wir endlich den Schlussstrich? Von der Notwendigkeit öffentlicher Erinnerung in Deutschland, Polen und Tschechien, Metropol-Verlag, Berlin 2004, S. 9-27, hier S. 11, 13. 369 Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. Die Seite entspricht in Ausgabe 276.-300. Tsd. der S. 64/65. 370 Ebd.
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formulierte.371 Der Plan umfasste eine einkeilende Strategie von unten wie von oben.372 »Zwei deutsche Heerestruppen stießen von Norden und Süden, unterstützt von massiven Luftangriffen, weit auf polnisches Territorium vor. Am 7.9. standen deutsche Truppen 60 km vor Warschau, das am 27.9. kapitulierte […]. Am 6.10. ergaben sich bei Kock die letzten polnischen Einheiten. Etwa 70.000 polnische und 11.000 deutsche Soldaten waren gefallen, Polen wurde zur Beute der Sieger.«373 Formulierungen wie »der polnische Angriffsplan«, »die große Schlacht im Weichselbogen«, »Vernichtungssieg bei Radom« oder »Einschließung von Warschau«, wie sie in der ebenfalls im Oktober 1939 unter Mitarbeit von Heinrich Hoffmann erschienenen Publikation »Der große deutsche Feldzug gegen Polen – eine Chronik des Krieges in Wort und Bild«374 genannt werden, künden vielmehr von einem heroischen Angriff (dem man kurz nach Vollzug bereits den Wert einer ›Chronik‹ beimaß), denn von deutscher Verteidigung. Alfred Grosser betont rückblickend Hitlers explizites Ziel: die Eroberung und Erweiterung des Lebensraums im Osten [Herv. d.A.].375 Bereits ab dem 12. Oktober 1939 errichtete die deutsche Besatzungspolitik per Führererlass das Generalgouvernement, welches jene besetzten Gebiete umfasste, die nicht in das Deutsche Reich eingegliedert wurden. Es bestand zunächst aus vier Bereichen, den Städten Krakau (als Hauptstadt), Radom, Warschau und Lubin zugeordnet. Das Generalgouvernement steht als Inbegriff für deutschen Besatzungsterror und Ausbeutung, für Zwangsumsiedlungen und als Abschiebegebiet für Polen und Juden aus jenen Gebieten, die in das Deutsche Reich eingegliedert wurden. Es folgten: Zwangsghettoisierung der jüdischen Bevölkerung, Zwangsarbeit für die deutsche Kriegswirt371
Hoffmann, Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., o.S. Die Seite entspricht in Ausgabe 276.-300. Tsd. der S. 16. 372 Vgl. Kluge, Alexander: Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945, mit einem Kommentar von Thomas Combrink, Suhrkamp, Berlin 2014, S. 107. 373 Bertram, Thomas in: Benz/Graml/Weiß 2007, S. 707. 374 Der große deutsche Feldzug gegen Polen, Wien 1939, S. 8. 375 »Bereits am 3. Februar 1933 sagt Hitler zu den Armeechefs, daß man sich, da der Lebensraum des deutschen Volkes nicht ausreiche, auf die ›Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtsloser Germanisierung‹ vorbereiten muß. […] Im Mai 1939 wiederholt er vor den kommandierenden Generälen der Wehrmacht: ›Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraums im Osten‹«, in: Grosser, Alfred: Deutschlandbilanz – Geschichte Deutschlands seit 1945, Hanser, München 1970, S. 35.
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schaft, Massenexekutionen und Deportationen in Vernichtungslager (darunter die »Aktion Reinhardt«).376 Zofia Nałkowska, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Mitglied einer internationalen Untersuchungskommission zu den Verbrechen der Wehrmacht in Polen an Besichtigungen von Konzentrationslagern teilnahm, schreibt: »Versucht man, das enorme Ausmaß des beschleunigten Todes, der – unabhängig von Kriegshandlungen – auf dem Terrain Polens stattgefunden hat, mit dem Gedanken zu erfassen, so überkommt einen neben dem Grauen ein maßloses Staunen. Ungeheure Menschenmassen wurden vergast und verbrannt nach sorgsamst durchdachten, rationalisierten, gut funktionierenden und modernsten Methoden. […] Nicht Zehntausende und nicht Hunderttausende, sondern Millionen von Menschenleben wurden in polnischen Todeslagern in Rohstoff und Ware umgesetzt.«377 Im Deutschen Reich hingegen wurde der Osten kontinuierlich als ›Erfüllung‹ propagiert.378 Heinrich Hoffmann hatte seinen Anteil daran. Zum Beispiel 376 Im Zuge der von Heinrich Himmler beauftragten und unter Odilo Globocnik überwachten »Aktion Reinhardt« wurden ab Sommer 1941 drei Vernichtungslager in Belzec, Sobibór und Treblinka errichtet, wo unter dem Vorwand der Aussiedlung deportierte Juden in Gaskammern getötet und durch sogenannte Arbeitsjuden aus den mobilen Tötungswaggons in Massengräbern verscharrt wurden. Diese Aktionen fanden bis zum Oktober 1943 statt. Vgl. Wagner, Thorsten in: Benz/Graml/Weiß 2007, S. 394f. Eine Zeitzeugenbeschreibung, die sich auf das Vernichtungslager Chełmno bezieht, aber ähnliche Vorgänge schildert, hat Zofia Nałkowska in ihrer Erzählung »Der Mensch ist stark« überliefert, vgl. Nałkowska, Zofia: Medaillons – Acht Geschichten vom Leiden der Polen und der polnischen Juden, Suhrkamp, Berlin 1968, S. 77-88. 377 »Wie in anderen Lagern gab es auch in Auschwitz ganze Magazine von Wollkleidern, Schuhwerk, Kostbarkeiten und Gebrauchsgegenständen. Die mit diesen Waren vollgeladenen Güterzüge fuhren ins Reich. […] Die Verarbeitung der verbrannten Knochen zu Dung, der Fette zu Seife, der Haut zu Lederprodukten, der Haare zu Matratzen, das waren nur Nebenzweige dieses ungeheuren staatlichen Unternehmens, das im Laufe der Jahre riesige Summen einbrachte. Das menschliche Martyrium und das menschliche Entsetzen, die menschliche Erniedrigung und das Verbrechen – daraus floß eine unversiegbare Dividende, und das war wohl die eigentliche ökonomische Ursache für die Existenz der KZ-Lager. Das ideologische Postulat der Ausrottung von Rassen und Völkern diente diesem Ziel, war seine Rechtfertigung«, Nałkowska in: »Erwachsene und Kinder in Auschwitz«, in: dies. 1968, S. 89-99, hier S. 91. Nałkowska verfasste den Beitrag im Frühjahr/Sommer 1945. 378 Einhergehend mit der weiteren Eroberung des Lebensraums im Osten: Beginn des Angriffskrieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941.
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mit dem Bildband »Deutscher Osten – Land der Zukunft«, der 1942 im Eigenverlag Hoffmanns mit einem Vorwort von Joseph Goebbels erschien.379 Es ist der Versuch, den Osten auf allen Ebenen ins Deutsche Reich zu integrieren beziehungsweise ihn als Teil dessen zu deklarieren und in seiner »deutschen Tradition« sichtbar zu machen: »Ein reiches und unerschöpflich deutsches Kulturleben wird sich hier entfalten können«, schreibt Goebbels,380 welches durch Hoffmanns fotografische Zusammenstellung von der Bauernfamilie auf dem Feld über die Büsten von Philosophen des Deutschen Idealismus – von Immanuel Kant (»Der Weise von Königsberg«)381 , Arthur Schopenhauer (»weltbekannter Philosoph aus Danzig«)382 sowie Johann Gottlieb Fichte (»Philosoph der Befreiungskriege«)383 – bis hin zum Kohle- und ErzAbbau in Oberschlesien visualisiert werden sollte. Der Bildband wurde allem voran darauf ausgerichtet, spezifische Regionen des ›befreiten‹ beziehungsweise eroberten Gebietes wie Westpreußen, Wartheland, Niederschlesien und Oberschlesien in seinen Vorzügen vorzustellen und – das legt der Schwerpunkt auf die philosophischen Lehren nahe – Ideale, die hier erreicht werden könnten, zu vermitteln. Der Bildband richtet zur Abgrenzung schließlich auch einen Blick auf das darin so bezeichnete ›Nebenland des Reiches‹, auf das Generalgouvernement. Was auch dieser Bildband dabei nicht preisgibt, ist, dass das Generalgouvernement ab 1939 als Rekrutierungsfeld für Fremdund Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter für das Deutsche Reich diente und sich aus diesem Gebiet bis 1942 bereits etwa eine Million polnische Arbeitskräfte in Deutschland befanden.384 Im Herbst 1944 stieg die Zahl der ausländischen Zivilarbeiterinnen und -arbeiter und Kriegsgefangenen auf 7,8 Millio379 Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Deutscher Osten – Land der Zukunft: Ein Ruf des Ostens an die Heimat, 101.-160. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München 1942. Der Band wurde gestaltet von Atto Retti-Marsani (vgl. die Zusammenarbeit mit Stanley McClatchie). Thomas Friedrich nennt eine Auflagenhöhe von 311.-345. Tsd. [1943], vgl. Heiting/Jaeger 2012, S. 439, womit »Deutscher Osten« zu den populärsten Erscheinungen des Unternehmens Hoffmann gezählt werden kann. 380 Hoffmann, Deutscher Osten, 101.-160. Tsd., S. 4. 381 Vgl. ebd., S. 22f.: Die Büste wird durch ein Zitat begleitet: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht[,] je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.« Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, Reclam, Leipzig 1978, S. 191. 382 Hoffmann, Deutscher Osten, 101.-160. Tsd., S. 44. 383 Ebd., S, 86. 384 Vgl. Kosmala, Beate in: Benz/Graml/Weiß 2007, S. 531ff., hier S. 533.
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nen (darunter 1,7 Millionen polnische Arbeiterinnen und Arbeiter): Es waren angeworbene wie verschleppte Menschen aus fast allen europäischen Ländern, die aufgrund des Arbeitskräftemangels in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt wurden, um diese ›am Laufen‹ zu halten.385 Der Bildband »Wir arbeiten bei Junkers – Ein Bildbericht vom praktischen Sozialismus eines deutschen Industriewerkes im Kampf um das neue Europa«386 erschien 1943 im Verlag Heinrich Hoffmann. Es ist eine KooperationsPublikation mit einem industriellen Unternehmen, wie sie Hoffmanns Firma bereits ab 1938 mit der Serie »Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe« im Raumbild-Verlag umsetzte.387 In diesen, wie auch in der Junkers-Publikation (jene als Offset-Druck), werden deutsche Betriebe und deren Arbeiterinnen und Arbeiter in ›mustergültigen‹ Situationen ihres Berufsalltags präsentiert. Für »Wir arbeiten bei Junkers« wurde etwa die Hälfte der fotografischen Ansichten aus Aufnahmen von betriebseigenen Fotografen (Karl Krüger, Fritz Dunker, Hans Gilberg und Rudolf Hatzold) zusammengestellt. Die anderen 50 Prozent besorgte die Firma Heinrich Hoffmann durch den Fotografen Konrad Schraudenbach, der für diese tätig war. Da es sich um einen Sonderdruck für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Aktiengesellschaft handelte, trat Hoffmann in diesem Fall nicht explizit als Herausgeber auf, dennoch wirbt das Cover mit der Zeile »Ein Bildbuch von Heinrich Hoffmann«, preist sozusagen durch die Nennung seines Namens die mit Hoffmann in Verbindung gebrachte ›bewährte Qualität‹ an. Das Bildbuch, das zur allgemeinen Anwerbung von Arbeiterinnen und Arbeitern diente, erschien neben der deutschsprachigen Ausgabe auch in zwei weiteren Fassungen, und zwar in deutsch-russischer wie in holländisch-französischer Sprache. Vor diesem
385 Vgl. Widmann, Peter in: ebd., S. 518. 386 Wir arbeiten bei Junkers – Ein Bildbericht vom praktischen Sozialismus eines deutschen Industriewerkes im Kampf um das neue Europa, Sonderdruck für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Aktiengesellschaft, Verlag Heinrich Hoffmann, München 1943. 387 Vgl.: Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe 1937/38 [Band 1 und 2], hg. v. Hans Biallas unter Mitarbeit von Th. Hopfauer, (Prof.) Heinrich Hoffmann, Erich Fischer, 1.-10. Tsd., mit 310 Raumbildaufnahmen von (Prof.) Heinrich Hoffmann, Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1938; Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe 1939 [Band 3], hg. v. Hans Biallas unter Mitarbeit von Th. Hopfauer, (Prof.) Heinrich Hoffmann, Erich Fischer, 1.-5. Tsd., mit 200 Raumbildaufnahmen von (Prof.) Heinrich Hoffmann, Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1939.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Hintergrund präsentiert sich das Unternehmen Junkers von seiner besten Seite. Die Betriebsvorstellung beginnt mit idyllischen Landschaftsaufnahmen von pittoresken Innenstädten wie Dessau oder Magdeburg, einem Schloss an der Saale sowie Naturaufnahmen im verschneiten Harz und entlang der sommerlichen Elbe. Die Fotografien, durchweg bei Sonnenschein aufgenommen, sollten die verschiedenen Standorte der Junkers-Werke vorstellen. Diese waren jedoch nicht im Zentrum von Dessau (Stammwerk) mit Blick auf das Denkmal von Leopold dem III. oder in romantischer Natur – umgeben von weidenden Schafen – angesiedelt, sondern in Produktionshallen und -bunkern unter anderem in Aschersleben und Halberstadt (Harz), in Leopoldshall und Schönebeck (Raum Magdeburg), in Markkleeberg (Raum Leipzig) und Bernburg (Saale). Jeder Standort des Junkers-Konzerns war auf eine Produktionsgruppe wie Rumpf oder Tragflächen spezialisiert, so dass sich die Produktion der Kriegsflugzeuge für die deutsche Luftwaffe in Serie abwickeln ließ. Der Bildband stellt ausgehend hiervon durch einen einführenden Text sowie durch entsprechende Fotografien im Sinne von Teamwork und Teamgeist die Gemeinschaft und Arbeitskameradschaft in den Vordergrund. Dabei werden insbesondere die Bedeutung des Arbeitgebers wie auch das Arbeitsumfeld betont: »Jeder der in dieses Werk aufgenommen wird, ist Mitträger einer großen Tradition, Pionier fortschrittlicher Arbeit und Künder eines neuen Gemeinschaftsgeistes«388 – welcher mit der Behauptung »der Überlegenheit des praktischen Sozialismus« gegenüber den »demagogischen Versklavungsmethoden«, wie sie der Bolschewismus und die angelsächsischen Plutokratien praktizierten, abgegrenzt werden sollte;389 um ebenjene demagogischen Versklavungsmethoden des nationalsozialistischen Regimes zu überdecken. Verstärkt wird hingegen die Arbeit im Traditionsunternehmen herausgestellt, das 1938 als NS-Musterbetrieb mit der »Goldenen Fahne« ausgezeichnet wurde.390 Über den Gemeinschaftssinn als Grundvoraussetzung der Tätigkeit in den Junkers-Werken wird die »Schönheit der Arbeit«391 angepriesen. So wirbt die Junkers-Publikation mit hellen und luftigen Arbeitsplätzen, mit großen Werksküchen für eine gesunde Ernährung, stellt das Gesundheitshaus mit
388 389 390 391
Wir arbeiten bei Junkers 1943, S. 16. Vgl. ebd., S. 12. Vgl. ebd., S. 16. Ebd., S. 11.
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Dampfbad und Höhensonne heraus, betont die Freizeit-Gestaltung (»Dann spürt man wieder, daß man Mensch ist, der aus eigenem Entschluß handelt – nicht eine willenlos gelenkte Nummer«392 ) mit Sport, Natur und Kultur, propagiert Gesundheits- und Familienfürsorge, gar den Bau von Wohnsiedlungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie bezahlten Erholungsurlaub an der Ostsee, im Harz und im Riesengebirge. Der auf die Einführung folgende Bildteil beginnt sodann mit dem Eintreffen ausländischer Arbeiterinnen und Arbeiter in einem der Junkers-Werke393 und macht in der Abfolge der Bilder deutlich, worum es bei »Wir arbeiten bei Junkers« im Detail geht: Der Bildband soll, auf fotografischen Ansichten basierend, eine Anleitung zur Strukturierung des Arbeitsalltags in den Junkers-Werken geben und das Wohlergehen der Arbeiterinnen und Arbeiter herausstellen. Er wird dabei zu einer Handlungsanleitung, mit der implizit Kontrolle, Struktur und Gehorsam vermittelt werden, die jedoch vorangestellt mit dem Blick auf das ›Schöne‹ operiert. Die Definition von Arbeitsfeldern mit beispielhafter Unterweisung wird so ergänzt durch implizite Direktiven der Pausengestaltung (»Noch eine Tasse Kaffee und eine kleine Unterhaltung – dann geht es wieder an die Arbeit«394 ) oder durch vom Werk bereitgehaltene Pausenangebote (»Nach dem Essen sitzt man noch ein wenig in der Sonne und lauscht den Klängen der Werkskapelle, die im Sommer jede Woche ein Mittagskonzert gibt«395 ). Ähnliches gilt für die Darstellung der Freizeit, die zwar mit einem breiten Angebot und viel Freiraum wirbt, doch anhand des Tätigkeitsspektrums wie Lesen, »Mensch ärgere dich nicht«Spielen, Aquarium-Pflege oder Zeichnen stets auch Regularien der Ordnung implementiert. Durch die Betonung des Lebensumfeldes mit Gärten oder hübschen Frauen sollen sowohl Arbeit als auch Kriegsproduktion attraktiv gemacht werden. Das »Miteinander und füreinander«396 , mit dem Junkers wirbt, bezieht sich dabei nicht nur auf die allgemeine Arbeitsmoral, die herausgestellt werden soll, sondern auch auf den ›kollegialen‹ Umgang, der insbesondere den auf ihrer Kleidung mit »OST« markierten Ostarbeiterinnen und Ostarbeitern entgegengebracht zu werden verspricht.397
392 393 394 395 396 397
Ebd., S. 24. Ebd., S. 30. Ebd., S. 44. Ebd., S. 49. Ebd., S. 26. Ebd., S. 53f.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
Dabei findet das Despektierliche gegenüber allen Nicht-Deutschen im Fließtext und im Bildteil deutlich Ausdruck. Formulierungen wie »[…] wer nicht von vornherein unerfüllbare Ansprüche stellt, der wird bald erkennen, wie planvoll für ihn gesorgt wird und wie das Werk ständig um ihn bemüht bleibt«398 erscheinen ebenso herabwürdigend wie die »gründliche Untersuchung beim Betriebsarzt«, die den Ostarbeitern nach Ankunft bevorsteht, während – auf der gegenüberliegenden Seite der Darstellung – eine Runde athletischer Männer mit nationalsozialistischem Körperideal unter der Höhensonne verweilt.399 Der Bildband »Wir arbeiten bei Junkers« ist neben der Anwerbung von internationalen Arbeiterinnen und Arbeitern ein Versuch, den Faktor Zwangsarbeit bei Junkers unkenntlich zu machen. Durch die Strategie, Chancen und Möglichkeiten herauszustellen, die einerseits der Arbeit bei den Junkers-Werken Attraktivität zu verleihen beabsichtigte und andererseits die Freiwilligkeit nahelegte, in diesem Arbeitsumfeld tätig sein zu wollen und zu dürfen, tritt die Tatsache in den Hintergrund, dass die Junkers-Werke ab 1943 – also zum Zeitpunkt des Erscheinens des Bildbandes – in einem schier unbegreiflichen Ausmaß Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beschäftigten. Junkers bildete über das Stammhaus und die Zweigstellen hinaus ein weitreichendes Netzwerk, das Kooperationen mit anderen Konzernen umfasste, allem voran aber in die Errichtung von Arbeitslagern involviert war, die neben ausländischen Zwangsarbeitern Häftlinge aus Konzentrationslagern einsetzten. Diese sogenannten Außenlager, die zum Teil als Tarngesellschaften fungierten, waren materiallogistisch als Zulieferer an die Junkers-Werke angeschlossen und dienten zur Steigerung der Rüstungsproduktion für die Luftwaffe. Arbeitskräftemangel im Verhältnis zum steigenden Bedarf
398 Ebd., S. 18. »Da ist Monsieur X, der in seinem Land arbeitslos in dürftigsten Verhältnissen gelebt hat – er erwartet auf Grund von Mißverständnissen bei der ersten Beratung eine eigene Wohnung für sich und seine Frau in einer Stadt, in der Hunderte von deutschen Arbeitskameraden von ihrer Familie getrennt in Gemeinschaftslagern wohnen müssen. Da schmeckt einem zweiten das Essen nicht, weil er eine andere Zubereitung gewöhnt war, da glaubt der dritte, er hätte einen höheren Lohn zu beanspruchen, als ihm auf Grund seiner Leistungen zusteht«, ebd., S. 17. Diese Beschreibungen stellen ›Ansprüche‹ der ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter heraus und bilden zugleich die Legitimation für Herabwürdigung, die auch in der folgenden Phrase Bestätigung zu erzielen sucht: »[…] daß auch der Ausländer hier in den meisten Fällen besser als zu Hause versorgt wird«, ebd. S. 22. 399 Vgl. ebd., S. 66/67.
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der Kriegsproduktion wurde somit durch den Rückgriff auf KZ-Häftlinge behoben. Das Außenlager-System wurde ab Frühjahr 1943 ausgebaut, zunächst mit »Schönebeck I (Julius)« (Männer-Außenlager, angegliedert an das KZ Buchenwald); in kurzer Folge entstanden ab 1944 auch Außenlager der Standorte Aschersleben, Halberstadt, Leopoldshall und Markkleeberg. Eine ausführliche Darstellung der im Zuge der Kriegsproduktionssteigerung von Junkers geschaffenen und an ihrem Betrieb beteiligten Lager, in denen Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge tätig waren, liefert das von Wolfgang Benz und Barbara Distel herausgegebene Kompendium »Der Ort des Terrors«.400 Hier wird nicht nur durch die Nennung einer Vielzahl von Orten, Kooperationen, Arbeiter- und Opfer-Zahlen in die Tragweite des Häftlingssystems von Junkers Einsicht gegeben, sondern auch durch Schilderung der Lebens- und Arbeitsumstände bis hin zu Tötung und Todesmärschen die grenzenlose Dimension der nationalsozialistischen Kriegsproduktion durch die Herabwürdigung des Menschen als Material erahnbar. Diese grenzenlose Dimension hinterlässt noch heute das Gefühl von Fassungslosigkeit. Alexander Kluge schreibt in Bezug auf das Außenlager LangensteinZwieberge nahe Halberstadt und die dortige Anlage eines unterirdischen Stollensystems als Produktionsstätte: »Es soll[t]en zwei auseinanderliegende Ziele erreicht werden: 1. Praktisch: Untertunnelung des Harzsandsteingebirges, ein Produktionsziel; 2. Einsperren und sukzessives Beiseiteschaffen 400 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3 (Sachsenhausen, Buchenwald), C.H. Beck, München 2015. Ausführlich besprochen werden hier die folgenden Außenlager: Aschersleben, Beitrag von Irmgard Seidel, S. 369ff.; Halberstadt, Beitrag von Denise Wesenberg/Ellen Fauser, S. 455ff.; Langenstein-Zwieberge, Beitrag von Denise Wesenberg, S. 487ff.; Leopoldshall, Beitrag von Charles-Claude Biedermann, S. 506; Markkleeberg, Beitrag von Irmgard Seidel, S. 520ff.; Schönebeck I (Julius) und Schönebeck II (NARAG), Beitrag von Herwig Lewy, S. 568ff.; ferner als Außenlager, die in Kooperation mit oder als Zulieferer für Junkers tätig waren: Rathenow, Beitrag von Bettina Götze, S. 260ff.; Bernburg/Plömnitz (Leopard), Beitrag von Irmgard Seidel, S. 392f.; Dessau, Beitrag von Benoît Cazenave, S. 410ff.; Langensalza, Beitrag von Frank Baranowski, S. 484ff.; Mühlhausen (Gerätebau GmbH, Martha II) und Mühlhausen (Mühlenwerke AG, Martha I), Beitrag von Franziska Jahn, S. 530ff.; Niederorschel, Beitrag von Wolfgang Große, S. 534ff.; Penig, Beitrag von Irmgard Seidel, S. 544ff.; Raguhn, Beitrag von Irmgard Seidel, S. 551f.; Sonneberg-West, Beitrag von Gerhard Stier, S. 577ff.; Wernigerode (Richard), Beitrag von Franziska Jahn, S. 606ff.; Westeregeln, Beitrag von Charles-Claude Biedermann, S. 609ff.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
des Arbeitskraftmaterials, gestellt vom Stammlager Buchenwald, Vernichtungsziel [Herv. i.O.].«401 Die Produktionssteigerung beinhaltete damit die »Handhabung der Häftlingsmasse«.402 Während so der Bildband »Wir arbeiten bei Junkers« – um nur ein Beispiel zu nennen – nach einem »schönen Abend« zwei Frauen im Bad bei der Abendhygiene und zwei heitere Französinnen beim Zubettgehen zeigt,403 sah die Realität in Markkleeberg ab Februar 1944 ganz anders aus: »Im Lager bewohnten die Französinnen eine eigene Baracke, so dass sie wenig mit den Jüdinnen in Berührung kamen. Die Baracken waren in Wohnbereiche unterteilt, in denen anfangs zehn bis 15 Frauen untergebracht waren. Mit der zunehmenden Häftlingszahl erhöhte sich die Belegung der Baracken. Neben den Wohnblocks gab es eine Waschanlage mit kaltem Wasser. In unregelmäßigen Abständen konnten die Frauen im Betrieb duschen. Neue oder wärmere Häftlingskleidung wurde während der gesamten Lagerzeit nicht ausgegeben. Die Frauen mussten die stark verschlissenen Stücke, die ihnen in Auschwitz, Bergen-Belsen oder Ravensbrück zugeteilt worden waren, weiter tragen.«404 Statt der im Junkers-Band propagierten Unterbringung in Werkheimen (»Man wohnt dort überhaupt wie in einer kleinen Stadt für sich«405 ), dienten Lager, Baracken und notdürftig errichtete Funktionsgebäude als Unterkunft nach mindestens zwölfstündigen Arbeitsschichten, die mal tags, mal nachts geleistet wurden. Statt Pausen auf der Wiese im Sonnenschein führten schlecht bekleidete Frauen im eisigen Winter schwere Lade-, Wald- und Straßenarbeiten durch, bei denen sie aus Schikane anstelle von Zugmaschinen oder der Hilfe von Pferden selbst die Straßenwalzen zogen.406 Die Beschreibungen der Lebens- und Arbeitssituationen im Kompendium »Der Ort des Terrors« sind weitreichend und in ihrer Genauigkeit radikal. Sie zeigen ein Gegenbild zu den fotografischen Inszenierungen, wie sie im einzelnen Foto, durch die Konzeption des Bildbandes »Wir arbeiten bei Junkers« und durch dessen Verbreitung durch ein renommiertes Unternehmen präsentiert wurden. »Wir arbeiten bei Junkers« – getragen von 401 402 403 404 405 406
Kluge 1978, S. 132. Ebd., S. 141. Wir arbeiten bei Junkers 1943, S. 104/105. Seidel, Irmgard, in: Benz/Distel 2015, S. 521. Wir arbeiten bei Junkers 1943, S. 21. Vgl. Seidel, Irmgard in: Benz/Distel 2015, S. 521.
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der Firma Heinrich Hoffmann; zuträglich der Image- und Kapitalbildung der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Aktiengesellschaft,407 dem nationalsozialistischen System (Produktionsziel, Vernichtungsziel) wie auch dem Reichsluftfahrtminister Hermann Göring, dessen Portrait sodann zweimal im Hintergrund der fotografischen Innenraum-Aufnahmen408 des Bildbandes erscheint. Die Portrait-Ansichten wurden, wie sollte es anders sein, von Heinrich Hoffmann angefertigt. Welche Vorstellung aber verbleibt in der zeitgenössischen Bevölkerung? Das Bild »Der Urlauber (Auf Heimaturlaub)«, 1944, von Paul Mathias Padua409 vermag eine Idee zu geben. Es zeigt einen Soldaten auf Heimaturlaub: Noch in die Uniform gekleidet, berichtet er – vorm heimischen Ofen sitzend – den sieben410 ihn umringenden Jungen und Mädchen unterschiedlichen Alters von seiner Tätigkeit im Krieg, das Fokussieren eines Zieles mit der imaginären Schusswaffe imitierend. Interessiert, gespannt, verwundert, distanziert und nachdenklich hören die Kinder dem Wehrmachtsoldaten zu. Der Kleinste aber liegt auf dem Boden, mit dem Kopf auf zwei Kissen gestützt, und 407 »Die Junkers-Werke wurden nach Kriegsende auf Befehl der sowjetischen Militäradministration enteignet und gingen in Volkseigentum über«, Seidel, Irmgard, in: Benz/Distel 2015, S. 370. 408 Wir arbeiten bei Junkers 1943, S. 59, 89. 409 Paul Mathias Padua, »Der Urlauber (Auf Heimaturlaub)«, 1944, Öl auf Leinwand, 194 x 154 cm, im Besitz der Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin (Inv.-Nr. Gm 97/42), wurde ausgestellt in Salzburg, Juni bis Juli 1944: Ausstellung Deutsche Künstler und die SS, Kunstausstellung des Reichsführers SS und des Ergänzungsamtes des Hauptamtes der SS. Vgl. von Berswordt-Wallrabe/Neumann, Jörg-Uwe/Tieze, Agnes (Hg.): Artige Kunst – Kunst und Politik im Nationalsozialismus, Ausst.kat., Kerber, Bielefeld 2016, S. 77. Vgl. Abb. 28, digitaler Bildteil. 410 Maren Schleimer deutet die Personenkonstellation anders: Sie ordnet die weibliche Figur, die (von ihm aus gesehen) neben der linken Seite des Mannes steht, als Frau (Hausfrau) und Mutter der Kinder zu. Die Abgrenzung dieser Figur durch den Hund im Bild, als Zusammenschluss von Hund, Frau und Mann, mag diese Vermutung stützen. Sie scheint die Hände unter der Schürze zu verschränken, verharrt still in einer Situation des Zuhörens; doch auch das Mädchen im violetten Kleid trägt eine Schürze, ihre Gestik kokett prüfend. Das Gesicht der weiblichen Figur im roten Kleid ist nur partiell von der Seite sichtbar. Ihre Statur ist zierlich und klein. Zwar legt die nationalsozialistische Ideologie das Bild von Frau, Heim (signalisiert durch den Ofen) und Kinderbetreuung nahe, dennoch erscheint die Gruppe um den Soldaten eher ›kindlich‹; das Heranwachsen mit Blick auf die nationalsozialistische ›Zukunft‹ betonend. Siehe Maren Schleimers Analyse in: von Berswordt-Wallrabe/Neumann/Tieze 2016, S. 76.
II. Heinrich Hoffmanns Unternehmen als Bildindustrie
blickt ins Leere, träumt ›mit offenen Augen‹. Entscheidend sind die Requisiten, die Padua ihm in den Schutzkreis des ausgebreiteten linken Armes gelegt hat: Spielzeug, darunter Zinnsoldaten, mit denen er vermutlich bis gerade eben noch gespielt hatte, und einen schwarz-weißen Bildband, der mit aufgeschlagener Doppelseite unter seinem linken angewinkelten Knie klemmt. Der Junge scheint Gesehenes (Bildbuch), Erlebtes (Spiel mit den Zinnsoldaten) und Gehörtes (die Erzählung des Soldaten) vor seinem inneren Auge zu einem Eindruck, zu einem Bild zu verarbeiten. Oder zu einer Vorstellung, einer Vision, einem Lebenstraum? Paul Mathias Padua stellte von 1938 bis 1944 kontinuierlich bei der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München aus. Nicht zuletzt durch Heinrich Hoffmanns ›kuratorische‹ Tätigkeiten im Zuge der Konzeption der Ausstellungen wird Padua den ›Reichsbildberichterstatter‹ und die von ihm herausgegebenen fotografischen Bildbände wahrgenommen haben. War es doch auch Hoffmann, der im August 1939 in seiner Zeitschrift »Kunst dem Volk« Paduas bei der Großen Deutschen Kunstausstellung umstrittenes Werk »Leda mit dem Schwan« abdruckte.411 Die Szene mit den Zinnsoldaten in »Der Urlauber (Auf Heimaturlaub)« erinnert wiederum ganz konkret an eine soldatische Bildformation in Hoffmanns »Hitler in Italien«, bei welcher die »Alpini im Vorbeimarsch«412 einem Heer von akkurat angeordneten Zinnsoldaten gleichen. Lässt Paul Mathias Padua hier also einen Verweis als Hommage an Heinrich Hoffmanns fotografische Bildbände in seine Malerei einfließen? Hält der Junge den Traum vom großen Sieg, wie ihn Hoffmanns Unternehmen über Jahre hinweg propagierte, inmitten der schwindenden Hoffnung des Krieges wach? Oder ist es das nationalsozialistische Erwachen,413 das der kleine Junge im Bildvordergrund verkörpert,
411
Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Kunst dem Volk, Monatsschrift für Bildende und Darstellende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk, 10. Jg., Folge 8 (August 1939), Sonderheft Große Deutsche Kunstausstellung, Teil II, Verlag Heinrich Hoffmann, Wien 1939, o.S. [25]. 412 Hoffmann, Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., S. 51. Vgl. Abb. 29, digitaler Bildteil. 413 »Die typenbildende Kraft, die eines der wesentlichen Merkmale des Nationalsozialismus ist, wird auch in der Jugend deutlich sichtbar. Wie man vom Typ des SA-Mannes, vom Typ des politischen Soldaten sprechen kann, so kann man auch vom Typ der Hitlerjugend sprechen […]. Der kleine Hitlerjugendführer ist zugleich politischer und wehrmäßiger Träger seiner Ideale, er ist seinen Kameraden der Verkünder der nationalsozialistischen Lehre, aber er ist außerdem noch in gleicher Person ihr Anführer im Kampf, er ist in seinem Kreis der geistig und körperlich Fähigste«, in: Deutschland er-
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welches Padua durch die Erzählung des Soldaten und die Requisiten des Kindes ausstaffiert, um die Vision des Sieges des Deutschen Reiches bis zuletzt aufrecht zu erhalten? Es verbleibt in diesem Raum das propagierte Bild, das sich über die Sprache des Soldaten in den Gesichtern der Figuren spiegelt, auf das sich der kleine Junge im Schutzraum des vor ihm gelagerten, aufgeschlagenen Buches symbolisch stützt – und für das Paul Mathias Paduas Malerei schließlich selbst steht: Nach dem Urlaub kämpft der Soldat wieder im Krieg. Er verteidigt die Idee vom Sieg.
wacht – Werden, Kampf und Sieg der NSDAP, 401.-500. Tsd., Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld [1942], S. 62f.
Nachbildung
1.
Zum Fortbestehen der Fotografien der Firma Heinrich Hoffmann seit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes: Faktischer, illustrativer und affirmativer Gebrauch
Heinrich Hoffmanns Fotografien und fotografische Bildbände weisen seit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes eine reversible Zirkulation auf. Der Umgang mit ihnen lässt sich in drei Kategorien unterteilen: den faktischen, den illustrativen und den affirmativen Gebrauch. Faktischer Gebrauch Größere Öffentlichkeit erhielten zwei Portraits von Heinrich Hoffmann zuletzt im Jahr 2012. Zunächst im Rahmen der vom Lenbachhaus München ausgerichteten Ausstellung »Marcel Duchamp in München 1912« (31. März bis 15. Juli 2012), die als Werbeträger jenes Portrait von Duchamp verwendete, das Hoffmann 1912 von diesem angefertigt hatte.1 Während dieses Portrait in Werbeanzeigen, beispielsweise in der Süddeutschen vom 22. April 2012, mit »© Hoffmann« erschien,2 trat das ehedem populärste Konterfei Hitlers, das Hoffmann 1933/34 von ihm als Reichskanzler aufgenommen hatte, prominent als »Vintage-Objekt« bei der documenta 13 in Kassel auf (9. Juni bis 16. September 2012) – jedoch ohne Verweis auf Hoffmann, sondern mit der Angabe »Courtesy Lee Miller Archives«. Hoffmanns Portrait erschien hier in einem installativen Gefüge, das auf das berühmte Foto von Lee Miller in Hitlers Badewanne Bezug nahm, wo
1 2
Vgl. Kap. II., 1, Fn. 9. Wohingegen auf der Einladungskarte das Copyright der Galerie 1900-2000, Paris, zugesprochen wurde, die im Katalog auch als Leihgeber der Aufnahme auftritt: Collection David and Marcel Fleiss, Galerie 1900-2000, Paris. Vgl. Friedel/Girst/Mühling/Rappe 2012, S. 11.
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auch Hoffmanns Portrait von Hitler als Bildelement erscheint.3 Die Rotunde des Fridericianums Kassel, die von der Kuratorin der documenta 13 – Carolyn Christov-Bakargiev – als »assoziativer Raum der Forschung« unter dem Titel »Brain« konzipiert worden war,4 vereinte Kunstwerke und Dokumente als »Gedankengänge«. Hierbei versammelte eine Vitrine verschiedene Objekte, die Lee Miller auf dem 1945 von David E. Scherman aufgenommenen Foto umgeben: eine Porzellanfigur von Rudolf Kaesbach, die 1936 von Rosenthal unter dem Titel »Die Ausschauende« produziert wurde, verschiedene Körperpflege-Utensilien (darunter Puderdose und Parfüm-Flacon von Eva Braun) und Heinrich Hoffmanns Fotografie. So bildeten die Objekte in der Vitrine ein Referenzsystem zur Fotografie von Miller/Scherman: in Funktion eines Zitates. Lee Miller und David E. Scherman reisten 1945 mit amerikanischen Soldateneinheiten als Kriegsberichterstatter nach Deutschland, sie als Fotografin für die Vogue, er als Fotograf für das Life Magazine. Am 30. April 1945 begleiteten Miller und Scherman die amerikanischen Truppen bei der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau; noch am selben Tag nahmen sie das Foto von Lee Miller in der Badewanne von Adolf Hitler in dessen verlassener Wohnung am Prinzregentenplatz 16 in München auf.5 Es ist davon auszugehen, dass Miller/Scherman Hoffmanns Hitler-Portrait einen bewussten Ort in ihrer fotografischen Bildkomposition zuwiesen. Denn Hoffmanns Fotografie signalisiert in Bezug zu Lee Miller Zeugenschaft, wie auch Lee Miller in Bezug zu Hitlers Portraitansicht und Kaesbachs Statuette als Zeugin in zweifacher Funktion auftritt: Zum einen bescheinigt Lee Miller Adolf Hitlers Abwesenheit, indem sie seinen Platz in der Badewanne seiner Wohnung einnimmt;6 Hoffmanns Fotografie wird zum Indiz des Gewesenen. Zum anderen deutet die Statuette »Die Ausschauende« auf Lee Millers eigenen Blick, der am
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Vgl. die Fotografie/Fotoserie »Lee Miller in Hitler’s bathtub, Hitler’s apartment, 16 Prinzregentenplatz, Munich, Germany 1945 by Lee Miller with David E. Scherman«, Lee Miller Archives, England, sowie Abb. 30, digitaler Bildteil. Vgl. documenta 13 – Das Begleitbuch, Katalog 3/3, Hatje Cantz, Ostfildern 2012, S. 24ff. Vgl. documenta 13 – Das Buch der Bücher, Katalog 1/3, Hatje Cantz, Ostfildern 2012, S. 305, sowie: Miller, Lee: »Hitleriana«, in: Lee Miller’s War, hg. v. Antony Penrose, mit einem Vorwort von David E. Scherman, Thames & Hudson, New York 2008, S. 190ff. Lee Miller verbrachte einige Tage in Hitlers Apartment: Sie schildert ihre Beobachtungen in und um Hitlers Apartment; sie berichtet vom besiegten Hitler, vom besiegten München, vom besiegten Deutschland, vgl. ebd. An diesem Tag begingen Adolf Hitler und Eva Braun im Berliner Bunker Selbstmord.
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Morgen dieses Tages noch die nationalsozialistische Realität des Dachauer Konzentrationslagers erfasste, ohne aber fotografische Ansichten hiervon gemacht zu haben. Während Lee Millers körperliche Ausrichtung die Hinwendung zur »Ausschauenden« benennt und ihre ethische Haltung die des Zeigens und Aufdeckens bedeutet, bekundet die Abwendung vom Hitler-Portrait das Begreifen, dass das nationalsozialistische System in einem unbegreiflichen Ausmaß tatsächlich existierte – es markiert zugleich das Ende einer menschenverachtenden Ideologie. Lee Millers/David E. Schermans Aufnahme bildet damit ein kritisches Substitut für das, was weder Worte noch Bilder zu benennen vermögen, doch die Notwendigkeit des Sehens und Denkens aufzeigt. In ähnlicher Weise, wie Lee Miller und David E. Scherman das Portrait von Adolf Hitler als Evidenz-Faktor bedienten, wurde Heinrich Hoffmanns Bildarchiv als Beweismaterial in den Nürnberger Prozessen (im Wesentlichen im Hauptprozess 1945) herangezogen. Die Intention des amerikanischen Chefanklägers Robert H. Jackson wird gewesen sein, eine vom fotografischen Bild ausgehende Bestandsaufnahme des nationalsozialistischen Systems, ihrer Akteure wie auch ihrer Propaganda – die hier erstmals eingehend außerhalb des Systems betrachtet, analysiert und bewertet wurde – durchzuführen, um Sachverhalte zu rekonstruieren. Jedoch war es Heinrich Hoffmann selbst, der auf Jacksons Anweisung hin die (Neu-)Ordnung seines Archives vor dem Hintergrund der allgemeinen Beweisführung vornahm. Er wurde Mitte Oktober 1946 von seinem Sohn Heinrich Hoffmann jun. in dieser Aufgabe abgelöst7 und wurde am 22. Oktober 1946 inhaftiert.8 Heinrich Hoffmann jun. agierte als freiwilliger ›Zeuge‹ zur Strukturierung und Bearbeitung des »historischen Bildarchives«, wie es so-
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Vgl. Professor Heinrich Hoffmann, 13.05.1950, Munich, Statement under oath, in: National Archives (242-R-6065), o.S. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, S. 50.
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wohl Hoffmann sen. wie jun. mehrfach klassifizierten.9 Der Umgang mit dem Bildarchiv blieb jedenfalls in den Händen der Hoffmanns – und damit nach wie vor innerhalb der Logik des Systems. Die Frage nach der Objektivität der Fotografie bildet(e) im Rahmen dieser Beweisführung und vor dem »Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus«10 eine große Herausforderung. »Das Dokument, das im Prozess zitiert oder vorgezeigt wird«, schreibt Reiner Niehoff, »soll aussagen, was anders nicht gesagt werden kann; was es belegt, spricht für sich selbst.«11 In diesem Sinne war die Rekonstruktion von Schuldzusammenhängen anhand der Dokumente, die das Ereignis hervorgebracht haben,12 auch Ziel im Rahmen der Nürnberger Prozesse 1945-1949 sowie im Zuge von Heinrich Hoffmanns Spruchkammerverfahren beziehungsweise Berufungsverfahren 1947-1956.13 Bereits der erste Spruch vom 31. Januar 1947 greift in seiner Begründung auf Heinrich Hoffmanns Bildbände zurück, darunter auch »Hitler wie ihn keiner kennt«, und legt eine absolut treffende Analyse durch die Rückführung von Tatsachen auf ihre reale Bedingung vor.14 Das Urteil
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Vgl. National Archives (242-R-6065), o.S. In Bezug auf die Gleichsetzung von Geschichte und Fotografie siehe: Wolf, Herta: »Positivismus, Historismus, Fotografie – Zu den verschiedenen Aspekten der Gleichsetzung von Geschichte und Fotografie«, in: Fotogeschichte Bd. 63 (1997), S. 31-44. Wolf verhandelt die Fotografie als Depot (ebd., S. 42) und bezieht sich in ihrem Beitrag in Grundzügen auf Siegfried Kracauer: »Selbst wenn es einzig Siegfried Kracauer gewesen ist, der die potentiellen Parallelen zwischen einer positivistischen Geschichtsauffassung bzw. -theorie und der Fotografie aufzuzeigen unternommen hat, war er nicht der einzige, der sich der Fotografie als Metapher der Geschichte bediente«, ebd., S. 33. Das Gesetz wurde am 5. März 1946 verabschiedet. Vor diesem Hintergrund hatte auch Hoffmann im Oktober 1946 einen Meldebogen gegenüber dem Hauptkläger, der Kammer Nürnberg, auszufüllen. Vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, o.S. Niehoff, Reiner: »Dokument und Verbrechen – Der Regisseur Harun Farocki«, in: Harun Farocki – Filme 1967-2005, Booklet, Presseecho ›Wie man sieht‹, Absolut Medien, Fridolfing 2009, S. 55-61, hier S. 59. Vgl. ebd. »During the course of the twelve trials […] the Hoffmann photographic file was continuously used as a source of information [Herv. d.A.] in the preparation and prosecution of the trials […]«, Statement vom 21.03.1950 von B. Seicke JR, Higher Education Advisor, US President Office Frankfurt, in: National Archives (242-R-6065). Spruchkammer-Dokument vom 31.01.1947, in: StAM Pol. Dir. München 10083, S. 62ff. Die Spruchkammer München III bestand aus dem Vorsitzenden Purzer und den Beisitzenden Danner, Rüddel, Schedl und Kurzmann, ebd.
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der Einstufung in die Gruppe I der Hauptschuldigen (vor dem Hintergrund von Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit) aber wurde in der Folge von gelungenen Interpretationen von Hoffmanns Verteidigern aufgehoben. Der zuvor gesetzte Rahmen, mit Judith Butler gesprochen, wurde gefestigt statt durchbrochen, und der faktische Gebrauch durch eine noch immer nationalsozialistisch geprägte Argumentation in jedem einzelnen Berufungsverfahren von Heinrich Hoffmann umgedeutet.15 Illustrativer Gebrauch Der illustrative Gebrauch bezieht sich auf die Bebilderung von Geschichte in Lehr- und Sachbüchern, das heißt auf eine Gebrauchsweise fotografischer Bilder, die visuell die Geschichte des Nationalsozialismus unter der Verwendung von Fotografien von Heinrich Hoffmann vermitteln soll. Die Lage der Medien, ja das unkritische Wiederaufleben von Bildern, wie es vor allem in den 1970er und 1980er Jahren zu verzeichnen ist, erfordert eine solche Reflexion unweigerlich. Ein maßgebliches Beispiel, wie sich Heinrich Hoffmanns Bilderhandel fortsetzte, ist das von Jochen von Lang herausgegebene und unter Mitarbeit von Joachim Fest und Heinrich Hoffmann jun. entstandene Buch »Hitler, Gesichter eines Diktators«.16 Der Bildteil wurde durch das »Zeitgeschichtliche Archiv Heinrich Hoffmann« zur Verfügung gestellt, das Hoffmann jun. in den 1960er und 1970er Jahren nachweislich unterhielt.17 Wie war dies mög-
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StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann; zur Bestimmung des Status siehe: International Military Tribunal: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1947, Band 1, S. 191ff.; Müller-Ballin, Gabi: Die Nürnberger Prozesse 1945-1949 – Vorgeschichte, Verlauf, Ergebnis, Dokumente, Bildungszentrum Stadt Nürnberg, Nürnberg 1995. Erstmals erschienen 1968 im Christian Wegner Verlag GmbH, Reinbek/München, wurde das Buch 1969 direkt ins Englische übertragen und bei Harcourt, Brace & World in New York unter dem Titel »Adolf Hitler, faces of a dictator: photographs from the Heinrich Hoffmann Archives« veröffentlicht. Es folgte ein Nachdruck der deutschen Ausgabe 1975, erneut im Christian Wegner Verlag, sowie eine Sonderausgabe in 3. Auflage im Jahr 2005: von Lang, Jochen (Hg.)/Fest, Joachim/Hoffmann, Heinrich: Hitler, Gesichter eines Diktators – Bilddokumentation, Herbig, München 2005. Vgl. die Korrespondenz zwischen Heinrich Hoffmann jun. und Stefan Lorant, welcher am 25.11.1969 bei Hoffmann jun. Bildmaterial für die Publikation »Sieg Heil – Hail to Victory« (1974) anfragte. Die Kommunikation über die Bereitstellung der Bilder zog sich bis zum 24.09.1970 hin, unter anderem weil Hoffmann jun. damit beschäftigt war, von München nach Hamburg umzuziehen, wo er in der Redaktion des Stern-Magazins
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lich, wurde doch Heinrich Hoffmanns Bildarchiv von den Alliierten konfisziert und in die Vereinigten Staaten überführt? 1949 kam es zur Debatte über Besitz- und Rechtsansprüche zwischen der US-Army und [der Firma] Heinrich Hoffmann, die unter Rückgriff auf das Haager Abkommen18 aber im USamerikanischen Besitz verblieben. Dass Hoffmann jun. dennoch Handel mit Fotografien des Hoffmann-Archives betreiben konnte, mag zurückzuführen sein auf seine Tätigkeit des Strukturierens und Bearbeitens des »historischen Bildarchives« im Rahmen der Nürnberger Prozesse. Wie er es vollbrachte, einen Großteil des Archives im Eigeninteresse zu (ver-)bergen, bleibt im Dunkeln. Die Bestände des »Zeitgeschichtlichen Archivs Heinrich Hoffmann« gingen schließlich durch Ankauf in die fotografische Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek über und bilden dort seit 1993 das Fotoarchiv Heinrich Hoffmann.19 In der Publikation »Hitler, Gesichter eines Diktators« kam der Bildgebrauch in starker Anlehnung an Heinrich Hoffmanns Bildbände zum Einsatz. Nicht nur, dass hier einschlägige Ansichten Verwendung fanden, wie sie Hoffmann bereits in »Hitler wie ihn keiner kennt« publiziert hatte. Auch die dramaturgische Konzeption des Buches, in dem durch Arrangement der Bilder eigene Bilddynamiken erzeugt werden, knüpft an vorherige Bände Hoffmanns an. Der Band wirbt außerdem damit, bisher unveröffentlichtes, von Hitler verbotenes Bildmaterial zugänglich und die Gesichter eines Diktators deutlich zu machen.20 Das darin von Joachim Fest verfasste »Psychogramm des Diktators« zeigt dabei einmal mehr die Intention des Buches auf: das
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tätig wurde. Vgl. Stefan Lorant Collection, ca. 1869-1993 (bulk 1920-1992), Getty Research Institute, Research Library, Accession no 920024, Box 32, Folder 43. »Under existing conditions, propaganda which is aimed at keeping alive, reviving, or promoting the military or Nazi spirit and institutions, or glorifying war, is prohibited (Control Council No 8, Art. 7, MGR 23-121.8). For this reason, the documents may not at present returned to the owner«, vgl. Request for Determination of Ownership of Hoffmann Photographs, November 15th, 1949, in: National Archives (242-R-6065), o.S. Das Archiv Heinrich Hoffmann in der Bayerischen Staatsbibliothek umfasst 66.000 Bildobjekte. 1993 und 2002 konnte die Bibliothek mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft den in Europa verbliebenen Teil des Archives erwerben, vgl. https://www.bsb-muenchen.de/sammlungen/bilder/fotoarchive/#c2362, zuletzt aufgerufen am 15.03.2018. Wie groß der Anteil aus Heinrich Hoffmann jun. Beständen war, ist nicht ersichtlich, jedoch ist anzunehmen, dass es das gesamte Konvolut betrifft. Vgl. außerdem: von Lang 2005, S. 4. Vgl. von Lang 2005, S. 4.
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System des Nationalsozialismus – erneut! – über die Person Adolf Hitler einzukreisen und als Image zu vermarkten.21 »Die Geschichte ist keine erkenntnistheoretische Kritik«, schreibt Michel de Certeau, »sie bleibt eine Erzählung.«22 In diesem Sinn erzählt auch »Hitler, Gesichter eines Diktators« eine neue Geschichte, als ein Postulat, das sich seiner moralischen Pflicht entledigt hat.23 Als historiografische Schilderung präsentiert sich das Kompendium »Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit«: 1979 im Verlag für geschichtliche Dokumentation erschienen, legt der »kommentierte Nachdruck der Originalausgaben«24 ausgewählte fotografische Bildbände von Heinrich Hoffmann vor. Anhand von elf Beispielen25 soll in dem fünf Bände starken Kompendium dargelegt werden, »wie gefällig und human sich in einem totalitären System ein menschenverachtender Diktator verkaufen« ließ.26 Der Verlag, von dem nicht bekannt ist, aus welchen Agitatoren er sich zusammensetzte und der heute nicht mehr existiert,27 kommentiert im Vorwort, dass »diese Dokumentation […] beispielhaft für die Mittel und Wege einer Propaganda sein soll, der sich alle Diktatoren dieser Welt bedienen. […] Die Personen wechseln, die Methode bleibt.«28 Ziel der Publikation sei damit die Analyse der Methoden der totalen Propaganda.29 Doch obgleich auf Methoden hingewiesen wird, präsentiert die Buchreihe nicht mehr als eine
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»Jede Definition des Nationalsozialismus oder des von ihm begründeten Herrschaftssystems, die Hitlers Namen nicht enthält, verfehlt die Sache im Kern« [!], Fest, Joachim: »Ein Psychogramm des Diktators Adolf Hitler«, in: von Lang 2005, S. 5-16, hier S. 5. de Certeau, Michel: Das Schreiben der Geschichte, Campus, Frankfurt a.M. 1991, S. 62. Ähnliches gilt für die Publikationen: von Lang, Jochen (Hg.)/Picker, Henry/Hoffmann, Heinrich: Hitlers Tischgespräche, Gerhard Stalling, Oldenburg 1969; in zweiter Auflage bei Herbig, München 1980; Schaffing, Ferdinand (Hg.)/Baumann, Ernst/Hoffmann, Heinrich: Der Obersalzberg, Brennpunkt der Zeitgeschichte, Langen Müller, München 1985; in zweiter Auflage 1992. Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit, Bd. 1-5, Verlag für geschichtliche Dokumentation GmbH & Co., Hamburg 1979, Schmutztitel. Band I: Jugend um Hitler, Hitler baut Großdeutschland; Band II: Hitler wie ihn keiner kennt, Hitler in seiner Heimat; Band III: Hitler in seinen Bergen, Hitler holt die Saar heim, Hitler befreit Sudetenland; Band IV: Hitler in Böhmen Mähren Memel, Mit Hitler in Polen; Band V: Hitler abseits vom Alltag, Mit Hitler im Westen. Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit 1979, S. 3. War auch hierin Heinrich Hoffmann jun. verwickelt? Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit 1979, S. 3. Vgl. ebd., S. 5.
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unkritische Reproduktion der Hoffmann’schen Bildbände: Statt Realität hinter den Bildern zu zeigen,30 wird mit dem Kompendium eine eigene Realität geschaffen, und zwar in einer zu den Hoffmann’schen Bänden vergleichbaren Methode. Durch den Vergleich der Reproduktion des Bildbandes »Hitler wie ihn keiner kennt« mit den verschiedenen Auflagen dieses noch unter Hoffmann publizierten Bandes lässt sich darstellen, dass die Formulierung »Nachdruck der Originalausgaben« keine Gültigkeit erhält. Einzelne oder aufeinanderfolgende Bilder wurden bei dem Nachdruck entfernt.31 Durch den Aufbruch der ursprünglichen Bildabfolge kann so nicht mehr von einer tatsächlichen Reproduktion gesprochen werden. Auch der Nachdruck des Bandes »Hitler in seinen Bergen« belegt dies, wo die Bilddramaturgie durch vertauschte Bilder und Bildfolgen ausgehebelt erscheint. Es wird deutlich, dass die Auswahl und Kürzung des Materials, wie sie in der Publikation des Verlages für geschichtliche Dokumentation 1979 erfolgt ist, unweigerlich zu einer Selektion führt, welche die Realität der Bilder nicht aufdeckt, sondern nur noch mehr verstellt. Ein Nachdruck aber kann einzig dann als »geschichtliche Dokumentation« fungieren, wenn er in seiner Vollständigkeit – als Quelle – erfahrbar bleibt. Stattdessen werden den Hitler-Bild-Sequenzen herausgelöste Kommentare über Propaganda-Strategien, den Holocaust oder die Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs entgegengesetzt: Sie erscheinen bezuglos im Gesamtbild. Die ausbleibende chronologische Erfassung der nachgedruckten Bildbände 30
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Vgl. ebd., S. 5: »[…] gehen nicht auf jedes einzelne der Bilder ein, die sich in der plumpen Massierung von Anbetung schon selbst demaskieren, sondern zeigen die Realität hinter den Bildern.« Die Autorin hat den Nachdruck mit verschiedenen Auflagen der unter Hoffmann publizierten Bildbände (»Hitler wie ihn keiner kennt«) verglichen. Leider war eine genaue Bestimmung der Vorlage nicht möglich, jedoch haben die – wie in der Neuauflage – eliminierten Bilder in keinem der von der Autorin gesichteten Quellen-Bildbände gefehlt. Die Grafik des Neudrucks wie auch einzelne (noch nicht einer Retusche unterzogene) Bilder weisen auf eine Auflage um 351.-400. Tsd. hin, die als Vorlage für die Reproduktion gedient haben könnte. Im Neudruck fehlen die Doppelseiten: zwei HitlerPortraits aus dem Jahr 1921, Hitler in der »Kurz’n«/bei der Schwester, Hitler am Bodensee/am Landungssteg, Verabschiedung von der ostpreußischen SA/auf der Rückfahrt von Ostpreußen, mit Kindern/mit der Jugend, in Paulinzella in Thüringen/Landwirtschaft in Norddeutschland, sowie die Ansicht zur Präsidentenwahl. Die Auflage 351.400. Tsd. weist keine Seitenzahlen auf; die genannten Bilder entsprechen in der Auflage 201.-220. Tsd. den Seiten: 16-17, 44-45, 64-65, 66-67, 72-73, 76-77, 88-89, 96.
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erschwert zusätzlich ihr Verständnis im zeithistorischen Kontext. Die inadäquate Wortwahl, die an fast allen Stellen des Textes zu finden ist und oftmals an anekdotenhafte Erzählung grenzt, unterstreicht den Verdacht, dass das Werk »Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit« nicht nur unseriös, sondern ganz und gar ungeeignet zum Erfassen einer sachdienlichen Rückschau und These ist. Es verdeutlicht einmal mehr den illustrativen Gebrauch der Hoffmann’schen Fotografien und Bildbände. Welche Aussage lässt sich schließlich über den Umgang mit Hoffmanns Fotografien in Geschichtsbüchern treffen? Ein Besuch des Georg-EckertInstituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig legt folgende, auf Stichproben basierende Beobachtung nahe: In Schulbüchern der Fächer Geschichte, Geografie und Staatsbürgerkunde, die zur Zeit des Nationalsozialismus erschienen, ist der Gebrauch von Bildern, insbesondere von fotografischen Reproduktionen, eher selten. Fotografie lässt sich hier vielmehr als populäre Erscheinung werten, die einen Ort außerhalb der Lehrbücher fand; dies betrifft insbesondere Portraitfotografien, wie sie von Heinrich Hoffmanns Unternehmen gefertigt wurden. Auch die deutschen Geschichtsbücher ab 1945, insbesondere jene der 1950er Jahre, arbeiten mit fotografischen Reproduktionen von Kunstwerken oder mit Grafiken, die geschichtliche Zusammenhänge bebildern. In »Zeiten und Menschen«32 (1970) tritt die Fotografie als Rezeptionsmedium auf dem Buchcover in Erscheinung. Es ist auch diese Reihe, in der von Hoffmann aufgenommene Abbildungen von Hitler als Redner33 in einer Abfolge von sechs Ansichten (1970) oder als Reichskanzler34 (1986) erscheinen. Allgemein dominiert aber bis in die 2000er Jahre ein singulärer Gebrauch des Bildes, der nur illustrativ visuelle Auszüge bietet; mitunter in Rückgriff auf Fotografien von Heinrich Hoffmann. Ein entscheidender Wandel hat sich seither in den zeitgenössischen deutschen Geschichtsbüchern vollzogen, die deutlich medienanalytische Ansät-
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Zeiten und Menschen – Die geschichtlichen Grundlagen der Gegenwart, 1776 bis heute, G2, Schöningh/Schroedel, Paderborn/Hannover 1970. Ebd., o.S. Vgl. Zeiten und Menschen – Entfaltung und Krise der modernen Welt, vom Zeitalter der bürgerlichen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Neue Ausgabe G, hg. v. Wilhelm Borth und Eberhard Schanbacher, Schöningh/Schroedel, Paderborn/Hannover, 1986, S. 222.
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ze35 in Bezug auf die Wahrnehmung von Fotografie und bewegtem Bild beinhalten. So stellt insbesondere das Geschichtsbuch »Anno«36 (2007) am Beispiel von Hoffmanns Sammelbildalbum »Adolf Hitler, Bilder aus dem Leben des Führers« den methodischen Umgang mit Fotografien heraus: Durch Fragen an die Fotografie in Bezug auf ihre Entstehung, Bildsprache und Verwendung wird so seit einigen Jahren bereits schon in der Schule ein kritischer Umgang mit den fotografischen Bildbänden von Heinrich Hoffmann erarbeitet – wie er viel zu lang nicht stattfand! Die Qualität der Geschichtsdidaktik hängt dabei immer auch von dem Blick ihrer jeweiligen Bearbeiterinnen und Bearbeiter, Herausgeberinnen und Herausgeber ab. Affirmativer Gebrauch Welche Ansichten von Heinrich Hoffmann umgeben uns heute durch rechtspopulistische Publikationen und Reprints? Wie setzt sich der Handel mit fotografischem Bildmaterial von Heinrich Hoffmanns Unternehmen in der zeitgenössischen Publizistik weltweit fort? Diese Fragen sind vor den aktuellen politischen Hintergründen mehr als berechtigt. Insbesondere in Italien und den USA haben sich Plattformen herausgebildet, die sich auf den Handel mit nationalsozialistischen Publikationen spezialisiert haben und den affirmativen Gebrauch von Heinrich Hoffmanns fotografischen Ansichten tragen. Ein prägnantes Beispiel ist der USM-Verlag in Rapid City in South Dakota,37 der seit 1969 von Ray R. (und Josephine) Cowdery betrieben wird. Gestützt auf die Meinungs- und Informationsfreiheit des Artikels 19 der Menschenrechte, vertreibt der USM-Verlag neben Militaria-Waren sowohl Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus als auch Reproduktionen dieser im Eigenverlag. Dabei ist der Handel mit einem Schwerpunkt auf den Vertrieb von
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Wie die Analyse von TV-Dokumentationen (am Beispiel ZDF-History) mit dem Fokus: Beschreiben, Untersuchen, Deuten. In: Geschichte und Geschehen (5/6), hg. v. Michael Sauer, Klett, Stuttgart 2017, S. 92f. Anno 5 (Gymnasium Sachsen), hg. v. Ulrich Baumgärtner und Wolf Weigand, Westermann, Braunschweig 2007, S. 106f.; Anno 3 (Geschichte Gymnasium Thüringen), hg. v. Ulrich Baumgärtner, Westermann, Braunschweig 2014, S. 89ff. verweist unter anderem auf Hoffmanns Bildband »Hitler über Deutschland« (1932) im Kontext propagandistischer Bildquellen-Analyse. In Rapid City sind mehrere rechtspopulistisch orientierte Händler wie auch Gruppierungen aktiv. Dies wird bei einer einfachen Schlagwortsuche im Internet schnell ersichtlich. Die Stadt hat eine deutsche Partnerstadt, Apolda.
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Heinrich Hoffmanns Bildbänden spezialisiert, »a field of growing demand and shrinking supply«.38 1990 trat Ray R. Cowdery so mit einem Nachdruck einiger ausgewählter Bild-Sequenzen in Erscheinung, die er aus verschiedenen Bildbänden Heinrich Hoffmanns gespeist hatte und als neu arrangiertes, englischsprachiges Kompendium offerierte: »Hitler, the Hoffmann Photographs«.39 Die Rückseite des Buches, die mit einer Fotografie von Hoffmann und Eva Braun40 wirbt, kündigt eine Zusammenstellung der »besten« Aufnahmen des »Künstlers« Heinrich Hoffmann an: »[…] Professor Hoffmann ascended to the absolute pinnacle of success as an artist in Germany before he was sentenced to a term of 10 years prison in 1947 as a Nazi profiteer. The 2 21 million photographs that he took between 1919 and 1945 may be the most complete photo-document ever made of a single national government. This book provides a sampling of his best work.«41 Cowderys Publikation erschien als Fanartikel für Neonazis und als Geldquelle für ihn als Herausgeber. Im Vorwort schildert er, seine Motivation zur Konzeption des Buches habe darin bestanden, dem Interesse zahlreicher amerikanischer geschichtsbewusster »Veteranen, Studenten, Professoren, Christen, Juden und Atheisten«42 nachzukommen, also jener Menschen, die er über Jahre hinweg als Leiter von Deutschland-Touren (»Ruins of the Reich«) begleitet habe.43 Seine Publikation verfolgt vor diesem Hintergrund das Ziel, einem breiten Publikum einen Auszug aus Hoffmanns Bildbänden zugänglich zu machen: »The posture and the expressions on the faces of the subject in Heinrich Hoffmann’s photographs tell us more than any text could about their attitude and the degree of their success or failure.«44 Dass so auch Cowdery Bilder statt Worte sprechen zu lassen beabsichtigte, knüpft ganz an die Wirksamkeit an, mit der noch die Konzeption der Bildbände durch die Firma Hoffmann erfolgte. Allerdings wird Cowdery in »The 38 39 40
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Vgl. www.usmbooks.com; zuletzt aufgerufen am 25.03.2018. Die Nennung dieser Website dient einzig dem Nachhalten des in der vorgelegten Arbeit ausgewiesenen Zitats. Cowdery, Ray R. (Hg.): Hitler – The Hoffmann Photographs, Volume 1, Northstar’s WWII Series, übersetzt von Josephine van Nierop, Lakeville, Minnesota 1990. Die Abbildung von Eva Braun erscheint hier als bewusste Verbindung von Braun als Mitarbeiterin der Firma Hoffmann und Braun in ihrer persönlichen Beziehung zu Hitler – und wiederum dem Zusammenwirken von Hoffmann und Hitler. Cowdery 1990, Klappentext hinten. Vgl. Cowdery 1990, S. 5; hier aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt – C.I. Ebd. Ebd.
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Hoffmann Photographs« zum eigenen Regisseur des Buches: Zusammengefügt aus dem Sammelband »Hitler erobert das deutsche Herz« aus dem Jahr 1938, der sich seinerseits aus verschiedenen Hoffmannbänden konstituierte,45 generiert Cowdery ein eigenes Arrangement, das Adolf Hitler als »Befreier« (»The Liberator«)46 voranstellt. Im gesamten Bildkorpus können sequenziell übernommene wie auch individuell choreografierte Bildfolgen erfasst werden, die mit den aus der deutschen Fassung oder ins Englische übertragenen Bildunterschriften präsentiert werden. Eine eigene Nummerierung der Seiten umschließt das zusammengefügte Dokument und stellt es als Einheit dar, konzipiert im Stil Hoffmanns. Ray R. Cowdery stellt sich damit nicht nur selbst in eine Tradition der Buchgestaltung, wie sie von Hoffmanns Unternehmen während des Nationalsozialismus praktiziert wurde. Mittels des von einem Lorbeerkranz umsäumten Buchstaben »H« für Hoffmann auf dem Schmutztitel des Neudrucks (von Cowdery als Firmenlogo des ehemaligen Verlages47 deklariert), zeichnet Cowdery sein eigenes Werk auch als gleichwertig zum Quellenmaterial und damit ›im Geiste‹ Hoffmanns aus. Cowdery suggeriert Aktualität da, wo einzig ein retrospektiv-affirmativer Blick herrscht. Dass ein solches Werk im Jahr 1990 möglich gewesen ist, zeigt, dass sich bis zu diesem Zeitpunkt kein öffentlicher, kritischer und vor allem internationaler Diskurs entwickelt hatte. Eine Fortsetzung, wie »Volume I« im Un45
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Laut Cowdery (vgl. ebd., S. 7) setzt sich »Hitler erobert das deutsche Herz« aus den Bänden »Hitler in seiner Heimat«, »Hitler baut Großdeutschland« und »Hitler befreit Sudetenland« zusammen. Thomas Friedrich verzeichnet hingegen eine andere Zusammenstellung, nach welcher der Sammelband »Hitler erobert das deutsche Herz« aus »Hitler holt die Saar heim«, »Hitler in seiner Heimat« und »Hitler befreit Sudetenland« bestand. Der Sammelband »So wurde Großdeutschland« setzt sich nach Friedrich aus den folgenden Titeln zusammen: »Hitler holt die Saar heim«, »Hitler in seiner Heimat«, »Hitler baut Großdeutschland« und »Hitler befreit Sudetenland«, vgl. Heiting/Jaeger 2012, S. 438. In Bibliotheksverzeichnissen wird hingegen auch »Mit Hitler in Böhmen, Mähren, Memel« als Bestandteil des Sammelbandes genannt. Exemplarisch wurden von der Autorin Übereinstimmungen zwischen Cowdery 1990 und Hoffmann, Hitler baut Großdeutschland, 81.-105. Tsd. geprüft: Hoffmann S. 29-48 stimmt mit Cowdery S. 65-104 überein, wie auch Hoffmann S. 51-57 bei Cowdery S. 107-113 entspricht. Einzelne Seiten hingegen wurden in ihrer Dramaturgie vertauscht: Hoffmann S. 50 zum Beispiel entspricht S. 105 bei Cowdery, während Hoffmann S. 49 der S. 106 bei Cowdery zuzuordnen ist. Cowdery 1990, S. 9. Vgl. Cowdery 1990, S. 7: »The H in a wreath on the title page was the logo of the Hoffmann Studio.« Ein derartiges Logo hat die Firma Hoffmann nicht verwendet, wohl aber hat sich Hitler damit inszeniert, vgl. Kap. II., 2.1.
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tertitel von »The Hoffmann Photographs« dies nahelegt, hat es nicht gegeben. Wohl aber den Nachdruck von Stanley McClatchies Band »Look to Germany, the Heart of Europe«, der 2001 im USM-Verlag erschienen ist. In Italien gab es nach 1945 insbesondere in den 1980er Jahren einen verstärkt affirmativen Gebrauch des Hoffmann’schen Bildmaterials. So operiert die Publikation »Io Hitler«48 (1982) nicht nur mit prägnanten Aufnahmen aus Hoffmanns (ehemaligen) Beständen, wie sie unter anderem aus »Hitler wie ihn keiner kennt« bekannt wurden, sondern liefert darüber hinaus HitlerDevotionalien wie einen aus Pappe reproduzierten Militärpass von Hitler, einen ausklappbaren Kunstdruck mit Hitler-Portrait oder einen leporello-artigen Papp-Streifen, der Filmsequenzen vom Obersalzberg in Standaufnahmen festhält. Noch 1989 wurde Hoffmanns Band »Jugend um Hitler« ins Italienische übertragen und unter dem Titel »Hitler e la gioventù« bei Editrice Sentinella d’Italia veröffentlicht49 , wie zuletzt auch 2013 McClatchies Band unter dem Titel »Guarda: il cuore dell’ Europa« in dem faschistisch geprägten Verlag Thule Italia Editrice in Rom reproduziert wurde. All diese Beispiele zeigen: Die Hoffmann’schen Bildbände und das darin suggerierte Hitler-Bild leben auf vielfältig erschreckende Weise noch immer als Mythos – mit realen Verkaufszahlen – fort.
2.
Image-maker II: Welches Bild Heinrich Hoffmann hinterlässt
Auf dünnem, pergamentartigem Papier hat Heinrich Hoffmann im Zeitraum nach seiner Spruchkammer-Verhandlung vom 31. Januar 1947, die ihn als Hauptschuldigen (Gruppe I) einstufte, eine Rechenschaftsschrift im Umfang von 74 maschinengeschriebenen Seiten verfasst.50 Wie bereits in der
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Vené, Gian Franco: Io Hitler – La prima biografia fotografica del capo del nazismo con documenti inediti e brani delle sue opere, Alberto Peruzzo Editore, Sesto San Giovanni 1982 (2 Bände). Hoffmann, Heinrich: Hitler e la gioventù, traduzione dal tedesco di Ermanno Giunchi, Editrice Sentinella d’Italia, Monfalcone 1989. Das »Manuskript von Heinrich Hoffmann zu Beruf/Arbeit/Verhältnis zu Hitler« wurde am 04.12.2006 dem Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München durch Albert Gruber übergeben. Gruber hatte das Dokument von seinem Onkel Martin Riedl erhalten, wie er am 06.07.2017 in einem Telefonat mit der Autorin berichtete; über die genaue Herkunft konnte er keine weiteren Aussagen machen. Riedl wurde 1919 in München gebo-
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»Revision« des vorliegenden Buches erwähnt, diente diese Niederschrift mehrfach als Bezugspunkt für Heinrich Hoffmanns Selbstdarstellung nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Systems. Aussagen aus dem Verteidigungsmanuskript lassen sich so auch in Formulierungen wiederfinden, wie sie Hoffmann 1954 Joe J. Heydecker entgegenbrachte, der mit Hoffmann umfangreiche Interviews51 führte. Diese Interviews dienten Heydecker als Grundlage für den Beitrag »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«52 , den er als Ghostwriter für die in der Münchner Illustrierten erschienene Fortsetzungsserie (Beginn 23. November 1954, 13 Teile) verfasst hatte, »um bei den Lesern den Anschein zu erwecken [Herv. d.A.], Hoffmann habe seine Erinnerungen selbst aufgezeichnet.«53
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ren, er verstarb 2004 in Otterfing. In seinem Nachlass, der ein breites Spektrum an Büchern umfasste, befand sich auch Hoffmanns Manuskript. Die Echtheit des Dokuments wurde – über das Erfassen durch Hartmut Mehringer (verstorben 2011), der das Dokument entgegennahm und eine Aktennotiz über Albert Gruber verfasste – nicht vom IfZ geprüft (Korrespondenz mit Esther-Julia Howell vom 10.10.2016; ein Gutachten wurde nicht erstellt). Die Provenienz-Geschichte des Manuskripts ist nicht eindeutig geklärt. Dennoch erlauben Inhalt und Zeitpunkt ihres Verfassens Rückschlüsse darauf, dass Heinrich Hoffmann der Autor des Dokuments ist. Nach seinem ersten SpruchkammerVerfahren mit Klageschrift vom 10.01.1947 und Urteilsspruch vom 31.01.1947 wechselte Hoffmann den Verteidiger. Nach Robert Bandorf und Hanns Baumann wurde er beim Wiederaufnahmeverfahren am 08.06.1948 durch den Anwalt Fritz Kartini vertreten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Hoffmann im Arbeitslager in Dachau. Es ist davon auszugehen, dass Hoffmann das 74-Seiten-Manuskript anlässlich der bevorstehenden Verteidigung für Kartini verfasst hat, dem es wiederum als Grundlage zum ›Erfassen‹ des Falles Hoffmann zu dienen vermochte. Dies legen auch die handschriftlichen Annotationen nahe, die ausgewählte Passagen numerisch durch den Kommentar »zu«, wie beispielsweise »zu 19« zuordnen. Es ist anzunehmen, dass diese Zuordnungen Kartini dazu dienten, seine 40 Seiten (plus 12 Seiten Anlagen) umfassende Berufungsschrift vom 05.08.1948 an die Berufungskammer München zu strukturieren, um Argumente der Verteidigung aufzubereiten und anhand von Beispielen auszubauen. Hoffmann wiederum wählte in seiner Schrift die Worte dem Ziel seiner Verteidigung entsprechend. Siehe: IfZ München, MS2049; StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann: Heft 1, S. 76; Heft 2, S. 4ff., 33ff. Die Nummerierung der Seiten durch das IfZ (Manuskriptnummerierung) folgt nicht der Seitenangabe von Hoffmann; bei Zitation bezieht sich die Autorin auf die Manuskriptnummerierung. BArch N1486/42. BArch N1486/103. Vgl. Heydecker 2008, S. 11. Heydecker verweist darauf, dass dies der Wunsch des Chefredakteurs Jochen Willke gewesen sei. Heydecker versuchte 1996 erneut, das Manuskript des 1954 geführten Interviews mit Hoffmann in einer Publikation unter dem
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Die Übersetzung ins Englische von »Heinrich Hoffmanns Erzählungen« wurde im unmittelbaren Anschluss an ihre Veröffentlichung in der Münchner Illustrierten von R.H. Stevens besorgt und 1955 unter dem Titel »Hitler was My Friend« publiziert. Bereits am 21. Januar 1955 berichtete Stevens angeblich im Londoner Rundfunk über Hoffmanns »Selbst-Biographie« mit dem Ziel, die »volle Wahrheit« herauszustellen: »Denn hier haben wir einen Mann vor uns, der in doppelter Hinsicht bemerkenswert ist, nämlich was seinen Charakter, aber auch was seine Erfahrung anbelangt, einen Mann, der für sich allein Interesse verdient, eher für seine Person, als daß er lediglich passiv bewertet wird, nur als ein Spiegel, nur als der Berichterstatter über Jemanden […].«54 Es ist eine weitere Verteidigung, die Hoffmann durch Stevens erfährt, sowohl durch die Übersetzung von Hoffmanns Memoiren ins Englische als
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Titel »Heinrich Hoffmanns Erzählungen, Gespräche mit Hitlers Hoffotograf – Ein Dokument der Zeitgeschichte und der Fotografie« unterzubringen. Der Styria Verlag Graz lehnte dieses Ersuchen ab. Heydeckers Herangehensweise an das Interview mit Hoffmann mag 1954 noch kritisch gewesen sein, wie einige Fragestellungen belegen. 1996 jedoch ist seine Position umstritten, formuliert er doch im Vorwort seines BuchManuskriptes: »So können wir, ob wir nun einen Fotografen wie Heinrich Hoffmann als Propagandisten des Nationalsozialismus verurteilen, doch nicht umhin, ihm gleichzeitig dankbar [Herv. d.A.] zu sein für die Fülle visueller Kenntnisse und Erkenntnisse, die er mit seinen Fotografien der Nachwelt nolens volens übermittelt hat. Sie unterscheiden sich sachlich [Herv. d.A.] in nichts von den Bildinformationen, die uns von anderen – unverdächtigen oder unbelasteten – Fotografen seit 1838 hinterlassen wurden«, in: ebd., S. 2f. Er unterstreicht damit Hoffmanns eigene Haltung. 2008 wurde sein Manuskript schließlich posthum veröffentlicht, versehen mit kritischen Kommentaren von Milena Greif und einem Nachwort von Georg Seeßlen, vgl. Heydecker 2008. Stevens in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann: Heft 3, S. 318ff., hier S. 318. Diese schriftliche ›Übersetzung‹ einer Rundfunkreportage des Londoner Rundfunks von Oberstleutnant R.H. Stevens wurde vermutlich durch Kartini dem Gericht als Anlage übermittelt. Es fällt auf, dass das Schreiben Richard Henry Stevens direkt zu Beginn als Oberstleutnant ausweist als auch dessen Haft in deutschen Konzentrationslagern aufführt, in der sich Stevens 1939-1945 aufgrund seiner leitenden Tätigkeit im britischen Geheimdienst befunden haben soll. Der vorangestellte Verweis auf die KZ-Inhaftierung erscheint hier als strategisch angebrachtes Argument, das die Darstellungen der Reportage »Hitlers Freund: Heinrich Hoffmann« aus menschlicher Perspektive bekräftigen soll. Hier geht es darum, ein »Bild von Heinrich Hoffmann« zu vermitteln (vgl. ebd. S. 322); ein Bild, das Hoffmann (angeblich auf Grundlage eines Gesprächs mit Stevens) von sich (erneut) selbst geformt hat, das Stevens in der Rolle des ›neutralen‹ Fürsprechers ›bekleidet‹ und das auf Hoffmanns Verteidigung zugeschnitten ist. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Vgl. auch: Hoffmann 1955, Buchrückseite. »Hitler was My Friend« wurde 2011 erneut aufge-
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auch im Zuge des ›Radiobeitrages‹ beziehungsweise der Dokumentenvorlage zur Verteidigung, wobei der Text der Abschrift in seinen Grundzügen auf dem Vorwort von »Hitler was My Friend« basiert. Neben der kritischen Bewertung des Gerichtsurteils, das Hoffmann zugesprochen wurde und das Stevens im ›Radiobeitrag-Dokument‹ gesondert benennt, hebt der Herausgeber Hoffmanns künstlerische Interessen und dessen Hand als »die Hand eines Künstlers« hervor.55 Explizite Betonung erhalten ferner die Begriffe »Ungerechtigkeit« und »Grausamkeit«, die Hoffmann gehasst habe, denen Stevens dann aber mit einer prägnanten Aussage begegnet: »Natürlich wußte er, daß ein KZ ein entsetzlicher Ort war, aber er war weit entfernt von den KZ’s und – wie so viele andere Deutsche – zog er es vor, sich nicht allzu sehr mit Dingen zu beschäftigen, die ihn nichts angingen.«56 Wurden diese Botschaften tatsächlich über den Londoner Rundfunk gesendet, oder handelte es sich um ein manipuliertes Schreiben, das Hoffmanns erneuten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 27. Oktober 1954 – diesmal unter Hinzunahme von Alfred Seidl als Verteidiger – stützen sollte?57 Die Verteidigungsstrategien Heinrich Hoffmanns waren mannigfaltig und auf ihnen basiert das Bild, das Heinrich Hoffmann – durch die Geschichtsschreibung vielfach reproduziert – von sich selbst hinterlässt. Die von ihm zitierten Aussagen, ein weiteres Mal 1974 durch Henriette Hoffmann bereitgestellt,58 haben so nicht nur maßgeblich den Diskurs um Heinrich
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legt: Hoffmann, Heinrich: Hitler was My Friend, mit einer Einführung v. Roger Moorhouse, Frontline Books, S. Yorkshire 2011. Stevens in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann: Heft 3, S. 319. Ebd., S. 321. Diese Aussage findet sich nur in den Gerichtsunterlagen, nicht jedoch im Vorwort von Hoffmann, Hitler was My Friend 1955. Vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann: Heft 3, S. 294, 299. Fritz Kartinis Darlegung vom 13.12.1955 mag darauf hindeuten: »Bemerkenswert darf fernerhin sein, daß sogar die größte Rundfunkgesellschaft Englands, also des ehemals feindlichen Auslandes, eine fast 1-stündige Reportage des englischen Obersten Stevens[on] über den Betroffenen sendete und dabei den Betroffenen keineswegs als Propagandist kennzeichnete […]«, ebd., S. 417. Hierbei ist festzuhalten, dass die Sendezeit des dem Gericht vorgelegten Dokuments eine Sendezeit von 8.15-8.30 Uhr nennt, also gerade mal 15 Minuten. Im Zuge von Kartinis Verteidigung folgt ein Widerspruch auf den nächsten, vgl. ebd. S. 318. Hoffmann 1974. Heydecker kommentiert: »Heinrich Hoffmanns Tochter Henriette Hoffmann zeichnete das Vorwort zu dem erwähnten Buch, und für mich besteht kaum ein Zweifel daran, dass sie Jahre nach dem Tod ihres Vaters das ganze Buch geschrieben hat. Als Schriftstellerin hat sie sich ja schon davor hervorgetan«, [bezugnehmend auf:
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Hoffmann bestimmt, sondern auch angrenzende Forschungsthematiken berührt. Ausgewählte Aspekte sollen an einem exemplarischen Fall aufgezeigt werden: an Hoffmanns Selbstdarstellung in Bezug zur künstlerischen Fotografie. So führt Hoffmann bei der Schilderung seines Werdegangs erstmals in seinem Verteidigungsmanuskript von 1947 den Rückbezug zu einem der bedeutendsten Portraitfotografen seiner Zeit auf: durch die Nennung seiner »Stellung beim Presse- und Kunstfotografen E.O. Hoppé in London« im Jahr 1907.59 »Hier bot sich Gelegenheit, fast möchte ich sagen, an der Quelle, mit der internationalen Bildpresse in Verbindung zu kommen.«60 Durch die Nennung ausgewählter Beispiele versucht Hoffmann, seine Anstellung im Studio von Emil Otto Hoppé sowie seinen Erfolg und seine Anerkennung in London zu skizzieren. Dabei sei ihm ein außergewöhnliches Foto gelungen: »In London fand gerade die ›Franco-British-Exhibition‹ statt, und ich sollte in der Kolonialabteilung der Ausstellung einige Bilder anfertigen. Während ich bei der Arbeit war, wurde die Halle von einer ungeheuren Explosion erschüttert […]. Ich stürzte mit meiner Kamera ins Freie und sah die Ursache des Unglücks. Ein Freiballon, für Aussichtsflüge der Ausstellungsbesucher bestimmt, war explodiert. Überall lagen Tote und Verwundete. Es gelang mir, in aller Eile ein Bild von der Unglücksstätte mit der rauchenden und teilweise noch brennenden Hülle des Ballons zu machen. Schon am nächsten Tag erschien die Aufnahme auf der Titelseite des ›Daily Mirror‹ […].«61 Dem steht jedoch E.O. Hoppés Aussage gegenüber, der anhand genau dieses Ereignisses eine detaillierte Schilderung über seinen eigenen Einstieg in den Bildjournalismus lieferte: »It was a ›scoop‹ that caused my entry into the world of journalism. It occurred at the first Franco-British Exhibition at the White City wither [sic!] I
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von Schirach, Henriette: Preis der Herrlichkeit, Limes Verlag, Wiesbaden 1956, Anm. d.A.], in: Heydecker 2008, S. 14. Heydecker mokiert sich über die von Henriette Hoffmann herausgegebene Publikation, in welcher er die von ihm verfassten »Heinrich Hoffmanns Erzählungen« als Vorlage wiederfindet. Henriette Hoffmann von Schirach gebrauchte ihren Nachnamen in ihren Publikationen kontextbezogen. IfZ München, MS2049, S. 6. Ebd. Der Kontakt sei durch Professor Emmerich des »Munich Institute for Photographic Instruction and Research« zustande gekommen, vgl. Hoffmann 1955, S. 26ff. Vgl. »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«, Münchner Illustrierte Presse [o.A.], Teil 2, S. 33, in: BArch N1486/103.
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had gone to obtain the right background for a portrait of the Maharajah of Nepal by photographing him against the wall of his palace in Kathmandu, artfully reproduced in plaster of Paris. I had just exposed my fifth plate, when a tremendous detonation shook the ground. A balloon close by, which was to have lifted people up for a bird’s-eye view of the [E]xhibition and was also to undertake the adventurous trip to Paris, had exploded and was in flames. Fortunately, my big camera was still screwed on its tripod. All I had to do was to swing it round, adjust the focus, reverse the slide and expose the last plate left. This was a real piece of luck since there was no other camera in sight. I telephoned the Daily Mirror to say that I would bring to the office an ›exclusive‹ picture by the incident, and rushed home to develop the plate and make a contact print. The Art Editor, young Hannen Swaffer, was delighted, and paid me generously for the photograph which was reproduced as a fullpage in the next morning’s issue.«62 Cecil Beaton bemerkt, dass Hoppé sein erstes Studio im Oktober 1907 eröffnete.63 Hoppé war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre jünger als Heinrich Hoffmann und stand damit selbst noch am Beginn seiner Karriere. Hoffmann aber schreibt die Parallelisierung der Geschichte wie folgt fort: »Als ich im Jahre 1908 in der Königlich Photographischen Gesellschaft mit meinen Arbeiten vertreten war und der bekannte Schriftsteller Snoden-Ward [sic!] sich meiner annahm und meine Bilder in ›The Photo-Annuals of the Year 1908‹ erschienen, wurde mein Name in den englischen Fachkreisen bekannt.«64 Die von Henry Snowden Ward herausgegebenen »Photographic Annuals 1908« beinhalten aber weder eine fotografische Ansicht von Hoffmann noch von Hoppé.65 Nachweisen lässt sich die Beteiligung von Hoppé bei »The Fifty-Third Annual Exhibition of the Royal Photographic Society of Great Britain«66 im Jahr 1908, 62
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Hoppé, E.O.: Hundred Thousand Exposures – The Success of a Photographer, introduced by Cecil Beaton, The Focal Press, London 1945, S. 154. Die Aufnahme wurde am 15.08.1908 im Daily Mirror veröffentlicht, vgl. Prodger, Phillip/Pepper, Terence: Hoppé Portraits – Society, Studio & Street, Ausst.kat., National Portrait Gallery, London 2011, S. 166. Unter der Adresse: 10 Margravine Gardens, West Kensington, London, vgl. Hoppé 1945, Einführung. IfZ München, MS2049, S. 6. Photographic Annuals 1908, hg. von H. Snowden Ward, Dawbarn & Ward Ltd., London 1908. Vgl. The Fifty-Third Annual Exhibition of the Royal Photographic Society of Great Britain, The New Gallery, Regent Street, London, W., September 17th to October 24th,
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wie er an dieser bereits auch in den Jahren 1905, 1906 und 1907 teilnahm und mit fotografischen Ansichten in den Ausstellungskatalogen vertreten war. Welche Faktoren sprechen vor diesen Hintergründen dafür, dass Heinrich Hoffmann tatsächlich bei E.O. Hoppé 1907/08 ›in die Lehre ging‹? Die Information, dass Hoffmann für Hoppé arbeitete, fußt einzig auf Hoffmanns eigener Aussage, wobei sich Hoffmann 1947 und 1954 auf Ereignisse bezieht, die Hoppé bereits 1945 in seiner eigenen Biografie thematisierte und veröffentlichte.67 Der Fotograf Hoppé hatte ab 1924 eine große Medienpräsenz in den deutschen Illustrierten. In seinem Beitrag im Deutschen Lichtbild 1928/29 formuliert er: »Die Lichtbildkunst hat ihre Grenzen, und von der Erkenntnis dieser Grenzen – nämlich der Reichweite ihrer Hilfsmittel – hängt ihre feinste Vollendung ab.«68 Hoppé scheint Hoffmann (retrospektiv) als Vorbild für seine Fotografie wie auch für seine Unternehmensführung gedient zu haben. Vom 5. Dezember 1953 bis 31. Januar 1954 war E.O. Hoppé mit einer Ausstellung unter dem Titel »A half Century of Photography« im Lenbachhaus in München vertreten.69 Er wurde ferner als »the photographer of men« bezeichnet.70 War es diese Bezeichnung, die Heinrich Hoffmann schließlich 1954 zu der Behauptung veranlasste, er habe zusammen mit Hoppé an dem »berühmten« Bildband »Männer des 20. Jahrhunderts« gearbeitet?71 Nach eingehender Prüfung ist dieses Buch in keiner Publikationsauflistung Hoppés zu finden, wie sie beispielsweise »Hundred Thousand Exposures« anbietet, und sie ist auch dem Nachlassverwalter Graham Howe der E.O. Hoppé Estate Collection in Pasadena, Kalifornien nicht bekannt.72 Es drängt sich die Vermutung auf, dass Hoffmann die vermeintliche Publikation von Hoppé in der Rekonstruktion seiner kunstfotografischen Biografie mit dem Bildband »Menschen des
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1908, Illustrated Catalogue, Royal Photographic Society of Great Britain, London 1908, S. 9, 13, 14, 16. Hoppé erwähnt seine Teilnahme an der Ausstellung ebenfalls in: Hoppé 1945, S. 40. Hoppé erwähnt, dass er mit zunehmendem Erfolg auch Assistenten in seinem Betrieb aufnahm, nennt aber keine weiteren Details diesbezüglich, vgl. Hoppé 1945, S. 13. Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1928/29, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1928, o.S. Dank an Sarah Bock vom Lenbachhaus München für die Spezifizierung der Daten. Hoppé 1945, S. 15. Vgl. »Heinrich Hoffmanns Erzählungen«, Münchner Illustrierte Presse [o.A.], Teil 2, S. 33f., in: BArch N1486/103. E-Mail-Korrespondenz vom 26.01.2017 mit der Autorin. Vgl. auch: https://www.eohoppe.com, zuletzt aufgerufen am 15.03.2018.
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20. Jahrhunderts« von August Sander verwechselte – oder absichtlich nahelegte?73 Sanders Lebensprojekt »Menschen des 20. Jahrhunderts« lag der 1929 veröffentlichte Bildband »Antlitz der Zeit«74 zu Grunde, den Sander mit 60 Aufnahmen als Vorausschau auf sein großes Werk anlegte.75 Im Kölnischen Kunstverein präsentierte er bereits 1927 eine Auswahl seines fotografischen Konzeptes.76 1934 wurden Teile seiner fotografischen Sammlung durch die nationalsozialistische Regierung beschlagnahmt und vernichtet.77 Sanders Bild der sozialen Ordnung entsprach nicht dem ideologisch propagierten Weltund Menschenbild, ja kam ihm durch die umfangreich angelegte Darstellung vielleicht gar als Gegenbild zu nah. Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund von Heinrich Hoffmanns Bildpraktiken August Sanders Radiovortrag von 1931 im Westdeutschen Rundfunk, in dem er grundlegende Beobachtungen zu den Möglichkeiten der zeitgenössischen
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Sander, August: Menschen des 20. Jahrhunderts – Ein Kulturwerk in Lichtbildern, eingeteilt in sieben Gruppen, hg. v. der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur Köln, bearbeitet und neu zusammengestellt von Susanne Lange, Gabriele ConrathScholl und Gerd Sander, Schirmer/Mosel, München 2002 [I Der Bauer, II Der Handwerker, III Die Frau, IV Die Stände, V Die Künstler, VI Die Großstadt, VII Die letzten Menschen]. Die Fotografien für sein umfangreich angelegtes Werk entstanden zwischen 1892 und 1954. Die sieben Gruppen fächerte Sander in seiner Sammlung in 45 Mappen auf, insgesamt sollte das Werk 500-600 Fotografien beinhalten. Sein Konzept wurde durch Zensursysteme des nationalsozialistischen Regimes in seiner Ausführung unterbunden und erhielt bis zu seinem Tod im Jahr 1964 keine abschließende Umsetzung, vgl. ebd., S. 26.; Sander, August: Menschen des 20. Jahrhunderts – Studienband, hg. v. der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur Köln, konzipiert von Susanne Lange und Gabriele Conrath-Scholl, Schirmer/Mosel, München 2001. Sander, August: Antlitz der Zeit – 60 Aufnahmen Deutscher Menschen des 20. Jahrhunderts, Transmare-Verlag, München 1929. Sander 2002, S. 9. o.A.: »Menschen des 20. Jahrhundert«, in: Industrie- und Handelsanzeiger/Rheinische Tageszeitung, Nr. 329, Jg. 1927, o.S.: »Beim Beschauen aller dieser individuell erfaßten Menschen wachsen diese aber zu einem Ganzen zusammen, zu den Menschentypen des 20. Jahrhunderts und zu dem Antlitz der Zeit.« Vgl. Lohse, Werner: »Der Lichtbildner August Sander«, in: Heute und Morgen – Monatszeitschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft, Zeitgeschehen, Düsseldorf 1951, S. 540576, hier S. 542.
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Fotografie darlegte,78 wie auch Hoffmann sie später strategisch in seinen Bildbänden implementierte. Die – explizite wie implizite – Bezugnahme zu E.O. Hoppé und August Sander legt die Vermutung nah, dass Heinrich Hoffmann nachträglich die Avantgarde als Korrektiv und Aufwertung seiner eigenen Arbeit bediente. Ein weiteres Beispiel unterstreicht diese Vermutung, zog Hoffmanns Verteidiger Fritz Kartini den Fotografen Erich Salomon als Vergleich für Hoffmanns Tätigkeit heran, um dessen Spruchkammer-Urteil zu mildern: »Im Grunde die gleichen geschäftlichen und beruflichen Erfolge erzielte vor der Machtübernahme der bekannte Bildberichter Herr Dr. Salomon, welcher als Photograph bei der damaligen Reichsregierung ähnliche Funktion ausübte, wie dies später der Betroffene Hoffmann tat [Herv. d.A.]. Auch von Dr. Salomon wurden die Staatsempfänge, besondere Staatsakte, ausländische Besuche photographiert, da es ja aus technischen Gründen häufig nicht angeht, dass bei derartigen Anlässen zahlreiche Bildberichter zugegen sind.«79 Diese Argumentation ist nicht nur unhaltbar, sondern pietätlos – denn Erich Salomon80 wurde im Zuge der nationalsozialistischen Judenverfolgung gezielt seiner beruflichen Tätigkeit als Fotograf entbunden, 1933 nach Holland vertrieben, verhaftet und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.81 78
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Der Original-Vortrag in deutscher Sprache konnte der Autorin aufgrund einer Benutzersperrung von der SK Stiftung Köln nicht vorgelegt werden. Entscheidend in Sanders Beitrag sind die Überlegungen zur Unmittelbarkeit und der Möglichkeit grenzüberschreitender, universaler Kommunikation mittels des fotografischen Bildes. Er benennt in seinem Beitrag ferner die Ziele, die er mit »Menschen des 20. Jahrhunderts« verfolgt, und leistet den Übertrag von der Darstellung des Gesichtes hin zur Bewegung des Menschen: »Not only a person’s face, but his movements, define his character« – eine Beobachtung und Formulierung, wie sie auch Heinrich Hoffmann praktisch im Zuge seiner fotografischen Bildbände umgesetzt hat. Vgl. Sander, August: »From the Nature & Growth of Photography, Lecture 5: Photography as a Universal Language«, 1931, übersetzt von Anne Halley, in: The Massachusetts Review 19.4 (Winter 1978), S. 674-679, hier S. 678. Bezieht sich auf die Berufungsschrift vom 05.08.1948, in: StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Heft 2, S. 42. Zu Erich Salomon siehe: Salomon, Erich: Portrait einer Epoche, Auswahl durch Han de Vries und Peter Hunter-Salomon, Ullstein, Frankfurt a.M. und Berlin 1963; Biefang, Andreas/Leenders, Marij (Hg.): Das ideale Parlament – Erich Salomon als Fotograf in Berlin und Den Haag, 1928-1940, Droste, Berlin/Düsseldorf 2014. Dies betrifft Salomon wie auch seine Frau und den jüngsten Sohn. Salomons Sohn Peter Hunter-Salomon konnte im englischen Exil überleben. Ihm ist es zu verdanken,
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Eine Position, wie Hoffmann sie innehatte, war überhaupt nur möglich vor dem politischen Hintergrund, dass die innovativsten Pressefotografinnen und Pressefotografen der Avantgarde durch das nationalsozialistische Regime vertrieben, verfolgt und zu großen Teilen getötet wurden – indem Fotografen und Bildberichterstatter wie Erich Salomon auf eben diese nationalsozialistische Weise ihrer Tätigkeit und ihres Renommees entledigt und ›entfernt‹ wurden. Kartini wiederum bezieht sich in seiner ›Beweisführung‹ auf Salomons erfolgreichen Bildband »Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken«82 – dabei scheint er (sich selbst), wie auch Hoffmann sich im Zuge dieses Vergleiches, nämlich im Zuge des »organisierten Lügens«83 , in einem unbewachten Augenblick vor dem Hintergrund der stets augenblickslosen Wahrheit gesehen zu haben. Hierin zeigt sich eine verfälschende Haltung und nationalsozialistisch verzerrte Wahrnehmung, wie sie sich im Umgang mit dem Begriff Propaganda ganz ähnlich im Kontext von Hoffmanns Verteidigung abzeichnet: »Unter Propaganda [Herv. d.A.] versteht man eine Maßnahme oder Veranstaltung zur Verbreitung gewisser Lehren, Meinungen oder politischer Forderungen. Unter propagandistisch versteht man darüber hinaus eine Werbung in Form der Propaganda mit den schärfsten Mitteln. Der Antragsteller ist in der Lage, durch Sachverständige zu beweisen, dass ein unverfälschter Bildbericht [Herv. d.A.] von Veranstaltungen keine Massnahmen zur Verbreitung gewisser Lehren, Meinungen oder politischer Forderungen darstellt und dass vor allem ein objektiver Bildbericht [Herv. d.A.] niemals eine Werbung in Form der Propaganda mit den schärfsten Mitteln darstellt. Davon könnte nur die Rede sein, wenn es sich um nachträglich verfälschte Photos, um Photomontagen u.dgl. handelt [Herv. d.A.].«84
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dass der Nachlass von Erich Salomon bewahrt wurde und sich seit 1980 in der Sammlung der Berlinischen Galerie in Berlin befindet. Vgl. Salomon, Erich: Fotografien 19281938, Berlinische Galerie/Fotografische Sammlung, Berlin 1986, S. 7. Salomon, Erich: Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken, J. Engelhorns Nachf., Stuttgart 1931. Arendt 2015, S. 50. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Heft 2, S. 6. Kartini unterstreicht seine These, indem er formuliert, dass Propaganda gleichzusetzen sei mit »Verschenken«; da Hoffmann aber seine Produkte verkauft habe, könne es sich nicht um Propaganda handeln, vgl. ebd., Heft 3, S. 173.
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»Nachträglich verfälschte Photos«, »Photomontagen u.dgl.« – genau das ist mit Heinrich Hoffmanns Bildstrategien der Fall (gewesen). Hoffmann selbst deklarierte seine Tätigkeit im Kontext der Propaganda-Debatte schließlich wie folgt: »Meine Bücher waren weder politisch noch militärisch, noch waren sie Dokumente einer Geheimdiplomatie. Alle Welt konnte sich aus meinen Büchern ein Bild formen und die Unterschrift ›Heinrich Hoffmann‹ war das Signum der Wahrheit [Herv. d.A.] […].«85 Hoffmanns Spruchkammerverfahren wurde am 1. Februar 1956 durch den Spruch der Hauptkammer München abgeschlossen.86 Was darunter verbleibt:87 Einreihung in die Gruppe II der Belasteten, 45.000 DM zu tragende Rechtskosten, 20 Prozent verbleibender Teil des Vermögens, festgelegt auf
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IfZ München, MS2049, S. 41. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2411, SpKA Kt. 741II, Heinrich Hoffmann, Heft 6, o.S. Der vorherige Spruch vom 15.11.1950 umfasste: Einreihung in die Gruppe II der Belasteten; Arbeitslager für die Dauer von vier Jahren unter Anrechnung der ab dem 08.05.1945 bereits vollzogenen politischen Haft; Einzug des Vermögens in Höhe von 80 % als Beitrag der Wiedergutmachung; Untersagung der Bekleidung eines Amtes; Verlust der Rechtsansprüche auf Renten/Pensionen; Verlust des Wahlrechts der Wählbarkeit und der Beteiligung an einer Partei; Untersagung, Mitglied einer Gewerkschaft oder einer wirtschaftlichen/politischen Vereinigung zu sein; auf die Dauer von fünf Jahren wurde ihm untersagt, in einem freien Beruf oder selbstständig in einem Unternehmen oder einem gewerblichem Betrieb, als Lehrer, Prediger, Redakteur, Schriftsteller oder Rundfunk-Kommentator tätig zu sein; er unterlag Wohnungs- und Aufenthaltsbeschränkungen, er verlor alle ihm erteilten Approbationen, Konzessionen und Berechtigungen sowie das Recht, einen Kraftwagen zu halten; das Tragen der Kosten der Verhandlung des Jahres 1947 in Höhe von 5.800.000 DM, vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Heft 3, S. 241. Dem gegenüber umfasste der erste Spruch vom 31.01.1947 (aufgelistet sind nur die Abweichungen zum Spruch vom 15.11.1950): Einreihung in die Gruppe I der Hauptschuldigen; Sühnemaßnahmen auf die Dauer von zehn Jahren (Arbeitslager, um Wiedergutmachungs- und Aufbauarbeiten zu verrichten); Einzug des Vermögens zur Wiedergutmachung bis auf 3.000 RM; auf die Dauer von zehn Jahren wurde ihm untersagt, in einem freien Beruf oder selbstständig in einem Unternehmen oder einem gewerblichem Betrieb, als Lehrer, Prediger, Redakteur, Schriftsteller oder Rundfunk-Kommentator tätig zu sein; das Tragen der Kosten der Verhandlung mit festgesetztem Streitwert von 9.000.000 RM; Fortdauer der Festhaltung, vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Heft 2, S. 104 [Herv. d.A.].
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350.000 DM88 – und, wie die Nachlassakte Heinrich Hoffmanns verrät, eine Reihe an Gemälden, Kunstgegenständen und Schulden.89 Das Bild, das Heinrich Hoffmann zu hinterlassen bestrebt war, ist das des Künstlers, des Kunstsachverständigen und des Kunstsammlers. Die Reproduktion von Kunstwerken diente ihm in seinem Verteidigungsmanuskript mehrfach als argumentativer Ausweg; die ›Gründung‹ der Zeitschrift »Kunst dem Volk« wird hierbei besonders hervorgehoben, wie auch seine Tätigkeit als ›Kurator‹ bei der Großen Deutschen Kunstausstellung.90 Die »fabrikmässig[e] Herstellung von Bildern«91 erkannte er für sich an, seine pressefotografischen Geschäfte stellte er allerdings als »zeitgeschichtliches Institut«92 heraus und deklarierte seinen Verlag schließlich als Kunstverlag.93 Er stellte die Strategie der Bildmanipulation in Abrede, verheimlichte die Strategie des Reenactments wie auch jene der Verschleierung. Er spielte die Popularität, Ausrichtung und politische Bedeutung seiner Bildbände herunter.94 Tatsächlich ist es aber seine Fähigkeit, mit Hannah Arendt gesprochen, »[…] die Geschichte immer wieder umzuschreiben, um die Vergangenheit der ›politischen Linie‹ des Augenblicks anzupassen […].«95 Dabei übersah Heinrich Hoffmann, der sich nicht als »Nazi« bezeichnen lassen wollte, sondern sich als »Nationalsozialist« sah,96 dass seine Ausführungen stets aus dem na-
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Vgl. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann, Heft 3, S. 241, 408ff.; Herz 1994, S. 64. Vgl. Staatsarchiv München, AG München NR 1958/236. Den Nachlass verwaltete Henriette Hoffmann von Schirach. Vgl. IfZ München, MS2049, S. 28, 43ff. Hoffmanns äußerst subjektiv gefärbte Darstellung erstreckt sich allein über diese beiden Themen über neun Seiten! Es schließt hieran die Betrachtung von Kunst an, S. 49. Ebd., S. 29. Ebd., S. 20. Vgl. ebd., S. 57. »Kurz vor der Machtergreifung brachte der ›Zeitgeschichte-Verlag‹ Berlin, Bülowstr. 66, ein Buch heraus: ›Hitler wie ihn keiner kennt!‹ Es ist eine Sammlung von Privatbildern Hitlers aus dem Felde und von Lebensgewohnheiten von ihm. Den Text schrieb Baldur von Schirach. […] Dieses Buch, das erst 1933 bemerkbar in den Buchhandel kam, diente dem Ankläger im jetzigen Spruchkammer-Verfahren als ein wesentlicher Punkt der Anklage. Das Buch, das wie schon erwähnt, nicht in meinem Verlage erschien, kann schon aus Gründen der geringen Verbreitung in nur einigen tausend Exemplaren vor der Machtergreifung niemals geholfen haben, Hitler zur Gewaltherrschaft zu bringen [Herv. d.A.].« Vgl. IfZ München, MS2049, S. 22. Arendt 2015, S. 10. Vgl. IfZ München, MS2049, S. 37.
Nachbildung
tionalsozialistischen System heraus argumentierten und sich zwischen zwei Sprach- und Wertesystemen befanden – dem des überwundenen Nationalsozialismus und dem der bestehenden Demokratie.
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Archivalische Quellen BAYERISCHES HAUPTSTAATSARCHIV/STAATSARCHIV MÜNCHEN: StAM Pol. Dir. München 10083. StAM Pol. Dir. München 6969, Film StA München S2817. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2412/I, SpKA Kt. 741, Heinrich Hoffmann. StAM Bestand Spruchkammern, Film 2411, SpKA Kt. 741II, Heinrich Hoffmann. BUNDESARCHIV, BERLIN-LICHTERFELDE: BArch NS10/230; BArch NS10/176; BArch NS10/371; BArch NS10/463. BUNDESARCHIV, KOBLENZ: BArch N1486/42; BArch N1486/103. DEUTSCHES HISTORISCHES INSTITUT, ROM: Bestand Duilio Susmel. DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM (DHM) ARCHIV, BERLIN: DHM, GD Stölzl, Ausstellungen, abgelehnte Sonderausstellungen, Hoffmann & Hitler, 1994. DHM, Präs. Ottomeyer, Wechselausstellung, 2010 Hitler; DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010. DHM Archiv, Hoffmann & Hitler, Pressemeldungen 1994, Vorl. 1.4, April 1994. DHM, ÖVA, Pressestelle, Pressearchiv 1994, Hoffmann & Hitler, O-Z, Teil 1. DHM, GD, Wechselausstellung Hitler & Dt. 2010, Acc. 2011/30.
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GETTY CENTER, LOS ANGELES: Stefan Lorant Collection, ca. 1869-1993 (bulk 1920-1992), Getty Research Institute, Research Library, Accession no 920024. Collection of historical photographs, IA 40005, JP Getty Collection, photos of LA, 1986.IA.29-I. INSTITUT FÜR ZEITGESCHICHTE (IfZ), MÜNCHEN: MS2049, Manuskript von Heinrich Hoffmann zu Beruf/Arbeit/Verhältnis zu Hitler. Presse-Archiv: Akte Hoffmann, Heinrich. LIBRARY OF CONGRESS (LOC), WASHINGTON D.C.: Department Rare Books, Third Reich Collection. Department Prints and Photography. NATIONAL ARCHIVES (NARA), WASHINGTON D.C.: National Archives Collection of Foreign Records Seized, Record Group 242. National Archives, Record Group 238. SEAVER CENTER for Western History Research, National History Museum, Los Angeles County: GC 1014. STADTARCHIV DÜSSELDORF: 7-6-84-8.000, Rheinische Landeszeitung Volksparole. 7-6-84-9.000, Rheinische Landeszeitung Volksparole. THE HUNTINGTON LIBRARY, SAN MARINO, CALIFORNIA: Photograph Collection: Historical Society of Southern California, phot CL 400. USC, University of Southern California, FEUCHTWANGER MEMORIAL LIBRARY, LOS ANGELES: Joseph Roos Collection, Coll. #313.
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Weitere konsultierte Archive und Spezialbibliotheken Bayerische Staatsbibliothek (BSB), München, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann. Bibliothek der Deutschen Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen im Filmhaus, Berlin. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Bundesarchiv, Filmarchiv, Berlin. Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig. German Historical Institute, Washington D.C. Internationale Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg, München. UCLA, University of California Los Angeles, Special Collections – Charles E. Young Research Library. Warburg-Haus Hamburg, Forschungsstelle Politische Ikonographie.
Gedruckte Quellen Vorangestellte Anmerkung: Heinrich Hoffmanns beruflicher Werdegang wurde geprägt von zahlreichen Begünstigungen, die in parteipolitischem Bezug zur NSDAP oder zu Adolf Hitler persönlich standen. Darunter fällt sowohl die Bezeichnungen »Reichsbildberichterstatter der NSDAP« als auch Hoffmanns Professorentitel, den ihm Hitler als Ehrentitel am 10. Juli 1938 verlieh. Zur Nachhaltung dieser Begünstigungen, von denen nicht nur Hoffmann als Person, sondern insbesondere auch die Firma Hoffmann profitierte, sind die unter Heinrich Hoffmann (oder unter Hoffmanns Mitarbeit) erschienenen Publikationen unerlässlich. Aus diesem Grund werden in der Angabe der gedruckten Quellen in der vorliegenden Arbeit alle entsprechenden Bezeichnungen vollständig aus dem Original übernommen, so auch sein Professorentitel. Dieser wird zur Kennzeichnung des Sachverhalts in seinen Herausgeberschaften durch die Autorin in Klammern gesetzt. Adolf Hitler – Bilder aus dem Leben des Führers, 1000.-1100. Tsd., hg. vom Cigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld 1936, o.S. [»Auswahl und künstlerische Bearbeitung der Bilder dieses Werkes lagen in den Händen des Reichs-Bildberichterstatters der NSDAP, Heinrich Hoffmann, München«]. Adolf Hitler in Bilddokumenten seiner Zeit, Bd. 1-5, Verlag für geschichtliche Dokumentation GmbH & Co., Hamburg 1979.
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Amtlicher Katalog für die Ausstellung Gebt mir vier Jahre Zeit: 30.04.20.06.1937 in Berlin, Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrsgesellschaft, Berlin 1937. Anno 3 (Geschichte Gymnasium Thüringen), hg. v. Ulrich Baumgärtner, Westermann, Braunschweig 2014. Anno 5 (Gymnasium Sachsen), hg. v. Ulrich Baumgärtner und Wolf Weigand, Westermann, Braunschweig 2007. Anschütz, Ottomar (Hg.): Cadinen – Sommeraufenthalt der deutschen Kaiserfamilie, Verlag O. Anschütz, Berlin 1903. von Bassewitz, Sebastian: Angela Merkel – Das Porträt, Droemer, München 2009. Behnken, Wolfgang (Hg.): Mensch, Schröder, teneues, Kempen 2005. Bianchi, Lorenzo: Mussolini als Schriftsteller und als Redner, Petrarca-Haus Köln und Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1938. Casini, Gherardo (Hg.): Italia e Germania, Maggio XVI, Libreria Ulpiano Editrice, Rom 1938. Cowdery, Ray R. (Hg.): Hitler – The Hoffmann Photographs, Volume 1, Northstar’s WWII Series, übersetzt von Josephine van Nierop, Lakeville, Minnesota 1990. Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1927, hg. von H. Windisch, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1927. Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1928/29, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1928. Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1930, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1929.
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Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1933, Verlag Robert & Bruno Schultz, Berlin 1932. Das deutsche Lichtbild – Jahresschau 1934, Verlag Bruno Schultz, Berlin 1933. Der große deutsche Feldzug gegen Polen – eine Chronik des Krieges in Wort und Bild, hg. unter Mitarbeit des Reichsbildberichterstatters der NSDAP (Prof.) Heinrich Hoffmann, bearbeitet von Heeresarchivrat Ernst Wisshaupt Major a.D., Verlag für Militär und Fachliteratur A. Franz Göth & Sohn, Wien 1939. Deutschland erwacht – Werden, Kampf und Sieg der NSDAP, 401.-500. Tsd., Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld [1942]. Diebow, Hans/Goeltzer, Kurt (Hg.): Bilddokumente der Zeit – Mussolini, eine Biographie in 110 Bildern, 1.-10. Tausend, Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1931. Diebow, Hans/Goeltzer, Kurt (Hg.): Bilddokumente der Zeit – Hitler, eine Biographie in 134 Bildern, 1.-20. Tausend, Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1931. Dieckmann, Kai (Hg.): Helmut Kohl – Auf dem Weg, und Helmut Kohl – In Geschichte und Gegenwart, Bild-Verlag, München 2010. Die Kamera – Ausstellung für Fotografie, Druck und Reproduktion, 04.19.11.1933 in Berlin, Amtlicher Katalog u. Führer, Union, Berlin 1933. Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe 1937/38 [Band 1 und 2], hg. v. Hans Biallas unter Mitarbeit von Th. Hopfauer, (Prof.) Heinrich Hoffmann, Erich Fischer, 1.-10. Tsd., mit 310 Raumbildaufnahmen von (Prof.) Heinrich Hoffmann, Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1938. Die Nationalsozialistischen Musterbetriebe 1939 [Band 3], hg. v. Hans Biallas unter Mitarbeit von Th. Hopfauer, (Prof.) Heinrich Hoffmann, Erich Fischer, 1.-5. Tsd., mit 200 Raumbildaufnahmen von (Prof.) Heinrich Hoffmann, Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1939.
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Die Olympischen Spiele in Los Angeles 1932, hg. von der ReemtsmaCigarettenfabrik, Hamburg-Bahrenfeld 1932. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen, Band 1, Die Olympischen Winterspiele, Vorschau auf Berlin, 801.-900. Tsd., hg. vom Cigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld 1936. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen, Band 2, Die XI. Olympischen Spiele in Berlin 1936, 1101.-1200. Tsd., hg. vom Cigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld 1936. Ein Jahr bayrische Revolution im Bilde, Photobericht Hoffmann, München 1919. Film und Foto – Amtlicher Führer der Ausstellung, 16.05.-07.06.1936 in Düsseldorf, hg. v. Institut für deutsche Wirtschaftspropaganda e.V. Berlin, 1936. Ganzer, Karl Richard: Das deutsche Führergesicht – 204 Bildnisse deutscher Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden, mit einer Einführung in den Geist ihrer Zeit, Lehmann Verlag, 23.-30. Tsd., München/Berlin 1939. Geschichte und Geschehen (5/6), hg. v. Michael Sauer, Klett, Stuttgart 2017. Große Deutsche Kunstausstellung 1941 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Ausst.kat., Bruckmann, München 1941. Haarer, Johanna: Mutter, erzähl von Adolf Hitler! – Ein Buch zum Vorlesen, Nacherzählen und Selbstlesen für kleinere und größere Kinder, Lehmann Verlag, München 1939. Haus der Deutschen Kunst (Hg.): Große Deutsche Kunstausstellung 1941, 20 Gemälde aus der Großen Deutschen Kunstausstellung 1941 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Verlag Heinrich Hoffmann, München 1941. Haus der Deutschen Kunst (Hg.): Große Deutsche Kunstausstellung 1942, 16 Gemälde aus der Sonderschau Karl Leipold, gezeigt in der Großen Deut-
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schen Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Verlag Heinrich Hoffmann, München 1942. Helwich, Othmar: Senta – sonnige Jungmädchenbilder, Verlag Dr. Othmar Helwich, Wien 1944. Heydecker, Joe J.: Das Hitler-Bild – Die Erinnerungen des Fotografen Heinrich Hoffmann, aufgezeichnet und aus dem Nachlass von Joe J. Heydecker, Residenz-Verlag, St. Pölten/Salzburg 2008. Hitler, Adolf: Mein Kampf, 139.-140. Auflage, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1935. Hitler in Italia – Hitler in Italien, Maggio XVI, Ministero della Cultura Popolare, Direzione Generale della Propaganda, Società Editrice di Novissima, Rom 1938. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Achse Berlin–Rom, [Verlag Heinrich Hoffmann, München] [1938]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Adolf Hitler, Bilder aus dem Leben des Führers, 1000.-1100. Tsd., Cigaretten-Bilderdienst, Hamburg o.J. [1936]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Adolf Hitler, Bilder aus dem Leben des Führers, 1201.-1300. Tsd., Cigaretten-Bilderdienst, Hamburg o.J. [1936]. Hoffmann, Heinrich (Hg.), Hitler, Adolf: Aquarelle, Verlag Heinrich Hoffmann, München 1935. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Das Antlitz des Führers, 1.-200. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1939. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Der Triumph des Willens – Kampf und Aufstieg Adolf Hitlers und seiner Bewegung, Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933].
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Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Deutscher Osten – Land der Zukunft: Ein Ruf des Ostens an die Heimat, 101.-160. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München 1942 [unter Mitarbeit von Atto Retti-Marsani]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Deutschlands Erwachen in Bild und Wort, Photobericht Hoffmann, München 1924. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Die Olympischen Spiele 1936, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1936. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Die Weltausstellung Paris 1937, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler abseits vom Alltag, 26.-50. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1937. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler baut Großdeutschland – Im Triumph von Königsberg nach Wien, 81.-105. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1938]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler befreit Sudetenland, 51.-65. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin [1938]. Hoffmann, Heinrich: Hitler e la gioventù, ins Deutsche übersetzt von Ermanno Giunchi, Editrice Sentinella d’Italia, Monfalcone 1989. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler holt die Saar heim, 1.-25. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1938. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler in Böhmen, Mähren, Memel, 1.-50. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1939. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in Italien, 1.-50. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München 1938. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in Italien, 51.-60. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München o.J. [1938].
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Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in seinen Bergen, 86 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 1.-20. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in seinen Bergen, 86 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 31.-40. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler in seiner Heimat, 101.-150. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1938]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler, Mussolini – Der Staatsbesuch des Führers in Italien 1938, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1938. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler über Deutschland, Verlag Franz Eher Nachf., München 1932. Hoffmann, Heinrich: Hitler was My Friend, hg. und mit einem Vorwort v. Lt.-Col. R.H. Stevens, Burke, London 1955. Hoffmann, Heinrich: Hitler was My Friend, mit einer Einführung v. Roger Moorhouse, Frontline Books, S. Yorkshire 2011. Hoffmann, Heinrich: Hitler wie ich ihn sah – Aufzeichnungen seines Leibfotografen, hg. und mit einem Vorwort v. Henriette Hoffmann, Herbig, München/Berlin 1974. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, [ohne Angabe der Auflage], ZeitgeschichteVerlag, Berlin o.J. [1932; vermutlich 1933 – C.I.]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 121.-130. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 161.-180. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933].
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Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 201.-220. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 221.-230. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1933; vermutlich 1934 – C.I.]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 241.-250. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [vermutlich 1934 – C.I.]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 251.-260. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 Bild-Dokumente aus dem Leben des Führers, 271.-280. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1938; vermutlich 1935 – C.I.]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 BildDokumente aus dem Leben des Führers, 351.-400. Tsd., ZeitgeschichteVerlag, Berlin o.J. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 BildDokumente aus dem Leben des Führers, 401.-420. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München o.J., [vermutlich 1943 – C.I.] Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 BildDokumente aus dem Leben des Führers, 401.-420. Tsd., ZeitgeschichteVerlag, Berlin, o.J. [1942; vermutlich aber 1943: Der Band weist eine Korrektur auf, die in dem vorangehenden noch nicht enthalten ist, deshalb ist dieser vermutlich nach jenem im Verlag Hoffmann erschienen – C.I.]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Hitler wie ihn keiner kennt, 100 BildDokumente aus dem Leben des Führers, 426.-448. Tsd., Verlag Heinrich Hoffmann, München o.J. [vermutlich 1943 – C.I.].
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Hoffmann, Heinrich jun./Zoglmann, Siegfried: Jugend erlebt Deutschland, Verlag für soziale Ethik und Kunstpflege, Berlin [1936]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 1.-30. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1934]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 91.-100. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1935 oder 1936]. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 101.-110. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1936]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 141.-165. Tsd. Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1938]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 166.-185. Tsd. Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 186.-210. Tsd. Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Jugend um Hitler, 120 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers, 211.-260. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin o.J. [1939 oder 1940]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Kunst dem Volk – Monatsschrift für Bildende Kunst, Sonderheft zum 20. April 1943, Wehrmachtsausgabe, Verlag Heinrich Hoffmann, Wien 1943. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Kunst dem Volk – Monatsschrift für Bildende und Darstellende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk, 10. Jg.,
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Folge 8 (August 1939), Sonderheft Große Deutsche Kunstausstellung, Teil II, Verlag Heinrich Hoffmann, Wien 1939. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Mit Hitler in Polen, 1.-50. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1939. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Mit Hitler in Polen, 276.-300. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin [1939]. Hoffmann, (Prof.) Heinrich (Hg.): Mit Hitler im Westen, 1.-100. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1940. Hoffmann, Heinrich (Hg.): München – Hauptstadt der Bewegung, RaumbildVerlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Mussolini erlebt Deutschland, [ohne Angabe der Auflage], Verlag Heinrich Hoffmann, München 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Reichsparteitag der Arbeit, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Reichsparteitag der Ehre, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1936. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Tag der Deutschen Kunst, Raumbild-Verlag Schönstein, Dießen am Ammersee 1937. Hoffmann, Heinrich (Hg.): Wen soll ich wählen? Ein Ratgeber für Unbelehrbare, [o.V.], München 1924. Hoppé, E.O.: Hundred Thousand Exposures – The Success of a Photographer, Einführung von Cecil Beaton, The Focal Press, London 1945. Il Führer in Italia, Edizione Speciale della Agenzia Stefani, o.O., 1938. Illustrierter Beobachter 30.06.1934 (9. Jg.) Nr. 26, Franz Eher Nachf., München 1934.
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Illustrierter Beobachter, Sonderausgabe: Adolf Hitler, ein Mann und sein Volk, Franz Eher Nachf., München 1936. Illustrierter Beobachter 17.04.1941 (16. Jg.) Nr. 16, Franz Eher Nachf., München 1941. Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbunds Film und Foto, 18.05.07.07.1929, Ausst.kat., Deutscher Werkbund, Stuttgart 1929. International Military Tribunal: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1947. Kissinger, Henry: White House Years, Little, Brown and Company, Boston/Toronto 1979. Kissinger, Henry: Years of Upheaval, Weidenfeld and Nicolson and Michael Joseph, London 1982. von Lang, Jochen (Hg.)/Fest, Joachim/Hoffmann, Heinrich: Hitler, Gesichter eines Diktators, Bilddokumentation, Herbig, München 2005. von Lang, Jochen (Hg.)/Picker, Henry/Hoffmann, Heinrich: Hitlers Tischgespräche im Bild, Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg 1969. Lorant, Stefan: FDR – A Pictorial Biography, Simon and Schuster, New York 1950. Lorant, Stefan: Ich war Hitlers Gefangener – Ein Tagebuch 1933, dtv, München 1987 [englische Erstausgabe 1935, deutsche Erstausgabe 1985]. Lorant, Stefan: Lincoln. A Picture Story of his Life, Harper and Brothers, New York 1952. Lorant, Stefan: Sieg Heil – Hail to Victory – an illustrated History of Germany from Bismarck to Hitler, WW Norton & Company, New York 1974. Massani, Giuseppe: Duce e popolo, Il Rubicone, Rom 1942.
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Salomon, Erich: Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken, J. Engelhorns Nachf., Stuttgart 1931. Sander, August: Antlitz der Zeit – 60 Aufnahmen Deutscher Menschen des 20. Jahrhunderts, Transmare-Verlag, München 1929. Sarfatti, Margherita G.: Mussolini – Lebensgeschichte, nach autobiographischen Unterlagen, hg. von Alfred M. Balte, Paul List Verlag, Leipzig 1926. Schaffing, Ferdinand (Hg.)/Baumann, Ernst/Hoffmann, Heinrich: Der Obersalzberg, Brennpunkt der Zeitgeschichte, Langen Müller, München 1985. von Schirach, Baldur: Die Hitlerjugend, Idee und Gestalt, 1.-75. Tsd., Zeitgeschichte-Verlag, Berlin 1934. von Schirach, Baldur: Revolution der Erziehung, Reden aus den Jahren des Aufbaus, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1938. von Schirach, Henriette: Preis der Herrlichkeit, Limes Verlag, Wiesbaden 1956. Schott, Georg: Das Volksbuch vom Hitler, 61.-70. Tsd. [12. Auflage], Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1939 [Erstausgabe 1924]. Sears, Rob: The Beautiful Poetry of Donald Trump, Canongate, Edinburgh 2019 [Erstausgabe 2017]. Siebarth, Werner: Hitlers Wollen, nach Kernsätzen aus seinen Schriften und Reden, 31.-35. Tsd., Franz Eher Nachf., München [1939]. Souza, Pete: Images of Greatness: An Intimate Look at the Presidency of Ronald Reagan, Triumph Books, Chicago 2004. Souza, Pete: Obama, an Intimate Portrait – The Historic Presidency in Photographs, Little, Brown and Company, London 2017. Souza, Pete: The Rise of Barack Obama, Triumph Books, Chicago 2008.
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Stenger, Erich: Die Photographie in Kultur und Technik, mit einem Vorwort von Heinrich Hoffmann, Verlag E.A. Seemann, Leipzig 1938. Stiehler, Annemarie: Die Geschichte von Adolf Hitler, Verlag des Hauslehrers, Berlin-Lichterfelde [1938]. Stiewe, Willy: Das Bild als Nachricht – Nachrichtenwert und -Technik des Bildes, Duncker, Berlin 1933. Stiewe, Willy: So sieht uns die Welt – Deutschland im Bild der Auslandspresse, Deutsche Rundschau, Berlin [1933]. The Fifty-Third Annual Exhibition of the Royal Photographic Society of Great Britain, The New Gallery, Regent Street, London, W., September 17th to October 24th, 1908, Illustrated Catalogue, Royal Photographic Society of Great Britain, London 1908. Theuermeister, Albert Robert: Ein Kampf für Deutschland – Kleine Bilder aus dem Leben und Schaffen des Führers, der Jugend erzählt, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a.S., o.J. Vené, Gian Franco: Io Hitler – La prima biografia fotografica del capo del nazismo con documenti inediti e brani delle sue opere, Alberto Peruzzo Editore, Sesto San Giovanni 1982. Wir arbeiten bei Junkers – Ein Bildbericht vom praktischen Sozialismus eines deutschen Industriewerkes im Kampf um das neue Europa, Sonderdruck für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Aktiengesellschaft, Verlag Heinrich Hoffmann, München 1943. Zeiten und Menschen – Die geschichtlichen Grundlagen der Gegenwart, 1776 bis heute, G2, Schöningh/Schroedel, Paderborn/Hannover 1970. Zeiten und Menschen – Entfaltung und Krise der modernen Welt, vom Zeitalter der bürgerlichen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Neue Ausgabe G, hg. v. Wilhelm Borth und Eberhard Schanbacher, Schöningh/Schroedel, Paderborn/Hannover, 1986.
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Weitere Quellen Brief von Detlef Orlopp an die Autorin, 01.11.2017.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
States of America, Appellant-Cross-Appellee, v. Billy F. Price, et al., Appellees-Cross-Appellants, Nov. 20, 1995. www.ca5.uscourts.gov/opinions %5Cpub %5C93/93-02564.CV0.wpd.pdf, zuletzt aufgerufen am 25.02.2018.
Ephemera Hanne Darboven, Aufklärung, Begleitheft zur Ausstellung im Haus der Kunst, München 2015. Herz, Rudolf: Zugzwang, Broschüre anlässlich der Ausstellung ›Mirroring Evil. Nazi Imagery/Recent Art‹, The Jewish Museum, New York 2002.
Filmografie Babylon Berlin (D 2020, R: Tom Tykwer, Achim von Borries, Henk Handloegten), Serie, 3. Staffel, basierend auf dem Roman »Der stumme Tod« von Volker Kutscher, Produktion: X Filme Creative Pool, ARD Degeto Film, Sky Deutschland, WDR, Beta Film, zuletzt aufgerufen über Sky Ticket am 23.04.2020. Berlin – die Sinfonie der Grossstadt (D 1927, R: Walther Ruttmann), Produktion: Fox-Europa-Produktion, 35mm, Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. Das Zeugenhaus (D 2014, R: Matti Geschonneck), nach dem gleichnamigen Buch von Christiane Kohl, Drehbuch: Magnus Vattroth, Produktion: Oliver Berben, ZDF, 24.11.2014, 111 Min. Hiroshima mon amour (F 1959, R: Alain Resnais), Drehbuch und Dialoge: Marguerite Duras, Produktion: Argos Films, Fassung: DVD, Concorde, München 2005, 86 Min. Hitler, ein Film aus Deutschland (D/F/GB 1977, R: Hans Jürgen Syberberg), Drehbuch: ders., Produktion: TMS Film/Bernd Eichinger, Fassung: DVD-Box »Syberberg – Deutsche Trilogie«, Filmgalerie 451, Berlin 2007, 442 Min.
LITERATUR
Lieber Onkel Hitler – Briefe an den Führer (D 2010, R: Mathias Heide/Michael Kloft), Buch: dies., unter Nutzung von: Eberle, Henrik (Hg.): Briefe an Hitler, ein Volk schreibt seinem Führer, unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven – zum ersten Mal veröffentlicht, Lübbe, Bergisch Gladbach 2009, Produktion: Spiegel TV Media, im Auftrag vom MDR in Zusammenarbeit mit Arte und NDR, 25.04.2010, 59 Min. Schatten über München – Der Aufstieg Adolf Hitlers (D 2015, R: Steffi Illinger), Autorin: Barbara Schepanek, [Produktion:] ARD-alpha, Erstausstrahlung im Kontext eines Themenabends zur Neuedition von Hitlers »Mein Kampf« am 16.01.2016, 45 Min. Schlagworte – Schlagbilder. Ein Gespräch mit Vilém Flusser (D 1986, R: Harun Farocki), Buch, Kommentar, Interview: ders., Produktion: WDR Köln, West 3, Fassung: DVD-Box »Harun Farocki – Filme 1967-2005«, Absolut Medien, Fridolfing 2009, 13 Min. Triumph des Willens (D 1935; R: Leni Riefenstahl), Drehbuch: dies., Walt[h]er Ruttmann, Produktion: Leni Riefenstahl, Reichsparteitagfilm der L.R. Studio-Film, Berlin, 114 Min. [Schreibvariante von Ruttmanns Vornamen; Anm. d.A.].
Audio-Beiträge Schreiber, Justina: Lieber guter Onkel Hitler – Das blonde Mädel Bernile Nienau (D 2013), Produktion: Bayerischer Rundfunk München, gesendet in der Reihe »Land und Leute« bei Bayern 2 am 27.10.2013, Fassung: BR Mitschnitt, Bayerischer Rundfunk 2016, 28.22 Min.
Ausstellungen (nach Jahren sortiert) Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NS-Kunstraub und die Folgen, Bundeskunsthalle, Bonn, 03.11.2017-11.03.2018. Kuratiert von Rein Wolfs und Agnieszka Lulińska unter Mitarbeit von Lukas Bächer; wissenschaftliche Arbeitsgruppe: Andrea Baresel-Brand, Meike Hopp, Birgit Schwarz. Alexander Kluge – Pluriversum, 15.09.2017-07.01.2018, Museum Folkwang, Essen. Kuratiert von Anna Fricke.
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Hanne Darboven – Aufklärung, Haus der Kunst, München, 18.09.201514.02.2016. Kuratiert von Okwui Enwezor und Anna Schneider. Hanne Darboven – Zeitgeschichten, Bundeskunsthalle, Bonn, 11.09.201517.01.2016. Kuratiert von Rein Wolfs und Susanne Kleine. Bodenlos – Vilém Flusser und die Künste, ZKM Karlsruhe, 15.08.-18.10.2015, sowie Akademie der Künste, Berlin, 19.11.2015-10.01.2016. Kuratiert von Siegfried Zielinski und Baruch Gottlieb mit Peter Weibel. Gisèle Freund – Fotografische Szenen und Portraits, Akademie der Künste, Berlin, 23.05.-10.08.2014. Idee und Konzept von Gabriele Kostas und Janos Frecot, Realisierung unter Mitarbeit von Lorraine Audric. Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material, Museum für Gegenwartskunst Siegen, 02.12.2012-03.03.2013. Kuratiert von Eva Schmidt. Bild-Gegen-Bild, Haus der Kunst, München, 10.06.-16.09.2012. Kuratiert von Patrizia Dander, León Krempel, Julienne Lorz, Ulrich Wilmes. Typographie des Terrors – Plakate in München 1933 bis 1945, Münchner Stadtmuseum, 11.05.-11.11.2012. Kuratiert von Thomas Weidner. Atlas – How to Carry the World on One’s Back? ZKM – Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, 07.05.-07.08.2011. Kuratiert von Georges DidiHuberman.
Konferenzen, Tagungen und Vorträge (nach Jahren sortiert) Arbeit am Bild – Otto Steinert und die Felder des Fotografischen, Museum Folkwang Essen, 27.-28.11.2015. Valenzen fotografischen Zeigens, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (DFG/GRK »Fotografisches Dispositiv«), 02.-03.07.2015. Corpusbildung in der Fotografieforschung, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (AG Fotografieforschung der Gesellschaft für Medien-
LITERATUR
wissenschaft und DFG/GRK »Fotografisches Dispositiv«), 21.05.2015 (Teilnahme mit Vortrag). Vortrag Bernd Stiegler: »Visuelle Alphabetisierung. Das Photo-Buch in den 1920er Jahren und 1930er Jahren«, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 03.03.2015. Gedruckt und erblättert – Das Fotobuch als Medium ästhetischer Artikulation seit den 1940er Jahren, Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) München, 17.-18.10.2014. Fotografisches Handeln, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (DFG/GRK »Fotografisches Dispositiv«), 10.-11.07.2014. Schwellenraum Fotobuch – Mediengeschichte, Druckkultur, Gesellschaftsanalyse (DFG), Universität Bamberg, Lehrstuhl für Literatur und Medien, 21.-23.11.2013. Neue Tendenzen in der Photographiegeschichte, Tagung der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), Museum für Fotografie, Berlin, 01.02.11.2013 (Teilnahme mit Vortrag). Enthusiasm VII – Landschaft: Krieg, Vortragsabend im Rahmen des Duesseldorf Photo Weekend, Düsseldorfer Schauspielhaus, 02.02.2013 (Teilnahme mit Vortrag). Fotografie. Geschichte ihrer ideologischen Funktion – öffentlicher Workshop der Universität Siegen (Lehrstuhl Kunstgeschichte, Joseph Imorde) anlässlich der Ausstellung »Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material«, Museum für Gegenwartskunst Siegen, 25.-26.01.2013. Image Counter Image, Symposium anlässlich der Ausstellung »Bild-GegenBild« im Haus der Kunst, München, 09.06.2012. Die Wirksamkeit der Bilder, Summer-School, Eikones – NFS Bildkritik Basel, 22.-27.08.2010 (Teilnahme mit Vortrag).
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Hitlers Fotograf. Heinrich Hoffmann und die nationalsozialistische Bildpolitik
Websites http://bildarchiv.bsb-muenchen.de/ https://www.bsb-muenchen.de/sammlungen/bilder/fotoarchive/#c2362 https://www.eohoppe.com/ www.fotoerbe.de/ www.gdk-research.de/ www.hbk-bs.de/forschung/graduiertenkolleg-das-fotografische-dispositiv/ www.historisches-lexikon-bayerns.de/ www.illustrierte-presse.de/ https://search.ancestry.com/ www.usmbooks.com/ Die Nennung dieser Website dient einzig dem Nachhalten des in der vorgelegten Arbeit ausgewiesenen Zitats, vgl. Kap. Nachbildung, 1 [Anm. d.A.]. www.zi.fotothek.org/
Abkürzungen Anm. d.A. Anmerkung der Autorin C.I. Christina Irrgang Fn. Fußnote Herv. d.A. Hervorhebung der Autorin Herv. i.O. Hervorhebung im Original Kap. Kapitel (der vorliegenden Arbeit) MS Manuskript
LITERATUR
o.A. ohne Autorenangabe o.J. ohne Jahresangabe o.O. ohne Ortsangabe o.S. ohne Seitenangabe Tsd. Tausend Die Abkürzung »vgl.« findet in der vorliegenden Arbeit auch im Kontext des Verdeutlichens und Nachhaltens von Bild-Text-Gefügen Verwendung. Sollten Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber übersehen worden sein, bittet die Autorin um Nachricht.
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Medienwissenschaft Pablo Abend, Annika Richterich, Mathias Fuchs, Ramón Reichert, Karin Wenz (eds.)
Digital Culture & Society (DCS) Vol. 5, Issue 1/2019 – Inequalities and Divides in Digital Cultures 2019, 212 p., pb., ill. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4478-4 E-Book: 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4478-8
Christoph Engemann, Andreas Sudmann (Hg.)
Machine Learning – Medien, Infrastrukturen und Technologien der Künstlichen Intelligenz 2018, 392 S., kart. 32,99 € (DE), 978-3-8376-3530-0 E-Book: 32,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3530-4 EPUB: 32,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3530-0
Geert Lovink
Digitaler Nihilismus Thesen zur dunklen Seite der Plattformen 2019, 242 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4975-8 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4975-2 EPUB: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4975-8
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Medienwissenschaft Mozilla Foundation
Internet Health Report 2019 2019, 118 p., pb., ill. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4946-8 E-Book: Open-Access-Publication, ISBN 978-3-8394-4946-2
Andreas Sudmann (ed.)
The Democratization of Artificial Intelligence Net Politics in the Era of Learning Algorithms 2019, 334 p., pb., col. ill. 49,99 € (DE), 978-3-8376-4719-8 E-Book: Open-Access-Publication, ISBN 978-3-8394-4719-2
Gesellschaft für Medienwissenschaft (Hg.)
Zeitschrift für Medienwissenschaft 22 Jg. 12, Heft 1/2020: Medium – Format April 2020, 224 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4925-3 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, ISBN 978-3-8394-4925-7 EPUB: ISBN 978-3-7328-4925-3
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